im Felde, 21. Juni 1943

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Mein geliebtes Mädel !

Auf Sonntag hats ja nun nicht mehr gereicht
mit Deinem Brief, aber er kam mir auch noch am
Montag recht. Ich habe mich ja so gefreut, als ich Deinen
lieben langen Brief sah, und ich danke Dir recht herzlich
dafür. Auf Mitternacht wurde ich geweckt, bis 2 Uhr
habe ich Posten, und also gerade schön Zeit, um ihn
Dir zu beantworten.

Ich glaube ja schon, daß Du kaum noch nach kommst
mit Schreiben. Aber daß Du deswegen nicht aus-
gehst, will ich dann auch nicht. Du mußt doch
auch einmal in der Woche etwas anderes sehen
und hören. Kannst ja dann an dem Tag nur
einen kurzen, lieben Gruß senden. Hoffetnlich hats
am Sonntag mit Deiner Fahrt nach Hause geklappt.
Ich würde mich mit Dir freuen. Etwas Abwechslung
mußt Du doch haben.

Ja, Erika, daß es nun bis Ende August nichts wird,
schrieb ich Dir ja inzwischen. Aber nicht traurig sein
deswegen, Liebchen ! Es wird auch später
noch schön werden, und bis Oktober kannst
Du doch mit größerer Sicherheit Urlaub erhalten,
nicht wahr ? Wegen der Fahrt nach Stuttgart
machst Du Dir Kopfschmerzen, Du kleine Schwarz-
seherin. Du sollst doch nicht immer schwarz sehen,
und überhaupt in einer Sache, wo es ganz
und gar unnötig ist. Denn
erstens: Nehme ich Dich nicht nach Stuttgart,
um dort anzufragen, ob ich Dich heiraten soll

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oder darf, da frage ich nämlich niemand, das
muß man schon selbst wissen. Sondern weil
die Eltern dort auch einen Anspruch darauf haben,
ihre künftige Schwiegertochter vorher einmal zu sehen.
Außerdem bin ich 4 Jahre Soldat, muß also schon
einen Teil meines so seltenen Urlaubs zu
Hause verbringen.
Zweitens habe ich unseren Besuch meinen Eltern schon oft
geschrieben, und meine Mutter schrieb mir
in ihrem letzten Brief aus dem Krankenhaus, daß
sie sich sehr freut, daß Erika mitkäme.
Drittens wird, wenn schon beurteilt wird, bei
uns das Mädchen nach der Tüchtigkeit und An-
ständigkeit beurteilt, und sonst nach nichts,
da brauchst Du doch keine Angst haben.
Viertens wirst Du nie groß angesehen, selbst dann,
wenn ich vorher nie etwas gesagt oder geschrieben
hätte. Aber ich erzählte ja schon im letzten Urlaub,
daß das nächste Mal Du dabei bist.
Fünftens: Und wo nun Du das Empfinden doch
hättest, dann würdest Du das doch zuerst
mir sagen, und nicht ohne mich abreisen.
Wenn wir reisen, reisen wir nur zu zweit !
Soviel Anspruch erhebe ich nun schon auf Dich,
ich nenne Dich doch nicht umsonst "mein".

Bist Du nun zufrieden, mein kleines, dummes
Schatzenbutzerle ?! Du sollst und darfst Dir
doch keine Gedanken, gar Sorgen wegen unserer
Reise machen, sondern sollst Dich nur freuen.

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In ein paar Jahren, wenn Du schon längst meine Frau
bist, wirst Du darüber lachen.

Daß wir nach Berlin gehen, sagte ich ja schon zu,
und in Ebenrode werden wir uns am Besten
treffen. Aber so lange aufhalten kann ich mich
dort nicht, wir müssen weiter nach Süden, und
Du wirst staunen, wie schön wir es in Stuttgart
haben werden. Onkels und Tanten habe ich doch
nicht, wir werden auch in Stuttgart viel allein
sein, vor allem bei schönem Wetter große
Wanderungen machen. Wir kommen gerade zur
Wein- und Obsternte richtig, Du, das ist in
Württemberg ganz groß ! Daß ich viel Menschen
nie leiden mag, das weißt Du ja, und meine
Eltern tragen dem Rechnung.

Aber am allermeisten, außer dem Wiedersehen zu
Hause, freut mich doch dann unsere kleine Reise,
die wir an einem hübsch gelegenen Ort
machen werden. Denn während dieser Zeit gibt
es für mcih nur noch eines auf der Welt:
das bist Du, meine Liebste !

Ob wir morgens in der Früh fröhlich unser Früh-
stück einnehmen, ob wir mittags hoch oben auf
einem Berg unsere Rast machen, ob ich abends
in der Gaststube beim Lichterschein Deine Hand
in der meinen halte und das Strahlen Deiner Augen
sehe, oder ob ich vor dem Schlafen die Süßigkeit
Deiner Lippen zu spüren bekomme in ihrer ganzen
Seligkeit, immer wird das Glück um uns sein.
Auf diese Tage freust Du Dich doch sicher auch, Liebste ?
Dann bist Du ja auch schon meine Braut, durch

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den kleinen goldenen Reif an mich gebunden, und
wenn ich nach dem Urlaub wieder nach Rußland fahren
muß, dann tue ich das in dem beglückenden
Bewußtsein, ein geliebtes Mädchen zu eigen zu haben.
Wenn es doch erst soweit wäre ! Ich freue mich
wie ein Kind auf Weihnachten ! Weißt Du, eigentlich
war es nicht recht, daß wir im letzten Urlaub
so wenig beisammen waren. Aber am 2. Abend
konntest Du mich ja nicht schnell genug loswerden,
damit muß ich Dich später noch öfters aufziehen.
Wenn Du es das nächste Mal wieder so machst,
komme ich nie mehr wieder !!

Aber es wird schon nicht soweit kommen.
An Deine Eltern würde ich ganz gern mal schreiben, aber
weißt, ich bin doch bei Dir zu Hause noch gar nicht
bekannt. Dein Bruder muß mir schon verzeihen, daß
ich Dich so mit Beschlag belege, aber sobald er einmal
eine Braut hat, wird er das verstehen lernen.

Es bedurfte nicht erst des Beförderung-Abends, um an
mein Mädel zu denken. Mein Hauptmann, der
neben mir saß, meinte zu mir, meine Zukünftige
würde sich sicher sehr über die Beförderung freuen.
Weißt Du, wann ich immer an Dich denke ? Vor dem
Einschlafen, und um 22:00 Uhr gehe ich meist in's
Bett, folglich sind um diese Zeit meine
Gedanken fast immer bei Dir. Denkst Du um
diese Zeit auch öfters an Deinen Liebsten ?
Dann werden sich unsere Gedanken kreuzen,
und uns wir, uns wünschen, wird wahr.

Bis zu der Minute, wo mich der Sandmann
endgültig in den Schlaf hinüberfinden
läßt, halte ich dann Dich in den Armen.

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Dein Kopf ruht auf meinem Arm, und ich
beuge mich leicht über Dich und küsse Dich,
einmal fest und einmal zärtlich und zart, die
Augen, die Wangen, Deine Lippen. Warum
wird man nie müde, diesen Gedanken
durchzuführen ? Ich wärm mich am Glanz
Deiner Augen, ich spüre den Durft Deines
Haars, und wenn ich meine Wange um die
Deine schmiege, fühle ich Deine zarte Haut.
So nahe bist Du mir dann, daß ich ganz deutlich
den Schlag Deines Herzens höre.

Oder denke ich weiter, un dsehe Dich als mein
kleines Frauchen schalten und walten, in
unserem eigenen Haus oder im Garten, aber
heute reicht die Zeit nicht mehr, das
mir zu malen.
Es ist fast 2 Uhr, meine Zeit damit um.
Meine Mutter ist jetzt in Erholung in
Oberbayern, es geht ihr noch nicht besonders.
Aber man hat Hoffnung, daß es sich
wieder macht, auf alle Fälle hat der
Zucker nachgelasen. Hoffentlich ist sie
gesund, bis wir nach Stuttgart reisen.
Hier sende ich Dir 2 Luftpostmarken, (für
einen Brief braucht man ja 2 Marken).
Verwahre Sie, im Falle, daß Du einmal
eine eilige Nachricht hast, etwas wegen
Urlaub oder so.

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Halt, da fällt mir noch ein: Daß Du Schwester von
Beruf wirst, möchte ich natürlich nicht haben.
Es hätte doch keinen Sinn. Sag einmal, Du
schreibst doch aber jetzt als Absender immer "Schw.",
also nicht mehr Helferin, bist Du denn als
"Reservistin" befördert worden, oder was ist
los ? Aber so sehr ehrgeizig sollst Du ja nicht
sein, mir ist das ganz egal, ob ich eine
Helferin, oder eine Oberin heirate.
Meine Leibst, bleibe gesund, und froh
und munter. Und laß Dir zum
Abschied einen langen, zärtlichen Kuß
geben von Deinem Liebsten.

Hoffentlich hast Du überhaupt so viel Zeit,
diesen langen Brief zu lesen!

Wann bekommt Ihr denn immer Eure Post ?


 

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