im Felde, 19. Mai 1943

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Meine Liebste !

Heute Abend erhielt ich Deine lieben
Zeilen vom 10. 5. 43. Sie freuten mich sehr,
ich entnehme ihnen, daß Deine Stimmung
wieder etwas gehoben worden ist, in Deinem
vorhergehenden Brief war Dein Stimmungs-
barometer ja auf den Nullpunkt. Du hast
schon recht, Erika, alles geht weiter, und
es kommen wieder einmal Stunden,
wo dies im Glück des Augenblicks alles,
alles vergessen ist. - Auch für Deine Geburts-
tagskarte herzlichen Dank ! Sie kam zwar
etwas spät, denn Du hast den
Tag meiner Geburt um 10 Tage zurück-
verlegt, aber gute Wünsche kommen nie zu
spät, und ich freute mich dann auch herzlich
über Dein Kärtchen. Wenn wir doch erst einmal
einen Geburtstag miteinander feiern können !
Wann es Urlaub gibt, ist bei uns Staatsge-
heimnis bis zur letzten Stunde. Aber ich
rechne bestimmt bis ca. 20. August, und
es wird das Beste sein, wenn Du auf
diesen Tag eingibst. Bekomme ich dann
ein paar Tage vorher oder nachher, dann
kommen wir immer noch zusammen, und
sei es nur eine Woche. Wenn ich dann

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noch nach Grodno käme, hätte ich denn
dort Gelgenheit, ein paar Tage irgendwo
in einem Hotel wohnen zu können,
und Dich dann auch zu sehen ? Schreibe
mir doch darüber, dann kann ich das
immer noch tun, wenn alle Stränge
reißen. Sehen werden wir uns, Erika,
mag es gehen, wie es will. Aber ich
hoffe immer noch das Beste, und daß es
mit unserem gemeinsamen Ferienglück
klappen wird. Laß nur den Mut nicht
sinken, mein Mädel, es wird schon gehen.

Daß Du wieder mitten drin in der Arbeit
stehst, kann ich mir vorstellen, in der
Hinsicht habe ich es bedeutend besser.
Beim Schreiben halte ich es wie Du, da
kommst zuerst Du und dann meine
Eltern, und dann so ziemlich nichts
mehr. Die Briefe an Dich sind mir die
liebste Abwechslung, sie ersetzen eine
kleine Plauderstunde ! Nur daß mein
Mädel, genau wie in Wirklichkeit,
wenn ich bei ihr sitze, sich manchmal
etwas ausschweigt, aber ihre Augen
leuchten oft auf, und das gibt mir
Mut genug, ihr etwas zu erzählen.

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Man sagt ja, Mädchen, vor allem verheiratete
Frauen sprechen gern etwas viel, aber viel-
leicht machst Du da eine rühmliche Aus-
nahme ?!? Na, wir werden ja sehen.
Also, Spaß muß sein, aber ob Du viel
plapperst, oder still bleibst, Du bist mir
immer so lieb, wie Du bist. An diese
Worte kannst Du mich auch einmal
in 10 Jahren erinnern, Du hast es ja
jetzt sogar schwarz auf weiß.

Weißt Du, was ich mir ausgemalt habe ?
Wenn Du einmal mein kleines
Frauchen bist, dann wollen wir uns
jeden Abend vor dem Einschlafen einen
Gute-Nachtkuß geben, und wenn wir beide
100 Jahre alt werden. Einverstanden ?
Das hat nämlich den Vorteil, daß damit
jeder Verdruß, den auch die besten Eheleute
einmal haben könnten, von selbst in
Nichts verrinnt und wir immer und ewig
die besten Kameraden bleiben. Es gibt
wohl nichts Schlimmeres und Süßlicheres,
als wenn Mann und Frau öfters miteinander
zanken, und oft wegen kleinen Anläßen.
Durch unseren Abendkuß wäre dem allem

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für immer ein Riegel vorgeschoben, denn
wer sich küßt, kann sich nicht mehr
länger gram sein. Was für Gedanken ich
da wieder habe, denkst Du sicher, aber Du kennst mich ja,
in schlechten Zeiten denke ich immer
gern etwas voraus, an eine bessere
Zukunft.

Vielleicht brngen Dir meine Briefe immer
etwas Freude in Deinem arbeitsreichen
Leben, damit wäre ihr ganzer Zweck
erfüllt. Lebe Wohl, geliebtes Mädel,
bleibe gesund. In Gedanken
grüßt und küßt Dich von
ganzem Herzen
für immer
Dein Siegfried.


Der nächste Brief erscheint am 20. Mai 2013, 20:00 Uhr

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