im Felde, 07. Juni 1943

Feldpost 1943-06-07 S1.jpg

Meine Liebste !

Heute soll es ein rechter Sonntagsbrief an Dich werden, denn
im wahren Sonntagsfrieden sitze ich hier und denke und
schreibe an Dich. Gestern noch marschierte ich ca 40 km mit
20 Mann zu einem Arbeitskommando, und als ich totmüde
nach Hause kam, hieß es gleich vor auf die b-Stelle,
das ist unsere Beobachtungsstelle vorn im Graben der
Infanterie, und 4 km zu marschieren. Aber ich wurde sehr
angenehm enttäuscht: Zwar liegen wir mit 5 Mann
(außer mir ein Offizier und 3 Gefreite) in einem engen
Bunker, aber es ist sehr nett und, was das Wichtigste ist, wir
haben vor allem Dienst absolute Ruhe. Unsere ganze
Arbeit ist das Beobachten der russischen Linie durch das
Schwanfernrohr, und das fällt nachts aus, da man ja
doch nichts sieht. So können wir also in den 14 Tagen,
in denen wir oben sind, schlafen und lesen und
schreiben nach Herzenslust, und die Russen verhalten
sich hier sehr ruhig, es ist nicht viel los. Vorher
schaute ich 5 Minuten 2 russischen Offizieren auf ihrem
Rundgang zu (?). Durch das Fernrohr waren sie zum
Greifen nahe, und doch immerhin 1,5 km entfernt. Das
Beobachten ist insofern ganz interessant. Und nun
sitze ich auf unserem Vorplätzchen hinter unserem
Bunker und schreibe an Dich. Richtige Sonntagsfreude

Feldpost 1943-06-07 S2.jpg 

herrscht hier, nur die Schnacken setzen mir etwas zu,
und so rauche ich, das Mückennetz über dem
Kopf, zur Abwehr eifrig Zigaretten von Deiner Seindung
an mich, die ich gestern erhielt und dür die ich
Dir herzlich danke. Erhaltet hr denn hier und da
auch Zigaretten ?

Jetzt erhalten wir die Post einen Tag später. Zum Sonntagsbrief
von Dir, meiner Erika, kann ich also nicht mehr kommen
Ich warte schon wieder so auf Nachricht von Dir, Liebe,
Deine lieben Zeilen sind ja hier die ezinzige wirkliche
Abwechslung und Freude für mich. Wenn Du doch bei
mir wärst, meine geliebte kleine Erika. Ich möchte
Dir so gern etwas von meiner Freizeit übermitteln.
Du hast immer so viel Arbeit und Hast. Und wie lange
wird noch dieses lange, ewig lange Getrenntsein
andauern ? Aber ab nächstes Jahr wissen wir wenigstens, daß
wir jede Minute, die ich in Deutschland bin, auf alle Fälle
beisammen sind. In Deiner Nähe, Du Liebe, müßte jede
Minute, jeder Tag zum Feiertag werden, würde ich
mich glücklich fühlen. Wie schön und beruhigend war
immer das Gefühl, Deine lieben Hände so vertrauensvoll
in den meinen zu spüren. Schon damals, am 2. Tag, kam
mir dieses Hände ineinanderlegen wie ein Symbol
vor: Dein für immer. Die Zeit verfliegt ja rasend,
Woche um Woche, und bald wird der Sommer um sein und
für mich die Urlaubszeit da, daß sich das Ganze verzögert,
schrieb ich Dir ja schon, also richte Dich jetzt erst auf
Mitte September ein, und es kann sogar sehr gut
sein, daß es bei mir Oktober wird. Weißt Du, wann ichFeldpost 1943-06-07 S3.jpg

 

an der Reihe bin, weiß ich gut, nur kommt es eben
darauf an, wieviel Urlaubskarten die Batterie zugeteilt be-
kommt, und darin siehts zur Zeit sehr schlecht aus. So
zieht sich dann alles in die Länge. Aber vielleicht wird
die Aussicht je später ich darankomme, desto besser für
Dich, daß Du auch Deinen Urlaub erhältst, nicht wahr,
Erika ? Es muß eben einfach klappen, und wir dürfen
den Mut nicht sinken lassen. Wie oft habe ich doch schon
unser Programm für die Urlaubstage in Gedanken durchge-
gangen und war glücklich dabei. Ganz besonders hübsch
muß unsere Verlobung werden, Liebchen, wo werden wir
sie denn abhalten ? Am Besten gleich am Anfang, wie schön,
wenn ich Dich "meine Braut" nennen darf.

- (Jetzt mußte ich meinen Brief doch unterbrechen, und ein
Räucherfeuer machen, die Stechmücken sind gar zu
lästig !) -

Und wie geht es Dir, Liebste ! Wohl immer gleichbleibend
viel Arbeit, und so manchen Ärger. Aber ich sagte Dir
ja schon oft, nimm Dir nichts so sehr zu Herzen, für
Dich ist doch das alles nicht so wichtig. Warum Du Dich
damals so geärgert hast, schriebst Du mir nicht, und
Du sollst mir doch jeden Kummer mitteilen. Vielleicht
kann ich doch einmal helfen. Du warst damals ja ganz
niedergeschlagen, Liebe. Wenn Du erst meine kleine
Frau bist, soll das nicht mehr vorkommen.

Feldpost 1943-06-07 S4.jpg

Bist Du eigentlich Schwester geworden, auf dem Feldpostpäckchen
stand nur noch Schwester als Absender darauf und dann
wäre ja Deine Beförderung zufällig mit der meinen
zusammengefallen, und mein Glückwunsch käme nicht
zu spät.

Jetzt kochen wir soeben Kaffee, es geht zum Abendbrot.
Laß es Dir gut gehen, mein geliebtes Mädchen,
und vergiß Deinen Soldaten im Osten nicht.
Bleibe vor allem gesund, bis auf ein frohes
Wiedersehen in ein paar Monaten. Einen festen,
lieben, zärtlichen Kuß auf Vorschuß
sendet Dir Dein
Dich immer liebender
Siegfried

Brief wirst Du jetzt von mir genug erhalten, freust
Du Dich darüber ? Ich schreibe, sooft ich kann, und
wenns jeden Tag ist.

Dein Siegfried

 


 

Inhaltspezifische Aktionen