im Felde, 11. Mai 1943

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Meine liebe Erika !

Heute Abend erhielt ich Deinen Brief vom 3.5.43,
ich war sehr froh darüber. Du hast viel, viel
Arbeit gehabt, ich kann mir gut vorstellen,
daß Du da am Abend nicht weißt, wo Dir der
Kopf steht, und keine Lust mehr zum Schreiben hast.
Alle 3 Monate Sonntagsurlaub, das ist ja soviel wie
nichts, da seid Ihr ja die ganze Zeit eingesperrt.

Manchmal könnte ich richtig zornig werden, wenn
ich mir das Ganze so überlege: da ist man
seit Kriegsausbruch an der Front, immer fern
der Heimat, kennt ein Mädel, daß man
heiraten will und hat dabei im Urlaub
kaum Aussicht, mit ihr zusammenzutreffen.
Wie soll man denn überhaupt zum Heiraten
kommen ? Du sagst, ich müßte dann schon
genau angeben, wenn ich Urlaub bekomme, wenn
ich daß nur wüßte. So etwas erfahren wir
einen Tag vorher, und dann ist es noch unge-
wiß. Aber ich kann es ungefähr ausrechnen,
wenn es einigermaßen normal weiter-
geht, komme ich von Ende August bis Anfang
September an die Reihe. Mit dieser Zeit kannst
Du mit großer Sicherheit rechnen, und Dich
dementsprechend darauf vorbereiten.

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Heute Abend mußte ich mich ... über
so manches ärgern, manchmal hat man
doch so genug, daß einem alles gleich ist.
Auch diesen Brief mußte ich für Stunden
unterbrechen, es ist schon wieder bald 23.00,
aber ich will ihn doch zu Ende schreiben,
denn weißt Du, gerade in solchen Momenten
sehne ich mich besonders nach einem lieben
Menschen, bei dem man Freude und Trost
und Vergessen findet. Und das bist Du,
Erika. Dann male ich mir immer wieder das
Zusammensein mit Dir aus. Du kannst
Dir vielleicht gar nicht vorstellen, was der
Urlaub mit Dir zusammen für mich
bedeutet. Er soll nur einmal wochenlang
ganz von der Gegenwart befreien, und wir
zwei wollen nur für uns, für unser
Glück dasein. Wenn ich Dich, mein geliebtes
kleines Mädchen in den Armen halte,
wird alles Schlechte und Böse weit weg
sein, und wir werden uns auf eine
glückliche Zukunft freuen. In diesen
Wochen wollen wir uns noch so nahe
kommen, daß Du nur noch eines sein
kannst für mich: Mein geliebtes Weib.

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Wo wir überall hinfahren werden ? Zuerst werde
ich Dich einmal in Ebenrode erwarten, damit
Du dort auch 2 Tage bei Deinen Eltern sein
kannst. Von dort geht es nach Berlin, den
versprochenen Besuch bei Deiner Schwester zu
machen, sagen wir auch 2 Tage. Dann geht
es schnurstracks nach Stuttgart, zu meinen
Eltern, und dort sollst Du Dich erst einmal
8 Tage umsehen. Du glaubst gar nicht, wie
schön es dor im Sommer ist, und wie
viel Schönes es dort zu zeigen und zu
sehen gibt. Bei schönem Wetter werden wir
dort herrliche Wanderungen machen, bei schlechtem
in's Kino gehen, oder gemütlich zu
Hause bleiben, usw. Und dann noch etwas,
auf das ich mich sehr freue: Ungefähr eine
Woche wollte ich mit Dir in irgend einer
der einsamen, herrlich gelegenen Ortschaften
im Schwarzwald, oder am Bodensee,
oder in's Gebirge gehen. In der herrlichen
Natur wollen wir fröhlich und sorglos
wie die Kinder für uns leben, und dort
werden wir unserer jungen, ungetrübten
Liebe leben. Aber einmal werden dann
auch die Stunden des Glücks um sein.
Wir werden nach Stuttgart zurückkehren, und

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Verlobung feiern, und diese eventuell in
Ebenrode nachfeiern.

Einmal wird dann auch die Stunde kommen,
wo ich Dich auf irgend einem Bahnhof
Ostpreußens zum letzten Mal in den Armen halte,
zum letzten Mal Deine Lippen spüre. Aber
wenn ich Dich aus den Armen lasse, dann
weiß ich, daß das nächstemal Du mir
gehören wirst, daß Du im nächsten Urlaub
mein süßes, geliebtes Weib sein wirst.
Das  wird mir die Kraft geben, der
Stunde der Trennung entgegenzuschauen.

Und einmal muß die Zeit kommen, wo
Du, Liebste, mich nie mehr zu verlassen brauchst,
dann ist das Glück erreicht.

Liebste, lebe wohl, und sei zum
Abschied mit inniger Liebe geküßt,
auf die Stirn, Deine Augen, die lieben,
und eine Seligkeit lang auf Deinen
geliebten Mund.

Auf immer Dein Siegfried.


 

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