Ostpreußische Nachrichten, Folge 12 vom Dezember 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 12 vom Dezember 1954

 

An alle Leser der Ostpreußischen Nachrichten. Wir bitten davon Kenntnis zu nehmen, dass unsere Zeitung „Ostpreußische Nachrichten" ihr Erscheinen mit dem 31. Dezember 1954 einstellt. Wir danken allen Beziehern und Lesern für ihre bisherige Unterstützung.

 

 

Seite 1   Wir Vertriebenen wählen mit am 5. Dezember! Interfraktionelle Zusammenarbeit der vertriebenen Abgeordneten mit dem BLV notwendig

Am 5. Dezember wird in Westberlin das neue Abgeordnetenhaus gewählt. Neben den drei im Abgeordnetenhaus vertretenen großen Parteien stellt sich ein halbes Dutzend anderer Parteien zur Wahl. Von der freien Entscheidung des Wählers erwarten die alten Parteien Bestätigung, die neuen einen Auftrag. In der Hand des Wählers liegt die Bestimmung, wer in den nächsten vier Jahren die Geschicke unserer Westberliner Insel führen soll. Die Vertriebenen, die politisch immer stärker ihren Willen durchsetzen, sollten auch bei dieser Wahl ohne Ausnahme sich an der Abgabe der Stimmen beteiligen - sie sollten ihren Teil zu einer hohen Wahlbeteiligung leisten.

 

Der Berliner Landesverband der Vertriebenen e. V., der überparteiliche Dachverband der in Berlin wohnenden Vertriebenen hatte bereits Anfang November die kandidierenden Parteien aufgefordert, auf aussichtsreiche Stellen ihrer Listen auch Vertriebene zu setzen, die möglichst auch in den Kreisen der Vertriebenenbewegung bekannt sind und hier den Beweis für eine gute Arbeit erbracht haben. Die meisten Parteien sind diesem Appell gefolgt, wie jeder Wähler in den Kandidatenlisten bestätigt finden wird.

 

Es kommt nicht darauf an, welche Partei gewählt wird - es kommt, gerade für uns Vertriebene darauf an, dass gewählt wird und möglichst alle zur Wahl gehen.

 

Wenn das neue Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufgenommen hat, der wir alle Erfolge wünschen, hoffen wir, dass ähnlich dem Muster in Bonn und in westdeutschen Landtagen auch in Berlin eine stärkere Zusammenarbeit der vertriebenen Abgeordneten mit den Verbänden auf interfraktioneller Basis zustande kommt. Das ist unser erster Wunsch an das neue Abgeordnetenhaus

 

 

Seite 1   Foto: Die Wälder unserer Heimat im Schmuck des Winters

 

 

Seite 1   Berliner Abgeordnetenhaus und Vertriebene. Von Dr. A. Rojek, MdA.

Die Legislaturperiode des Berliner Abgeordnetenhauses läuft aus. - Am 5. Dezember wählt Berlin ein neues Abgeordnetenhaus. Es ist daher angebracht, die Tätigkeit des Abgeordnetenhauses einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und zu ergründen, ob Interessen und Belange der Heimatvertriebenen in diesem Parlament genügende Berücksichtigung gefunden haben.

 

Am „Tag der Heimat" im Jahre 1950 setzten wir uns in der Waldbühne in einer feierlichen Kundgebung für unsere Arbeit ein Ziel: Lebensrecht im Westen, Heimatrecht im Osten. Es ging insbesondere darum, den Heimatvertriebenen in Berlin dieselben Rechte zu geben, wie sie die Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik hatten und haben. Wir erstrebten die Gleichstellung.

 

Berlin war damals noch nicht das 12. Land der Bundesrepublik. Aus rechtlichen und politischen Gründen war die Angleichung der Gesetzgebung Berlins an die der Bundesrepublik nicht möglich. Die seinerzeit in der Bundesrepublik für die Heimatvertriebenen gültigen Gesetze, insbesondere das Gesetz zur Minderung dringender sozialer Notstände - das Soforthilfegesetz -, welches wenigstens den größten Notständen unter den Vertriebenen steuern sollte, und welches auch in der Tat in vielen Härtefällen Hilfe brachte, hatten in Berlin keine Geltung.

 

Immer wieder erwies sich gerade in dieser Zeit der Berliner Landesverband der Vertriebenen als der wahre Anwalt der Vertriebenen. Durch seine in den politischen Parteien tätigen Mitglieder wies er immer wieder auf den Notstand der Vertriebenen in Berlin hin. Schon im Jahre 1950 hat das damalige Stadtparlament einen Antrag beschlossen, in welchem der damalige Magistrat beauftragt worden ist, Maßnahmen für die Gleichstellung der Berliner Heimatvertriebenen zu treffen. Das Abgeordnetenhaus hat bereits in den ersten Sitzungen auf Antrag der heimatvertriebenen Abgeordneten einmütig einen Ausschuss für den Lastenausgleich und die sonstigen Vertriebenenangelegenheiten eingesetzt, um jederzeit alle Möglichkeiten der Hilfe für die Vertriebenen auszuschöpfen.

 

Im Herbst 1951 wurde, als durch die Baunotabgabe im Ausgleichsfonds in Berlin eine Million DM angesammelt war, das Berliner Gesetz über die Gewährung von Hausratshilfe beschlossen.

15 933 000,-- DM wurden auf Grund dieses Gesetzes an besonders hart betroffene Vertriebene und Flüchtlinge ausgezahlt.

 

Durch ein Edikt wurden zur Sicherung und Gründung Ihrer Existenz 6,5 Millionen DM an über 1 200 Vertriebene und Flüchtlinge in Kleinkrediten zu einem Zinsfuß von 2,5% gewährt.

 

In der Berliner Regierung wurde zwecks besserer Wahrung der Vertriebenen-Interessen beim Senator für Sozialwesen eine zentrale Flüchtlingsverwaltung mit einer Abteilung für Heimatvertriebene errichtet.

 

Bei der Beratung des für die Heimatvertriebenen so wichtigen Lastenausgleichsgesetzes in Bonn nahmen Berliner Abgeordnete schon an den Beratungen in den Ausschüssen des Bundestages teil, damit die Sonderstellung Berlins in der Bundesrepublik auch weitgehend berücksichtigt wurde.

 

Das Lastenausgleichsgesetz brachte nicht den erwarteten Ausgleich der Lasten. Wir sehen in diesem Gesetz aber einen ersten Schritt zur Verwirklichung der von den Vertriebenen erwarteten sozialen Eingliederung. Das Abgeordnetenhaus nahm daher das Lastenausgleichsgesetz einmütig an. Es ist immerhin interessant festzustellen, dass auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes in Berlin bisher

189 235 000,-- DM ausgezahlt worden sind.

 

Aber nicht nur das Lastenausgleichsgesetz gilt in Berlin, das Abgeordnetenhaus und der Senat in Berlin haben es erreicht, dass alle Gesetze auf dem Vertriebenensektor, die in der Bundesregierung gelten, auch in Berlin rechtswirksam sind. Das gesteckte Ziel der Gleichstellung der Heimatvertriebenen in Berlin mit denen in der Bundesrepublik wohnhaften ist erreicht.

 

Mit großer Genugtuung kann es uns erfüllen, dass im Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses in Berlin, wahrscheinlich dem einzigen Parlament in der ganzen Bundesrepublik bei allen feierlichen Anlässen neben den Fahnen der Bundesländer auch unsere Fahnen, mit dem Trauerflor versehen, wehen.

 

Das Abgeordnetenhaus bringt es also sichtbar zum Ausdruck, dass es im Kampf um unsere Rechte auf unserer Seite steht.

 

Unser Verlangen ist Gerechtigkeit, unsere einzige Waffe das Recht. Feierlich haben wir in unserer Charta der deutschen Heimatvertriebenen vor aller Welt erklärt, dass wir durch das schwere Leid der Vertreibung heute auf Rache und Vergeltung verzichten und jede Gewalt und den Krieg verabscheuen. Eins wollen wir: Dass die von Gott den Menschen gegebenen Rechte auch den Heimatvertriebenen und dem deutschen Volke gewährt werden. Diese natürlichen Grundrechte verpflichten alle zu dieser Forderung. Sie stehen aber auch allen Völkern zu. Weil jedes Volk das Recht auf menschliche, völkische und staatliche Gemeinschaft hat, verlangen wir auch für das deutsche Volk die friedliche Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands, in dem das von Gott den Menschen gegebene Recht auf Heimat gewahrt wird.

 

Ein unteilbares Deutschland soll es sein in einem Europa des Rechts, der Freiheit und des Friedens.

 

 

Seite 2   Und wer gedenkt ihrer?

Auch in Polen warten noch verurteilte deutsche Kriegsgefangene

Der Kriegsgefangenen-Gedenktag hat die Öffentlichkeit erneut auf das tragische Schicksal der immer noch zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen aufmerksam gemacht. Wenn dabei „vom Osten" die Rede war, dachte man wohl allgemein an die Sowjetunion. Viel weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch in den „Volksdemokratien", vor allem in Polen noch Tausende von Gefangenen als „Kriegsverbrecher" zurückgehalten werden.

 

Niemand vermag genau anzugeben, wieviel Deutsche von polnischen Gerichten seit Kriegsende verurteilt worden sind und wie viel von ihnen heute noch leben. Die Zahl von 3000 ehem. Kriegsgefangenen, die immer noch auf einen unbestimmten Entlassungstag warten, dürfte aber eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein. Nach den Unterlagen, die von der Bundesregierung im Jahre 1952 der Kriegsgefangenenkommission der Vereinten Nationen übergeben wurden, sind in Polen und in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten neben 272 444 Vermissten der ehem. Wehrmacht, deren letztes Lebenszeichen aus Polen kam, bis zum 1. Juli 1952 2566 verschollene deutsche Kriegsgefangene ermittelt worden, die heute noch in Polen zurückgehalten werden. Ihre tatsächliche Zahl liegt zweifellos erheblich höher.

 

Das haben die Heimkehrer bestätigt, die das Glück hatten, mit den als Mindeststrafe geltenden 5 Jahren Gefängnis davonzukommen. Der Durchschnitt der von polnischen Gerichten ausgesprochenen Strafen beträgt etwa 10 bis 12 Jahre.

 

Nach sowjetischem Muster sind auch die in Polen verurteilten deutschen Kriegsgefangenen von den Strafvollzugsbehörden, die wie in der Sowjetzone von der Polizei gestellt werden, zur Pflichtarbeit herangezogen worden. Die Bergwerke Oberschlesiens und Bauvorhaben in Warschau waren die Schwerpunkte. Daneben gibt es selbstverständlich in jedem Zuchthaus große Werkstätten, die für den Bedarf der polnischen oder der sowjetischen Armee arbeiten. Die Normen liegen überall sehr hoch, aber selbst Krüppel und Kranke geben sich Mühe, sie zu erfüllen, weil sie sich damit ein Taschengeld und eine bescheidene Zusatzkost verdienen können. Auch an Sonntagen wird gearbeitet und wer das Glück hat, kann im Monat 200 Zloty in Form einer Gutschrift für die Kantine erhalten, im Durchschnitt liegt die Grenze jedoch erheblich niedriger. Und was gibt es dafür? 100 schlechte Zigaretten kosten 17 ZI. Grützwurst minderer Qualität 18 ZI., der sehr begehrte, aber nur selten erhältliche Salzspeck 45 Zloty.

 

Die deutschen Kriegsverurteilten sind - offenbar aus Sicherheitsgründen - über das ganze heute vom Warschauer Regime kontrollierte Gebiet verteilt. Aus Gollnow in Pommern und aus Stuhm/Ostpreußen liegen ebenso wie etwa aus Sieradz in Mittelpolen und aus Ratibor/OS zuverlässige Nachrichten darüber vor, dass in den überall überfüllten Strafvollzugsanstalten noch Deutsche einsitzen. Das gleiche gilt für eine Reihe von Straflagern, vor allem im oberschlesischen Industriegebiet.

 

Aber jene Zeit ist nur noch eine erregende Episode der Vergangenheit, unwirklich und vergessen fast im grauen Alltag des hoffnungslosen Gefängnisdaseins. Auch die Kriegsverurteilten rechnen nicht mehr mit einer Begnadigung. Sie wissen, dass nur der nach Hause kommt, der seine Strafe verbüßt hat. Zwischen dem Gefängnis und der Heimat aber liegt noch ein längerer Aufenthalt im zentralen Entlassungslager Sluzewiec (Vorort Warschaus). Dort werden die Häftlinge unter einigermaßen erträglichen Verhältnissen auf ihre Freiheit „vorbereitet".

 

 

Seite 2   Vertriebene können nicht zustimmen! Das Präsidium des „Bundes der vertriebenen Deutschen" hat folgende Erklärung zum Saar-Abkommen abgegeben:

 

„Das Pariser Abkommen über die Saar muss vom deutschen Standpunkt aus abgelehnt werden. Der Bundeskanzler selbst hat wiederholt erklärt, dass eine Europäisierung der Saar gebunden ist an die Bildung einer echten europäischen politischen Gemeinschaft. Dieser hat aber gerade Frankreich sich versagt.

 

Das Pariser Abkommen über die Saar stellt nur der Form nach ein Provisorium dar. In Wirklichkeit handelt es sich um eine definitive Lösung, und als solche ist das Abkommen auch im Ausland einmütig gewertet worden. Eine Volksbefragung über ein Provisorium ist ein Widerspruch in sich.

 

Durch das Abkommen ist eine Wiederherstellung der politischen Freiheiten an der Saar für die Dauer nicht gewährleistet. Im Übrigen ist es für die westliche Welt beschämend, dass die Wiederherstellung von Recht und Freiheit davon abhängig gemacht wird, dass ein Gebiet mit rein deutscher Bevölkerung und unbestritten deutschem Status auf diese Weise von Deutschland abgetrennt wird. Die vertragliche Sanktionierung eines solchen Unrechts würde dem Frieden nicht dienen, auch dann nicht, wenn sie nur für einen vorübergehenden Zeitraum erfolgte.

 

Die Vertriebenen können einer solchen Regelung nicht zustimmen, da sie dadurch ihr eigenes Recht auf die Heimat in Frage stellen würden, und weil nach ihrer Überzeugung auf diesem Wege die Wiedervereinigung nicht zu erreichen ist. Ihre Besorgnisse in dieser Beziehung sind durch die Tatsache, dass die Bundesregierung ein solches Abkommen unterzeichnet hat, außerordentlich verstärkt worden. Diese Besorgnisse können durch Deklamationen nicht zerstreut werden.

 

 

Seite 2   „Werbt Bauern für Pommern!" Eigener Bericht.

Berlin. Nachdem bereits kürzlich die zur Beeinflussung der kirchentreuen Bevölkerung herausgegebene Warschauer Zeitung „Slowo Powszechne" die polnischen Geistlichen aufgefordert hatte, sich in seelsorgerischen Gesprächen insbesondere um die Gewinnung von Umsiedlern in die „wiedererrungenen Westgebiete" zu bemühen, hat nunmehr die Warschauer Zeitschrift „Kuznica Kaplanska" auf das besondere Erfordernis einer Werbung landwirtschaftlicher Arbeiter zur Umsiedlung nach Pommern hingewiesen.

 

Das für den polnischen Klerus herausgegebene Blatt weist darauf hin, dass besonders „im nordwestlichen Teile Polens, noch viele Bauern angesiedelt werden müssten, und die polnische Geistlichkeit „in den dichter besiedelten Wojewodschaften" möge daher die Umsiedlung nach Pommern „popularisieren". Gleichzeitig hat die „Kommission geistlicher und weltlicher Politiker beim Wojewodschaftskomitee der Nationalen Front zu Breslau" die polnischen Geistlichen aufgefordert, mit den polnischen Neusiedlern in Schlesien engen Kontakt aufzunehmen, „um die Politik der Regierung auf dem Lande zu erläutern". Vor allem sollen die Geistlichen darauf hinweisen, dass niemand zum Eintritt in die Kolchosen gezwungen sei, wenn auch „aus ethischen Gründen" sein „freiwilliger Eintritt" erwartet werde. „Moralische Mängel" aber seien zu bekämpfen und zu brandmarken.

 

 

Seite 2   60 Grundschulen für deutsche Kinder im Bezirk Breslau

Aus dem Bericht der Abteilung Schulwesen der polnischen „Wojewodschafts-Verwaltung" für das Gebiet von Breslau geht hervor, dass in der „Wojewodschaft" gegenwärtig rund 60 Grundschulen für deutsche Kinder existieren, die jedoch größtenteils von polnischen Lehrern betreut werden. Der polnische Bericht, der in dem Mitteilungsblatt der Schulwesen-Abteilung Ende v. M. veröffentlicht wurde, hebt hervor, dass seit Beginn dieses Jahres insgesamt acht neue Schulen für die Kinder der im Breslauer Gebiet zurückgebliebenen Deutschen in Betrieb genommen wurden. Die Schulbücher für diese werden aus der Sowjetzone Deutschlands geliefert.

 

 

 

Seite 2   „Gleichstellung" für die Deutschen in Ungarn

München. Auch in der ungarischen Volksrepublik soll den noch heute dort lebenden ungarländischen Deutschen eine größere Freiheit gestattet werden. Wie von dem Politbüromitglied Acs erklärt wurde, sei die Zeit der Diskriminierung der Deutschen in Ungarn vorüber. Alle Ämter im Staate stünden den Ungarndeutschen offen, wenn sie sich „in das politische Leben eingliederten". Ähnliche Ankündigungen sind auch in den anderen Volksdemokratien, wie der Tschechoslowakei und Polen, gemacht worden.

 

 

Seite 2  Liebe Leser

Die vorliegende Ausgabe ist die letzte Nummer der Gesamtausgabe der „Ostdeutschen Nachrichten". Am 15. Dezember wird die letzte Zwischenausgabe erscheinen, ab 1. Januar 1955 gibt der Berliner Landesverband der Vertriebenen e. V. für die ihm angeschlossenen Landsmannschaften eine neue Zeitung unter dem Titel „Der Vertriebene“ heraus. Der heimatpolitische Referent des BLV gibt Ihnen dazu im Anschluss an diesen Artikel nähere Einzelheiten bekannt.

 

Für uns ist die jetzige Situation Anlass zu einem kurzen Rückblick. Die erste Nummer der „Ostdeutschen Nachrichten" erschien am 1. August 1952 zum „Tag der deutschen Heimat". Sechs Landsmannschaften waren an der Herausgabe beteiligt, zwei von ihnen ließen ihre Mitglieder vierzehntäglich unterrichten.

 

Bedingt durch die Genehmigungspflicht beschränkten wir uns vornehmlich auf die reine Nachrichtengebung und konnten uns nur selten einen Meinungskommentar gestatten. Es ist zu hoffen, dass der neuen Zeitung in dieser Hinsicht die Feder nicht so gebunden ist, denn eine eigenständige Meinung ist nun mal ein Grundpfeiler der Demokratie und als Grundrecht für alle Deutschen im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert.

 

Drei Hauptschriftleiter standen nacheinander im Impressum: Werner Bader, der das Kind aus der Taufe hob; Dietrich Maydorn und zuletzt der Unterzeichnete, dem von der Situation her die Aufgabe zugewiesen worden war, die Sache zum guten Ende zu bringen. Der kleine Kreis der ständigen Mitarbeiter geht über auf die neue Zeitung. Die Leitung der neuen Redaktion geht in neue Hände, da der Hauptschriftleiter der „Nachrichten" mit der Abwicklung seiner Arbeit auf eigenen Wunsch aus dem Redaktionsverband ausscheidet.

 

Ihnen, liebe Leser, ist für Ihre Aufmerksamkeit zu danken, den redaktionellen Helfern, dem Lizenzträger Dr. Hans Matthee, dem Drucker Rudolf Otto und vielen anderen ist für ihre Mitarbeit zu danken. Wir alle hoffen, dass Ihnen ab 1. Januar 1955 „Der Vertriebene" ein treuer Begleiter sein wird. Treu der Heimat! Willi Michael Beutel.

 

 

Seite 2   Der „Vertriebene“ löst „Ostpreußische Nachrichten“ ab

Unser neues Nachrichtenorgan/Von Erich Ludwig

Wenn die „Ostdeutschen Nachrichten" nun einer Entwicklung Platz schaffen, die größere Ansprüche des Lesers erfüllen wird, so kann dies nur als Erweiterung und Verbesserung die natürliche Fortsetzung dessen sein, was wir als Berichterstattung und Information der Vertriebenen in Berlin bisher verstanden haben. Ein Verband, der heute 45 000 Mitglieder zählt, der alle zwölf in Berlin existenten Landsmannschaften umschließt, muss ein Sprachrohr haben, das die Verbandstätigkeit unterstützt und fördert, das den Kontakt bis zum letzten Mitglied schafft.

 

„Der Vertriebene" vergrößert den Kreis der Leser schon allein dadurch gegenüber den „Ostdeutschen Nachrichten", dass sich an seinem Bezug und seiner Gestaltung alle Landsmannschaften (außer den Ostpreußen) beteiligen. Das acht Seiten umfassende Nachrichtenblatt wird seine Spalten den wichtigen allgemeingültigen Fragen zur Verfügung stellen, die ihren Ursprung in der sozialen, wirtschaftlichen, heimatpolitischen und heimatkulturellen Vielfalt unseres Lebens als Vertriebene haben. Das bedeutet, dass für die oft brennendsten Existenzfragen jetzt mehr Raum zur Verfügung steht als bisher. Nicht immer wird es leicht sein, die oft volksgruppenbedingte Sonderheit, die sich vor allem auf dem Gebiet der Heimatpolitik und Heimatkultur äußert, die so manche staatsrechtliche Frage ungleicher Behandlung zuführt, für die Gesamtzahl der Leser von gleichem Interesse und gleicher Bedeutung zu behandeln.

 

Viel Verständnis wird daher vom Leser erwartet, wenn im sogenannten allgemeinen Teil des neuen Nachrichtenblattes auch Fragen erörtert werden, die nur einen Teil der Leserschaft als Betroffene angehen. Die organisatorische Geschlossenheit und Einheit aller Landsmannschaften im BLV wäre hohl, wenn wir nicht Verständnis für alle Fragen aufbringen, selbst wenn sie nur den kleinsten Teil der großen Schicksalsfamilie betreffen sollten. Noch nie hat es geschadet, vom Nachbarn Kenntnis zu erhalten, ihn so kennenzulernen, dass daraus eine ehrliche Achtung, Wertschätzung und Unterstützung erwächst, selbst in Zeiten, da einem das eigene Schicksal stark umfangen hält. Das Schicksal des Schlesiers sollte den Westpreußen genauso interessieren, wie der Danziger für sudetendeutsche Probleme aufgeschlossen sein sollte. Nur so können wir meist durch Paragraphen zum Ausdruck gebrachten Differenzen in den einzelnen Volksgruppen als Schicksalsgemeinschaft überbrücken.

 

„Der Vertriebene" darf und will nicht diese Gemeinschaft gleich schwer betroffener ost- und süddeutscher Menschen in sogenannte „Oder-Neiße-Linie-Deutsche" oder „1937-er", oder „1939-er" unterscheiden.

 

Es bleibt ja den einzelnen Landsmannschaften überlassen, den eigenen landsmannschaftlichen Beilagen heimatbegrenzten Fragen größere Beachtung zu schenken. Die Notwendigkeit dieser Beilagen wurde erkannt und ist lediglich durch die finanzielle Frage bedingt, ob und in welchem Umfange sie den allgemeinen Teil des neuen Nachrichtenorgans beigelegt werden. Wir bitten alle Mitglieder der Landsmannschaften, den Druck dieser landsmannschaftlichen Beilagen, die dem Leben der Organisation der Heimatfamilie und der internen Berichterstattung dienen, zu ermöglichen. Wir bitten um Verständnis für eine etwa daraus erwachsende Erhöhung des Zeitungsbezugspreises oder des Mitgliederbeitrages.

 

Soll „Der Vertriebene" Wurzel schlagen, soll er in Form und Inhalt das Prädikat „wertvoll" erhalten, wird seine Gestaltung nicht, wie bisher, auf einen kleinen Kreis freudiger und selbstloser Mitarbeiter beschränkt bleiben dürfen. Die Lebendigkeit des Blattes erwächst aus der Gestaltungsfreudigkeit aller, die sich nicht nur dazu verpflichtet oder berufen fühlen, sondern auch mit Herz und Verstand Beiträge einsenden, wenn sie ihnen interessant und wertvoll genug erscheinen. Grenzen zu setzen dafür, wie weit diese Beiträge interessant und wertvoll sein können wird verantwortungsbewussten Mitgliedern der Redaktion und dem Pressegremium der Landsmannschaften vorbehalten bleiben.

 

„Der Vertriebene" soll die Zeit, die wir fern der Heimat weilen müssen, überbrücken soll unsere Schicksalsgemeinschaft von der Memel bis zu den Kapaten verkürzen, stärken und uns bereitfinden, unseren Beitrag als Deutsch im gesamtdeutschen Sinn zu leisten, zum Wohle der Vertriebenen.

 

„Der Vertriebene“ soll recht bald auch den nichtvertriebenen Brüdern unseres Volkes an unserem Schicksal interessieren, damit er uns der beste Bundesgenosse im Ringen um das Recht auf die Heimat wird.

 

 

Seite 4   Memelländer über das Memelland

Ein Wiedersehn mit dem Memelland und mit vielen Landsleuten aus der nordöstlichsten Ecke Ostpreußens vermittelte eine „Stunde der Heimat", die von der Kreisgruppe Memel am 29. Oktober im Haus der ostdeutschen Heimat in Berlin durchgeführt wurde. Kreisbetreuer Herbert Eckert konnte ein volles Haus begrüßen. Im Mittelpunkt stand ein Vortrag mit Lichtbildern von Kurt Pastenaci, der sich der dankbaren und sehr interessierten Zuhörerschaft als in Gilge geboren, in Heydekrug und Tilsit zur Schule gegangen, in Königsberg studiert und als Redakteur der „Königsberger Allgemeinen Zeitung" tätig gewesen vorstellte. Er gab, veranschaulicht durch zahlreiche Lichtbilder, einen interessanten Einblick in die Vor- und Frühgeschichte des Memellandes und der benachbarten Kulturkreise. Ausgehend von der Jungsteinzeit ging er auf die früheste Besiedlung Nordostpreußens ein und wies darauf hin, dass die Kurische Nehrung eine große Bedeutung für die Völkerwanderung hatte. Die Schnurkeramiker und andere Völkerstämme benutzten den schmalen Landstreifen, um sich den Weg nach Osten abzukürzen. Aus diesem Grunde ist die Nehrung auch besonders reich an vorgeschichtlichen Funden gewesen. Die später in Ostpreußen und dem Baltikum ansässigen Völkerstämme, deren Siedlungsgebiet im Westen bis zur Passage reichte, waren sehr schöpferisch veranlagt und hatten eine beachtliche eigene Kultur entwickelt. Der Vortragende zeigte Aufnahmen von Schmuck aus Bernstein, Bronce und Gold, dessen kunstvolle Formen überraschten.

 

Die Heimat, wie sie zuletzt war, brachte Dr. Otto Liebschar nahe, der aus Werken lebender memelländischer Dichter las. Dr. Liebscher war der letzte Intendant des Memeler Stadttheaters. Er brachte zunächst die Einleitung zu Charlotte Keysers Familienroman „Und immer neue Tage". Es folgte aus dem Büchlein „Zwischen Haff und See" von Margarethe Fischer die Geschichte von der kleinen Marikke. Die anwesende Dichterin konnte sich für den Beifall persönlich bedanken. Dr. Liebscher, der mit großem Einfühlungsvermögen las, schloss mit Gedichten von Rudolf Naujok und Herbert Lipp. Die Memeler Sopranistin Liselotte Hollstein und der ebenfalls aus Memel stammende Pianist Erich Seidler verschönten den Abend mit Liedern von dem im 17. Jahrhundert lebenden Königsberger Komponisten Heinrich Albert und einem Liederzyklus von Herbert Brust. Der herzliche Beifall bewies, dass die Kreisgruppe Memel allen Besuchern eine große Freude mit dieser Heimatstunde gemacht hatte.

 

 

Seite 4   Wir gratulieren

Zum 75. Geburtstag: Herrn Gustav Spiess , dem Kreisbetreuer des Heimatkreises Ebenrode (Stallupönen) Ostpreußen, am 3. Dezember 1954. Die Kreisgruppe Ebenrode, sowie Pillkallen dankt Herrn Spiess herzlich für die Betreuung und erfolgreiche Tätigkeit zum Wohle der Kreisgruppe und wünscht ihm weiterhin Gesundheit und bestes Wohlergehen. Die Landsmannschaft Ostpreußen - Berlin schließt sich den Wünschen der Kreisgruppen Ebenrode/Pillkallen auf das wärmste an. Möge es ihm im Leben doch noch vergönnt sein, unsere geliebte Heimat wiederzusehen. Landsmannschaft Ostpreußen gez. Dr. Matthee,  1. Vorsitzender

 

Zum 70. Geburtstag: Herrn Robert Preuss. Am 26. November 1954 begeht der Vorsitzende der Berliner Kreisgruppe Rastenburg seinen 70. Geburtstag. Die Mitglieder der Kreisgruppe Rastenburg gratulieren ihrem Betreuer zu seinem Ehrentage auf das herrlichste und wünschen ihm noch lange Jahre beste Gesundheit und erfolgreiche Arbeit zum Wohle seiner Mitglieder und seiner Heimat. Die Kreisgruppe Rastenburg. Die Landsmannschaft Ostpreußen, Berlin, schließt sich den Glückwünschen der Kreisgruppe Rastenburg auf das herzlichste an und dankt Herrn Preuss für seine erfolgreiche Tätigkeit als Kreisbetreuer und Mitarbeiter innerhalb der Landsmannschaft. Landsmannschaft Ostpreußen gez. Dr. Matthee, 1. Vorsitzender

 

Zur Silberhochzeit am 25. November 1954 unserem Landsmann und Schatzmeister Otto Hagen, sowie seiner Ehefrau. Wir wünschen dem Ehepaar Hagen weiterhin Gesundheit und bestes Wohlergehen. Möge es ihnen vergönnt sein, den Tag der goldenen Hochzeit in der geliebten Heimat zu verleben. Landsmannschaft Ostpreußen gez. Dr. Matthee, 1. Vorsitzender

 

 

Seite 4   An meine Heimat (Ostpreußen)

Möchte meine Heimat sehen,

Wo die Wasserrosen blühen

Und die frischen Winde wehen.

 

Wo die Nachtigall so weich,

Schluchzet Liebeslieder,

Und am Anger, an dem Teich

Blühet weißer Flieder.

 

Wo die schlanke Möwe ruft

 Ihren Fischer aus dem Schlaf,

Und bezaubernd süßer Duft

Von der Heide bis zum Haff.

 

Wo die wilden Gänse zieh'n,

Und die stolzen Elche jagen,

Zu dir, o Heimat, möcht ich zieh'n,

Wenn in der Fremde ich will verzagen.

Martin Jäger

 

 

Seite 4   Ostpreußenschule in Berlin-Charlottenburg

Durch Senatsbeschluss der Stadt Berlin waren den fünf Oberschulen Praktischen Zweiges in Berlin-Charlottenburg die Namen der deutschen Ostprovinzen verliehen worden.

Die 1. Oberschule Praktischen Zweiges auf der Bleibtreustraße 43 erhielt den Namen „Ostpreußenschule".

 

Am 25. Oktober 1954 fand aus diesem Anlass eine würdige Namensgebungsfeier statt. Der Festraum prangte im Blumenschmuck und im Glanz der Bundesfahne, der Berliner Flagge und der Ostpreußischen Landesfarben. Das Banner der Landsmanschaft Ostpreußen, vom Fahnenträger und zwei Schülern der Ostpreußenschule behütet, gab der festlichen Umrahmung eine besondere Note.

 

Die Feierstunde wurde mit dem Ostpreußenliede eingeleitet, das vom Schulchor eindrucksvoll vorgetragen wurde. Die Festansprache hielt der Rektor der Schule. Er begrüßte die geladenen Gäste; es waren fünf Vorstandsmitglieder der Landsmannschaft Ostpreußen und der 1. Vorsitzende des Schulelternausschusses anwesend. Nach Dankesworten an alle, die sich um die Ausgestaltung der Feier verdient gemacht hatten, pries der Redner die Schönheiten des ostpreußischen Landes, den Fleiß und die Biederkeit seiner deutschen Bewohner, umriss die ruhmreiche Vergangenheit dieses urdeutschen Landes und schloss mit einem aufrüttelnden Appell an alle Zuhörer, das ostpreußische Land nie zu vergessen. Wir wollen die teure deutsche Heimaterde nicht mit Waffengewalt, dafür aber mit gläubigen Herzen, betenden Händen, schaffenden Armen, eisernem Willen und zäher Beharrlichkeit wieder gewinnen. Es gibt keinen wahren Völkerfrieden auf Erden, wenn man dem einzelnen Menschen sein Recht auf seine angestammte Heimat vorenthält.

 

Stehend wurde dann von allen Festteilnehmern das Niederländische Dankgebet gesungen, das in dem ergreifenden Schlussakkord ausklang: „Herr, mach uns frei!" Der 2. Vorsitzende der Landsmannschaft überbrachte nunmehr die Grüße und Wünsche seines Vereins und übergab der Ostpreußenschule als erste Patengabe wertvolle Bücher und Propaganda Schriften über die Provinz Ostpreußen, die im Unterricht der Schule wertvolle Dienste leisten werden. Die Geschenke wurden von dem Schulleiter mit Worten des Dankes und dem Ausdruck der inneren Verbundenheit von Schule und Landsmannschaft entgegengenommen

 

 

Seite 4   Familienstammbücher suchen ihre Eigentümer

Vorbemerkung: Die Ortsangaben in der nachstehenden Liste bezeichnen stets den Wohnort des Stamrnbucheigentümers, nicht den Geburtsort.

 

Schäfer, Emil, Arbeiter, geb. 12. April 1913 in Schilleningken-Lasdehnen.

Tunnat, Wilhelm, Zugbegleiter, geb. 5. Dezember 1903 in Kraupischken.

Urbigkeit, Ewald, Wirtschaftsgehilfe, geb. 8. November 1900 in Freienfelde.

Woweries, Franz, Arbeiter, geb. 24. Juni 1904 in Plaunen.

Wittkuhn, Heinrich Rudolf, Melker, geb. 5. Juli 1908 in Insterhöh.

Wegner, Gustav, Gespannführer, geb. 4. August 1908 in Winterlinden.

Wisbar, Max Günter, geb. 11. Juli 1909 in Sassupönen.

Zywietz, Paul Hermann, Lehrer, geb. 4. Mai 1913 in Steinflur.

Frisch, Albert Otto, Besitzer, geb. 12. April 1891 in Grüntal.

Steputat, Ewald, Bauer, geb. 5. August 1906 in Insterhöh.

 

Anfragen sind zu richten unter Beifügung von Rückporto an die Geschäftsführung der L.O. Berlin-Charlottenburg 9, Kaiserdamm Nr. 83.

 

 

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