Ostpreußische Nachrichten, Folge 09 vom September 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 09 vom September 1954

 

Seite 1   Foto: Zerstörtes sudetendeutsches Haus an der Grenze

 

 

Seite 1   Was ist mit Ostdeutschland? Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands gab Tätigkeitsbericht heraus „Forschungsstelle für ostdeutsche Landes- und Volkskunde“ in Niedersachsen

Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen legte in diesen Tagen seinen Tätigkeitsbericht 1952/1953 der Öffentlichkeit vor. In recht gründlicher Arbeit unter Führung der Professoren Fauser, Gleitze, Kramer, Meinberg, Thalheim, sowie dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat man die Grundlagen für eine Wiedervereinigung der sowjetischen Besatzungszone mit der westdeutschen Bundesrepublik niedergelegt. Diese Arbeit schließt eine wesentliche Lücke in der gesamtdeutschen Politik.

 

Zur gleichen Zeit wurde in Hannover auf Anregung und mit finanzieller Förderung des niedersächsischen Vertriebenenministeriums eine „Forschungsstelle für ostdeutsche Landes- und Volkskunde in Niedersachsen*' gegründet. Diese Forschungsstelle soll Mittel und Mittler zur Erhaltung des ostdeutschen Kulturgutes in diesem Bundeslande sein.

 

Diese zwei nicht in direktem Zusammenhang stehenden Ereignisse geben für uns Berliner Vertriebene jedoch die Veranlassung zu einer beide betreffenden Frage: „Was ist mit Ostdeutschland?"

 

Es berührt uns Ostdeutsche nicht gerade besonders angenehm, wenn es in dem Bericht des Forschungsbeirates für die Wiedervereinigung heißt, dass sich die Arbeiten des Beirates nur mit der Wiedervereinigung von Mitteldeutschland mit den Gebieten der Bundesrepublik beschäftigen. Wir sind der wohl nicht unberechtigten Ansicht, dass die Wiedervereinigung Deutschlands unteilbar ist. Nicht zuletzt darum hat doch wohl Bundespräsident Professor Heuss dem Kuratorium der Volksbewegung für die Wiedervereinigung den Namen „Unteilbares Deutschland" verliehen. Wir sehen gewiss ein, dass die Wiedervereinigung Mitteldeutschlands mit der Bundesrepublik praktisch einer Wiedervereinigung mit den Ostgebieten vorausgehen dürfte. Aber allein der Grundsatz der unteilbaren Wiedervereinigung sollte doch auch im praktischen Sinne stärker herausgestellt werden, als es gegenwärtig der Fall ist.

 

Es wird notwendig sein, diese Forderung der Vertriebenen in ihrem ideellen Gehalt immer wieder zu betonen, wenn natürlich auch beachtet werden muss, dass die gegenwärtige politische Situation ihre besonderen Erfordernisse nat. Dabei wissen die Heimatvertriebenen, die stets loyale Bürger gewesen sind, wie weit sie in ihren Forderungen zu gehen haben.

 

Was die Gründung der „Forschungsstelle für ostdeutsche Landes- und Volkskunde Niedersachsen" betrifft, so ist unsere Kenntnisnahme von dieser Gründung auch mit einem gewissen Bedauern verknüpft - denn in Berlin, der ehemaligen und künftigen Reichshauptstadt, fehlt eine solche Stelle, die schon immer von den Landsmannschaften angestrebt wurde. Gewiss, unter der Ägide des neuen Vertriebenenministers wird angestrebt, zentral Unterlagen für ostdeutsche Kultur- und Volkskunde zu schaffen und diese weiterzuvermitteln. In unserer, föderalistischen Bundesrepublik ist. es jedoch wesentlich Sache der Länder, sich hier als Mittler und Anreger einzuschalten und die Lücke auszufüllen, wenn  der ministerielle Apparat eingelaufen ist.

 

Das Beispiel Niedersachsens sollte für den Senat, besonders für den von uns hochgeschätzten Volksbildungssenator, Professor Dr. Tiburtius, Anlass sein, eventuell für Berlin eine ähnliche Regelung vorzubereiten und diese dem Senat vorzulegen

 

 

Seite 1   Die ersten Deutschen aus Zentralpolen sind gekommen

Berlin. Im polnischen Umsiedlungslager Stettin trafen in den letzten Wochen 840 ältere und arbeitsunfähige Deutsche aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten ein, die zu ihren Familienangehörigen in das Gebiet der Sowjetzonenrepublik weitergeleitet wurden. Auf den Namenslisten der umgesiedelten Deutschen, die von den polnischen Aussiedlungsbehörden den Vertretern des Sowjetzonen - Innenministeriums übergeben wurden, waren mehr als 70 Kinder verzeichnet, die zusammen mit den Deutschen ausgesiedelt wurden.

 

Ein großer Teil der Kinder lebte seit Kriegsende in polnischen Kinderheimen, da sie ihre Eltern oder Familienangehörigen während der Vertreibung der Deutschen durch die polnischen Behörden verloren hatten. Ein anderer Teil der Kinder lebte unter der Obhut von zurückgebliebenen Deutschen.

 

Ende Juli trafen auch, wie ferner aus den Namenslisten hervorgeht, erstmalig Deutsche aus Zentralpolen im polnischen Umsiedlungslager Stettin ein. Sie stammen größtenteils aus den Wojewodschaften Bromberg, Posen und Lodz; ihre Zahl wird mit 60 angegeben. Den Deutschen aus Zentralpolen war eine Umsiedlung in die polnischen „Westgebiete", d. h. in die deutschen Ostgebiete, von den polnischen Behörden untersagt worden. Wie erst jetzt bekannt wird, besteht bereits seit Oktober v. J. eine grundsätzliche Umsiedlungssperre für Deutsche, die ihren Wohnsitz von Zentralpolen in die polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete verlegen wollen.

 

Die sowjetische Umsiedlungskommission in der ostpreußischen Hauptstadt Königsberg (Kaliningrad) hat mit einer neuen Registrierung derjenigen im sowjetischen Verwaltungsteil von Ostpreußen, im Memelgebiet und in den baltischen Staaten nach Kriegsende zurückgebliebenen Deutschen begonnen, deren Familienangehörigen in der Bundesrepublik und den westeuropäischen Staaten ansässig sind. Zuvor hatten die sowjetischen Behörden diejenigen Deutschen registriert und ihnen Umsiedlungsanträge ausgehändigt, deren Familienangehörige in der Sowjetzonenrepublik wohnen. Somit besteht die Möglichkeit, dass die sowjetischen Behörden den Deutschen nicht nur eine Umsiedlung in die Sowjetzone, sondern möglicherweise auch in die Bundesrepublik und die westeuropäischen Staaten gestatten, unter der Voraussetzung, dass sie nach 1945 nicht freiwillig oder zwangsweise die sowjetische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Das aus den letzten Kriegsgefangenen-Heimkehrertransporten bekannte Lager in Tapiau wird gegenwärtig erweitert und wird voraussichtlich als Ausgangsort der Umsiedlungen Verwendung finden.

 

 

Seite 1   „Oder- Kombinat" Groß - Oberschlesien? Britische Beobachter nehmen Errichtung eines autonomen „Vereinigten Wirtschaftsgebietes" von Ost-Oberschlesien bis Troppau an

London. Der von Kenneth de Courcy herausgegebene „Intelligence Digest", der sich bereits verschiedentlich zutreffend über bevorstehende Entwicklungen jenseits des Eisernen Vorhangs informiert zeigte, berichtet in seiner neuesten Ausgabe, dass die Errichtung eines „Autonomen Wirtschaftsgebietes" Groß-Oberschlesien unter sowjetischer Leitung unmittelbar bevorstehe. Dieses „Autonome Gebiet" soll Ost- und West-Oberschlesien, das Gebiet um Mährisch-Ostrau und auch das Revier von Troppau-Jägerndorf umfassen. Die Hauptstadt soll, wie der britische Nachrichtendienst erfahren haben will, Kattowitz (Stalinograd) sein. Im Einzelnen wird hierüber folgendes berichtet:

 

In Kattowitz ist ganz in der Stille unter dem Namen „Direktorium des Oder-Kombinats" eine Sonderverwaltung für das gesamte Industriegebiet errichtet worden, deren Befugnisse weit über den Wirtschaftssektor hinausgehen. Diese Regierung fungiert unter sowjetischem Vorsitz, ihr gehören außerdem Oberschlesier (Slonzaken genannt), Polen und Tschechen an. Das Gesamtgebiet, in dem dieses „Direktorium des Oder-Kombinats" die Regierungsgewalt ausübt, umfasst rund 22 000 Quadratkilometer. Es fallen darunter die „Wojewodschaften" Oppeln und Kattowitz, das Teschener Gebiet, das Kohlenrevier von Mährisch-Ostrau, das Hultschiner Ländchen und das Gebiet von Troppau-Jägerndorf. Das heißt, dass sich das Kombinat von Brieg über Oppeln, Beuthen bis Chrzanow, dann weiter südlich bis Wadowice, Biala und Saybusch und dann westlich davon über Teschen, Mährisch-Ostrau und Troppau bis Jägerndorf erstreckt. Für die der CSR angehörenden Gebietsteile ist der Verwaltungssitz Mährisch-Ostrau. Die Zentrale des Kombinats in Kattowitz erhält ihre Direktiven unmittelbar aus Moskau.

 

Der Sinn dieser Zusammenfassung ist es, ein „Ruhrgebiet des Ostens" zu schaffen, aber da sich gewisse Schwierigkeiten aus der verschiedenen staatlichen Zugehörigkeit der einzelnen Gebietsteile ergaben, ist nunmehr, dem „Intelligence Digest" zufolge, die Bildung eines „Autonomen Gebiets", wenn nicht eines „selbständigen Staates" Groß-Oberschlesien geplant, wobei der gesamte Vorgang planmäßig in etwa zwei Jahren beendet sein soll. Zugleich ist damit eine „Kulturautonomie der Slonzaken" (Oberschlesier) verbunden, was sich bereits darin ankündigt, dass auf sowjetische Veranlassung hin jetzt in Kattowitz eine Zeitung im „slonzakischen Dialekt" (wasserpolnisch) herausgegeben wird. Auch sollen die polnischen Bemühungen um eine „Einschmelzung der Autochthonen" unterbunden worden sein.

 

 

Seite 2   Lager - Mahnmale der Sozialpolitik

Noch über 340 000 Menschen in mehr als 2500 Lagern in der Bundesrepublik untergebracht

Von Oberregierungsrat Dr. Lothar Wieland, Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte

Auch heute noch sind in der Bundesrepublik über 340 000 Menschen in mehr als 2500 Lagern untergebracht. Die Unterhaltung dieser Lager obliegt als Kriegsfolge zum weitaus größten Teil dem Bund. Neben diesen - wie sie vor allem in Süddeutschland genannt werden - staatlichen Lagern finden wir überall noch lagerähnliche Massenunterkünfte, Elendsquartiere in Baracken und Bunkern, die aus mancherlei Gründen nicht in den vom Gesetz für die hoheitliche Betreuung festgelegten Rahmen passen, von Gemeinden und Betrieben unterhalten werden und die Zahl der Lagerinsassen noch beträchtlich erhöhen. Davon abgesehen sind die baulichen und hygienischen Verhältnisse gerade dieser Notunterkünfte in den meisten Fällen weitaus schlimmer als die der staatlich geleiteten Lager.

 

Es sollte nicht übersehen werden, dass sich seit den Jahren der Vertreibung vieles zum Besseren gewendet hat. Umsiedlung, Wohnungsbau, Arbeitsplatzbeschaffung, berufliche Eingliederung und nicht zuletzt die Selbsthilfe der vitalen Elemente haben nach der Währungsreform, wenn auch nicht die Zahl der Lager, so doch die Zahl der Lagerinsassen beträchtlich gesenkt. Eine fühlbare Besserung war in den Jahren nach 1950 durch planmäßige staatliche, vorwiegend von der Initiative der Länder, getragene Maßnahmen zur Auflösung von Lagern zu verzeichnen. Nur wenige Beispiele mögen dies veranschaulichen: Schleswig-Holstein konnte die Zahl der Lager vom 1. April 1950 bis zum 1. Januar 1954 von 728 auf 541, und die der Lagerinsassen von rd. 124 000 auf rd. 70 000 verringern. In Bayern ließ sich der damalige Staatssekretär für Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge und jetzige Bundesminister Professor Dr. Oberländer die Lagerräumung besonders angelegen sein. So sind hier von 562 Lagern mit rd. 106 000 Insassen im Jahre 1949 heute nur noch 161 Lager mit rd. 33000 Bewohnern vorhanden. Auch vom Bund wurde diese Entwicklung - wenn wir hier von der finanziellen Beteiligung des Bundes an der Umsiedlung und dem sozialen Wohnungsbau absehen - im Jahre 1952 durch Bereitstellung von Darlehen und Zuschüssen für den Bau von Wohnungen für Lagerinsassen gefördert. Auf eine weitere Zahl sei hingewiesen: Seit der Volkszählung vom 13. September 1950 sind bis zum 1. April 1954 wiederum 568 589 Vertriebene und 686 925 Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, also insgesamt 1,25 Millionen Personen in die Bundesrepublik gekommen. Die Zahl der Lagerinsassen aber hat sich nur um 66 000 (5 v.H.) erhöht.

 

Die weitverbreitete Annahme, dass die heutigen Lager durchweg der Unterbringung von Vertriebenen dienen, ist daher in dieser Verallgemeinerung unzutreffend. Unter den zu Ende des Jahres 1953 gezählten rd. 338 000 Insassen von Durchgangs- und Wohnlagern (die Grenzdurchgangs- und Auswanderungslager können hier und in unserer Besprechung überhaupt als durchaus anders zu beurteilende Institutionen völlig außer Betracht bleiben, während die nicht obrigkeitlich geleiteten „Lager" zahlenmäßig kaum jemals eindeutig erfasst werden können) befanden sich nur rd. 188 000 Vertriebene, 67 000 Evakuierte und aus der Sowjetzone Zugewanderte. Dazu kommen 39 000 heimatlose Ausländer, während sich hinter dem Rest von rd. 44 000 Personen eine kaum einheitlich deutbare, sicherlich stark differenzierte Gruppe von Menschen verbirgt.

 

Diese übersichtliche Gliederung darf nicht dazu verleiten, eine Homogenität der Bewohnerschaft der heutigen Wohnlager anzunehmen. Die soziale Struktur in den einzelnen Lagern ist sehr unterschiedlich und von zahlreichen zufälligen, vor allem örtlich bedingten Umständen abhängig. So finden wir neben Lagern mit vorwiegend arbeitsfähigen und berufstätigen Erwerbspersonen solche in Gebieten mit struktureller Arbeitslosigkeit und dementsprechender hoher Zahl ohne Arbeit und Verdienst dahinvegetierender Menschen; in anderen wieder liegt der Anteil nicht mehr erwerbstätiger, mit ihrem Unterhalt auf Renten und Pensionen angewiesener Personen weit über dem Durchschnitt; manchmal bevölkern verhältnismäßig viele alleinstehende Personen das Lager, in anderen wieder fällt die hohe Zahl auswärts arbeitender Ernährer auf, so dass von einer echten Familiengemeinschaft nicht mehr gesprochen werden kann.

 

Ein besonderer, zudem auch fiskalisch bedeutsamer Umstand kam dem Entschluss, energische Schritte in der Lagerauflösung zu unternehmen, sehr zustatten. Länger als ihrer höchsten Lebensdauer angemessen in Benutzung, drohen viele Lagerbaracken und Behelfsbauten buchstäblich auseinanderzufallen. Sie weiterhin noch von Menschen bewohnen zu lassen, ist nicht nur unzumutbar, sondern einfach technisch nicht mehr möglich. Sie durch Neubauten gleichen Charakters zu ersetzen, wäre aus sozialpolitischen Gründen abzulehnen, wirtschaftlich aber - den chronischen Geldmangel unserer öffentlichen Haushalte in Rechnung gestellt - nur dann verständlich, wenn es sich um eine besonders billige Maßnahme handelte. Dass Baracken jedoch im Grunde nicht billig, ja sogar besonders kostspielig sind, erhellt eindeutig aus der Tatsache, dass auch die Instandsetzung der verfaulenden Baracken einen unwahrscheinlich hohen, zudem sehr unwirtschaftlichen Aufwand erfordert.

 

Die Überlegung, einen Teil der für Lagerzwecke im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel nicht mehr für Einrichtungen von höchst zweifelhaftem Wert, sondern weitaus produktiver für den Bau von Wohnungen zu verwenden, lag dem Vorschlag des Bundesvertriebenenministers zu Grunde, zunächst 30 Millionen DM für die wohnungsmäßige Unterbringung von etwa 30 000 Lagerbewohnern zu verwenden; ein Vorschlag, dem der Bundesfinanzminister in der Erwartung entsprechender Ersparnisse bei Lagererhaltung zustimmte. Es wird nun Sache der beteiligten Stellen (auch die Mitwirkung der Verbände der freien Wohlfahrtspflege ist vorgesehen) sein, möglichst unbelastet von einem starren und daher für die gegebenen besonderen Verhältnisse nicht brauchbaren Schema ein Programm nicht nur zu entwickeln, sondern auch in einem Tempo durchzuführen, das vielleicht nicht den Gepflogenheiten, aber umso mehr dem einmaligen Charakter der gestellten Aufgabe entspricht.

 

 

Seite 2   „Unsere polnischen Freunde"

Berlin. Eine Rückkehrerin aus Schlesien, die in Berlin eintraf, erklärte u.a.: „Unsere schöne evangelische Kirche ist vollständig ausgeplündert. Die Orgel ist nach Warschau gebracht, der Altar schon etliche Male verunreinigt worden. Die Kirche dient unseren polnischen Freunden auch als Unterschlupf und Nachtlokal für polnische Liebespärchen. Der Kirchhof sieht schrecklich aus. Die Familiengräber sind aufgebrochen, die Totengebeine aus den Gräbern geworfen, die Grabsteine und Grabkreuze zerschlagen und umgeworfen. Der 19-jährige Deutsche G. Sch. wurde auf dem evangelischen Friedhof von seinen polnischen Arbeitskameraden im Streit erschlagen. Unsere polnischen Freunde hatten dem armen Sch., einen guten, ruhigen, nüchternen Menschen, erst die Arme und Beine gebrochen und dann mit einem Grabstein den Schädel zertrümmert. Im März d. J. wurde ein Deutscher auf dem Heimweg nach etlichen Einkäufen gleichfalls von seinen ,,Kameraden polnischer Nationalität" am Bahnübergang beraubt und erschlagen. Das sind Bilder aus dem Gesamtverhalten der polnischen Bevölkerung den Deutschen gegenüber in weiten Bezirken Schlesiens.

 

 

Seite 2   Treuebekenntnis der Danziger 30 000 beim Bundestreffen in Hannover.

Eigener Bericht.

Hannover. Höhepunkt des 6. Bundestreffens der Danziger vor 14 Tagen in Hannover, zu dem 30 000 Danziger aus West- und Mitteldeutschland in die festlich geschmückte Landeshauptstadt Niedersachsens gekommen waren, war die Kundgebung im Eilenriede-Stadion. Am Sonnabend hatte ein Vertreter Düsseldorfs, der Patenstadt Danzigs, dem Bund der Danziger eine prächtige Nachbildung des großen Blakers, ein kunstvolles Messingornament, aus der Bartholomäus-Kirche als Anfang einer Sammlung Danziger Kunstwerke überreicht.

 

Nach Begrüßungsworten von Dr. Könnemann, dem 1. Vorsitzenden der Danziger, von Oberbürgermeister Weber und Frau Pech als Vorsitzende der Danziger Ortsstelle Hannover, die insbesondere daran erinnerte, wie oft einst die niedersächsische Jugend in Danzig gewesen sei, unterstrich Ministerpräsident Kopf die Bedeutung der deutschen Stadt Danzig für die Entwicklung im nordosteuropäischen Raum. Diese Vorpostenstellung und der Jahrhunderte währende Kampf um die Selbstbehauptung gegenüber fremden Besitzansprüchen habe einen Menschenschlag geformt, der jederzeit fest und unbeirrbar für das Recht auf die Heimat eingetreten sei. Die Anerkennung des Grundrechts auf die Heimat müsse zum elementaren Bestandteil einer neuen Weltordnung werden. Die Entreißung urdeutscher Gebiete könne der Welt keinen Frieden geben.

 

Dr. Sternfeld, der Präsident der Vertretung der Freien Stadt Danzig erklärte, für die Danziger gäbe es kein Deutschland und kein Europa, das an der Elbe oder an der Oder seine Grenze finde. Im Übrigen glaubten sie nicht, dass die missverstandene Idee der Einführung eines Völkergemischs in dem alten deutschen Lebensraum, die Idee eines Kondominiums, das richtige sein würde. Über die Art des Zusammenlebens könne man erst nach Wiederherstellung des Rechts entscheiden.

 

Am Vortage hatte Vertriebenenminister Schellhaus betont, man dürfe sich nicht darüber täuschen, dass „unsere alte Heimat nur so lange existiert, als wir sie in unseren Herzen weiter tragen". Das Recht auf Heimat sei nur so stark wie die Menschen, die es forderten. Wenn in den letzten beiden Jahrzehnten der Begriff der Restitutionen, der Rückgabe unrechtmäßig erworbenen Besitzes an den rechtmäßigen Eigentümer, geprägt worden sei, müsse man sich auch deutscherseits dieser Waffe bedienen. Die vor uns liegende Aufgabe sei eine gesamtdeutsche Aufgabe.

 

 

Seite 2   Heimatortskarteien bieten Suchhilfe für Heimatvertriebene

Frankfurt a. Main. Bei der Suche von Heimatvertriebenen nach ihren Verwandten und Bekannten leisten die Heimatortskarteien der kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen wertvolle Hilfe. In Kreisen der Vertriebenen ist diese Einrichtung und Möglichkeit, mit der die Suche wesentlich erleichtert werden kann, allerdings noch zu wenig bekannt. Die Erfolge dieser Karteien liegen darin, dass sie die Vertriebenen nach ihren früheren Wohnsitzen in den Ostgebieten erfasst haben. Bei größeren Städten sind die ehemaligen Adressen sogar nach Straßen aufgegliedert. Auf diese Weise können verhältnismäßig leicht die derzeitigen Anschriften von Heimatvertriebenen den Interessenten mitgeteilt werden. Falls keine karteimäßigen Unterlagen vorliegen, erlaubt die Aufgliederung des Materials zumindest Erkundigungen bei den entsprechenden Nachbarn und macht damit auch in diesem Fall vielfach ausreichende Auskünfte möglich. Um die Arbeit der Heimatortskarteien, die amtlich anerkannt sind und vom Staat gefördert werden, noch reibungsloser zu gestalten, liegt es im Interesse eines jeden Vertriebenen, sich unter Angabe seines ehemaligen Wohnsitzes in den Ostgebieten und seiner jetzigen Anschrift registrieren zu lassen.

 

Für die einzelnen Volksgruppen sind folgende Heimatortskarteien zuständig:

 

Ostpreußen: Neumünster/Holstein, Beethovenstr. 15-19,

Deutschbalten: München 13, Elisabethstraße B,

Danzig-Westpreußen: Lübeck, Lindenplatz 7,

Tömmern: Lübeck, Lindenplatz 7, Mark

Brandenburg: Augsburg, Volkhardtstraße 9,

Wartheland und Polen: Hannover-Linden, Falkenstraße 2,

Niederschlesien (einschl. Grafschaft Glatt): Bamberg, Obere Königstraße 4,

Oberschlesien: Passau, Innbrückgasse 9,

Groß-Breslau: Recklinghausen, Schaumburgstraße 2,

Sudetendeutsche: Regensburg/Opf., Von-der-Tann-Straße 7,

Südosteuropa: Stuttgart-S., Neckarstraße 222,

Ostumsiedler: Stuttgart-S., Archivstraße 16-18.

 

In Zweifelsfällen erteilt die Zentralstelle der Heimatortskarteien, München 15, Leasingstraße 1, nähere Auskunft, beziehungsweise nimmt die Meldung entgegen.

 

 

Seite 3   Odrabil - die Odermuhme

Mit dem Herbstnebel zieht sie über das Weidengebüsch am Ufer der Oder. Mit dem Ostwind singt sie ihr Lied von irdischer Zeit und Vergänglichkeit. Und in Geschichten und Traumbildern der Menschen wirkt sie mächtig und unvergänglich: Odrabil, die Odermuhme, die Mutter des Wassermannes Uto, die Schwester jenes Berggeistes, den das Volk Rübezahl nennt.

 

Odrabil träumt die Vergangenheit und Zukunft, den Millionen Jahre alten Traum alles irdischen Werden und Vergehens. Wenn die Dämmerung über die Ufer geht, steigen dunkle Worte mit den Schaumblasen des Wassers auf, und man sagt, sie rede im Traum, nicht jedem Ohre vernehmlich, nicht jedem Geiste verständlich. Nur wer lauteren und hellhörigen Sinns in die Tiefe zu lauschen wisse, dem Offenbare sich ihr Runenwort und die Legende ihrer Kindheit.

 

Die Legende vom Fluss, der aus Odrabiles Tränen gewachsen sein soll, so machtvoll und unaufhörlich, dass er sich weit über das vorzeitliche Urland, das Dickicht der Wälder durchbrechend, bis zum Meere hin verschüttete. Denn Odrabil beweinte die frühe Menschheit, das Schicksal der jungen Völker, die in ewiger Flucht und noch mit dem Kainsmal gezeichnet den Erdball umwanderten, in blutigen Kriegszügen gegeneinander und in ständigem Kampf um Nahrung und Wohnung im eigenen, beständig wechselnden Raum.

 

Lange vordem aber - so geht die noch ältere Sage -, als die Erde noch jung und in paradiesischer Schönheit erblüht war, wandelte friedlich und gütig der Mensch durch üppige Gärten als Bruder der Tiere. Am Lebensbaume züngelte noch vergeblich die Schlange der Begierde und der Zwietracht, und ewig grünte der Sommer und trieb unerschöpfliche Frucht.

 

Odrabil erinnert sich alles dessen noch tief. Aus ihrem ungealterten Herzen steigt Wehmut, und ihr welker Mund strömt über von Heimwehliedern, wenn Kinder am Ufer spielen und Liebende über die Wiesen gehen. Ihr Lied des Heimwehs deutet schon die Zukunft, da Kinder und Liebende jäh aus Spiel und Traum gerissen würden und über verwüstetes Land, das Land ihrer Väter und Vorväter, zu fremden Strömen und fremden Städten flüchten müssten. Odrabil singt wie die heimischen Wälder singen, und wie die Wasser des Stromes sich vom Wehre stürzen, oder wie der Abendwind in den Uferweiden flüstert ...

 

Einmal saß Joa, ein Hüteknabe, am Uferhang und weidete seines Vaters Kühe. Er achtete weniger der Tiere als auf das Murmeln des Wassers, und über dem unaufhörlichen Zug der Wellen und über den Strom hinaus sah er zu der weißen Stadt, aus deren Häusergewimmel der schlanke Rathausturm hoch in den unbewölkten Himmel stach. Joa blinzelte scharfäugig in die Ferne, er wollte die Zeit an der Rathausuhr erkennen und wissen, wann er das Vieh heimzutreiben habe, denn die Sonne sank bereits und es hungerte ihn sehr. Die Uhrzeiger aber verschwammen schon in der Abenddämmerung, und der beruhigte Wind strich noch einmal über die Uferweiden. Das war wie der zitternde Ton, den Joa manchmal auf der Schilfflöte hervorbrachte. Dann war es ganz still, und schon wuchsen die Schatten, beinahe unheimlich. Als er sich ängstlich umwandte, gewahrte er neben sich ein sonderbares Männchen, das Beine hatte wie ein Frosch, aber das helle Antlitz eines Engels.

 

„Fürchte dich nicht, ich bin Uto, der Wassermann. Wir beobachten dich lange schon, in deiner Seele wohnt Stille und dein Herz ist noch gut. Die großen Menschen aber sind friedlos und ungut. Komm mit mir in die« schöne Wasserburg meiner Mutter, der milden Odrabil, unten im Fluß ..."

 

Joa brachte vor Schreck kein Wort heraus, während Uto ihn eindringlich, ja flehentlich zu überreden versuchte. „Dort kannst du den ganzen Tag mit Gold und Edelsteinen spielen in einer Stube von Nephrit. Und wir singen zusammen das schöne Lied, das mich Odrabil lehrte."  

 

Und er sang es ihm vor. Es war wie das sachte Fließen des Stromes, wenn das nächtliche Mondlicht darauf fällt. Es war wie das Flüstern des Windes im Weidengesträuch, das die Ufer in grünes Dunkel hüllt. Und es war voll der Süßigkeit eines Wiegenliedes, das eine junge Mutter in den Abend singt. Ja es war das Wiegenlied des Stromes selbst und wie der unaufhaltsame Ablauf des Lebens und Sterbens, wie die todbringende und doch den goldenen Morgen gebärende Nacht.

 

Joa lauschte ergriffen, obwohl er den Sinn nicht begriff. Und gleichzeitig fühlte er sich wie von niederziehenden Schlinggewächsen umfangen und unwiderstehlich zum äußersten Rande des Ufers gezogen, wo das Wasser in kleinen Strudeln vorbeitrieb. Da schrie er in dumpfer Besinnung auf und schlug mit dem Stock, womit er die Kühe antrieb, auf den Wassermann ein, blindlings und mit letzter Kraft.

 

Später aber, bei Licht besehen, war der angebliche Wassermann nichts anderes als die lächerliche Täuschung einer Vogelscheuche, die schief und von Stockschlägen zerfetzt am Feldrain stand. Denn bis dahin habe der Wassermann noch Joa verfolgt. –

 

Wenig zartfühlend lachte bei solcher Schilderung der Vater den „Gespensterseher" aus, doch die fromme Mutter bekreuzigte sich und schloss Joa in ihr inbrünstiges Gebet.

 

In den Jahrzehnten, die kamen und gingen, vergaß der einstige Kuhhirt das Lied aus Odrabils Reich, wenn auch immer etwas in ihm haften geblieben war" von dem Erlebnis am Fluss, von dem er nie recht wusste, ob es nur dem Gespinst eines Wachtraumes entsprungen, oder aus den Träumen der Mora, der Alpdrückerin. Das Leben der Oberfläche, die leichten Strudel des Lebens, nahmen ihn gefangen und verschleppten Ihn in die Städte, wo er an manchen Türmen und Stürmen die Zeit abzulesen versuchte und früh darüber nachsann, warum der Zeiger so unerbittlich vorwärtsschreite.

 

Auf dunklen Fluchtwegen erst, da ein Gewaltiges und Gewaltsames hereingebrochen und über den Strom hinweggebraust war, fiel ihm Odrabils Lied wieder ein, das ihm vor vielen Jahren der Wassermann Uto vorgesungen hatte. Und es schien ihm, als ob es ein Teil seines Wesens sei, die rufende Stimme Odrabils, der Odermuhme, die ihm noch immer heimwinkt zum Ufer der Oder und in die grüne Wasserburg unten im Fluss. Hans Niekrawietz

 

 

Seite 3   Neuer Film über die Trakehner

Hannover. In Zusammenarbeit mit dem „Verband des Warmblut-Pferdes Trakehner Abstammung e. V." und in Gemeinschaft mit der „Ostfilm"-Almena dreht die „Hansa-Film-Produktion", Minden, einen größeren Kulturfilm über die neue Heimat des Trakehner Pferdes in den verschiedenen Zuchtgebieten Westdeutschlands. Gesamtleitung und Regie liegen in den Händen von Manfred Petelkau, die Aufnahme bei Karl Hasselmann. Die Hersteller, Manfred Petelkau von der „Hansa-Film" und Kurt Schlemminger von der „Ostfilm", stammen aus Ostpreußen. Sie haben nach Überwindung größter Schwierigkeiten und völlig aus eigener Kraft die finanziellen Voraussetzungen für die Dreharbeiten geschaffen.

 

 

Seite 3   Zu Robert Hohlbaums 68. Geburtstag

Am 28. August 1954 wurde Robert Hohlbaum 68 Jahre alt. Es mag als ein freundlicher Zufall hingenommen werden, dass auch Deutschlands größter Dichter: Johann Wolfgang Goethe an einem 28. August geboren wurde.

 

Die volkstümlichen Ausgaben der Novellen Hohlbaums sind in etwa 800 000 Bänden verbreitet. In amerikanischen Lesebüchern und in englischen Anthologien stoßen wir wiederholt auf Hohlbaums „musikalische" Novellen. 1951 erschien sein Goethe-Roman „Sonnenspektrum", dann sein Roman einer Beschwörung Altgriechenlands: „Hellas", eine dichterische Aussage, die in ihrer Form- und Stoff fülle ihresgleichen im deutschen Sprachraum sucht. Seinem ersten Roman „Österreicher" (1914) folgten „Vorspiel", „Die Amouren des Magisters Döderlein", „Der wilde Christian", „Grenzland", „Zukunft", der Burschenschaftsroman „Raben des Kyffhäusers", „Das Paradies und die Schlange" und „Das klingende Gift". Viel beachtet wurde seine Romantrilogie „Frühlingssturm" („Die deutsche Passion", „Der Weg nach Emmaus", „Die Pfingsten in Weimar".) Es folgten das Napoleongemälde („Ein Roman aus Stahlguss" - wie Rudolf Huch geurteilt hatte) „Finale in Moskau", der Roman der französischen Revolution „König Volk" und der Bruckner-Roman „Tedeum". Bald darauf lasen wir seine „Jesus-Legende" und den Novellenband „Der Heiratsvermittler". Vor kurzem druckte der Verlag von Leopold Stocker in Graz und Göttingen seinen leidenschaftlichen, bis zur letzten Silbe ausgereiften Roman aus dem Wiener Musikleben um die Jahrhundertwende: „Der Zauberstab", dessen ideelle Verwandtschaft mit seinem Brucknerbuch unverkennbar ist.

 

Robert Hohlbaum, der Dichter und Historiker wurde 1886 in Jägerndorf im Sudetenland geboren. Er besuchte die Mittelschule in Jägerndorf und Troppau, bezog in Graz und in Wien die Universität, um Germanistik zu studieren. Nach seiner Promotion war er an der Fideikommiss-Bibliothek in Wien beschäftigt, hernach an der Universitätsbibliothek. Eine Zeitlang finden wir ihn als erfolgreichen Werbeleiter des Staackmann-Verlages in Leipzig, später als Direktor der Duisburger Stadtbibliothek und schließlich als Direktor der Thüringischen Landesbibliothek in Weimar, wo er das tragische Kriegsende mit allen Folgen erlebte.

 

Heute lebt und schafft der unermüdliche, betreut von seiner Gattin Leona Hohlbaum, einer Gesangspädagogin und Pianistin von Ruf, in Graz, der Stadt Peter Roseggers, und schreibt neben anderem an Beinen Lebenserinnerungen.

 

Und aus München kommt soeben die Botschaft, dass sich die zahlreichen Verehrer hohlbaumscher Kunst entschlossen hätten, einen „Freundeskreis Robert Hohlbaum" ins Leben zu rufen. Reinhard Pozorny, ein verdienstvoller Herold des Lebenswerkes Hohlbaums, versieht die Vorarbeit, die zur „Pflegestätte des dichterischen Werkes Robert Hohlbaums" führen soll.

 

 

Seite 4   Glaubensnot und Glaubensdienst in Ostpreußen „Wir halten stand" - Deutsche Kinder in Staatlichen Erziehungsheimen

Die evangelisch Gläubigen in Ostpreußen sind den härtesten Prüfungen in der Treue zu ihrem Glauben ausgesetzt. Der polnisch-evangelische Kalender eröffnet erschütternde Einblicke sonderlich in das Leben der Evangelischen in Masuren. Auf Schritt und Tritt wird hier erkennbar, mit welcher Intensität man sich bemüht, die Restdeutschen in diesem Gebiet zur „Polnischen evangelisch/augsburgischen Kirche" zu bekehren. Briefe, die kirchlichen Stellen in Berlin in diesem Zusammenhang zugegangen sind, führen bittere Klage darüber, dass nun nicht nur den Kindern, sondern auch den Erwachsenen verboten worden ist, in ihrer Muttersprache in der Kirche zu singen und zu beten. Ein alter Kirchendiener, der mit seiner Frau noch ein Gotteshaus in Ordnung hält, erklärt hierzu aus überzeugter Treue zum einmal angestammten Glauben: „Wir tun es doch nicht; wir halten stand."

 

In Rastenburg hält, wie wir aus der gleichen Quelle erfahren, Bischof Kotula dann und wann „offene Gottesdienste" ab. Liturgie und Predigt werden ausschließlich in polnischer Sprache abgehalten, ebenso auch die Abendmahlsfeier, an der an einem besonderen Festgottesdienst annähernd 500 Abendmahlsgäste teilnahmen. Der gesamte Gottesdienst hatte eine Dauer von 4 ½  Stunden. Er fand in einer kleinen Kapelle statt, in der nur ein geringer Teil Eintritt fand. Nur ganz wenige verstanden die polnische Predigt. Sie übersetzten dann flüsternd den polnischen Text den Mitbrüdern und Mitschwestern ins Deutsche.

 

Auch aus Sensburg liegen Berichte vor, denen zufolge auch dort seit neuester Zeit ein direktes Verbot vorliegt, in deutscher Sprache zu singen.

 

In Allenstein sind unlängst drei junge Diakone ordiniert worden. Sie stehen im Alter von 20 Jahren und sind somit noch recht jung. In Warschau ausgebildet, bedienen sie sich so oft es geht, dennoch der deutschen Sprache. Einer von ihnen, der gebürtige ostpreußische Diakon Jarzomski aus Aweyden im Kreise Sensburg, versieht zugleich auch die posenschen Gemeinden in Adelnau, Ostrowo und Schwarzwald. Er ist der älteste der erwähnten drei Diakone und genießt im Gemeindeleben Masurens beste Achtung.

 

Im gesamten Ostpreußen gibt es heute nur noch polnische Schulen, so dass auch die Kinder, die aus den zurzeit besetzten Gebieten in die DDR umgesiedelt werden, kaum noch deutsch sprechen. Hierüber berichtet eine nach Berlin gekommene Flüchtlingsfrau und fügte die erschütternde Feststellung hinzu, dass Hunderte von deutschen ostpreußischen Kindern - man scheint das in Ostpreußen strenger zu handhaben als etwa in Posen oder Schlesien! - in den Staatlichen Erziehungsheimen gehalten werden. Hierbei handelt es sich vorzugsweise um Voll- oder Halbwaisen, deren Eltern verschleppt oder umgekommen sind und die nicht zu ihren Angehörigen gelassen werden können, da diese in Westdeutschland leben. Niemand aus der deutschen Bevölkerung erhält Zutritt zu diesen Heimen; niemand darf auf der Straße mit diesen Kindern sprechen; sie selbst dürfen niemand anreden, so dass sie in den Anstalten eitern-, viele auch namenlos oder mit ihnen von den Polen zugewiesenen Namen und auch glaubenslos leben und erzogen werden. Auch die von Geburt her nachweislich deutschen Kinder erhalten in diesen Heimen neue, ihnen oft unerklärlich bleibende polnische Namen, und wie sie jedem deutschen Bekenntnis entrückt werden, so erhalten sie auch keinen christlichen Unterricht. Sie wachsen religionslos auf.

 

Wie in Ostpreußen, werden Kinder und Erwachsene auch in Pommern, Westpreußen, Schlesien und Ostbrandenburg gezwungen, auf den sogenannten Staatsgütern zu arbeiten. Sie werden hierfür nach den seit dem 1. März geltenden Tarifen entlohnt. Hierbei werden sie zu Brigaden zusammengefasst und lohnmäßig eingestuft. Bei verschiedenartigen Löhnen unterscheidet man Acker-, Viehzucht-, Garten- und Fischereibrigaden. Die Entlohnung, die in den Acker- und Viehzuchtbrigaden höher als in den übrigen Zusammenschlüssen ist, erfolgt nach dem sogenannten „Gesetz der Norma", also nach dem Prinzip der Produktionsergebnisse, das unter der Bevölkerung wenig beliebt ist. Gültig ist der Zehnstundentag. Wer hierüber hinaus arbeitet, also „durcharbeitet", darf mit einem Lohnzuschlag rechnen. Er beträgt bis zu 15% des monatlichen Einkommens. Gutsarbeiter dürfen weder eine Kuh halten, noch Ankäufe vornehmen, die ihrem Lohnsatz nicht entsprechen. Sobald sie aber Spezialisten sind, erhalten sie Kredite. Zumeist können Deutsche hiervon nicht Gebrauch machen, da die sinkende Kaufkraft des Zloty jeden Gewinn in sein Gegenteil umwandelt.

 

 

Seite 4   Verstorben sind

am 11.08.1954 unsere Landsmännin Frau Martha Schiller, geb. Grundwald, im Alter von 67 Jahren. Früher wohnhaft gewesen In Osterode/Ostpr., zuletzt wohnhaft gewesen in Berlin-Wilmersdorf;  

 

am 07.08.1954, im 84. Lebensjahr, unser Landsmann, der Sägewerksbesitzer Andreas Riekewald aus Lyck. Er wohnte in Berlin-Wittenau, Maxim-Gorki-Str., Behelfsheim Nr. 96.

 

 

Seite 4   Ein Ostpreuße erzählt! Königsberg, immer noch eine Ruinenstadt - Hohe Pappeln zwischen Ruinen. Der Schlossturm gesprengt - Hafen nur noch Fischereistützpunkt

Nur noch 21 Deutsche leben heute in Königsberg, das vor dem Kriege fast 400 000 Einwohner zählte und nach seiner Eroberung durch die Sowjets im Jahre 1945 fast völlig zerstört wurde. Das berichtet der Bootsbauer Karl Girnus, der seit 1947 in der alten ostpreußischen Hauptstadt gelebt und jetzt von den Sowjetbehörden die Ausreiseerlaubnis aus Ostpreußen erhalten hatte.

 

In Königsberg wohnen etwa 30 000 Russen. Die Zahl der dort stationierten Soldaten dürfte doppelt so groß sein, meint Karl Girnus. Seine zurückgebliebenen Landsleute, darunter auch Frauen und Kinder, wohnen fast alle in einem Haus zusammen, das sie sich selbst wieder aufgebaut haben. Es ist zu hoffen, dass sie bei der jetzt anlaufenden Umsiedlung der Deutschen aus Nordostpreußen und dem Baltikum ebenfalls die Erlaubnis zur Ausreise nach Deutschland erhalten.

 

Von der alten betriebsamen Hafen- und Geschäftsstadt Königsberg ist unter der russischen Herrschaft kaum noch etwas übriggeblieben. Alle Firmen- und Straßenschilder, die an die deutsche Vergangenheit erinnern könnten, sind abgerissen und durch kyrillische Beschriftungen ersetzt worden, wenn man auch manche alten Straßennamen, wie die Mozart-, die Bach- und die Beethovenstraße, belassen hat. Auch das Schillerdenkmal vor dem Schauspielhaus ist stehengeblieben, aber ebenfalls mit kyrillischen Buchstaben beschriftet worden. Sonst bildet Königsberg, mit Ausnahme einiger unzerstörter Randbezirke und wiederaufgebauter Häuserkomplexe, hauptsächlich Kasernen und Verwaltungsgebäude - immer noch ein wüstes Trümmerfeld. Straßen und Plätze sind mit Geröll und Gestrüpp bedeckt. Zwischen den Ruinen wachsen bereits Bäume. Einzelne Pappeln sind bis zu 15 Meter in die Höhe geschossen.

 

Nur einige Hauptverkehrsstraßen sind notdürftig aufgeräumt worden. Das von den Ordensrittern erbaute Schloss steht als brandgeschwärzte Ruine da. Der wuchtige Turm, einst ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt, ist kürzlich bis auf einen Stumpf heruntergesprengt worden. Der Schlossteich, der früher zu den schönsten Anlagen Königsbergs gehörte, ist vollkommen verkrautet und versumpft. Die Promenaden sind mit Unkraut und Sträuchern überwuchert. Auch das Opernhaus und die Universität liegen noch in Trümmern. Ebenso ist keine der zerstörten Kirchen wieder aufgebaut, so dass es in der ganzen Stadt kein Gotteshaus gibt.

 

Zum neuen Mittelpunkt ist der Platz vor dem Nordbahnhof geworden. Von hier aus verkehren auch einige Straßenbahnen und Omnibuslinien. Vor dem Stadthaus, das sowjetische Verwaltungsstellen beherbergt, steht ein riesengroßes Stalindenkmal, das nachts von Scheinwerfern angestrahlt wird. Das ehemalige Oberfinanzpräsidium ist Parteihaus geworden, vor dem die Sowjetgrößen in ihren protzigen Autos vorfahren, ohne auf die zahlreichen zerlumpten Bettler zu achten, die die belebteren Stadtteile bevölkern. Der Königsberger Hafen, einst einer der lebhaftesten der Ostsee, ist heute zur Bedeutungslosigkeit eines Fischereistützpunktes herabgesunken. Etwa 300 bis 400 Fischkutter sind hier beheimatet, deren Fänge im Kühlhaus eingelagert werden. Größere Schifte laufen den Hafen nicht mehr an.

 

Trotz allem, so berichtet Girnus, seien die Lebensverhältnisse in Königsberg immer noch günstiger als im Innern Russlands, so dass die Stadt dem einwandernden Russen selbst in ihrer zerstörten Trostlosigkeit als erstrebenswertes Ziel erscheint. Der Zuwanderungsprämie, die in der ersten Zeit gezahlt wurde, bedarf es nicht mehr. Die Deutschen jedoch hätten keinen sehnlicheren Wunsch als den, endlich nach Deutschland ausreisen zu dürfen.

 

 

Seite 4   Amnestie gibt letzte Gelegenheit Selbstanzeige wegen falscher Namensführung bis 31. Dezember straffrei

Wer bis zum 31. Dezember 1954 durch Selbstanzeige erklärt, dass er einen falschen Namen getragen habe, geht nach den Bestimmungen des Amnestiegesetzes vom 17. Juli straffrei aus. Darauf weist der Bundesinnenminister hin. Nach dem Zusammenbruch waren viele Personen unter falschem Namen untergetaucht. Von der Möglichkeit, durch Selbstanzeige bis zum 31. März 1950 Straffreiheit zu erlangen, ist nur in ganz wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden. Nach der jetzt eingetretenen endgültigen Beruhigung der Verhältnisse kann jeder, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen, seine Personalangaben beim Einwohnermeldeamt berichtigen. Mit einer Fristverlängerung ist aber nicht zu rechnen. Das Amnestiegesetz vom 17. Juli bietet also eine letzte Gelegenheit, die Personalangaben zu berichtigen.

 

 

Seite 4   Wir gratulieren

zum 70. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Auguste Dirsat aus Treuburg/Ostpr., jetzt wohnhaft Berlin-Charlottenburg, Westendallee 118;

 

zum 75. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Hedwig Merten aus Allenstein/Ostpr., jetzt wohnhaft Berlin-Charlottenburg, Wundtstraße 44;

 

zum 75. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Auguste Heinrich aus Allenstein/Ostpr., jetzt wohnhaft Berlin-Charlottenburg, Königin-Elisabeth-Str. 6;

 

zum 77. Geburtstag unserer Landsmännin Fräulein Clara Dawideit aus Allenstein, jetzt wohnhaft Berlin-Steglitz, Holsteinische Straße 22.

 

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