Ostpreußische Nachrichten, Folge 05 vom Mai 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 05 vom Mai 1954

 

Seite 1   Die Vereinigung drängt

Oberländer fordert erneut den Zusammenschluss der Vertriebenenorganisationen

Von unserem Korrespondenten

Für einen Zusammenschluss aller Vertriebenen- und Flüchtlingsverbände setzte sich Bundesflüchtlingsminister Oberländer am Sonntag auf einer Delegiertentagung des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen (ZVD) ein. Der Minister wandte sich gegen die Auffassung, dass in der Frage der Wiedervereinigung die Zeit für den Westen arbeite. Er kritisierte die Lethargie im Westen und appellierte an das Ausland, die Last der Sowjetzonenflüchtlinge, tragen zu helfen.

 

Der wiedergewählte Erste Vorsitzende des ZVD, Linus Kather, kündigte an, dass der ZVD am 17. Juni überall an der Zonengrenze Gedenkfeiern aus Anlass der Volkserhebung in Ostberlin und der Sowjetzone veranstaltet werde.

 

Der Beirat beim Bundesvertriebenenministerium hat in einer Entschließung seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass die Aufgabe der Vertriebenen nicht nur eine materielle, sondern in sehr wesentlichen Dingen eine politische sei. Gerade für die Wiedervereinigung Deutschlands seien die Kräfte der deutschen Vertriebenen notwendig.

 

In führenden Kreisen des Berliner Landesverbandes der Heimatvertriebenen wird zum wiederholten Male der Wunsch geäußert, dass die  Präsidien der beiden großen Vertriebenenverbände, der Zentralverband der vertriebenen Deutschen (ZvD/BVD) und der Verband der Landsmannschaften (VdL) sich zu ihrer ursprünglich für Januar angesetzten gemeinsamen Tagung in Berlin zusammenfinden. Gerade im Zeichen der Genfer Konferenz sei es notwendig, dass eine geschlossene Front der deutschen Vertriebenen erwachse.

 

 

Seite 1   Wiedervereinigung die wichtigste politische Aufgabe

Die Sudetendeutsche Landsmannschaft Hessen beschloss auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Kassel, mit allen Kräften dazu beizutragen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands in der allgemeinen Öffentlichkeit als das wichtigste gesamtdeutsche Anliegen erkannt und vertreten wird. Die Versammlung wandte sich insbesondere dagegen, dass dieser Frage in der Bundesrepublik nur eine ungenügende Beachtung geschenkt wird und wies darauf hin, dass das Beispiel des 17. Juni 1958 alle Deutschen umso mehr verpflichte, für eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit mit allem Nachdruck einzutreten.

 

 

Seite 1   Über 1000 Deutsche gehen sonntags in Lodz zur Kirche

In Lodz leben gegenwärtig noch viele Deutsche, geht aus soeben eingetroffenen Berichten hervor. Zu den evangelischen Gottesdiensten, die sonntäglich in einer Lodzer Kirche abgehalten werden, strömen bis über 1000 deutsche Kirchgänger zusammen. Die Predigt muss jedoch in polnischer Sprache gehalten werden. Die Gemeinde wird von zwei Pfarrern betreut. Der deutsche Friedhof in Lodz ist wiederhergerichtet worden. Zu den Konfirmationen kommen deutsche Kinder aus der ganzen Umgebung zusammen. Insbesondere für die alten und nicht arbeitsfähigen Deutschen werden von der Gemeinde Hilfsaktionen durchgeführt. Viele konnten ihr Leben nur durch die Geschenkpakete fristen, welche sie aus Deutschland zugeschickt bekamen.

 

 

Seite 1   Neuer Vertriebenen-Abgeordneter

In der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin ist in diesen Tagen durch den Todesfall eines Abgeordneten Wilhelm Gries als neuer Vertriebenen-Abgeordneter eingezogen. MdA Gries ist Vorstandsmitglied der Landsmannschaft Ostpreußen. Die CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses zählt damit vier heimatvertriebene Abgeordnete.

 

 

Seite 2   Europäische Hilfe für Vertriebene

Eine Arbeitsgruppe des gemeinsamen Ausschusses für Vertriebenen- und Landwirtschaftsfragen beim Europarat hielt sich in der Bundesrepublik auf, um die Möglichkeiten der Wiederansiedlung heimatvertriebener Bauern und Landarbeiter aus dem Osten EU Überprüfen und die von der Bundesregierung bereits getroffenen Maßnahmen zu besichtigen.

Sie wurden landwirtschaftliche Siedlungen im Hunsrück und in der Eifel besucht. Die Kommission, die von Präsident Brown (England) geführt wird und der auch der Bundestagsabgeordnete Gerne angehört, hatte im Bundeshaus eine Aussprache mit deutschen Parlamentariern. Auch Bundesminister Prof. Dr. Oberländer nahm Gelegenheit, bei einem Empfang der Arbeitsgruppe die dringende Notwendigkeit einer schnellen und durchgreifenden Lösung des Vertriebenenproblems im Interesse ganz Europas darzulegen. Den Gästen wurden auch Erschließungsarbeiten im Emsland und Landgewinnungsarbeiten ab der Westküste Schleswig-Holsteins gezeigt. Die Arbeitsgruppe wird der Beratenden Versammlung des Europarates ihren Bericht alsdann vorlegen.

Schneit er bei Oberländer Der Sonderbeauftragte des Europarates für Flüchtlingsfragen, M. Pierre Schneiter, besuchte für einige Tage die Bundesrepublik und hatte auch eine mehrstündige Aussprache mit Bundesminister Prof. Dr. Oberländer, in der alle Möglichkeiten für eine beschleunigte Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge gemeinsam besprochen wurden. M. Schneiter bekannte sich auch zu der Auffassung, dass das Problem ein europäisches Problem sei und sagte zu, die Hilfe des Auslandes zu mobilisieren. Vor der Presse äußerte sich Herr Schneiter in dem gleichen Sinne und sagte, dass bereits Pläne für eine entsprechende Unterstützung bestünden, über deren Umfang und Art er jedoch keine Einzelheiten geben könne. Er betonte, dass eine Auswanderung

der Flüchtlinge nach Übersee unerwünscht sei, weshalb eine Ansiedlung von ostvertriebenen deutschen Bauern in Europa vordringlich beabsichtigt sei.

 

 

Seite 2   Drei Wochen ohne Brot

Eigener Bericht

Wie Radio Prag meldete, war der Karlsbäder Bezirk drei Wochen ohne Brot, weil die verstaatlichten Bäckereien kein Mehl erhielten. Auch jetzt noch muss die Bevölkerung viele Stunden Schlange stehen, um ein Viertel Kilo Brot pro Person zu bekommen.

 

In den Kantinen werden weder Brot noch Semmeln zu den Mahlzeiten serviert. Das Ministerium für Volksernährung hat in diesen Tagen beschlossen, einige verstaatlichte Bäckereien im Bezirk Karlsbad wieder in privaten Besitz zu überführen. Man hofft, dass sich die rechtmäßigen Eigentümer der Bäckereien eher Mehl verschaffen werden als die kommunistischen Staatsangestellten der Bäckerelen.

 

 

Seite 2   Deutschsprachige Zeitung in Breslau

„Die Arbeitsstimme" soll die „deutschen Werktätigen" in Polen und den polnisch besetzten deutschen Ostgebieten wöchentlich in kommunistischem Sinne erziehen. Die neue Zeitung ist der Prager Gewerkschaftszeitung „Aufbau und Frieden" nachgebildet und erschien bereits in Probenummern.

 

 

Seite 2   Flussbett der Oder versandet - Berlin.

Seit 1945 versandet die Oder in Schlesien immer mehr, berichtete ein soeben in Westdeutschland eingetroffener Strommeister, der bis Anfang dieses Jahres bei einer Wasserbaudirektion tätig war. Besonders gefährdet ist der kanalisierte Teil der Oder zwischen Kosel und Breslau.

 

Gegenwärtig beschränken sich die polnischen Verwaltungsbehörden darauf, die Fahrrinne laufend neu abzustecken und zu .markieren. Sehr aufschlussreich sind die Mitteilungen, welche der Strommeister über den Umfang des heutigen Schiffsverkehr auf der Oder machte. Während die Schleuse Großfelde bis Kriegsende täglich von bis zu 150 Fahrzeugen passiert wurde, entsprach im Jahre 1953 diese frühere Tagesfrequenz etwa der jetzigen Monatsfrequenz. Der Hauptgrund für diesen starken Rückgang des Schiffsverkehrs auf der Oder liegt in dem Fortfall der Verbindungen mit Berlin und Mitteldeutschland.

 

 

Seite 2   Sehr wichtig!

Die bisherige Praxis hat ergeben, dass die Anträge der Heimatvertriebenen in Lastenausgleichsfragen nicht den Erfordernissen entsprachen; Fragen unvollständig oder gar nicht beantwortet wurden, andererseits Aufforderungen der Behörden unbeachtet blieben und bleiben.

 

Dadurch entstehen Verzögerungen, die nicht allein den Ausgleichsämtern zugeschrieben werden können, sondern auch zum großen Teil zu Lasten der Antragsteller gehen.

 

Bei Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft kommt es daher, dass etwa 40 Prozent aller gestellten Anträge abgelehnt werden müssen, weil sie den Erfordernissen .nicht entsprechen.

 

Es ist deshalb bei der auf S. 1 angegebenen Besprechung vereinbart worden, dass die Mitglieder der Landsmannschaften sich möglichst der Einrichtungen des BLV bedienen sollen. Diese Anträge werden entsprechend gekennzeichnet, damit die Ausgleichsämter sich dann hauptsächlich nur noch mit dem Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen in Verbindung zu setzen brauchen.

 

 

 

Seite 2   Sorgenkind ostdeutscher Film

Von unserem Münchener w t-Korrespondenten

Fast 10 Jahre sind seit der Vertreibung ins Land gegangen und noch immer existiert kein einziger großer Dokumentarfilm über das erschütternde Erlebnis der Vertreibung. In den vergangenen Jahren aber wurde nicht einmal erreicht, dass die noch vorhandenen Filmaufnahmen über unsere Heimatgebiete voll ausgenutzt und in Einsatz gebracht werden können. Die Spaltung innerhalb von Vertriebenenverbänden und das mangelnde Interesse der anderen haben es bis zum heutigen Tage verhindert, dass außer einigen kurzen Kulturfilmen, die nicht immer von ausgezeichneter Qualität sind, ein Filmdokument geschaffen wurde, das der Notwendigkeit entspricht.

 

Eine wesentliche Tatsache bleibt beim Grundsätzlichen nicht zu vergessen: Mangelnde finanzielle Mittel der Vertriebenen. Wir verfügen nicht ohne weiteres über die Summen, die zu der Durchführung eines sauberen und gut gemachten „Ostdeutschen Filmprogramms'' notwendig wären. Um einen Begriff von der Größenordnung der Projekte zu geben: Ein 350-Meter-Film, der etwas über 13 Minuten dauert, kostet in der Herstellung heute durchschnittlich 13 000 bis 15 000 DM, ein abendfüllender Dokumentar- oder Kulturfilm 65 000 bis 130 000 DM. Das sind natürlich Summen, die die Verbände allein aufzubringen nicht imstande sind. Aber es gibt andere Mittel und Wege, die Finanzierung solcher Projekte zu sichern.

 

Es gibt sogenannte Bundesbürgschaften, die bei einem gewissen, verhältnismäßig geringen Eigenkapital es den Filmproduzenten ermöglichen, ihr Projekt fertigzustellen. Wie damit in verschiedenen Ländern des Bundes umgegangen wurde, beweist die Tatsache, dass allein in Bayern 4,5 Millionen solcher Bürgschaften als verloren gelten. Bundesbürgschaften werden auch für Filme gegeben, die nichts weiter sein wollen, als bloße Unterhaltung. Selbstverständlich ist zu berücksichtigen, dass Bürgschaften nur bei sogenannten sicheren Geschäften gegeben werden sollen. Das ist verständlich, aber es ist noch nie ernsthaft versucht worden, auf Empfänger von Bundesbürgschaften hinzuwirken, einen der notwendigsten Filme zu drehen - nämlich den Film, auf den alle Ostdeutschen warten.

 

Bisher redete man sich immer aus, dass die Zeit für solch ein Thema noch nicht reif sei. Wenn aber in den letzten drei Jahren in nicht gerade geringer Zahl Spiel- und Dokumentarfilme über Mitteldeutschland hergestellt worden sind, so ist es unverständlich, wieso dabei nicht ein einziges ostdeutsches Projekt verwirklicht werden konnte.

 

An Versuchen hat es allerdings nicht gefehlt, sowohl von ministerieller als von landsmannschaftlicher und privater Seite. Man ist aber nicht über die Fertigstellung einiger weniger Kurzfilme und der Projektierung größerer Objekte hinausgekommen. Das wiederum hat offensichtlich seine Ursache darin, dass die Projektierung dieses großen Vorhabens in viele Einzelprojekte zersplittert wurde. Rein finanziell gesehen, verteuert dieses Verfahren die Herstellung und hat es bisher auch verhindert, dass zumindest ein Projekt realisiert wird.

 

Der Zentralverband der vertriebenen Deutschen (ZvD/BVD) ist jetzt dabei, eine Filmvertriebs-G. m. b. H. zu gründen. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und der Bund der Danziger planen je einen großen Dokumentarfilm. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen laboriert seit über einem Jahr an der Herstellung eines abendfüllenden Ostdeutschland-Filmes. Der Berliner Filmproduzent de Laforgue hat ein ähnliches Projekt vor, hat es aber gegenwärtig aus finanziellen Gründen zu den Akten gelegt. Ähnliche Pläne und Projekte schweben bei fast allen noch nicht genannten Landsmannschaften und das Bundesministerium für Vertriebene hat im neuen Etat beschränkte Mittel zur Finanzierung von drei bis vier Kurzfilmen bekommen. Die Situation ist heute aber verwickelter denn je.

 

Eine Lösung des gegenwärtigen Dilemmas und eine Verwirklichung der notwendigen Projekte wäre möglich, wenn der Verband der Landsmannschaften (VdL) als Gegenpart zu der vom ZvD/BVD gegründeten Film Vertriebsgesellschaft eine Filmproduktionsgesellschaft einrichten würde und diese mit echten Fachleuten besetzen könnte. Denn der große Kummer bei den bisherigen Filmprojekten war die Tatsache, dass einige Landsmannschaften von cleveren Filmproduzenten über das Ohr gehauen wurden und astronomische Beträge für Filmstreifen gefordert und manchmal auch gezahlt wurden.

 

Eine zentrale Stelle, die auch die Übersicht über die vorhandenen Mittel hat, wäre dafür geeignet, endlich das Borgenkind ostdeutscher Film zumindest zu einem strammen Säugling zu machen. An das Vorhaben müsste aber energisch, zielsicher, ehrlich und sauber herangegangen werden. Der ZvD/BVD hat seine Filmvertriebsgesellschaft in Bonn installiert, was wäre geliehener für den VdL zu wählen, als die Filmstadt Berlin. Man sollte sich diese Gedanken einmal durch den Kopf gehen lassen und käme damit bestimmt der Lösung dieser Frage, auf die alle Heimatvertriebenen warten, um einiges näher.

 

 

Seite 3   Amerikas größter Brückenbauer - ein Sudetendeutscher

Die Lindenthal sind eine alte nordmährische Familie. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der junge Dominik Lindenthal das Tischlerhandwerk erlernt und wanderte in die Welt hinaus. Auf seiner Wanderschaft kam er nach Brünn, wo er sesshaft wurde. Sein Sohn, der später das Handwerk des Vaters als Zunftmeister zu hoher Geltung brachte, wurde Vater von neun Kindern, von denen drei Söhne in die Vereinigten Staaten zogen. Im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten fanden diese das Betätigungsfeld, das dem hohen Fluge ihres Geistes entsprach. Der Jüngste dieser Auswanderer, Dominik, leitete die Arbeiten an den Hafenanlagen auf Cuba, bis ihn ein tückisches Geschick im Aufstiege seines Lebens dahinraffte. Der zweite Sohn, Rudolf, leitete als mechanischer Ingenieur zwei Menschenalter lang verschiedene große Fabrikbetriebe und lebte noch vor wenigen Jahren in Jamaika. Der älteste der Brüder, Dr.-Ing. Gustav Lindenthal, am 21. Mal 1850 geboren, ist der Altmeister amerikanischer Brückenbaukunst. Er ging bereits 1874 nach Amerika. Obwohl mehr als ein Menschenalter der Heimat ferne, bekannte er sich mit Stolz und Freude zum Sudetendeutschtum. Durch ihn ist der deutschen Arbeit und dem deutschen Geiste für alle Zeiten ein Denkmal jenseits des Ozeans gesetzt.

 

Viele Brücken, die über die größten Flüsse der Vereinigten Staaten führen, sind sein Werk, für weitere entwarf er die Pläne.

 

Seiner Erinnern wir uns anlässlich seines Geburtstages gerne und geben voller Stolz seine Leistungen der Nachwelt bekannt.

 

 

Seite 4   Unsere Toten

Am 6. April 1954 ist unser treues Mitglied, Fräulein Frieda Nagel, von 1914 bis 1945 Posthalterin in Luisenberg (Karalene) Kreis Insterburg, nach längerem schweren Leiden zur ewigen Ruhe heimgegangen. Mit den in der Sowjetzone lebenden Geschwistern trauert die Kreisgruppe Insterburg in der Landsmannschaft Ostpreußen Berlin.

 

 

Seite 4   Partisanenabwehr der Sowjets jenseits Frankfurt/Oder

Wie aus Frankfurt/Oder berichtet wird, fahren die sowjetischen Urlauberzüge alle mit einem Sprengschutz vor der Maschine, der durch zwei mit Sand beladene Güterwagen gebildet wird. Er soll bei Attentaten die Gewalt der Sprengung abfangen. Man sieht das als einen Beweis dafür an, dass die Tätigkeit der polnischen Partisanen nach wie vor anhält.

 

 

Seite 4   Kahlschlag in Ostpreußen

Die dichten Baumbestände Ostpreußens werden durch polnische Einschlagkolonnen seit Jahren ohne Unterbrechung abgeholzt. Nach Berichten von geflüchteten Waldarbeitern besteht die Johannisburger Heide fasst nur noch aus Kahlschlägen. Das ganze Material wird unaufhörlich teils mit der Bahn, teils in Flößen nach Polen abtransportiert. Der Raubbau wird sich in den nächsten Jahren im Lande sehr schädigend bemerkbar machen.

 

 

Seite 4   Happy-End in West-Berlin

Der Roman einer ostpreußischen Familie - 15 Jahre getrennt, jetzt endlich wieder vereint –

Der undurchdringliche Eiserne Vorhang. Wie ein Roman mutet das Nachkriegsschicksal einer Allensteiner Familie an, die erst jetzt nach fast 15-jähriger Trennung in Westberlin wieder zusammenfand.

 

Ihr Erleben beleuchtet blitzartig die Zwangslage der Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs, wo selbst auf das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Familie keine Rücksicht genommen wird. Unser Berichterstatter hatte Gelegenheit, mit der Familie B. in Charlottenburg zu sprechen, die nun endlich wieder vereint, ein neues Leben begonnen hat.

 

„Eines Abends klingelte es. Als ich öffnete, stand eine Frau vor mir. Im Hintergrund hielten sich etwas ängstlich zwei größere Jungen. Ich kannte sie nicht. Erst langsam dämmerte mir, dass es meine Frau sein könnte. Aber dass die beiden Jungen meine Kinder sein sollten, wollte mir nicht in den Sinn." Das erzählte der 48-jährige G. B., der vor dem Kriege in der ostpreußischen Stadt Allenstein ein Geschäft besaß, nach dem Kriege nach Berlin verschlagen wurde und seit 1939, als er Soldat wurde, von seiner Familie getrennt lebt.

 

„Ich hatte leider keine Zeit mehr, zu schreiben", meinte die jetzt 42 Jahre alte Frau B. „Es ging alles Hals über Kopf, nachdem man uns so lange hatte warten lassen. So musste ich meinen Mann überraschen und er konnte uns nicht aus Fürstenwalde, wo der Transport eintraf, abholen." Sie war schon im September vorigen Jahres von Allenstein nach Breslau umgesiedelt. Nur auf diesem Umweg ist es überhaupt gelungen, den undurchdringlichen Eisernen Vorhang zu durchstoßen und nach Berlin zu kommen. Aus dem südlichen Ostpreußen und vor allem aus Allenstein ist es für jüngere Deutsche so gut wie unmöglich, raus zu kommen. Die polnischen Behörden haben alle Deutschen, auch die, die nicht für Polen optierten, zwangsweise zu Polen gemacht. Ausreisen dürfen nur Alte und Arbeitsunfähige, sofern sie Angehörige in der Sowjetzone nachweisen können. Alle anderen müssen bleiben, obwohl sie das Leben dort satt haben. Auch die neu angesiedelten Polen bleiben nur gezwungenermaßen. „Weil sie", wie Frau B. sagt, „keine Möglichkeit zur Flucht haben".

 

Die Gesuche des Ehemannes, die er von Berlin nach Allenstein und Warschau schrieb, blieben denn auch ohne Erfolg. Auch die Bemühungen von Frau B., die Ausreisegenehmigung für sich und ihre beiden Söhne zu erhalten, waren vergeblich. Bis sie auf den Gedanken kam, zu Verwandten nach Breslau umzusiedeln. Von hier aus klappte es dann endlich. Sie hatte die Hoffnung, jemals wieder ihren Mann zu sehen, schon aufgegeben.

 

 Die beiden Jungen von 15 und 13 Jahren werfen immer wieder polnische Brocken in das Gespräch. In der Schule in Allenstein haben sie nur polnisch gelernt.

 

Die Mutter hat mit ihnen zu Hause zwar deutsch gesprochen, trotzdem haben sie aber vieles verlernt, so dass sie in Berlin nicht eingeschult werden konnten. Sie müssen erst Deutschunterricht nehmen, damit sie dem Unterricht in den Berliner Schulen überhaupt folgen können. Auch sonst müssen sie vollkommen umlernen. Vor allem, was Geschichte anbetrifft. Denn in Allenstein haben ihnen die polnischen Lehrer erzählt, dass die Oder-Neiße-Grenze den polnischen Ansprüchen noch längst nicht genügt, da auch ganz Brandenburg urpolnisches Land sei. Der Vater hat seine Söhne zuletzt gegen Ende des Krieges gelegentlich eines kurzen Urlaubs in Allenstein gesehen. Damals waren sie kleine Kinder. Heute sind sie ihm, vor allem der Älteste, fast über den Kopf gewachsen.

 

Über das Leben in Allenstein erzählt Frau B., dass es heute erträglicher sei, nachdem sich der Hass gegen die Deutschen gelegt habe. Nur alt und krank dürfe man nicht sein, dann müsse man verhungern. Als Arbeitskräfte seien die Deutschen wieder sehr geschätzt. Nur hören es die Polen nicht gern, wenn sich einer als Deutscher bekennt. Wer hier lebt und geboren ist, sagen sie, ist eben Pole. Nach wie vor wird daher nicht geduldet, dass auf der Straße oder im Lokal deutsch gesprochen wird. Die Stadt selbst macht einen fast übervölkerten Eindruck. Wahrscheinlich ist die Einwohnerzahl Allensteins heute höher als vor dem Kriege. Dafür sind die Nachbarstädte umso menschenleerer. Das 26 Kilometer entfernte Guttstadt beispielsweise gleicht einem Dorf. Hier gibt es keine Menschen und keine Häuser. Alles ist zerstört, nichts wieder aufgebaut. Nur die Kirche ragt aus dem Ruinenfeld.

 

Die Polen sind bemüht, aus Allenstein, eine Art Klein-Warschau, zu machen. Es soll die zweitgrößte Stadt des heutigen Polen werden. Man ist bereits dabei, das ganze Stadtbild durch Abrisse und Neubauten zu verändern. Zwei neue breite Straßen sollen die Stadt durchziehen. Am Regierungsgebäude ist auf dem früheren Gelände einer-Gärtnerei aus den Steinen des von den Polen zerstörten Tannenbergdenkmals ein Riesenmal der polnisch-russischen Waffenbrüderschaft erbaut worden. Trotzdem sind die Polen auf die Russen nicht gut zu sprechen. Sie verabscheuen den kommunistischen Zwang, der dort noch viel größer ist als in der Sowjetzone, ebenso wie Bespitzelungen und Verhaftungen an der Tagesordnung sind.

 

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