Ostpreußische Nachrichten, Folge 06 vom Juni 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 06 vom Juni 1954

 

Seite 1   Gesamtdeutsche Bewegung wird aktiv Die gesamtdeutsche Arbeit der Berliner Vertriebenen im Vordergrund

Nachdem in Bonn und anderen Ländern des Bundesgebietes die „Gesamtdeutsche Bewegung" gegründet wurde, geht man jetzt auch in Berlin daran, diese Bewegung auf die alte deutsche Reichshauptstadt auszudehnen. Wie wir aus gut informierten Kreisen erfahren, wird dabei die Initiative vom Berliner Landesverband der Vertriebenen getragen werden.

 

Dem Willen des Initiators, Jakob Kaiser, zufolge, soll die Gesamtdeutsche Bewegung alle Schichten unseres Volkes umfassen und im überparteilichen Sinne alle Kräfte für die Gewinnung der deutschen Einheit mobilisieren.

 

Das erste Bekenntnis des gemeinsamen Willens der in der Gesamtdeutschen Bewegung vereinten Organisationen und Verbände soll bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der mitteldeutschen Volkserhebung abgegeben werden. In Berlin wird man diesen Termin zum Anlass der Gründung der Gesamtdeutschen Bewegung in den Westsektoren nehmen.

 

Der Vorstand des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen befasste sich auf seiner letzten Sitzung eingehend mit der Frage der Gesamtdeutschen Bewegung. Übereinstimmend wurde von den Mitgliedern des Vorstandes erklärt, dass die Vertriebenen in Berlin seit Jahr und Tag gesamtdeutsche Arbeit leisten und bereit sind, in der Gesamtdeutschen Bewegung mitzuarbeiten.

 

Berlin habe die Aufgabe, der Motor dieser Gesamtdeutschen Bewegung zu werden, erklärte der Vorsitzende des BLV, Dr. Alfred Rojek. Er stellte das Einverständnis aller Mitglieder des Vorstandes fest, im Rahmen eines feierlichen Aktes den Beitritt des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen zur Gesamtdeutschen Bewegung vorzunehmen.

 

 

Seite 1   Mehr Bekennermut. Von Erich Ludwig

Einmal im Jahr wird die Einheit und Einmütigkeit der in den Landsmannschaften zusammengeschlossenen Heimatvertriebenen Berlins besonders sichtbar. Das ist immer dann, wenn zum „Tag der deutschen Heimat", Zehntausende Heimatvertriebene das weite Rund der Waldbühne füllen. Ein Tag des Bekenntnisses ist es, der Treue und immerwährenden Verbundenheit mit der angestammten Heimat des deutschen Ostens, des Sudetenlandes und des Südostens.

 

Obwohl das Treffen aller Heimatvertriebenen in Berlin zu den größten Veranstaltungen dieser Stadt überhaupt zählt, wollen wir den Mut haben, zu bekennen, dass die Teilnahme daran noch nicht Angelegenheit aller Schicksalsgefährten geworden ist. Noch zu viele Heimatvertriebene fehlen, wenn am „Tag der deutschen Heimat" namhafte Vertreter des Bundes und Berlins zu uns sprechen. Umso mehr machen wir uns über das Abseitsstehen weitester Kreise unserer Schicksalsgemeinschaft Sorgen, je mehr die Teilnahme der einheimischen Bevölkerung und der Behörden Interesse am „Tag der deutschen Heimat" findet. Fehlt es den immer noch Abseitsstehenden vielleicht auch Gleichgültigen am Mut und an der Überzeugung, für die Rückgewinnung unserer Heimat größtmögliche Geschlossenheit aller Welt zu demonstrieren? Ist die Erkenntnis, dass die Einigkeit ein wichtiger politischer Faktor, eine Macht darstellt, die das Weltgeschehen beeinflussen kann, nicht mehr im Denkvermögen unserer Heimatgefährten vorhanden? Hindert etwa die in manchen Kreisen erreichte Eingliederung und Besserstellung, ein Bekenntnis zur Heimat abzulegen? Oder will man gar eine Differenzierung unter den Heimatberaubten anstreben, wer für das Ringen um die Rückgewinnung des Wiegenlandes mehr oder weniger prädestiniert erscheinen soll? Um wie viel kleiner wird dann noch die Zahl der Heimatvertriebenen Westberlins, die zum „Tag der deutschen Heimat" sich bisher zusammenfanden, wenn man die Tausende unserer Landsleute aus der Sowjetzone und dem Ostsektor abzieht, die in vorbildlicher Treue zur Heimat oft unter den schwierigsten persönlichen Verhältnissen stolz auf die Teilnahme sind?

 

Mut gehört zwar nicht dazu, wenn man die Tatsache anführt, dass gerade die Jugend, ob als Kind oder reiferer Jugendlicher, fast völlig unter den Teilnehmern fehlt. Mut könnten aber andererseits die Eltern zeigen, ihre Kinder anzuhalten, Teil dieser Schicksalsgemeinschaft zu sein, der das bange Gefühl verdammt, wenn man an die Fortführung unseres Anspruchs auf die Heimat denkt und ihn für uns positiv beendet sehen will.

 

Möge jeder Heimatvertriebene in Westberlin bedenken, dass ein weiteres Abseitsstehen unseren Weg zur Erreichung des Zieles verlängert. Mehr Bekennermut zum kommenden „Tag der deutschen Heimat" unter den Betroffenen, wird uns viele Freunde und mehr Unterstützung einbringen, als abwartende Haltung und irgendwelche Voreingenommenheit in Bezug auf die weltpolitische Lage.

 

Machen wir diesen Tag vorerst einmal zur Herzensangelegenheit der Vertriebenen, dann wird unser Schicksal vom ganzen Volk getragen werden. Dann sind wir dem Ziel ein Stück näher.

Heraus, ihr Männer und Frauen, ihr Jungen und Mädchen der verlorenen Heimat, Mut und Herz bei der Verwirklichung unseres Sehnens und Hoffens, Wiedererwecken des Bewusstseins einziger Geborgenheit in der angestammten Heimat. Die Waldbühne muss in diesem Jahr viel zu klein sein, um die Massen der Heimatvertriebenen zu fassen, die nicht länger die Gezeichneten, sondern die Ausgezeichneten sein sollen!

 

 

Seite 1   Bundesregierung soll wegen polnischer Zölle verhandeln

Von unterem Bonner Korrespondenten

Die Bundestagsfraktion der SPD hat dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, wonach die Bundesregierung ersucht werden soll, „mit der Volksrepublik Polen Verhandlungen einzuleiten mit dem Ziel, dass von polnischer Seite keine Zölle oder entsprechende Abgaben für Lebensmittel- und Kleider-Liebesgaben aus der Bundesrepublik erhoben werden."

 

 

Seite 1   Appell an die Jugend

Führende Persönlichkeiten der deutschen Vertriebenen haben sich zu wiederholten Malen an die Vertriebenenjugend gewandt und erklärt, dass die große historische Aufgabe der Rückwanderung auf alten ost- und südostdeutschen Boden die Aufgabe eben dieser Jugend sei. Gleichzeitig wurde aber zugegeben, dass die Aufgabenstellung wohl für die Zukunft gegeben sei, aber die Aufgaben der Gegenwart nicht in befriedigendem Maße erfüllt werden.

 

Sowohl von der älteren als der jüngeren Generation wird beklagt, dass der Kontakt zwischen ihnen nicht so sei, wie er zu wünschen ist. Die Zwischengeneration des Krieges ist offensichtlich zu stark dezimiert, um das Bindeglied zu sein. Also muss der große Bogen der Verständigung weit genug sein, um einander im Ziele und in der Arbeit zu finden.

 

Es ist das Vorrecht der Jugend, hier voranzugehen, wie sie immer vorangegangen ist - mit all ihrer Leidenschaft und Begeisterung. An ihr und an uns liegt es, dass die großen Feiern und Kundgebungen der Heimatvertriebenen über den Rahmen eines Treffens hinausgehen, dass sie zu einem echten Aufbegehren werden.

 

Die Jugend steht zwischen Tradition und Revolution - das überkommene zu hüten und ihm neue Formen zu geben, ist Aufgabe jedes einzelnen - jedes einzelnen in der Gemeinschaft, denn die Gemeinschaft allein vermag dem einzelnen die Kraft für diese Aufgabe zu geben.

 

Wir haben nicht das Recht, zu klagen, wo die Opferbereitschaft von Langemark oder die Begeisterung der Jugend im Volkstumskampf heute geblieben sind. - Wir haben aber, jeder einzelne, die Pflicht und Schuldigkeit, mit der ganzen Leidenschaft unseres Herzens den isolierenden Intellekt zu überwinden und zusammenzustehen, wie eine Trutzgemeinschaft unserer Geschichte.

 

Wenn am „Tag der deutschen Heimat" - dem 1. August - in der Waldbühne die

Fahnen hochgehen zu der großen alljährlichen Kundgebung der Vertriebenen Berlins und der Sowjetzone, dann werden wir und die Jugend beweisen können und müssen, dass der Wille zum Leben und zur Gemeinschaft, die Begeisterung und Leidenschaft für die gerechte Aufgabe einzutreten, da sind und wachsen mit der Zeit.

 

Dass die heimatvertriebene Jugend als gleichberechtigt und gleichwertig in unserer Landsmannschaftsarbeit von der älteren Generation betrachtet wird, muss sie gerade zum „Tag der deutschen Heimat" in der Waldbühne stärker als bisher in Erscheinung treten lassen. - Jugend heraus!

 

 

Seite 1   Kroatenblatt für Rückkehr der Deutschen

Von unserem Washingtoner Korrespondenten

Das von der amerikanischen Presse wegen seiner sachlichen Berichterstattung sehr beachtete amerikanisch-kroatische Nachrichten-Bulletin „Croatia-Press" veröffentlichte einen ausführlichen Artikel über das Schicksal der Jugoslawiendeutschen.

 

Nach einer eingehenden Würdigung vor allem ihrer wirtschaftlichen Leistungen zum Wohle Jugoslawiens und einer mit Zahlenmaterial belegten ausführlichen Schilderung ihres Leidensweges seit 1914, nimmt die Korrespondenz Stellung zur Frage der Rückkehr der aus dem kroatischen Raum stammenden Deutschen. „Unser Standpunkt ist", schreibt das Bulletin, „dass jene Deutschen, die in der Vojvodina oder in Kroatien geboren sind und die diese Gebiete als ihre Heimat betrachten, das Recht haben, dorthin zurückzukehren.

 

Allerdings dürfen sie nicht erwarten, als „Herrenvolk" betrachtet und mit irgendwelchen Privilegien ausgestattet zu werden, wie dies leider einige ihrer Vertreter während des Krieges forderten. Den Deutschen, wie auch den in diesen Gebieten lebenden Serben, die sich zu einem großen Teil erst nach den Deutschen hier angesiedelt haben, wird volle Freiheit und Gleichheit garantiert werden. Diskriminierungen aus konfessionellen, Rassen- oder sonstigen Gründen werden nicht gestattet sein."

 

 

Seite 1   Die Verkehrslage in Ostdeutschland

Eigener Bericht

Auf Schiene und Straße machen sich in den deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße jetzt, nachdem die noch von den Deutschen erbauten Strecken und Straßen ab- bzw. ausgefahren sind, immer größere Missstände bemerkbar. Die polnische Rundfunkstation in Danzig erklärte in einer Sendung über die Verkehrslage in Süd-Ostpreußen, der Zustand der Straßen in der „Wojewodschaft Allenstein" sei dermaßen schlecht, dass ein Kraftwagen für die Strecke von Lyck bis Allenstein zuweilen mehrere Tage brauche.

 

Die Reparaturschäden an den Wagen, die durch die Straßenverhältnisse hervorgerufen wurden, hätten im letzten Jahre allein in dieser Wojewodschaft über drei Millionen Zloty betragen. Die Versorgung der kleineren Ortschaften sei in Frage gestellt.

 

Ähnlich sind die Verhältnisse im Schienenverkehr, wenn auch für die Abfertigung der

immer noch in dichter Folge laufenden Transportzüge Sowjetzone - UdSSR und umgekehrt Sorge getragen wird. Die Züge laden jetzt jedoch nicht mehr „Reparationsgut", sondern „Güter des Warenaustausches", wie es amtlich heißt. Der Ortsverkehr weist außerordentliche Verspätungen auf. Auf der Strecke von Forst bis Guben brauchte kürzlich ein Lokzug für 40 km nicht weniger als 24 Stunden. „Dieses ist kein Einzelfall", wurde hierzu von dem befragten Eisenbahner geäußert.

 

Nach einer Meldung des Breslauer Senders hat sich kürzlich in Oberschlesien erneut eine Reihe schwerer Zugunfälle ereignet, bei denen 18 Personen getötet und 80 verletzt wurden. Der polnische Sender meldete hierzu, die Tatsache, dass viele Strecken reparaturbedürftig seien, begünstige „Sabotageakte". Tatsächlich handelt es sich bei den Unglücken in der Regel um die Folge von Zugentgleisungen. Allein im Gebiet von Oppeln, Ratibor und Cosel gibt es 45 sogenannte „Langsam-Fahr-Stellen", die nur im 20-Kilometer-Tempo durchfahren werden dürfen. Das Schienenmaterial reiche nicht aus, um die notwendigen Gleisauswechselungen vornehmen zu können, berichtete der Breslauer Sender des Weiteren hierzu.

 

 

Seite 2   Blick in die Heimat: Nix mit Powidelknödel

Ohne Arbeit keine Kuchen - ist die seit Jahren vom damaligen Vorsitzenden der staatlichen Gewerkschaften und heutigen Präsidenten Zapotocky den Arbeitern vorgehaltene Devise.

 

Den geforderten hohen Arbeitsnormen nach müsste der Lebensstandard in der CSR heute dementsprechend hoch sein.

 

Ist dem so? Der ungelernte Arbeiter verdient monatlich zirka 800 Kr., der Facharbeiter etwa 1000 Kr., d. h., der erste steht ungefähr, der zweite nicht viel besser als der westdeutsche Arbeitslose da. Nachdem 1000 Kr. eine Kaufkraft von etwa 240 DM haben, beläuft sich die monatliche Unterstützung der Rentner und Invaliden auf rund 60 DM bei 250 bis 350 Kr. die sie erhalten. Erst dadurch wird einem verständlich, warum Flüchtlinge aus der Heimat hier nur schwer an die in der Ostpresse so

gern zitierten Arbeitslosen glauben. Ihrer Meinung nach müssten diese noch verhungerter und schlechter gekleidet aussehen als die Arbeiter drüben. Kostet drüben ein Kilo Butter 40 Kr. lässt sich leicht ausrechnen, dass sich der Rentner hier dafür mehr kaufen kann.

 

Aber nicht nur die Menge, auch die Qualität lässt zu wünschen. Butter z. B. ist mit minderwertiger Margarine durchmischt. Brot, infolge der Normenschinderei, meist nicht durchgebacken, schmierig und schwammig. Semmeln dehnbar wie Gummi.

 

Schon über ein Jahr ist es nicht möglich, mehr als ¼  kg Zucker zu erhalten. Dazu kostet das Kilo 15 Kr. also vier Stundenverdienste für den Normalarbeiter. Langes Schlange stehen außerdem dazu notwendig.

 

Überhaupt gehört die Schlange mit Polizeibewachung längst wieder zum täglichen Leben. Einerlei, ob um Zucker oder Kinokarten zu einem Westfilm angestanden wird. Infolge der katastrophalen landwirtschaftlichen Lage wird Fleisch immer knapper. Selten gibt es ein kleines Stück Kalb- oder Schweinefleisch. 35 Kr. das Kilo. Wurstwaren werden wegen des damit verbundenen Gewichtsverlustes nicht durchgeräuchert. Wässrig und versalzen ist die Wurst oft mit Semmeln, Fischen und Kartoffelmehl „aufgefüllt". Liegengebliebenes Fleisch und Wurst, vielfach nicht mehr ganz einwandfrei, werden in den Wurstfabriken von Prag und Senftenberg in die begehrte, weil durchgeräucherte Dauerwurst „veredelt".

 

Erschwert wird die Versorgung der Bevölkerung dadurch, dass in erster Linie nur Großstädte und Industriezentren beliefert werden. Die Arbeitszeit ist meist so eingeteilt, dass den Verbrauchern aus den umliegenden Gebieten auch sonnabends der Einkauf unmöglich gemacht wird.

 

Anfangs mag dies wohl unerklärlich scheinen. All dies wird aber verständlich in Anbetracht der ungeheuren Flächen unbebauten Bodens und der Arbeitsmethoden. Selbst um Prag, vom Sudetengebiet ganz zu schweigen, liegen tausende Hektar brach. Zuckerrübenfelder ersticken wegen Arbeitermangel im Unkraut. Kartoffeln und Getreide liegen bis Weihnachten auf den Feldern. Ein Tageslohn von 3 bis 5 Kr. (zirka 1,50 DM) zuzüglich Verpflegung reizt den Kolchosenarbeiter natürlich nicht zu besonderen Leistungen. Für dieses Jahr ist der Einsatz von Militäreinheiten zur Feldarbeit, besonders zur Einbringung der Heuernte, in den Grenzgebieten vorgesehen. Sommerfrischler werden in Kurorten zur Landarbeit angehalten. Besitzer von Gärten im Ausmaß von 50 qm werden zur Heuablieferung verpflichtet. Dank eines Zapotocky und Genossen sind aber auch diese krampfhaften Versuche einer Rettung vergebens. Wie überall im roten Machtbereich, so auch in der CSR, ist das Regime nicht imstande, dem Arbeiter eine anständige Ernährung und Lebenshaltung zu bieten.

 

 

Seite 2   Wichtigste Frage: Familienzusammenführung

Von unserem Wiener Korrespondenten

Eine Reihe von Abgeordneten hat im österreichischen Parlament an den Außenminister die Anfrage gerichtet, ob er bereit sei, der österreichischen Bundesregierung vorzuschlagen, dass mit den Regierungen süd- osteuropäischer Staaten Verhandlungen über eine Zusammenführung der Familien österreichischer Staatsbürger geführt werden.

 

Es handelt sich dabei insbesondere um die Zusammenführung von Familien Volksdeutscher Heimatvertriebener, die inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Insgesamt leben in Österreich 60 000 Volksdeutsche aus Rumänien, von denen 15% österreichische Staatsbürger sind. Viele von ihnen sind von ihren Familien getrennt, die sich noch in Rumänien befinden, vorwiegend in Siebenbürgen, aber auch in den Siedlungsgebieten der Donauschwaben. Eine beträchtliche Anzahl der donauschwäbischen Familien ist auch in die Karagan-Steppe verschleppt worden, die sie aus dem Nichts heraus zu Ackerland machen sollen.

 

Die in Salzburg erscheinende Zeitung der heimatvertriebenen Donauschwaben: „Neuland" weist auch darauf hin, dass demnächst eine rumänische Delegation in Westdeutschland erwartet wird und richtet daher an die deutsche Bundesregierung die Aufforderung, mit dieser Delegation ebenfalls die Frage der Familienzusammenführung zu erörtern.

 

 

Seite 3   Ein alter Prospekt

Beim Kramen fand ich alte Prospekte. Ausgebreitet lagen Ansichten von Misdroy, Banzig, Nidden, Zoppot und vielen anderen Kurorten des Ostens. Dann fiel mir eine Eintrittskarte zur Waldoper in die Hand, „Lohengrin". Damit stand jenes Erlebnis wieder vor mir, als ich auf der Zoppoter Waldbühne der Wagneroper lauschte.

 

Auch die Kasinokarte fand ich noch. Damals, das erste Mal, musste ich im Zoppoter Kasino spielen. Ich gewann mit den geborgten Chips, so dass meine Reisekasse aufgebessert und der Aufenthalt verlängert wurde. Glück muss man haben. Als internationaler Kurort war Zoppot bis zum Kriegsausbruch berühmt. Die Windhundrennen, Segelregatten, Sommerfeste besaßen eine große Anziehungskraft weit über Danzigs Grenzen hinaus. Als es bei uns längst aus der Mode gekommen war, in den Kaffeehäusern Schlagsahne zu geben, bekam man sie in Zoppot für ein paar Pfennige.

 

Im Silberhammer bei Oliva schrieb Eichendorff seinen „Taugenichts", auf den Höhen grüßte Schopenhauers Haus, während das Geburtshaus seiner Mutter, Johanna Trosiner, in der Heilig-Geist-Gasse zu Danzig stand. Nur einige Schritte gegenüber wurde der Kupferstecher Daniel Chodowiecki geboren, dessen Werke ihn weit überlebten.

 

Manchmal gehen die Gedanken auch zu dem Bild zurück, das sich „Das Jüngste Gericht" nannte und im Artushof über der Tür der Halle hing. Anton Möller, den anscheinend, die Ratsherren geärgert, hatte den Verdammten auf dem Gemälde ihre Gesichter gegeben und war vor der Enthüllung des Bildes auf Nimmerwiedersehen aus der Stadt gegangen.

 

Ob heute wohl noch jemand an die ehemalige Grenze, den Menzelbach, denkt? Auf dem langen Seesteg in Zoppot sitzen sicher nicht mehr die Kurgäste, falls die Bohlen nicht überhaupt längst verheizt sind.

 

Wenn jetzt die Tage länger und wärmer werden, wandern unsere Gedanken besonders oft an die Ostsee. Wir denken an die rauschenden Wälder, die zerklüfteten Küsten von Warnicken und Rauschen, die Dünenhänge bei Nidden und die Elche im Moorland von Schwarzort und Memel. Wie oft fuhren wir - von Berlin hinauf. Wie schön, wenn die bequemen Schiffe durch die Nacht glitten, die Bordradios spielten und die Jugend an Deck tanzte. Wenn der Morgen heraufzog, die Sonne strahlend dem Meer zu, entsteigen schien, gab es kaum einen Schläfer mehr. Dann grüßten uns Danzigs Farben.

 

Kehrten wir heim, war es Swinemünde im Morgenlicht, das uns empfing. Swinemünde, das war der Badestrand der Berliner vor den Toren der Stadt. Heute ist es nur der Wannsee. Erika

 

 

Seite 3   „Ännchen von Tharau“ in Würzburg (mit Foto)

Ilse Werner in erster Charakterrolle als ostpreußische Vertriebene

Der neueste Film der Berliner Apollo-Produktion hat den vielversprechenden Titel „Ännchen von Tharau". Aber leider, leider ist es nicht ein Film um das Volkslied oder das ostpreußische Ännchen der „guten, alten Zeit", so bezaubernd das auch vorzustellen wäre - die Geschichte spielt in Würzburg, und Ilse Werner ist laut Drehbuch eben „Anne" und nicht Ännchen. Dafür schmettert dann der Männergesangverein von Mainheim das Lied vom schönen Ännchen, dass - na, Sie wissen ja ... Trotzdem lohnt es sich, die Geschichte dieses Filmes zu erzählen, weil ein Schicksal im Mittelpunkt - steht, das in ähnlicher Form viele deutsche Vertriebene zu tragen haben. Anna Wittkuhn (Ilse Werner), die als Serviererin in einem Würzburger Lokal arbeitet, stammt aus Ostpreußen. Auf der großen Flucht starb ihre Freundin, die ihr in der Sterbestunde ihren kleinen Sohn anvertraut. Um den kleinen Jungen nicht in fremde Hände geben zu müssen, gibt Anna den Sohn ihrer Freundin als ihr eigenes Kind aus. Der Vater des kleinen Utz ist seit dem Kriegsende vermisst - aber eines Tages taucht er als Techniker mit einer Auto-Super-Rennbahn auf dem Würzburger Rummelplatz auf. Anne, von ihrem jungen Wirtschef verehrt und geliebt, sieht sich plötzlich in einen Strudel von Gewissenskonflikten gerissen.

 

Soll sie Utz, den sie wie ihr eigenes Kind liebt, dem leiblichen Vater zurückgeben oder schweigen, um sich den Jungen zu erhalten? Doch das Herz geht den geraden Weg - denn der Vater des Kindes (Heinz Engelmann) und Anna, sind sich durch Utz, der so gern auf der Auto-Rennbahn fährt und der durch seinen Vater vor einem Unfall gerettet wird, nahegekommen. Als Utz Vater bei der Rettungsaktion verletzt wird und Anne ihn pflegt, erkennen beide ihre Liebe, und was liegt da näher als ein happy end, das alle drei zusammenführt.

 

Dem einfachen Kritiker mögen die Umstände simpel erscheinen, aber gerade sie führen in die Nähe - wenn auch nicht in die Mitte - der Wahrheit. Das Schicksal der Anna Wittkuhn ist nur eines von vielen und für die meisten davon gab es kein happy end. In Berlin hat man gesagt, dieser Stoff wäre ein Thema für Harald Braun („Nachtwache"). Aber Wolfgang Schleif, ein junger und zukunftsträchtiger Regisseur („Ehe im Schatten") hat es sich vorgenommen, „einen guten Film" zu machen, und es kann erwartet werden, dass er die Aufgabe löst.

 

Ilse Werner hat als Anna Wittkuhn ihre erste Charakterrolle. Ihren stärksten Moment hat sie in der großen Szene des Films, als sie den Vater des kleinen Utz erkannt hat, sein Bild aus der Truhe zum Vergleich hervorholt und mit wenigen, leisen Worten die Tragik der Situation spüren lässt.

 

Mitte Mai wurden die Atelieraufnahmen in Berlin beendet, Anfang Juni die Außenaufnahmen in Würzburg und Ende August werden wir „Ännchen von Tharau" auf der Leinewand sehen. Und In diesem Zusammenhang die Frage an die deutschen Filmproduzenten: Warum remakes (Wiederverfilmungen) und ostdeutsche Volkslieder nur als Titel? Warum nicht auch mal die echte Geschichte des Ännchen von Tharau?

 

 

 

 

Seite 4   Wir gratulieren

zum 75. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Elisabeth Scheithauer aus Insterburg (Ostpreußen), jetzt wohnhaft Berlin SW61, Kreuzbergstraße 43.

 

 

Seite 4   Verbundenheit über Grenzen

Dr. Alfred Gille auf einer Delegierten-Versammlung der Landsmannschaft Ostpreußen in Berlin

Am 15. Mai um 19.30 Uhr fand im Haus der Wirtschaft in Berlin-Steglitz eine Delegierten-Versammlung der Landsmannschaft Ostpreußen in Berlin statt.

 

Der 1. Vorsitzende, Rechtsanwalt Dr. Hans Matthee eröffnete die Delegierten-Versammlung und begrüßte besonders herzlich den Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen Dr. Alfred Gille, der anschließend das Wort ergriff.

 

„Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und möchte meiner sehr herzlichen Freude Ausdruck geben, gerade in diesem Kreis der aktivsten Delegierten unserer ostpreußischen Gemeinschaft hier in Berlin einmal sprechen zu können. Ich möchte nun nicht lediglich hierhergekommen sein, um Ihnen einen Vortrag zu halten, sondern um die Meinung der ostpreußischen Landsleute mitzunehmen. Es gibt keine zweite Stadt innerhalb des freien Deutschlands, die auch nur annähernd so viel politisches Fingerspitzengefühl, soviel Aufgeschlossenheit für echte politische Fragen besitzt, wie die Berliner Bevölkerung. Das ist mir immer sehr ausdrucksvoll begegnet, wenn ich mit anderen Berlinern gesprochen habe und es dürfte sich wohl auch auf die Berliner Ostpreußen übertragen haben."

Dr. Gille beleuchtete zunächst die Organisationsfragen, den Aufbau der Landsmannschaften und die Aufgaben des Z. V. D. Leider fährt man in den meisten Ländern der Bundesrepublik zweigleisig mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, dessen Landesvorsitzender er (verglichen mit einem studentischen Ausdruck) ein 2-Bändermann sei. „Ich weiß, dass hier in Berlin, genauso wie in Hamburg und Bremen die Verhältnisse anders liegen, weil sich hier nur eine Organisation, ganz egal wie sie sich nannte, aufbauen konnte.

 

Den weiteren Weg

Wir Ostpreußen haben im Kranze der reichsdeutschen Landsmannschaften nicht nur räumlich, sondern auch politisch den weitesten Weg nach Hause. Wir sind deshalb eminent daran interessiert, die Schlagkraft der ganzen Heimatvertriebenen aller Organisationen für uns mit einzuspannen. Das letzte Stück Weg werden wir alleine gehen müssen, aber bis zur Weichsel können wir in Kameradschaft mit sehr vielen anderen zusammengehen. Das Entscheidende bei solchen Organisationen, die ja, ob sie wollen oder nicht, irgendwie politisch wirken wollen, denn unser Hauptziel, wieder in die Heimat zurückzukommen, ist ja ein eminent politisches Ziel, - nicht parteipolitisch -. Eine Organisation, die sich also vornimmt, in dieser Weise auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen, muss eine Voraussetzung erfüllen: sie darf von den staatlichen Instanzen nicht finanziell abhängig sein. Es gibt keine Vertriebenen-Organisation, die diese stolzen Voraussetzungen erfüllt mit Ausnahme der Landsmannschaft Ostpreußen und das Mittel, mit dem dieses erreicht worden ist, ist unser gemeinsames Blatt „Das Ostpreußenblatt", an dem niemand verdient, außer der Gemeinschaft der Ostpreußen und die uns in die Lage versetzt, die vielfachen Aufgaben, Aufgaben die Geld kosten, aus eigener Kraft anzupacken, ohne erst als Bittsteller bei den Ministerien vorsprechen zu müssen. Wir haben auch in Bonn auf Grund dieser sehr glücklichen Lage ein ganz beachtliches Renommee. Wir pflegen eine Aufgabe anzupacken, und erst dann, wenn wir aus eigener Kraft etwas Beachtliches geleistet haben, treten wir an den Bund heran, bitte nun helft mit. Ein Beispiel dafür ist die Bruderhilfe Ostpreußen, eine großzügige Hilfsaktion für unsere ostpreußischen Schwestern und Brüder, die heute noch in Süd-Ostpreußen sitzen. Fast 20 000 Pakete mit einem Gewicht von etwa 18 kg sind bestätigt in Süd-Ostpreußen angekommen.

 

Bruderhilfe Ostpreußen

Diese Aktion hat aus eigenen Mitteln des Ertrages des Ostpreußenblattes ungefähr 60- bis 70 000 DM gekostet. Die unerhörte Gebefreudigkeit unserer ostpreußischen Gruppen, aber auch die Hilfsbereitschaft der westdeutschen Bevölkerung, insonderheit von dem Augenblick an, wo es gelang, die Schulen dafür zu interessieren, ist erstaunlich gewesen und für diese festgefügte Gemeinschaft ein besonders markantes Beispiel. Als im Februar dieses Jahres, trotz aller angeschlagenen Hilfsquellen wieder Mittel fehlten, um die ungeheuren Portokosten bis nach Masuren, für die Hunderte von Paketen, die in jeder Woche rausgingen, zu beschaffen, kamen wir auf den Gedanken, uns an unsere ostpreußischen Landsleute zu wenden, mit der Bitte, - jeder Bezieher des Ostpreußenblattes möge doch 1,-- DM für diese Zwecke stiften. Innerhalb von 2 ½  Wochen kamen 55 000 DM zusammen. Ich möchte wissen, welche Organisation hier oder in Westdeutschland, heute in der Lage wäre, nur annähernd so viel aufzubringen. Ich glaube, wir sollten als Ostpreußen stolz darauf sein, sollten uns bewusst sein, welch einer festgefügten Gemeinschaft wir unsere Zeit und unsere Kraft zur Verfügung stellen und sollten deshalb auch getrost in die Zukunft hineingehen, in dem Bewusstsein, dass es an der Geschlossenheit der Gemeinschaft nicht fehlen wird, wenn wir genötigt sind, alles was wir an Einfluss und Einwirkungsmöglichkeiten haben, in die Waagschale zu werfen. Meine Damen und Herren! Aus dem Gebiet der sozialen und wirtschaftlichen Sorgen und Nöte möchte ich zwei Fragen anschneiden, die gegenwärtig dem Bundestag wieder vorgelegt worden sind. Da ist einmal die Erhöhung der Unterhaltshilfe. Der Gesetzentwurf geht dahin, die Unterhaltshilfe für die alleinstehende Person von 85,— DM auf 100,— DM und für Ehepaare auf 150,— DM zu erhöhen, für jedes Kind 30,— DM zusätzlich. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass das nun nicht etwa ein sorgenfreies Leben bedeutet, es wäre aber immerhin eine nicht unbeträchtliche Verbesserung. Der Kostenpunkt für diese Erhöhung macht im Jahre 200 Millionen DM aus. Ich habe den Eindruck, dass sich dieser Notwendigkeit gegenüber keine Partei verschließen würde. Der Streit geht jetzt darum, woher die 200 Millionen DM nehmen. Es ist Auffassung des Bundesvertriebenenministers und auch der Vertriebenenabgeordneten, dass der Lastenausgleichsfonds unmöglich diese Summe allein bringen kann, sondern dass die Länder wahrscheinlich ihren Anteil dazu werden geben müssen. Ein zweites Problem des Lastenausgleichs ist, dass dieser auf dem sogenannten Einheitswertprinzip fußt. Das ist an und für sich noch nicht ein grundsätzlicher Fehler, sondern lediglich ein rechnerischer Maßstab, leider ein sehr niedriger Maßstab. Bei einem Einheitswert von 20 000 DM beträgt ungefähr die Schadenssumme etwa 5 000 DM, die der Geschädigte etwa im Laufe von etwa 30 Jahren zu bekommen hat. Wer Unterhaltshilfeempfänger ist, bei dem werden 5000 DM Schadenssumme als verbraucht durch Gewährung der Unterhaltshilfe abgerechnet. Das bedeutet also, dass alle, die bis zu 20 000 DM Einheitswert als Grundlage ihrer Schadensfeststellung haben, durch die Entgegennahme der Unterhaltshilfe praktisch überhaupt keinen echten Schadensausgleich mehr erhalten. Bei 20 000 DM Einheitswert muss ein Bauer mindestens 100 ha Besitz gehabt haben. Bauern, die also weniger als 100 ha Besitz gehabt haben und jetzt alt sind und Unterhaltshilfe beziehen, haben praktisch damit ihren gesamten Schadensersatzanspruch bereits verbraucht. Ich halte diese Regelung und Lösung für unmöglich. Die Bestimmungen in der Novelle gehen jetzt dahin, dass einer, der nichts verloren hat, genau so viel Unterhaltshilfe erhält, wie der andere mit der Schadensumme von 20 000 DM Einheitswert. Wir bemühen uns deshalb, bei der Unterhaltshilfe diese Einschränkungen zu streichen, um dem Antragsteller die Ansprüche auf die echte Hauptentschädigung aus dem Lastenausgleich zu erhalten.

 

 

 

Seite 5   Die Eingliederung der Bauern

Ein zweites Problem ist die Eingliederung heimatvertriebener Bauern. Sie wissen, dass sich der neue Vertriebenenminister besonders dafür interessiert. Hier sind ganz neue Wege beschritten worden und wir hoffen, dass die Widerstände der einheimischen Landwirte zu beseitigen sind. Dr. Oberländer hat die Feststellung auf Grund sehr eingehender statistischer Erhebungen gemacht, dass eine Unzahl von Höfen heute Besitzer oder Besitzerinnen haben, die überaltert sind und praktisch gar nicht mehr in der Lage sind, den Hof wirklich zu bewirtschaften. Hoferben sind nicht vorhanden, die alten Leute möchten brennend gern ihren Hof abgeben. Es langt aber nicht, dem Besitzer einen sorgenfreien Lebensabend zu schaffen. Der Hof trägt nicht neben allen anderen Belastungen noch ein Altenteil oder Ausgedinge und da will man den Hebel ansetzen und Mittel bereit stellen, um solchen Hofbesitzern, die keine leiblichen Erben haben, aber überaltert sind, einen Anreiz zu schaffen, ihren Hof einem heimatvertriebenen Bauern kaufweise oder pachtweise zu überlassen. Dr. Oberländer hat ausgerechnet, dass auf diesem Wege nach der gegenwärtigen Sachlage ungefähr 80 000 Bauern eingesetzt werden könnten. Es hat lange gedauert, bis sich die Erkenntnis durchsetze, dass die Frage der Unterbringung der heimatvertriebenen Bauern nicht allein eine Frage der Vertriebenen ist, sondern dass es hier darum geht, die bäuerliche Substanz dem deutschen Volke zu erhalten. Dabei soll nicht vergessen werden, dass wir an den Problemen, wie sie hier in Berlin liegen, vorbeigehen, sondern auch auf diesem Wege siedlungswillige Bauern aus Berlin nach den andern Ländern herüberschleusen werden

 

 

Seite 5   Hauptziel: die Rückkehr

Ich habe schon erwähnt, dass das Hauptziel unserer landsmannschaftlichen Organisationen ist, eines Tages wieder in unsere geliebte ostpreußische Heimat zurückkehren zu können. Wir haben uns sehr genau überlegt, ob wir vor oder nach der Konferenz mit unseren berechtigten Forderungen an die Konferenz herantreten oder an die Öffentlichkeit treten sollen. Unter allen Umständen wollten wir vermeiden, dass irgendeine Fragestellung in der Konferenz auftaucht - ob von westlicher oder von Seiten der Sowjets - seid Ihr bereit, die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie aufzugeben oder die Oder-Neiße-Linie als Grenze anzuerkennen, wenn wir das oder das konzipieren? Diese Frage ist von keiner Seite aufgeworfen worden und wir hatten keine Veranlassung, uns zu Wort zu melden. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Charta der Vertriebenen - die auch im Ausland bekanntgeworden ist - die eine Lösung erstrebt, wie Osteuropa künftige Konflikte ausschaltet. Von diesem Grundgedanken ausgehend gibt es nur den nächsten Schritt, der abgeht von den Lösungsversuchen in den letzten 200 bis 300 Jahren, der immer irgendwie zu einem Waffenkonflikt Anlass gegeben hat. Wir können uns eine wirklich dauerhafte Lösung im Osten nur so vorstellen, dass die Grenzen nicht mehr Schranken sind', sondern dass die Grenzen soweit in ihrer Bedeutung herabgemindert werden, dass sie praktisch nur noch Verwaltungsmarken sind. Stellen Sie sich einmal die Verhältnisse in der Donau-Monarchie vor. Sie hatte deshalb Jahrhunderte Bestand, weil die Grenzen, die auch da gezogen waren, nicht Schranken waren, sondern die völlige Freiheit, Freizügigkeit und Beweglichkeit aller Staatsbürger der Donaumonarchie immer gewährleistet war.

 

Wir haben in diesem Augenblick nicht die geringste Aussicht damit, wenn wir anfangen Grenzen zu ziehen. Sobald wir damit anfangen und wir sprechen mit einem Polen oder anderen darüber, sind wir in den ersten 5 Minuten fertig. Alle Gespräche beschränken sich auf das Grundsätzliche, die gemeinsame Anerkennung zu fordern, dass Groß-Europa auf eine Weise aufgebaut werden soll, dass nicht einzelne Nationalstaaten sich streng voneinander abgrenzen können, dass etwa dort verbleibende Minderheiten nicht auch den Methoden zwischen den beiden Kontrahenten nieder gehalten werden können, sondern dass wir in Anerkennung des Grundgedankens, dass nicht Staaten das neue Europa bilden sollen, sondern Völker, Volkstümer, dass wir uns darin einmal Anden. Diese gesamteuropäische Lösung scheint uns der einzige Weg zu sein, um in der großen außenpolitischen Erörterung dieser Dinge Bestand zu haben, gehört zu werden und so Gott will, eines Tages die Anerkennung zu finden. Ich habe es mir immer so ausgelegt, dass, wenn unser Vertriebenenschicksal überhaupt einen Sinn haben soll, denn solche großen geschichtlichen Ereignisse haben einen Sinn, der so darin liegt, dass die Heimatvertriebenen die echten Wegbereiter und Schrittmacher für ein vereintes Europa sein sollen. Ich möchte nun noch auf die sehr akute und heiße Frage der Saar eingehen, weil mit Recht die Bedenken erhoben worden sind, dass eine Saarlösung Zustandekommen könnte, die Präjudiz für eine künftige Lösung im Osten bedeuten würde. Soweit diese Gedanken berechtigt sind, sind wir selbstverständlich verpflichtet, mit aller Leidenschaft immer darauf hinzuweisen und uns mit aller Leidenschaft dafür einzusetzen, dass auf keinen Fall die Lösung des Saarproblems eine Oder-Neiße-Grenze und eine Oder-Neiße-Lösung im Westen bedeuten darf.

 

Was wird wenn?

Nehmen wir einmal an, es würde eines Tages an uns Ostpreußen eine Macht herantreten und die Frage an uns richten „Seid Ihr bereit, das Land Ostpreußen, dessen deutscher Charakter in Land und Leuten nicht bestritten, sondern international garantiert werden soll, seid Ihr bereit, Euer ostpreußisches Land als ein exterritoriales Gebiet zur Aufnahme der supernationalen Behörden des gemeinschaftlichen Europas zur Verfügung zu stellen?" Wer von uns würde den Mut haben, darauf nein zu sagen. Es ist vielleicht etwas viel verlangt, Ihnen in einer solchen rein theoretischen Fragestellung klar zu machen, worum es bei der Lösung dieser Probleme geht. Entweder finden wir den Mut und gerade wir Vertriebenen den Mut, zu einer echten Entwicklung zu einem gemeinsamen Europa den Anfang zu machen oder ich weiß nicht, wie die Zukunft anders aussehen soll. Dieser zerrissene und in sich gespaltene und mit eigenen Hausstreitigkeiten gefüllte kleine Kontinent, durch dessen Mitte die Grenze zwischen Ost und West heute verläuft, hat doch nur eine Chance, wieder zu einer dauerhaften Ordnung in Freiheit zu kommen, wenn wir den jahrhundertelangen Streit um nationalstaatliche Interessen begraben und uns ehrlich bemühen, das Gemeinsame zu sehen.

 

 

Seite 5  Unsere Toten

Am 19. Mai 1954 verstarb unsere Landsmännin Frau Minna Ritter, geb. Konrad, im Alter von 76 Jahren. Früher wohnhaft in Mallwischken, Kr. Schloßberg/Ostpr. (Pillkallen), zuletzt wohnhaft in Berlin W 30, Bamberger Straße 51

 

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