Ostpreußen Nachrichten, Folge 03 vom März 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 03 vom März 1954

 

Seite 1   Grabstätte Kants - Februar 1954. Foto

Im Gebiet von Königsberg, das während des letzten Krieges stark unter den Kriegsfolgen gelitten hat, liegt die Grabstätte des deutschen Philosophen Immanuel Kant. Durch Luftangriffe wurden der Säuleneingang über dem Grabmal und das Grab selbst beschädigt. Inzwischen ist aber der Säulengang wieder errichtet und das Grab renoviert worden. Nach einer offiziellen Meldung der sowjetischen Zeitung „Kaliningradskaja Prawda" haben sich die Instandsetzungsarbeiten auf 5000 Rubel belaufen.

 

Das Denkmal Friedrich Schillers in der Innenstadt, das während der Kämpfe um Königsberg stark zerstört worden war, ist ebenfalls wieder aufgebaut worden. Gleichfalls nach offiziellen Berichten gibt es in Königsberg heute noch eine Haydn-, Gluck-, Schiller-, Bach- und Beethoven-Straße. Die Straßenschilder allerdings sind russisch.

 

 

Seite 1   Volksbewegung für die Einheit

Vertriebene müssen in vorderster Front stehen - Gemeinsame Aufgabe

Berlin (DPA). - Eine „echte Volksbewegung für die Wiedervereinigung Deutschlands" forderte der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, am Sonnabend in einer Rundfunkansprache über den RIAS. „Aufgabe einer gesamtdeutschen Aktion muss es sein", sagte Kaiser, „die Wiedervereinigung Deutschlands zum Willenszentrum  unseres Volkes zu machen." In fortwährender Bemühung muss das Verantwortungsbewusstsein von West- und Süddeutschland für die 18 Millionen jenseits von Elbe, Werra und Fulda gestärkt werden. In der Welt werde immer wieder der Zweifel laut, ob es den Westdeutschen mit dem Wiedervereinigungswillen wirklich ernst sei. Diese Zweifel könnten nur zum Verstummen gebracht werden, wenn sich unser Volk in gemeinsamer Aktion zu lebendigem Bekenntnis für die Wiedervereinigung in Freiheit zusammenschließe. „Das wird auch für die 18 Millionen in Mitteldeutschland die entscheidende Ermutigung- sein, auf die sie warten."

 

 

Seite 1   Berliner Konferenz und Selbstbestimmungsrecht. Von Freiherr von Esebeck

Die Konferenz der Außenminister ist ohne Ergebnis geblieben. So schmerzlich diese Erkenntnis ist, so haben wir als Heimatvertriebene und Ostdeutsche, aber auch als Osteuropäer dazu noch ein besonderes Wort insofern zu sagen, als wir uns fragen müssen, ob nicht im Blick auf den Osten Europas dieses negative Ergebnis auch ein positives Moment einschließt.

 

Nicht nur die Heimatvertriebenen, die Vertreter aller Volksgruppen Osteuropas, waren in Erwartung der Konferenz von Sorgen erfüllt. Es erschien ja durchaus möglich, dass auf der Zusammenkunft der vier Mächte auch Fragen des europäischen Ostens und der Oder-Neiße-Gebiete erörtert werden würden. Und bei einer Diskussion der Grenzfragen im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung wäre es dann denkbar gewesen, dass man sich zu einem übereinkommen bereitgefunden hätte, ohne dabei die Forderungen und Wünsche der Vertriebenen und der Völker zu berücksichtigen, die in diesem Räume siedeln und um deren Zukunft es sich dabei handeln musste.

 

In der Tat hat es nicht an Versuchen des sowjetischen Außenministers gefehlt, die Oder-Neiße-Frage anzuschneiden. Molotows Vorschlag, alle Abmachungen bei einer Wiedervereinigung müssten auf Potsdam zurückgehen, bedeutete den Versuch, die Oder-Neiße als Grenze eines vereinten Mittel- und Westdeutschlands stillschweigend anerkennen zu lassen.

 

Allen diesen Versuchen haben sich die drei westlichen Vertreter energisch widersetzt und jede Debatte über die Oder-Neiße oder überhaupt über Grenzfragen zurückgewiesen. Dieser Vorgang ist deshalb von besonderer Bedeutung - übrigens nicht nur für die Vertriebenen - weil er den Schluss zulässt, dass insbesondere in den Vereinigten Staaten die Erkenntnis an Boden gewinnt, eine Regelung der Grenzfrage oder überhaupt eine Regelung der osteuropäischen Probleme könne nur auf einer klaren Rechtsordnung basieren. Mit anderen Worten: Eine Pseudolösung wird abgelehnt, weil sie dem Osten keine Freiheit, keinen Wiederanschluss an den europäischen Raum und keine echte Rechtsordnung verbürgt.

 

Zu dieser erfreulichen Schlussfolgerung - erfreulich, weil sie einen Wandel in der bisherigen Auffassung verrät - sind wir umso mehr berechtigt, als bereits in der ersten Konferenzsitzung die westlichen Vertreter sich scharf gegen das System von Versailles als einer solchen Pseudolösung wandten.

 

„Der Friedensvertrag", sagte Bidault, „muss so beschaffen sein, dass er nicht nur den Folgen des Krieges Rechnung trägt, sondern auch dass er vermeidet, den Keim zu einem neuen Konflikt zu legen! ... Er muss mit dem Blick auf die Zukunft und nicht nur mit dem Blick auf die Vergangenheit geschlossen werden. Es kann ... nicht in Frage kommen, auf eine übrigens sehr enge Interpretation des Wortlauts der Potsdamer Verträge Bezug zu nehmen, an deren Ausarbeitung Frankreich übrigens nicht teilgenommen hat." Aber auch Eden rückte vom Geiste von Potsdam und damit vom Geiste von Versailles gleicherweise ab, als er erklärte, „ein Diktat wäre für das deutsche Volk unannehmbar! Es wäre auch für die Alliierten unbefriedigend, da das wesentliche Element der Zustimmung darin fehlen würde." Und Außenminister Dulles wurde dann noch deutlicher: „Der Krieg hat stets wieder den Krieg geboren", erklärte er, „weil die Sieger so sehr vom Geist der Rache und des Hasses beseelt waren, dass sie .. . selbst unwissentlich zum Ursprung neuer Kriege wurden. Herr Molotow beschwor den Geist des Hasses und der Rache, der bezeichnend für den unglücklichen Vertrag von Versailles war. Er rief die Entscheidungen von Jalta wieder an .. . Aber es ist traurig, dass heute, neun Jahre nach dem Waffenstillstand, einer der Teilnehmerstaaten an der Jalta-Konferenz versucht, die Bitterkeit und den Hass dieser Tage wieder zu beleben, zusammen mit den grausamen Entscheidungen, die dieser Hass und diese Bitterkeit hervorbrachten." Und dann warnte er vor dem Geist von Versailles, von welchem Experiment diejenigen, die ernsthaft und vernünftig den Frieden anstreben, gelernt haben.

 

So dürfen wir vom Standpunkt der Vertriebenen, aber auch zugleich vom Standpunkt der osteuropäischen Exilgruppen, denen sich die Vertriebenen im Kampf um Selbstbestimmung und Heimatrecht verbunden wissen, mit einiger Genugtuung feststellen, dass die Westmächte nicht bereit waren, den europäischen Osten, von dem die Oder-Neiße-Gebiete ein Teil sind, preiszugeben. Sie sind offenbar nicht mehr gesonnen, jenen Grundsätzen untreu zu werden, die in der Atlantikcharta von allen Mächten feierlich erneut festgelegt worden sind und die jedem Volk - auch dem deutschen - das Recht auf Selbstbestimmung verbürgen und damit Grenzen und Räume nicht mehr zum Objekt des Verhandelns machen wollen. Und diese Feststellung bedeutet immerhin ein Positivum nach dem Abschluss der Berliner Konferenz.

 

 

Seite 1   Wichtiger Terminablauf für Vertriebene

Der letzte Termin für die Anmeldung von Vertreibungsschäden (Feststellungsgesetz) als Voraussetzung für jeglich geartete Leistung aus dem Lastenausgleich ist der 31. März 1954.

 

 

Seite 1   Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener

Im Hinblick darauf, dass mit einer Aussiedlung der in den Vertreibungsgebieten gegen ihren Willen zurückgehaltenen Deutschen nur unter sehr erschwerten Umständen zu rechnen ist, bestehen nach einer Mitteilung des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes keine Bedenken, diese Personen wie vertriebene Sparer, die in einem Zwangsarbeitsverhältnis festgehalten werden (§ 2 Abs. 2 WAG), zu behandeln.

 

Die in der Bundesrepublik oder in Westberlin ansässigen Angehörigen solcher Festgehaltenen können die Aufwertung der Sparkonten dieser Personen beantragen, wenn sie im Besitz einer Bescheinigung der Landesflüchtlingsverwaltung sind, aus der hervorgeht, dass der Entschädigungsberechtigte in den Vertreibungsgebieten festgehalten wird. Derartige Bescheinigungen werden für in Westberlin wohnhafte Angehörige auf Antrag vom Senator für Arbeit und Sozialwesen, — Soz. IV C3 — Berlin-Wilmersdorf, Fehrbelliner Platz 4, erteilt.

 

 

 

Seite 2   Wohnungen für Heimatvertriebene

Viele Heimatvertriebene wohnen noch in engen Verhältnissen, teilweise sind sie zu mehreren Familien in größeren Quartieren untergebracht, andernteils sind sie nur auf ein Zimmer mit einer größeren Personenzahl angewiesen, so dass erwachsene Kinder mit den Eltern sich in ein Zimmer vielfach noch teilen müssen.

 

Jetzt sieht man an vielen Stellen neue Wohnblocks entstehen, so dass sich bei einer Reihe von Heimatvertriebenen die Frage ergibt, wie sie aus ihren engen Verhältnissen herauskommen und nach neun Jahren endlich wieder zu einer eigenen Wohnung kommen können.

 

Für einige Personengruppen besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von Lastenausgleichsmitteln wieder zu einer Wohnung zu kommen. Dieses sind die Darlehen für den Wohnungsbau. Es muss aber von vornherein bemerkt werden, dass auch dieses Darlehen zu den Leistungen aus dem Lastenausgleichsgesetz gehört, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Diese Darlehen teilen sich in Aufbaudarlehen für Wiederaufbau und Ersatzbau und Darlehen zur Sicherung des Arbeitsplatzes.

 

Zu dem ersten Darlehen sind alle Heimatvertriebenen berechtigt, die Grundbesitz verloren haben. Diese können, wenn sie nach der Schädigung ein Trümmergrundstück erworben haben, ein Aufbaudarlehen für den Wiederaufbau beantragen.

 

Enger ist der Kreis der Antragsberechtigten beim Ersatzbau gezogen. Hier muss es sich um Geschädigte handeln, die den Verlust von Grundbesitz geltend machen können. Es genügt hierbei nicht, dass sie Bauland oder Grabeland verloren haben, sondern sie müssen ein Bauwerk verloren haben.

 

Eine größere Anzahl unserer Heimatvertriebenen wird mit Hilfe von Aufbaudarlehen zu einer Wohnung kommen können, sofern sie hier einen gesicherten Arbeitsplatz haben. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass nur diejenigen mit einer neuen Wohnung rechnen können, die noch nicht hinreichend untergebracht sind. Wenn z. B. ein Ehepaar bereits zwei Leerzimmer zur Verfügung hat, so besteht wenig Aussicht, falls nicht andere Umstände hinsichtlich der Beschaffung der Wohnung mitsprechen, zu einer Wohnung zu kommen. Sodann muss es sich um Wohnungen handeln, die nach den Richtlinien des Sozialen Wohnungsbaues erstellt werden. Somit ist für Rentner und Fürsorgeempfänger keine Möglichkeit gegeben.

 

Die Aufbaudarlehen werden in der Höhe von 2500,-- bis etwa 5000,-- DM gewährt, wobei eine Wohnung von 50 qm zunächst zugrunde gelegt ist. Erhöhungen sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

 

Auch für die weiblichen Heimatvertriebenen, die mit Nichtheimatvertriebenen verheiratet sind, besteht keine Möglichkeit, ein Aufbaudarlehen für Wohnraumhilfe zu erlangen, selbst wenn der Ehegatte einen festen Arbeitsplatz haben sollte.

 

Maßgebend ist ausschließlich, dass der vertriebene Antragsteller einen gesicherten Arbeitsplatz hat. Die Anträge sind auf vorgeschriebenen Antragsformularen, die bei den Bezirksausgleichsämtern zu erhalten sind, einzureichen.

 

Vorher ist es jedoch erforderlich, dass der Antragsteller sich über die technische Durchführung und Finanzierung des Bauvorhabens, in dem er eine Wohnung beziehen will, unterrichtet hat. Hierbei helfen die Wohnungsbaugesellschaften, zu denen auch das Berliner Wohnungswerk e.G.m.b.H. gehört, das dem Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen angeschlossen ist. Dienststunden werden im „Haus der ostdeutschen Heimat", Charlottenburg, Kaiserdamm 83, Zimmer 204, dienstags und freitags von 17 bis 19 Uhr abgehalten. Hier können die Landsleute Einzelheiten hinsichtlich der Durchführung ihres Vorhabens erfahren.

 

Die Darlehen werden nicht verzinst, sondern sind laut Mitteilung des Bundesausgleichsamtes vom 26. Oktober 1953 mit 2 Prozent jährlich zu tilgen. Wir wollen hoffen, dass eine größere Anzahl Heimatvertriebener jetzt zu einer selbständigen Wohnung gelangt. L. L. (In unserer nächsten Nummer werden wir noch mehr zu diesem Thema veröffentlichen. D. Red.)

 

 

Seite 2   Foto. Liebe hinter Stacheldraht

Zwei Menschen fanden sich hinter den Kerkermauern des Sammellagers Tapiau bei Königsberg - wie 14 andere.  Dieses 15. Heimkehrerehepaar möchten wir Ihnen heute kurz vorstellen. Karl-Heinz Frensen stammt aus Danzig, Frau Elisabet Bartsch aus Breslau. Beide haben ein schweres Schicksal hinter sich. Landsmann Frensen wurde 1948 in Ostberlin verhaftet, Frau Bartsch im gleichen Jahr in Breslau. Jetzt wollen sie zusammen einen neuen Abschnitt ihres Lebens beginnen. Wir wünschen dem Paar, das Ende Januar vor den Standesbeamten getreten ist, viel Glück für die Ehe.

 

 

Seite 3   Begegnung mit Agnes Miegel

„In meiner Stadt im Norden, stehen sieben Brücken grau und greis, an ihre morschen Pfähle treibt dumpf und schütternd jetzt das Eis."

 

Ahnte sie, die Dichterin des ostpreußischen Landes, Agnes Miegel, die am 9. März ihr 75. Lebensjahr vollendet, als sie diese Worte schrieb, wie bitter sie sich bewahrheiten sollten? Die morschen Pfähle stehen wohl längst nicht mehr, es werden auch kaum mehr sieben Brücken sein, die herund hinüberführen in der Stadt, die von Deutschen entblößt, von Fremden bewohnt, völlig zerstört im Vorfeld russischer Festungsanlagen liegt. Wir aber wollen ihr in Gedanken einen Besuch abstatten und ihn mit einer Begegnung der Dichterin verbinden, die wie kaum eine zweite nicht nur Land und Menschen besingt, sondern in ihrem Wesen Ostpreußen verkörpert.

 

Ein heißer Julitag in Königsberg:

Dom, Schloss, Universität, Denkmal Kants, des großen Philosophen von der kleinen Gestalt, der in Sternenstunden höchste Erkenntnisse fand, dessen Geist den ganzen Erdball umspannte und fortwirkend bis auf unsere Zeit die Philosophie der Menschheit beeinflusste. Irgendwo in verträumten Gassen ein Laut wie Jubel und Tränen, versponnener Künstler Romantik: E. T. A. Hoffmann, Zacharias Werner, Friedrich de la Motte-Fouqué oder Joseph von Eichendorff. Der helle Himmel, die strahlende Sonne, die alten Bäume, das Wasser bringen die brausenden Lebensklänge Wagnerianischer Motive. Ein Wohnhaus, schlicht und ruhig wie alle In dieser Gegend, darin eine Wohnung, erfüllt von Leben, ernstem Schaffen und warmer Menschlichkeit. Agnes Miegel, die grauhaarige, rundliche Frau mit den hellen, lebhaften Augen, die durch und durchzublicken scheinen, saß mir gegenüber. In den Regalen reihte sich Buch an Buch, und was hätte näher gelegen, als von ihnen zu sprechen, von künstlerischem Schaffen, Wünschen und Träumen, Erfüllungen zu reden? Sie stand damals schon auf der Höhe ihres Ruhmes, war Ehrenbürgerin ihrer Stadt, vielgeliebt, vor allem

von der Jugend,  die sie immer wieder um Leseabende bat. Selten konnte die Dichterin jungen Menschen etwas abschlagen, und sie ging zu ihnen, ihnen ihre Lieder, Balladen und Geschichten zu bringen, die alle das ostpreußische Heimatland spiegelten. Ich war der Urmutter Ostpreußen in seiner Dichterin begegnet und um ein Erlebnis dieses Landes reicher. Es war einmal ... an einem heißen Julitag. Jetzt aber ist es Winter, Kälte presst das tote Land zusammen, zwiefach tot, von pflanzlichem und kreatürlichem Leben entblößt. Die aber, die es verkörperten, wohnen westlich und mitten unteriIhnen Agnes Miegel, betreut von ihrer alten Wirtschafterin, begleitet von allerlei Erscheinungen des Alters und leidend unter einer Landschaft mit nebligen Mooren und Wiesen an Stelle von Feldern, hohem Himmel und Meer. Erika Schulemann

 

 

Seite 4   Mutter Ostpreußen  Agnes Miegel

Mutter Ostpreußen! Einsame, am Brückenkopf Deutschlands

Abseits den Schwestern, den sicher geborgenen, wohnend,

über alles von deinen Kindern Geliebte

Sag, was wissen die Andern, Mutter von dir

Linkisch erscheinst du und plump den gewandten Geschwistern

Weil du rundlich und warm wie sich's für Mütter gehört.

Spöttisch sehn sie dein Kleid, das ländliche, selber gewebte

Grün wie Wiesen am Haff und dein blühendes Apfelgesicht,

Seh'n verwundert darüber auf deinem glänzenden Scheitel

Mächtiger Zöpfe roggenblondes Geflecht.

Heimlich lachen sie dann zu deiner behaglichen Rede

Und böotisch klingt ihnen dein uralte? Platt.

Doch für uns gibt es Keine, dir an Schönheit vergleichbar,

Klingt so lieblich uns nichts als deine Worte ins Herz.

Denn mit ihnen, o Mutter, hast du uns gestreichelt,

Riefst aus dem Kinderteich du lockend die Seelchen zu dir.

„Trautsterche, Duche, wo bist du? Putthänncke, Putthoancke,

Komm min Schoapke to mi! Schusche Patrusche, schloap, schloap!

Ach und wer singt wie du, du allezeit Fleißige,

Deren Spinnrad noch schnurrt, deren Webstuhl noch klappt?

Längst verklungen wie sie sind über der Weichsel drüben

Weise und Wort des Lieds, das dir allein noch vertraut.

Nur vielleicht an der See, auf der Werft in den Poldern

Ostfrieslands

 

Klingt in die stürmische Nacht von greisen Lippen solch Lied.

Nur im verschneiten Gebirg, hoch in den Tälern der Tauern

Flüstert die Ahne zur Nacht über die Wiege es hin.

Lerchenfröhliche du, zum Lachen und Zorn gleich Rasche,

Jener kennt dich nicht, der dich nicht schelten gehört

Zwischen den Körben am Markt, auf dem schwankenden

Bootssteg,

 

Auf der Bleiche am Zaun oder am prasselnden Herd.

Hei, wie flink geht dein Mund, wer kann dir sich vergleichen

Zwischen Oder und Rhein, gilt es mit treffendem Witz

Derb wie die Niederung ihn liebt, den Gegner zu schlagen

Bis im Gelächter der Groll auch des Getroffenen verfliegt.

Doch wie tischst du ihm auf, ihn erst ganz zu versöhnen,

Kehrt er wieder als Gast in dein wohnliches Haus.

„Nahwer, was bringen Sie Gut's ? Nehmen Sie freundlich vorlieb.

Beetenbartsch gab es heute, soll ich ein Tellerchen wärmen?

Oder wie wär's, wenn wir zwei den frischen Fladen versuchen?

Schön nach Kordemon schmeckt er, wie sich's gehört.

So ein Täßchen Kaffee dazu mit Schmand und ordentlich Zucker

Das hält Leib und Seele zusammen und wärmt.

Hab auch schön heut eingekachelt, denn draußen

Graupelt der Schlackerschnee - passt auf, wir stiemen noch ein!

 

Brütet im Garten denn nicht der blaue Vogel aus Schweden,

Der bloß kommt, wenn um Lichtmess selbst die Ostsee befriert?"

Und dann kramst du ihn aus, den sorgsam bewahrten

Schatz, den aus Urväterzeit du wie ein Heiligtum hegst.

Aberglauben nennen sie ihn, die Jungen und Klugen,

Die an Flugzeug und Auto heften den Fetisch so gern.

Mühsam lernen sie wieder was Möwe und Wildgans sie lehren,

Ewiger Zeichen Sinn, die dir immer vertraut.

Denn du deutest es Mutter, aus deinem liebenden Herzen,

Kündet aus Flut und Gewölk kommendes Unheil sich an.

Krieg und Notzeit, du hast sie gefühlt, als fröhlich und feiernd

Noch deiner Kinder Schwärm sorglos beim Fest sich vergnügt.

Aber du zählst auch die Knospen der frostgetroffenen Bäume,

Aus den Tiefen der See lockst du die Fische ins Netz.

Siehst wie ein Wasser das Korn, das tausendfältige, schälen

Wenn im verschneiten Weg Kutscher und Schlitten versinkt.

Keins von uns ist so hoch, Mutter, und keins so geringe,

Dass du sein Kommen und Gehen nicht abträumst und ahnend

umsorgst.

 

Treulich hütest du schon den eben Geborenen

Dass kein Untererdchen ihn vor der Taufe vertauscht.

Weiß wie der Schnee der ihn wusch und groß vom ostrigen Regen

Stark wie ein Baum, - so zeigst du den Forschen, den Sohn,

In der Silvesternacht beim Schreien und Rasseln der Stürzen

Dem Mariellchen am Zaun, das frierend im Garten

Wartet von wo ein Hund bellt, - und vor dem blühenden Vorspuk

Kreischend davonläuft, als wäre es Bahre und Licht.

Denn du meldest den Tod mit hundert Zeichen den deinen,

Dass sie bestellen ihr Haus und getrost sich bereiten

Heimzukehren zu dir, sanft schaukelnd im letzten Bette,

Das in den reinlichen Tüchern, den truhenbewahrten,

Zu dir hinunter schwankt.

Die Anderen aber

Kehren nach Haus, und du trocknest schmeichelnd die Tränen,

Trägst ihnen auf zum Zarm, was Küche und Keller nur hergibt.

Tröstest und nötigst zum Essen und preisest den Toten,

Schlägst die Hände zusammen und singst. –

Da singen die Gäste

Wieder lachend wie Kinder,

deren Brüderchen wegging

Mit der Tafel zur Schule.

Draußen im Nachtwind

Rauschen die Birken am Weg, es rauschen die Linden

Über den Hügel im Feld und über Kränze und Kreuze:

„Trautsterche, Duche, nu kamst du!

Schusche, Patrusche, schloap en!"

 

In dem Geschwätz und Gewühl

In dem Geschwätz und Gewühl

vor dem plätschernden Brunnen am Markte,

Stand ich lachend und jung

in der Freundinnen Schar.

Kannte Krug und Gesicht,

kannte Giebel und Stuben,

Kannte was feilschend und laut

um die Buden sich drängt.

Lästerte, neckte und pries,

lauschte und horchte geduldig,

Gab mit flinkem Mund

Rede und Witzwort zurück.

Aber fern von der Stadt

im Schoß der waldigen Düne,

Lag meine Seele still

wie das Tier im Dickicht sich birgt.

Hörte das sanfte Sausen

der knarrenden Kiefernstämme,

Hörte in regloser Luft

durchsichtiger Flügel Geklirr.

Bis vom Strande her

in die ängstlich harrende Stille,

Unruhvoll und bedrängt

wie mein Herz, die Brandung gepocht.

Zitternd harrten wir da,

bis sich der Sturm erhoben,

Bis der dräuende Gott

mich und die Wogen erlöst.

Und ich sang in den Wind,

in das Wirbeln rauchender Dünen,

In das dröhnende Brausen

sang mein tönender Mund.

Sang meiner einsamen Heimat 

Götter und rote Burgen,

Sang ihr mütterlich Herz,

sang ihr grüngrünes Kleid.

Sang was groß und gekrönt

durch meine Träume gewandert,

Blutüberströmtes Haupt,

gallegetränktes Herz.

Sang meiner seltsamen Schwestern

mondlichtgezeichnete Stirnen,

Sterblichen Leibes wie ich,

jenseitiger Weisheit kund.

Sang ich, mir selber kaum deutbar,

was Schatten und Erde mich lehrten,

Sang ich Liebe und Tod –

sang ich das eigene Geschick.

 

 

Seite 4   Schicksalsweg eines jungen Memelers

In Berlin sind von den über 6000 amnestierten Tribunalbestraften der Sowjetzone, darunter auch mehrere Ostpreußen, etwa 2000 eingetroffen. Sie sind sehr schweigsam und zurückhaltend, diese Heimkehrer. Es ist kaum ein Wort aus ihnen herauszubekommen. Immer noch sehen sie in jedem Fremden einen Spitzel. In ihren blassen Gesichtern mit den kahl geschorenen Köpfen haben sich die Schrecken der jahrelangen entwürdigenden Haft unauslöschlich eingeprägt.

 

Der heute 24-jährige Rudi K. hat als einer der jüngsten Marinehelfer den Endkampf um Memel mitgemacht. Er ist gebürtiger Memeler und hat in der Kantstraße gewohnt. In abenteuerlicher Flucht schlug er sich nach der Besetzung Memels durch die Russen bis nach Mecklenburg. Im November 1948 wurde er von den Sowjets in Schwerin festgenommen. Man warf ihm antisowjetische Propaganda vor, die darin bestand, dass er eine Westberliner Tageszeitung weitergegeben hatte. Das Sowjetribunal erkannte auf 10 Jahre Zwangsarbeit.

 

Nachdem er mehr als die Hälfte der Strafe verbüßt hatte, wurde er jetzt zusammen mit

vielen anderen amnestiert und entlassen. In Berlin jedoch will er nicht bleiben, sondern sich auf dem schnellsten Wege nach Westdeutschland ausfliegen lassen.

 

 

Seite 4   Kant-Feier

Die Wiederkehr des 150-jährigen Todestages von Immanuel Kant führte auf Einladung der Landsmannschaft Ostpreußen e. V. eine große Zahl von Landsleuten am Dienstag, dem 16. Februar 1954, zu einer Gedenkstunde in das Haus der ostdeutschen Heimat. Der festlich geschmückte Saal war überfüllt. Die Gedenkrede hielt Universitätsprofessor Dr. Heyde. Er sprach über die geistesgeschichtliche Bedeutung Kants in einem sehr sinnfälligen und überlegen formulierten Traktat. Die Feier wurde von einem Instrumentaltrio umrahmt, das außergewöhnlich schön Beethoven und Mozart spielte. Es war ein würdiges Gedenken für den großen Repräsentanten des deutschen Ostens.

 

 

Seite 4   Wo treffen sich die Ostpreußen?

Landsmannschaft Ostpreußen (Bund der Vertriebenen Ostpreußen), Berlin-Charlottenbürg, Kaiserdamm 83, Tel. 92 01 91

 

 

 

Seite 4   Die Geschäftsstelle informiert:

Haben Sie Bilder gerettet? Können Sie mithelfen? Für das Bilderwerk „Unvergessene Heimat" werden gute Aufnahmen aus der Heimat, in schwarz-weiß, besonders aber in Farbdias, gesucht. Helfen Sie bitte mit, dass dieses Bilderwerk mit den schönsten Aufnahmen (Kirchen, Baudenkmälern, Straßen, Häusern, Landschaften, Menschen bei der Arbeit, in ihrem Heim) mit allen Fotos, die wert sind, einer breiten Öffentlichkeit unsere Heimat im Bild zu zeigen, ausgestattet werden kann. Anzukaufende Aufnahmen werden sofort honoriert. Aufnahmen, die nicht angekauft werden können, gehen umgehend an den Einsender zurück. Ansichtssendungen erbeten an Vertriebsstelle der Heimatvertriebenen, Frankfurt a. M., Luginsland 2.

 

Seite 4   Wir gratulieren

zum 80. Geburtstag unserer Landsmännin, Frau Louise Reinhold aus Insterburg, jetzt wohnhaft Berlin-Friedenau, Wielandstr. 18;

 

 zum 73. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Klara Kantel aus Allenstein, jetzt wohnhaft Berlin-Spandau, Seegefelder Str. Nr. 16;

 

zum 85. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Karoline Schroeder aus Insterburg, jetzt wohnhaft im Altersheim in Berlin-Steglitz, Rückertstr. 11;

 

zum 75. Geburtstag unserer Landsmännin Frau Magdalene Wachsmuth aus Schulen, Kreis Tilsit-Ragnit, jetzt wohnhaft Berlin-Reinickendorf, Isarstraße 131

 

 

Seite 4   Verstorben ist

unsere Landsmännin Frau Edith Wolff, geb. Rhode, aus Angerburg/Ostpr., im Alter von 75 Jahren, zuletzt wohnhaft gewesen in Berlin-Lichtenrade, Wittelsbacherstr. 76;

 

unsere Landsmännin Fräulein Margarethe Haak, aus Osterode/Ostpr., Kaiserstraße, im Alter von 51 Jahren, zuletzt wohnhaft gewesen in Berlin-Steglitz, Leydenallee 93;

 

unsere Landsmännin Frau Luise Paeger, aus Schillfelde, Kr. Schloßberg/Ostpr. (Pillkallen), im Alter von 72 Jahren, zuletzt wohnhaft gewesen in Berlin-Lichterfelde-West, Ringstr. 71.

 

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