Ostpreußische Nachrichten, Folge 07 vom Juli 1954

Ostpreußische Nachrichten

Folge 07 vom Juli 1954

 

Seite 1   Vertriebene in vorderster Reihe

Feierliche Verpflichtung der Berliner Vertriebenen auf die Proklamation des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland"

Weit über 5 000 Vertriebene gedachten in einer feierlichen Stunde am Vorabend des 17. Juni auf dem Kreuzberg der Opfer des mitteldeutschen Volksaufstandes. Der Vorsitzende des BLV, Dr. Alfred Rojek, verpflichtete sie auf die Proklamation des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland". Die erste Aufgabe der Vertriebenen sei die Wiedervereinigung, und es könne nicht oft genug gesagt werden, dass auch die Vertriebenen in dieser nationalen Frage noch aktiver sein müssen als bisher.

 

 Der Vorsitzende des Heimatverbandes der Schlesier und Nestor der Berliner Vertriebenen, RA Benno Nehlert, richtete an die Jugend den Appell, das Erbe der alten Generation zu übernehmen, Deutschland wieder zu vereinigen und die Heimat zurückzuerlangen.

 

Vom Bürgermeister Kreßmarm wurde anschließend ein Gedenkstein für die Opfer des 17. Juni enthüllt.

 

Begeisterte Zustimmung zu der Verpflichtung Dr. Rojeks auf die Volksbewegung für die Wiedervereinigung zeigte deutlich, wie sehr die Vertriebenen in Berlin diesen Gedanken begrüßen. Aber diese Verpflichtung war erst ein Anfang. Ähnlich wie in Bad Neuenahr und in westdeutschen Länder Hauptstädten, müssen sich nun auch in Berlin die deutschen Verbände, Organisationen und Parteien zusammenfinden, um in gemeinsamen Beratungen der Idee der Wiedervereinigung die nötige Durchschlagskraft zu geben. Dabei ist klar, dass die Vertriebenen in vorderster Reihe stehen müssen. Denn sie haben in sich das gesamtdeutsche Bewusstsein, das für die Lösung dieser Aufgabe notwendig ist.

 

 

Seite 1   „Auch Ostdeutschland ist deutsches Land"

Von Willi Michael Beutel

Der 1. August ist nach dem Kriege in Deutschland zu einem historischen Datum geworden. An diesem Tage bzw. am ersten Sonntag des Monats August, versammelten sich bisher überall in Westdeutschland und Westberlin die Vertriebenen aller Landsmannschaften und feierten den „Tag der Heimat". In diesem Jahr ist man in Westdeutschland von diesem Termin abgegangen - aber in Westberlin haben wir keinen Grund gesehen, davon abzugehen. Denn gerade an dem Tag der Verkündung des Abkommens von Potsdam soll es deutlich gemacht werden, warum wir heute in Gedenken an die Heimat zusammenkommen müssen.

 

Bei den Bundestreffen, die bis jetzt in Westdeutschland stattfanden und Hunderttausende von Vertriebenen vereinigten, hat sich eine bemerkenswerte Tatsache gezeigt. Obwohl viele von uns wieder Arbeit und Brot gefunden haben, obwohl ein großer Teil von uns sich wirtschaftlich einigermaßen wieder auf eigene Füße stellen konnte - die Zahl der Teilnehmer ging nicht zurück, im Gegenteil, sie steigt. Und das bedeutet doch wohl, dass die Vertriebenen nicht nur zusammenkommen, um ihre wirtschaftlichen, sondern gerade die politischen Forderungen durchzusetzen. Das ist der Sinn der Bundestreffen, mehr noch aber der Sinn des 1. August

 

Wenn am Abend des 16. Juni zu der Gedenkfeier der Vertriebenen für die Opfer des mitteldeutschen .Volksaufstandes weit über 5000 Menschen sich am Kreuzberg einfanden, so zeigt dies, dass auch in Berlin der Wille, am gemeinsamen Schicksal mitzuwirken, stark ist. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass die Vertriebenen in Berlin noch nicht jene wirtschaftliche Basis erreicht haben, wie ein großer Teil unserer Landsleute im Westen. Vielleicht gerade darum ist es noch notwendig, in Berlin auch die wirtschaftlichen Forderungen durchzusetzen.

 

Der diesjährige 1. August, der wiederum in der Waldbühne eine Großkundgebung der Vertriebenen sehen wird, soll unserem Verlangen nach wirtschaftlicher Eingliederung und politischer Aktivität zur Wiedervereinigung einen besonders beredten Ausdruck geben. Dazu ist es notwendig, dass w i r alle in die Waldbühne kommen, denn es geht jeden einzelnen von uns an. Es ist keine der üblichen Kundgebungen - weil wir gerade in diesem Jahr die einzigen deutschen Vertriebenen sind, die am 1. August den „Tag der Heimat" begehen. So wird uns ein weites Echo offenstehen und - es ist eine alte Wahrheit, dass man sich ausschließt von der Gemeinschaft, wenn man in den bedeutsamsten Augenblicken ihrer Geschichte nicht in ihr steht.

Nach den bis jetzt vorliegenden Informationen unserer Korrespondenten werden eine nicht unbedeutende Anzahl bekannter Persönlichkeiten der Bundesregierung und Berlins an diesem Tage zu uns sprechen, und. verdolmetscht durch den Mund unseres Vorsitzenden, Dr. Alfred Rojek, werden die Vertriebenen an diese anwesenden Politiker ihre Bitten und Forderungen zu richten haben. Je deutlicher zum Ausdruck gebracht wird, dass die Vertriebenen in Berlin hinter

ihrem Sprecher stehen, umso eindrucksvoller wird die Abgabe unserer Forderungen sein.

 

 

Seite 1   „Donauschwaben sind Zauberer. Rio de Janeiro.

 „Wirkliche Zauberer sind diese Schwaben! Sie verwandeln Steppe in fruchtbaren Weizenboden", so urteilt die brasilianische Presse über die ersten Erfolge der großen Donauschwabensiedlung in Guarapuava in dem brasilianischen Staate Parana. Als die ersten Transporte heimatvertriebener Deutscher aus dem Banat vor etwa zweieinhalb Jahren in Guarapuava eintrafen, fanden sie 11 000 ha verwilderten Steppenboden und 9000 ha Urwald vor.

 

Heute sind bereits 2800 ha besten Weizenbodens kultiviert worden und fünf schmucke Dörfer mit insgesamt fast 500 Häusern entstanden. Die von den Donauschwaben geschaffene landwirtschaftliche Genossenschaft „Agraria" verfügt gegenwärtig bereits über 16 Lastwagen mit 10 Anhängern, 4 Personenkraftwagen, 38 Traktoren und weitere 150 moderne landwirtschaftliche Maschinen vorwiegend deutscher Herkunft.

 

 

Seite 1   Vertrauen für Dr. Rojek . Foto.

Die Delegiertenversammlung des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen wählte in ihrer Jahresversammlung am 12. Juni Dr. Alfred Rojek, den bisherigen Vorsitzenden des BLV, erneut in sein Amt. Dr. Rojek ist damit seit 1949, dem Gründungsjahr des BLV, ununterbrochen dessen Vorsitzender und von den Beteiligten damit zum fünften Mal an die Spitze der Berliner Vertriebenen gestellt worden.

 

Die vitale, impulsive Persönlichkeit Dr. Rojeks, dessen Lebenslauf wir schon eingehend gewürdigt haben, hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker zum Nutzen der Berliner Vertriebenen profiliert. Seiner Leitung haben wir es zu verdanken, dass in Berlin die Einheit der Heimatvertriebenen geschaffen wurde und heute noch besteht. Damit haben wir, wie von Bundesministern schon häufig bestätigt, dem Westen ein positives Beispiel gegeben.

 

Dr. Rojek hat weiter stets seinen Sitz im Abgeordnetenhaus dazu benutzt, im Interesse der Vertriebenen Anträge einzubringen, die unserer wirtschaftlichen Eingliederung nutzen sollen. Neben seinen vielen Ämtern, die dieser agile Mann innehat, ist ihm das des Vorsitzenden des BLV am liebsten. Er ist mit seiner ganzen Kraft dabei. Wir hoffen und wünschen im Namen unserer Leser und Redaktion, dass er noch lange seine Arbeit und Persönlichkeit für die Berliner Vertriebenen zur Verfügung stellt.

 

 

 

Seite 1   Foto: Am Abend des 16. Juni gedachten Berlins Heimatvertriebene am Kreuzberger Ehrenmal der Opfer des mitteldeutschen Volksaufstandes

 

 

 

Seite 1   Kaiser kommt zum Ostpreußen-Treffen - Blücher zum Schlesier-Treffen

Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jacob Kaiser, der zunächst als Hauptredner des „Nordwestdeutschen Schlesiertreffens" am 10./11. Juli angekündigt war, dann jedoch infolge Verhinderung seine Zusage zurückziehen musste, spricht auf der Großkundgebung des „1. Landestreffens der Ostpreußen" am 4. Juli auf dem Messegelände in Hannover-Laatzen. Für die Großkundgebung des „Nordwestdeutschen Schlesiertreffens" steht nunmehr Vizekanzler Franz Blücher als Hauptredner fest. Der Niedersächsische Ministerpräsident Hinrlch Wilhelm Kopf, der anlässlich des 1. Bundestreffens der Schlesier in Köln im Jahre 1949 für das Land Niedersachsen die Patenschaft über alle heimatvertriebenen Schlesier übernahm, hat außer für das „1. Landestreffen der Ostpreußen" auch die Schirmherrschaft über das „Nordwestdeutsche Schlesiertreffen" übernommen.

 

 

Seite 2   Einigkeit in der Delegiertenversammlung

Zu Ihrer alljährlichen Arbeitssitzung trafen am 12. Juni Im „Haus der ostdeutschen Heimat" die Delegierten des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen zusammen. Im Mittelpunkt der Tagesordnung stand der Jahresbericht des BLV und die Aussprache über aktuelle Themen. Am Schluss der Delegiertentagung wurden sechs Resolutionen zu grundsätzlichen Fragen gefasst.

 

Im Anschluss an den Jahresbericht, der mit Interesse von den Delegierten aufgenommen wurde, gab Dr. Rojek, der 1. Vorsitzende dös BLV, einen kurzen Rückblick. „Wir dürfen stolz darauf sein, dass Berlin den einheitlichen Verband der Heimatvertriebenen geschaffen hat", betonte der Sprecher. Alle Minister und Besucher, die ins „Haus der ostdeutschen Heimat" kamen, hätten diese Einigkeit außerordentlich begrüßt. Eben diese Einigkeit müsse weiterhin erhalten bleiben. Kritische Worte fand Dr. Rojek für das Lastenausgleichsgesetz, obwohl er sagte, dass es zu begrüßen sei, wenn überhaupt ein Gesetz für uns gegeben wurde. Es müsse darauf hingewirkt werden, dass alle noch im Gesetz enthaltenen Härten ausgeglichen werden.

 

Die Zahl der Mitglieder der im BLV vereinigten Landsmannschaften, so führte Dr. Rojek weiter aus, sei inzwischen auf etwa 43 000 angestiegen. Den Landsleuten in der Sowjetzone konnten zahlreiche Spenden übermittelt werden, die ärztliche Betreuung und die Übersendung von Medikamenten nach Ostdeutschland wurde weiter fortgeführt, und schließlich ist es im vergangenen Jahr gelungen, einen Betrag von 5 ½  Millionen DM zur Existenzgründung von Vertriebenen in Berlin zu erlangen. Dr. Rojek sprach die Hoffnung aus, dass das Verständnis des Bundesministeriums und des Senats, das bisher gezeigt wurde, auch in den nächsten Monaten die Verwirklichung unserer Forderungen erleichtern würde.

 

Der Vorsitzende des BLV dankte der Stiftung „Haus der ostdeutschen Heimat" und im besonderen Dr. Matthee für seine anerkennenswerte Mitarbeit als Vorsitzenden der Stiftung. Er teilte gleichzeitig mit, dass nach dem Rücktritt Dr. Matthee's. aus dem Kuratorium Landsmann Gutsche (Ostbrandenburg-Neumark) in das Kuratorium gewählt wurde.

 

Eine rege Diskussion entstand um Probleme des Lastenausgleichs, um die Frage der Sparguthaben, den Härtefonds und die Unterhaltsbeihilfen. Die Vertreter des BLV beim Bundesausgleichsamt und dem Beirat für Vertriebene sagten zu, dass sie den Wünschen der Delegierten entsprechend die Forderungen der Vertriebenen mit besonderem Nachdruck, wie bisher, vertreten werden.

 

Der Bericht der Kassenprüfer wurde genehmigt und der Vorstand entlastet. Kurz vor der Wahl des Vorsitzenden ergriff RA Nehlert das Wort und unterstrich noch einmal deutlich, dass der Repräsentant des BLV Dr. Rojek sei, der In gewissenhafter Weise und fleißiger Arbeit das ganze Jahr seine Geschäfte geführt habe. Zur Wahl des neuen Vorsitzenden wurde einstimmig Dr. Rojek in Vorschlag gebracht. Mit 44 Stimmen von 54 anwesenden Delegierten wurde daraufhin der bisherige Vorsitzende, Dr. Rojek, wiederum in sein Amt bestellt. Kassenprüfer wurden die Landsleute Dahms (Pommern), Glatz (Vereinigung der Deutschen aus Rumänien), Kujak (Schlesien).

 

Die „Arbeitsgemeinschaft der Ostumsiedler" wurde durch Delegiertenbeschluss in den BLV aufgenommen. Bei dem Antrag der Landsmannschaft der Oberschlesier auf Aufnahme in den BLV wurde von den Delegierten festgestellt, dass es bereits seit Jähren in Berlin den Heimatverband der Schlesier e. V., Landsmannschaft der Ober- und Niederschlesier gebe, und es darum wohl das beste sei, wenn diese separate Landsmannschaft sich dem Heimatverband der Schlesier anschließt.

 

In einem mit Mehrheit angenommenen Antrag wurde der BLV beauftragt, sich weiterhin für die Beibehaltung der Steuerermäßigung für Vertriebene einzusetzen.

 

Am Schluss ihrer Tagung fassten die Delegierten einstimmig 6 Resolutionen, die wir auszugsweise nachstehend wiedergeben:

 

„Die Delegiertenversammlung des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen stellt fest, dass irgendwelche Abkommen oder Vereinbarungen über die Anerkennung von Grenzen, die deutsches Land unter fremde Verwaltung stellt, niemals die Zustimmung der Vertriebenen finden werden. Die endgültige Festlegung der Grenzen soll in einem Friedensvertrag erfolgen, der von einer frei gewählten gesamtdeutschen Regierung unterzeichnet wird."

 

„Die Delegiertenversammlung des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen bittet das Präsidium des Deutschen Bundestages, zu erwägen, ob nicht auch im Großen Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses - neben den Fahnen der Provinzen Mitteldeutschlands und Ostdeutschlands gezeigt werden sollen."

 

„Die Delegiertenversammlung des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen fordert im Zusammenhang mit einer früheren Entschließung ähnlichen Inhalts die Verlegung des gesamten Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen nach Berlin. Berlin ist die einzige Hauptstadt Deutschlands, die die Vertriebenen als rechtmäßig anerkennen Die Vertriebenen sind der Ansicht, dass nur von hier aus die Arbeit des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen den rechten Widerhall finden wird."

 

 „Die Delegiertenversammlung des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen spricht die Hoffnung aus, dass noch in diesem Jahre der Lastenausgleich im Sinne der Vorschläge des BVD verbessert wird. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die noch völlig unzureichende Eingliederung der Vertriebenen in das Wirtschaftsleben Westdeutschlands und Westberlins."

 

 

Seite 2   Danziger Hafen von Schiffswracks geräumt.  Eigener Bericht

Im Umkreis von 10 Seemeilen vor den Ostseehäfen Danzig und Gotenhafen sind die Hafengebiete von Wracks jetzt geräumt. Insgesamt wurden nach unseren Informationen 375 Schiffe, die selbst oder durch Bomben versenkt worden waren, gehoben oder auf offener See gesprengt.

 

Der größte Teil der Schiffe wurde in den Danziger Hafen zur Verschrottung eingeschleppt, unter anderem mehrere Schiffe der berühmten „Weißen Flotte" des „Seebäderdienstes Ostpreußen" und kleinere Einheiten der deutschen Kriegsmarine. Die vollständige Minenräumung ist ebenfalls erst vor kurzer Zeit abgeschlossen worden.

 

 

Seite 2   Lastenausgleich wird verbessert

Der Lastenausgleich soll nach dem einmütigen Willen des Bundestages wesentlich verbessert werden. CDU/CSU, SPD und der Gesamtdeutsche Block/BHE haben ihre Vorschläge in insgesamt acht Gesetzentwürfen niedergelegt, die nach erster Beratung an den Lastenausgleichausschuss überwiesen wurden.

 

Die vor geschlagenen Hauptverbesserungen sind: höhere Sätze der Unterhaltshilfe und großzügigere Gewährung von Arbeitsplatzdarlehen (Entwürfe von CDU/CSU und BHE), Gewährung von Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau auch an alte, nichtarbeitende Leute (SPD-Entwurf), Nichtanrechnung der Hälfte der Elternrenten und Unfallversicherungsrenten auf die Unterhaltshilfe (SPD-Entwurf), völlige Nichtanrechnung der Elternrenten (BHE).

 

 

Seite 2   „Bund der Vertriebenen"  Von unserem Korrespondenten

Bad Homburg. Die Bundesdelegiertenversammlung des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen hat am Sonnabend in Bad Homburg die Umbenennung in „Bund der vertriebenen Deutschen (BVD)" beschlossen. Diese Änderung des Namens war schon lange geplant nachdem die Mehrzahl der dem Verband angehörenden Landesverbände sich bereits als BVD-Landesverbände konstituiert hatten.

 

 

Seite 2   10000 Ostbrandenburger in der Hasenheide

Am 20. Juni 1954 stand der Bezirk Kreuzberg im Zeichen der Großveranstaltung der Landsmannschaft Ostbrandenburg - Neumark. Schon in den frühen Morgenstunden strömten die Landsleute zu den Trefflokalen in der Hasenheide. Bei glühender Hitze begann gegen 12 Uhr am Mahnmal der Heimatvertriebenen auf dem Kreuzberg die Großkundgebung. In einem ergreifenden Gottesdienst gedachte Pfarrer Schulz der ungezählten Opfer der Austreibung und segnete Heimaterde, die aus dem Kreise Friedeberg zu dieser Veranstaltung überbracht worden war.

 

In seiner Begrüßungsrede erhob der 1. Vorsitzende der LM Ostbrandenburg-Neumark, Landsmann Gustav Wilde, die Forderung, den Sitz des Bundespräsidenten nach Berlin zu verlegen, um dadurch Berlin, der Reichshauptstadt Deutschlands, die ihr zustehende Geltung zu verschaffen.

 

Der gastgebende Bürgermeister Willi Kreßmann versicherte den Ostbrandenburgern, dass sie in Berlin niemals Menschen zweiter Klasse sein werden mit den Worten: „In dieser Stadt sind wir alle deutsche und Berliner Brüder".

 

Das Hauptreferat des Tages hielt Bundesminister Dr. Tillmanns. Er verwies auf die Notwendigkeit, das Vertriebenenproblem und damit auch die Frage einer Wiedervereinigung Deutschlands zu einem gesamtdeutschen Problem zu machen, so, wie es die Volksbewegung „Unteilbares Deutschland" zum Ziel hat. Dann übergab er die Heimaterde in die Hände des 1. Vorsitzenden des BLV, Dr. Rojek.

 

 

Seite 2   Dr. Rojek sprach zu heimatvertriebenen Bäckermeistern

Der Plenarsaal des Abgeordnetenhauses im Schöneberger Rathaus sah in den zurückliegenden letzten Junitagen nichtalltägliche Gäste in seinen Mauern: Mitglieder der Delegiertentagung des „Zentralverbandes des Bäckerhandwerks e. V.", dem auch eine beachtliche Anzahl heimatvertriebener Bäckermeister angehört. Nicht nur aus Ostberlin und der Zone, sondern eben auch aus Schlesien, dem Sudetenland, Ostpreußen, Pommern, Brandenburg und allen jenen Gebieten, in denen sie mit ihren Familien einst in Glück und Wohlstand lebten.

 

Dr. Rojek verwies unter dem Beifall der Anwesenden sonderlich darauf, dass allein die Waffe des Rechts eingesetzt werden wird, um ein wieder einiges deutsches Volk zu schaffen. Es geht bei uns um einen Kampf der kommunistischen Welt gegen den Einfluss der abendländischen Kultur, führte er aus. Weg und Methode, diesen Kampf zu führen, darüber können Meinungsverschiedenheiten bestehen. Aber das Ziel ist ein einheitliches: ein freies einiges Volk in einem einigen Europa zu werden. Noch sind wir zur Erreichung dieses Zieles auf die Unterstützung durch andere Völker angewiesen. Aber auch das deutsche Volk .wird seine Souveränität zurückgewinnen und damit einen Ausgleich erhalten, auch für die Verluste der Vertriebenen.

 

In diesem Zusammenhang erinnerte der Präsident des Zentralverbandes, Karl-Friedrich Lang, Hannover, ebenso wie der frühere Innungsmeister Berg-Königsberg, jetzt in Leese a. d. Weser, an soziale Einrichtungen und Maßnahmen, zu denen auch die Haltung der einheimischen Kollegen den Flüchtlingen gegenüber gerechnet werden muss. 40% der Westberliner Betriebe führen freilich selbst einen schweren Kampf, aber niemand lässt es sich nehmen, trotzdem zu jeder Zeit bereit zu sein, den Kollegen aus dem Osten bevorzugt zu helfen. In diesem Zusammenhang war wichtig, durch das Mitglied Erwin Dietsche, Düsseldorf, zu erfahren, dass im Westen seit zwei Monaten ein „Sozialwerk des schlesischen Bäckerhandwerks" ins Leben gerufen worden ist, das auch auf Berlin übergreifen wird.

 

Für die Berliner Bäckereien ergibt sich als besonderes Problem noch das Ostdumping, durch das speziell den Betrieben an den Sektorengrenzen erhebliche Schäden zugefügt werden. Wirtschaft und Senat haben sich daher zu Hilfsmaßnahmen entschlossen, die bislang dazu geführt haben, dass den Heimatvertriebenen wie den Bäckermeistern in Berlin auf insgesamt 400 Anträge hin rund 350 000 DM zur Behebung besonderer Notstände zugewiesen werden konnten. wgr.

Foto: Bäcker grüßten Schlesien

 

 

Seite 2   Zu Fuß nach Trachenberg / Eine Erinnerung von Wollgang Greiser

Ich mag ein Junge von vierzehn Jahren gewesen sein, als ich mich von Rawitsch aus zum ersten Male aufmachte, um über die Posensche Provinzgrenze hinaus nach Trachenberg zu gehen. Zu Fuß natürlich. Denn für eine Bahnfahrt hätte der schmalschlitzige Beutel nicht gereicht. Wenngleich nur dreißig Pfennig dafür nötig gewesen wären. Aber dann hätte ich auch den „Trachenberger Forst" nicht kennengelernt. Jenes Waldgebiet zwischen hier und dort, das im Rufe stand, eines der dichtbewachsenen Wälder ganz Schlesiens zu sein. Es gab ein paar sehr alte Buchen darin und Wege, auf denen man sich verirren konnte; etliche wellige Höhen, von denen man sich dem Himmel einige hundert Schritte näher wusste als irgend sonst wo in der Runde. Und ein „Tal", in dem das Farnkraut so hoch stand, dass es mir 14-jährigen bis an die Schulter ging. Deutlich erinnere ich mich auch an eine Stelle, an der sich immer und immer wieder ein Sonnenstrahl durch das Licht der Blätter stahl, dass sie wie glimmende Smaragde über mir erschienen, und ich hätte eine ganze Welt voll Gold einzutauschen nicht Lust verspürt gegen dieses Bersteinleuchten im Trachenberger Forst.

 

Drei Stunden bin ich zu Fuß durch ihn gegangen, und wenn ich hinaustrat, auf der Gegenseite, welch Bild war dann da! Der Klee blühte, und die Amseln gingen hoch. Es jubilierte in den Lüften, und vor mir auf einer Sandwelle sonnte sich die Eidechse. Eine Biene summte, und ich dachte an Theodor Storm und seine Heidelieder. Hundert Schritt weiter das wogende Feld. Würden das einmal prallprächtige Ähren werden! Und die Kornblumen blühten und die Raden am Rand, bläulich und rötlich. wie glockiger Mohn, und die Kornkäfer im gepanzerten Krustengewand schwirrten und wirrten durcheinander, dass man zu jeder Zeit Lust bekam, es ihnen an Ort und Stelle gleichzutun. Trollt dort nicht eben ein Reh!

 

Ich habe zum ersten Male in der Wildbahn ein Reh im Trachenberger Forst gesehen. Es stand urplötzlich zehn Schritte vor mir. Zartgliedrig, wie ich zuvor nie ein Tier sah, und zutraulich, weil ich es nicht ängstigte. Ich werde das nie vergessen. Späterhin weiß ich, dass es ein Kitzlein gewesen ist. So winzig stand es vor mir, so gutgläubig fein, dass ich vielleicht auch der erste Mensch war, den es je sah. Daher seine und meine Verwunderung.

 

Trachenberg. - Eine Stadt, wie alle kleinen Städte sind, die im Vorland zu Breslau liegen. Sie haben einen Markt, und ich glaube, es waren damals noch Lauben an seiner Seite. Denn es sind an die vierzig Jahre her, die ich zurückdenken muss. Und es ist ein Gasthaus dagewesen mit einem grünen Zaun davor, und die Haferkrippe war angelehnt dort, wo das Pferdegespann bei ihm stand. Jenes mit dem blinkblanken Messinggeschirr und den dickledernen, schweren „Beschlägen" als einem Riemenwerk, wie ich es nachdem immer nur wieder in Schlesien gesehen habe. Man kennt es sonst nirgends in dieser Weise auf der Welt.

 

Dann trat ich hinaus und stand auf dem Markt. Mitten in einem Gewühle von Mannen und Männern, die waren stämmig gewachsen wie ihr Wald, und sie trugen Schaftstiefel, fast bis an die Weichen. Sie hatten Leinen und mancherlei Netzwerk bei sich und Stangen und Käscher und Tonnen und ein Fass. Dazu hohe Tische und Waagen und Geld. Das „klingelte" in ihren Händen.

 

Diesen Männern folgte ich hinab an den See. Trachenberg liegt in einem Seen-Terrain von unermesslich idyllischer Pracht. Ganz gewiss gibt es Romantischeres als diese flach uferig weiten und kaum schultertiefen Gewässer, die man zu dieser Zeit gerade abgelassen hatte.

 

Dann sah ich die Männer mit den Stiefeln bis zu den Weichen hinauf und andere, die die Hosen hoch aufgeschlagen hatten bis über die Knie, in den Wassern waten. Sie schleiften Netze durch den See. So eng Mann an Mann und beschwert mit Steinen und Blei, dass ihnen kein Schwanz durch die Maschen ging. Dabei kam zutage, was der See tief im Verborgenen barg: Eine ungeheure Menge von Rotaugen, Weißfischen, Barschen, Hechten und Karpfen. Warf man die Jungfische in den See zurück, so kam das meiste doch in die zahllosen Weidenkörbe, und die Händler standen dabei, sortierten und auktionierten. Denn von diesen Karpfenzügen in den Seen um Trachenberg lebte ein ganzer Stand.

 

 

Seite 3   Ruf des Herzen

Neulich traf ich sie abends in der Wartehalle des Stettiner Bahnhofs, eine einfache Schwester des Roten Kreuzes, die allen Widerwärtigkeiten des Alltags trotzende „Frau von heute": Immer bereit, hilfreich einzuspringen, wo Opfer des Krieges eines mitleidlosen Haltes bedürfen, immer zu einem freundlichen Lächeln aufgelegt.

 

Ob alt oder jung, sie alle bekommen im seelenlosen Gewirr eines übertünchten Fassadenreiches endlich wieder einmal den Lichthauch wahrer Menschlichkeit zu spüren. Und keiner sieht es ihr an, dass sie viel, viel aufgeben musste, dass sie alles verloren hat, was man an irdischem Reichtum sein eigen nennen kann: Der Heimat und der Häuslichkeit beraubt, auf dem Fluchtwege von Endstation zu Endstation getrieben. Nichts weiter blieb ihr als ein Innenleben, das, fast am Erlöschen, sich eine Zielrichtung in die Ungewissheit der Zukunft zu bahnen bemühte. Und da geschah das Unfassliche: eine neue, bisher nur erahnte Welt erschloss sich ihrer ringenden Seele - sie sah unzählige Menschen um sich her, die hilflos auf einen Ausweg warteten und sie fühlte, dass man sie brauchte.

 

Aus den verkohlten Ruinen des zerschossenen Bahnhofsgeländes gestaltete sie mit helfenden Freunden aus eigener Initiative einen Hort, der noch heute allen Vorbeiziehenden sichere Geborgenheit, bedeutet.

 

Als Bahnhofsschwester widmete sie sich ihrer erkannten Mission mit ernster fraulicher Hingabe und ein beinahe zur Einsamkeit verurteiltes Leben hat dadurch erfüllenden Inhalt erlangt: Alle dürfen bei ihr ihr Herz ausschütten, in Geduld gewappnet lässt sie die wehmütigen Klagelieder der Entrechteten über sich ergehen, anteilnehmend rindet sie für jeden das stärkende Wort, und keinen lässt sie es merken, dass er sich Trost holt von einer, die genau so viel und noch mehr erleiden musste! Sie hat die Grenzen in ihrem Innern überwunden. Sie weiß, dass überall dort Heimat ist, wo fremde Menschen einander in Liebe begegnen, und je mehr einer dem andern zum Heimatrecht in einer ungewohnten Atmosphäre verhilft, desto eher werden auch die äußeren Grenzen -von Menschenhand künstlich gezogen! - fallen, bestimmt vom Handeln jedes Einzelnen.

 

 

 

Seite 3   Maria von Maienzell

Der deutsche Osten war stets ein guter Boden für philosophische Theorien und Autoren. In Berlin nun lebt die 21-jährige Maria von Maienzell, eine Danziger Autorin, die sich große Aufgaben gestellt hat. Das Leitmotiv ihrer Arbeit ist eng verbunden mit der „Deutschen Kulturmission" des Verlegers Poesgen, dem Frieden. Dabei ist Maria von Maienzell nicht mit Barbara Pleyer, dem „Friedensengel von Helsinki" zu verwechseln, die sich persönlich allzu gern herausstellen lässt.

 

Die Danziger Autorin hat außerordentlich gute Ansätze in ihrer Lyrik, die der Problematik sehr nahe kommt.

 

Wir haben Maria von Maienzell zur Mitarbeit geworben und erhoffen uns dadurch eine rege Diskussion um die geistigen Grundlagen unserer Zeit

 

 

Seite 3   Hermann Brix berichtet das Wetter

Von unserem Korrespondenten Goslar/Harz.

Es klingt unwahrscheinlich, aber es ist alles schwarz auf weiß belegt an dieser Geschichte, die uns der 73-jährige Bauingenieur Hermann Brix aus Goslar erzählt hat.

 

Schon 1929 wusste sieh der Bauingenieur aus Schlesien nicht mehr vor dem Ansturm der Hearst-Presse-Reporter zu retten. Brix hatte nur das getan, was er seit Jahren aus Leidenschaft betrieb: Das Wetter im Voraus zu berechnen. Den damals kalten Winter 1928/29 hatte er genau voraus angekündigt. Als 1941 die deutschen Soldaten vor Moskau im eiskalten Winter starben, hatte er Hitler darauf hingewiesen, aber es war vergeblich gewesen. Natürlich wurde Brix damals zur Wetterberechnung herangeholt, aber die Führung wollte mehr von ihm: „Entweder Sie sagen uns jetzt das Geheimnis Ihrer Wettervorausberechnungen oder ich lasse Sie einsperren", sagte Heinrich Himmler zu ihm. Bomben begruben unter sich in Berlin die ersten Berechnungen. Das Kriegsende verschlug Brix nach Goslar.

 

Von hier aus kämpft er nun schon Jahre um die wissenschaftliche Anerkennung seiner Berechnungsmethoden. Brix ist kein Wissenschaftler, und daher benötigt er einen Atomphysiker, mit dem er gemeinsam den exakt wissenschaftlichen Beweis für die Richtigkeit seiner Methode erbringen will. In mehr als vierzigjähriger mühevoller Forschungsarbeit, für die er ein großes Vermögen opferte und mit dem Einsatz zahlreicher Rechner ist es dem Schlesier Brix gelungen, eine Berechnungsordnung von strengster mathematischer Form, immer gleichbleibend für jeden Ort der Welt und gültig für jede beliebige Zeit im Voraus und auch für die Vergangenheit aufzubauen. Seine Berechnungen stimmen auch überein mit der Wiederkehr von mehrfachen Weltkatastrophen nach 52 Kalenderperioden und der Sonnenfiecke nach zwölfjährigen Kalenderperioden sowie auch mit der Wiederkehr von sehr kalten Wintern nach 24-jährigen Kalenderperioden.

 

An Hand seiner Berechnungen ist Brix jederzeit in der Lage, das Wetter auf ungefähr 22 Tage im Voraus zu berechnen. Selbst aus Amerika erhielt er bereits Aufträge, das Wetter für bestimmte Gebiete im Voraus zu berechnen. Vor der Organisation „meteorologie mondiale" in Genf will Brix jetzt den Beweis für die Richtigkeit seiner Theorien antreten

 

 

Seite 3   Foto: In Danzig bauen die Polen wieder Fassaden der Bürgerhäuser auf - aber dahinter sind noch weite Trümmerfelder

 

 

Seite 4   Zur neuen Schrift von Bundesminister Prof. Oberländer: Die Überwindung der deutschen Not

Angesichts des „Deutschen Wunders"14 ist das Ausland nur zu geneigt, über die Tatsache hinwegzusehen, dass die deutsche Not nach wie vor noch da ist. Sie ist gegeben bei den vielen Millionen von noch nicht voll eingegliederten Heimatvertriebenen, bei den zu Hunderttausenden nach Westdeutschland strömenden Sowjetzonenflüchtlingen, bei den Ausgebombten, bei den Dauerarbeitslosen, von denen allein die Vertriebenen 54% stellen, bei dem deklassierten heimatvertriebenen Landvolk, bei den Alten, die von den geringen Unterstützungen kaum ihr Leben fristen können, und bei der Jugend, die nur schwer Lehrstellen findet und einer guten Ausbildung bedarf.

 

Sie besteht vor allem in den Notstandsgebieten und in den Grenzkreisen der Bundesrepublik, aber sie zeigt sich auch in den zerstörten Städten und findet in dem immer noch nicht völlig gelösten Wohnraumproblem ihren Ausdruck: Die Überwindung der deutschen Not ist somit die wichtigste Aufgabe, vor die wir gestellt sind. Wenn es uns nicht gelingt, diese Not zu beseitigen, wenn wir nicht eine bessere Sozialstruktur schaffen können, wenn wir uns in falscher Selbstsicherheit wiegen und weiterhin auf die „Konjunktur" vertrauen: Dann ist alles gefährdet, was bisher geleistet wurde, dann haben die subversiven Kräfte gewonnenes Spiel!

 

Das sind die Gedankengänge, die den Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Prof. Dr. Dr. Oberländer, veranlassten, in einer von der „Volkswirtschaftlichen Gesellschaft" herausgegebenen Schrift: „Die Überwindung der deutschen Not", die soeben im Leske-Verlag, Darmstadt, erschien, ein umfassendes Sozialprogramm zu entwickeln und zu begründen und den Weg zu einem Sozialstaat zu zeigen, der nicht Wohlfahrtsstaat ist, sondern in dem sich durch das Zusammenwirken aller produktiven Kräfte fortgesetzt neues Eigentum bildet und somit die soziale Sicherheit eines jeden gewährleistet werden kann. Das bisher Geleistete ist also nur ein Bruchteil von dem, was noch geleistet werden muss, führt Professor Oberländer aus, und weist im Einzelnen nach, wo die besonders dringlichen Probleme liegen: Die Auflösung der Lager, die Unterbringung der schwer einzugliedernden „Reste", die sonst einmal zu gefährlichen Sprengkörpern werden können, die Frage des vertriebenen Landvolks, die nur dann im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten gelöst werden kann, wenn „die Wanderung des Bodens zum besten Wirt" gefördert wird, die Rentenfrage und vieles andere mehr, das insbesondere vom Auslande geflissentlich übersehen wird.

 

Denn es besteht in Westdeutschland geradezu „eine Konkurrenz der Not", und es bedarf angesichts der beschränkten Mittel - die Eingliederung der Sowjetzonenflüchtlinge erfordert allein mit jährlich 2,5 Milliarden so viel wie das Gesamtaufkommen des Lastenausgleichs beträgt - einer steten Prüfung, wo zunächst eingegriffen werden muss, wo der größtmögliche Nutzen für alle Geschädigten und für das ganze Volk zu erzielen ist.

 

Aber diese Schrift entwickelt nicht nur etwas, was man als ein „Regierungsprogramm zur Überwindung der deutschen Not" bezeichnen könnte, so umfassend und klar auch die Vorschläge und so eindrucksvoll auch das in ihnen zum Ausdruck kommende Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Zukunft unseres Volkes ist.

 

Diese Schrift ist zugleich ernste Mahnung an die Welt und an alle Deutschen. An die Welt, auch ihrerseits dazu beizutragen, dass die Freiheit und die soziale Sicherheit in Westdeutschland so gestärkt werden kann, dass den Menschen im Osten ein Beispiel echter Gemeinschaft gegeben wird. An die Deutschen dass sie erkennen mögen, dass noch so gut ausgearbeitete Programme nur dann zum Ziele führen, wenn die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe hinzukommt. Und so steht mit Recht am Schluss dieser bei aller Kürze umfassenden Darstellung der dringendsten wirtschaftlichen und sozialen, aber auch einiger der wichtigsten politischen und geistigen Probleme unserer Zeit das Wort, das zugleich ein Bekenntnis ist: „Es geht immer am das Menschliche".

 

 

Seite 4   Ermländischer Geschichtsverein soll wiedererstehen

Über die Vorbereitungen zur Wiederbelebung des ermländischen Geschichtsvereins, sowie der früher von ihm herausgegebenen Zeitschrift berichtete Dr. Hans Schmauch, früher Braunsberger Akademie, auf einer Arbeitstagung des Ermländerrates in Helle im Sauerland. Auf der gleichen Tagung sprachen Kapitularvikar Prälat Kather über die gegenwärtige ermländische Situation, Laws und Dr. Preuschoff über landsmannschaftliche Fragen und Pfarrer Kewitsch über das Maximilian-Kaller-Heim für vertriebene Jungbauern in Helle.

 

 

Seite 4    Umsiedlungen in Königsberg. Eigener Bericht

Berlin. In Königsberg, der jetzt „Kaliningrad" genannten Hauptstadt Ostpreußens, finden gegenwärtig Besprechungen zwischen einer Kommission der Sowjetzonenregierung und Beauftragten der Regierung der Sowjetunion über die Umsiedlung von Deutschen aus dem sowjetisch verwalteten nördlichen Ostpreußen in die Sowjetzone Deutschlands statt.

 

 

Nach den bisher vorliegenden Informationen soll auch eine Umsiedlung der noch in Litauen, Estland und Lettland lebenden Deutschen in Betracht gezogen worden sein. In den Besprechungen, die bis Ende Juni andauern werden, ist bisher hauptsächlich die technische Durchführung der Umsiedlungen erörtert worden. Endgültige Beschlüsse wurden noch nicht gefasst, da die Gesamtzahl der umzusiedelnden Deutschen noch nicht feststeht. So haben sich, dem Verlauten nach, besondere Schwierigkeiten daraus ergeben, dass die sowjetischen Vertreter diejenigen noch in Nord-Ostpreußen lebenden Deutschen, welche die sowjetische Staatsbürgerschaft annehmen mussten, von den Umsiedlungen ausnehmen wollen. Die sowjetische Kommission erklärte hierzu, eine „Aussiedlung von Sowjetbürgern" könne nicht in Frage kommen.

 

Während im sowjetisch verwalteten Nord-Ostpreußen sich im Verhältnis nicht mehr viele Deutsche befinden, wird die Zahl der im Memellande, das der Sowjetrepublik Litauen angeschlossen wurde, ansässigen Deutschen auf etwa 30- bis 35 000 geschätzt, wozu noch einige tausend in den baltischen Ländern lebende Deutsche kommen, unter denen sich eine beträchtliche Anzahl von Ostpreußen befinden, die vor allem in den Jahren 1945 bis 1947 wegen der Hungersnot in Nord-Ostpreußen nach Norden gewandert waren

 

 

Seite 4   Die Geschäftsstelle informiert

Am 23. Juni 1954 verstarb unser Landsmann, der frühere Lokomotivführer Franz Manikowski

im Alter von 67 Jahren. Zuletzt wohnhaft in Berlin SW68, Hedemannstr. 12, früher wohnhaft in Doristhal, Kreis Schloßberg/ Ostpreußen (Pillkallen).

 

 

Seite 4   Brach liegende Dorffluren bei Sensburg

Der größte Teil der Dorf Auren ist unbestellt, berichtete eine kürzlich im Durchgangslager Friedland bei Göttingen eingetroffene Ostpreußin über, die Zustände in dem Kreis Sensburg. In dem Dorf, in welchem die Ostpreußin bis zu ihrer Abreise lebte, ließen die nach 1945 auf die deutschen Höfe eingewiesenen polnischen Bauern den größten Teil des Ackerlandes brach liegen. Einmal mangelt es an Arbeitskräften, zum anderen suchen die Neubauern dadurch das hohe Ablieferungssoll herunterzudrücken. Die stark zurückgegangene landwirtschaftliche Produktivität drückte sich in dem Viehbestand aus, welcher jetzt auf den bewohnten Höfen anzutreffen ist. So hatte der Hof, auf dem die Berichterstatterin arbeitete, nur eine Ziege, zwei Schweine und einige Hühner aufzuweisen. Früher standen auf demselben Hof drei Pferde, ein Fohlen, vier Kühe, vier Stück Jungvieh, sieben Schweine und sechs Schafe im Stall, dazu kamen etwa dreißig Hühner. Des Weiteren berichtete die Ostpreußin, dass von sieben Mühlen gegenwärtig nur noch vier arbeiten. Die Straßen des Kreises sind sehr vernachlässigt, nur die Hauptstraßen werden notdürftig instand gehalten. Die Eisenbahnnebenstrecke von Rothfließ (an der Hauptstrecke Allenstein-Korschen) über Bischofsburg-Sensburg-Nikolaiken-Arys nach Lyck ist demontiert.

 

 

Seite 4   Der 131-er Rechtswirrwarr. Von unserem Korrespondenten .

Bonn. Kürzlich hat anlässlich der Amtseinführung des neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe der Bundespräsident ausgeführt, er werde niemals wieder jenes Gericht mit irgendwelchen Gutachten befassen. Die Situation, die sich im Zusammenhang mit der bekannten „Normenkontrolle" hinsichtlich des Bonner Vertragswerks ergab, hat den Bundespräsidenten zu dieser Resignation veranlasst. Und hierfür werden insbesondere die Vertriebenen Verständnis haben angesichts jenes Urteils, welches das Bundesverfassungsgericht im Dezember vorigen Jahres fällte und wodurch insbesondere die heimatvertriebenen Beamten grundsätzlich völlig entrechtet worden sind, indem innen nunmehr allein noch jene Rechte zustehen, die ihnen durch die bisherigen Gesetze zu Artikel 131 neu zuerkannt worden sind.

 

Da nun aber von einer ganzen Reihe von Bundestagsabgeordneten in allen Fraktionen durchaus erkannt worden ist, dass hier das Bundesverfassungsgericht ebenfalls eine unhaltbare Situation geschaffen hat, da z. B. diejenigen Beamten, die kurz vor 1945 in die Ostprovinzen versetzt wurden, rechtlich ganz anders gestellt wurden als ihre im Westen und im Amte verbliebenen Kollegen, ist also der Entschluss gefasst worden, durch eine weitere Novelle zum 131er-Gesetz wenigstens die schlimmsten Rechtsunterschiede zu beseitigen oder vielleicht das ganze Problem einer Lösung entgegenzuführen.

 

Das ist umso dringender erforderlich, als durch die verschiedenen bisherigen Länder- und Bundesgesetze zur 131-er Frage ebenfalls eine Rechtsungleichheit geschaffen worden ist, die einen solchen Umfang angenommen hat, dass man hier geradezu von einem Rechtswirrwarr sprechen kann.

 

Dass dieses keine allzu pessimistische Beurteilung der Lage darstellt, wird schon daraus deutlich, dass nach den bisherigen Regelungen die 131-er selbst in drei Gruppen aufgespalten worden sind, die man als Breit-, Normal- und Schmalspur-131-er bezeichnen könnte. So sieht beispielsweise die entsprechende in Niedersachsen geltende Regelung vor, dass jene westdeutschen Beamten, die infolge des Zusammenbruchs, der Besatzungsmaßnahmen usw. aus dem Amte gedrängt wurden, in der Privatwirtschaft ohne Anrechnung ihres Verdienstes auf die 131-er-Bezüge tätig sein können, und außerdem entfällt für diese 131-er-Gruppe das Erfordernis des Nachweises, dass sie bereits vor 1945 mindestens 10 Jahre Beamte auf Lebenszeit waren. Was die „normalen" 131-er anbetrifft, die also als Vertriebene nach Niedersachsen kamen und jene 10 Jahre nachweisen müssen (und können), so bestehen für diese die üblichen Einschränkungen in finanzieller Hinsicht.

 

Sie dürfen - wie ihre Schicksalsgefährten im übrigen Bundesgebiet - zweckmäßigerweise nicht mehr verdienen als der Gesetzgeber erlaubt, da ihnen sonst die Beträge nur abgezogen werden und ihre Mühe also umsonst sein würde. Bleiben diejenigen 131-er, die überhaupt keine Bezüge erhalten, da sie erst nach dem Mai 1935 ihre Laufbahn begannen, die Prüfungen ablegten und ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen wurden. Sie sind also ganz entscheidend schlechter gestellt als die Beamten z. Wv. die bereits einen oder mehrere Monate vorher sich jenem „sichersten Berufe mit Altersversorgung" zuwandten.

 

Wie sich in dieser Hinsicht auch der Bundestag um gesetzgeberische Feinheiten bemüht hat, geht besonders daraus hervor, dass das Bundesgesetz zu Art. 131 vorsieht, dass diese 131-er im Falle von Arbeitsunfähigkeit und beim Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren, nicht mehr Beamte z. Wv. im Sinne des Gesetzes sind. Und wenige Paragraphen später wird festgestellt, dass die Hinterbliebenen-Versorgung nur für „Beamte z. Wv." gilt, was bedeutet, dass sich alle jene Schmalspur-131-er, die Familienväter sind, davor hüten müssen, arbeitsunfähig zu werden oder erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres infolge Ablebens aus der Bundesrepublik auszuscheiden.

 

Da sonst nämlich ihre Hinterbliebenen keinerlei Ansprüche mehr auf Versorgung gemäß dem Gesetze haben. Das alles zeigt nur zu deutlich, wie vordringlich die Einbringung und Annahme einer weiteren Novelle zum Gesetz zu Art. 131 ist. Gerade wenn es darum geht, die Bundesrepublik zu einem beispielgebenden Rechtsstaat zu machen, ist eine Beseitigung der auf diesem Gebiete herrschenden Rechtsungleichheit dringend erforderlich.

 

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