Ostpreußische Nachrichten, Folge 04 vom April 1953

Ostpreußische Nachrichten
Folge 04 vom April 1953

Seite 1   ZVD-Präsidium und Geschäftsführer der Landsmannschaften in Berlin  

Dr. Kather: „Flüchtlingsproblem ein internationales Problem" — v. Doetinchem: „Weg in die Heimat führt über Berlin und die Sowjetzone"

Das Präsidium des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen (ZvD) hielt vom 12. bis 14. März und die Geschäftsführer aller Landsmannschaften aus der Bundesrepublik hielten vom 20. bis 28. März in Berlin im „Haus der ostdeutschen Heimat" Arbeitstagungen ab.

 

Damit sind zum ersten Mal seit Kriegsende die Spitzengremien der "beiden großen Vertriebenenorganisationen nach Berlin zur Beratung aktueller Probleme gekommen, während in der Vergangenheit nur einzelne Persönlichkeiten die Stadt besuchten.

 

In einem umfangreichen Arbeitsprogramm haben sich die beiden Vertriebenen-Gremien mit den Problemen der Berliner Heimatvertriebenen, mit dem Flüchtlingsproblem und der Situation der Vertriebenen in der Sowjetzone befasst und einen engen Kontakt mit den Heimatvertriebenen in Berlin hergestellt.

 

Während der Tagung wurde von beiden Gremien immer wieder erklärt, dass Berlin als Vorposten der westlichen Welt jede mögliche Hilfe und Unterstützung von Westdeutschland erhalten müsse. Der Präsident des ZvD, Dr. Linus Kather, betonte, dass das Flüchtlingsproblem nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Problem sei, zu dessen Lösung die Alliierten durch unmittelbare Hilfe beitragen müssten. Vom Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Landsmannschaften (VdL), v. Doetinchem wurde erklärt, der Weg in die ostdeutsche Heimat führe über die Befreiung der Sowjetzone.

 

Ein Programm der Praxis

Die Mitglieder des Präsidiums des ZvD, unter Führung des Vorsitzenden Dr. Linus Kather, wurden nach ihrer Ankunft in Berlin im „Haus der ostdeutschen Heimat" vom Vorsitzenden des BLV, Dr. Alfred Rojek, empfangen. Anschließend wurde das Präsidium vom Senator für Sozialwesen, Otto Bach, im Schöneberger Rathaus empfangen. Senator Bach betonte, dass die Frage der Flüchtlinge vom Problem der Heimatvertriebenen nicht zu trennen sei. Es handle sich hier um ein gesamtdeutsches Problem. Nach einem Empfang beim Bundesbevollmächtigten Dr. Vockel, nach Besichtigung von Flüchtlingslagern und Teilnahme an Bundesnotaufnahmeverfahren, sagte Dr. Kather in einer Sendung des NWDR Berlin: „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir dem Schicksal der Sowjetzonenflüchtlinge aufgeschlossen gegenüberstehen, einmal aus dem gemeinsamen Schicksal heraus und zweitens aus organisatorischen Erwägungen. Wir fühlen uns als Sachwalter der Sowjetzonenflüchtlinge."

 

Am Ehrenmal auf dem Kreuzberg legte Dr. Kather einen Kranz des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen nieder. Nach einer Arbeitstagung im „Haus der ostdeutschen Heimat" fasste das ZvD-Präsidium eine Resolution, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, über provisorische und Hilfsmaßnahmen hinweg die systematische Eingliederung der Sowjetzonenflüchtlinge durchzuführen. Diese europäische Aufgabe könne ohne eine starke Mithilfe der westlichen Alliierten, die für das Schicksal der Sowjetzonenflüchtlinge mitverantwortlich seien, nicht bewältigt werden. „Der ZvD begrüßt die im Bundesvertriebenengesetz vorgesehene grundsätzliche Gleichstellung von Heimatvertriebenen, Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlingen. Er fordert aber darüber hinaus, dass kein Unterschied zwischen Flüchtlingen und nicht in die Sowjetzone zurückgekehrten gemacht wird. Gerade im Hinblick auf den Notstand des vertriebenen und geflüchteten Landvolkes müssen die für die Eingliederung dieses Berufsstandes vorgesehenen Bestimmungen im Bundesvertriebenengesetz ohne Verschlechterung verabschiedet werden."

 

Der ZvD werde künftig bestrebt sein, mit allen Mitteln besonders auch die Eingliederung der Sowjetzonenflüchtlinge durchzusetzen. Die Geschäftsführer der Landsmannschaften der Bundesrepublik wurden vom Senat für Sozialwesen empfangen und erhielten einen Überblick über das Flüchtlingsproblem. Sie haben, ebenso wie das Präsidium des ZvD, am Bundesnotaufnahmeverfahren teilgenommen, Flüchtlingslager besucht und aus eigener Anschauung das Flüchtlingsproblem kennengelernt.

 

Berlin muss unterstützt werden

In dem dreitägigen Besuch sollte ein praktischer Anschauungsunterricht über die Probleme Berlins und der Sowjetzone vermittelt werden. Deshalb besuchten die Geschäftsführer auch den Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen mit seinem Bauernreferat, die Volkspolizeibetreuungsstelle und das „Haus der Zukunft".

 

Auf einem Empfang des BLV umriss der BLV-Vorsitzende, Dr. Alfred Rojek, die Aufgaben der Berliner Heimatvertriebenenorganisation. Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung „Haus der ostdeutschen Heimat" und 1. Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen in Berlin, Dr. Hans Matthee, begrüßte die Landsmannschaftsgeschäftsführer im Namen der Stiftung „Haus der ostdeutschen Heimat", die in Gemeinsamkeit mit den Landsmannschaften die Kulturarbeit fördert.

 

Anschließend trafen die Geschäftsführer aus Westdeutschland mit den Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern der Berliner Landsmannschaften zu Gesprächen zusammen. Am letzten Tage des Besuches fand eine Arbeitstagung mit den Delegierten der Landsmannschaften im „Haus der ostdeutschen Heimat" statt. Dabei wurden in einer Aussprache von seiten der Delegierten noch einmal praktische Anregungen für die bessere Zusammenarbeit zwischen Westdeutschland und Berlin gegeben.

 

Der Hauptgeschäftsführer des VdL, von Doetinchem und der Geschäftsführer der Landsmannschaft Ostpreußen im Bundesgebiet, Werner Guillaume umrissen die Berliner Tagung mit den Feststellungen, sie hätten in Berlin eine Fülle von neuen Eindrücken und Gesichtspunkten gewonnen, die man eben nur in einer Vorpostenstadt, wie sie Berlin darstelle, gewinnen könne. Von Doetinchem versicherte, die Geschäftsführer würden In Zukunft die Landsmannschaften in Berlin soweit als es überhaupt möglich sei, unterstützen. Der Ostpreußengeschäftsführer Guillaume sagte, nach allem, was die Geschäftsführer in Berlin gesehen und erlebt hätten, werde es immer unbegreiflicher, dass in Westdeutschland der Einheitsverband der Vertriebenen noch nicht geschaffen sei.

 

Seite 1   Arbeitsmöglichkeiten in der Schweiz

sind vorhanden für Deutsche zwischen 18 und 50 Jähren. Hausangestellte, Kindermädchen, Landarbeiterinnen, Landarbeiter, Metallarbeiter, Maler, Maurer, Schreiner werden gesucht. Arbeitsverträge werden auf 6 Monate geschlossen und können verlängert werden. Interessenten werden gebeten, sich bei den Geschäftsstellen der Landsmannschaften nähere Auskünfte zu holen

 

Seite 1   Wir sind noch zu schwach

Gemeinschaftliche Volkstumsschau findet nicht statt

Die für den 19. April 1953 in der Halle der 4000 am-Berliner Ausstellungsgelände angekündigte große, gemeinsame Volkstumsschau der Schlesischen und Sudetendeutschen Landsmannschaft fällt bedauerlicherweise aus. Dafür findet am 12. April um 15 Uhr im großen Saal des Studentenhauses am Steinplatz eine „Sudetendeutsche Volkstumsschau" statt, die das gesamte sudetendeutsche Programm, das für die Veranstaltung am Funkturm geplant war, umfasst. Zu den Gründen über die Absage der Großveranstaltung übermittelten uns beide Landsmannschaften Erklärungen.

 

Die Schlesische Landsmannschaft führt das Scheitern des Planes auf die hohen Kosten zurück, für die eine Ermäßigung nicht zu erreichen war. In der Erklärung wird erwähnt, dass in der Veranstaltung am 12. April die Schlesier mit einer „Nummer" bei den Sudetendeutschen zu Gast sein werden und auch Schlesier an dieser Veranstaltung teilnehmen sollen. Ein ähnlicher Austausch soll bei einer Veranstaltung des Heimatverbandes der Schlesier am Sonntag, dem 3. Mai um 10 Uhr im Casino am Funkturm ebenfalls stattfinden.

 

In der Erklärung der Sudetendeutschen Landsmannschaft heißt es unter anderem, dass durch zu hohe finanzielle Ausgaben die große Mühe und die vielen Vorbereitungen und Arbeiten fast vergeblich gewesen seien, man sich aber trotzdem entschlossen habe, den Teil des sudetendeutschen Programms am Funkturm ungekürzt in einer eigenen Veranstaltung zu zeigen. Diese findet am Sonntag, dem 12. April, um 15 Uhr im großen Saal des „Studentenhauses" am Steinplatz, Hardenbergstraße, statt. Alle Angehörigen der Sudetendeutschen und der Schlesischen Landsmannschaft sind dazu ebenso herzlich eingeladen, wie die Landsleute aus anderen Landsmannschaften.

 

Es ist sehr bedauerlich, dass der schöne und große Plan, über den die „OSTDEUTSCHEN NACHRICHTEN" schon ausführlich berichteten, nun doch gescheitert ist. Der Hauptgrund für die nunmehr erfolgte Absage war zweifellos das Geld, das nicht vorhanden war. - Einesteils ist es erfreulich, dass die Sudetendeutsche Landsmannschaft ihr Programm trotzdem zur Uraufführung bringen wird, andererseits aber ist der Sinn einer gemeinsamen Kulturarbeit, wenn man von der einen „Gast-Nummer“ absehen will, noch nicht zum Tragen gekommen.

 

Die Lehre, die aus dieser Situation zu ziehen ist, heißt kurz und bündig: Die Kulturarbeit innerhalb der einzelnen Landsmannschaften muss wesentlich verstärkt werden, dann muss man sie erproben md den Rahmen immer weiter stecken, bis man schließlich nach gründlicher Vorbereitung zustande kommt. Es wäre doch seltsam, wenn nicht die starken positiven Kräfte innerhalb der Kulturarbeit der beiden Landsmannschaften etwas Gemeinsames schaffen könnten. Vielleicht ist es möglich, wenn man ernsthaft arbeitet, im Herbst in Berlin die schon längst Überfällige „Ostdeutsche Woche" zu veranstalten.

 

Seite 1   Heimatvertriebene sollen zu Wohnungen kommen

Auf dem 4. öffentlichen Forum der Vertriebenen, das die „Ostdeutschen Nachrichten" am 17. März im Großen Sitzungssaal des „Hauses der ostdeutschen Heimat" veranstalteten, erklärte der Senator für Bau- und Wohnungswesen, Dr. Karl Mahler, im Berliner Wohnungsbau sei ein Dreijahresprogramm vorgesehen. Bis 1955 würden danach 53 000 Wohnungen neu gebaut werden. Bis Ende dieses Jahres, so sagte der Senator, würden etwa 20 000 neue Wohnungen fertiggestellt sein. Allerdings sei damit noch nicht der Wohnungsbedarf in Berlin gedeckt, denn es gäbe 100 000 Wohnungsuchende.

 

Die für den Wohnungsbau im Jahre 1953 erforderlichen 250 Millionen Mark stünden aus Berliner Haushaltsmitteln, aus Bundesmitteln und aus amerikanischen Hilfsmitteln zur Verfügung. Von dieser Summe würden 30 Millionen Mark für Instandsetzungen von Wohnungen verbraucht werden können. Damit seien für das Wohnungsbauprogramm 1953 finanzielle Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden.

 

Senator Dr. Mahler erklärte ferner, dass er die Wohnungsämter angewiesen habe, die Heimatvertriebenen genauso wie die Einheimischen zu behandeln. In dem Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 1952 seien 552 Heimatvertriebenen-Familien in Wohnungen eingewiesen worden. Der Senator sagte zu, das „Berliner Wohnungswerk für Ostvertriebene und Kriegsgeschädigte" bei seinen Wohnungsbauplänen zu unterstützen.

 

Die Heimatvertriebenen, so sagte Senator Dr. Mahler, machten etwa 6% der Gesamtbevölkerung in Berlin aus. Unter denjenigen, die eine Wohnung erhielten, hätten sich 5,2% Heimatvertriebene befunden. Das sei ein Zeichen dafür, dass sie gleichberechtigt mit den einheimischen Berlinern behandelt worden seien. Natürlich müsse man die Bestimmungen des Wohnungsgesetzes einhalten.

 

Wenn das „Berliner Wohnungswerk für Ostvertriebene und Kriegsgeschädigte" die Anerkennung als gemeinnützige Gesellschaft erhalten habe, gäbe es kaum noch Schwierigkeiten, um bald Bauvorhaben zu errichten. Die Planungen könnten noch in diesem Jahr zur Genehmigung eingereicht werden. Wenn die Bestimmungen erfüllt seien, so sagte der Senator, werde er die Pläne bewilligen und das Wohnungswerk könne für Heimatvertriebene Wohnungen bauen.

 

Der Senat finanziere die Wohnungsbauvorhaben auf Grund des Wohnungsbaugesetzes so, dass 80% aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt würden. Zusätzlich beschaffe der Senat an 1. Stelle eine Hypothek von 20%, so dass die Genossenschaft eigene Mittel nicht zu investieren brauche. Ferner würden auch städtischer Grund und Boden als Baugelände den gemeinnützigen Genossenschaften zur Verfügung gestellt. Der Senat für Bau- und Wohnungswesen habe erreicht, dass die Kaufsumme für das Baugelände nicht sofort, sondern in niedrigen Raten gezahlt werden kann. Senator Dr. Mahler versprach, sich dafür einzusetzen, dass das „Berliner Wohnungswerk für Ostvertriebene und Kriegsgeschädigte" städtisches Baugelände zu günstigen Bedingungen erhalte. Außerdem wies der Senator darauf hin, dass bei einer Genossenschaft diejenigen Genossenschaftsmitglieder, die ein Aufbaudarlehen erhalten, dies zur Finanzierung der Bauvorhaben zur Verfügung stellen. Allerdings müsste dann das Darlehen auf die Miete angerechnet werden. Ferner gäbe es die Möglichkeit, ein Eigenheim zu erwerben, wenn der Antragsteller später die Lasten tragen könne. Wenn jemand ein Eigenheim bauen wolle und ein Aufbaudarlehen von 5000 Mark erhalte, könne er außerdem vom Senat ein Darlehen bis zu 12 000 Mark bekommen. Allerdings müsste zu den Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus gebaut werden. Der vorgesehene Mietpreis darf nicht höher sein, als 1,10 oder 1,20 DM pro Quadratmeter bei Zentralheizung und Warmwasserversorgung.

 

Über die Notwendigkeit, Wohnungen für Heimatvertriebene zu schaffen, sprach Josef M. Lellek vom Vorstand des „Berliner Wohnungswerkes für Ostvertriebene und Kriegsgeschädigte". Er erklärte, dass die Voraussetzung für den Wohnungsbau für Heimatvertriebene die notwendigen finanziellen Mittel und das Instrument zur Durchführung" gewesen seien. Im „Berliner Wohnungswerk für Ostvertriebene und Kriegsgeschädigte" bestehe ein solches Instrument, das 107 Mitglieder habe. Jeder Heimatvertriebene könne Genosse werden, wenn er einen Eintrittsbeitrag von 10,-- Mark und einen Genossenschaftsanteil von 300,-- Mark in monatlichen Raten zahle. Das Wohnungswerk treffe alle Vorbereitungen, um möglichst bald höhere Bauprojekte ausführen zu können. In Charlottenburg habe man geplant, als 1. Projekt 18 Wohnungen zu bauen.

 

Herr Lellek wies darauf hin, dass die Heimatvertriebenen Möglichkeiten durch das Aufbaudarlehen aus dem Lastenausgleich erhielten.

 

Nach 2 ½ stündiger Dauer und einer angeregten Diskussion konnte das 4. öffentliche Forum der Vertriebenen erfolgreich beschlossen werden.

 

Seite 2 Die Deutschen im Sudelenland und Südostraum

Noch eine halbe Million zwangsverpflichtet und eingekerkert

Es kann wohl behauptet werden, dass wir uns über die derzeitigen Verhältnisse hinter der Oder-Neiße-Linie bessere Vorstellungen machen können, dass mehr Nachrichten aus diesem Raum zu uns gelangen, als aus dem sogenannten Südostraum. Kann die Zahl der heute im Sudetenland und dem Karpatenraum (beides zur ehemaligen Tschechei gehörig) lebenden Deutschen mit rund 150 000 angegeben werden, so liegen Zahlen über das Restdeutschtum in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien nur als Schätzungen vor. Allgemein angenommen kann werden, dass in den letzten drei genannten Ländern noch etwa 400 000 Deutsche sesshaft sind. Dennoch kann man zu den Schätzungen Vertrauen haben, da sie meistens Ergebnisse von Erhebungen der im Bundesgebiet bestehenden Landsmannschaften aus dem Südostraum sind.

 

100 000 Sudetendeutsche leben heute in Böhmen, Mähren und Schlesien. Während rund 75 000 als „freie" Menschen, als Spezialarbeiter in den hochentwickelten Industrien der Glasbearbeitung, Holzwarenindustrie, Leinen-, Tuch- und Strumpferzeugung verpflichtet sind, ist der Großteil der Deutschen als Landarbeiter im innertschechischen Gebiet festgehalten. In die Tausende geht auch die Zahl der in den Kohlenschächten, im Uranerzbergbau und dem Brüxer Hydrierwerk als Arbeitskuli mit Gewalt zurückgehaltenen Sudetendeutschen. Mehr als 20 000 Sudetendeutsche sitzen hinter Kerkermauern und warten auf ihre Erlösung.

 

Wie stark die Sudetendeutschen in der Industrie verankert sind, geht aus einem Beispiel klar hervor. Im Bezirk Rumburg-Warnsdorf gibt es heute noch zwischen 800 bis 1000 Sudetendeutsche, die als Industriearbeiter eingesetzt sind und so die Voraussetzung überhaupt erst schaffen, dass viele Industriezweige heute noch eine Produktion haben.

 

Wiewohl fast für alle Sudetendeutschen in der heutigen CSR durch ihre Angehörigen und Verwandten in Westdeutschland Gesuche um Aussiedlung gestellt wurden, die keine Berücksichtigung finden, kann immer deutlicher festgestellt werden, dass diesen Sudetendeutschen seitens der tschechischen Behörden die tschechische Staatsbürgerschaft direkt aufgezwungen wird. Dass Deutsche bis zu 50 Jahren heute schon in der tschechischen Armee dienen, ist keine Seltenheit mehr.

 

Annähernd 50 000 Deutsche, wohnen heute noch im slowakischen Raum. Während die Intelligenz als Ingenieure und Werkmeister arbeitet, ist hier der Rest der Karpatendeutschen ausschließlich als Landarbeiter und Fabrikarbeiter tätig. Im ehemaligen Siedlungsgebiet der Zips trifft man derzeit wenig Deutsche an, sie alle wanderten in die verschiedensten Gebiete der Slowakei. Die starke Minderheit der Stadt Preßburg wurde fast restlos aufs Land umgesiedelt.

 

100 000 Deutsche in Ungarn und Jugoslawien

Am undeutlichsten zeichnet sich das Schicksal der in Ungarn noch wohnenden Deutschen ab. Es darf aber trotzdem angenommen werden, dass nicht mehr als 60 000 Deutsche in Ungarn leben. Deren derzeitige Beschäftigung zu erraten, dürfte nach der allgemeinen Praxis aller Ostblockstaaten nicht schwer fallen. Sie alle sind enteignet, entrechtet und Arbeitskulis, die man heute hierhin und morgen dorthin verschickt.

 

Von den 600 000 Deutschen aus Jugoslawien leben heute nicht mehr als 40 000 im Reiche Titos. Austreibung und Ausrottung feierten unter den Deutschen dieses Balkanstaates ganz besondere Orgien

 

Deutsches Schicksal auf dem Balkan

Im Verhältnis zur Gesamtstärke der Volksgruppe vor dem Kriege leben Im heutigen Rumänien noch die meisten Deutschen. Wurde ihre Gesamtzahl vor dem Kriege mit 800 000 angegeben, so gibt es heute noch in den Gebieten des Banates, des Buchenlandes, Bessarabiens, Siebenbürgens, dem Satmarer-Gebiet nicht weniger als 300 000 Deutsche. Wie wir durch die Landsmannschaft der Siebenbürger erfahren, leben von den 250 000 Deutschen dieses Gebietes noch immer 170 000 im alten Siedlungsgebiet. Seit Monaten finden in Rumänien Deutschenverfolgungen statt. Tausende deutscher Familien werden in entlegene Gegenden verschleppt. Die Zwangsarbeitslager füllen sich immer mehr mit deutschen Häftlingen. Besonders schwer sind die deutschen Städte Kronstadt (jetzt Stalinstadt), Hermannstadt, Mediasch und Schäßburg betroffen.

 

Seite 2   Portrait des Monats. Mit Foto

Der Posener Superintendent D. Arthur Rhode, jetzt fast 85-jährig, gehörte zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Posener Deutschtums, besonders in den Jahren der polnischen Herrschaft von 1918 bis 1939. Diese Jahre begannen für ihn mit einem Leidensweg durch verschiedene polnische Gefängnisse und endeten mit dem noch viel grausameren Verschleppungsmarsch nach Kutno, den der über 70-jährige aber ungebrochen und ungebeugt überstand. Arthur Rhode ist ein Kind der südposenschen Heimat. Im Grenzdreieck zwischen Kongreßpolen und Schlesien aufgewachsen, hat er die ersten Jahrzehnte seiner 50-jährigen Amtszeit auch diesen Gemeinden gewidmet und über seine kirchliche Tätigkeit hinaus beim Aufbau der Raiffeisengenossenschaften, der Kleinsiedlung und manchen anderen wirtschaftlichen und kulturellen Einrichtungen ausgezeichnete Arbeit geleistet.

 

Obwohl er als Mann der Kirche und der Wissenschaft in der politischen Arbeit nie hervorgetreten ist, wurde er in der deutschen Öffentlichkeit in Stadt und Land, von Jung und Alt. wegen seiner aufrechten Haltung und seiner Treue zur Heimat und Muttersprache verehrt. Auch einsichtsvolle Polen, mit denen ihn die gute Kenntnis der polnischen Sprache, Geschichte und Literatur und seine ausgedehnten bibliophilen Kenntnisse verbanden, haben ihn, der eine Zeitlang die deutsche Bevölkerung als Stadtverordneter im Posener Stadtparlament vertrat, geschätzt.

 

So war er nicht nur in Charakter und Persönlichkeit, sondern auch in seiner Haltung gegenüber eigenem und fremdem Volkstum, seinen Landsleuten stets ein Beispiel. Trotz seines hohen Alters noch rüstig und frisch, arbeitet er in seinem „Exil" in Osnabrück emsig an der Kirchengeschichte seiner Posener Heimat, als deren unbestritten bester Kenner er wohl z. Z. bezeichnet werden kann. Der Verlust seiner umfangreichen Bibliothek und seiner z. T. schon vollendeten wissenschaftlichen Manuskripte haben ihm den Mut zum Neubeginn dieser Arbeit nicht genommen. Er sieht in ihr den Inhalt seines jetzigen Lebens und ein Vermächtnis an die künftigen Generationen.

 

Seite 2   Berlin-Impressionen eines Dichters

Eindrücke Hohlbaums von der Viersektorenstadt

Der Begriff Berlin hat sich seit dem Jahre 1945 für uns radikal gewandelt. Früher die im hellen Scheinwerferlicht strahlende Metropole eines mächtigen Reiches, heute nicht nur eine von Bomben zerfressene Stadt - dieses Schicksal teilt sie ja leider mit der Mehrzahl der großen deutschen Städte - sondern vor allem eine vom großen Weltverkehr abgeschnittene Insel, durchaus keine Insel der Seligen, eine de facto nur durch eine Luftbrücke mit dem übrigen Deutschland und dem großen Europa in Verbindung stehende Enklave.

 

Heute hat man es mit zwei Städten zu tun. Zweieinhalb Millionen Einwohner der Weltstadt stehen der einen Million des östlichen Sektors unter ganz anderen Lebensverhältnissen gegenüber. Der Potsdamer Platz ist aber nicht nur die Grenze zwischen zwei Teilen einer Stadt, ja nicht einmal zwischen zwei Städten, allmählich trennt er zwei immer verschiedenere, unter anderen Lebensbedingungen wachsende oder vergehende Welten.

 

Ohne Nervosität

Auffallend ist das Fehlen jeder Nervosität im Straßenverkehr. Die frühere typische berlinerische Hast ist gewiss keiner Langsamkeit gewichen, wohl aber einer zweckvoll gemäßigten Dynamik. Wer das Bild des schnodderigen Berliners als Traditionsvermächtnis von etwas klischeehaft informierten Interpreten übernommen hatte, der wird erstaunt feststellen, dass es heute keinen höflicheren Menschen gibt, als den Berliner. Keine überflüssige Rederei, aber präzise Auskunft, nirgends ein Drängen, Rücksichtnahme auf den Nebenmenschen, der im Laufe der letzten Jahre mehr geworden ist. Schicksals- und Leidensgenosse in einer mehr als drangvollen Zeit.

 

Es gibt kaum einen Deutschen, der nicht gelitten hätte, aber das konzentrierteste Leid senkte sich mit den ersten Bombenteppichen schon über die große Metropole. Hier lernten sie alle, die als rücksichtslos verschrienen Berliner, dem Nächsten zu helfen, in dem sicheren Bewusstsein, dass dieser Nächste auch ihnen helfen würde, wenn sie in eine drangvolle Lage gerieten. Zum Unterschied von Ostberlin, über dessen Straßenleben ein großes Schweigen liegt, ist der Berliner nach wie vor aufgeschlossen und regsam.

 

Herzliches Verhältnis

Besonders erfreulich für einen Grenzdeutschen ist das wahrhaft herzliche Verhältnis, das zwischen den schwergeprüften Berlinern und den Heimatvertriebenen besteht, mögen sie aus "pommerscher, west- und ostpreußischer  Nähe, oder aus dem ferneren Sudetenlande und Schlesien sein, hier erkennen wir die Einigungskraft des Leides, hier sind die Menschen zu einer Reife gediehen, die alles Menschliche einer tiefen Hilfsbereitschaft versteht.

 

Unfassbar, was diese Stadt geleistet hat! Der architektonische Wiederaufbau schreitet vorwärts, aber kaum ist ein Problem halbwegs überwunden, so tritt ein neues an die verantwortlichen Männer heran. Das schwerste ist wohl der Flüchtlingsstrom, der aus der Ostzone, namentlich aus den bäuerlichen Gegenden ununterbrochen, die Trennung und Bewachung zwischen Ost- und Westsektor überwindend, in die rettende Insel fließt.

 

Arbeit, Arbeit...

Arbeit, Arbeit ist die Losung, und eine gewisse Festigkeit, die der unsicheren, doch immerhin nicht geklärten Lage, die Ruhe eines gestählten Charakters entgegensetzt.

 

Es ist, wie gesagt, eine andere Welt, die sich hier bildet. Eine Welt, die von jener des Rheinlandes oder der süddeutschen Gegenden sehr verschieden ist, eine Welt, die abgeschlossen in sich, wie ich schon erwähnte, den deutschen Charakter reiner und entschlossener bewahrt, als viele, ihrer Schwestern, die bereits fremden Einflüssen allmählich erliegen. Ein großes, ein furchtbares Schicksal hat diese Stadt im Laufe der letzten Jahre heimgesucht, aber in ihr, und zwar im geringsten und kleinsten ihrer Bürger, der mit U- oder S-Bahn seinem Arbeitsorte zufährt, findet das schöne Dichterwort Erfüllung, dass gewaltiger als jedes Schicksal der Mensch ist, der's unerschüttert trägt.

 

Seite 3  

Berliner Filmstar aus Danzig. Mit Foto

Mit 14 Jahren zum Film - ein hoffnungsvoller Start  

Vor zwei Jahren begann der gegenwärtig bekannteste deutsche Kinderstar, Wolfgang Jansen, ein gebürtiger Danziger, in einem Märchenspiel anlässlich der Ausstellung „Deutsche Heimat im Osten". Seine Mutter stellte ihn im Hebbel-Theater vor und Walter Süßenguth dem Publikum in Kästners „Emil und die Detektive". Von diesem Zeitpunkt an begann seine Karriere. Im „Eulenspiegel" spielte er den Balladenjungen, in Brittons „Wir machen eine Oper" sang er sogar. Im Schiller-Theater spielt er jetzt - als siebente Bühnenrolle in seiner Jungen-Laufbahn - in „Peter Pan". Wolfgangs erster Film-Erfolg war „Sündige Grenze". Zusammen mit seiner Mutter stand er in „Postlagernd Turteltaube" vor der Kamera. Die nächsten Filmstationen „Der keusche Lebemann" und „Kampf der Tertia".

 

 

Seite 3   Wir gratulieren

Zum 81. Geburtstag am 1. April 1953 unseren Landsmann August Finkhäuser, früher wohnhaft in Treuburg/Ostpr., jetzt wohnhaft in Berlin-Halensee, Lietzenstr. 9.

 

Seite 3   Schmackostern, Kreuzelstecken und Osterwasser

Einigen Osterbräuchen aus dem deutschen Osten und dem deutschen Südosten haben wir nachgespürt und im folgenden Artikel zusammengestellt. Sicher sind dabei nicht alle alten Osterbräuche erwähnt. Aber uns kam es, ebenso wie zu Weihnachten mit unserem Artikel „Schöner bunter Weihnachtsteller", in dem über das heimatliche Weihnachtsgebäck berichtet wurde, darauf an, auch vor Ostern einen Streifzug durch die heimatlichen Osterbräuche zu machen und damit mitzuhelfen, sie der Vergessenheit zu entreißen.

 

Schlesische Osterbräuche

Ja, bald haben wir sie verlernt, die netten Verse vom Schmackostern. „Sommer, Sommer, Sommer, ich bin a kleener Pummer", sangen wir in Mittelschlesien und „Der Herr ist schien, die Frau ist wi a Engel" ergänzten die Größeren hinter uns. Dann gab es Brezeln, Ostereier oder Häschen.

 

In Oberschlesien war das Osterspritzen ein alter Brauch, der viel Wasser kostete. Am 1. Feiertag „betratschten" die Frauen ihre Männer nach Herzenslust, während am folgenden Tage die Männer mit dem gleichen nassen Element Revanche nahmen. Eine nasse, aber herzerquickende Angelegenheit, bei der viel und ausgelassen gelacht werden konnte!

 

Was wäre zum Schluss noch zu erwähnen. O, pardon, bald hätten wir ihn vergessen, den Osterschiaken, den man in Oberschlesien manchmal sogar den Süßigkeiten vorzog.

 

Denken wir auch dieses Jahr ein wenig an unsere alten Bräuche, damit wir sie nicht vergessen, wir brauchen sie noch!

 

Osterbräuche in den Sudeten

Im Sudetenraum waren nach den- Landschaftsgebieten die Osterbräuche" verschieden. Dennoch gab es einige, die sich im ganzen Siedlungsraum wiederholten und Allgemeingut der Volksgruppe waren. Mancher Brauch war auch über die Grenzen im ganzen deutschen Ostraum bekannt.

 

Begnügen wir uns heute mit der Aufzählung der vielen Bräuche. Das „Maisingen", am 3. Sonntag vor Ostern war den Mädchen vorbehalten. Sie bedienten sich hierbei eines einreihigen nadelgrünen Tannenwipfels, die Astenden hochgebunden und mit bunten Papierblumen und Bändern geschmückt. Dieses Bäumchen wurde zwischen den Handflächen in drehende Bewegung gesetzt, wobei die „Mälledlan“ = Mailieder gesungen wurden.

 

Das „Schmackostern", am Ostermontag, ursächlichste Angelegenheit des männlichen Geschlechtes, symbolisierte durch das Rutenpeitschen bei dem weiblichen Geschlecht das Austreiben der Krankheiten.

 

Erwähnt sei noch das „Karfreitag-Scharren", das „Osterschießen", das „Kreuzelstecken" und das „Saatreiten".

 

Ostern in Ostpreußen

Einige Wochen vor Ostern wurden Birkenreiser in Wasser gestellt, damit sie recht bald Blätter bekommen, um zu Ostern als Schmackosterruten zu dienen. Wenige Tage vor Ostern zogen Kinder und auch Erwachsene von Hof zu Hof um Eier zu sammeln, die dann abgekocht und gefärbt wurden. Früh am Ostersonntag fand dann das Schmackostern mit den Osterruten statt. Es wurde dabei tüchtig auf die Bettdecke bzw. auf die Beine geklopft und gerufen: „Ostern, schmackostern, fief Eier; stock Speck, on noch e stöck Floade, eher goeh eck nich weg!"

 

So geweckt in aller Frühe, gings dann in die Scheune, um durch die Ritzen oder Astlöcher der Bretter bei Aufgang der Sonne das Osterlamm tanzen zu sehen. Anschließend wurden die Gärten nach den Nestern des Osterhasen abgesucht, wo man den Osterhasen und Ostereier fand. Die Marjellchen holten sich aus den Gräben, Bächen, Seen oder Flüssen Osterwasser: sich damit zu waschen, sollte Schönheit bringen. Eine Osterschaukel in den Scheunen, deren Fächer zum Teil leer waren, durfte nie fehlen.

 

Auch in Danzig

Auch in Danzig gab es „Schmack-Ostera". Eine alte Sitte war auch das „Osterwassersuchen", welches besonders von der Jugend aufrechterhalten wurde. Am Ostermorgen um 4 Uhr mussten die Jugendlichen mit leerem Magen und ohne zu sprechen so lange gehen, bis eine Quelle gefunden wurde. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die „Gründonnerstag-Kringel", welche die Vorboten des nahenden Osterfestes waren

 

Seite 4  Erinnerung an die Heimat:

Die große Fahrt über Masurens Seenkette

Die Einfallpforte Masurens ist Angerburg.

Sein Waldhaus Jägerhöhe war erfreulicherweise in Deutschland so bekannt, dass es Pflicht jedes Ostpreußen war, es aufzusuchen. Der Blick von der Jägerhöhe in die lichte Weite der masurischen Landschaft war einzigartig. Der in unmittelbarer Nähe liegende Heldenfriedhof war einer der schönsten in deutschen Landen. Die große Fahrt über das Seengebiet gab unvergessliche Eindrücke.

 

Upalten

Das „masurische Helgoland", überraschte und erfreute immer wieder durch seine knorrigen Eichen, Ulmen, den ganzen Baumbestand. Der Blick über dem Laubdom auf das kleine Gasthaus mit seinem bemoosten Dach, den grünen Fensterläden prägte sich dem Besucher so ein, dass man es lieb gewann.

 

Steinort

Mit seinem alten Schloss der Lehndorffs hatte es in seinen Parkanlagen einen Eichenbestand, wie er in Deutschland seinesgleichen suchen konnte.

 

Lötzen

Das „Herz Masurens" erfreute auf den ersten Blick durch sein schmuckes Kurhaus, das.sein Besitzer nicht nur tadellos in Ordnung hielt, sondern das auch ein entzückendes Vogelhaus mit exotischen Vögeln in dem schönen Wintergarten als Sehenswürdigkeit hatte. Ein kurzer Aufenthalt genügte zum Besuch der in dem alten Ordensschloss untergebrachten vaterländischen Gedenkhalle. In wenigen Ferientagen stellte man mit Freude fest, dass die gärtnerischen Anlagen in der Nähe des Kurhauses, der entzückenden Jugendherberge und der Badeanstalt den Vergleich mit den Kuranlagen berühmterer Badeorte aufnehmen konnten.

 

Nikolaiken

bot uns ein Landschaftsbild besonderer Art. Es war die Stadt der Maränen und des zu einer gewissen Berühmtheit gelangten „Stinthengstes", der, mit einer regelrechten Krone geziert, hier im Wasser vor Anker lag. - Seine einzig wahre Geschichte (!) erfuhr man von dem Führer des schmucken Motorbootes „Angerburg" hach einem „großen Kurfürsten" (einen kleineren gab es bekanntlich nicht), wie dieser freundwillige Masure auch sonst gern den ortskundigen Führer spielte.

 

Rudczanny

Von der Anlegestelle führten 16 und 40 und 32 Stufen, unterbrochen von kleinen schiefen Ebenen, zu dem auf der Anhöhe liegenden Neubau. Er war schmuck- und sachlich eingerichtet und genügte selbst verwöhntesten Ansprüchen. Ging der Blick von Jägerhöhe in die Weite der Landschaft und verschaffte bei Sonnenschein eine gewisse Freiheit und Fröhlichkeit, so löste hier der durch die bewaldeten Ufer begrenzte Blick auf den Niedersee und seine .kleine Insel andere Gefühle aus. Die Ruhe und Abgeschiedenheit in dem gewaltigen Waldgebiet, fern von dem großen Getriebe der unruhvollen Welt, verschafften in kurzen Ferientagen eine gewisse Festigkeit, die Schwere der Zeit überwinden zu wollen.

 

Zum Cruttinnafluß

Die Verbindung von Rudczanny nach Cruttinnen war so günstig, dass man die Cruttinna auf jeden Fall besuchen musste, um auf ihr eine Fahrt zu machen. In kurzer Bahnfahrt wurde die Waldstation Cruttinnen erreicht, ein Bootsführer stand bereit und übernahm die Führung zum Bootsanlegeplatz Murawa. Die Cruttinna kam vom Cruttinna-See und floss verhältnismäßig rasch dem Beldahn-See zu. Die Bootsfahrt auf dem flachen 20 bis 40 Meter breiten Gewässer verschaffte einen der schönsten Eindrücke, die Ostpreußen zu bieten hatte. Spiegelblank war das Wasser, es war so, als ob es für die Besucher besonders gereinigt worden war. Die Talfahrt dauerte eine halbe Stunde und erinnerte an eine erheblich berühmtere Fahrt auf der Donau vom Kloster Weltenburg bis zur Befreiungshalle bei Kehlheim. Zwängen sich dort die hellgrünen, blauen Wasser des zweitgrößten europäischen Stromes zwischen hohen Felswänden hindurch, so fließen die Wasser der Cruttinna unter einem fast geschlossenen Laubdach dahin und zaubern an jeder Windung neue Bilder hervor.

 

Seite 4   Bundestreffen der Pillkaller in Berlin. Tag der Heimat muss Nationalfeiertag werden

Am 14. Und 15. März begingen die Heimatvertriebenen des Kreises Pillkallen innerhalb der Landsmannschaft Ostpreußen das Bundesheimattreffen erstmalig in Berlin. Es dürfte der erste ostpreußische Heimatkreis sein, der die Initiative aufgebracht hat, ein Bundesheimattreffen in der Frontstadt Berlin durchzuführen. Die Vorbereitungen lagen in Händen des Kreisbetreuers Ernst Lukat und waren nicht ganz leicht, da vorerst einmal eine ganze Reihe von Schwierigkeiten überwunden werden mussten, die von technischer Art waren. Schließlich war es so weit, am 14. März die Gäste aus dem Bundesgebiet willkommen zu heißen. Zu ihrem Sprecher hatte sich in erster Linie Landsmann Schmidt aus Sulingen/Hann, gemacht, der zugleich den Auftrag hatte, alle heimatvertriebenen Pillkaller, soweit sie nicht selber herkommen konnten, auf dem Treffen zu vertreten.

 

Das erste Sich-kennen-lernen erfolgte auf dem Begrüßungsabend am Sonnabend, dem 14. März. Zunächst gab es ein Wiedersehen und Wiederfinden von Tisch zu Tisch. Tränen der Freude, gab es hierbei da und dort, sonderlich unter den Alten. Dass aber auch Jungen und Mädel, die heute 15 und 16 sind und „damals", als wir aus der Heimat vertrieben wurden, 7 und 8 Jahre alt waren, diese Wiedersehensfreude frisch und fröhlich teilten, mag nicht jedermann aufgefallen sein. Denn der Saal hatte sich bald derart gefüllt, dass die große Familie der Pillkaller ihn bis zum letzten Platz besetzt hielt. Eine Kapelle leitete den Begrüßungsabend mit netten und flotten Weisen ein.

 

Nach dem gemeinsam gesungenen Bundeslied: „Heimat dich zu grüßen sind vereint wir hier", von Erich Schattkowsky begrüßte Kreisbetreuer Ernst Lukat die Gäste und Mitglieder, insbesondere unsere Landsleute, die aus der sowjetischen Besatzungszone und aus dem Ostsektor zu uns gekommen waren. Für sie ist die Teilnahme an heimatlichen Veranstaltungen der einzige Lichtblick und gibt ihnen Kraft und Hoffnung in ihrem so gequälten Dasein. Der erste Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Hans Matthee, überbrachte die Grüße der Landsmannschaft. Die anwesenden Kreisvertreter wünschten der Tagung einen guten Verlauf. In Vertretung aller Pillkaller aus dem Bundesgebiet sprach anschließend Landsmann Schmidt aus Sulingen. Es habe ihn mit großer Ergriffenheit erfüllt, erklärte er, Männer und Frauen nach 7 und 8 Jahren wiederzusehen, von denen man kaum vom Hörensagen wusste, ob sie leben. Wo Ostpreuße, zusammen sind, herrscht trotz aller Schwere der Zeit zu gegebener Stunde auch immer wieder der Frohsinn. Ein buntes Programm mit Klängen, Liedern und Dichtung der Heimat, wobei die Dialektreimerei ganz besonders gepflegt wurde, entwickelte sich sodann durch etliche Stunden. Starken Beifall fanden die humoristischen Vorträge einer heimattreuen Landsmännin, Frau Ambrasas, in originell ostpreußischer Mundart. Alle fühlten sich im engsten Familienkreis verbunden, und waren umgeben vom Bann herzlicher Freundschaft, wobei auch einige „Pillkaller", das Nationalgetränk, zu trinken nicht vergessen wurde, und als alle in bester Stimmung waren, drehten sich schließlich Jung und Alt in frohem Kreise zum Tanz. So nahm der Abend bei stimmungsvoller Unterhaltung einen harmonischen Verlauf.

 

Am Sonntag um 14 Uhr fanden sich über 450 Teilnehmer im Volkshaus Tiergarten ein. Der Festsaal war mit der Fahne Her Landsmannschaft Ostpreußen und den ostpreußischen Bannern mit Elchschaufel und dem Ritterschild geschmückt. Auch für diesen Tag war ein wahres Festprogramm aufgestellt. Nun sah man erst einmal, wie groß die Gruppe der Pillkaller in Westberlin ist, wobei sich bereits als ortsüblich herausgestellt hat, dass auch zahlreiche Bewohner des Ostsektors und aus der Zone mit Einschluss der als zum zweiten Mal Vertriebenen, der Flüchtlinge, zugegen waren, um Stunden gemeinsamer Festlichkeit und kulturellen Charakters an sich vorübergehen zu lassen. Mit dem Gesang eines Frauenchors und einem Vorspruch begann die Feier. Kreisbetreuer Ernst Lukat hieß alle Erschienenen herzlich willkommen und gedachte in schlichten, bewegten Worten der Toten und Verschleppten und noch gefangen Gehaltenen, während die Weise vom guten Kameraden ertönte. In dem Mittelpunkt der Hauptveranstaltung des Treffens an diesem Tage stand die Ansprache des Landsmannes Schmidt aus der Bundesrepublik. In einer groß angelegten Rede gedachte der Sprecher der alten, zurückgelassenen Heimat, ihrer herben Schönheit und ihres unvergessenen Reichtums. Wenn Pillkallen auch nur eine kleine bescheidene Stadt war, so hatte sie doch gerade angesichts ihrer grenznahen Lage eine besondere Bedeutung zu erfüllen. Zurückgeblieben ist kein einziger; die Stadt Pillkallen ist heute leer. Als die russische Kriegswalze die ersten Vorboten des Schreckens in die nördlichsten Bezirke rollen ließ, wurden die Bewohner zu dem schrecklichen Leidensweg gezwungen, wobei der Redner seinen eigenen Fluchtweg kurz schilderte. Er gab einen umfassenden Bericht über den Aufbau des Kreises und der Entstehung und Arbeit der Landsmannschaften. Er wies auf die mit viel Mühe von Landsmann Fernitz, Lüneburg, aufgebaute Kreiskartei hin, die z. Z. 8000 Anschriften umfasst; multipliziert man diese Zähl mit 4, so kommen 32 000 Seelen zusammen. Mithin ist auf diesem Gebiet ein großes Stück Arbeit geleistet. Ferner berichtete er über die Päckchenaktion nach der Mittelzone.

 

Ein schöner Beweis dafür, dass das Band der Verbundenheit mit den schwergeprüften Landsleuten aufrechterhalten wird. Den stärksten Eindruck, den die sehr fesselnden Ausführungen von Landsmann Schmidt aber hinterließen, war der Augenblick, in dem er die Forderung aufstellte und vertrat, dass „Der Tag der Heimat", den die Vertriebenen bisher als den Gedenktag ihrer unverbrüchlichen Treue zur Heimat begingen, fortan zum „Nationalen Feiertag" erhoben werden müsse. Spontaner Beifall folgte diesen Worten und ihrer Begründung. Sie wurde damit gegeben, dass nicht nur die Heimatvertriebenen das Land im Osten (wenn auch nur vorübergehend) verloren haben, sondern das ganze deutsche Volk. Deshalb muss es das gesamte deutsche Volk zurückfordern, um über den Gedanken der deutschen Gemeinschaft hinaus dem europäischen Gedanken zu dienen. Denn erst die gesamtdeutsche Wiedervereinigung sichert der Welt den Frieden. Am Schluss seiner Rede sangen die Versammelten das Deutschlandlied. Die Stunden des Pillkaller Treffens im „Volkshaus" hatten auch ihren kulturellen Höhepunkt. Fräulein Bürkner, Tochter des früheren Generals Bürkner, Königsberg, sang Heimat- und Ostpreußenlieder, die Schulrat E. Schattkowsky verfasst und vertont hatte und persönlich am Flügel begleitete. Ein Frauenchor der Westpreußen erweiterte das Programm mit wohlabgestimmten Heimatliedern. Lebhaften Beifall, erntete Fräulein Gisela Fechner, die beiden Scherwats (Mundharmonikasolisten), Herr Götz, sowie Herr Meyer-Waldeck. Bilddokumentarisch unterstrich die Ausführungen des Landsmannes Schmidt ein durch 100 Bilder begleitender Vortrag. Das erste Bild zeigte eine Luftaufnahme der Kreisstadt Pillkallen. Vom Bahnhof ging es zur Friedrich-Wilhelm-Schule, Schirwindter Straße und nach dem Marktplatz mit der Kirche bis hinein zum Altarraum. Die Reise ging weiter durch den Kreis Pillkallen zur Stadt Schirwindt und Haselberg. Beim Anblick schöner Landschaften, den edlen Trakehner Pferden mit ihren Reitern, sowie Jagdschlitten mit vollbesetzten Jägern, die sich auf einer Treibjagd befanden, schlug vielen Anwesenden das Herz in der Brust höher, in dem Gedanken, wie war das alles einstmals schön in unserer Heimat! Flotte Weisen sorgten für gehobene Stimmung. Ein Tänzchen und die Polonäse durften auch nicht fehlen; so wie es früher war in unserem geliebten Pillkallen. Es ist nur zu wünschen, dass häufiger solche Bundesheimattreffen in Berlin durchgeführt werden. Möge auch dieses Pillkaller Großtreffen ein Bekenntnis zur Wiedervereinigung Deutschlands abgelegt haben.

 

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