Ostpreußen Nachrichten, Folge 01 vom Januar 1953

Ostpreußen Nachrichten
Folge 01 vom Januar 1953
 
Seite 1   Vertriebene sind die treuesten Bundesgenossen
Von Karl Brammer, Leiter der Presse und Informationsstelle Berlin des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen
Der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser hat das Weihnachtsfest 1952 in Berlin im Kreise der Flüchtlinge aus der Sowjetzone verlebt. Er hat, sieben Jahre nach dem Kriege, mit tiefer Erschütterung festgestellt, dass das Weihnachtswort vom Frieden auf Erden gerade bei diesen Menschen noch immer keine Erfüllung gefunden hat. Für ihn, der insbesondere die Verantwortung für die Menschen in der Zone übernommen hat, ist dieses Weihnachtserlebnis doppelt schmerzlich gewesen, weil Jakob Kaiser ja in gewissem Sinne ein Schicksalsgefährte dieser Flüchtlinge ist. Es sind fünf Jahre verflossen, dass ihm die Männer der sowjetischen Besatzungsmacht die Möglichkeit nahmen, vor den Menschen in der Zone zu sprechen. Auch wenn Jakob Kaiser nicht unmittelbar unter den Menschen der Zone weilen konnte, so hat er doch in Wort und Schrift die Verbindung mit ihnen aufrechterhalten und es war für ihn ein trauriges Wiedersehen, jetzt unter den Flüchtlingen so manchem in die Augen blicken zu müssen, der einst mit ihm die gleichen Hoffnungen auf Freiheit und Einheit hegte.
 
Seite 1   Ziel bleibt die deutsche Einheit
So schwer das Leben dieser Flüchtlinge auch ist, so darf darüber das große Ziel der Bundesregierung, das große Ziel aller Deutschen nicht vergessen werden, das Ziel der Wiedervereinigung in Freiheit. Und in diesen Tagen des Jahreswechsels hat gerade der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, den man vielleicht den Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen nennen sollte, wiederholt daran erinnert, dass die Zukunft nicht rosig aussieht. Sie ist vielmehr, was die Einheit Deutschlands angeht, grau in grau. Aber auch wenn dem so ist, wenn auch heute kein festes Datum für die Wiedervereinigung genannt werden kann, so ist die Dringlichkeit der Aufgabe doch nicht geringer geworden und sie muss mit umso größerer Energie angepackt werden.
 
Am schwersten sind vom Flüchtlingsschicksal wohl die Bauern in der Sowjetzone betroffen worden. Eine große Anzahl von Männern und Frauen, in deren Mitte der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in diesen Tagen weilte, saßen vor einem Jahr noch auf ihren Höfen. Sie haben in sieben Jahren mit letzter Anstrengung ihre Wirtschaft wieder in Ordnung gebracht. Die Altbauern haben in zäher Arbeit dem Boden die Frucht abgerungen, die Neubauern haben sich mit gleicher Zähigkeit eine neue Existenz schaffen wollen. Man hat ihnen nur immer neue und immer schwerere Verpflichtungen auferlegt und zum Schluss hat man den Druck auf das mitteldeutsche Bauerntum so verstärkt, dass diese unglücklichen Menschen einfach nicht mehr weiter konnten. Man muss wissen, wie der Bauer an seinem Hof hängt, wenn man das Schicksal ermessen will, dass sie jetzt heimatlos wurden. Sie wären nicht geflohen, wenn ihnen etwas anderes übriggeblieben wäre, aber wir wissen, dass viele hunderte von Bauern aus der Sowjetzone in den Gefängnissen schmachten, weil sie den ihnen auferlegten Verpflichtungen einfach nicht nachkommen konnten. Wir wissen auch, dass man in diesem Jahr nach sowjetischem Muster Volkspolizisten und SED-Funktionäre auf die Höfe geschickt hat, um Getreide und Vieh mit Gewalt aus den Scheunen und Ställen zu holen. Dazu kam die Sowjetisierung, die sich auf dem Lande durch die Einführung des Kolchossystems auswirkte. Man hat nicht vom Kolchossystern gesprochen, nein, beileibe nicht, sondern man nannte das die Schaffung der Produktionsgenossenschaften. In Wirklichkeit hat man genau nach dem sowjetischen System verfahren. Man ist dabei, genau wie in der Sowjetunion, einen Kampf gegen die Bauern zu führen und man macht dabei nicht einmal einen Unterschied zwischen den Altbauern und denjenigen Neubauern, die nicht bereit sind, in die Produktionsgenossenschaften einzutreten. Es ist eine traurige Bilanz, die das sowjetzonale Ministerium für Land- und Forstwirtschaft selbst hat aufstellen müssen und diese Bilanz mündet in der Feststellung, dass am Jahresende 8 845 Neubauernstellen mit 77 340 ha nicht besetzt sind. Dazu kommt noch das wüste Land, das überhaupt nicht bestellt wurde, dazu kommt weiter das Land der Bauern, die in diesem Jahr geflüchtet sind, so dass man, sehr gering gerechnet, mit herrenlosen, unbestellten Flächen in der Größe von mindestens 250 000 ha rechnen muss. Schlimmer aber noch als die Produktionszahlen sind die Zahlen über die Menschenschicksale. Bis Jahresende haben mehr als 6000 aus der Landwirtschaft stammende Menschen die Sowjetzone verlassen. Das ist eine Zahl, die deutlicher als alles andere das Terrorregime beweist.
 
Wenn man von diesem Schicksal spricht, so muss man hinzufügen, dass es gerade unter den Neubauern tausende und abertausende gibt, die vom Schicksal doppelt geschlagen wurden. Man hat sie aus ihrer alten Heimat, aus Ostpreußen und aus Schlesien und aus allen anderen Gebieten östlich der Oder und Neiße vertrieben. Sie sollten dann die Segnungen der sogenannten Bodenreform genießen. Man hat sie stattdessen zu Sklaven des Bodens gemacht. Aber diese Heimatvertriebenen haben zum mindesten geglaubt, sich eine neue Heimat schaffen zu können. Nun weilen viele von ihnen in den Flüchtlingslagern in Berlin und haben zum zweiten Mal die Heimat und die Zukunft verloren. Wer kann ermessen, wie diesen Menschen zumute ist! Das können am besten vielleicht nur die Heimatvertriebenen selbst, und sie wissen auch, dass alles getan werden muss, um diese Menschen der Verzweiflung zu entreißen, um ihnen Hilfe und Trost zu bringen. Im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen wird die große, aber auch schwere Aufgabe erkannt, und es geht nun darum, Bundesgenossen zu finden, die mithelfen. Und die treuesten Bundesgenossen sind die Heimatvertriebenen. Sie haben selbst größte Not gelitten; aber ihre Herzen sind nicht verhärtet. Nicht nur, dass sie organisatorische Hilfe bringen, nein, sie haben die menschliche Notwendigkeit der Hilfe erkannt, und das ist vielleicht noch mehr. Und über das Menschliche hinaus sind die Heimatvertriebenen auch in der politischen Vorrangstellung, denn sie halten den Weg zum Osten, den Weg zur alten Heimat offen. Die Heimatvertriebenen haben niemals abseits gestanden, wenn es um die Wiedervereinigung Deutschlands und um gesamtdeutsche Probleme und Sorgen ging. Gerade in Berlin wurde immer mit letzter Klarheit ausgesprochen, dass der Weg zurück in die ostdeutsche Heimat über die Befreiung der Sowjetzone vom kommunistischen Regime führt.
 
Der Bundesminister Jakob Kaiser hat in diesen letzten Tagen des alten Jahres mit eigenen Augen die Sorgen der Flüchtlinge gesehen, es sind, wie gesagt, gesamtdeutsche Sorgen, denn es ist nur zu genau bekannt, dass diese Flucht von den sowjetzonalen Machthabern erstrebt wird, um völlig freie Hand für die Sowjetisierung zu bekommen. Weil das aber so ist, deshalb müssen Mittel und Wege gesucht werden, um diese terroristischen Absichten scheitern zu lassen. Es kommt alles darauf an, den Menschen in der Zone im neuen Jahr Kraft, Mut und Hoffnung zu geben, dass sie trotz aller Widrigkeiten ausharren. Denn wir wissen, dass der Geist nicht getötet werden kann, und dass trotz alledem in der Sowjetzone der Wille zur Freiheit noch gewachsen ist und weiter wachsen wird bis zu dem Tage, an dem die deutsche Einheit uns alle wieder verbindet.
 
Seite 1   Viel liegt noch vor uns. Von Dr. Alfred Rojek, MdA, 1. Vorsitzender des BLV
Jahr um Jahr verstreicht seit der Vertreibung aus unserer unvergesslichen Heimat. Zum achten Mal begingen die Heimatvertriebenen das Weihnachtsfest fern der Heimat.
 
Nach 7 Jahren befinden wir uns aber noch in der Rolle von Menschen, die, obwohl vom Schicksal schwer getroffen, da sie ohne ihr Zutun und Verschulden Hab und Gut und die Heimat verloren haben, noch heute nach Recht und Gerechtigkeit rufen und danach streben müssen, dass man ihnen das gewährt, was ihnen nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit gebührt. Denn mögen die bisherigen Erfolge auf der Ebene des Vertriebenensektors noch so erheblich und bedeutend sein, den gerechten und sozialen Ausgleich haben sie den Heimatvertriebenen nicht gebracht.
 
Es erscheint natürlich, dass die Menschen gerade um die Jahreswende Rückschau halten. In solchen Stunden der Besinnung werden die Heimatvertriebenen prüfen, ob ihnen im vergangenen Jahr Recht geworden ist, aber auch, - ob von ihnen alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen und die vorhandenen Möglichkeiten erschöpft worden sind, um eine Besserung ihrer Lage herbeizuführen.
 
Ist den Heimatvertriebenen im vergangenen Jahr Recht geworden?
 
Zwar ist endlich ein Lastenausgleichsgesetz rechtswirksam geworden. Dieses Gesetz wird aber von den Heimatvertriebenen keineswegs als ein endgültiges Lastenausgleichsgesetz gewertet; es wird seinem Namen nicht gerecht und bringt in Wirklichkeit nicht den Ausgleich der Lasten.
 
Dieses Gesetz wird nur als erster Schritt zur Verwirklichung der erwarteten wahrhaft sozialen Eingliederung der Heimatvertriebenen gewertet. Alle Kraft ist daher daran zu setzen, die im Gesetz vorhandenen Mängel in nächster Zukunft zu beseitigen und immer wieder Verbesserungen hineinzubringen, um es allmählich zur gesetzlichen Grundlage für eine gerechte Verteilung der Lasten zu machen, also zu einem wahren, wirklichen Lastenausgleichsgesetz.
 
Sind aber auch von den Heimatvertriebenen alle Voraussetzungen geschaffen und die vorhandenen Möglichkeiten erschöpft worden? Jeder objektiv Denkende muss anerkennen, dass vielem Unverständnis zum Trotz nach Überwindung überaus größter Schwierigkeiten Erfolge von großer und grundsätzlicher Bedeutung für die Heimatvertriebenen erreicht worden sind.
 
Es hätte aber mehr erreicht werden können im Lastenausgleich, im außen- und innerpolitischen Vertriebenenbereich und auch in den sonstigen gemeinsamen Grundsatzfragen, wenn alle Heimatvertriebenen zu den Organisationen gehalten und die Organisationen sich in diesen lebenswichtigen Fragen über ihre Ziele verständigt und sie auf allen Wegen gemeinsam angestrebt hätten.
 
Aus der Vergangenheit haben wir gelernt. Wir alle begrüßen die getroffenen Vereinbarungen der heimatvertriebenen Organisationen aufrichtig, die zum Ziele die Gründung einer einzigen Spitzenorganisation aller Heimatvertriebenen haben, nämlich die Gründung des Bundes der vertriebenen Deutschen.
 
Ein gemeinsames Erlebnis, besonders in Not und Unglück, schmiedet die Menschen in einer Gemeinschaft zusammen. Gibt es denn ein größeres, den ganzen Menschen erfassendes Erlebnis als die gemeinsame Vertreibung? Das Gedenken an die gemeinsame Not in Vergangenheit und Gegenwart dürfte ein gutes Fundament für nur eine geschlossene Organisation aller Heimatvertriebenen sein.
 
Einigkeit macht stark. Einigkeit und Stärke brauchen die Heimatvertriebenen, denn noch müssen wichtige, vielleicht sogar die eigentliche Entscheidung von und für die Heimatvertriebenen getroffen werden.
 
Die Berliner Heimatvertriebenen sind jetzt nicht nur als Schicksalsverbundene an dieser Entwicklung interessiert; denn sie werden von den Geschehnissen in der Bundesrepublik nunmehr selbst betroffen.
 
Was sehen wir in Berlin bei einem Rückblick in die Vergangenheit?
 
Mit Recht haben die über 150 000 Heimatvertriebenen in Berlin eine große Ungerechtigkeit darin gefunden, dass sie aus politischen und rechtlichen Gründen jahrelang von den Vorteilen der Heimatvertriebenengesetze, wie sie in der Bundesrepublik wirksam waren, ausgeschlossen waren. Auf allen möglichen Gebieten sollte und wurde Berlin seinerzeit als zwölftes Land anerkannt und allmählich auch den anderen deutschen Ländern gleichgestellt, nur nicht im Vertriebenenbereich.
 
Die bestehende Härte zu beseitigen und die baldige Gleichstellung der Heimatvertriebenen zu erlangen, war das Hauptziel, das der Landesverband seiner Arbeit von vornherein gesteckt hat. Was heute so selbstverständlich ist, schien zu damaliger Zeit kaum erreichbar. Man denke daran, welche Mühe es noch Ende des Jahres 1949, also vor nicht allzu langer Zeit, gekostet hat, damit in Berlin das Vorhandensein eines Heimatvertriebenenproblems überhaupt anerkannt wurde. Schritt um Schritt wurde gemacht; von Jahr zu Jahr gewannen wir mehr an Boden. Den Beginn der Erfolge dieser Arbeit sehen wir im vergangenen Jahr in der Berliner Hausrathüfe und in der Kreditaktion für Heimatvertriebene und Flüchtlinge.
 
Der eigentliche Hauptzweck unserer Arbeit, nämlich die volle Gleichstellung, ist im abgelaufenen Jahr endlich Wirklichkeit geworden. In Zukunft gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Heimatvertriebene in Berlin und der Bundesrepublik. Alle Gesetze auf dem Heimatvertriebenensektor verpflichten auch in Berlin.
 
Die Berliner Heimatvertriebenen haben ihre volle Gleichstellung erreicht. In Zukunft wollen wir in gemeinsamer Front mit unseren Brüdern und Schwestern in der Bundesrepublik weiter für Recht und Gerechtigkeit eintreten. In diesem Bestreben fühlen wir uns verbunden mit unseren Brüdern und Schwestern in den sowjetisch besetzten deutschen Gebieten; denn der Erfolg unserer Arbeit wird auch ihnen zuteilwerden in einem, hoffentlich recht bald, in Freiheit geeinten deutschen Vaterlande.
 
Seite 2   Senatsvertreter sprachen vor Vertriebenen
„Müssen die Heimatvertriebenen von den Behörden schlechter behandelt werden?" war das Thema des Dritten öffentlichen Forums der Vertriebenen, das am 15. Dezember im großen Sitzungssaal des „Hauses der ostdeutschen Heimat" stattfand. 18 Redner schilderten in der Diskussion ihre Erfahrungen im Umgang mit den Behörden. Zu diesem Forum waren der Leiter der Abteilung IV des Senats für Sozialwesen, Seipold und der Leiter des Referates C der Abteilung IV, Herr Zeise, erschienen.
 
Der Sozialreferent des BLV, Ernst Mertin, schilderte als erster Redner die Situation der Heimatvertriebenen In Berlin 1945. Der Heimatvertriebene sei sofort Berliner Bürger mit allen Rechten und Pflichten geworden. Trotzdem seien bei den Behörden Hindernisse zu überwinden gewesen, da dort das Heimatvertriebenenproblem überhaupt nicht erkannt worden sei.
 
Dann seien in Berlin die Landsmannschaften und als Dachorganisation der Berliner Landesverband der Heimatvertriebenen gegründet worden, der sich als Fürsprecher der Heimatvertriebenen bei den Behörden eingeschaltet habe. Durch die Arbeit des BLV sei das Verhältnis zu den Behörden langsam besser geworden und heute finde der BLV, der vom Senat als Geschädigtenverband offiziell anerkannt sei, Gehör. Heute würde der Verband bereits von den einzelnen Dienststellen zu Rate gezogen und das bedeute einen großen Schritt vorwärts. Die Heimatvertriebenen, so forderte Mertin, sollten auch in Zukunft mit allen Sorgen zum BLV kommen.
 
Herr Seipold gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass er einmal direkt zu Heimatvertriebenen sprechen könne. Er wisse, dass die Heimatvertriebenen zunächst wenig Verständnis gefunden hätten. Das zeige sich besonders darin, dass es bis zum Oktober 1951 gedauert habe, bis auf Grund eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses ein Amt errichtet worden sei, das die Angelegenheiten für Vertriebene und Flüchtlinge bearbeite. Dies sei die Abteilung IV beim Senat für Sozialwesen, der die Aufgabe zufalle, alle Fragen, die die Vertriebenen und Flüchtlinge betreffen, zu koordinieren.
 
Die Vertriebenen in Berlin hätten denen in der Bundesrepublik voraus, dass sie nicht mehr in Lagern leben müssten, wie dies in Westdeutschland noch für 300 000 Heimatvertriebene der Fall sei. In Berlin werden den Heimatvertriebenen die Steuerermäßigung, sowie Fahrpreisermäßigungen für die Bundesbahn, gewährt. Die Hausratentschädigung sei im Rahmen des Lastenausgleichs gezahlt worden und die Abteilung IV habe sich bei der Kreditgewährung einschalten können.
 
Bereits jetzt würden Vorbereitungen getroffen, das Bundesvertriebenengesetz für Berlin zu übernehmen. Im Rahmen dieses Gesetzes werde der Senat die Aufgabe haben, einen Beirat im Senat für Sozialwesen zu bilden. In diesem Beirat soll der BLV Sitz und Stimme haben.
 
In der Diskussion forderte Landsmann Dietsch (Ostpreußen), die Bezirksämter müssten sich mehr Mühe geben, der Lage der Heimatvertriebenen gerecht zu werden. In der Wohnungsfrage würden die Heimatvertriebenen nicht wie die Berliner behandelt.
 
Landsmann Jahsa (Posen) erklärte, die Schwierigkeiten lägen nicht nur in der Maschinerie der Bürokratie, sondern auch in der mangelnden Ausbildung der Angestellten in den Bezirksämtern. Der Geschäftsführer der Landsmannschaft Westpreußen, Landsmann Kurt Knabe, wies auf die teilweise schlechte Behandlung der Heimatvertriebenen auf den Bezirksämtern hin. Er regte an, die Sachbearbeiter regelmäßig zu Unterrichtungen zusammenzufassen. Das Forum schloss nach zweieinhalbstündiger Diskussion mit dem Dank an die Vertreter des Senats.
 
Seite 2   Porträt des Monats. Mit Foto – Carl Lange –
Bereits 1920 hat Carl Lange die „Ostdeutschen Monatshefte für Kunst und Geistesleben" begründet, die auf dem Zeitschriftenmarkt zu einem Begriff wurden. Sie hatten schon damals die Aufgabe, eine geistige Brücke zwischen dem deutschen Mutterlande und dem abgetrennten Osten zu bauen.
 
Eigentlich ist der 57-jährige ein Berliner, am 27. Januar 1885 in Schöneberg geboren. C. Lange, der leidenschaftlich gern Tennis spielte, trug 1902 seinen ersten Tenniskampf in Zoppot aus. Der starke Eindruck, den Landschaft und Menschen auf ihn machten, wurde der Anlass dazu, dass er im nächsten Jahre in das Küsten-Artillerie-Regiment Neufahrwasser als Fahnenjunker eintrat. In der Technischen Hochschule Langfuhr und bei Kommandos in Berlin hörte er u. a. Vorlesungen über Kunst und Literatur von Matthaei, Roethe und Wölfflin. 1920, als Major a. D. aus dem Krieg kommend, gab er das Buch „Das wahre Gesicht des Kronprinzen" heraus. Er hatte mit dem Prinzen manches Tennisturnier erfolgreich bestritten. Neben der Herausgabe der „Ostdeutschen Monatshefte" galt seine kulturelle und geistige Mitarbeit der Zoppoter Walsoper und den Veranstaltungen des Marienburger Bundes.
 
Carl Lange hat sich publizistisch weiter einen Namen gemacht mit den Almanachen der „Ostdeutschen Monatshefte", den Buchreihen „Deutscher Geist" und „Geist von Potsdam" der volkstümlichen Zeitschrift und dem Kalender „Danziger Bote" und den Preußen- und den deutschen Schrifttumskalendern.
 
Schriften und Bücher über Oliva, Zoppot, Danzig und dem deutschen Osten dienten der Vertiefung der Heimatliebe. Der zweite Weltkrieg sah ihn als Standortoffizier in Marienburg, im Heeresarchiv Potsdam und beim Generalkommando in Danzig. Nach der Eroberung der Stadt wurde er innerhalb von 10 Minuten von der polnischen Miliz ausgewiesen. Nach mancherlei Irrfahrten gelangte er nach Wernigerode. Von dort siedelte er 1950 nach Bremen über, nachdem er 6 Monate Haft abgebüßt hatte, weil er sich der in der Gegend von Wernigerode lebenden Danzigerangenommen hatte.
 
Seite 3   Unsere ostdeutsche Heimat heute
Danzig mit und ohne Propaganda. Foto 1: Krantor in Danzig; Foto 2: Deutsche Frauen bei Schwerarbeit im Sudetenland
„Der Gesamteindruck von Danzig ist einfach trostlos, dreckig und verkommen. Darüber täuschen auch nicht einige Monstregebäude hinweg und auch nicht einige nette Grünanlagen. Die Marienkirche ist wieder heil, der Turm allerdings etwas primitiv instand gesetzt. Die Häuser in der Langgasse sind ziemlich alle wieder aufgebaut, und zwar getreu dem alten Stil. Aber bei keinem der Häuser waren die Fugen ausgestrichen. Es sieht schon komisch aus, wenn man die rohen Neubauten stehen sieht, die alle aus alten Steinen gemacht sind. Auffallend waren die Regenrinnen, die aus dicken Kupferrohren hergestellt sind. - Abgesehen von dem Aufbau in der Paradiesgasse, liegt der Trümmerschutt noch bergehoch. Ordentlich ausgestattete Läden habe ich keine gefunden. Alles komische Löcher, mit recht kleinen Schaufenstern, die aber alle mit mordsmäßigen Rollgittern gesichert sind (wahrscheinlich, gegen die Sonne!).
 
Auf den Wegen zur Stadt sieht man wenig von einem Aufbau. Die Werften schienen ordentlich in Betrieb zu sein. Man sagte mir, dass die dort hegenden Neubauten, im Ganzen fünf Fahrzeuge, die etwa 4000 Tonnen groß sein mögen, zur Ausrüstung nach Holland geschleppt werden. Man könne in Danzig nur den Rumpf bauen, da die maschinellen Einrichtungen in Polen nicht hergestellt werden können.
 
Die Menschen in den Straßen sahen ganz manierlich aus. Von einer Eleganz kann man aber nicht sprechen. Ein Paar Perlonstrümpfe kostet 87 Zloty, ein Paar Herrenschuhe zwischen 500 und 800 Zloty."
 
So sieht, die Wahrheit aus: „Danzig ist einfach trostlos, dreckig und verkommen". Dagegen schreibt der kommunistische Domprediger Karl Kleinschmidt in der kommunistischen „Schweriner Volkszeitung": „In Danzig ist alles wieder aufgebaut worden in den wenigen Jahren, die wieder polnische Jahre sind in dieser alten polnischen Stadt. Es war noch nicht jeder Bau vollendet.
 
Wir kommen mit einem der Bauleute ins Gespräch: „Wird hier wieder ein Bierrestaurant eingerichtet?" Er sieht uns an, als ob er fürchte, dass wir den Verstand verloren hätten: „Wir brauchen keine Bierkneipe, wir bauen Polen wieder auf!"
„Aber was hat denn der Artushof mit Polen --- ?"
Ach, da hatten wir etwas Schönes angerichtet! Er zog uns hinaus ins Freie und hielt uns vor der Fassade des Artushofes und an Hand ihrer Figuren und Bildwerke einen Vortrag über polnische Geschichte. Wir waren aufs tiefste beschämt. Das alles hatten wir nicht gewusst.
 
Und dann kam es noch einmal: „Wir schmücken uns nicht mit fremden Federn! - Hier wird nur das wieder aufgebaut, was Polen geschaffen haben in einer Zeit, da Polen diese Stadt erbauten und sie zu Polen gehörte. Glauben Sie im Ernst, dass wir die Geßlerhüte wieder aufstellen werden, die Preußen uns hier vor die Nase gesetzt hat? Diese Stadt heißt Gdansk und nicht Danzig! Wir Polen sind ihre Erbauer, und was Polen hier gebaut hat, das baut die polnische Volksrepublik so wieder auf, wie Polen es einmal geschaffen haben." - Nichts als kommunistische Propaganda!
 
Seite 3   Brief aus dem Sudetenland
Allgemein festzustellen ist, dass die Tschechen nicht mehr der fanatische Deutschenhass auszeichnet. Die Regierung in der CSR buhlt in letzter Zeit förmlich um die Sympathien der Deutschen. Im ganzen Sudetenland ist die Zeitung „Neues Deutschland" aus der Sowjetzone zu kaufen. Der Prager Rundfunk sendet täglich um 19.30 Uhr deutsche Nachrichten. Auszeichnungen deutscher Arbeiter als Aktivisten sind an der Tagesordnung. Fest steht aber auch, dass noch immer 10 000 Sudetendeutsche in den Gefängnissen, Kerkern und KZ schmachten. Die Zahl der in der Sudetenheimat und im tschechischen Gebiet zurückgehaltenen Deutschen wird auf 100 000 geschätzt.
 
Nur über den Rundfunk, an dem oft Tschechen und Deutsche gemeinsam sitzen, erfahren unsere Landsleute von uns in Deutschland. Denn nur so ist es zu verstehen, dass Sudetendeutsche in der Heimat von den „Sudetendeutschen Heimattagen in Berlin" erfuhren, und auf Umwegen durch einen Grenzgänger folgendes Schreiben aus Böhm.-Leipa an uns richteten: „Auf Umwegen sollen Euch unsere Zeilen erreichen. Wir wollen mit dabei sein, wenn Ihr Euch in Berlin versammelt. Wir grüßen Euch herzlichst. Vergesst uns nicht, wir warten auf Eure Heimkehr. Bei uns ist es nicht mehr zum Aushalten. Ein Sklavenleben, eine Hölle. Nur unsere Arbeitskraft ist gefragt. Lasst Euch von den Tschechen, die uns ins Unglück gestürzt haben und jetzt selbst ausgerissen sind, nichts erzählen. Diese Verräter haben bei unseren Tschechen, die gegen das bolschewistische Regime sind, keine Freunde. Hier spricht man viel von General' Prchala und viele Tschechen warten auf Eure Heimkehr. Seid einig, dann halten wir durch."
 
Seite 3   Reisedienst:
Hilfsbedürftigkeitsbescheinigungen für 50-prozentige Fahrpreisermäßigung auf den Linienautobussen nach Westdeutschland sind nur bei den Landsmannschaften zu beantragen.
Vorzulegen sind: der behelfsmäßige Personalausweis, der Interzonenpass bzw. die Bescheinigung über die Beantragung des Passes, eine Verdienstbescheinigung und der Ausweis für Heimatvertriebene.
 
Seite 3   Bescheinigungen für Heimatvertriebene sind bei den Landsmannschaften zu beantragen. Vorzulegen sind: der Personalausweis, die Zuzugsgenehmigung, die erste polizeiliche Anmeldung von Berlin und alle Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass der ständige Wohnsitz vor der Flucht bzw. Vertreibung in den jetzt unter fremder Verwaltung stehenden Gebieten bzw. außerhalb der deutschen Reichsgrenzen war.
 
Seite 3   Anträge auf deutsche Staatszugehörigkeit. Die Bundesregierung hat den Regierungspräsidenten von Köln beauftragt, alle Staatszugehörigkeitsfragen von Deutschen im Ausland und in den abgetrennten Gebieten unter fremder Verwaltung zu bearbeiten. Anträge auf Einbürgerung in oder Ausscheiden aus dem deutschen Staatsverband, Ausstellung von Staatszugehörigkeitsbescheinigungen und Heimatscheinen und Fragen der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit fallen ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der neuen Dienststelle beim Kölner Regierungspräsidenten. Für die Deutschen in den von den Polen verwalteten deutschen Ostgebieten hat die Beschaffung und der Nachweis ihrer deutschen Staatsangehörigkeit eine besondere Bedeutung, da die Polen die Zwangsoption betreiben, wenn der Staatsangehörigkeitsnachweis nicht binnen einer kurzen Frist erfolgen kann.
 
Seite 3   Landwirte sollen sich melden.
Sämtliche vertriebene Landwirte werden gebeten, sich bei ihrer Landsmannschaft zu melden. Folgende Angaben sind dabei notwendig: Wird in Berlin ein landwirtschaftlicher Beruf ausgeübt, in Pacht oder Eigentum? Ist der vertriebene Landwirt an einer Siedlung interessiert und welche Jugendlichen haben Interesse für die Landwirtschaft? Die Landsmannschaften stellen die Unterlagen über die vertriebenen Landwirte dem in Berlin gegründeten Ausschuss für die vertriebenen Landwirte zur Verfügung.
 
Seite 3   Lieber Leser, unser Rat! Sie brauchen Kleidung, Möbel und anderen Hausrat. In unserem Anzeigenteil bieten viele Firmen ihre Waren an. Bevorzugen Sie beim Kauf unsere Inserenten. Und sagen Sie dort, dass Sie auf die Anzeige in unserer Zeitung kommen. Der Verkäufer wird sich freuen und uns weitere Inserate geben. Und diese brauchen wir. Wir können dann unser Blatt umfangreicher erscheinen lassen.
 
Seite 5   Jeder Landsmann kann helfen. Sammelt unser ostdeutsches Kulturgut.
Es wird viel von der deutschen Kultur des Ostens gesprochen. Und wir Heimatvertriebenen sind stolz darauf, dass unsere Heimat im Laufe der Jahrhunderte eine Fülle solchen Kulturgutes hervorgebracht hat, das sich zweifellos befruchtend auf unser ganzes deutsches Vaterland auswirken konnte. Aber wo ist es geblieben? Unendlich viel ist in dem Chaos des Jahres 1945 verloren gegangen, und mühsam müssen wir jetzt die Reste wieder zusammentragen.
 
Als z. B. die ostpreußische Stadt Zinten in diesem Jahre ihr 700-jähriges Jubiläum feierte, war es nicht möglich, in ganz Deutschland ein Bild dieser Stadt aufzutreiben. Erst nach endlosem Suchen gelang es, eine kleine Zeichnung der Stadtsilhouette zu finden. Genau so schwierig war es, hier in Berlin eine alte Karte von Westpreußen mit den Grenzen von 1914 zu beschaffen. Auch das alte westpreußische Wappen wurde erst mit vieler Mühe bei einem Heraldiker gefunden.
 
Diese Beispiele zeigen, wie dringend notwendig es ist, von dem verschütteten Kulturgut unserer Heimat so viel wie möglich wiederaufzufinden, alle die Quellen ausfindig zu machen, wo noch Erinnerungen lebendig sind, und alles zusammenzutragen, damit es vor der Vergessenheit gerettet und für eine bessere Zukunft erhalten wird.
 
Dem Vergessen entrissen. So tauchte kürzlich nach Jahren einer abenteuerlichen Irrfahrt Danzigs Gästebuch (siehe Bild) wieder auf. An anderer Stelle wurden vier alte Jahrgänge der „Danziger Neuesten Nachrichten" (1914 - 1918) entdeckt. Einige Lehrerinnen aus dem Osten konnten von ihrer früheren Tätigkeit her aus dem Gedächtnis ostdeutsche Krippenspiele hersagen, die nun aufgezeichnet und neu zusammengestellt werden. Gerade die vielen Heimatbräuche aus den Festzeiten, die dabei immer wieder verwendeten alten Trachten sind es wert, dass sie erhalten bleiben. Wir haben in Berlin schon eine schlesische, eine sudetendeutsche und eine siebenbürgische Trachtengruppe. Aber es gibt sicherlich noch vieles in dieser Art, was aus dem Schoß der Vergessenheit wieder hervorgeholt werden kann. Es ist also sehr wohl möglich, noch so manches dem Schicksal des endgültigen Verlustes zu entreißen. Aber eines ist dazu notwendig: alle müssen mithelfen! Jeder Heimatvertriebene sollte sich überlegen, ob er nicht irgendwo noch alte Erinnerungen aufbewahrt hat, ob nicht in seinem Gedächtnis noch Kenntnisse von altem Brauchtum aus der Heimat haften geblieben sind.
 
Was alles gebraucht wird. Im „Haus der ostdeutschen Heimat" wird jetzt der Versuch unternommen, Nachrichten- und Erinnerungsmaterial, Bilder und Ansichtskarten zu sammeln. Bisher sind schon rund 3000 Bildpostkarten aus den verschiedensten Landschaften und Städten unserer Heimat zusammengekommen. Aber das ist nur ein Anfang. Es wird alles gebraucht. Historische Darstellungen, alte Reiseprospekte, Darstellungen über Landschaften, alte Heimatliteratur, alte Zeitungen, Briefe, Landkarten usw. Es gibt zweifellos noch unendlich viel davon in Privatbesitz. Man muss nur einmal suchen, es aus Kisten und Kasten hervorholen; ja - und dann natürlich auch zur Verfügung stellen! Es ist nichts so unbedeutend, als dass es nicht für die Erhaltung unserer ostdeutschen Kultur doch noch in irgendeiner Form Verwendung finden könnte. Aber nicht nur die Vergangenheit interessiert uns. Auch die Gegenwart ist wichtig - gerade im Verhältnis zur Vergangenheit. Briefe, die auch heute noch aus der alten Heimat kommen, enthalten oft neben rein persönlichen Mittellungen auch Nachrichten über die heutigen Verhältnisse jenseits von Oder und Neiße. Auch diese Nachrichten müssen zusammengetragen werden, weil sie in ihrer Gesamtheit ein abgerundetes Bild über die gegenwärtige Lage in den deutschen Ostprovinzen zu vermitteln mögen. Wer also solche Nachrichten zur Verfügung stellt - die Briefe werden selbstverständlich zurückgegeben, ohne dass die persönlichen Dinge verwertet werden - der hilft ebenfalls mit und liefert einen Baustein zu einem Archiv, das für alle Heimatvertriebenen und für unsere Heimat einmal von größter Bedeutung werden kann.
 
Wir Heimatvertriebenen haben uns doch nicht nur deshalb zusammengeschlossen, um unsere wirtschaftlichen und sozialen Interessen besser vertreten zu können. Wir wollen in erster Linie doch den Kampf um die Rückgewinnung unserer alten Heimat führen. Eines Tages werden wir aufgefordert werden, Unterlagen über den deutschen Osten vorzulegen. Wir wissen, dass der deutsche Osten seit Jahrhunderten deutsch war. Aber das Ausland, das einmal mit über das endgültige Schicksal unserer Heimat und über die Grenzen Im Osten befinden und entscheiden wird, weiß es nicht Immer. Und - bedauerlicherweise - auch der nichtvertriebene Teil des deutschen Volkes weiß das vielfach nicht. Wie sollen wir ihnen die Probleme der Heimatvertriebenen und des deutschen Ostens nahebringen, wenn wir nicht selbst das Material darüber zur Verfügung stellen können. Welcher  Mangel ist es z. B., wenn man Zeitungen, die für den deutschen Osten aufgeschlossen sind, und die etwas darüber veröffentlichen wollen, nicht das notwendige Material geben kann. Hier bietet sich also für jeden Heimatvertriebenen noch ein weites Feld der Betätigung im Interesse unserer Heimat und im Interesse der Erhaltung ihrer alten Kultur. Wenn wir Mosaiksteinchen an Mosaiksteinchen fügen, wenn wir alle bemüht sind, das noch irgendwo vorhandene Kulturgut zu erhalten und zu pflegen, dann werden wir praktische Arbeit für die Rückgewinnung unserer Heimat leisten.
 
Seite 5   Danzigs Gästebuch gefunden. Foto: Geschäftsführer Lehmann mit dem Danziger Gästebuch. Foto: Toldrian
Das Danziger Gästebuch, das jahrelang im Rathaus der Freien Stadt Danzig seinen Platz hatte, ist wieder aufgefunden worden. 1945, in den Wirren Zeiten der Flucht, von einem Danziger westwärts mitgenommen, ging es in der Sowjetzone verloren. Bei Restaurierungsarbeiten in einer Dorfkirche in der Sowjetzone fand ein Bauarbeiter unter den im Kirchturm verborgenen alten Kirchenbüchern auch das Gästebuch. Die Inhaltsseiten sind wahrscheinlich von den Sowjets in alle Winde zerstreut worden. Aber der Einband war da. Der Bauarbeiter brachte das Buch nach Berlin. Die Danziger Landsmannschaft hat es jetzt neu binden lassen und wird das wertvolle Andenken an die Freie Hansestadt dem Senat der Freien Stadt Danzig in Lübeck übergeben.
 
Seite 6   Das Jahr 1952 im Kreis Saniland - Labiau
Die Kreisbetreuerin des Heimatkreises Samland-Labiau, Frau Madalinski hat uns aus dem Leben ihres Heimatkreises im Jahre 1952 einen kleinen Bericht gesandt, den wir gerne veröffentlichen. Auch alle anderen Heimatkreisbetreuer sind aufgefordert, uns aus ihren Heimatkreisen ebenfalls Berichte zu senden.
Am 29. November hatte der Kreis Samland-Labiau eine vorweihnachtliche Feierstunde. Die erregten Wogen der ostzonalen Politik schlugen auch bis in unsere Gemeinschaft hinein. Unter den Männern herrschte eine seltsame Erregung. Alle taten geheimnisvoll und redeten von Überraschungen. Diese trat dann auch termingemäß ein. Um 9 Uhr betraten sonderbare, groteske Gestalten unseren Saal und sangen ein Lied, das ebenso eigenartig war, wie das Auftreten. Ein tiefer Brummton begleitete den Gesang. Es war also unser heimatliches, vorweihnachtliches Brummtopfsingen. Der Initiator dieses ostpreußischen Volksbrauches war Herr Rechtsanwalt Babendreier, ein Samländer, der am, Tag der Heimat zu seinen Schulkameraden und -Kameradinnen gestoßen war und seither keinem unserer Treffen fernbleibt. Der Brummtopf war zünftig und wich in keiner Weise von dem ab, der alljährlich in unsern ostpreußischen Dörfern und Städten von den Männern gespielt worden ist, die zur Bereicherung ihres Weihnachtstisches zu den wohlhabenden Landsleuten gingen, sangen und spielten und dafür mit gefüllten Körben heimkehrten. Auch an unsere Gebefreudigkeit wurde appelliert, denn am 28. Dezember galt es, auch bei uns Kinderhände zu füllen und manch altem Mütterchen aus unserer Schicksalsgemeinschaft eine kleine Freude zu bereiten und damit zu beweisen, dass wir keinen unserer Freunde und Landsleute vergessen.
 
Der Rest des Abends gehörte der Jugend und dem Tanz. Bevorzugt wurden die alten Tänze. Unser Pfarrer aus Germau sorgte dafür, dass unser Volksliedgut nicht in Vergessenheit geriet. Obwohl er über 70 Jahre alt ist, ließ er es sich nicht nehmen, Text und Melodie vorzusingen und riss uns alle mit seiner Begeisterung mit. Wir erinnerten uns dabei wieder an die kleinen Geschichten und Anekdoten ostpreußischer Originale, die er uns bei unsern Treffen mit viel ostpreußischem Humor erzählte. Damals war es gerade unsere schulentlassene Jugend, die mit ganz besonderem Interesse lauschte und manch alter Labiauer, Liebenfelder oder Samländer ergänzte noch aus seiner Kenntnis heraus, und als dann später der offizielle Teil unseres Treffens erledigt war, hörte ich noch eifriges Diskutieren über den einen oder anderen Großen unserer Heimat. - Über die Entstehungsgeschichte, geologisch gesehen, wurde berichtet, über Bauten, die Zeugnis von der Kultur ablegen, wurde gesprochen, den Geburtstag unseres Landsmannes Ernst Wiehert, feierten wir ganz schlicht und ließen ihn selber aus seiner „Missa sine nomine" zu uns sprechen. So soll auch unsere Arbeit im neuen Jahr weitergehen. Es ist Dienst an unserer Jugend, es ist unser aller Bedürfnis, von und über unsere Heimat zu hören und zu lernen. Und wenn auch an maßgeblicher Stelle bei Senatoren und den „Großen des Landes" kein Geld für unsere Volkstumsarbeit da ist, wir werden mit unsern eigenen schwachen Kräften Stein auf Stein legen und die Jugend immun machen gegen die Lockungen der Großstadt. Sie wird ja dereinst aufbauen müssen, was zwei extreme Regime zerstört haben. Möge Gott uns allen Kraft und Gesundheit schenken und die Beharrlichkeit, Festigkeit und Zähigkeit unseres stillen Kampfes segnen und mit Erfolg krönen. W. Madalinski
 
Seite 6   Memel gehört zu Ostpreußen
Während seines Besuches in Berlin führte der Geschäftsführer der Landsmannschaft Ostpreußen im Bundesgebiet, Werner Guillaume, Besprechungen mit der Landsmannschaft Ostpreußen in Berlin. In einer Sitzung, an der Guillaume, der Berliner Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Hans Matthee, sowie der Geschäftsführer Ernst Lukat und der Vorsitzende der Memelländer in Berlin, Reimer, teilnahmen, wurde vereinbart, dass die in Berlin lebenden Memelländer sich zur Landsmannschaft Ostpreußen zugehörig fühlen und sich nicht als eigene Landsmannschaft absplittern wollen. Guillaume besuchte ferner in Berlin mehrere Flüchtlingslager und nahm Kontakt mit ostpreußischen Landsleuten aus der sowjetischen Besatzungszone auf. Guillaume erklärte, es sei merkwürdig, dass in Westdeutschland eine Flut von Tagungen stattfindet, die laut Tagesordnung die Sorgen der sowjetzonalen Menschen zum Inhalt hätten. „Die einzige Stelle, wo solche Tagungen abgehalten werden können, ist aber Berlin."
 
Seite 6   Tilsits Entwicklung nach 1900 / 3. Bericht der ostpreußischen Stadt von E. Gaedtke
Tilsit lag am Ende des 19. Jahrhunderts im Netz guter Wasserstraßen, Bahnverbindungen und Kunststraßen. Im Jahre 1895 wurde es mit 28 200 Einwohnern Stadtkreis. In der Stadt waren 9 Dampfschneidemühlen, 4 Bierbrauereien, die ostdeutschen Hefewerke, eine moderne Mahlmühle, und andere bedeutende Gewerbebetriebe entstanden. Und im Jahr 1898 konnte auf der Mühleninsel die Zellstoff-Fabrik Tilsit A. G. die erste Zellstoff- und Papierfabrik in Betrieb nehmen, die nach der Fusion mit der Zellstoff-Fabrik Waldhof zu einer der größten Fabrikanlage der Zellstoffindustrie überhaupt ausgebaut wurde.
 
Um 1900 erwiesen sich die vorhandenen Marktplätze als zu klein, ebenso das Stadttheater, das Memelbollwerk mit den Ladestraßen als ungenügend, die städtischen Betriebe, Krankenhaus, Wasserwerk, Gasanstalt, Schlachthof als nicht ausreichend. Die alte Schiffbrücke trug dem anwachsenden Verkehr nicht mehr Rechnung, es mangelte an Schulräumen, an Häfen und an Büroräumen für die Stadtverwaltung, lediglich war von einer Wohnungsnot damals noch nichts zu spüren. Längst waren die Scheunenstellen der Stadt verschwunden und durch Neubauten schmucker Wohnhäuser und Anlagen neuer Straßen, besonders im Westen der Stadt, ersetzt und erweitert. Der Straßenverkehr in der Stadt konnte durch Inbetriebnahme einer elektrischen Straßenbahn ab 1. Juli 1900 verbessert werden und die Stadt durch das neugegründete Elektrizitätswerk elektrische Energie zum Kraft- und Lichtverbrauch erhalten.
 
Das 1893 bis 1894 neu erbaute Stadttheater, spätere Grenzlandtheater, wurde durch einen ansprechenden Umbau erweitert, und hatte 600 Sitzplätze. In mehreren Bauabschnitten entstanden am Memelstrom, als der Lebensader der Stadt, moderne Uferanlagen und Ladestraßen, die bei jedem Wasserstand zu benutzen waren. Dann wurde 1905 bis 1907 an den Bau einer festen Straßenbrücke herangegangen und am 18. Oktober 1907 konnte die „Königin-Luisen-Brücke" dem Verkehr übergeben werden. Die fahrtbehindernde historische Schiffsbrücke wurde für immer abgeschwenkt. Dem Andenken der Königin wurde 1901 ein Denkmal eingeweiht, das im schönen Park der Stadt in Jakobsruhe errichtet war. Über die neue Brücke führte auch eine Zubringeranschlussbahn zur Kleinbahn Pogegen - Schmalleninken, somit war die Kleinbahn, wie auch schon die Hauptbahn, an die Tilsiter Kaianlagen angeschlossen.
 
Das städtische Wasserwerk wurde erweitert durch ein Grundwasserwerk in Übermemel. In diesem Stadtteil wurde auch das städtische Brückenkopfetablissement mit Park und Südterrasse erbaut. Im Südteil der Stadt entstanden in Anlehnung an alte Ordensbaukunst der Neubau des Realgymnasiums mit Oberrealschule, ferner das Gründungsjubiläumsstift, die Neustädtische Schule und die Provinzialtaubstummenanstalt. Der städtische Schlachthof, erbaut 1891, erfuhr einen umfassenden Erweiterungsbau. Die Kanalisierung der Stadt wurde 1907 fertiggestellt. Einige Jahre vor dem Kriege wurde im Südwestteil der Stadt die neue Kirche am Meerwischpark erbaut. Im Westteil das Krematorium mit dem Waldfriedhof errichtet; gegenüber dem Waldfriedhof, westlich der Graf-Keyserling-Allee wurde der Rennplatz des Tilsiter Rennvereins angelegt. Geläuf und Tribünen galten als eine der größten und schönsten Sportanlagen des Deutschen Ostens. Das höchste Bauwerk Tilsits, der neue Wasserturm, wurde auch noch ein paar Jahre vor dem ersten Weltkrieg erbaut. (Schluß folgt)
 
Seite 6   Zum neuen Jahr
Allen Mitgliedern der Landsmannschaft Ostpreußen wünsche ich ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr!
 
Ich danke all den Landsleuten, die unermüdlich für unsere Sache im Jahre 1952 tätig gewesen sind, für ihre Treue Mitarbeit. Ich bitte sie alle um weitere eifrige Mitarbeit und vertrauensvolle Zusammenarbeit auch im Jahre 1953. Mein Wunsch ist, dass sich noch viel mehr Landsleute zur aktiven Mitarbeit zur Verfügung stellen, damit die Landsmannschaft allen ihr gestellten Anforderungen Rechnung tragen kann. Möge das Jahr 1953 uns unserer Heimat näherbringen!
 
Das Jahr 1952 war ausgefüllt mit dem Kampf um den Lastenausgleich, so dass die Pflege des Heimatgedankens naturgemäß zu kurz gekommen ist. Das Problem des Lastenausgleichs war aber so schwierig und so brennend, dass alle andere Arbeit zurücktreten musste. Zuerst harrten die wirtschaftlichen Fragen ihrer Lösung. Durch das Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes ist das wirtschaftliche Problem der Heimatvertriebenen zwar noch nicht gelöst; immerhin gibt das Gesetz die Möglichkeit, die dringendsten sozialen Nöte der Heimatvertriebenen in gewissem Umfang zu beseitigen.
 
Der Kampf um die Verbesserung des Lastenausgleichsgesetzes geht selbstverständlich weiter. Wir wollen hoffen, dass die schon jetzt zutage tretenden Mängel und Lücken des Lastenausgleichsgesetzes 1953 beseitigt werden.
 
Im kommenden Jahr müssen wir uns in erster Linie der kulturellen Belange annehmen. Dazu gehört vor allem die Pflege des Heimatgedankens bei unserer Jugend. Diese vergisst die Heimat, wenn wir Erwachsenen nicht dafür sorgen, dass sie ständig auf die Bedeutung unserer Heimat hingewiesen und mit dem Land, sowie dem Brauchtum vertraut gemacht wird.
 
Gottes Segen für das kommende Jahr! Dr. Matthee, 1. Vorsitzender
 
Seite 6   Todesanzeige
Am 7. Dezember 1952 verstarb plötzlich und unerwartet infolge eines Verkehrsunfalles unser Landsmann Gustav Scheffler Berlin-Hermsdorf, Fontanestraße 7, Kreisbetreuer des Heimatkreises Angerburg/Ostpreußen. Wir haben in dem Verstorbenen einen treuen Mitarbeiter und Streiter für unser Recht auf die Heimat verloren. Wir werden seiner stets ehrend gedenken. Landsmannschaft Ostpreußen (Bund d. vertrieb. Ostpr.) Berlin-Charlottenburg 9, Kaiserdamm 83 - Haus der ostdeutschen Heimat – Memel
 
Seite 6   Die Geschäftsslelle informiert
Wir gratulieren: Zur goldenen Hochzeit am 30. Dezember 1952: den Eheleuten Gustav Hehlert, 77 Jahre, und Minna, geb. Bacher, 74 Jahre alt, aus Angerfelde, Kreis Gumbinnen (Ostpreußen), Bauunternehmer und Landwirt, jetzt wohnhaft in Berlin SO 36 Skalitzer Straße 22, H. g.
 
Zur goldenen Hochzeit am 25. Dezember 1952: den Eheleuten Otto Braunschweig und Frau Elisabeth aus Paulswalde, Kreis Angerburg, Altsitzer, jetzt wohnhaft Berlin-Steglitz, Albrechtstraße 70, bei Nittka.
 
Zum 90. Geburtstag: Frau Amalie Rokoss, geb. Bolz, geboren 5. Januar 1863 in Liefken, Kreis Angerburg, früher wohnhaft Rödental, Kreis Lötzen, jetzt wohnhaft In Berlin SO 36, Skalitzer Straße 74.
 
Urkundenbeschaffung
Für Urkundenbeschaffung sind zuständig:
a) Hauptarchiv, Berlin-Dahlem, Archivstraße 12-14;
b) Sächsisches Hauptarchiv, Dresden, Archivstraße 14;
c) Hauptstandesamt, Hamburg 1, Johanniswall 4;
d) Standesamt 1, Berlin-Wilmersdorf, Albrecht-Achillesstraße 65/66; e) Standesamt 1, Berlin O, Rückerstraße 9.
 
Sparbücher
Sparbücher sind in unserer Geschäftsstelle abgegeben worden:
1. für Schülerin Charlotte Ritter, früher Königsberg/Pr., Schloßplatz 2/3 (Postsparbuch);
2. für Frau Emilie Langel, geb. Seidenberg, aus Wesselau, Kreis Gerdauen (Sparbuch der   Volksbank, Zweigniederlassung Gerdauen);
3. für Frau Auguste Ehm aus Heilsberg (Ostpreußen), Sparbuch der Raiffelsenbank Heilsberg (Ostpreußen), ausgestellt am 26. August 1941.

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