Ostpreußen Nachrichten, Folge 10 vom Oktober 1953

Ostpreußische Nachrichten

Folge 10 vom Oktober 1953

 

Seite 1   Ernst Reuter  

Der Regierende Bürgermeister Professor Dr. Ernst Reuter ist am 29. September plötzlich verstorben. In tiefer Trauer und in großem Schmerz stehen die Berliner Heimatvertriebenen an seiner Bahre.

 

Er war ihnen nicht nur der Regierende Bürgermeister, der für das Problem der Heimatvertriebenen große Aufgeschlossenheit und vollstes Verständnis zeigte, sondern er war ihnen stets ein hilfsbereiter Freund und Berater und ein Mitstreiter für die Verwirklichung ihrer Rechte, insbesondere des Rechts auf die Heimat. Er gehört zu ihnen, sie werden ihn nie vergessen!

 

Seite 1   Recht auf Heimat ist von Gott geschenktes Menschenrecht

Aus der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen"

Die kurz nach der Bundestagswahl vom amerikanischen Nachrichtenbüro „Associated Press" verbreitete Meldung über ein Interview mit dem Bundeskanzler, in der von einem als Diskussionsgrundlage vielleicht denkbaren Kondominium in den befreiten deutsch-polnischen Grenzgebieten die Rede war, hat begreiflicherweise im In- und Ausland ein sehr lebhaftes Echo zur Folge gehabt. Hierzu hat das Bundespresseamt inzwischen folgende Richtigstellung veröffentlicht:

 

„In einem längeren Gespräch mit einem Sonderkorrespondenten der Associated Press - das übrigens keineswegs den Charakter eines Interviews im technischen Sinne hatte - ging der Herr Bundeskanzler auf die durch den Ausgang der Wahlen entstandene außenpolitische Situation ein. Er äußerte sich dabei sehr optimistisch über die Aussichten für eine baldige Verwirklichung des europäischen Einigungsgedankens und der europäischen Verteidigungsgemeinschaft sowie für eine gute Zusammenarbeit mit Frankreich und bezeichnete den vom deutschen Wähler seiner Politik erbrachten Vertrauensbeweis als gutes Omen für die Wiedervereinigung Deutschlands. Auf die Frage nach der Bedeutung der bei seiner am 7. September 1953 in Bonn gehaltenen Rede erhobenen Forderung einer Befreiung der deutschen Ostgebiete erwiderte der Bundeskanzler, dass eine Lösung dieses Problems nur im Geiste freundschaftlicher Zusammenarbeit im Rahmen einer gesamteuropäischen Struktur - einschließlich eines zukünftig freien Polens - gefunden werden könne und niemals zu erneuten Spannungen oder gar zu einem Kriege führen dürfte. Die vielfach von Seiten der Westmächte, insbesondere Frankreich, geäußerten Befürchtungen, dass Deutschland die westliche Welt in einen Krieg zur Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete verwickeln werde, sei daher völlig unbegründet. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde dann die Möglichkeit der Heranziehung einer internationalen Körperschaft, wie z. B. der Vereinten Nationen, bei der Regelung dieser Frage erörtert.

 

Die Associated Press-Meldung über dieses Gespräch stellt somit eine völlig aus dem Zusammenhang gerissene und den Sinn der Worte des Herrn Bundeskanzlers entstellende Wiedergabe dar."

 

Zur gleichen Frage hat nunmehr auch der Gesamtvorstand des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen eine Erklärung abgegeben, die folgenden Wortlaut hat:

 

„Die Vertriebenen lehnen Vorschläge ab, die ihr Recht auf die angestammte Heimat in Zweifel ziehen. Das Recht auf die Heimat ist, wie schon in der Charta der Vertriebenen zum Ausdruck gekommen ist, ein angestammtes Menschenrecht und wird von der Welt allgemein anerkannt.

 

Die Rückgabe ihrer Heimat und ihres Eigentums an die Vertriebenen bedeuten kein neues Unrecht, sondern die Beseitigung eines alten Unrechts. Die Vertriebenen sind gewillt, ein neues Europa mit aufzubauen in echter Verständigungsbereitschaft; und sie haben den guten Willen, mit allen Nachbarvölkern freundschaftlich zusammenzuleben.

 

Sie wehren sich auch dagegen, dass durch Vorschläge dieser Art Deutschland für künftige Verhandlungen in eine ungünstige Ausgangsposition gebracht wird."

 

Seite 1   Zum Erntedankfest von Superintendent Gensichen

Ps. 145,15 und 16: Aller Augen warten auf Dich, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust Deine Hand auf und sättigest alles, was lebet, mit Wohlgefallen.

 

Es ist das neunte Mal, dass wir Heimatvertriebenen in der Fremde das Erntedankfest feiern. Erntedankfest ist wie Weihnachten ein Tag, an dem wir besonders der Heimat verbunden sind. Denn, wie Weihnachten das Fest der Familie, so ist Erntedankfest das Fest der Erdgebundenheit. Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hindurch sind die Menschen am Erntedankfest ins Gotteshaus geströmt, gerade an diesem Tage besonders, um als heimatgebundene Menschen zum Ausdruck zu bringen, wie es immer wieder Wahrheit wird, was Gottes Wort uns an diesem Tage zu sagen hat:

 

„Alle Augen warten auf Dich, und Du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust Deine Hand auf und sättigest alles, was lebet, mit Wohlgefallen.“

 

Was sagt uns dieses Wort? Wer Ohren hat zu hören, der hört aus diesem Worte vier grundlegende Wahrheiten des Menschenlebens heraus. Zuerst: Der Mensch ist während seines gesamten Erdendaseins immer abhängig. Es träumt sich so schön von der freien Willensentscheidung, dass er in jedem Augenblick in der Lage sei, sich frei zu entscheiden; und das Problem des freien Willens hat ja immer die Menschen beschäftigt. Demgegenüber predigt uns das Erntedankfest die Wahrheit, an der der Mensch nicht vorbeigehen kann, ohne Schaden zu nehmen: Wir sind immer abhängig. Gerade der Bauernstand hat den Vorzug darin, dass er in seiner Arbeit deutlich in den Anschauungsunterricht gestellt wird, wie sehr er abhängig ist. Wenn er seine Arbeit in Feld und Garten getan mit noch so kühner Planung, so muss er doch die größte Zeit des Jahres abwarten, was mit seiner Arbeit geschieht. Regen und Sonnenschein sind die beiden Bedingungen für die Frucht seiner Arbeit, und darüber gebietet er nicht. Und wie der Landmann auf dem Felde es alljährlich deutlich erlebt, wie sehr er abhängig ist von dem ewig reichen Gott und seinem Segen, so ist es ja auch immer wieder auf dem großen Erntefeld des Lebens.

 

Auch hier sollen wir wirken und schaffen und wetten und wagen, das Glück zu erjagen; aber Gedeihen und Frucht unseres Wirkens liegt immer in der Höchsten Hand. Wenn er uns Segen versagt nach seinem ewigen Heilsplan, dann haben wir stille zuhalten und in Demut uns zu beugen. Und es wäre gut, wenn wir Heimatvertriebene, die wir ja alle unter dem furchtbaren Zwang gestanden haben, unser Liebstes, unsere Heimat, aufzugeben, immer wieder im Herzen behalten die Urwahrheit: wir sind immer abhängig und angewiesen auf den, der „Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann."

 

Wer das in der Tiefe erlebt hat, der wird auch willig schweigen und sich der Majestät des lebendigen Gottes in Demut beugen. „An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erde" und die Schrift, wie die Lebenserfahrung bezeugt uns, dass es immer wahr bleibt „Wenn Du mich demütigest, machst Du mich groß". Lebensgröße und Menschenwürde werden eben nicht erworben, sondern geschenkt.

 

Solche Menschen können dann auch wirklich dankbar sein und mit vollem Bewusstsein Ernte dank fest feiern. Sie haben den Sinn ihres Lebens begriffen und bezeugen in ihrer Dankbarkeit das Verständnis dafür, wie unser Menschenschicksal in Form und Inhalt immer Geschenk der ewigen

Liebe ist. Deshalb hat in allen Jahren eine Festgemeinde am Erntedankfest den Gottesdienst beschlossen mit dem Gesang: „Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen."

 

Wer es im tiefsten verstanden hat, was das Erntedankfest uns sagen will, der wird dann aufgerufen zum unverbrüchlichen Vertrauen. Und das ist doch das ganz andere, was Christenmenschen auf dieser Erde vor anderen voraushaben. Während Menschen meistens vertrauensunwürdig sind, so haben sie ein Ziel, wohin sie ihr ganzes Vertrauen richten können, ohne enttäuscht zu werden, und so ruft Erntedankfest uns, die wir im Hoffen auf die Rückkehr in unsere Heimat uns täglich wiederfinden, auf:

 

„In allen meinen Taten

lass ich den Höchsten raten,

der alles kann und hat,

er muss zu allen Dingen,

soll's anders wohl gelingen,

uns selber geben Rat und Tat."

 

Seite 2   Dr. Kather 60 Jahre alt

Der 1. Vorsitzende des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen, Dr. Linus Kather, vollendete am 22. September das 60. Lebensjahr. Als einer der Miturheber der Charta der Heimatvertriebenen ist er stets für die Wahrung des Heimatrechts und für die Gleichstellung aller Vertriebenen im Gesetz und im öffentlichen Leben eingetreten. Die Heimatvertriebenen in Berlin haben ihn bei seinen Ansprachen zum „Tag der Heimat" in den Jahren 1950 und 1952 kennengelernt. Als Vorsitzender des Vertriebenenausschusses des bisherigen Bundestages hat er veranlasst, dass der Ausschuss zweimal in Berlin tagte, um die besondere Lage der hiesigen Heimatvertriebenen und akute Fragen der Sowjetzonenflüchtlinge kennenzulernen.

 

In einer kleinen Feierstunde, die am 23. September in Bonn stattfand, überbrachten ihm Vertreter des Vertriebenenministeriums, der Landesausgleichsbank, der Treuhandstelle für Vertriebene, der Landsmannschaft Schlesien (deren Ehrenmitglied Dr. Kather ist) und andere Vertriebenen- und Flüchtlingsorganisationen ihre Glückwünsche. Dr. Alfred Rojek, der 1. Vorsitzende des BLV, sprach Dr. Kather bei dieser Gelegenheit die besonderen Glückwünsche der Heimatvertriebenen in Berlin aus.

 

Seite 2   Portrait des Monats

Die älteste Heimatvertriebene (mit Foto)

Frau Louise Rißmann, die heute in Berlin-Charlottenburg lebt, vollendete am 27. September 1953 das 104. Lebensjahr. Sie ist damit nicht nur die älteste Frau Berlins, sondern auch die älteste Heimatvertriebene Deutschlands. 1849 in Landsberg an der Warthe geboren, hat sie ihr ganzes reiches Leben in Ostbrandenburg verbracht. Nach ihrer 1873 erfolgten Verheiratung zog sie 1879 nach Schwiebus und siedelte 1899 nach Züllichau über.

 

Aber wenn sie auch im Januar 1945 als 95-jährige ihre Heimatstadt verlassen und Not und Entbehrungen des Flüchtlings ertragen musste, wenn sie auch in ihrem langen Leben neben viel Glück und Freude unendlich viel Leid und Sorge zu ertragen hatte, so ist ihr Lebensmut doch ungebrochen geblieben.

 

Überreich waren die Glückwünsche, die ihr an diesem seltenen Ehrentage von allen Seiten dargebracht wurden. Die herzlichen Wünsche der Heimatvertriebenen in Berlin überbrachte Dr. Alfred Rojek persönlich.

 

Ihr sehnlichster Wunsch ist es, die Heimat noch einmal wiederzusehen. Sie ist im festen Vertrauen auf Gott davon überzeugt, dass für alle, die damals mit ihr die Landstraßen westwärts ziehen mussten, der Tag kommen wird, an dem es zurückgeht in die geliebte Heimat. So ist sie uns allen ein leuchtendes Vorbild treuer Heimatliebe und unerschütterlichen Glaubens an die Befreiung unserer Heimat.

 

Seite 2   Prälat Ulitzka 80 Jahre alt

Der bekannte oberschlesische Würdenträger der katholischen Kirche, Prälat Karl Ulitzka ist 80 Jahre alt geworden.

 

Als nach der Abstimmung vom 20. März 1921 die Teilung Oberschlesiens unter Abtrennung wirtschaftlich wertvollster Teile des Landes erfolgte, war Prälat Ulitzka wesentlich an den Vorarbeiten für das die Härten mildernde Genfer Minderheitsabkommen über Oberschlesien beteiligt. In einer, in der Geschichte des Völkerrechts bisher einzigartigen Weise, erlangten die beiderseitigen Minderheiten die volle Gleichberechtigung in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehung. Vor allem die Verankerung des Elternrechts in diesem vom Völkerbund sanktionierten Abkommen ist ausschließlich auf Ulitzka zurückzuführen.

 

1944 wurde der bewährte Priester von der Gestapo verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert. Der Jubilar leidet an Heimweh nach seiner oberschlesischen Heimat. Wir wünschen Prälat Ulitzka, dass seine Hoffnungen noch erfüllt werden.

 

Seite 2   Neues im Lastenausgleichsrecht. Von Rechtsanwalt Benno Nehlert

Es hat noch nie und nirgends in der Welt ein vollkommenes Gesetz gegeben. Auch ein so sorgfältig, jahrzehntelang vorbereitetes, von einer großen Zahl bester Juristen bearbeitetes, in Ministerial- und Parlamentsausschüssen gründlich beratenes Gesetz wie das Bürgerliche Gesetzbuch weist Lücken, Mängel und Zweifelsfragen auf, die noch heute nach 53 Jahren nicht restlos geklärt sind, obwohl Entscheidungen höchster Gerichte in zahllosen Sammelbänden und Fachzeitschriften veröffentlicht und kritisch behandelt sind. Es ist daher verständlich, dass ein aus Parteienkompromiss hervorgegangenes Notwerk, wie das Lastenausgleichsgesetz samt dem Feststellungsgesetz und den drei Sparergesetzen, alle Tage neue Schwierigkeiten zeitigt, die nur z. T. durch gewissenhafte Auslegung zu beheben sind, zumeist aber abändernde und ergänzende Gesetze, Verordnungen, Weisungen und Richtlinen nötig machen.

 

Neue Fristfestsetzungen

Dass die Frist für die Einreichung von Feststellungsanträgen bis zum 31. März 1954 verlängert worden ist, dürfte allgemein bekannt sein. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass eine weitere Verlängerung der Frist nicht zu erwarten ist. Auch wer noch nicht alle Unterlagen hat, reiche seine Anträge bestmöglich ausgefüllt ein. Es bleibt ihm unbenommen, Ergänzungen und fehlende Unterlagen nachzubringen.

 

Die Frist für die Anmeldung der Ostsparerschäden ist an sich am 31. August 1953 abgelaufen. Die vorgesehene Fristverlängerung ist noch nicht ausgesprochen. Das Gesetz lässt sich aber selbst die Möglichkeit einer allgemeinen Verlängerung um 6 Monate, also bis zum 28. Februar 1954 und einer speziellen um weitere 6 Monate zu. Die Verlängerung bis zum 28. Februar 1954 ist bestimmt zu erwarten, und schon jetzt ist angeordnet, dass die Anmeldestellen weitere Anträge entgegenzunehmen haben. Es ist auch zu erwarten, dass die für die meisten Heimatvertriebenen unerfüllbaren strengen Beweiserfordernisse wesentlich gemildert werden. Dann wird die Erbitterung darüber schwinden, dass sozusagen nur die Westdeutschen, die alle Unterlagen behalten haben, zum Zuge kommen, dagegen die Heimatvertriebenen und auch ein großer Teil der Westberliner, die ihre Unterlagen eingebüßt haben, so gut wie ausgeschlossen bleiben.

 

Sparerschäden werden bei Gesamtguthaben bis zu 204,99 DM voll ausgezahlt, bei größeren Beträgen sind 200 DM, für Sparer im Alter von über 70 Jahren weitere 50 DM freigegeben. Die Höhe der Entschädigung beträgt 20%, soweit die Sparguthaben schon am 1. Januar 1940 bestanden.

 

Wichtige Erleichterungen

Das Dritte Lastenausgleichsergänzungsgesetz vom 24. Juli 1953, das auch für Berlin seit dem 13. August gilt, bringt eine Anzahl wichtiger Neuerungen.

 

1. Ist der Geschädigte in Kriegsgefangenschaft oder außerhalb des Bundesgebietes und Westberlins interniert oder zwangsarbeitsverpflichtet oder verschollen, so sind in erster Linie der Ehegatte, wenn keiner vorhanden, jeder Abkömmling, wenn auch kein solcher vorhanden, jeder Elternteil berechtigt, Hauptentschädigung und Hausratsentschädigung für ihn zu beantragen. Es ist also hierfür keine Todeserklärung und kein Erbschein mehr nötig. Ausgezahlt wird an diese Ersatzantragsteller nur die Hausratsentschädigung. Für die Auszahlung der Hauptentschädigung ist nur der Geschädigte selbst oder sein nachgewiesener Erbe legitimiert. Nach dem Änderungsgesetz zum Feststellungsgesetz und zum Lastenausgleichsgesetz hat aber auch ein verwitweter Ehegatte, der im Zeltpunkt der Schädigung im Besitz des Hausrats war, das Alleinrecht auf die Hausratsentschädigung, wenn bis dahin keine Auseinandersetzung erfolgt war. Ist ihm der Hausrat bei der Auseinandersetzung zugefallen, so hat er selbstverständlich auch den Alleinanspruch.

 

2. Vertriebene brauchen den Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage nicht mehr nachzuweisen, diese wird vielmehr vermutet, wenn sie nicht etwa ganz oder überwiegend von Leistungen der öffentlichen Fürsorge gelebt haben.

 

3. Bei der Unterhaltshilfe werden Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bis zur Höhe der Sätze der Unterhaltshilfe nur zur Hälfte, mit dem Mehrbetrage bis zu 75% angerechnet. Bei Einkünften bis 40 DM monatlich wird immer ein Freibetrag von 20 DM gewährt. Für Renten aus der Invaliden- und Angestelltenversicherung gilt das gleiche mit der Maßgabe, dass der Freibetrag bei Invaliden-, Knappschaftsrenten und Ruhegeldern um 5 DM, bei Witwenrenten um 4 DM, bei Waisenrenten um 5 DM gekürzt wird.

 

4. Wenn ein Ehegatte nach der Schädigung gestorben ist, erhält der überlebende Ehegatte allein die gesamte Hausratsentschädigung. Andere Erben, also auch Kinder, scheiden aus. Vorempfänge auf Hausratsentschädigungen werden nur angerechnet, soweit sie 200 DM übersteigen.

 

5. Die nach dem LAG vorgesehenen Zuschläge zur Hausratsentschädigung werden für eine Person nur einmal gewährt. Haben also beide Ehegatten gesonderte Hausratsentschädigung eingereicht, so gibt es für den anderen Ehegatten keine Zuschläge, für Kinder nur einmalige Zuschläge.

 

6. Für Leistungen aus dem Härtefonds (wichtig für Ostzonenflüchtlinge) ist es Voraussetzung, dass die Geschädigten ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik oder in Westberlin haben. Im Übrigen besteht für diese z. Z. ein Stopp.

 

Für Vertriebene aus der Sowjetzone

7. Die Im Wege der Familienzusammenführung nach der Bundesrepublik oder nach Westberlin gekommenen Sowjetzonenbewohner haben Lastenausgleichsansprüche nur, wenn sie mit einer Person zusammengeführt werden, die schon am 31. Dezember 1950 hier ständigen Aufenthalt hatte oder unter die besonderen Begründungen des § 9 Nr. 2 a-c fällt.

 

8. Im Übrigen besteht für die Sowjetzonenflüchtlinge z. Z. folgende Rechtslage hinsichtlich des Lastenausgleichs;

 

Vertriebene, die zugleich Sowjetzonenflüchtlinge sind, jedoch vor dem 31. Dezember 1950 ins Bundesgebiet oder nach Westberlin gekommen sind, erhalten Ausgleichsleistungen als Vertriebene. Vertriebene, die zugleich Sowjetzonenflüchtlinge sind, jedoch nach dem 31. Dezember 1950, aber vor dem 31. Dezember 1952 ins Bundesgebiet gekommen sind, also Vertriebene nach dem BVFG, erhalten Ausgleichsleistungen aus dem Härtefonds auf Grund der 2. Leistungs-DVLAG vom 24. März 1953 und der Weisung über Leistungen aus dem Härtefonds. Personen, die aus der Sowjetzone geflohen sind und nicht zugleich Vertriebene sind, sowie aus der Sowjetzone geflohene Vertriebene, die nach dem 31. Dezember 1952 die Sowjetzone verlassen haben, erhalten Ausgleichsleistungen aus dem Härtefonds nur, sofern sie aus Gefahr für Leib und Leben ins Bundesgebiet oder nach Westberlin gekommen sind, auf Grund der 2. Leistungs-DVLAG und der Weisung über Leistungen aus dem Härtefonds. Das Bundesvertriebenengesetz macht aus der Sowjetzone geflohene Personen zu Berechtigten, sofern sie aus besonderer Zwangslage die DDR verlassen haben. Es ändert in seinen Schlussbestimmungen auch den § 301 des LAG in diesem Sinne ab. Die Zweite Leistungs-DVLAG ist jedoch bisher noch nicht in dem gleichen Sinne erweitert worden, so dass im Lastenausgleich nach wie vor Gefahr für Leib und Leben maßgeblich ist.

 

Seite 4   Gesucht werden:

1.             Frau Johanna Lukowsil, geb. Merten, verw. Huhmann, früher wohnhaft in Treuburg, Markt, zuletzt wohnhaft in Allenstein, Ostpr.

2.              Dr. med. Gallinger aus Ostpreußen.

3.              Baumeister Walter Scherzberg aus Mielau, Südostpreußen. Er war bis zur Vertreibung technischer Angestellter beim Heeresbauamt Mielau.

4.             Witwe Martha Vormeier, geb. Amor, früher wohnhaft in Königsberg/Pr., Ratshof, Wiebestraße 89. (Alter 65 Jahre.)

 

Seite 4   Wir gratulieren

zum 90. Geburtstag unserem Landsmann Karl Preuß, Eisenbahnrentner aus Lyck, jetzt im Hospital, in Berlin W 35;

 

zum 80. Geburtstag unserer Landsmännin Minna Geisendorf, geb. Grabowski, geb. 18.10.1873, früher wohnhaft Rastenburg, Schloßstraße 13, jetzt wohnhaft Berlin-Wilmersdorf, Sigmaringer Straße 13;

 

zum 77. Geburtstag unserer Landsmännin Ida Schettkat, früher wohnhaft Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, jetzt wohnhaft bei ihrer Tochter, Berlin-Zehlendorf, Radtkestraße 35;

 

zum 75. Geburtstag am 6. Oktober 1953, unserem Landsmann Bahnmeister a. D. Richard Sieg, früher wohnhaft in Königsberg/Pr., jetzt in Berlin-Wilmersdorf, Aßmannshauser Str. 21.

 

zum Geburtstag am 17. Oktober 1953 unserem 1. Vorsitzenden, Herrn Rechtsanwalt Dr. Hans Matthee, und wünschen ihm weiterhin bestes Wohlergehen, viel Schaffensfreude und recht erfolgreiche Arbeit zum Wohle unserer heimatvertriebenen Ostpreußen in Berlin;

 

zum 75. Geburtstag am 22. Oktober 1953 unserem Landsmann Gustav Raabe aus Insterburg, jetzt wohnhaft in Berlin-Neukölln, Kopfstraße 44..

 

Seite 4   Das Ostpreußenlied

Zu Beginn der 30-er Jahre suchte der Königsberger Komponist Herbert Brust einen Textdichter für sein „Oratorium der Heimat", dessen Töne mächtig in ihm sangen und klangen. Durch Anregung der „Königsberger Hartungschen Zeitung" fand er in dem Dichter Erich Hannighofer einen tief empfindenden Menschen, der genau so innig mit der ostpreußischen Heimaterde verwurzelt war, wie er selbst, in dessen Worten die Liebe zu Ostpreußen genau so harmonisch ausklang, wie in seinen Tönen.

 

Erich Hannighofer fand für sein Oratorium Worte, die in prächtigen Gemälden das Bild der Heimat festhielten. In seherischer Gabe fast, die tragische Zukunft dieses Landes erahnend, gab er, der jetzt nicht mehr unter den Lebenden weilt, der Heimat dichterische Verklärung:

 

Heimat! Wir rufen dich! Singe mit uns den Gesang deiner Landschaft!

Singe mit uns den Choral deines Schickaals!

Singe mit uns, du deutsches Volk, das

Lied vom Ostpreußenland!

 

So begann diese große Kantate der Heimatliebe und klang aus in dem ergreifenden Schlusschor:

 

Land der dunklen Wälder

und kristall'nen Seen ---

 

dem heutigen Ostpreußenlied. Herbert Brust hauchte den Worten belebenden Odem der Harmonien und Melodien, den Zauber der Töne ein. Er gab der Heimat Ostpreußen klanglichen Ausdruck in Weisen, wie sie nicht tiefer, nicht inniger empfunden werden konnten. Der Komponist sagte einst selbst: „Es ist eine Gnade, dass ich diese Weise fand."

 

Anfang 1933 wurde das Oratorium „Ostpreußenland" im Ostmarken-Rundfunk in Königsberg/Pr. uraufgeführt und fand einen tiefen Widerhall. Einige Studenten, Werkstudenten, waren von der Schlusshymne: „Land der dunklen Wälder" ergriffen und sangen sie zur Laute auf den Straßen Königsbergs, wie im Rundfunk. Die Jugend brachte sie in ihre Singkreise, und bald war das „Ostpreußenlied" landauf, landab bekannt. Wo man der Liebe zur Heimat herzlichen Ausdruck geben wollte, da sang man dieses Lied von Herbert Brust.

 

Heute ist das Ostpreußenlied zum Inbegriff der fernen Heimat geworden, Erinnerung und Bekenntnis, Glaube und Liebe zugleich —.

 

Seite 4   Aus den Heimatkreisen Pillkallen / Stalluponen

Auf unserem Monatstreffen im September hatten wir uns nach den heiteren und beschwingten Zusammenkünften der Sommermonate zu einer kurzen besinnlichen Stunde zusammengefunden. Wir hatten uns sogar erkühnt, dazu besonders einzuladen, und siehe da, es kamen recht viele Landsleute.

 

In kurzen eindringlichen Worten hörten wir Daten und Geschehnisse aus unserer ostpreußischen Geschichte. Man war doch erstaunt, dass man manches schon anfängt zu vergessen.

 

Unterstrichen wurde diese Geschichtslesung durch einige auf den jeweiligen Geschichtsabschnitt bezügliche Gedichte unserer ostpreußischen Dichter Agnes Miegel, M. v. Schenkendorff, Johanna Wolff, E. v. Olfers-Batocki u. a. m. Gerade diese Gedichte gaben der Geschichtslesung eine besondere Einprägsamkeit und Eindringlichkeit in die Vergangenheit unserer Heimat.

 

Dem Kulturreferenten des B. L. V. Herrn Badekow und den drei ausführenden ostpreußischen Künstlern sei an dieser Stelle besonders gedankt.

 

Wir wollen hoffen, dass nun in den Wintermonaten weitere schöne Stunden folgen werden, die dem Gedenken an unsere Heimat gewidmet sind.

 

Seite 4   Herdbuchzucht der Stolz Ostpreußens

Größter Stolz der ostpreußischen Bauern war neben ihren weltbekannten Pferden ihr schwarzbuntes Herdbuchvieh. Es gab nicht viele unter ihnen, die keinen Wert darauf legten, der „ostpreußischen Herdbuchgesellschaft" angeschlossen zu sein, zu der sich in den dreißiger Jahren die bis dahin in Ost- und Rest-Westpreußen bestehenden drei Herdbuchvereine zusammengeschlossen hatten. Schon 1882 gründeten 42 der erfolgreichsten Rindviehzüchter Ostpreußens die „Ostpreußische Holländer Herdbuchgesellschaft", nachdem sich das schwarzbunte Rindvieh aus Holland und Ostfriesland zur Hebung der Leistungsfähigkeit für ostpreußische Verhältnisse am geeignetesten erwiesen hatte.

 

Die Arbeit der Herdbuchgesellschaft wirkte sich nicht nur segensreich auf die Rinderzucht, sondern auch auf die gesamte Landwirtschaft der Provinz aus. Ostpreußen war schon vor dem ersten Weltkriege zu einem Hochzuchtgebiet ersten Ranges geworden, dessen Ausgeglichenheit viel gerühmt wurde und die gesamte deutsche Tieflandrinderzucht wesentlich befruchtete. Der züchterische Fortschritt trat am besten auf den Wanderausstellungen der GLG zutage, wobei sich das ostpreußische Herdbuchvieh den Rassen der alten nordwestdeutschen Hochzuchtgebiete vielfach überlegen zeigte. Die ostpreußischen Auktionsbullen erzielten die höchsten Durchschnittspreise innerhalb des Reiches und die Höchstpreise lagen für sie recht oft zwischen 10 000 und 25 000 Reichsmark. Hauptursache hierfür war die gute Anpassungsfähigkeit wie die robuste Gesundheit der ostpreußischen Tiere, die den übrigen deutschen Zuchtgebieten wertvolles Blut geliefert haben.

 

Es sei hier des fast weltberühmten Bullen „Winter" gedacht, der seit 1905 in der ostpreußischen Zucht eine überragende Stellung einnahm, und der repräsentativen ostpreußischen Kuh „Wolke", die vor 1914 eine Milchleistung von 4 809 kg erreichte. Die Durchschnittserträge aller ostpreußischen Kühe, auch der nicht durch die Herdbuchgesellschaft kontrollierten, lagen erheblich über dem Reichsdurchschnitt und erreichten 1928 schon 2 588 kg und 1938/39 war 3148 kg Milch. So war es kein Wunder, dass die ostpreußische Herdbuchzucht das stärkste Kontingent für das Deutsche Rinderleistungsbuch stellte.

 

Aber es verdient gerade heute besonders hervorgehoben zu werden, welchen hohen Beitrag Ostpreußens Rinderzucht und -haltung zur deutschen Ernährungswirtschaft beisteuerte Der Ausfuhrüberschuss Ostpreußens an lebendem Vieh betrug zwischen 1925 und 1930 im Mittel jährlich 165 237 Rinder und 58 018 Kälber. An Molkereierzeugnissen lieferte Ostpreußen vor dem letzten Kriege jährlich 31 000 t Käse und rund 17 300 t Butter, mit denen etwa 2,5 Mill. Menschen außerhalb der Provinz mit Fleisch, Milch und Molkereierzeugnissen voll ernährt werden konnten. Der ostpreußische Bauer hatte darum allen Grund, stolz auf sein prächtiges Vieh zu sein, das seiner eigenen Tüchtigkeit überall das beste Zeugnis ausstellte.

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