Wir Ostpreußen, Folge 15 vom 07.08.1950

Seite 1   Charta der deutschen Heimatvertriebenen

Am Tag der Heimat wurde die folgende Charta der deutschen Heimatvertriebenen feierlich verkündet:

 

Im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen, im Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zum christlich-abendländischen Kulturkreis, im Bewusstsein ihres deutschen Volkstums und in der Erkenntnis der gemeinsamen Aufgabe aller europäischen Völker haben die erwählten Vertreter von Millionen Heimatvertriebenen nach reiflicher Überlegung und nach Prüfung ihres Gewissens beschlossen, dem deutschen Volk und der Welt öffentlichkeit gegenüber eine

feierliche Erklärung

abzugeben, die die Pflichten und Rechte festlegt, welche die deutschen Heimatvertriebenen als ihr Grundgesetz und als unumgängliche Voraussetzung für die Herbeiführung eines freien und geeinten Europa ansehen.

 

  1.  Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluss ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat. 
  2. Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europa gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können.
  3. Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas.

 

Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet, ihn im Geiste töten. Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt.

 

Daher fühlen wir uns berufen zu verlangen, dass das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird.

Solange dieses Recht für uns nicht verwirklicht ist, wollen wir aber nicht zur Untätigkeit verurteilt beiseite stehen, sondern in neuen, geläuterten Formen verständnisvollen und brüderlichen Zusammenlebens mit allen Gliedern unseres Volkes schaffen und wirken. Darum fordern und verlangen wir heute wie gestern:

 

1. Gleiches Recht als Staatsbürger, nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch in der Wirklichkeit des Alltags.

2. Gerechte und sinnvolle Verteilung der Lasten des letzten Krieges auf das ganze deutsche Volk und eine ehrliche Durchführung dieses Grundsatzes.

3. Sinnvollen Einbau aller Berufsgruppen der Heimatvertriebenen in das Leben des deutschen Volkes.

4. Tätige Einschaltung der deutschen Heimatvertriebenen in den Wiederaufbau Europas.

 

Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden.

Die Völker sollen handeln, wie es ihren christlichen Pflichten und ihrem Gewissen entspricht.

Die Völker müssen erkennen, dass das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen wie aller Flüchtlinge ein Weltproblem ist, dessen Lösung höchste christliche Verantwortung und Verpflichtung zu gewaltiger Leistung fordert.

 

Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird.

 

 

Seite 2   Die Versorgung der Kriegsopfer

 

Der Gesetzantrag über die Neuregelung der Kriegsopferversorgung ist dem Bundesrat zugegangen. Durch die Regelung, wenn sie Gesetzeskraft erlangen wird, werden rund 3,7 Millionen Menschen erfasst werden. Die jährlichen Zahlungen erhöhen sich von bisher 2,2 auf etwa 3 Mrd. DM.

 

Vorgesehen sind eine Grundrente und eine Ausgleichsrente. Die Grundrente wird an alle Beschädigten und Hinterbliebene gezahlt werden, die Ausgleichsrente nur an Kriegsbeschädigte.

Die Kriegsbeschädigten erhalten folgende Sätze:

 

Minderung der Erwerbsfähigkeit

Grundrente

Ausgleichsrente

30%

10,-- DM

keine

40%

15,-- DM

keine

50%

25,-- DM

40,-- DM

60%

35,-- DM

40,-- DM

70%

45,-- DM

50,-- DM

80%

55,-- DM

60,-- DM

90%

64,-- DM

75,-- DM

erwerbsunfähig

75,-- DM

90,-- DM

 

Außerdem werden für die Ehefrau bed 50 bis 60%iger Erwerbsminderung des Ehemanns 10 DM, ab 70 v. H. 15 DM gezahlt. Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres erhalten dieselben Zuschläge wie die Ehefrau.

 

Einkommen werden erst in Rechnung gestellt, wenn sie einen Freibetrag von 40 DM übersteigen. Im Falle von Arbeitseinkommen aus nicht selbständiger Arbeit wird der Freibetrag auf 60 DM erhöht Außerdem wird für die Ehefrau und jedes Kind ein Freibetrag von 15 DM in Rechnung gestellt. Bei monatlichen Einkommen von 800 DM an wird auch die Grundrente nicht mehr ausgefolgt.

 

Witwen von Kriegern unter 40 Jahren (erwerbsfähig und kinderlos) sollen eine Grundrente von 20 DM erhalten. Erwerbsunfähige und kinderlose Witwen erhalten eine Grundrente von 40 DM. Neben dieser Grundrente von 40 DM erhält eine erwerbsfähige Witwe von 50 Jahren eine Ausgleichsrente von

30 DM. Witwen über 50 Jahren beziehen eine Grundrente von 40 DM und eine Ausgleichsrente von 50 DM. Für erwerbsunfähige Witwen gelten die gleichen Sätze.

 

Vollwaisen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erhalten ebenfalls Renten: Grundrente 15 DM, Ausgleichsrente 45 DM, insgesamt 60 DM. Halbwaisen: Grundrente 10 DM und Ausgleichsrente

21 DM. insgesamt 31 DM.

 

 

Seite 3   „Wir Ostpreußen“ stellt sein Erscheinen ein

 

Wie der Sequester von „Wir Ostpreußen", Herr Walter Ostermann, Hannover, der Druckerei Rautenberg & Möckel in Leer mitteilt, stellt „ Wir Ostpreußen " sein Erscheinen ein, da die Unkosten höher werden als die Einnahmen. Die vorliegende Nummer ist die vorletzte; die letzte Nummer wird mit dem Datum vom 20. August 1950 erscheinen. Für September kann „Wir Ostpreußen" also nicht mehr bestellt werden. Den bisherigen Beziehern von „Wir Ostpreußen" wird anheimgestellt, fortan das „Ostpreußenblatt " zu beziehen, das seit dem 1. April 1950 das einzige Organ der Landsmannschaft Ostpreußen ist. Es kann für 61 Pf. monatlich - einschließlich Bestellgeld - bei jeder Postanstalt bestellt werden.

 

 

Seite 3   Dankeschön, Mohrchen …!

 

Drei Jahre lang schlug ich mich unter der Russenherrschaft in Königsberg als Kuhhirt durch ein dornenvolles Dasein. Meine Herde bestand aus einigen Kälbern, vier Kühen und ihrem männlichen Haushaltungsvorstand, der auf den Namen „Jonathan* hörte, und ich hütete sie auf einem wüsten Stück Land, wo allerlei Überbleibsel aus der Kriegszeit, Autoteile, Maschinenreste, zerbrochene Badewannen und dergleichen herumlagen und langsam verrosteten. In der Nähe lagen große Kasernen, deren .Stoffwechsel" ebenfalls hier abgeladen wurde.

 

Es war September geworden. Die Kasernen hatten schon Kartoffeln erhalten, und jeden Abend leuchteten die Feuer, an denen sich die russischen Soldaten ihre - natürlich geklauten - Kartoffeln abkochten. Neiderfüllt sahen wir zu. Bei uns reichte die Löhnung kaum zu Kartoffeln für eine Sonntagsmahlzeit, und gerade diesmal reichte sie nicht...

 

Kurz nachdem ich nun morgens meine Herde ausgejagt hatte, fiel mir auf, dass meine kleine schwarze Kuh, die ich „Mohrchen" getauft hatte, genießerisch, mit weit vorgestrecktem Halse, etwas fraß, dann mit der Schnauze unter ein geborstenes Autochassis langte und erneut irgend etwas hervorholte, was für sie eine große Delikatesse zu sein schien. Was kann denn unter dem alten Kasten wachsen, was ihr dermaßen gut schmeckt, fragte ich mich, und ich ging näher heran. Wieder fuhr Mohrchen unter den Kasten, und nun langte ich selbst hin. Fast sprang ich vor Freude in die Höhe. Was ich in der Hand hielt, waren ... Kartoffeln, und was Mohrchen entdeckt hatte, war eine ... „Speisekammer", die sie mit ihrer vorzüglichen Nase, wert eines Jagdhundes, aufgespürt hatte. Fünf Kilo konnte ich nach Hause tragen. (Mohrchen bekam noch eine extra große als Belohnung.) Die Sonntagsmahlzeit war gesichert.

 

Seite 5   Ostpreußen-Gedenktage im Monat Juli

Der Juli brachte u.a. folgende ostpreußische Gedenktage:

 

01.07.1396: Rüdiger von Einer in Tuchel gest. (geb. um 1330, 1370 Ordensmarschall, 1374 Großkomtur; Litauerreisen; Kolonisator um Gerdauen und Tuchel).  

 

01.07.1537: Mauritius Ferber in Heilsberg gest. (geb.1471 in Danzig, 1523 - 1537 Bischof von Ermland, Gegner der Reformation, Wiederaufbau des schwer heimgesuchten Ermlandes durch sorgfältige und sparsame Verwaltung).  

 

02.07.1835: Johannes Heydeck in Sakuten bei Prökuls geb. (Prof. an der Kunstakademie. Gemälde in der alten Univ.-Aula und im Insterburger Gymnasium-Odyssee, gest. 1910 in Königsberg).  

 

02.07.1901: Heinrich Krüger in Rossitten, Kurische Nehrung, gest. (geb. 1863 in Gumbinnen-, Tiermaler, Nehrungsbilder).  

 

05.07.1296: Konrad von Feuchtwangen in Prag gest. (1279 Landmeister von Livland und Preußen, 1290 - 1297 Hochmeister des Deutschen Ordens, Einrichtung der Domkapitel).  

 

06,07.1741: Friedrich Alexander Burggraf und Graf zu Dohna in Königsberg geb., gest. 1810 zu Finckenstein, und 09.07.1838: Karl Ludwig Alexander zu Dohna-Schlodien in Schlodien gest., geb. ebda 1758 (aus philantropischen Idealen vorbildliche Verwaltung des Großgrundbesitzes und Förderung des ländlichen Schulwesens, Bauernbefreiung und Anlage neuer Bauerndörfer, „Randnitzer Bauern"; Gegner der Hardenbergschen Bauernbefreiung).

 

06.07.1869: George Wilh. Haertel in Elbing gest. (geb. ebda 1796, Mitbegründer des Elbinger Theaters und des Seebades Kahlberg 1842. Verdienste um Elbing und die Ostbahn).

 

07.07.1762: Joh. Georg Bock in Königsberg gest. (geb. ebda 1698, Sammler ostpreußischer Provinzialismen).

 

07.07.1932: Karl Adolf Hans von Hassell in Königsberg gest. (geb. 1872, führt nach dem Ereten Weltkrieg den Heimatbund Ostpreußen, der die Provinz dem Reich erhält.  

 

08.07.1604: Heinrich Albert in Lobenstein/Thür, geboren. (In seiner .Kürbislaube" am Pregel tagte der „Königsberger Dichterkreis" mit Simon Dach u. a. Pflege der Musik nach italienischem Vorbild; 1651 in Königsberg gest.).  

 

09.07.1807: Friede zu Tilsit - Preußen verliert seinen Besitz westlich der Elbe.

 

11.07.1920: Volksabstimmung in Ost - und Westpreußen.

 

12.07.1914: Paul Frommer in Königsberg gest. (geb. ebda 1867. Sommerkonzerte im Tiergarten. Mit seinem Tode endet eine bedeutsame Epoche der Königsberger Oper).

 

13.07.1260: An der Durbe gef. Burchard von Hornhausen (1255 der 1. Komtur von Königsberg, 1257 Meister von Livland) und Heinrich Botel (geb. ?, Ordensmarschall mit großem Einfluss).  

 

13.07.1917: Gust. Aug. Jacobson in Königsberg gest. (geb. 1861 in Fürstenau Kr. Elbing, hatte einen besonderen Ruf als Pferde- und Viehzüchter; Muster hochentwickelter Landwirtschaft im Werder).

 

15.07.1301: Heinrich Fleming gest. (geb. um 1230, 1279 - 1300 Bischof von Ermland, geb. 1284 Braunsberg die Handfeste und gründete die Kathedrale in Frauenburg).

 

15.07.1410: Schlacht bei Tannenberg. - Nach anfänglichem Vorteil Niederlage des Deutschen Ordens gegenüber dem vereinigten Polen-Litauen; seitdem Niedergang des Ordensstaates; die größte Schlacht des Mittelalters; Hochmeister Ulrich von Jungingen mit über 200 seiner Gebietiger und Brüder gefallen.  

 

U. v. Jungingen (geb. um 1360, 1393 Ordensvogt im Samland, 1396 Komtur v. Balga, 1404 Ordensmarschall, 1407 Nachf. seines Bruders Konrad v. J. im Hochmeisteramt). Ebda Kuno von Lichtenstein gef. (geb. um 1360 in Franken, 1389 Vogt im Samland, 1392 Komtur von Ragnit, 1396 von Mewe, 1399 von Brandenburg, 1402 Spittler, 1404 Großkomtur). Ebda Wilhelm von Helfenstein gef. (geb. ?, Großkomtur, Anteil am Vertrag von Sallinwerder).  

 

18.07.1891: Julius Gregorovius gest. (geb. 1819 in Tapiau, Oberst, Bruder von Ferdinand G., historische Arbeiten über seine Vaterstadt Neidenburg).  

 

19.07.1766: Joh. Dan. Hoffmann in Elbing gest. (geb. 1701 in Thorn, Prof. in Thorn und Elbing. Arbeiten zur Landes- und spez. Ordensgeschichte, zur polnischen Sprache und zum Buchdruck in Polen).  

 

21.07.1858: Franz Heinr. Lovis (Louis) Corinth in Tapiau geb. (gehört zu den bedeutendsten Malern des Impressionismus, außerordentliche Farbenwirkung seiner Porträts, Malschule in Berlin, Prof., Dr. h. c. der Albertina in Zandvoort/ Holland am 17.07.1925 gest.).  

 

22.07.1380: Günther Graf von Honstein in Brandenburg/Pr. gest. (geb. um 1310, 1344 Komtur von Schweiz, 1349 von Osterode, erbaut dort die Burg, kolonisiert das Gebiet und begründet die Stadt Hohenstein).  

 

22.07.1784: Friedr. Wilh. Bessel geb. (Wilh. v. Humboldt berief ihn 1809 an die Albertina zum Bau der Sternwarte; grundlegende Arbeiten zur Astronomie, Geodäsie und Geophysik - preußische Landesvermessung, 1846 in Königsberg gest.).  

 

22.07.1910: Max Beheim - Schwarzbach gest. (geb. 1839, Schulmann, Dramen, Volksliedforschung; bahnbrechende Arbeiten zur Ostkolonisation).

 

23.07.1786: Eduard von Flottwell in Insterburg geb. (s. Ostpr. Gedenktage, Mai; gest. 1865).  

 

23.07.1811: Guillaume Rene d l'Homme seigneur de Courbière in Graudenz gest. (geb. 1733 in Maestricht, aus holländischen in preußische Dienste, zuletzt Generalfeldmarschall und Generalgouverneur von Westpreußen-, 1807 heldenhafte Verteidigung von Graudenz).  

 

25.07.1757: Hans Jakob von Auerswald in Plauth/Westpr. geb. (in den höchsten Verwaltungsstellen West- und Ostpreußens, Zusammenarbeit mit dem Reichsfreiherrn vom Stein die Bauernbefreiung betr., geschickte Politik gegenüber Frankreich in der Zeit von Yorcks Tauroggen-Convention, Schwiegervater Theodors von Schön, Freundschaft mit Kants, Nachf. Chr. Jak. Kraus, gest. 1833 in Königsberg).

 

26,07.1908: G. A. B. Ellendt in Königsberg gest. (geb. ebda 1840, bedeutender Geschichtslehrer, 1891 Direktor des Fridericianums [dort Cauer-Büste]).  

 

27.07.1753: Christian Jakob Kraus in Osterode geb. (Freund und Nachf. Kants, Einfluß seiner Lehren auf den Wiederaufstieg Preußens, gest. 1807 in Königsberg).  

 

27.07.1890: George Aug. Grunau in Elbing gest. (geb. ebda 1820, baut auf der Elbinger Schichauwerft 1854 den ersten eisernen Seeschraubendampfer „Borussia" in Preußen, eröffnet

1861 die Schiffahrt auf den Oberländischen Kanal und verbindet 1366 Elbing mit den wichtigsten Ostseehäfen).  

 

29.07.1605: Simon Dach in Memel geb. (s. Ostpr. Gedenktage, April; 19.04.1659 in Königsberg gest.).

 

29.07.1917: Ernst Bischoff-Culm in Frankreich gef. (geb. 1870 in Kulm, Maler der Kurischen Nehrung, Nidden-Motive). 

 

30.07.1355: Johannes von Belgern in Heilsberg gest. (geb. in Belgern um 1300, 1350 - 1355 Bischof von Ermland, Kolonisation des Bistums, Burgenbau in Rößel und Seeburg, sowie Schloßbau in Heilsberg). 

 

30.07.1773: Aug. Wilh. Heidemann in Stargard/Pomm. geb. (1810 Oberbürgermeister von Königsberg, Höhepunkt seines Wirkens in Zusammenhang mit Yorcks Tauroggen-Convention, 1813 in Königsberg gest.).

 

Seite 6   Sollen die Trakehner Pferde aussterben?

Das Bundesfinanzministerium kann angeblich keine Mittel zur Verfügung stellen

 

Oberlandstallmeister Dr. h. c. Gustav Rau, der Leiter der Zentralkommission für Leistungsprüfungen von Warm- und Kaltblutpferden und Vorsitzender des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei, hat es als Ehrenaufgabe sämtlicher westdeutschen Stellen bezeichnet, alles zu tun, um die Reste der berühmten ostpreußischen Warmblutzucht Trakehner Abstammung, die sich in die Bundesrepublik retten konnte, zu erhalten.

 

Der Verband der Züchter des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung hat es sich zur Aufgabe gestellt, einerseits die Reste der weltberühmten ostpreußischen Zucht im Bundesgebiet wieder zu sammeln, und andererseits sämtliche Maßnahmen zu treffen, um das wertvolle Blut der ostpreußischen Warmblutzucht Trakehner Abstammung zu erhalten. Der Jahresbericht 1949 besagt, dass dieser Verband 544 Mitglieder mit 59 Hengsten und 776 eingetragenen Mutterstuten, fast ausschließlich im Treck auf das härteste erprobt, wieder zusammenfassen konnte. Zu dem Kernbestand kommt noch der Nachwuchs. Da eine Reihe von Züchtern aus wirtschaftlicher Not ihr gutes Zuchtmaterial nicht mehr halten konnten, ist der Verband dazu übergegangen, von diesen Pferdebesitzern die Pferde auf Verbandskosten aufzukaufen. Nach dem Jahresbericht besaß der Verband acht Hengste, dreißig Stuten, neun Zweijährige, siebzehn Jährlinge, die in gemeinsamen Zuchtstätten Hunnesrück (Niedersachsen), Schmoel und Rantzau (Schleswig-Holstein) und in Mansbach (Hessen) zusammengezogen sind.

 

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Bundesrat haben im Einverständnis mit den Ländervertretungen dem Ernährungsausschuss des Bundestages die Unterstützung der ostpreußischen Pferdezucht im Bundesgebiet mehrmals empfohlen. Die beabsichtigte Zusammenfassung der Reste der ostpreußischen Warmblutzucht Trakehner Abstammung auf einer hessischen Staatsdomäne ist bisher immer wieder an der Finanzierungsfrage gescheitert. Das Bundesfinanzministerium soll keine Möglichkeiten sehen, die für die Unterstützung notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.

 

Die zunehmende Not der früheren ostpreußischen Züchter zwingt in erhöhtem Maße diese Pferdebesitzer, ihre Pferde abzustoßen. Der Verband der Züchter des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung ist bei den gegebenen Verhältnissen nicht in der Lage, weitere Aufkäufe vorzunehmen und trägt sich daher mit dem Gedanken, einen großen Teil der Trakehner Pferde ins Ausland zu verkaufen.

 

Bei der Frankfurter DLG-Ausstellung verhandelten Vertreter der polnischen Regierung über den Ankauf von zunächst hundert Zuchtstuten Trakehner Abstammung. Trotz aller Bestrebungen, die Zucht zu erhalten, wird sich der Verband dazu entschließen müssen, fünfzig Zuchtstuten an Polen abzugeben.

 

In diesem Jahre wurde durch die Im- und Export GmbH. Hannover über den Verband der Züchter des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung eine 8jährige ostpreußische Rappstute „Barbarina" (Besitzer Langfeld-Krös in Holstein) nach Venezuela verkauft. Zu weiteren Verkäufen konnte der Verband sich damals im Interesse des Aufbaus nicht entschließen, da er die Hoffnung hatte, in Mansbach (Hessen) eine zentrale Zuchtstätte errichten zu können. In den letzten Jahren wurden zehn ostpreußische Stuten nach Schweden verkauft, wo das ostpreußische Warmblutpferd besonders geschätzt ist.

 

Es wäre wünschenswert, wenn sich die zuständigen Stellen doch noch in letzter Stunde zu Maßnahmen entschließen könnten, die den Ausverkauf der Reste der ostpreußischen Warmblutzucht verhindern. Und dies um so mehr, als wirklich auf das härteste erprobtes Material nur noch zuchtmäßig von der einst berühmten und größten Pferdezucht Deutschlands übriggeblieben ist, und dieses Blut auf keinen Fall verlorengehen darf.

 

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