Ostpreußische Nachrichten, Folge 04 vom November 1952

Seite 1   Heimatvertriebene aus der Sowjetzone appellieren. „Gebt uns geistige und seelische Stärkung“

 Von einer illegalen Gruppe der Heimatvertriebenen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands kam dieser Tage ein Aufruf an den Vorsitzenden des Verbandes der Landsmannschaften (VdL) und Sprecher der Sudetendeutschen, Dr. Rudolf Lodgman von Auen, mit der Bitte um Veröffentlichung. Wir kommen dem Wunsche dieser Gruppe nach und veröffentlichen ihren Appell an alle Heimatvertriebenen In der Bundesrepublik:

Systematisch wurde von den östlichen Machthabern die Isolierung ihrer Zone von und südöstlichen Deutschlands, welche von der Regierung der sogenannten DDR großzügig verschenkt wurden, mussten aus der Öffentlichkeit verschwinden. Eine besonders durchdachte Ausrottung des Heimatgefühls betreibt man an den Nachkommen der Vertriebenen, an den Schulen der Sowjetzone. Eine Geschichtsfälschung größten Stils wurde fabriziert. Alle Dokumente deutscher Siedlergeschichte wurden zum Teil totgeschwiegen. Ja, man verleitet die Kinder zum Verrat an den Eltern. Viele Vertriebene in der Sowjetzone haben von der Existenz der Landsmannschaften und Vertriebenenorganisationen und deren Kampf um die Rückkehr in die alte, angestammte Heimat, keine Ahnung. Sie leben in dem Glauben, dass das begangene Unrecht von dem größten Teil der

15 Millionen Vertriebenen schon vergessen sei und verlieren so den Glauben an Recht und Gerechtigkeit.

 

Wir bitten Euch, Heimatvertriebene der Bundesrepublik, schließt Euch zusammen, verstärkt den Kampf für die Rückkehr In die alte Heimat, stellt die Aktionseinheit der Heimatvertriebenen her, werdet für uns zum Sprecher der Freien Welt.

 

Gebt uns seelische und geistige Stärkung, lasst uns wissen um den Kampf unserer Landsleute in der Bundesrepublik, deshalb gebt uns laufend und regelmäßig Rundfunksendungen über RIAS-Berlin, welche von der Tätigkeit und dem Kampf der Landsmannschaften in der Bundesrepublik ausführlich berichten.

 

Dieser Appell an alle Heimatvertriebenen und Entrechteten in der Bundesrepublik Deutschland mit der Forderung auf Rundfunksendungen für die Vertriebenen in der Sowjetzone wurde verfasst im Namen der mehr als drei Millionen Heimatvertriebenen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands.

 

 

Seite 2   Portrait des Monats. Mit Foto. Professor Ernst Otto

 Professor Ernst Otto sieht man seine 75 Jahre nicht an, wenn man Ihm am Katheder der Berliner Freien Universität oder vor seiner Lichterfelder Wohnung trifft. Seine Rüstigkeit verblüfft. Denn dieser mittelgroße Mann mit der randlosen Brille kann aus seinem langen Leben viel Interessantes erzählen. Aber das für uns Bemerkenswerteste ist doch die Tatsache, dass er geborener Brandenburger ist und 20 Jahre seines Schaffens in Prag, an der dortigen Universität, verbracht hat. Professor Otto darf also als ein Exponent der Verbundenheit Berlins mit dem sudetendeutschen und böhmisch-mährischen Raum bezeichnet werden.

 

Als er im Jahre 1925 als ordentlicher Professor der Pädagogik nach Prag berufen wurde, war er achtundvierzig Jahre. Seine sprachwissenschaftlichen und pädagogischen Arbeiten verschafften ihm, der vorher schon in Marburg als ordentlicher Honorarprofessor und in Frankfurt a. M. als Dozent tätig war, einen Ruf über die Grenzen Deutschlands.

 

Während seiner Prager Tätigkeit verfasste er weitere wissenschaftliche Werke, so u. a. die „Allgemeine Erziehungslehre" und die „Allgemeine Unterrichtslehre". Aber außerdem hatte er In enger Verbindung mit der Deutschen Universität in Prag, der Lehrerschaft, den führenden kulturellen und Wirtschaftskreisen des Deutschtums in Böhmen und Mähren und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Pestalozzi-Gesellschaft die Deutsche Pädagogische Akademie in Prag ins Leben gerufen. Er gründete in der Metropole an der Moldau auch die Kant-Gesellschaft, die mit der Brentano-Gesellschaft zu einem Kulturkreis eigener Prägung erweitert wurde.

 

Bald zählte der Deutsche Kulturverband In Böhmen-Mähren Professor Otto zu seinen aktivsten Mitgliedern. „Als Universitätsprofessor konnte man manches harte und klare Wort sagen", meinte er lächelnd, „die Tschechen hatten eine ganz schöne Hochachtung von unserer Art Spezie." Die lebendige sudetendeutsche Kulturarbeit regte ihn zu weiteren Arbeiten an. In den philosophischen Abhandlungen „Wirklichkeit, Sprechen und Sprachsymbolik" Ist der Einfluss des Kulturkreises um Brehm, Kolbenheyer usw. deutlich zu spüren. 1932 wählte die philosophische Fakultät Prof. Otto zum Dekan, 1938 die Universität Prag zum Rektor. Und er blieb der letzte ordentlich gewählte Rektor dieser alten Universität. Seine braunen Nachfolger hielten nichts von Wahlen.

 

1945 kam er mit Frau und zwei Koffern nach Berlin und fing wieder von vorn an, wie wir alle. „Ich bin immer noch eng mit dem Sudetenraum verbunden", sagt er uns zum Abschluss. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft dankte es ihm mit der Ehrenmitgliedschaft.

 

 

Seite 4   Wie sieht es heute in der Heimat aus? Ein Blick hinter den Eisernen Vorhang

Foto: Pillkallen, Ostpreußen, heute: Tilsiter Straße

Foto: Danzig heute: Fischmarkt


Wie aus polnischen Quellen hervorgeht, sind die deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße zu einem Lande der Zwangsarbeitslager und Gefängnisse geworden. Von insgesamt rund 30 Zwangsarbeitslagern im gesamten polnischen Herrschaftsgebiet befinden sich gegenwärtig nicht weniger als die Hälfte in Pommern, Schlesien und Ostpreußen. Von den wichtigsten 50 Gefängnissen sind 24 ebenfalls in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße gelegen. Die Gesamtzahl der Insassen der Gefängnisse und Lager wird auf 300 000 - 400 000 geschätzt

.

Im Gefängnis in Breslau herrschten derartige menschenunwürdige Verhältnisse, dass die Gefangenen nur durch einen Hungerstreik ihre elende Lage verbessern zu können hofften. Seitens der Gefängnisverwaltung wurde jedoch darauf mit einer Reihe von Terrormaßnahmen geantwortet, wobei einige Häftlinge getötet und eine Anzahl verletzt wurden.

 

 

Seite 4   Ostpreußen ohne Leben

 Verschieden sind die Menschen, die aus Ostpreußen berichten. Verschieden sind auch ihre Berichte. Nur der Inhalt von allen Berichten ist gleich. Ostpreußen, einst die Kornkammer Deutschlands, liegt brach. Selbst die polnische Presse berichtet von verödeten Bauernhöfen, schlechten Getreideernten, zerfallenden Städten. Ein Heimkehrerbericht aus Königsberg, einst eine der malerischsten Städte Deutschlands, bestätigt, was tausende vor ihm berichteten. Dreck, Schutt und Trümmer, wo früher Häuser standen, trostloses Grau anstelle von Grünanlagen. Mehr Ratten als Menschen. Die kleinen Gassen, die charakteristisch für Königsberg waren, weil es deren so viele gab, liegen still und tot wie Gräber, ein paar Deutsche soll es dazwischen noch geben, eine Handvoll Menschen, die illegal dahinvegetieren. Das Banditenunwesen steigert sich in noch nie dagewesenen Ausmaßen. Es wimmelt von Soldaten und uniformierten Beamten. Scharf ist der Kontrast zwischen den

Ordenbehangenden Uniformen und den zerlumpten Passanten, zwischen den staatlichen Konsumläden, deren reiche Auslagen aufreizend auf hungrige Mägen wirken und deren Inhalt nur für eine bestimmte Schicht zu haben ist.

 

Weite Strecken des einst so fruchtbaren Landes sind seit 1945 nicht mehr bestellt worden. Die schlechte Ernte und der heruntergekommene Zustand der Felder ist hauptsächlich auf den Landarbeitermangel zurückzuführen. Die Polen haben wenig Interesse daran, ins Ungewisse, wie sie es nennen, zu ziehen. Sie sind der Meinung, lange können wir doch nicht bleiben, denn die Deutschen kommen ja einmal zurück.

 

 

Seite 4   1000 Liegnitzer Häuser werden abgebrochen

 „In Liegnitz werden alle defekten Häuser abgebrochen, ca. 1000, und die Ziegel werden verladen", heißt es in einem kürzlich aus dieser niederschlesischen Stadt eingetroffenen Brief. Neue Ziegelsteine werden nicht mehr gebrannt, denn allein 18 Ziegeleien der Umgegend sind Ruinen. Nur die Kodersdorfer Werke, Pfaffendorf und Kunitzer Weiche arbeiten noch, jedoch werden dort lediglich Dachziegel hergestellt. „Wir möchten so gerne fort von hier, denn in Liegnitz ist es nicht mehr schön, überall liegen große Dreckhaufen, auf dem Platz vor unserem Haus ist eine Schuttabladestelle". In einem anderen Brief aus Liegnitz heißt es: „Wie Sie sehen, sind wir noch hier, aber seelisch und körperlich kaputt".

 

 

Seite 4   Dr. Kather legte Parteiämter nieder

 Der Vorsitzende des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen (ZvD) und Vorsitzende des vorläufigen Präsidiums des Bundes der vertriebenen Deutschen (BVD), Bundestagsabgeordneter Dr. Linus Kather , hat, wie die Pressestelle des ZvD/BVD meldet, dem Parteivorsitzenden der CDU, Bundeskanzler Dr. Adenauer, in einem Schreiben mitgeteilt, dass er sämtliche Parteiämter, mit Ausnahme des Bundestagsmandates, niederlege. Als Begründung führt Dr. Kather in erster Linie an, dass es die Partei trotz seiner angestrengten Bemühungen an der nötigen Aktivität zur Beschleunigung der Durchführung und Durchsetzung von Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes habe fehlen lassen.

 

Dr. Kather hatte in der CDU folgende Ämter inne: Er war Mitglied des Vorstandes und des Parteiausschusses, Vorsitzender des Bundesvertriebenenausschusses und des Landesverbandes Oder-Neiße.

 

 

Seite 5   Franz Sikora – einer von uns. Bild: Sikora, Land unterm Kreuz

 Wenn wir uns heute mit dem oberschlesischen Maler Franz Sikora beschäftigen, dann nicht etwa, weil seine Heimat auch die unsere ist, sondern well er ein weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannter Künstler ist.

 

Sikora hat eine ganz eigene Art, in Bildern zu sprechen, den Beschauer vor Probleme zu stellen, ihn zu fesseln. Selbst ein kleines Aquarell von ihm, das nichts weiter zeigt, als ein paar zerrissene, ausgetretene Schuhe, Ist so ausdrucksstark, dass es die ganze Geschichte des unbekannten Trägers zu erzählen scheint. Als Meister der Porträtmalerei, einer besonders schwierigen, nur von wenigen gemeisterten Kunst, hat er Kumpels und Direktoren, Frauen und Bettler gemalt. Sikoras starkes Einfühlungsvermögen i n den anderen Menschen, in dessen persönliche Eigenarten, ferner die gute Verteilung von Licht und Schatten, und besonders volle Farben haben Bildwerke ganz eigener Lebendigkeit entstehen lassen.

 

Besondere Anerkennung fanden seine Werke in Holland und Belgien, und die durch ihn im Jahre 1928 ins Leben gerufene „Kattowitzer Künstlergruppe" trug viel dazu bei, die deutsche Kunst auch in den Polen zugefallenen deutschen Landesteilen lebendig zu erhalten. Innerhalb dieser, von ihm geschaffenen Künstlergruppe, war Franz Sikora nicht nur der wohl Begabteste, sondern auch einer der aktivsten. Die Bilder aus dieser Zeit, vorwiegend oberschlesische Landschaften, offenbaren seine durchaus bodenständige, aber dennoch tiefgründige Kunst, die durch die Problematik der Themen zu besonderer Geltung kommt.

 

Ein paar Worte zu dem Lebenslauf des Künstlers: Franz Sikora wurde in Lipine, Kr . Beuthen, als Sohn eines Hüttenmeisters geboren und wuchs mit neun Geschwistern auf. Nach dem ersten Weltkrieg, in dem er schwer verwundet wurde, führten ihn Studienreisen nach Holland, Wien und Paris. Die Katastrophe des zweiten Weltkrieges verschlug ihn Anfang 1945 nach Jena, 1950 flüchtete er nach Berlin.

 

Als die Polen 1945 in seinem Heimatort einzogen, galt ihre erste Sorge der Sicherstellung sämtlicher Arbeiten Sikoras, deren sie habhaft werden konnten. Eine Spezialabteilung verlud sorgfältig jedes Gemälde, jede einzelne Skizze. Fast alle seine früheren Bilder, etwa 300 Ölgemälde und Aquarelle, zahllose Skizzen und Zeichnungen, sind dem Künstler dort geraubt worden. Man wusste in Polen, wer Franz Sikora war. Schon lange Zeit vor dem Kriege hatte man ihm Angebote gemacht, Pole zu werden, mit unwahrscheinlich hohen finanziellen Versprechungen. Er blieb Deutscher.

 

Die Resonanz jedoch, die seinem Können zustehen sollte, die hat er hier in Berlin noch nicht gefunden. Sollte es unmöglich sein, eine Sikora-Ausstellung in Berlin zustande zu bringen? Sollte es daran liegen, dass er dem Surrealismus so ablehnend gegenübersteht? Gibt es In Westberlin keine Verdienstmöglichkeit für einen solchen Künstler.

 

 

Seite 5   Wann kehren unsere Kriegsgefangenen heim?

 Wann endlich wird die Stunde der Freiheit schlagen? So fragen noch heute — sieben Jahre nach Kriegsende — Millionen deutscher Männer und Frauen, die als Gefangene, Verschleppte und „Kriegsverbrecher" hinter Stacheldraht einem ungewissen Schicksal entgegen leben. Dürfen wir sie vergessen? Dürfen wir an ihrem Schicksal teilnahmslos vorübergehen? Nein, und abermals nein! Als am Abend des 19. Oktober die Glocken der deutschen Dome die „Woche der Treue", die Kriegsgefangenen- Woche, einläuteten, da sollten und wollten sie alle die Lauen im Lande aufrütteln, sie daran erinnern, dass noch immer unzählige deutsche Brüder und Schwestern den Tag der Befreiung ersehnen, und dass ihr Schicksal mit unserem eigenen eng verknüpft ist.

 

Gerade wir Heimatvertriebenen, die w ir selbst durch Jahre der Not und des Elends gegangen sind, werden uns immer den noch Gefangenen besonders eng verbunden fühlen. Wir haben selbst erfahren, was es heißt, Heimat, Haus und Hof entbehren zu müssen.

 

Worum geht es denn? Es ist doch nicht damit getan, dass man Gedenkfeiern veranstaltet. Die Angehörigen, vor allem die Mütter und Frauen, werden sowieso niemals die immer noch nicht Heimgekehrten vergessen. Aber unser ganzes Volk muss sich endlich darüber klar werden, dass die Beendigung dieses schreienden Unrechts eine Ehrensache des ganzen Volkes ist. Wir müssen der Welt immer wieder zurufen und einhämmern, dass von einer Gleichberechtigung des deutschen Volkes so lange keine Rede sein kann, wie diese brennende Frage der Kriegsgefangenen und Verschleppten nicht bereinigt ist!

 

Aber darüber hinaus müssen wir auch den Gefangenen selbst in ihrer seelischen und körperlichen Not Stärkung und Zuversicht geben. Nachrichten und Päckchen können sichtbare Zeugen dieser engen Verbundenheit sein. Und die Fürsorge für die Angehörigen der Gefangenen wird diesen manche seelische Sorgen vom Herzen nehmen. Wer selbst jahrelang als Kriegsgefangener hinter Stacheldraht im fernen Osten gesessen hat, der weiß am besten, mit welcher Sehnsucht, mit welcher Freude jedes kleinste Lebenszeichen aus der Heimat begrüßt wird.

 

Die „Woche der Treue", die vom 20. bis 26. Oktober im ganzen Bundesgebiet und in Westberlin stattfand, sollte das mahnende Gewissen gegen Gleichgültigkeit und Gewöhnung, gegen Teilnahmslosigkeit und Vergessen sein. Sie hat diesen Zweck zweifellos erfüllt, und ihr fordernder Ruf wird auch im Ausland gehört und verstanden worden sein.

 

Die Kundgebungen in Westberlin haben im besonderen eindringlich gezeigt, dass man hier, wo Not und Elend der Gefangenen und Vertriebenen täglich besonders sinnfällig in Erscheinung treten, sehr wohl weiß, wie schwer das Schicksal der auf ihre Heimkehr Wartenden ist. Die Beteiligung der gesamten Bevölkerung, die Eintragungen in die ausgelegten „Treue-Listen", der eindrucksvolle Schweigemarsch zum Mahnmal auf dem Kreuzberg und die dort veranstaltete Schlusskundgebung waren beredtes Bekenntnis zu gemeinsamem Schicksal.

 

Die Heimatvertriebenen in Berlin haben hierbei nicht abseits gestanden. Als äußeres Kennzeichen ihrer engen Verbundenheit mit allen in Gefangenschaft und Verbannung Schmachtenden wehten In der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche am Haus der ostdeutschen Heimat die trauerumflorten Fahnen unserer ostdeutschen Heimat.

 

 

Seite 6   Wir suchen

 Melker Karl Weiß, geb. 25. September 1898 in Wesselbruk, Kreis Pr.-Eylau, früher wohnhaft in Bieberswalde, Kr. Osterode, später Magergut bei Brückendorf, Kr. Neidenburg, Ostpreußen

 

Friedrich Danilowski, aus Osterode, Ostpreußen, Schillerstr. 8, vermisst seit 1945.

 

Kinder Schmolla, früher Osterode, Ostpreußen, Wilhelmstraße, suchen ihre Eltern.

 

Wer kann Auskunft geben über Wilhelm Schwanke, Klein Schläfken, Kr. Neidenburg, Ostpreußen

 

Gesucht wird Anneliese Beckherrn, aus Königsberg, Ostpreußen, etwa 40 Jahre alt, Eltern haben in Königsberg gewohnt, Vater pensionierter Militär.

 

Landwirt Alfred Dargel, geb. am 21. Dezember 1921 in Rosengart, Kr. Heilsberg, Ostpreußen.

 

Meldungen sind an die Geschäftsstelle der Landsmannschaft Ostpreußen, Berlin-Charlottenburg 9, Kaiserdamm 83, zu richten.

 

 

Seite 6   Unsere Toten

 Am 5. Oktober 1952, verstarb unser Mitglied Franz Jeschinak, geb. am 19. Februar 1863 in Monethen, Kr. Johannisburg, Ostpreußen. Er folgte seiner Frau Amalie, geb. Joswig, die von Feindeshand 1945 umgebracht worden ist, sowie seinem Enkel, der 1941 gefallen ist. Er wohnte bei seinen Kindern Johann und Minna Jeschinak, Berlin-Wilmersdorf, Bregenzer Straße 3. Trotz seines hohen Alters besuchte er öfter Kreistreffen seines Heimatkreises.

 

Am 22. Oktober 1952 verstarb unsere Landsmännin Elisa Schiller, geb. Becker, geboren am 01.05.1871, früher wohnhaft Ortelsburg (Ostpreußen). Sie wohnte bei ihrer Tochter Frau Bukowski, Berlin-Reinickendorf, Mickestraße 2.

  

 

Seite 6   Tilsiter feiern vierhundertjähriges Bestehen. Aus der Chronik der alten deutschen Stadt von E. Gaedtke

 Anlässlich der 400-Jahrfeier für die Stadt Tilsit, die die Berliner Tilsiter am 2. November feiern, bringen wir eine Darstellung der Tilsiter Stadtchronik.  

Die Stadt verdankt ihr Dasein strategischen Erwägungen des Deutschen Ritterordens. Dieser erwartete seit der Verheiratung des Großfürsten Jagello von Litauen mit Königin Hedwig von Polen einen polnisch-litauischen Ansturm und vermutete ihn aus dem Nordosten kommend, also auf die Landschaft Schalauen treffend. Die 1289 begründete Burg Landeshut, später Burg Ragnit genannt, wurde mehrmals während der andauernden Kämpfe des Ordens gegen die Litauer zerstört, aber jedes mal wieder stärker aufgebaut. Trotzdem erschien dem Orden die Burg Ragnit zum Schutz der Memelübergänge nicht ausreichend. So entschied man sich unter den Hochmeistern Konrad und Ulrich von Jungingen ein „Neues Haus" am Einfluss der Tilsete in die Memel zu errichten. Die Burg „Neuhaus" wurde 1407 bis 1409 erbaut und bald nach dem Bach und der Landschaft Schloss Tilse genannt. Tilse hieß auch der spätere Marktflecken und die Stadt bis 1850. Der gefürchtete große Krieg war gekommen, doch nicht längs der Memel, sondern über die ungeschützte Südgrenze war der Ansturm erfolgt. Schloss Tilsit schien diesmal vom Kriege unberührt geblieben zu sein. Da fielen 1412 trotz des bereits geschlossenen Friedens die Szameiten in Schalauen ein, dabei wurde das Schloss Tilsit durchbrannt, teilweise zerstört. Als 1422 durch den Frieden am Mellnowsee die Grenze zwischen Preußen und Litauen endgültig festgesetzt wurde, bahnte sich nach mehr als einem Jahrhundert andauernder Kämpfe mit dem benachbarten Litauen ein normal nachbarlicher Verkehr an. Nach Wiederinstandsetzung des Schlosses Tilsit siedelten sich im Schutze desselben deutsche Gewerbetreibende Siedler an, aber erst um das Jahr 1500 der erste Krüger (Georg Brendel). Dieser erste, alte Krug hatte damals eine volkswirtschaftlich wesentliche Bedeutung, weil er zugleich Markt- und Handelszentrale war und der Inhaber ein gewandter Kaufmann sein musste. Als der letzte Ordenshochmeister, Markgraf Albrecht v. Brandenburg, späterer Herzog von Preußen, Tilsit besuchte, fand er die Siedlung bei einer brauchbaren Memelauffahrt geeignet zur Schaffung eines Markt- und

Handelsplatzes und begründete ihn planmäßig, indem er 2 Hauptstraßen, die Deutsche Straße und die Querstraße (die heutige Packhofstraße) und deren Breite festsetzte und dem Flecken Marktrecht gab. Nachdem nun einmal die verkehrsgünstige Lage Tilsits entdeckt war, entwickelte sich der Marktflecken für die damalige Zeit überraschend schnell, so dass Herzog Albrecht Tilsit entsprechend seiner Bedeutung als Marktort unterm 2. November 1552 Stadt- und Handelsgerechtsame gab und ein Stadtwappen verlieh. Gebieter über die Stadt waren wie zuvor die Amts-Hauptleute, die ihren Sitz im Schloss hatten. Die bequemste Verkehrs- und Handelsstraße bildete die Memel und ihre Mündungsarme. Aber das Handelsrecht war nur ein beschränktes, das die Stadt bekam. So durften Waren stromabwärts zunächst nur nach Königsberg geführt werden. Trotzdem aber wurde Tilsit fortan ein wichtiger Handelsplatz, denn von Danzig und Königsberg die Memel herauf kamen und wurden in Tilsit gespeichert oder nach Litauen geführt: Salz, Heringe, Tuche, Seidenzeuge, Eisen und Kramwaren. Aus Litauen brachten die Frachtkähne Hanf, Holz, Getreide, Leinensaat, Talg, Nüsse, Honig, Pottasche, Felle und Flachsbreche. Eine Brücke über die Memel gab es noch nicht, den Verkehr zwischen beiden Memelufern vermittelte eine Amts- und eine Stadtfähre. Noch waren die Straßen der Stadt nicht gepflastert und die meisten Wohngebäude waren Füllholzbauten mit Stroh- und Schindeldächern. Markgraf Georg Friedrich begründete 1586 in Tilsit eine Lateinschule, späteres Gymnasium — 2 Elementarschulen bestanden bereits — die auf die 1544 In Königsberg gegründete Universität vorbereiten sollte. 1562 (unleserlich. Abschreiber hat sich verschrieben).Im Jahre 1562 wurde der Tilsetebach zum Teich (heutiger Mühlenteich) aufgestaut, wodurch das Stadtbild eine wesentliche Veränderung erfuhr.  

Tilsit hatte schon in der vorreformatorischen Zeit eine Kirche, an derselben Stelle wurde die Deutsche Ordenskirche erbaut und am 16. Juli 1610 eingeweiht. Der Turmhelm wurde 1696 bis 1699 hinzugefügt. Am 11. Juli 1699 konnten Knopf und Fahne mit dem Kurbrandenburgischen Adler verziert, aufgebracht werden. Der Turm, dessen oberer Teil auf 8 Kugeln ruht, bildet seither Tilsits Wahrzeichen. Beim Schwedeneinfall in Ostpreußen im Jahre 1678 wurde Tilsit besetzt und auf der Westseite von den Schweden durch Errichtung von Wall und Graben vom Teich bis zur Memel befestigt. Angstvolle Tage durchlebte damals in der Schwedenzeit die Stadt. Als durch den berühmten Winterfeldzug des Großen Kurfürsten die Schweden am 30. Januar 1679 fluchtartig Tilsit räumen mussten, war die Stadt gerettet. Den schwedischen Schlosshauptleuten in Tilsit und Ragnit schenkte der Große Kurfürst nach ihrer Kapitulation die Freiheit. Sie hatten die beiden Städte vor schwedischer Brandschatzung bewahrt. Der Kurfürst verlieh der Stadt Tilsit auch freies, also unbeschränktes Handelsrecht. Dazu folgten segensreiche Friedensjahre. Der Wohlstand der Stadt hob sich ???? bedeutend. Dieser Umstand kam im Stadtbild zum Ausdruck. Die Stadt begann ihre Straßen zu pflastern und die Deutsche Straße gestaltete sich durch entstehende Barockbauten zur repräsentativsten Straße der Stadt. Langsam wuchs in allen Straßen die Zahl der ziegelgefachten oder gar völlig in Mauersteinen hergestellten, mit Dachziegeln gedeckte Wohngebäude. Wohlhabende Bürger begründeten zahlreiche wohltätige Stiftungen. Die Stadt wurde in Ostpreußen in die Städte erster Klasse eingefügt und durfte als solche 12 Mitglieder (Ratsherren) Im Magistrat haben. Die Befugnisse der Schlosshauptleute waren nach und nach auf den Magistrat übergegangen. Tilsit hatte um das Jahr 1700 rund 5000 Einwohner. Kurfürst Friedrich Wilhelm III. ordnete im Jahr 1698 ein dem Hofpostamt in Berlin unterstelltes Postamt Tilsit an, dass von einem Postmeister verwaltet wurde. Unterbrochen wurde das empor blühen der Stadt Im September 1709 durch den „schwarzen Tod", der Tilsit trotz aller Vorsichts- und Absperrmaßnahmen heimsuchte. Erst im Oktober 1710 räumte die Pest den Schauplatz. Etwa die Hälfte aller Einwohner waren ihr zum Opfer gefallen. Als erste Maßnahme zur Erholung der Stadt legte 1716 der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. 700 Reiter in Garnison (als nachmaliges Dragonerregiment Nr. 1) bekannt.

Fortsetzung folgt

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