Ostpreußen-Warte, Folge 07 vom Juli 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 07 vom Juli 1956

 

Seite 1   Foto: OW-Archiv. Dies Lad bleibt deutsch – Marienburg Abstimmungsdenkmal

 

Seite 1   Aktive Ostpolitik  - das Gebot der Stunde. Wie lange sollen wir noch Geduld haben?

Ausländische Beobachter haben in ihren Berichten über die Gedenkfeiern zum Aufstand des 17. Juni 1953 bemerkt, dass es auch diesmal nicht zu flammenden Demonstrationen für die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes gekommen sei. Aufgefallen ist jedoch die wachsende Ungeduld, mit der immer mehr Politiker in der Bundesrepublik nach einer aktiven Ostpolitik rufen. Bundeskanzler Dr. Adenauer kündigte denn auch auf einer Pressekonferenz, die er nach seiner Rückkehr aus Amerika am 18. Juni in Bonn abhielt, eine neue Initiative der Bundesregierung in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands an, der Tenor seiner in den USA gehaltenen Reden war jedoch ganz eindeutig auf die Beibehaltung der bisherigen Untätigkeit abgestimmt.

 

So appellierte er noch am letzten Tag seines USA-Aufenthaltes an den Westen, in der Auseinandersetzung mit dem Osten nicht die Geduld zu verlieren und nicht auf rasche Erfolge zu hoffen. Derjenige, der warten kann, so meinte Dr. Adenauer, habe den Erfolg auf seiner Seite. In der gleichen Rede legte er sich nochmals darauf fest, dass die Bundesregierung nicht allein mit den Sowjets über die Wiedervereinigung verhandeln werde.

 

Diese mit einer Aufforderung zur Resignation gleichzusetzende Haltung des Bundeskanzlers war allen seinen Reden zu entnehmen. Es hat fast den Anschein, als ob er mit all seiner Zähigkeit und seinem Starrsinn — Eigenschaften, die ihm zu einer Machtstellung ohnegleichen verholten haben — seinen Partnern eine politische Weltsituation zu suggerieren versuchte, die nicht mehr vorhanden ist.

 

Dr. Adenauer verdankt seine große Anerkennung, die er auch heute noch in den USA genießt, der Zeit des koreanischen Krieges. Damals ist die Bundesrepublik für die USA und die übrige westliche Welt zu einem Faktor ersten Ranges geworden, denn sie wurde in den Planungen für die Abwehr eines erwarteten sowjetischen Angriffes hoch eingeschätzt. Die Wiedervereinigung trat bei allen politischen Erwägungen in den Hintergrund. Die Forderung danach wurde zwar aufrechterhalten, dass sie aber in absehbarer Zeit zu erreichen sei, glaubte damals kaum jemand.

 

Es war die Zeit der „Politik der Stärke", in der es darauf ankam, die Sowjetunion durch militärische Stärke von einem Angriff abzuhalten. Die NATO und die deutsche Wiederaufrüstung waren die Ergebnisse, die dieser Situation entsprangen. Dass sie nicht unerheblich zum Wiederaufstieg der Bundesrepublik beigetragen hat, ist eine Nebenerscheinung, die freilich gerade für uns nicht bedeutungslos ist. Diese Tatsache macht es auch verständlich, dass viele Leute versuchen, auch heute noch die Welt so zu sehen, wie sie damals war. Der Bundeskanzler gab sich jedenfalls in den USA dafür die redlichste Mühe.

 

Dass es bei diesem Stand der Dinge nicht zu einem Aufschrei, zu Massenkundgebungen für die Wiedervereinigung gekommen ist, ist verständlich. Es lag also nicht nur an der Bundesregierung, denn sie hätte keineswegs eine derartige Bewegung eindämmen können, wenn sie vorhanden gewesen wäre. Man würde sich selbst etwas vormachen, wollte man nicht erkennen, dass die Freude über die wiedergewonnenen Lebensgenüsse und die Abwehrstellung gegenüber dem Osten das verletzte Nationalgefühl überwucherten.

 

Dass dies kaum immer so bleiben dürfte, klang aus einigen Reden, die heuer am 17. Juni gehalten worden sind. Kein Geringerer als der Bundestagspräsident Gerstenmaier hat darauf hingewiesen, dass die gewaltsame Teilung Deutschlands geeignet sei, „dises Nationalgefühl von neuem zu verwunden und einen Mythos zu züchten, der zwar der Wiedervereinigung durchaus hinderlich, hingegen einer neuen gefährlichen Verdunkelung des geläuterten deutschen Nationalgefühls nur dienlich sein kann“. Es ist denn auch damit zu rechnen, dass die Deutschen eines schönen Tages ihre eigene nationale Lage mit dem ungeheuren Schwung vergleichen werden, mit dem die asiatischen und afrikanischen Völker ihre Selbständigkeit erringen und mit welcher Festigkeit sie ihre nationale Würde verteidigen. Wehe dann einer Bundesregierung, der nichts anderes einfällt, als zur Geduld zu mahnen. E. W.

 

Seite 1   Hohe Auszeichnung für Königsberger Stadtoberhaupt.

Bundespräsident Heuss hat dem ehemaligen Königsberger Oberbürgermeister Dr. Dr. Lohmeyer, der in den schweren Jahren nach dem ersten Weltkrieg die Geschicke der Stadt lenkte, das Großkreuz des Bundesverdienstordens verliehen.

 

Seite 1   Westpreußen in Hannover

Das Bundestreffen der Landsmannschaft Westpreußen findet am 7. und 8. Juli in Hannover statt. Am Abend des 7. Juli vereint ein Begrüßungsabend mit Darbietungen der Deutschen Jugend des Ostens und anschließendem Tanz die Teilnehmer. Nach Gottesdiensten für beide Konfessionen findet am Morgen des 8. Juli eine Kundgebung in der Halle 4 auf dem Messegelände statt. Die Grußworte spricht Erik von Witzleben. Die Festansprachen werden von Bundesminister Jakob Kaiser und Dr. Philipp von Bismarck gehalten. Nach einem anschließenden Platzkonzert treffen sich die Heimatkreise.

 

Ausführliche Veranstaltungsfolge sowie Verzeichnis der Treffpunkte der Heimatkreise im Innern des Blattes.

 

Seite 1   Das doppelte Recht auf Heimat

„Heimat" ist mehr als Geburtsland, umgebender, in langen Jahren vertraut gewordener Raum. Heimat ist eine Gemeinsamkeit des Menschen mit seinen Mitmenschen vor einem Landschaftshintergrund, der ihnen allen zugeordnet ist, ihnen allen gehört, dem sie alle angehören. Erst durch die Gemeinschaft wird ein Land, eine Stadt, ein Dorf erst zur Heimat: „Gemeinde" in seiner doppelten Bedeutung — Ortschaft und Gemeinschaft — schließt den Heimatbegriff in einem Worte ein.

 

Von dem damit gewonnenen geistigen Standort dieser Begriffsbestimmung muss auch die politische Forderung nach dem „Recht auf Heimat" definiert werden. Das Recht auf Heimat ist demnach ein Recht, einer Gemeinschaft innerhalb der Bannmeile einer Landschaft, die dieser Gemeinschaft zugeordnet ist, angehören zu können.

 

Daher müssen wir — im Hinblick auf das Problem der Heimatvertriebenen — ein doppeltes Heimatrecht vertreten: selbstverständlich das Recht auf den Bereich der lebensformenden Gemeinschaft in einer Landschaft ostwärts von Oder und Neiße und jenseits der Sudeten, der Heimat, die in der Arbeit der ostdeutschen Landsmannschaften unmittelbar lebendig und wirksam ist. Und zum zweiten das Recht auf eine geistige — nicht nur materielle — Eingliederung in den Raum der Gemeinschaft, in die der Heimatvertriebene nach dem furchtbaren Geschehen 1945 sich „hineinleben" muss.

 

Die Forderung nach dem Recht ist also nicht nur ein Anliegen, dessen sich die heute geschichtsbestimmenden Weltmächte in Ost und West bejahend oder verneinend annehmen können. Diese Forderung geht auch die Gemeinschaften im deutschen Westen selbst an, die die neuen Mitbürger aufnehmen müssen. Und es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass das Ausland die geistige Bewältigung dieser Aufgabe, die Erleichterung des „Heimatfindens“ der Ostdeutschen durch die einheimische, westdeutsche Bevölkerung zu einem Bewertungsmerkmal der Echtheit des deutschen Verlangens nach einer Verwirklichung des Heimatrechtes überhaupt machen wird.

Ein Recht wird eben immer aufgewogen durch eine Pflicht, oft auch durch mehrere Pflichten. Setzt die Verwirklichung des Heimatrechtes auf unserem bundesdeutschen Gebiet die Bereitschaft der Einheimischen voraus, die Tore der Städte, der Häuser und vor allem der Herzen weit aufzutun, so verlangt sie von den Heimatvertriebenen und den Flüchtlingen aus der Sowjetzone umgekehrt die innere Überwindung, über diese Schwellen, durch diese Tore vertrauensvoll zu schreiten — eine Überwindung, die den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen in den Jahren nach 1945 freilich oft sehr schwer gemacht worden ist.

 

Schon dieses wechselseitige Bemühen müsste eigentlich zur Grundlage einer umfassenderen Gemeinsamkeit werden, die wir von neuem verwirklichen müssen — die Gemeinschaft des deutschen Volkes, von der wir politisch wie geistig gleich weit entfernt zu sein scheinen. Im politischen Bereich sind wir weitgehend auf die anderen Mächte angewiesen. Im geistigen hingegen sind wir, wir Deutschen, zunächst selbst aufgerufen. Und wenn wir einen Schritt weitergehen wollen: So vorbereitet werden wir als Gemeinschaft aller Deutschen das Recht auf die alte Heimat im Osten mit bedeutend tieferer Begründung durchfechten können — mit innerer Berechtigung, im Bewusstsein, in der Zeit der großen Heimatlosigkeit sich als Heimatvertriebener wie als Heimatverbliebener vor dem deutschen Schicksal bewahrt zu haben.

 

 

Seite 2   Der letzte Monat

Bundeskanzler Dr. Adenauer nahm in Amerika seinen neunten Ehrendoktorhut in Empfang und wurde von den Milwaukee-Indianern zum Ehrenhäuptling ernannt. Dem plötzlich erkrankten Präsidenten Eisenhower konnte er nur einen Krankenbesuch von zehn Minuten Dauer abstatten.

 

Der jugoslawische Staatschef Tito wurde bei seinem Besuch in Moskau und anderen russischen Städten von der Bevölkerung mit einem Jubel begrüßt, wie ihn die Sowjetunion noch nie beim Besuch ausländischer Staatsmänner erlebte. Tito führte Gespräche über die Deutschlandfrage und über sein weiteres Verhalten gegenüber den Ostblockstaaten, betonte jedoch, dass sein Besuch Russlands die freundschaftlichen Beziehungen Jugoslawiens zu Amerika nicht trüben werde. Der amerikanische Senator McCarthy hatte die Einstellung der Hilfe für Jugoslawien verlangt.

 

Das Auslandshilfe-Gesetz für 1956/1957 wurde vom amerikanischen Repräsentantenhaus mit den Kürzungen verabschiedet, gegen die Präsident Eisenhower sich gewandt hatte. Danach sind statt der verlangten 4,9 Milliarden nur 3,8 Milliarden bewilligt.

 

Die diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion abzubrechen, soll Bundeskanzler Dr. Adenauer in vertraulichem Gespräch erwogen haben, nachdem der von ihm gesehene Zweck ihrer Aufnahme, die Heimkehr der Kriegsverurteilten, erreicht wurde. Die Minister von Brentano und Kaiser, so heißt es, widersetzen sich dem entschieden.

 

250 000 Menschen zogen 1955 aus der DDR in die Bundesrepublik. In der gleichen Zeit verlegten 32255 Personen aus der Bundesrepublik ihren Wohnsitz in die DDR.

 

Über Australien wurde eine Atomwolke festgestellt, die ihren Ursprung in dem letzten britischen Atomwaffenversuch hat. Sie zog jedoch in so großer Höhe über den Kontinent, dass sie keinen Schaden anrichten könne, gab der australische Versorgungsminister Howard Beale bekannt. Die Wetterämter waren allerdings zum Schweigen über diese Wolke verpflichtet worden.

 

Die bisher schwersten radioaktiven Regenfälle des Jahres sind in Nordjapan im Anschluss an die amerikanischen Atomversuche im Pazifik niedergegangen.

Bei weiterer Verstärkung der Atomversuche würden alle Menschen bis zum Jahre 1962 der höchstzulässigen Strahlungsmenge ausgesetzt sein, erklärte der amerikanische Atomphysiker Ralph Lapp. Das radioaktive Strontium kann von einer bestimmten Menge an Knochenkrebs verursachen. Tödliche Auswirkungen jedoch treten erst knapp 20 Jahre später ein.

 

Auf einer gemeinsamen Konferenz In Bonn beschlossen die Verbände des Roten Kreuzes in Westdeutschland und der Sowjetzone, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen und die Familienzusammenführung und den Suchdienst auszubauen.

 

Der ehemalige Ministerpräsident der polnischen Exilregierung, Mackiewicz, hat sich zur Rückkehr nach Polen entschlossen, weil er nicht mehr mit einer Hilfe der Westmächte für Polen rechne.

 

Der sowjetische Botschafter in der Bundesrepublik, Sorin, erklärte anlässlich eines Empfanges der ägyptischen Botschaft in Bonn, die Sowjetunion sei an der Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands nicht interessiert. Zu der von Adenauer angekündigten neuen Note zur Frage der Wiedervereinigung, die an die vier Großmächte gerichtet werden soll, sagte Sorin, man müsse abwarten, ob sie komme und was sie enthielte.

 

Kontrolle aufgehoben. — Künftig werden Besucher aus der Sowjetzone bei der Einreise in die Bundesrepublik grundsätzlich nicht mehr auf Bücher, Zeitungen und Zeitschriften kontrolliert, jedoch soll die Einfuhr von Schriften, „die schon mengenmäßig auf die Absicht einer Gefährdung der Staatssicherheit schließen lassen", nach wie vor unterbunden werden.

 

Pankow entließ 15 000 Häftlinge. — Die Sowjetzonen-Behörden haben bis zum 19. Juni rund 15 000 Häftlinge entlassen. Das geht aus einer am 21.06. vom SED-Zentralorgan „Neues Deutschland" veröffentlichten Erklärung des Sowjetzonen-Presseamtes hervor. Außerdem seien bisher 3308 der von den sowjetischen Organen übergebenen Kriegsverurteilten freigelassen worden. Bis zum Herbst sollen nach einer Ankündigung des SED-Sekretärs Ulbricht insgesamt 20 000 Häftlinge aus den Strafanstalten der Sowjetzone entlassen werden.

 

Die Präsidentin des Polnischen Roten Kreuzes, Frau Dr. Domanska, und der Generalsekretär der Organisation, Blizniewsky, hielten sich auf Einladung des Präsidenten des DRK, Dr. Weitz, in der Bundeshauptstadt auf. Bei dieser Gelegenheit dankte Dr. Weitz den polnischen Gästen für die korrekte Einhaltung der Vereinbarungen, auf Grund derer seit Beginn dieses Jahres in 24 Transporten 5275 Deutsche aus den polnisch besetzten Gebieten zu ihren Familienangehörigen in der Bundesrepublik umgesiedelt worden sind.

 

Seite 2   Dr. Kather wieder Vorsitzender des BVD

Gelsenkirchen. Auf der Jahreshauptversammlung des „Bundes der vertriebenen Deutschen“ (BVD) wurde eine Erweiterung des Gesamtvorstandes von bisher fünf auf sieben Mitglieder beschlossen. Damit will man die Geschlossenheit des Verbandes stärken. Dies erscheint notwendig, um „der Abwertung der Vertriebenenfragen auf dem Gebiet der Eingliederung und den Verzichtstendenzen auf heimatpolitischem Gebiet entgegenzuwirken". Daneben scheint man mit dieser Erweiterung zu beabsichtigen, die in letzter Zeit aufgetretenen Spannungen auszugleichen und jenen Landesverbänden ein stärkeres Mitspracherecht einzuräumen, von denen besonders starke Impulse für einen Zusammenschluss der beiden großen Vertriebenenverbände ausgehen. Der bisherige Vorsitzende, Dr. Linus Kather (BHE), wurde mit Stimmenmehrheit wiedergewählt. Die Wahl der gleichberechtigten Stellvertreter fiel auf die bisherigen Präsidiumsmitglieder Helmut Gossing (BHE), Dr. Karl Mocker (BHE), Alfred Ranocha (BHE), Reinhold Rehs (SPD), Josef Walter (BHE) und den Bundesschatzmeister Arthur Fink.

 

Die Jahresdelegiertenversammlung beschloss, die vom BVD vorgeschlagene und vom VdL im Grundsatz akzeptierte Zusammenarbeit der beiden Verbände mit dem Ziel eines baldigen Zusammenschlusses beider Organisationen voranzutreiben. Der Vorschlag des VdL-Vorsitzenden, zunächst einen nicht aus Mitgliedern beider Präsidien bestehenden Ausschuss zu schaffen, der die Möglichkeiten der Zusammenarbeit prüfen und diese selbst in die Wege leiten sollte, wurde angenommen. Darüber hinaus beschloss man, im Interesse der Heimatpolitik künftighin die kulturelle Tätigkeit des Verbandes auf allen Stufen und in allen Gremien auszuweiten und zu aktivieren.

 

Seite 2   Sendehaus geräumt

Berlin. Das seit 1945 unter sowjetischer Kontrolle stehende große Sendehaus der ehemaligen Reichsrundfunkgesellschaft in der Masurenallee in Charlottenburg wurde jetzt in aller Stille von den Sowjets dem Westberliner Senat zur Räumung angeboten. Bis 1952 war das Gebäude Sitz des kommunistischen Ostberliner Rundfunks. Eine Entscheidung über die Wiederverwendung des Hauses ist noch nicht gefallen. Der Regierende Bürgermeister Dr. Suhr möchte das Haus der Bundesregierung unter der Bedingung anbieten, dass darin der neue deutsche Langwellensender einzieht, um dessen Verlegung nach Berlin sich der Westberliner Senat seit langem bemüht.

 

 

Seite 2   Oder-Neiße keine endgültige Grenze

Erneute Stellungnahme des Vatikan.

Der „Osservatore Romano" wendet sich in einem Leitartikel auf der ersten Seite gegen neuerliche Versuche der polnischen Regierung, vom Vatikan die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie zu erreichen. Das Blatt berichtet, die polnische Regierung wünsche eine Neuabgrenzung der polnischen Diözesen entsprechend den „in Potsdam festgelegten neuen Grenzen". Der Vatikan stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass die Grenzen der Bistümer „nicht geändert werden, solange die neue Grenze nicht allgemein anerkannt ist. Die Oder-Neiße-Linie ist im juristischen Sinne keine Grenze, weil sie nicht allgemein durch einen internationalen Vertrag anerkannt ist. Tatsächlich nennen mehrere Länder — und nicht nur die Bonner Regierung — das Abkommen von Potsdam auch weiterhin nur eine provisorische Regelung“.

 

Deutsche erhalten ihr Eigentum zurück.

Wie die deutsche Presseagentur meldet, hat die rumänische Regierung beschlossen, rumänische Staatsangehörige deutscher und ungarischer Nationalität, deren Häuser und dazugehörende Grundstücke verstaatlicht worden sind, zu entschädigen. Ihnen soll entweder ihr früheres Eigentum zurückgegeben werden, oder sie sollen andere Häuser mit dem dazugehörigen Grundstück erhalten.

 

Angst vor der Wahrheit

Die polnischen Behörden in Ostpreußen drängen gegenwärtig Warschau, man möge schleunigst ein Verbot erlassen, das das Wandern mitteldeutscher Jugendgruppen in Ost- und Westpreußen untersage. Ausgelöst wurde dieses seltsame Begehren durch ein zwischen Pankow und Warschau geschlossenes Abkommen über den gemeinsamen Schüleraustausch. Danach sollen noch in diesem Jahr 1000 polnische Jugendliche in die Sowjetzone und 1000 Kinder mitteldeutscher Schulen in das polnische Machtbereich reisen. In Allenstein will man nun verhindern, dass die aus Mitteldeutschland kommenden Jugendlichen etwa die vorgesehenen Gemeinschaftsquartiere und Zeltlager in Ost- oder Westpreußen aufschlagen. Auch Wanderungen in diese Provinzen sollen nicht erlaubt sein, obwohl das Abkommen vorsieht; Beide Regierungen verpflichten sich, den einzelnen Gruppen alle landschaftlichen Gebiete ihres Landes durch Förderung des Wandergedankens und Stellens geeigneter heimatkundlicher Führer zu erschließen. „Anscheinend hat man in Allenstein Angst, dass die Kinder bei einem Besuch Ostpreußens sehr wohl wüssten, zu wem diese Provinzen wirklich gehören.

 

Bundestreffen der Westpreußen in Hannover. Veranstaltungsfolge.

Sonnabend, 7. Juli,

12.00 Uhr: Wiedersehenstreffen der westpreußischen Schornsteinfeger im Restaurant Pschorr-Bräu, Joachimstraße 1.

 

15.00 Uhr: Delegiertentagung der Landesgruppe Niedersachsen in den Casino-Gaststätten, Kurt-Schumacher-Straße.

 

20.00 Uhr: Begrüßungsabend in der Niedersachsenhalle mit Ansprachen unseres Sprechers Erik von Witzleben und des Herrn Oberbürgermeisters Weber sowie Darbietungen der DJO-Landesspielschar Niedersachsen. Anschließend Tanz.

 

Sonntag, 8. Juli,

8.00 Uhr: Evangelischer Gottesdienst in Gülzow).

 

8.00 Uhr Katholischer Gottesdienst in der St. Heinriche-Kirche, Geibelplatz (Prälat  Dr. Behrendt).

 

10.30 Uhr: Großkundgebung auf dem Messegelände, Halle 4

Grußwort: Erik von Witzleben

Ansprachen: Bundesminister Jakob Kaiser — Dr. Philipp von Bismarck

 

12 - 13.00 Uhr­: Platzkonzert auf dem Messegelände.

 

Ab 14.00 Uhr Heimatkreistreffen in den dafür vorgesehenen Lokalen

 

Treffpunkt der Heimatkreise

Bundestreffen der Westpreußen am 7/8. Juli in Hannover

Treffpunkte der Heimatkreise

Berent: Döhrener Maschpark

Briesen: Döhrener Maschpark

Bromberg: WüIfeler Biergarten

Danzig: Messegelände, Cantina Romana

Dirschau: Döhrener Maschpark

Elbing: Messegelände, Halle 4

Graudenz: Döhrener Maschpark

Karthaus: Döhrener Maschpark

Konitz: WüIfeler Biergarten

Kulm: Döhrener Maschpark

Marienburg: Messegelände, Hauptrestaurant

Marienwerder: Messegelände, Halle 4

Neumark: Döhrener Maschpark

Neustadt/Gotenhafen: Döhrener Maschpark

Pr. Stargard: Döhrener Maschpark

Rosenberg: Messegelände, Halle 4

Schweiz: Döhrener Maschpark

Strasburg: Döhrener Maschpark

Stuhm: Messegelände, Garten-Café

Thorn: Wülfeler Biergarten

Tuchel: WüIfeler Biergarten

Wirsitz: WüIfeler Biergarten

Zempelburg: WüIfeler Biergarten

Nach der Großkundgebung in Halle 4 besteht Straßenbahnverbindung zu den Heimatkreislokalen Döhrener Maschpark bis Peinerstraße und WüIfeler Biergarten bis Marthastraße vom Messegelände aus.

 

Seite 2   Heimat in den Herzen unvermindert lebendig. Katholischer Flüchtlingsrat appelliert an die Bundesregierung

Würzburg. In einer von Bundesminister a. D. Dr. Hans Lukaschek, Prälat Dr. Braun, Frau Cäcilia Schmauch und MdB. Hans Schütz unterzeichneten Entschließung richtete der Katholische Flüchtlingsrat bei einer Tagung in Würzburg im Namen von Millionen deutscher Vertriebener und Flüchtlinge katholischen Glaubens den dringenden Appell an die Bundesregierung, unermüdlich ihre Bemühungen fortzusetzen, dass die Frage der Wiedervereinigung des deutschen Volkes und der Verwirklichung des Heimatrechts der Vertriebenen in den angestammten Gebieten ehestens einer Lösung entgegengeführt werde. Der einmütige Protest der deutschen Heimatvertriebenen gegen verwirrende Auslassungen einiger Politiker des In- und Auslandes in jüngster Zeit zur Frage der deutschen Ostgebiete habe erneut bewiesen, dass die alte Heimat in den Herzen von Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen unvermindert lebendig geblieben sei. Mit Entschiedenheit weist der Katholische Flüchtlingsrat die Unterstellungen zurück, dass die spontanen Äußerungen echter Heimatliebe ein Ausfluss nationalistischer Tendenzen seien. „Sie sind in Wahrheit der Schrei vergewaltigter Volksmassen, denen durch willkürlichen Entzug des angestammten Lebensraumes schwerstes Unrecht zugefügt wurde", heißt es in der Entschließung wörtlich.

 

Seite 2   Pressespiegel

Auch nach Osten schauen

Gemeinschaft ist immer da, wo zugleich ja gesagt wird zur Freiheit und zum Verzicht. Das selbstherrliche Individuum des Westens und die willenlose Masse des Ostens verschmelzen in der Idee der Gemeinschaft zum in Freiheit gebundenen Menschen. Denn die beiden Extreme sind nur Entartungen. Schon einmal, als in Europa das Gemeinschaftsbewusstsein zu schwinden begann, war es ein deutscher Staat, der zeigte, welch eine ordnende Kraft in dieser Idee liegt. Es war Preußen. In diesem Staate dienten vom König bis zum letzten Bürger alle als große Gemeinschaft füreinander, und kein Staat der Gegenwart kennt solch eine Ehrfurcht vor dem Recht wie das Preußen jener Zeit. Preußen aber war nie ein rein deutscher Staat! Preußen war stets auch Heimat einer starken slawischen Minderheit. Vielleicht will diese Tatsache sagen, dass wir uns nur dann als Volk zur Idee der Gemeinschaft durchringen können, die den furchtbaren Gegensatz zwischen Ost und West zu überwinden vermag, wenn wir unseren Blick nicht nur immer nach Westen richten, sondern auch einmal nach Osten! Wenn wir versuchen, ein wenig vom Gemeinschaftsbewusstsein der slawischen Völker zu erfassen. Denn der Bolschewismus kann nur durch ein freiheitliches Gemeinschaftsbewusstsein überwunden werden. Gemeinschaft aber fehlt uns!

(Das Gespräch aus der Ferne, Hilden)

 

Atomkrieg bedeutet Untergang

Wohin wir auch rings um uns sehen, überall bahnt sich eine Atmosphäre der „friedlichen Koexistenz" an. Selbst in China zeigt sich eine Verständigung mit den Angelsachsen. Die Atomrüstungen und die Wirtschaftsrivalität bringen neue Gesichtspunkte in die Politik. Die NATO als westeuropäisch-amerikanische militärische Verteidigungsorganisation hat auch heute noch ihre Bedeutung, ebenso der westdeutsche Beitrag, der bisher nur auf dem Papier steht, aber immer die Besorgnis der Russen vor einer deutschen Armee wachhält. Trotzdem dürfen wir uns vor der neuen Methode und den neuen Brennpunkten der Weltpolitik nicht verschließen. Je zäher Bonn an der Ideologie des Kalten Krieges in der alten Form festhält, je mehr sich die Bundesregierung gegen die „Koexistenz" wehrt, je lauter Dr. Adenauer vom „Todfeind" spricht, umso weniger werden unsere Nachbarn und Verbündeten geneigt sein, ihre politischen Interessen zugunsten eines gesamtdeutschen Staates zu opfern. Ja zuletzt werden sie in Deutschland einen „Störenfried" in der Welt sehen, der die Entspannung verhindern will.

 

Die Westmächte haben wie die Sowjetunion die Genfer Stellung von 1954 längst verlassen, als die Westalliierten noch die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands zur Voraussetzung von Sicherheit und Abrüstung machten. Die Vereinigten Staaten, die sich bisher in dieser Entwicklung noch etwas zurückhalten, die aber auch jetzt schon eine Einladung an den Sowjetmarschall Schukow zum Besuch bei Eisenhower in Aussicht stellten, werden erst nach den Präsidentenwahlen im Herbst dieses Jahres neue politische Aktivität entfalten. Sie wird zwangsläufig im gleichen Sinn der Koexistenz gehen! denn die Großmächte haben allmählich erkannt, dass ein Atomkrieg nur Untergang bedeutet. (Hannoversche Allgemeine Zeitung)

 

Wille zum Heimatrecht

Nach Lage der Dinge kann der kollektive Wille der Vertriebenen — völkerrechtlich aus

dieser Sicht betrachtet — heute kaum etwas anderes sein als der Protest gegen die Austreibung. Proteste können politisch-faktisch wirkungslos sein, aber gleichzeitig dennoch rechtliche Wirkungen entfalten, indem sie die Legalisierung und Legitimierung des Zustandes verhindern, gegen den sie sich richten. So betrachtet, hat der Rechtskampf der Vertriebenen — d. h. der stets zu wiederholende Nachweis der Unrechtmäßigkeit der Austreibung, verbunden mit dem Verlangen nach Wiedergutmachung, d. h. Rückkehr — seinen guten Sinn, ja: es wäre verhängnisvoll, wollte man meinen, ihn jetzt mit weniger Hingabe, Zähigkeit und (wie man nicht vergessen soll) materieller Opferbereitschaft führen zu müssen als bisher.

 

Der Verzicht auf diesen Protest wäre verbitterte Selbstbescheidung, Selbstaufgabe und Rechtsverzicht, endlich Rechtsverleugnung und „moralischer Selbstmord" für den einzelnen und durch sein Beiseitestehen gefährlich für den sozialen Organismus in seiner Gesamtheit, dem der einzelne zugehört. So sind heute alle Vertriebenengemeinschaften aufgerufen, den Willen zum Heimatrecht zu pflegen.

 

Wann und wie die Verwirklichung dieses Anspruches gelingen wird, ist eine Frage der Zukunftsentwicklung, die kein Jurist voraussagen kann. Was er aussprechen muss, ist aber, dass dieser Wille zum Heimatrecht die Voraussetzung dafür ist, dass dieses Recht dereinst wieder errungen werden kann. Jeder einzelne Vertriebene kann (und müsste) daher dazu beitragen, dass dieser Anspruch lebendig bleibt und nicht durch „stillschweigenden Verzicht" verloren geht. (Vertriebenen-Anzeiger, München)

 

Karlspreis — wofür?

Es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass Churchill die verhängnisvolle Forderung Roosevelts nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands gegengezeichnet hat und in Jalta für die Teilung Deutschlands und damit Europas plädierte. Churchill erklärte sich mit der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten einverstanden und protestierte später lediglich gegen die Form, in der diese Vertreibung stattfand. Er hat wohl seitdem sehr viel für Europa geredet, bedauerlicherweise aber erst dann, nachdem er an der Zerstörung Europas und seiner Teilung tatkräftig mitgeholfen hatte.

 

Anscheinend fühlte der greise englische Politiker das selbst, als er in seiner Rede bemerkte, dass er seit der Potsdamer Zusammenkunft nicht mehr in Deutschland war. Offenbar wollte Englands Exkriegspremier damit seine persönliche Verantwortung für den schicksalhaften Ausgang dieser Konferenz verkleinern. Denn anders ist es nicht zu verstehen, dass er erklärte, er musste aus Potsdam abreisen, bevor die Konferenz beendet war, weil in Großbritannien allgemeine Wahlen stattfanden. Aber selbst diese Tatsache vermindert die Mitschuld Churchills an der Teilung Deutschlands und Europas nicht.

 

Der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen hatte er schon vorher zugestimmt. Ob er daran gedacht hatte, als ihm Aachens Oberbürgermeister Heusch die Medaille umhing, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass das Maß, das wir in unserer jüngsten Vergangenheit verloren hatten, auch heute noch nicht gefunden wurde. Sonst hätte diese Szene im Krönungssaal des Rathauses zu Aachen aus diesem Anlass und in dieser Form nicht stattfinden können. (Deutsche Soldaten-Zeitung, München)

 

Seite 3   Foto: Das alte Elbing. „Das Kamelhaus“ eines der bekanntesten Renaissance-Häuser Elbings aus dem Jahre 1651.

 

Seite 3   Elbing / gestern, heute und morgen. Was geschieht in der Stadt und was planen die Polen? / Rührige deutsche Gemeinde / Kollektive / Ein Städtebild aus Briefen der letzten Deutschen.

Nimmt man heute ein Nachschlagwerk zur Hand und sieht nach, was über die westpreußische Stadt Elbing aufgezeichnet ist, so findet man in Stichworten das widerspruchsvolle Geschick dieser trotz allem immer aufstrebenden Großstadt: „Elbing, westpreußische Hafenstadt am E.-Fluss, 6 km vom Frischen Haff. Altpreußischer Handelsplatz, um 890 erwähnt. 1237 Ordensburg, 1246 Stadt nach lübischem Recht, 1521 Hauptsitz des Deutschen Ordens, Mitglied der Hanse. Zwischen 1635 und 1767 schwedische und russische Besetzungen, 1772 preußisch. Elbing hatte eine Hochschule für Lehrerbildung, viele Schulen, Theater und die gotische Marienkirche. Wirtschaft: zwei Werften, Lokomotiv-, Maschinen-, Auto-, Dampfkessel-, Orgel-, Zigarren- und Textilfabriken. Einwohnerzahlen: 1867 - 28 000, 1913 = 62 000, 1940 = 86 000. Bei Kriegsende zu 60 Prozent zerstört (5255 Häuser). Seitdem unter polnischer Verwaltung. 1954 etwa 60 000 Einwohner“.

 

Was verbirgt sich hinter dem kleinen Wort „Seitdem"? Ende Januar 1945 stand die Rote Armee vor den Toren der Stadt. Über Elbing warfen Bomber ihre verderbende Last ab, und unzählige Granaten krepierten in den Wohnvierteln. In der Nacht vom 4. zum 5. Februar drangen die ersten größeren Sturmtruppen ein. Aber bis zum 9. Februar dauerte es, bis auch die letzten Bezirke Elbings besetzt waren. Was diesen Höllentanz überstand, war sehr wenig. Die Altstadt bildete einen rauchenden Trümmerhaufen. Brücken waren zerstört, die Gotteshäuser schwer beschädigt, das berühmte alte Markttor beschädigt — unmöglich, alle Verluste aufzuzählen. Wie durch ein Wunder waren die Schichau-Werft und die Dampferanlegestellen der Vernichtung entgangen.

 

Bereits am 1. April 1945 übergaben die Sowjets den polnischen Behörden die Stadt. Gleichzeitig begannen Polen in die Stadt zu kommen. Anderthalb Jahre später zählte die Stadt 29 000 Einwohner. Von Juli 1945 erfolgte dann die Aussiedlung der Elbinger Deutschen etappenweise. Bis zu ihrer Vertreibung dauerten die Plünderungen, Deportationen und Überfälle seitens der russischen Soldaten und der polnischen Ankömmlinge an. Grauenhafte Monate!

 

Nur im Schneckentempo vollzog sich unter der polnischen Verwaltung, die sich in der „Heinrich-von-Plauen“-Oberschule einrichtete, die Trümmerbeseitigung und der Wiederaufbau. Dass heute wieder 60 000 Menschen in Elbing (polnisch „Elblag") leben, bedeutet nicht, dass auch für so viele Menschen wieder Wohnungen und öffentliche Einrichtungen bestehen. Man darf hierbei nicht mit deutschen Maßstäben messen. Dort, wo heute 60 000 Polen leben, hätten zu deutscher Zeit höchstens die Lebensverhältnisse für 20 bis 25 000 Bürger ausgereicht.

 

Man findet heute noch unwahrscheinlich viele Ruinen in Elbing. Ob man nun in der Friedrichstraße, am „Lachs", Heiligen-Geist-Straße, an der Leege-Brücke oder in der Brückstraße steht, überall sind die Spuren des Krieges noch unverkennbar. Warum tut die polnische Verwaltung aber so wenig für diese Stadt, die bald mehr als 100 000 Einwohner zählen soll? Das ist leicht gesagt. Die Polen haben wie in der ersten Nachkriegszeit auch jetzt nur drei sogenannte Kurz-Ziele. Elbing soll ein industrielles und ein administratives Zentrum werden sowie einen Schwerpunkt für die Polonisierung darstellen. Die Lebensbedürfnisse der Menschen interessieren dabei weniger als diese politischen Aufgaben. Der Versuch der Überfremdung vollzieht sich daher nach wie vor von oben. Wie sieht das im Einzelnen aus?

 

Die industriellen Anstrengungen gelten in erster Linie der Schichau-Werft die von den Polen selbstverständlich verstaatlicht worden ist. Nach unkontrollierbaren Berichten sollen hier zwischen 5000 und 6000 Arbeiter beschäftigt sein. Der Werft angeschlossen sind die sogenannten „Mechanischen Werkstätten Karol Swierczewski", die als Schwerpunktbetrieb gelten. Hier entstand vor wenigen Wochen der Prototyp einer großen, erstmalig im polnischen Machtbereich erbauten, 25-MW-Dampfturbine. Russische und deutsche Fachleute waren wesentlich an der Herstellung der Turbine beteiligt, die inzwischen dem Wärmekraftwerk Zeran zur Erzeugung von Elektroenergie übergeben wurde. Außer Turbinen werden in dieser Fabrik auch andere energetische Einrichtungen (für den Schiffsbau) hergestellt. Viele technische Einrichtungen kommen aus der Sowjetzone, der CSR und aus der Sowjetunion. Die Zahl der hier arbeitenden deutschen Spezialisten ist gering. Es handelt sich aber um hochqualifizierte Fachleute, die teilweise aus Mitteldeutschland nach hier verpflichtet wurden oder aus anderen ostdeutschen Provinzen herbeigeholt wurden. Alte Elbinger findet man nur sehr selten darunter.

 

Von Bedeutung sind auch die Kraftfahrzeugfabrik sowie das Eisenbahnwerk. Auch hier arbeiten noch einige Deutsche. Die Textilfabriken dagegen beschäftigen ausschließlich polnische Frauen und Mädchen. Es kann unterstellt werden, dass in allen diesen Schlüsselbetrieben hart gearbeitet wird. Der Ausstoß ist beträchtlich, wenn auch die Qualität nicht die alte Güte besitzt.

 

Die Verwaltung ist lebensfremd und arbeitet für sich bzw. untereinander in höchst unproduktiver Weise. Das hat sich auf den ohnehin schon niedrigen Lebensstandard noch verschlechternd ausgewirkt. Elf Jahre nach Kriegsende hat man es hier nicht einmal fertiggebracht, die Wasserversorgung zu normalisieren! Dazu kommen jedes Jahr Überschwemmungen, deren Ursachen aus Nachlässigkeit und Unvermögen ebenfalls nicht beseitigt werden. Ferner fehlt es auch an harmlosen Feierabend-Einrichtungen wie Kinos, gute „Tanzlokale", Sportstätten usw.

 

Es genügt eben einfach nicht, eine Anzahl von Wohnungen notdürftig beziehbar zu machen, die Straßen vom Schutt zu räumen, eine Kirche zu reparieren und die im Staatsinteresse liegenden öffentlichen Einrichtungen wie Post, Schulen, Gerichte usw. wieder zu eröffnen. Auch Eisen- und Straßenbahn sind Selbstverständlichkeiten. Für die Bedürfnisse der Bevölkerung baute man nur zwei Gebäude. Das eine ist ein Krankenhaus, das seit zwei Jahren besteht. Und bei dem anderen handelt es sich um einen der nicht sehr beliebten „Kulturpaläste". Mit seinem Bau versucht man alle Probleme auf einmal zu lösen. Er soll über ein Theater, ein Kino, Sporthallen, Klubs, Leseräume und Jugendheime verfügen. Nun, die Abneigung der Menschen gegen Paläste dieser Art ist bekannt, und so stellen die Polen in Elbing trotzdem fest: es lohnt nicht hierzubleiben. Also kommt es zudem, was Industrie und Administrative verhindern sollten: zu dauernder Fluktuation. Die Menschen versuchen möglichst nach Danzig oder Gdingen zu kommen, wo es angeblich besser sein soll. Ob es das ist, steht nicht zur Debatte. Tatsache ist, dass in Elbing ständig Bevölkerungsabwanderungen registriert werden. Dieses ewige hin und her wirkt sich natürlich nicht gut auf den Wiederaufbau, Bildung einer bodenständigen Stammarbeiterschaft usw. usw. aus.

 

Infolgedessen leidet auch das dritte Nahziel, die Polonisierung. Da die meisten von der Stadt fortstreben, ist es zu keinem Gemeinschaftsgefühl gekommen. Jeder, der noch etwas Initiative hat, fühlt sich in Elbing nur „auf Urlaub". So bleibt alles nur an der Oberfläche, von einer echten tiefgreifenden Durchdringung kann keine Rede sein!

 

Unter welchen Bedingungen leben nun die letzten Deutschen in Elbing? Sie lächeln über die polnische Einführung sogenannter Trauungs-Kollektivs, die die Hochzeiten zwischen Deutschen und Polen fördern soll. Immer ist man auf der Suche nach einigen solcher Paare, um sie dann mit propagandistischem Pomp verheiraten zu können. Man verweist dann gerne darauf, welche Summen dazu als Ehestandsdarlehen vergeben wurden oder wie der Stadtnationalrat eine Wohnung beschafft hat. Trotz dieser materiellen Vergünstigungen kommt es selten zu solchen Eheschließungen.

 

Die Deutschen halten untereinander fest zusammen. Ihr höchstes Gut ist die kleine deutschprotestantische Kirchengemeinde in Elbing, die pfarramtlich von Allenstein aus betreut wird und unter einem polnischen Pastor steht, der der Evangelischen Kirche Polens angehört. Predigten werden aber auch von einem Laienhelfer aus Preußisch-Holland gehalten. Leider ist jedoch der Gebrauch der deutschen Sprache nicht gestattet. Zur Verfügung steht ihnen aber die St. Annen-Kirche. Das Leben dieser kleinen Gemeinde ist äußerst rege, es gibt sogar Gemeindetage.

 

Es hat sich inzwischen erwiesen, dass die wenigen polnischen Protestanten, die inzwischen zu der Gemeinde gestoßen sind (weil sie ohne eigene Gemeinde sind), den deutschen Charakter nicht zerstörten. Im Übrigen liegt ihnen daran auch nichts, sie haben ausschließlich Glaubensinteressen. Gemeinsam werden alle Kosten aufgebracht, die für das Gehalt des Pfarrers, Gotteshaus, Friedhof und Gemeinderaum notwendig sind.

 

Gibt es auch unzählige Schwierigkeiten, so haben die Protestanten doch alle Widrigkeiten auf sich genommen, um ihre Gemeinde zu erhalten. Auf diese Weise wurden die letzten Deutschen in Elbing zu einer Gemeinschaft, die ihr Volkstum bewahrt hat — trotz polnischer Predigten, polnischer Gesangbücher usw., hat die Polonisierung nicht mehr als den Gebrauch der polnischen Sprache in der Öffentlichkeit vermocht. Sie sind noch immer das, was nach den grauenvollen Nachkriegsjahren niemand für möglich hielt: Deutsche.

 

Seite 3   Kurzmeldungen aus der Heimat.

Frauenburg. Der Wiederaufbau der im Kriege zu 70 Prozent zerstörten Stadt wird neben Danzig von den Polen besonders vorangetrieben. So sieht man heute kaum noch Trümmer, die Straßen sind sauber und nachts ausreichend beleuchtet. Frauenburg soll zu einem Anziehungspunkt für polnische Touristen gemacht werden. Der für die kleine Stadt eigens herausgegebene Touristenführer trägt den Titel „Frombork grod Kopernika" (Frauenburg, Stätte des Kopernikus).

 

Allenstein. Das polnische Reisebüro ORBIS hat jetzt farbenprächtige Plakate herausgegeben, auf denen es für Reisen in die „Woiwodschaft Olsztyn" (Südostpreußen) wirbt. „Komfortable Hotels, ruhige Erholungsstätten und landschaftliche Schönheiten" warten auf ruhebedürftige Feriengäste.

 

Memel.

Die ehemalige „Kant-Schule" ist seit Jahren von Angehörigen der sowjetischen „Roten Flotte" belegt.

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Seite 3   Heimat heute.

Häftlingsentlassungen

Im Regierungsbezirk Allenstein und in Bromberg wurden jeweils 450 weibliche politische Häftlinge entlassen. Sie waren wegen angeblicher Sabotage und wegen Wirtschaftsvergehen zum Teil zu hohen Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt worden. Aus Briefen geht hervor, dass sich unter den Entlassenen mehrere Dutzend Optantinnen und einige deutsche Frauen befinden, die nicht optiert haben. In Blomberg wurden den Frauen teilweise größere Beträge ausgezahlt, wenn sie alleinstehend sind oder Kinder haben. In Süd-Ostpreußen erhielten die freigelassenen Frauen meistens neue Kleidung und Fahrgeld in die Heimatorte. In den letzten Monaten war ihre Verpflegung besser geworden, so dass die Entlassenen in einigermaßen gutem Gesundheitszustand sind. Aus Bromberg wird noch bekannt, dass man den noch festgehaltenen Männern und Frauen zurzeit erhebliche Strafnachlässe gewährt werden. Man rechnet jetzt laufend mit weiteren Entlassungen. Da die deutschen Gefangenen nach den bisherigen Gepflogenheiten nicht schlechter als die polnischen behandelt werden, kann man mit der Heimkehr auch weiterer deutscher Häftlinge rechnen.

 

Kolchosaufgabe

Von den in den letzten zwölf Monaten im polnischen Machtbereich aufgegebenen 323 Kolchosen liegen mehr als 30 auf ostpreußischem Gebiet! Und zwar verteilen sie sich auf die Wojewodschaft Allenstein sowie auf die ostpreußischen Gebiete, die heute von Danzig und Bialystok aus verwaltet werden. Damit ist nach polnischem Eingeständnis trotz einiger Neugründungen die Gesamtzahl der ostpreußischen Kolchosen wegen Unwirtschaftlichkeit unter die Zahl vom Jahre 1954 gesunken. Da man nun aber aus den Einzelbauern keine größeren Leistungen herauspressen kann, will man trotzdem die Kollektivierung weiterbetreiben. Jedoch nicht mehr in Form des Zwanges, sondern mit den Mitteln der Überzeugung. Um das zu erreichen ist vorgesehen, die bestehenden Kolchosen mit mehr und besseren Maschinen (pro Wojewodschaft stehen nur 130 Mähmaschinen zur Verfügung — in ganz Polen nur rund 2000!) auszurüsten, den Kolchosniken höhere Bar- und Naturalentgelte zu zahlen sowie im allgemeinen den Lebensstandard in den Kollektivwirtschaften über den der Einzelbauern zu schrauben. 80 Millionen Zloty jährlich soll ab jetzt die ostpreußische Landwirtschaft erhalten, gegenüber bisher rund 25 Millionen Zloty pro Jahr.

 

Fortschrittlicher Fischfang

Auf der Kurischen Nehrung sind neben russischen und litauischen Fischern auch noch eine Reihe alter deutscher Fischer eingesetzt. Weil sie angeblich unzuverlässig sind, dürfen sie jedoch nur die Fischerei im Haff betreiben. Die übrigen auf die Ostsee fahrenden Boote bekommen nur so viel Brennstoff mit, dass sie damit unmöglich fliehen können. Zudem sind zu ihrer Überwachung auf einigen Booten Spitzel eingesetzt, auch begleiten die Boote bei größeren Fahnen militärische Schiffe. Vom Leuchtturm in Nidden, der 1945 zerstört worden war und inzwischen wiederaufgebaut worden ist, werden die Boote ebenfalls unter Beobachtung gehalten. Die Fischerei-Kollektive, denen die See- wie die Haff-Fischerei untersteht, rechnen dieses Jahr mit großen Erträgen. Die bereits im Gang befindliche Stintfischerei z. B. ist wesentlich ertragreicher als im Vorjahr. In die Ukraine und in die Moskauer Gegend wurden schon einige Hundert Tonnen getrockneter Stinte geliefert. Die deutschen Fischer haben Aussicht, dass 1956 auch ihre Einnahmen steigen und dass sie im Vorjahr gemachte Schulden tilgen können.

 

Emigranten-Ansiedlung

Nach der Rückkehr des ehemaligen Ministerpräsidenten der polnischen Exilregierung, Mackiewicz, wurden in Goldap, Treuburg und Lyck polnische Familien, die emigrierte Angehörige im westlichen Ausland haben, aufgefordert, bereits vorbereitete Briefe an ihre Verwandten zu schreiben. Darin werden ihre Angehörigen gebeten, „doch so schnell wie möglich in die Heimat zu kommen und dem Vaterland nicht mehr den Rücken zu kehren". Gleichzeitig erfolgten in diesen drei genannten Landkreisen Ansiedlungen von kürzlich zurückgekehrten Reemigranten. Die örtlichen Behörden haben Anweisung, den Rückkehrern entsprechend ihrer Kenntnisse gutbezahlte Stellungen zu vermitteln und auf jede irgendwie geartete Diskriminierung zu verzichten. Aus Johannisburg wird auch erstmalig von polnischen Versuchen berichtet, die Deutschen in Masuren möchten überlegen, ob sie in West- oder Mitteldeutschland nicht junge Verwandte hätten, die heimkehren wollten. Bedingung aber sei, dass sie in landwirtschaftlichen Arbeiten bewandert seien. Bisher ist nicht bekannt, ob es sich hierbei um einen lokalen Versuchsballon oder um den Beginn einer größeren Aktion handelt.

 

Intelligenzklub

In Allenstein wurde ein „Klub der jungen Intelligenz" gegründet, dessen Hauptaufgabe darin besteht, dem Halbstarken-Problem und der Jugend-Kriminalität entgegenzuwirken. Der Klub wendet sich vor allem an die Studenten der Hochschule, die „in ihrer Freizeit aus Langeweile immer öfter auf dumme Gedanken kommen". Ausdrücklich wird betont, dass auch alle deutschen Schüler von Fach- oder Hochschulen in den Intelligenzklub aufgenommen werden. Durch interessantere

Freizeitgestaltung, als es in dem sturen Betrieb des ZMP-Jugendverbandes üblich ist, hofft man, die jungen Menschen auf diese Weise von der Straße zu bringen. Auch in anderen ostdeutschen und in innerpolnischen Städten kam es inzwischen zur Gründung von Intelligenzklubs.

 

Der Süden soll dem Norden helfen

Der Chef der polnischen Planungskommission, Eugen Szyr, steht mit russischen Funktionären aus dem sowjetisch besetzten Nordostpreußen in Verbindung, um Hilfsmaßnahmen zu beraten. Moskau nämlich hat vorgeschlagen, dass das ohnehin in seiner Leistung heruntergewirtschaftete Süd-Ostpreußen dem nördlichen Landesteil Hilfe leisten soll. Den Sowjets geht es vor allem darum, Vieh aus dem polnisch verwalteten Gebiet zu erhalten. Wie erst jetzt bekannt wird, erfolgten im vergangenen Winter in den Bezirken Gumbinnen, Insterburg, Tapiau, Gerdauen und Tilsit massenweise „wilde Schlachtungen" auf den Kolchosen und Sowchosen. Hauptsächlich wurden Kühe abgeschlachtet, weil ihr Fleischertrag am größten war. Die Schlachtungen erfolgten aus zweierlei Gründen - einmal stockte die Versorgung und die Menschen hatten Hunger, zum anderen machte mangelnde Futtereinlagerung die Schlachtungen notwendig. Inzwischen hat man erst in vollem Ausmaß die Auswirkungen dieses Vorgehens erkannt. Die Milchlieferungen sind sehr zurückgegangen, und auch das Fleischaufkommen ist geringer geworden. Die von den „wilden Schlachtungen" verschonten Tiere sind zudem wegen der Futterknappheit in einem solchen miserablen Zustand gekommen, dass ihr Milchertrag wesentlich zurückgegangen ist. Noch sträuben sich die Polen allerdings, Kühe nach Nord-Ostpreußen abzugeben. Moskau nämlich hat keine Sachlieferungen als Gegenleistung sondern nur Bezahlung angeboten.

 

 

Seite 4   Ein Angriff auf Bestand und Schutz der Familie. Stellungnahme des Deutschen Mieterbundes gegen die geplante Aufhebung des Mieterschutzes – Verstoß gegen das Recht.

Seitens der Bundesregierung erfolgen zurzeit mit den Landesregierungen auf Grund eines Entwurfes Erörterungen über die Aufhebung des geltenden Mieterschutzgesetzes und Einführung eines freien Kündigungsrechtes des Vermieters für alle Mietverhältnisse über Wohnräume. Unter diese Kündigungsfreiheit des Vermieters sollen alle Mietverhältnisse in Altbauten fallen, ebenso die kündigungsgeschützten Mietverhältnisse in mit öffentlichen Mitteln geförderten Neubauten. Die vom Vermieter ausgesprochene Kündigung soll rechtswirksam sein; lediglich für eine Übergangszeit soll den betreffenden Mietern bei besonderen Tatbeständen noch die Möglichkeit des Widerspruchs gegeben werden, über den das Gericht entscheidet. Diese Ermessensentscheidung des Gerichtes soll besonders davon abhängen, ob der Mieter selbst beweisen kann, dass er hinsichtlich seines Wohnrechtes noch schutzwürdig ist.

 

Der „Deutsche Mieterbund“ hat in einer eingehenden Stellungnahme an die Bundesregierung und die Länderregierungen darauf hingewiesen, dass die Verwirklichung dieser Absicht angesichts der unvermindert fortbestehenden Wohnungsnot zu katastrophalen Auswirkungen führen würde. Der Kündigungsschutz im Mietrecht sei seit mehr als 30 Jahren Bestandteil unserer Rechtsordnung geworden. Der im Bonner Grundgesetz verheißende Schutz der Familie bedinge, dass der Vertragstreue Mieter in seinem Wohnrecht geschützt wird.

 

„Wenn unsere Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialordnung wirklich sozial sein soll, dann hat der Bestandschutz des geltenden Mieterschutzes in ihr seinen berichtigten Platz“. Hingewiesen wird u. a. auch darauf, dass sowohl in der Gegenwart als in der Vergangenheit führende Sozialpolitiker und Rechtslehrer aller wirtschaftlichen und politischen Richtungen die Auffassung vertreten haben, dass der Vertragstreue Mieter gegen willkürliche Kündigung geschützt werden müsse. „Der Kündigungsschutz im Mietrecht rechtfertigt sich durch den Heimgedanken“. Die zurzeit bestehende Freistellung der frei finanzierten Neubauwohnungen vom Kündigungsschutz führe zu willkürlichen Kündigungen und trotz der vom bisherigen Mieter bereits geleisteten Baukostenzuschüsse usw. bei Neuvermietungen zu erneuten Kapital- bzw. erhöhten Mietforderungen.

 

Die derzeitige Rechtslage sei unmoralisch. „Bestandschutz des Mietverhältnisses müssen alle Staatsbürger haben, welche gezwungen sind, an Stelle eines selbst bewohnten Eigentums in einer Mietwohnung zu leben“.

 

Es sei ein Trugschluss, wenn in der Begründung zu dem Gesetzentwurf die Behauptung aufgestellt werde, dass die Wohnungsnot bis zum Jahre 1957 im Wesentlichen behoben sei, und durch die Einführung des freien Kündigungsrechtes räumungspflichtig werdende Mieter sich selbst nach ihrer Wahl an anderer Stelle eine geeignete Wohnung beschaffen können.

 

Im Gegensatz hierzu habe sogar der Wirtschaftsausschuss der Vereinten Nationen in

Genf in einer vor kurzem veröffentlichten Denkschrift erklärt, dass in der Bundesrepublik die Wohnungsnot frühestens in 10 Jahren behoben werden könne, — selbst wenn auch in der Zukunft eine Erreichung des bisherigen Bauvolumens möglich sei.

 

Es sei jedoch noch sehr zweifelhaft, ob der Wohnungsbau wegen der zwischenzeitlichen Entwicklungen in dem bisherigen Umfang auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden könne; die steigenden Baukosten in Verbindung mit der Entwicklung des Kapitalzinses, die Verknappung des Kapitalmarktes und die Ausschöpfung der Baukapazität durch die im Zuge der Aufrüstung usw. geplanten Bauten lassen insoweit berechtigte Zweifel aufkommen. „Jede Neuordnung des Mieterschutzrechtes muss als Ausgangspunkt die sozial-, staats-, wirtschafts- und kulturpolitische Bedeutung der Wohnung als Heim der Familie haben. Ohne einen Bestandschutz im Mietrecht kann die Mietwohnung nie den Charakter eines Heimes der Familie gewinnen“.

 

Die Wiedervereinigung unseres zurzeit noch gespaltenen Vaterlandes werde gleichfalls erheblich gefährdet, wenn in der Bundesrepublik ohne sachlich begründete Notwendigkeit die freie Vermieterkündigung eingeführt wird, — während in der DDR der Mieterschutz in seiner bisherigen Form auch weiterhin Geltung behält.

 

Der Entwurf bedeute einen Angriff auf den Bestand und Schutz der Familie; die mit der Einführung des freien Kündigungsrechtes des Vermieters verbundenen Folgen würden in keinem Verhältnis zu den von bestimmten Wirtschaftskreisen geforderten wirtschaftlichen Vorteilen stehen.

 

Seite 4   Millionen warten noch

Weit mehr als eine halbe Million Wohnungen sind im Jahre 1955 im Bundesgebiet gebaut worden. Genau genommen 541000. Und weit über 300 000 befanden sich um die Jahreswende im Bau. Das ist gewiss eine imponierende Zahl. Nur müsste man diese Zahl der Zahl derer gegenüberstellen, die auch heute noch fragen: „Wann werden wir endlich einmal zu einer Wohnung kommen?" Vielleicht sind es drei Millionen, vielleicht sind es fünf Millionen Menschen, die da an den 541 000 Wohnungen vorübergehen und die sich ausrechnen, wie lang die Schlange sein könnte, die da um Wohnraum ansteht und wann sie selbst wohl einmal an der Reihe sein könnten. Und es ist ja nicht so als ob diese Schlange je abreisst. Immer neue Menschen, Junge Ehepaare, Flüchtlinge, Umsiedler, Heimkehrer reihen sich an.

 

Und noch etwas: In diesen neuen Wohnungen stecken Millionenwerte aus allgemeinen Steuermitteln, Millionenwerte aber auch aus eigenen Mitteln der Mieter, die in Form von Baukostenzuschüssen den Wohnungsbau gefördert haben.

 

Seite 4   „Der Staat hat die Pflicht“ Bismarck zur Sozialreform vor 70 Jahren.

In einer Reichstagsrede vom 15. März 1884 führte Bismarck u. a. folgendes aus:

 

„Hat der Staat die Pflicht, für seine Millionen zu sorgen, oder hat er sie nicht? — Ich behaupte, er hat diese Pflicht, und zwar nicht nur der christliche Staat, wie ich mir mit den Worten „praktisches Christentum“ einmal anzudeuten erlaubte, sondern jeder Staat an und für sich“.

 

Jenen, die in einer Sozialreform den Weg eines „Wohlfahrtsstaates" sehen, seien folgende Ausführungen von Bismarck vom 26. Juni 1881 ins Gedächtnis gerufen:

 

„Nicht Almosen, sondern ein Recht auf Versorgung, wo der gute Wille zur Arbeit nicht mehr kann. Wozu soll nur der, welcher im Kriege oder als Beamter erwerbsunfähig geworden ist, Pensionen hat, und nicht auch der Soldat der Arbeit? — Die Sache wird sich durchdrücken, sie hat ihre Zukunft. Es ist möglich, dass unsere Politik einmal zugrunde geht, wenn ich tot bin. Aber der Staatssozialismus paukt sich durch. Jeder, der diesen Gedanken wieder aufnimmt, wird ans Ruder kommen . . ."

 

In den jahrelangen Erörterungen über Art und Inhalt einer Sozialreform mögen die vorstehenden Erklärungen von Bismarck denen eine Erleuchtung sein, die immer noch nicht den Mut zum Handeln gefunden haben. Die nächste Zukunft wird lehren, ob man an die Stelle von Proklamationen die soziale Tat setzen wird.

 

Seite 4   Das LAG-Schlussgesetz lässt auf sich warten.

Das Lastenausgleichsgesetz sieht vor, dass bis zum 31. März 1957 durch ein Schlussgesetz die endgültige Höhe der Haupt- und Hausratsentschädigung festzusetzen sei. Die Bundesregierung hat deshalb nun einen Entwurf verabschiedet, in dem allerdings mit seinem Wort erwähnt wird, dass es sich um ein Lastenausgleichs-Schlussgesetz handelt. Leider sind die von den Vertriebenenverbänden nachdrücklich geforderten Verbesserungswünsche unberücksichtigt geblieben. Der vorliegende Entwurf sieht lediglich vor, dass bei der Schadensberechnung die Schäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen mit einem um 30 Prozent erhöhten Betrag angesetzt werden sollen. Die anderen Hauptentschädigungsbeträge sollen um 20 Prozent erhöht werden, wobei die Schadensbeträge bis zu 1400 Reichsmark voll abgegolten werden soll. Die bisherigen Sätze für die Hausratsentschädigung sollen nur eine geringe Erhöhung erfahren. Es ist damit zu rechnen, dass der Entwurf im Bundestag zu einer längeren Auseinandersetzung führen wird.

 

Seite 4   Ostbauern werden an der Saar angesiedelt. „Bauernverband der Vertriebenen" tagte in Saarbrücken — Brachland soll genutzt werden

Seit an der Saar die Freiheit eingekehrt ist, haben bereits mehrere westdeutsche Verbände und Organisationen von der ihnen nun wieder gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Tagungen im Saarland abzuhalten, um damit die Zusammengehörigkeit der Deutschen dies- und jenseits der 1945 geschaffenen künstlichen „Grenze“ zu bekunden. Die Tagung des Bauernverbandes der Vertriebenen in Saarbrücken hatte darüber hinaus eine besondere Bedeutung: mit Vertretern der Saarregierung wurde die Frage der Ansiedlung von ostdeutschen heimatvertriebenen Bauern im Saarland erörtert.

 

Im Gegensatz etwa zum Ruhrgebiet haben im saarländischen Industrierevier der Bergmann und der Hüttenarbeiter ihre Sesshaftigkeit bis heute bewahrt. Sie hatten und haben nicht nur ihr eigenes Häuschen, sondern auch ihr mehr oder minder großes Stück Eigenland. Zwischen den Schichten in der Grube und in der Hütte bearbeiteten sie ihren Acker, säten und ernteten ihren Eigenbedarf an Brotgetreide, Kartoffeln und Gemüse. So gab es neben den eigentlichen Landwirten eine große Anzahl von „Arbeiter-Bauern", neben den selbständigen Bauernstellen also zahlreiche landwirtschaftliche Klein- und Kleinstbetriebe, in denen die Landwirtschaft nur im Nebenberuf betrieben wurde. Diese für die Saar charakteristische große Zahl der Selbstversorger mit einer verhältnismäßig starken Viehhaltung spielte für die Ernährungssicherung des Saarlandes eine große Rolle.

 

Aber je länger je mehr vollzieht sich hier ein einschneidender Wandel. Die immer größere Zersplitterung des landwirtschaftlich genutzten Bodens hat dazu geführt, dass seine Bearbeitung weithin keinen Nutzen mehr abwarf. Sodann machte die allgemein europäische Erscheinung der Landflucht auch vor dem Saarland nicht halt. Die jüngere Generation hat vielfach andere Interessen, die in erster Linie den technischen Berufen zugewandt werden. So blieb mit der Zeit ein immer größerer Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche unbearbeitet. Die Folge ist ein Anwachsen des Brachlandes, das sich bereits auf 10 000 Hektar beläuft. Das bedeutet, dass die heimische Landwirtschaft die Eigenversorgung nur noch knapp für vier Monate im Jahr decken kann.

 

Eine beschleunigte Arrondierung der unzulänglichen Betriebe, die Verbesserung ihrer Rentabilität und eine innere Kolonisation mit den dazu benötigten finanziellen Mitteln sind das Gebot der Stunde. Die Regierung will die erforderlichen Maßnahmen durch einen umfassenden Neuordnungsplan vorantreiben. Da es jedoch im Saarland für die Bauernstellen, die durch die Umlegungsaktion zu gewinnen sind, vielfach an Bewerbern fehlt, bietet sich die Ansiedlung ostvertriebener Bauern von selbst an. Mit ihr würde ein Doppelzweck erreicht: die landwirtschaftliche Nutzfläche wesentlich vergrößert und die Eigenversorgung auf eine breitere Basis gestellt. Zum anderen würden zahlreiche Vertriebene für die bisher im Bundesgebiet noch keine Bauernstellen verfügbar waren, wieder in ihren Beruf zurückgeführt.

 

Nachdem der „Bauernverband der Vertriebenen" die Ansiedlungsmöglichkeiten an der Saar nun mit Vertretern der Regierung und des heimischen Siedlungswesens diskutieren sowie auf einer Besichtigungsfahrt durch das Saarland studieren konnte, und andererseits die Saarregierung ihre Unterstützung für diesen Plan zugesagt hat, darf erwartet werden, dass dieses Projekt bald tatkräftig in Angriff genommen wird, wobei mit der Neuansiedlung eine Betriebsaufstockung Hand in Hand gehen sollte.

 

Seite 4   Der Rechtsweg bei den Sozialgerichten. Welche Klage- und Berufungsmöglichkeiten haben die Sozialversicherten?

Durch das Sozialgerichtsgesetz werden in der Bundesrepublik für die sozialversicherte Bevölkerung und die Kriegsopfer die Rechtsstreitigkeiten durch Berufs- und Laienrichter behandelt Der Widerspruch gegen die Entscheidung des Versorgungsamtes ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides beim Versorgungsamt einzulegen. Der Widerspruch kann in der gleichen Zeit fristgerecht auch bei jeder anderen Behörde eingereicht werden. Der Berechtigte kann diesen Widerspruch selbst einlegen oder Fachorganisationen mit der Rechts Vertretung bevollmächtigen.

 

Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes oder gegen den Bescheid der Landesversicherungsanstalt usw. (in Fällen der Sozialversicherung) ist innerhalb eines Monats beim Sozialgericht einzulegen. Die Klage kann auch fristgerecht in derselben Zeit bei einer anderen Behörde eingelegt werden. Die Klage kann der Berechtigte selbst vornehmen oder er kann sich eines Bevollmächtigten bedienen.

 

Die Berufung gegen das Urteil eines Sozialgerichts ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts zulässig. Die Berufung muss entweder unmittelbar beim zuständigen Landessozialgericht eingereicht werden oder sie muss innerhalb eines Monats beim Urkundsbeamten des Sozialgerichts persönlich zu Protokoll gegeben werden. Der Kläger kann die Berufung selbst einlegen oder er kann sich auch hier eines Bevollmächtigten bedienen. Die Einlegung der Berufung bei einer anderen Behörde ist rechtsunwirksam.

 

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Landessozialgerichts an das Bundessozialgericht in Kassel zu richten. Die Einlegung der Revision bei einer anderen Behörde ist rechtsunwirksam. Die Revision kann der Kläger selbst nicht rechtswirksam einlegen. Er muss sich hierzu eines Anwaltes oder eines Bevollmächtigten einer Kriegsopferorganisation bedienen.

 

Seite 4   Höhe des Zuckerpreises unsozial

In der Beratung des Bundestages über die Aufhebung der Zuckersteuer legte Abg. Elsner den Standpunkt der GB/BHE-Fraktion dar. Er stellte zunächst fest, dass sich die Höhe des Zuckerpreises unsozial auswirke. Auch hemme die Zuckersteuer den Verbrauch. Die steuerliche Belastung des Zuckers in Deutschland sei die größte in der ganzen Welt und werde es auch nach der geplanten Senkung der Zuckersteuer bleiben. Es sei erforderlich, den Zuckerpreis an die Kaufkraft der sozial schwächsten Schichten heranzuführen.

 

Seite 4   Durchführung des Evakuiertengesetzes

Das Bundeskabinett hat eine Zweite Verordnung zur Durchführung des Bundesevakuiertengesetzes beschlossen, die dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet worden ist. Durch die Verordnung sollen weitere Evakuierte in die Rückführungs- und Betreuungsmaßnahmen des Bundesevakuiertengesetzes einbezogen werden. Es handelt sich hierbei um Evakuierte aus dem Bundesgebiet (West-Berlin), die am 18. Juli 1953 ihren Zufluchtsort außerhalb des Bundesgebiets hatten sowie um Personen, die in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 31. Dezember 1946 aus wohnraummäßigen und hygienischen Gründen evakuiert wurden. Schließlich soll auch Evakuierten, deren Heimatort außerhalb des Bundesgebietes liegt, die am 18. Juli 1953 ihren Zufluchtsort im Bundesgebiet beibehalten haben, in bestimmten Fällen durch die Zulassung eines Ersatzausgangsortes im Bundesgebiet geholfen werden.

 

Seite 4   Vergleich der Kaufkraft. Die Bundesrepublik steht an vorletzter Stelle.

Nach Angaben des Internationalen Arbeitsamtes muss ein Fabrikarbeiter, der folgende Esswaren kaufen will (ein Kilo von jeder Ware): Brot, Kartoffeln, Ochsenfleisch, Schweinefleisch, Speck, Butter, Käse, Zucker, dazu ein Liter Milch und zehn Eier, dafür arbeiten:

 

5 Stunden 30 Minuten in USA

6 Stunden 25 Minuten in Kanada

7 Stunden 30 Minuten in Australien

9 Stunden 50 Minuten in Schweden

9 Stunden 55 Minuten in Dänemark

10 Stunden 05 Minuten in Großbritannien

15 Stunden 40 Minuten in der Schweiz

15 Stunden 50 Minuten in Belgien

18 Stunden 05 Minuten in Westdeutschland

22 Stunden 10 Minuten in Frankreich (Paris) —

(Druck- und Papier, 1. Juni 1956.)

 

Seite 4   Der Bundestag beschließt Wiedergutmachungsnovelle

Der Bundestag hat in der vorigen Woche einstimmig das „3. Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung" angenommen. Er hat damit sein Versprechen eingelöst, die Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus wesentlich zu verbessern. In der Hauptsache wurden die Vorschläge des Ausschusses berücksichtigt, über die in der „Brücke" Bundestagsabgeordneter Alfred Frenzel ausführlich berichtet hat. Der Vorsitzende des Wiedergutmachungsausschusses gab bekannt, dass nach seinen Berechnungen die gesamte Wiedergutmachung bis zum Jahre 1962 abgeschlossen sein könnte.

 

Seite 4   Einkommen weniger gestiegen.

Trotz einer starken Zunahme des Volkseinkommens und eines um 6 v. H. erhöhten Beschäftigungsvolumens blieb 1955 der Anteil der Löhne und Gehälter am Sozialprodukt unverändert. Da der Anteil der Sozialeinkommen und Pensionen gleichzeitig zurückging, erhielten die Arbeitnehmer insgesamt sogar einen geringeren Anteil am Sozialprodukt als vorher. Diese Feststellungen ergeben sich aus den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für 1955, die von Dr. Ernst-Georg Lange im neuesten Heft „WWI-Mitteilungen“ des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften kommentiert werden. Dem relativen Ausfall bei den Arbeiter- und Angestellteneinkommen entsprach eine kräftige Erhöhung der Unternehmereinkommen, insbesondere der unverteilten Gewinne.  Diese sogenannte „Selbstfinanzierung" war die entscheidende Quelle für die 1955 fast um ein Viertel gestiegenen betrieblichen Investitionen.

 

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 5, Juli 1956.

Foto: Kurenkahn mit vollen Segeln, heute mit Kurs Danziger Bucht. Foto: OW Archiv.

 

Es gibt drei Stufen.

Die erste: Der Heimat

den Rücken kehren,

den Himmel stürmen

wollen, die Welt aus

den Angeln heben;

die zweite: Sich, der

Welt gram, der Heimat

wieder zuwenden,

in ihr alles sehen, sie

zum Mittelpunkt alles

Lebens machen, die

Welt da draußen

verachten; die dritte

und höchste: Mit der

Heimat im Herzen die

Welt umfassen, mit

Der Welt vor Augen

die Heimat liebend und

bauend durchdringen.

Gorch Fock

 

Seite 5   Abends an meinem Fenster

Spät abends stand ich, wenn im Hause alles stille war, am Fenster auf dem Gange und lauschte mit einem ganz unaussprechlichen Gefühl auf die feierliche eintönige Melodie des bei gänzlicher Windstille aus den tiefsten Tiefen der spiegelglatten See zuweilen aufsteigenden Gebrauses, dieses Aufatmens der nächtlich ruhenden Natur. „Morgen gibt es schön Wetter, die See raart", sprach dann wohl Adam, oder wer sonst von unseren Leuten an mir vorüberging. Die See raart! Mir grauste ein wenig bei dem wunderlichen Wort, aber doch blieb ich an meinem Fenster.

 

In der Abend- wie in der Morgenbeleuchtung, vom Sturm in seinen tiefsten Tiefen aufgeregt, erglänzend im hellen Sonnenschein, oder von darüber hinfliegenden Schatten der Segler der Lüfte momentan verdunkelt, bot im Wechsel der Tageszeit das ewig bewegte Meer mir ein nie mich ermüdendes Schauspiel; und wenn ich abends die Jalousien vor meinen Fenstern nicht schloss, weckte mich der erste Strahl der mir gegenüber aus der Ostsee glorreich sich erhebenden Sonne. Mitternacht kam oft heran, die unaussprechliche Herrlichkeit der lauen nordischen Sommernacht, während welcher die Sonne nur wie zum Scherz auf wenige Stunden sich verbirgt, hielt lange noch am offenen Fenster mich fest. Der purpurrote Streif, der am Horizont die Stelle des Unterganges der Sonne bezeichnet, war noch nicht erloschen, die zweite Morgenstunde hatte noch nicht geschlagen und schon erglühte der östliche Himmel in immer steigender Pracht. Ich sah beide Leuchttürme, den auf der Insel Hela und den am Danziger Strande, Meteoren gleich durch die Dämmerung blinken, lauschte noch eine Weile dem Geflüster der Bäume im nahen Walde, dem wunderlichen Gezwitscher der träumenden Vögel in meinem Garten, bis endlich das Geriesel des nie rastenden Springbrunnens unter meinem Fenster mich unwiderstehlich einlullte. Johanna Schopenhauer (1766 - 1838)

 

Seite 5   Aus unserer Bücherkiste.

Liebe Leseratten!

Heute wollen wir Euch mit einigen Büchern bekanntmachen, die Euch begeistern werden, so wahr wir hier auf unserer Bücherkiste sitzen und uns die Geistesblitze aus den Federn saugen!

 

Hier das erste:

Der geheimnisvolle Stein. Eine abenteuerliche Geschichte von Gerhard Bedarff. Elch-Verlag, Wiesbaden, 40 Seiten, DM 0,95.

Wirklich: Eine abenteuerliche Geschichte von einem geheimnisvollen Stein, die über Jahrtausende führt. Es ist ein goldgelber, durchscheinender Stein, als „Gold des Samlandes geschätzt und als Schmuckstein sehr beliebt, es ist die Geschichte des Bernsteins. Zwei Jungen gehen ihr nach und verfolgen den Weg zurück in ferne Urzeiten und finden den Ursprung des Steines in Tropfen goldenen Harzes. Sie entdecken frühgeschichtliche Handelsstraßen, die vom Strand des Samlandes, wo die See das Gold des Meeres ans Ufer wirft, quer durch Europa führen, an die Adria, ans Schwarze Meer, nach Griechenland, wo sich die Schönen Ithakas mit dem, geheimnisvollen Stein schmücken. Recht abenteuerlich sind diese Fahrten, und nicht jede führt an das gewünschte Ziel. Hier ist die Geschichte des Bernsteins erzählt, wie ihr sie hören wollt von Gefahr umwittert, spannend, ein Rest bleibt Geheimnis.

 

Das zweite:

Braune Segel in Sonne und Wind. Erzählung von Rudolf Kinau. Band 1 der Baken-Bücherei. Baken-Verlag, Hamburg. 112 Seiten, kart. mit Leinenrücken DM 2,70, fester Halbleinenband DM 4,20.

Ein Buch, jedem rechten Jungen nach dem Herzen geschrieben. Mittelpunkt der Erzählung ist Klaus Niebers, Junge und Koch und Lampenputzer und Speisemeister — alles in einer Person — auf dem Fischerewer „Poseidon“. Seine Mutter hatte an sich andere Pläne mit dem Jungen: Bauer oder Tischler sollte er werden. Aber sein Finkenwerder Fischerblut ist doch stärker und führt ihn den Weg seiner Sehnsucht. Dem Dichter, selbst ein Finkenwerder Kind, gelingt es, die ganze Atmosphäre Finkenwerders einzufangen: Deich, Watt, Teer, Tang, See, Sturm und der tägliche harte Lebenskampf wagemutiger Männer. Welches Jungen Herz wollte da nicht mitgehen! Wer nicht mit Klaus Niebers dies alles erlebt!

 

Zahlreiche Zeichnungen von Hansjochen Barbrack begleiten den Text oder geben eine Einführung in die Seefahrt. Im Anhang finden wir auf zwei Seiten Worterklärungen, die mit, der Seemannssprache vertraut machen. Von Rudolf Kinau stammt auch das dritte Buch, mit dem wir Euch heute bekanntmachen wollen:

 

Kamerad und Kameradin - Gedanken und Fragen und kleine bunte Bilder (über 1 Mill.) Quickborn-Verlag, Hamburg. 80 Seiten, kart. 1,-- DM, geb. 2,40 DM.

Ein Bändchen Gedanken und Fragen für junge Menschen, wie sie schöner und schlichter und eindringlicher nicht gesagt sind in unserer Sprache. Ein Kamerad will dieses Bändchen sein, ein treuer Wandergefährte in das Leben hinein, ein Gesprächsfreund, der das Gute in dir nicht einschlummern lässt, der dich aus der Hast des lauten Tages beiseite nimmt und dir hier einen erstrebenswerteren Lebensbereich erschließt, als die trügerische Welt der Neonlichter und der Flimmerleinwand ihn dir jemals erfüllen kann. Das Büchlein gehört in die Hand eines jeden jungen Menschen, ob Junge, ob Mädel. Es wird Euch das rechte Verhältnis zueinander finden lassen, wenn Euer Inneres zu Entscheidungen drängt, es wird Euch helfen, im anderen den Kameraden zu suchen, wird Euch helfen, Euer Leben mit echten Lebenswerten zu erfüllen.

 

Weißt du …

… dass es außer dem Braunschweiger Eulenspiegel und dem flämischen Uhlenspiegel auch einen „Danziger Uhlespegel“ gibt, eine Sammlung plattdeutscher Spottgedichte von Gustav Kroß.

 

Seite 5   Mit Büchern auf Fahrt!

Das große Fahrt- und Lager-Handbuch

400 Seiten, Fotos, Farbtafeln, 200 Abbildungen.

Ein großartiges Nachschlagewerk für alle Fahrt- und Lagertechniken. Von der Fahrtenvorbereitung bis zum Morseapparat, Baustil, Kochrezepte, Zeltbau, Kompasskunde usw. Dazu ein komplettes Lager-Programm für 4 Wochen. DM 4,80

 

Waldläufer-Handbuch I u. II

Jeder Band 330 Seiten, 300 Abbildungen.

Diese beiden Taschenbücher zeigen gründlich alle Kenntnisse und Handfertigkeiten, die ein echter Junge und Pfadfinder beherrschen muss. Jeder Band in sich abgeschlossen, je DM 4,80

 

1000 Jugend-Spiele

Spielhandbuch für Jungen und Mädchen, für Heim und Sportplatz. 360 Seiten, 500 Abbildungen. Mit diesem weitverbreiteten Spielhandbuch ist Langeweile unmöglich! 1700 Spiele aller Art mit über 3600 Anregungen! DM 4,80

 

Beliebte ostpreußische Jugendbücher!

Wolf der Struter

von Max Worgitzki. Geschichtliche Erzählung aus der Zeit des Deutschen Ritterordens in Preußen. DM 3,80

 

Tatarensturm

von Max Worgitzki. Geschichtliche Erzählung aus der Zeit des Großen Kurfürsten, die den Einfall der Tataren schildert. DM 3,80

 

Ost- und Westpreußischer Sagenborn

von Jochen Schmauch. Auf 68 Seiten die schönsten Sagen unserer Heimat, mit zahlreichen Illustrationen versehen. DM 3,90

 

Seite 5   Aus Bund und Gruppen

Bundesjugendtag Saarbrücken. Brückenschlag von Ost nach West.

Als erster westdeutscher Jugendverband führte die Deutsche Jugend des Ostens (DJO) eine Bundesveranstaltung im Saargebiet durch. Zu ihrem ordentlichen Bundesjugendtag versammelten sich die Vertreterinnen und Vertreter der zehn Landesgruppen und der 17 ost- und mitteldeutschen landsmannschaftlichen Bundesgruppen am 16./17. Juni in Saarbrücken. Zum Bundesführer wurde Ossi Böse öBad Kissingen) wiedergewählt. Stellvertreter wurden: Dr. Hans Christ (Stuttgart), Willi Homeier (Hannover) und Erich Kukuk (München). Zum Bundesschatzmeister wurde Karl Knötig (Stuttgart) gewählt. Neuer Sprecher des landsmannschaftlichen Gremiums ist Hugo Rasmus.

 

Aus Bund und Gruppen. „Preußenfahrt" zum Montiggler-See.

Unsere Meldung in der letzten „Kogge" war nicht ganz vollständig. Wir bringen sie daher noch einmal vollinhaltlich mit den entsprechenden Richtigstellungen.

 

Die Landesspielschar der ost- und westpreußischen Jugend Stuttgart unter der Leitung von Alfred Riess startet vom 17.08. bis 28.08.1956 eine Sonderfahrt, zu der alle ost- und westpreußischen Jungen und Mädel aus dem Lande Baden-Württemberg herzlich eingeladen werden. Diese Fahrt läuft unter dem Motto „Preußenfahrt". Kosten für Fahrt, Verpflegung, Unterkunft — einschl. je einer Fahrt zum Gardasee und den Dolomiten -- ab Stuttgart für volle 12 Tage 118 DM. Zusteigemöglichkeiten sind unterwegs gegeben. Meldungen von Interessenten an Alfred Riess, Stuttgart-Bad Cannstatt, Martin-Luther-Straße 80.

 

Gegen einen Aufpreis von ca. 25 bis 30 DM besteht die Möglichkeit, nach Venedig zu fahren.

 

Seite 6   Wolf der Stuter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. 4. Fortsetzung.

„Meine Vorratskammer und ein Ausschlupf für den Fall der Not. Folge mir!" Sie drangen in die Dunkelheit ein, gebückt und mit tastenden Händen. Die Kammer verengte sich zu einem schmalen, niederen Gang, der durch Holzstreben vorsorglich abgesteift war. Es währte lange, bis endlich ein zarter Schimmer die Finsternis lichtete. Dann aber ging es rasch in das blendende Tageslicht hinein. Sie standen am schroff ansteigenden Ufer eines Sees, inmitten eines Geschilfes, so dicht und hoch, dass es sie völlig verbarg. Ein Einbaum lag da, mit Stoßstange und Paddel, zur Fahrt bereit. Sie sprangen hinein, und Wolf stieß das Boot langsam durch das Schilf, das wie ein Tor sich vor ihnen öffnete und sogleich hinter ihnen schloss, bis sie die freie Wasserfläche erreicht hatten. Jetzt hielt Wolf das Boot an und weidete sich an dem freudigen Staunen seines jungen Gesellen.

 

Auch Wolf blieb lange stumm. Ihm war der See so wohl vertraut, und doch fühlte er immer wieder den Zauber der Weltentrücktheit auf sich wirken. Da fiel alles Irdische von ihm ab, was sein Herz beschwerte. —

 

Den Rückweg nahmen sie nicht durch den Gang, sondern in weit ausholendem Bogen um den Hügel herum. So lernte Jörge zugleich ein gutes Teil der näheren Umgebung kennen, und Wolf war bemüht, sie ihm zu deuten.

 

„Du siehst", schloss er, „unsere Wolfshöhle ist eigentlich ein Fuchsbau“.

 

„Und habt Ihr das alles allein geschaffen?" fragte Jörge verwundert.

 

„O ja, der Winter ist lang, da ist die Arbeit der beste Geselle.

 

Und dann erzählte er, wie er viele Monate daran gegeben hätte, sich diesen Unterschlupf zu schaffen. Später hätte er sich noch mehrere kleinere hergerichtet, gut verteilt an der ganzen Grenze des Sudauerlandes. Wie oft hätten die Heiden ihn gejagt, wie oft hätten sie geglaubt, nun könnte er ihnen nicht mehr entrinnen, und da wäre er plötzlich weg gewesen, als hätte ihn die Erde verschluckt. Ach, die dummen Heiden, sie glaubten schließlich an Zauberei und begannen ihn zu fürchten, wie einen bösen Geist. Hätten sie gewusst, dass es wirklich nur die Mutter Erde war, die ihm die sichere Zuflucht bot, und dass der große Zauberer wie ein Kaninchen in seinem Loche saß und sie auslachte!

 

„Aber mein Haupthaus", so fuhr Wolf fort, „habe ich mir hier am Menasee gebaut, der das Land der Sudauer von der menschenleeren Wildnis Galindiens scheidet. Da hinein getrauen sie sich nicht, wenn ich einmal flüchten muss. Ich aber sitze ihnen hier im Nacken und komme über sie, wo sie es am wenigsten vermuten. Dann schreien sie wieder über Zauberei".

 

Wolf lachte vor sich hin, und Jörge freute sich und konnte nicht genug hören. So setzte denn der Struter seine Erzählung fort, als sie in ihr „Haupthaus" wieder eingefahren waren, und wusste so viel von seinen Fahrten und Kämpfen zu berichten, dass der Tag unbemerkt verronnen war. Die Nacht klopfte ans Fenster und gebot Ruhe. Gehorsam löschten sie das Licht und streckten sich zum Schlafen aus.

 

Aber in Jörges Kopf rumorte noch ungeduldig die Wissbegier. Eine Frage wenigstens musste er loswerden, wenn sie ihm nicht ganz und gar den Schlaf verscheuchen sollte. „Eines müsst Ihr mir noch beantworten", bittend und ein wenig zaghaft kam es heraus, „jeder Struter würde mit Freude und Stolz Euer Gefolgsmann sein. Warum haltet Ihr Euch so allein?"

 

Keine Antwort. Schlief Wolf schon? Oder war es unschicklich, so zu fragen, dachte Jörge verwirrt und horchte ängstlich in das Dunkel. Da sprach Wolf ruhig und bestimmt wie immer:

 

„Weil ich allein am stärksten bin“. Das gab dem Knaben einen Schlag aufs Herz. Ganz still war es in dem Raum. Dann schwang sich noch einmal Jörges Stimme auf, leise und von Betrübnis schwer:

 

„So bin ich Euch ja nur eine Last!" „Nein, mein lieber Geselle. Der Wolf erwartet, dass Wolfson ihm ein wertvoller Helfer sein wird. Und nun, gute Nacht!"

 

Jörge atmete auf, beglückt und geborgen. Aber lange noch kreisten seine Gedanken um die Gestalt des seltsamen Mannes.

 

Ein strenges Regiment führte der Winter im Sudauerland, und so lange währt es, als ob er nie mehr weichen wollte. Nur wenige Stunden am Tage steht ein bleiches Licht am Himmel. Dicht verschleiert von grauem Gewölk, das sich tief und tiefer zur Erde niedersenkt, um so recht mit vollen Händen die weißen, flimmernden Flocken auszustreuen. Sie wirbeln und tanzen über das stumme Land und decken es mit einem weichen Mantel zu. Jetzt aber kommt der raue Geselle, der Oststurm, daher. Mit wildem Geheul rast er über Hügel, Seen und Wälder, dass die Büsche sich ängstlich ducken und die alten Baumriesen ächzen und stöhnen. Die Tiere verkriechen sich zitternd im dichtesten Dickicht, und die Menschen treibt es in ihre Hütten, in den Schutz der tröstenden Flamme.

 

Wolf und Jörge focht der Winter wenig an. Sie saßen wohl geborgen in ihrer Höhle und freuten sich des lustig schwätzenden Feuers. Und Wolf trug Sorge, dass Hände und Gedanken nicht müßig waren. Auch der Hausrat eines Wolfes bedarf der Pflege und steten Ergänzung, zumal die Waffenkammer, wenn sie wohl bestellt sein soll. So schnitzte denn Jörge an mancherlei Gerät herum, an friedlichen Löffeln und spitzigen Pfeilen, an schlanken Speerschäften wie an bauchigen Näpfen. Seine Augen verweilten jedoch mehr bei dem Werk des Gefährten als bei seinem eigenen. Denn was er da entstehen sah, war ja für ihn bestimmt. Es sollte sein Rüstzeug werden für kommende Fahrten und Taten.

 

Aber nicht der Besitz der Waffen macht den Mann, sondern die Kunst, sie zu gebrauchen. Darum wurden die kurzen Tage vorsorglich ausgenutzt, und Jörge war so eifrig im Lernen und üben, wie sein Lehrmeister unverdrossen im Weisen und Lehren. Bald war kein Vogel mehr vor dem Pfeil des Knaben sicher und mit Jubel wurde der erste Hirsch begrüßt, den sein Jagdspieß auf den weißen Boden des Waldes streckte. Doch für einen Mann der Wildnis sind das nur die ersten Anfangsgründe. Jetzt beginnt erst die richtige, die hohe Schulte. Ein Struter muss jede Fährte kennen und zu deuten wissen, sei sie von Mensch oder Tier. Er muss durch den Wald schleichen, ohne selbst eine Fährte zu hinterlassen. Nie darf er sein noch so fernes Ziel verfehlen, die Richtung weisen ihm der Stand der Sonne oder der Sterne, das Moos an den Bäumen oder der Schnitt durch einen jungen Stamm. Er muss das Auge eines Raubvogels haben und das Ohr eines Luchses, dazu die feine Nase eines Hundes, damit ihm im Umkreis einer Meile kein Rauch eines Lagerfeuers oder eines Dorfes entgeht. Auch die Stimmen der Wildnis muss er erkennen, der Tiere und Vögel, aber auch der Sträucher und Bäume. Denn ein jedes von ihnen hat seine besondere Sprache und weiß ihm so manches zu erzählen. Das alles ist eine große Wissenschaft und lange Jahre braucht, wer sie sich zu Eigen machen will.

 

Vieles lernte Jörge in diesem ersten Winter. Denn Tag und Nacht machten sie eine lange Streife durch den Wald, und bisweilen umschlichen sie auch wie rechte Wölfe die Dörfer der Sudauer. Doch die rührten sich nicht aus ihren Hütten. Denn noch immer war der Winter hart und fußtief der Schnee.

 

Eines Abends aber, als die beiden Gefährten wieder einmal müde vom langen Marsch ihrer Burg zustrebten, blieb Wolf plötzlich stehen. Er sah zum Himmel hinauf, lauschte eine Weile und zog dann die Luft in vollen Zügen ein.

 

„Es riecht nach Frühling, Jörge. Und hörst du, wie es hohl durch die Wipfel zieht?"

 

Jörge hörte das auch. Aber vom Frühling merkte er noch nichts. Sein Gesicht war blau gefroren, er stampfte mit den Füßen und schlug die Arme kreuzweise über die Brust, dass es durch den Wald schallte. Wolf lachte.

 

„Ein merkwürdiger Frühling, meinst du. Aber warte nur, der kommt oft über Nacht“.

 

Sie schritten weiter, wie sie es sich zur strengen Gewohnheit gemacht hatten, Wolf voran und Jörge in seiner Spur dicht hinterdrein, da stutzte der Struter und blieb noch einmal stehen.

 

 „Schau her, was ist das?"

 

Wolf wies auf eine Fährte, die sich quer über ihren eigenen Weg hinzog. Sie war frisch und scharf in den Schnee eingedrückt. Vorn zwei runde Stapfen, hinten zwei länglich breite, der Spur eines Menschen ähnlich, der In Strümpfen geht. Nur wiesen alle vier Stapfen am vorderen Rande deutlich den Abdruck von Krallen auf.

 

„Nun, was ist das? Denk mal nach!" Jörge zögerte. Solch eine Fährte hatte er noch nie gesehen. Elch, Hirsch, Schwarzwild, deren Spuren kannte er genau. Die kamen gar nicht in Frage. Von den Krallenträgern Luchs, Fuchs, Wolf machte keiner so große Stapfen. Ganz aufgeregt stieß er endlich hervor:

 

„Ein Bär!"

 

„Ja, mein Junge, ein Bär. Und den Burschen wollen wir uns einmal näher ansehen. Sein Winterpelz könnte uns gut passen“.

 

Sie folgten der Spur, die über eine niedere Bodenwelle hinwegführte und jenseits in einem Bruch verschwand. Fortsetzung folgt

 

„Das ist eine Geschichte, so recht nach meinem Geschmack!" so und Ähnlich heißt es immer wieder in Briefen unserer Kogge-Freunde. Diese spannende Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens ist kürzlich als Buch neu aufgelegt worden (Holzner-Verlag, Würzburg, Halbl. DM 3,80).

 

Ihr könnt es bei Euerem Ostpreußen-Buchdienst, Elchland-Verlag, Göttingen. Postfach bestellen. Lieferung erfolgt prompt

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

Arthur Schopenhauer (Zeichnung)

In Danzig stand die Wiege des berühmten Philosophen Arthur Schopenhauer, im Hause einer reichen Kaufmannsfamilie, indem er am 22.02.1788 das Licht der Welt erblickte. Eine erfolgversprechende Laufbahn in den Fußstapfen des Vaters schien ihm sicher.

 

Das Schicksal hatte es anders bestimmt. Die Mutter, die 1770 gleichfalls zu Danzig geborene Romanschriftstellerin Johanna Schopenhauer, vererbte auf ihren Sohn Arthur glänzende Fähigkeiten und Gaben, die ihn nach ausgedehnten Reisen mit 21 Jahren in die Arme der Philosophie trieben. Er studierte in Göttingen, Berlin und Jena. 1819 erschien sein philosophisches Standardwerk im Druck „Die Welt als Wille und Vorstellung". Es erregte Aufsehen und Widerspruch namentlich bei den in alteingefahrenen Gleisen denkenden Wissenschaftlern. Aber es begründete den späteren Weltruhm des damals 31-jährigen.

 

Im Vertrauen darauf, dass seine Lehre sich Bahn brechen werde, habilitierte Schopenhauer sich an der Berliner Universität. Der Erfolg als akademischer Lehrer blieb ihm versagt. So zog er sich schon mit 43 Jahren in das Privatleben zurück. Die alte Kaiserstadt Frankfurt/Main wurde sein Wohnsitz. Fortan lebte er nur noch der philosophischen Schriftstellerei. Er starb am 21. September 1860 am Lungenschlag.

 

Schopenhauers Philosophie, an Kants Vernunftkritik anknüpfend, fand später viele Anhänger, aber keine eigentliche Fortentwicklung. Seine weiteren Hauptwerke. Über den Willen in der Natur“ (1836) und „Die beiden Grundprobleme der Ethik" (1841) gehören zum unabdingbaren Rüstzeug jeder Weltbetrachtung.

 

Ostpreußische Sprichwörter

Eener kann wohl alleen äte,

oawer nich alleen oarbeide.

 

Wer an Dag schleppt, mot do

ön er Nacht sin' Roh hebbe

 

Seite 6   Die Lust hat mich bezwungen. Von Simon Dach.

Die Lust hat mich bezwungen

zu fahren in den Wald,

wo, durch der Vögel Zungen

die ganze Luft erschallt.

 

Ihr lebt ohn' alle Sorgen

und lobt die Güt und Macht

des Schöpfers von dem Morgen

bis in die späte Nacht.

 

Ihr strebet nicht nach Schätzen

durch Abgunst, Müh' und Neid.

Der Wald ist eu'r Ergötzen,

die Feder euer Kleid.

 

O dass wir Gott anhängen,

der uns versorgen kann

und recht zu leben fingen

mit euch, ihr Vögel, an.

 

Seite 6   Zwei Danziger Sagen.

Die Erbauung der Stadt.

Subislaus, der erste Herzog von Pommerellen, welcher die Taufe empfing, war von König Waldemar von Dänemark mit Krieg überzogen und hatte, da er in seinem Lande noch keine Stadt besaß, nirgends Widerstand leisten können. Damit er nun nicht wieder in gleiche Not geriet, beschloss er eine wehrhafte Stadt zu gründen. Er forderte daraufhin die Bewohner des Fleckens Danzig vor sich und stellte ihnen vor, wie vielerlei Nutzen ihnen erwüchse, wenn sie ihre bisherigen Wohnungen aufgäben und an anderem Orte eine Stadt errichteten; er wolle ihnen hierzu nicht nur die Baustelle und das Holz unentgeltlich hergeben, sondern auch Graben und Planken auf seine Kosten machen lassen.

 

Die Danziger waren des zufrieden, und erbaten sich zur neuen Stadt so viel Raum, als sie mit ihren Armen umfassen möchten. Obwohl der Fürst nun nicht einsah, wo es mit dieser Bitte hinauswolle, so willigte er dennoch ein. Da kamen auf einem bestimmten Tag alle Bewohner des Fleckens mit Weibern, Kindern, Knechten, Mägden und was sonst an Menschen bei ihnen vorhanden war, nahmen einander bei den Händen und umfassten also einen Kreis, soweit sie reichen und sich ausbreiten konnten, auf dem Platze, da noch heutigen Tages die Altstadt Danzig gelegen ist.

 

Der Fürst, obwohl er nicht gemeint, dass ihm sein Anerbieten so teuer zu stehen kommen würde, glaubte doch, sein Wort halten zu müssen, und verlieh das ganze umspannte Land den klugen Danzigern.

 

Seite 6   Der Marienbrunnen

In dem Innern des Brigitten-Klosters zu Danzig befindet sich ein wundertätiger Quell, der Marienbrunnen zu Ehren der Gebenedeiten genannt. Diese hatte nämlich selbst einigen frommen Jungfrauen die wundertätige Kraft des Brunnens enthüllt und den Ort als eine geheiligte Stätte angewiesen. Es ward daher neben dem Quell zuerst eine Kapelle und ein kleines Kloster für Schwestern vom Orden der Marien-Magdalenen-Büßerinnen erbaut. Als aber im Jahre 1374 der Leichnam der heiligen Brigitta aus Rom über Danzig nach Schweden gebracht und einige Tage in jener Kapelle ausgestellt ward, ließ der Hochmeister Konrad von Jungingen eine große Kirche bauen, und weihte sie selbst dem gleichfalls erweiterten Kloster der genannten Heiligen, welche durch ihre, auf den deutschen Orden sich beziehenden Prophezeiungen in der preußischen Geschichte berühmt ist.

 

Seite 6   Die Schweinebrücke. Eine Elbinger Sage / Erzählt von Walther Braun.

Einige hundert Schritte hinter der Schichau- und Elisabethschule und nicht viel weiter vor der Margaretenschule unterquerte ein Hommelnebenlauf die Heilige Leichnamstraße. Er kam bergab von Osten und fiel auch westwärts der Straße ziemlich tief ab; denn es war das ja das Gelände zwischen den beiden bergigen Rosenstraßen. Links und rechts von der Leichnamstraße hatte sich das Bächlein ziemlich tiefe Täler gegraben, so dass sich der weise Rat der Stadt denn schon früh bemüßigt sah, die Brücke beiderseits mit starken Geländern zu versehen. Diese Brücke aber heißt seit langer Zeit im Volksmund „de Schweinsbröck" (die Schweinebrücke). Wie kam man dazu, ihr diesen Namen zu geben? Darüber war die nachfolgende Sage im Umlauf.

 

Vor langen Jahren kam einmal des Nachts ein Dieb daher. Er trug auf dem Rücken ein frischgeschlachtetes Schwein. Weiß Gott, wem er das gestohlen haben mochte? Vielleicht gar noch einem von den kleinen Leuten auf dem Neuen Gut oder in einem anderen Vorstadtviertel. Der Dieb hatte es schlau gemacht. Er war unter das zum Auskühlen hängende Schwein gekrochen, hatte seinen Kopf zwischen dessen Hinterbeine geschoben, so dass das „Krompholz" (Krummholz), an dem es hing, als handliche Traghalte auf der Brust lag. Alsdann hatte er die Beute losgehakt und sich mit ihr auf die Beine gemacht.

 

Nun aber trägt die Länge die Last, und der Dieb ermüdete. Schweißtriefend keuchte er bis zur Brücke in der Leichnamstraße. Dort lehnte er sich mit seiner Last gegen das Brückengeländer, um sich „zu verjösche". Die Hälfte des Weges hatte er geschafft! Was muss der arme Mensch sich doch nur quälen, wenn er's zu etwas bringen will! So mag der Kerl bei sich gedacht haben, als er sich mit dem Ärmel die Stirn wischte. Plötzlich aber glitschte das Schwein vom Holm des Geländers ab, das Krummholz schlug dem Unhold mächtig unters Kinn, und ehe er noch recht zur Besinnung kam, wurde er von dem herunterstürzenden Kadaver in die Tiefe gerissen, wo er tot liegen blieb; denn er hatte „sich's Gnök abgeschosse". Das Schwein war ihm Richter und Henker zugleich geworden.

 

Von da ab hieß die Brücke „de Schweinsbröck" und jeder, der sie passierte, wusste warum. Wenn nicht, dann weiß er es jetzt.

Aus Walther Braun „Elbinger Sagen und Sitten", West-Verlag, Essen.

 

Seite 7   Wegen „Sabotage“ verurteilt. Leidensweg eines ostpreußischen Mädels.

Im Juni konnten nach fast fünfmonatiger Pause wieder Heimkehrer aus der UdSSR im Grenzdurchgangslager Friedland begrüßt und zu ihren Angehörigen in der Bundesrepublik entlassen werden. Vorwiegend handelt es sich um Volksdeutsche aus Südosteuropa sowie aus Russland, die während des Krieges auf deutscher Seite am Ostfeldzug teilnahmen und in Gefangenschaft gerieten, daneben aber auch Zivilverschleppte, wie die jetzt 26-jährige Heimkehrerin Elfriede Sip.

 

Sie stammt aus Preußisch-Holland in Ostpreußen und war beim Einmarsch der Roten Armee als 15-jähriges Mädchen verschleppt worden. In Königsberg wurde sie später wegen „Sabotage" zu 25 Jahren Strafarbeit verurteilt, von denen sie viele Jahre in sibirischen Strafgebieten verbüßen musste. Sie brachte jetzt ihr Kleinkind mit, der Vater, ein Deutscher, musste noch in Russland zurückbleiben. Ihre größte Freude war, dass sie schon kurz nach ihrer Ankunft in der Heimat die Anschrift ihrer Mutter erhielt, die heute in Wildemann/Harz lebt. Postverbindung hatte sie bisher nicht.

 

Seite 7   Verdiente Lehrerin im Königsberg nach 1945 (Foto)

In Wolfsburg erhielt vor einigen Wochen Frau Konrektorin a. D. Lucy Falk das Bundesverdienstkreuz verliehen. Wenn diese Auszeichnung auch als Anerkennung für den ganzen Lehrerstand gewertet wird, so ist es doch in erster Linie die ganz persönliche und selbstlose Arbeit von Frau Falk, die eine besondere Würdigung verdient. Es war im Jahre 1946, als in Königsberg eine „Nichtrussische Mittelschule für deutsche Kinder" aufgebaut wurde. Dazu war die Johanna-Ambrosius-Schule in der Luisenallee instand gesetzt worden, und den Deutschen blieb es überlassen, ob sie ihre Kinder dorthin schicken wollten oder nicht. Das nun war mit mannigfaltigen Schwierigkeiten verbunden. Einmal gab es keinen Schulzwang, die Leitung der Schule hatten die Russen, die wenigen deutschen Lehrer zögerten; zum anderen glaubten viele Eltern, es sei besser, die Kinder nicht dorthin zu schicken, damit sie keinen fremden Einflüssen ausgesetzt würden, oder sie konnten die Hilfe der Kinder nicht entbehren, die durch Zigaretten-, Streichhölzer- und Bonbonverkauf auf den Straßen oft mehr verdienten als die Eltern. Unter diesen bedrückenden Umständen setzte sich Lucy Falk mit all ihrer Kraft dafür ein, dass schließlich doch der Unterricht mit 350 deutschen Jungen und Mädchen begonnen werden konnte. Frau Falk selbst schreibt diesen Erfolg auch der Lebensmittelkarte zu, die jeder Schüler bekam, und der Aussicht auf Bezugscheine für Kleider und Schuhe. Aber sie selbst ging von Haus zu Haus, oder richtiger von Keller zu Keller und durch die Trümmergrundstücke, in denen die Deutschen hausten, um die Eltern für die Schule zu gewinnen. Die hellen und warmen Klassenzimmer und die unermüdlichen Bemühungen der Lehrer erreichten mit der Zeit, dass die Kinder gerne kamen und vor allem auch regelmäßig, obwohl beträchtliche Anforderungen an die Kinder gestellt wurden, besonders in Deutsch, Rechnen und Fremdsprachen. Frau Lucy Falk hat sich wirklich große Verdienste um die Erhaltung des Deutschtums in Königsberg erworben.

 

Seite 7   Liebe zu Pferden. 30 Jahre Gestütswärter in Trakehnen.

Es ist kein Zufall, dass gerade in Ostpreußen die Pferdezucht seit langem und mit so prachtvollen Ergebnissen betrieben wurde. Liegt doch die Liebe zum Pferd im Herzen der ostpreußischen Menschen verwurzelt. Im Osten des Landes, in Trakehnen, lag das Gestüt, das Weltruhm erlangte und nicht nur den Pferdezüchtern und Liebhabern bekannt ist, sondern jedem Deutschen ein Begriff wurde. An ihrer eingebrannten Doppelelchschaufel sind die Trakehner zu erkennen, diese Pferde mit der ungeheuren Leistungskraft und Widerstandsfähigkeit, die die Strapazen der Flucht im bitterkalten Winter überstehen konnten.

 

Die Menschen, die bis dahin zusammen im Gestüt Trakehnen gearbeitet haben, sind nun in alle Winde zerstreut. Nicht allen war das Glück beschieden, auch weiterhin der Pferdezucht und -pflege dienen zu können, wie dem letzten Landstallmeister, Dr. Ehlert, der im vergangenen Jahr im Gestüt Hunnesrück im Solling am 16. Juli 1955 seinen 80. Geburtstag feiern konnte. Da lebt zum Beispiel in Gifhorn der Gestütswärter Grigoleit, der bis 1944 — dann wurde er noch Soldat — in Trakehnen tätig war, fast dreißig Jahre lang. Mit fünfzehn Jahre begann er als Reitbursche, nachdem schon das liebste Spiel der Kinderzeit das Steckenpferd-Rennen war, getreu dem großen Vorbild Trakehnen. Das Hauptgestüt verfügte über 23 000 Morgen Land, das von sechzehn Vorwerken aus bearbeitet wurde. Sechzig Gestütswärter und sechzig Reitburschen betreuten die Pferde, es waren 150 bis 200 Hengste und vier Herden Mutterstuten mit etwa achtzig Zuchtstuten. Herr Grigoleit geht nun, nachdem er aus der Gefangenschaft kam und einige Jahre bei einem niedersächsischen Bauern arbeitete, einer anderen Tätigkeit nach; mit den Trakehnern verbindet ihn nur noch die Erinnerung und die Hoffnung, die Rückkehr noch zu erleben. Wenn er das Schicksal so manchen Landsmannes betrachtet, schätzt er sich doch glücklich, wenigstens seine Familie wiedergefunden zu haben, die zunächst in die Berliner Gegend geflüchtet war.

 

Seite 7   Ännchen von Tharau. Ostpreußen spielten Heimatgeschichte.

Foto: Szenenbild aus Hermann Binks „Ännchen von Tharau". Ännchen (Mitte) mit ihren Freundinnen Ursula und Barbara

Hermann Bink — unseren Lesern als Mitarbeiter der „Ostpreußen-Warte" bekannt — ist der Autor des Schauspiels „Ännchen von Tharau", das Anfang Juni in Northeim uraufgeführt wurde. Bink war früher in Königsberg am Stadttheater und beim Reichssender tätig und verlebendigt mit diesem Schauspiel nicht nur die Geschichte des Ännchen, sondern zugleich den Königsberger Dichterkreis und damit einen wesentlichen Abschnitt im deutschen Kulturschaffen. Und nicht zuletzt war es dem Autor darum zu tun, dem Gedanken an die ostpreußische Heimat Gestalt zu geben.

 

Es waren die Laienspieler des Ostpreußenchores, die Hermann Binks „Ännchen von Tharau" mit gutem Erfolg aufführten. Christa Adelsberger zeichnete sich in der Titelrolle durch beseeltes, keineswegs „laienhaftes" Spiel aus. Als Kaufherr Stolzenberg wurde Horst Beier allen Anforderungen gerecht. Hermann Bink selbst spielte die Rolle des Dichters und Magisters Simon Dach. In weiteren Rollen wirkten noch viele andere Mitglieder des Ostpreußenchores, die wir hier nicht alle nennen können, die jedoch teilhaben an dem Gelingen der Aufführung. Eine besonders prächtige Note bekam der Abend durch die farbenfrohen Kostüme, die aus dem Fundus der Berliner Staatstheater entliehen waren.

 

Das Schauspiel behandelt die Liebe des Dichters Simon Dach zu Anna Neander, dem Ännchen von Tharau. Mit hinein verwoben ist die Entstehung des in allen deutschen Landen bekannt gewordenen Liedes. Es wurde zuerst in Plattdeutsch gedichtet, wie es auch wieder in vielen Liederbüchern verzeichnet wird und noch manchmal zu hören ist. Erst nachher wurde es ins Hochdeutsche übertragen. Das Geschehen ist umrahmt von einem Vorspiel, das den Königsberger Dichterkreis lebendig werden lässt, und einem Epilog, der der Unsterblichkeit der Mitglieder dieses Kreises nachspürt. Im Zusammenhang mit dem ganzen Stück wird hierbei besonders Simon Dachs und des Domorganisten Heinrich Albert gedacht und der Gestalt Ännchen von Tharaus.

 

Am Tage nach der Uraufführung von Hermann Binks Schauspiel „Ännchen von Tharau" gestaltete der Ostpreußenchor in Northeim einen weiteren festlichen Abend im Saalbau. Zahlreiche Behördenvertreter waren zur Bannerweihe erschienen, so der Landrat, der selbst Heimatvertriebener ist, der Bürgermeister von Northeim, ein Schlesier, und Dr. Rupprecht, früher Bürgermeister von Zinten und jetzt Direktor des Arbeitsamtes. Sieben Gastchöre wohnten der Feierlichkeit bei, und viele andere befreundete Verbände hatten Vertreter entsandt.

 

Der Ostpreußenchor Northeim gab den Auftakt mit dem Sängerspruch von Erich Schulz, den Hermann Kirchner vertonte, und unterstrich damit die Festlichkeit des Abends.

 

Den Sängern zur Seite wurden die Banner der Gesangvereine gehalten, und über ihnen prangten die Wappen ostdeutscher Städte. Unter der Stabführung Hermann Kirchners erklang alsdann die Kantate „Unsere Heimaterde" von Georg Neumann. Neben dem Ostpreußenchor wirkten mit: Else Gergut, Sopran, drei Streicher des Volkshochschulorchesters, Ursel Schulz, Klavier, und Hermann Bink als Sprecher. Die Kantate wurde von den Zuhörern mit Dankbarkeit aufgenommen, wirkt sie doch in ihrer klaren Linienführung und Nachzeichnung der ostdeutschen Heimat überzeugend und rührt die Herzen an. Alle Äußerungen sind eindeutig, nichts ist verschwommen; die größte Wirkung der Kantate liegt in ihrer Schlichtheit. Mit Ehrfurcht und Liebe malt der Komponist in homophonen Sätzen die Landschaft nach und steigert sich auch in heitere, jauchzende Gefühle. Eindrucksvoll ist auch die Zuversicht, die aus dem Werke spricht, wenn es zum Beispiel nach der Schilderung der Leiden des Winters heißt: Dennoch kommt ein deutsches Jahr!

 

Dr. Georg Neumann, der Komponist, wohnte dem Abend bei und dankte allen Mitwirkenden auf das herzlichste. Er bekräftigte auch noch mit Worten, was er schon durch seine Musik ausgedrückt hatte, dass die Ostpreußen ihrer Heimat immer treu bleiben.

 

Es war dann Rektor i. R. Neuber, der das Banner weihte. Es ist in Schwarz-Weiß, den preußischen Farben, gehalten und trägt als ostpreußische Symbole die Elchschaufel und das Deutschordenskreuz.

 

Die Feierstunde wurde für alle Teilnehmer zu einem eindrucksvollen Erlebnis, das weiterhin über die Alltagsarbeit ausstrahlen wird.

 

Die Aufführungen beider Abende fanden eine so gute Aufnahme, dass sich sofort mehrere Ortsgruppen darum bemühten, auch in ihrem Bereich den Landsleuten das Schauspiel „Ännchen von Tharau" und die Kantate „Unsere Heimaterde" vorzuführen.

 

Seite 7   Wiedersehen nach 40 Jahren

In Bad Bramstedt begegneten sich kürzlich zwei Ostpreußinnen, die sich zwar seit 40 Jahren nicht mehr gesehen hatten, sich aber doch auf den ersten Blick wiedererkannten. Damals drückten sie noch die Schulbank in Guttstadt, Kreis Heilsberg, heute tauschen sie alte Erinnerungen aus und sprechen von ihren Lehrerinnen, wobei sie besonders Fräulein Wichert, Fräulein Bader und Fräulein Quand erwähnen. Die beiden Guttstädterinnen möchten nun allen Schulkameradinnen und Freunden, die noch erreichbar sind, ein Treffen vorschlagen und bitten, sich an eine von ihnen zu wenden. Die Namen und Anschriften der beiden glücklichen Ostpreußinnen lauten:

 

Frau Margarete Kauer, geb. Bludau (56 Jahre), Stade, Poststr. 7.

 

Frau Gertrud Konigorski, geb. Jablonski (52 Jahre), Hamburg-Billwärder 1, Mittlerer Landweg.

 

Seite 7   Der Ostpreuße Otto Rothe rettete eine „Silberne"

Die Olympischen Reiterspiele in Stockholm sind beendet. Alle Berichte sind erfüllt von dem Glanz dieser Tage, zu dem die deutschen Reiter einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. In der Military vollbrachte der Ostpreuße Otto Rothe auf der hannoverschen Stute Sissi die beste Dressurleistung und verhalf damit der deutschen Mannschaft zur Silbermedaille in dieser großen Vielseitigkeitsprüfung, die sich auf Dressur, Geländeritt und Jagdspringen erstreckt. Otto Rothe, dessen Vater ein bekannter Pferdezüchter war, reitet schon seit früher Jugendzeit und stand auch 1952 mit hervorragenden Leistungen in der deutschen Olympiamannschaft, die damals auch die Silberne Medaille gewann.

 

Die Anforderungen, die in Stockholm an die Reiter gestellt wurden, waren größer denn je. Einmal waren die Strecken und Hindernisse sehr viel schwieriger als bei früheren Olympiaden, und zum anderen hatte strömender Regen den Boden aufgeweicht und die Gräben mit Wasser gefüllt. Das wurde auch Otto Rothe beim zweiten Teil der Prüfung, beim Geländeritt, zum Verhängnis, als er in der Querfeldeinstrecke nach dem letzten Hindernis, Nr. 33, das 1,15 m hoch und 2,50 m breit gebaut war, bei der Landung aus dem Sattel fiel, da das Pferd in dem weichen Boden in die Knie ging. Aber er konnte die 34,85 Kilometer lange Strecke, die in 119 Minuten zu bewältigen war, beenden.

 

Wundervolle Leistungen vollbrachten auch die drei deutschen Reiterinnen, die die Equipe für die Dressurprüfung bildeten. Mit ihnen bestanden auch die Pferde ostpreußischen Blutes eine Bewährungsprobe, denn Perkunos, den Hannelore Weygand ritt, ist ein reiner Ostpreuße, und Adular und Afrika, von Liselott Linsenhoff und Anneliese Küppers geritten, sind durch ihren Vater Oxyd Halbostpreußen. Sie errangen in der Mannschaftswertung die Silbermedaille, und Lieselott Linsenhoff wurde Dritte in der Einzelwertung.

 

Neben der Olympiade lief eine Schau schwedischer Pferde, die zu einem großen Teil ostpreußisches Blut in sich haben und nicht zuletzt dadurch zu außerordentlichen Leistungen fähig sind. Wenn auch die ostpreußische Pferdezucht seit dem Kriegsende zerstreut ist, so zeigten doch gerade die Olympischen Reiterspiele von Stockholm, welch hohen Ruhm sie noch immer auf Grund ihrer Leistungen verdient.

 

Seite 7   Paul Karrasch — Vierfacher Lebensretter (Foto)

„Ein Mann fuhr in einem Paddelboot zirka 30 - 40 Meter von der Seepromenade auf dem Lycksee. Infolge einer ungeschickten Bewegung kenterte das Paddelboot, und der Mann kam nicht an die Oberfläche, da der Kasteneinstieg sehr klein war. Ich sprang mit Kleidern ins Wasser, schwamm an die Unfallstelle und befreite den Mann aus seiner gefährlichen Lage“.

 

So schlicht schildert Paul Karrasch, wie er einem Menschen das Leben rettete. Und es ist nicht nur dieser eine, den er vor dem Ertrinken bewahrte, zwei Mädchen und einen weiteren Mann konnte er durch sein entschlossenes herbeieilen dem Lycksee entreißen. Einmal — er war im ersten Weltkrieg als Soldat auf Urlaub — eilte er über das Eis, um einem eingebrochenen Wachsoldaten zu helfen. Lang hinlegen musste sich Paul Karrasch, um den Mann festhalten zu können, bis weitere Hilfe kam. „Da das Eis dort sehr brüchig war, ist es sehr schwierig gewesen", gibt er zu; aber von der Gefahr, die auch für ihn selbst dadurch bestand, spricht er nicht. Er konnte den anderen retten, und das ist ihm das wesentliche. Als er einmal im Hause seines Vaters in Lyck weilte, hörte er Hilferufe vom See her, eilte ans Fenster und sah vom vierten Stockwerk aus ein Mädchen im Wasser untergehen. Es standen zwar einige Menschen unten, aber niemand unternahm etwas zur Rettung des Kindes. Weil Paul Karrasch hinuntereilte, in Kleidern ins Wasser sprang und das Mädchen von unten heraufholte, konnte es gerettet werden.

 

Ein anderes junges Mädchen paddelte auf dem Lycksee, kenterte mit dem Boot und ging unter, da es nicht schwimmen konnte. Paul Karrasch schwamm mit Turnerkameraden in der Nähe. Als er nun das Unglück sah, schwamm er sofort hin. Das Mädchen war halb besinnungslos und hatte viel Wasser geschluckt, als er es erreichte. Er konnte es von hinten erfassen und rückwärts zum Ufer schwimmen. Die Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg. Für diese Taten wurde ihm vom Preußischen Staatsministerium die Rettungsmedaille am Bande verliehen.

 

Paul Karrasch ist nicht nur ein ausgezeichneter Schwimmer, sondern auf allen Gebieten der Turnerei bewandert; er konnte sich als Mitglied des Männerturnvereins Lyck viele schöne Preise erringen. Mehrfach war er Erster bei den Wettkämpfen des masurischen Turngaues, zeichnete sich als Sieger bei Kreisturnfesten aus und gilt als der erfolgreichste Wett-Turner seines Turnvereins im deutschen Zwölfkampf. Er war es auch, der für den Männerturnverein Lyck ein Vereinsabzeichen entwarf. Die früheren Mitglieder stehen auch heute noch in Verbindung miteinander und haben sich zu einer Vereinigung zusammengeschlossen. In der aufgezeichneten Vereinsgeschichte wird Paul Karrasch besonders gewürdigt für seine sportlichen Leistungen und sein vorbildliches Menschentum. „Bescheiden und still, aber umso einsatzfreudiger war sein Wirken als Vorturner und Oberturnwart im Verein" heißt es darin. Und dass diese Tugenden seine hervorstechendsten Eigenschaften sind, die sein ganzes Wesen kennzeichnen, wird jeder glauben, der von seinen Rettungstaten hört. Ohne sich lange zu besinnen, setzte er wiederholt sein Leben ein, wenn er fremde Menschen in Gefahr sah.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimst verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten auf unklaren.

 

Aus Alt-Preußenfelde, Kreis Ebenrode wird Arno Woyziechowski, geboren am 18. März 1943 in Kickwieden, Ostpreußen, gesucht van seiner Tante Erna Westphal, geboren am 27. November 1913. Die Eltern des Knaben sind Joseph Woyziechowski und Minna Woiziechowski.

 

Aus Bekarten, Kreis Preußisch-Eylau wird Erwin Boldt, geboren am 14. April 1939 gesucht von seiner Mutter Frieda Boldt, geboren am 24. Mai 1903.

 

Aus Gollau, Kreis Samland werden Siegfried Kösling, geboren am 22. Mai 1933 in Königsberg und Erwin Kösling, geboren im April 1937 in Gollau gesucht von ihrem Vater Fritz Kösling, und von ihrer Schwester Irmgard Kösling.

 

Aus Heilsberg, Hindenburgstraße 16 werden Eberhard Czemper, geboren am 2. Februar 1937 in Königsberg und Gabriele Dorothea Czemper, geboren am 26. März 1944 in Heilsberg, gesucht von ihrem Vater Gerhard Czemper, geboren am 17. April 1912 und von ihrer Großmutter Marie Groß, geborene Zimmermann.

 

Aus Herrendorf, Kreis Bartenstein wird Irmgard Bernecker, geboren am 15. Juni 1943 in Herrendorf, gesucht von ihrem Vater Karl Bernecker. Das Kind wird mit seiner Mutter Anna Bernecker, geborene Juckwat vermisst.

 

Aus Insterburg, Friedrichstraße 5 wird Monika Borowski, geboren am 1. März 1942 gesucht von ihrem Vater Otto Borowski, geboren am 6. Mal 1906 und von ihrer Großmutter Auguste Knechties, geborene Jessat

 

Aus Insterburg, Gerichtsstraße 8 wird Ingrid Grzybowski, geboren am 30. April 1938 gesucht von ihrer Schwester Erna Grzybowski und von ihrem Bruder Ewald Grzybowski.

 

Aus Insterburg, Luisenstraße 3 wird Karl-Heinz Rosner, geboren am 15. November 1934 in Birkenhof, gesucht von seiner Tante Ursula Rose.

 

Aus Insterburg, Steinstraße 2 werden Bruno Szillat, geboren 1933 in Insterburg, Alfried Szillat, geboren 1935 in Insterburg, Ingeburg Szillat, geboren etwa 1937 und Irmgart Szillat, geboren etwa 1939 in Insterburg, gesucht von ihrem Vater Karl-Heinz Szillat.

 

Aus Klinthenen, Kreis Gerdauen wird Georg Groneberg, geboren am 24. Juli 1938 in Klinthenen gesucht von Hanna Blarr, geborene Wüsthoff

 

Aus Kloken, Kreis Elchniederung wird Helga Tamoschus, geboren am 23. Juli 1935 in Kloken gesucht von ihrer Tante Maria Gawehn, geborene Heuer. Helga wurde 1945 zuletzt mit ihrer Mutter Ida Tamoschus und einer Familie Artschwager im Samland gesehen.

 

Gesucht werden aus Königsberg-Preußen, Gebauhrstraße 45, Rudi Bast, geboren am 22. November 1937 und Berndt Bast, geboren am 12. Oktober 1941 von ihrem Vater Günther Bast. Die Kinder sollen mit ihrer Mutter Elli Bast und ihrer Tante Ilse Stiemer im März 1945 in Gotenhafen gesehen worden sein.

 

Aus Königsberg-Charlottenburg, Hasenweg 21 wird Irmgard May, geboren am 19. September 1936 in Königsberg gesucht von ihrem Vater Fritz May, geboren am 14. Juni 1908.

 

Aus Königsberg, Lawsker Allee werden Ernst Kemsat, geboren im März 1937 und Peter Kemsat, geboren im Februar 1940 in Königsberg, gesucht von ihrem Onkel Heinz Wiese, geboren am 11. Dezember 1907. Die Mutter Helene Kemsat, geborene Wolfer wird auch gesucht.

 

Aus Königsberg-Kohlhof, Straße 1064, Nummer 2, wird Ewald Feister, geboren am 14. August 1936 in Bürkenau, gesucht von seinem Vater Ernst Feister, geboren am 16. März 1911.

 

Aus Ragnit, Bernharthöfer Straße 52 bei Auguste Lasat wird Klaus Günther Adebahr, geboren am 20. März 1938 in Insterburg, gesucht von seiner Mutter Erna Koletzki, geborene Adebahr, geboren am 4. Februar 1915. Klaus Günther Adebahr ist mit seiner Pflegemutter Auguste Lasat im August 1944 nach Mohrungen, Ostpreußen evakuiert.

 

Aus Richtfelde bei Hemmersdorf, Kreis Gumbinnen wird Rosemarie Jetzkowitz, geboren im September 1941 gesucht von ihrem Vater Otto Jetzkowitz, geboren am 6. Juni 1908.

 

Aus Schiewenau, Kreis Wehlau werden Lieselotte Bondzio, geboren am 27. November 1941 und Monika Bondzio, geboren am 11. Februar 1944 Schiewenau, gesucht von ihrem Vater Gerhard Bondzio, geboren am 14. März 1911 in Lötzen. Die Kinder waren in einem Flüchtlingstreck auf dem Wege nach Königsberg und befanden sich am 24. Januar 1945 in Wolfsdorf bei Waldau.

 

Aus Schönlinde, Post Wehlau, Kreis Gerdauen wird Hans Niehörster, geboren am 6. Februar 1938 in Schönlinde, gesucht von seinem Vater Doktor Hermann Niehörster, geboren am 15. Dezember 1902.

 

Aus Schönlinde, Kreis Gerdauen wird Oskar Flath, geboren am 13. März 1941 in Gerdauen gesucht von seinem Vetter Hartmuth Flath und von seinem Bruder Dietmar Flath. Oskar befand sich mit seinem Vater Ludwig Flath im März 1945 in Pillau.

 

Aus Worienen, Kreis Preußisch-Eylau werden Reinhard Ipach, geboren am 3. Juli 1942 und Ingrid Ipach, geboren am 21. Juni 1939 gesucht von ihrem Vater Oskar Ipach. Die Kinder sollen nach dem Tode ihrer Mutter in das Waisenhaus Preußisch-Eylau gekommen sein.

 

Aus Wormditt wird Christel Meyer, geboren am 14. Dezember 1934 in Massurmaten, gesucht von ihrem Vater Otto Meyer, geboren am 16. Februar 1891. Christel war mit ihrer Mutter Minna Meyer am 19. Januar 1945 von Unterbirken, Kreis Interburg, aus auf die Flucht gegangen. Am 20. Januar wurde die Mutter auf dem Bahnhof Wormditt verwundet.

 

Aus Wormditt, Kreis Braunsberg werden die Geschwister  Heinz Schröter, geboren am 6. Januar 1934, Maria Schröter, geboren am 17. September 1936, Anna Schröter, geboren am 4. Februar 1938 und Ursula Schröter, geboren am 10. März 1940 gesucht von ihrem Bruder Artur Schröter, geboren am 17. November 1929

 

Aus Zimmerbude, Kreis Samland werden Rainhard Fischer, geboren am 28. März 1944 und Margitta Fischer, geboren am 19. April 1943 gesucht von ihrer Mutter Lieselotte Fischer, geborene Lange, geboren am 12. September 1916 in Preußisch-Eylau. Die Kinder wurden im April 1945 von Frau Irmgard Wölk auf der Ortsgruppe in Zimmerbude einer älteren Dame übergeben, weil die Mutter nicht mehr nach Zimmerbude zurückkommen konnte. Wer war diese unbekannte ältere Frau, die sich der Kinder Fischer annahm?

 

Aus Königsberg-Spandienen III, Straße 1776, wird Adelheid Podlesch, geboren am 3. Juli 1941 in Königsberg, gesucht von ihrer Mutter Anna Podlesch, geboren am 31. Januar 1910. Das Kind Adelheid Podlesch ging seiner Mutter am 24. August 1947 im Kreise Mariampol in Litauen verloren. Es wurde auf einem Wagen mitgenommen. Wer nahm sich des Kindes Adelheid Podlesch damals an?

 

Aus Preußisch-Holland, ehemalige Erich-Koch-Straße 26, wird Irma Edelgard Fischer, geboren am 26. Juli 1936 in Steegen, Kreis Preußisch-Holland, gesucht von ihrer Mutter Anna Fischer, geboren am 10. Februar 1909 in Mühlhausen/Ostpreußen und von Waltraut Kroll, geborene Krause, geboren am 29. November 1927.

 

Aus Lötzen, Poststraße, werden die Geschwister Röder, und zwar: Helmut Röder, geboren am 20.07. 1942, Irmtraud Röder, geboren am 24. September 1939 und Ursula Röder, geboren am 24. Dezember 1934, gesucht von ihrer Schwester Sigrid Clemens, geborene Röder, geboren am 10. Januar 1927 in Lötzen/Ostpreußen.

 

Aus Osterode/Ostpreußen, Bahnhofstraße 8, bei Fritz Balk — Bäckerei — wird Winfried Meier, geboren etwa 1939 in Königsberg, gesucht von Gertrud Balk, geboren am 17. September 1893. Winfried Meier ist am 20. Januar 1945 mit seiner Großmutter Anna Meier von Osterode/Ostpreußen geflüchtet.

 

Aus Trentitten, Kreis Samland, werden Fritz Gösch, geboren am 15. Juli 1935 in Trentitten und Gisela Gösch, geboren am 26. Juni 1934 in Trentitten, gesucht von ihrem Vater Walter Gösch, geboren am 9. Juli 1909. Die Kinder Gösch befanden sich zuletzt im Waisenhaus in Pobethen, Kreis Samland. Die letzte Nachricht von dort war vom August 1948.

 

Aus Uderwangen, Kreis Preußisch Eylau werden die Geschwister Monien, und zwar: Eckard Monien, geboren am 17. Juli 1943 und Manfred Monien, geboren am 7. Januar 1935, gesucht von ihrer Tante Edith Monien. Beide Kinder Monien waren mit der Mutter Eva Monien und der Großmutter Minna Lenz Ende Januar 1945 von Uderwangen geflüchtet und wollten mit einem Wehrmachtsauto nach Pillau. Der Vater der Kinder, Horst Monien, geboren am 12. Dezember 1906, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Weidenfließ, Kreis Tilsit-Ragnit werden die Geschwister Woiwod, und zwar: Rosemarie Woiwod, geboren am 28. Oktober 1940, Gerd Woiwod, geboren 1937, in Blindupönen (Ostpreußen), Helga Woiwod, geboren 1936 in Blindupönen und Fritz Woiwod, geboren 1934, gesucht von ihrem Onkel Ewald Woiwod, geboren am 16. Dezember 1913.

 

Seite 8   Mohrunger, Achtung! Wer kennt diesen jungen Mann!

Dieses Foto wurde bei einem unbekannten jungen Soldaten gefunden der wahrscheinlich beim Einmarsch der Russen bzw. Polen im März/April 1945 in Langseifersdorf, Kr. Reichenbach (Eulengebirge) den Tod gefunden hat. Das Bild gelangte auf Umwegen von einer inzwischen verstorbenen Krankenschwester in unsere Hände.

 

Ob es sich bei dem Toten um den Fotografierten selbst oder vielleicht um einen Verwandten des Toten handelt, konnte nicht festgestellt werden.

 

Aus dem Stempel auf der Rückseite ist ersichtlich, dass die Aufnahme von dem Mohrunger Lichtbildner Aug. Neubaur hergestellt wurde, die Vermutung liegt daher nahe, dass der Dargestellte aus Mohrungen stammt.

 

Nachrichten, die zur Aufklärung dieses Gefallenenschicksals führen, an die Redaktion der Ostpreußen-Warte, Göttingen, Postfach, erbeten.

 

Kindersteckbrief mit Foto:

Name: Kackschies;

Vorname: Edith;

geb. 20.03.1940.

Augen: braun;

Haar: hellblond.

Die Mutter Emma Kintgen geb. Kackschies wohnte zuletzt in Lompönen, Kreis Tilsit. Sie flüchteten am 07.10.1944 und wurde von der Pflegemutter des Kindes letztmalig im Dezember 1944 in KleinScbönau bei Friedland gesehen. Bild Nr. 2740.

 

Kindersteckbrief mit Foto:

Name: unbekannt;

Vorname: vielleicht Erwin;

geboren: etwa 1940.

Augen: blau;

Haar: rötlichblond.

Der Knabe kann Erwin heißen und aus Ostpreußen stammen. Er floh mit der Mutter, dem Großvater, einer Schwester und einem kleineren Bruder. Er soll beim Untergang eines Schiffes gerettet worden sein. Bild Nr. 904.

 

Seite 8  Kriegsgräberfahrten nach England und Finnland gesichert.

Die Kriegsgräberfahrt nach England mit dem allgemeinen Reiseziel London wird in der Zeit vom 25. Bis 30. August durchgeführt. Preis der Fahrt 245,-- DM ab M.-Gladbach. Hin- und Rückfahrt erfolgt auf dem Wege über Hoeck van Holland – Harwich – London. Von London aus fahren die Teilnehmer zu den einzelnen Zielorten. Die Kriegsgräberfahrt nach Finnland wird in der Zeit vom 3. bis 12. September durchgeführt. Preis nach Helsinki 385,50 DM; nach Tornio 293,-- DM. Von diesen beiden Hauptpunkten aus werden die Teilnehmer nach den einzelnen Zielorten weitergeleitet. Programme können bei der Bundesgeschäftsstelle, Kassel, Ständeplatz 2, angefordert werden.

 

Kriegsgräberfahrten nach Frankreich und Italien. In den Raum Marseille-Toulon: Auf vielfachen Wunsch wiederholen wir die Kriegsgräberfahrt vom April, diesmal mittels Bus ab Aachen, in der Zeit vom 10, bis 15. September. Preis 268,-- DM.

 

In den Raum Cassino—Neapel—Salerno: In der Zeit vom 30. September bis 7. Oktober 1956. Preis der Fahrt in den Raum Neapel und Cassino 263,35 DM, nach Salerno 274,05 DM.

 

Eine Kriegsgräberfahrt nach Tunesien wird in der ersten Hälfte des Septembers durchgeführt. Einzelheiten des Programms können in Kürze erfragt werden.

 

Sämtliche Reisen sind auf Grund der heute gültigen Preise im Ausland errechnet. Änderungen, die sich aus einer anderen Sachlage ergeben, müssen vorbehalten bleiben.

 

Seite 9   Heimat zwischen Haff und Meer.

Foto: Haffblick von der Hohen Düne bei Nidden Foto: Rosner

Früher kamen alljährlich unzählige Feriengäste nach Ostpreußen und verlebten herrliche Urlaubstage in der Seelandschaft der Johannisburger oder der Rominter Heide. Wenn aber ein besonders großartiges Bild nicht fehlen sollte, der musste die Dünenlandschaft der Kurischen Nehrung gesehen haben mit ihren urwaldartigen Wäldern, in denen der Elch hauste, und den verträumten Fischerdörfern.

 

Von Königsberg bis zum Ostseebad Cranz ist es nur eine halbe Stunde Bahnfahrt, und von dort aus brachten geräumige Haffdampfer die Gäste zu den Nehrungsdörfern.

 

Bis zum ersten Fischerdorf Sarkau, das ein beliebter Ausflugsort der Königsberger war, ist nur der Nehrungswald sichtbar. Endlich tauchen die Weißen Berge auf. Ja, wenn diese leuchtenden Dünen nicht wären, dann wäre die Fahrt um eines ihrer reizvollsten Bilder ärmer gewesen. Denn alle, die diese Reise antraten, wollten durch wehenden Dünensand wandern und von oben ins Unendliche schauen.

 

Früher war die ganze Nehrung mit Hochwald bewachsen. Erst nach dem Dreißigjährigen Kriege ist die Nehrung entwaldet worden. Durch die Abholzung wurde der von der See abgeladene Sand frei, der Wind konnte wieder zufassen und häufte den Sand in Form von Wanderdünen auf, die nach dem Haff zu meist schroff abfallen. Diese Dünen sind die größten Europas, sie erreichen Höhen bis zu Sechsundsechzig Meter. Zur Sicherung des Postweges von Cranz nach Memel wurden später künstliche Vordünen angelegt, die die Zufuhr weiteren Sandes von der See her unmöglich machten. Auch das ganze Land an den Dünen wurde durch Pflanzungen festgelegt, um soweit wie möglich zu vermeiden, dass die Dünen wanderten und Dörfer verschütteten, wie das früher geschehen ist. So hat sich das Bild der Nehrung im Laufe der Zeit verändert.

 

Freundliche Fischerhäuser und gemütliche Gaststätten, die weltberühmte Vogelwarte und das abseits gelegene Segelfliegerlager, dazu Haff, Dünen, Wald, See und die vielen Gäste aus allen Teilen Deutschlands, die hier Erholung fanden: das ist Rossitten, wie es in unserer Erinnerung lebt.

 

Elf Kilometer nördlich liegt das Fischerdorf Pillkoppen. Nach diesem stillen, friedlichen Badeort, der ungefähr auf der Mitte der 98 Kilometer langen und einen halben bis zu vier Kilometer breiten Nehrung gelegen ist, kehrten die Urlauber immer gern wieder zurück. Die Häuser liegen auch besonders günstig dicht am Hang der steilen Dünen, von denen aus sich ein herrlicher Blick auf das blaue Haff, die silberne See und den schmalen Nehrungsstreifen eröffnet.

 

Hier hatte der Wanderer auf einsamen Pfaden, die weder durch Eisenbahn, noch durch Autoverkehr gestört wurden, Gelegenheit, Elchen zu begegnen.

 

Die nächste Dampferanlegestelle war Nidden. Die eigenartig schöne Lage des Ortes und die Ursprünglichkeit der Bewohner machten Nidden, das einmal „das schönste Dorf im weiten Erdenrund" genannt wurde, zu einem von Malern und Dichtern bevorzugten Ziel. Bekannt sind hier das Tal des Schweigens, die Tote Düne, der Pestkirchhof von 1708 und nicht zuletzt eine Erinnerungsstätte der Königin Luise, die 1807 auf ihrer Flucht nach Memel in Nidden Rast hielt.

 

Mit den Fischern konnte man bei schönem Wetter gelegentlich auch eine Fahrt aufs Haff oder gar auf die See hinaus machen. Für die Mitfahrenden war es ein Erlebnis seltener Art, wenn sie aus den einfachen Booten auf das unendliche Wasser schauten. In dieser Stunde bekamen sie eine Ahnung von dem schweren Beruf der auf der Nehrung lebenden Fischer, die jede Nacht in ihren Kurenkähnen mit den geschnitzten bunten Wimpelbrettern ausfuhren, ständig im Kampf mit den Naturgewalten und voller Ungewissheit um den täglichen Fang und Lebensunterhalt.

 

Der besuchteste klimatische Kurort der Nehrung war Schwarzort, rings von bewaldeten Dünen schützend eingeschlossen. Hier herrschte im Gegensatz zu den Fischerdörfern ähnliches Badeleben wie in den großen samländischen Kurorten Cranz, Rauschen, Pillau. Noch annähernd zwanzig Kilometer sind es von Schwarzort bis Memel, das am Memeler Tief, der Verbindung des Kurischen Haffs mit der Ostsee, liegt. Die Stadt war mit ihren etwa 45 000 Einwohnern die Hauptstadt des südöstlich über Heydekrug an Tilsit vorbei sich hinstreckenden Memelgebiets. Willy Rosner

 

Seite 9   Ostpreußische Totenkronen, Totenbraut und Totenhochzeit.

Foto: Totenkrone mit Gehäuse aus der Kirche von Kreuzburg, Kreis Preußisch-Eylau.

In einigen ostpreußischen Dorfkirchen fand man seltsame verglaste Gehäuse verschiedenster Stilarten, worin merkwürdige, aus buntem Flitter, Blumen und Federn gefertigte pyramidenförmige Gebilde aufbewahrt wurden. Oft fehlte bereits der Inhalt dieser Kästen, wie in Juditten und Arnau bei Königsberg. Bei der größten Mehrzahl war die Kenntnis von der Bedeutung dieser kirchlichen Ausstattung kaum noch erhalten. Nur der Name „Totenkrone" hatte sich hier und da noch lebendig erhalten. Einst werden wohl in jeder der ostpreußischen Kirchen viele solcher „Totenkronen" gehangen haben. Aber früh wanderten die meisten als unverstandenes Überbleibsel einer älteren Zeit auf den Kirchenboden oder ins Feuer. Drei solcher Kästen, leider ohne Füllung, gelangten vom Boden der Steindammer Kirche zu Königsberg ins Prussia-Museum, wo auch noch drei weitere Totenkronen sich befanden.

 

Welche Bewandtnis hat es mit diesen Zeugen aus einer entschwundenen Zeit? Es steht zunächst außer jedem Zweifel, dass wir es mit Brautkronen zu tun haben, also mit jenem Schmuck, den die Braut früherer Zeiten während der Hochzeit trug. Bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese Brautkronen im Gebrauch, um dann vom Myrthenkranz verdrängt zu werden. Und auch diesen fand man in den Kirchen Ostpreußens hier und da aufgehängt. Wie kamen diese Brautkronen und -kränze in die Kirchen?

 

Die Antwort auf diese Frage geben uns die mit den Gegenständen in Zusammenhang stehenden Inschriften. Es handelt sich hier nicht um die Brautkronen wirklich getrauter weiblicher Personen, sondern um solche sinnbildlicher Art, die beim Tode junger, unvermählt gebliebener Mädchen, ja sogar Kinder, eigens für das Begräbnis dieser Personen angefertigt und später in der Kirche niedergelegt wurden. Karl Rosenkranz, der solche Kronen aus ostpreußischen Kirchen in seinen „Königsberger Skizzen", 2. Abteilung, Danzig 1842, S. 82 erwähnt, schreibt dazu: „In den Sargkronen, die man von Kindern, Jungfrauen und Junggesellen in die Kirche aufnimmt und an den Wänden befestigt, sieht man, wie die Gemeinde das Gedächtnis derer, die gegen den Lauf der Natur früh aus ihr geschieden sind, sich noch zu erhalten weiß. Diese bunten Blumenkronen mit ihren langen seidenen Bändern und goldenen Flittern, mit ihrem geisterhaften Flüstern, haben mich oft mehr erbaut, als der wohlgesetzte Sermon des Predigers".

 

Diese Begräbnissitte bei unvermählt Verstorbenen, die gewiss noch begleitet war von sonstiger bräutlicher Ausschmückung der Toten, findet ihren ergänzenden Vergleich in vielen ähnlichen Begräbnisbräuchen, wie sie mancherorts bis in allerneueste Zeit üblich waren und noch heute gepflegt werden. In Ostpreußen schmückte man noch nach dem ersten Weltkriege ein gestorbenes Mädchen wie eine Braut mit Schleier und Kranz. In Mittelschlesien galt bei unverheiratet Gestorbenen der Begräbnistag als Hochzeitstag, wobei das Trauerhaus festlich geschmückt wurde. In Kleinrussland schmückte man ein gestorbenes Mädchen wie zur Hochzeit und vereinigte hochzeitlichen Brauch mit den Begräbnisfeierlichkeiten; dasselbe geschah auch beim Tode eines Burschen. In Lettland wurde die Bestattung junger im Heiratsalter Verstorbener in fröhlicher Weise gefeiert; der zweite und dritte Tag heißen geradezu „Hochzeit".

 

All diese Bräuche sind sichtlich aus dem Gedanken entsprungen, dem Verstorbenen das, was das Leben ihm nicht gegeben, nämlich die Hochzeit, am Begräbnistage zukommen zu lassen.

Einige weitere Begräbnissitten lassen das Gedankengut noch klarer in Erscheinung treten. Bisweilen wird eine regelrechte Scheinhochzeit mit dem Toten vollzogen. In Hessen z. B. wurden die Särge der Junggesellen von Kranzmädchen begleitet, die vier Wochen lang Trauer tragen. In Böhmen gab man dem unverheiratet gestorbenen Jüngling eine schwarz verschleierte „Braut" mit ins Trauergefolge. In Serbien folgt irgendein Mädchen, wie zur Hochzeit angezogen, in der Hand zwei Kränze, dem Sarge des Junggesellen. Zwei Brautführer begleiteten sie. Einen Kranz warf sie ins Grab, den anderen trug sie einige Zeit, obgleich sie niemals daran gedacht hatte, den Verstorbenen zu heiraten. In Podolien, wo die Überzeugung besteht, dass die Toten ohne Gattin in jener Welt keine Stätte haben, wird die Bestattung eines Burschen nach Art einer Hochzeit vollzogen. Dem toten Mädchen heftet man dort zwei Kränze an. Ihr wird für das Jenseits ein Bräutigam bestimmt; irgendein Bursche übernimmt die Rolle eines solchen. Im hochzeitlichen Aufputz begleitet er die Verstorbene zum Grabe. Von dieser Zeit betrachtet ihn die Familie der Toten als „Schwiegersohn".

 

Beispiele ähnlicher und gleicher Art ließen sich noch viele anführen. Die mitgeteilten mögen als Beweis für den Brauch der sinnbildlichen Totenhochzeit genügen. Dir. Dr. W. Gaerte

 

Seite 9   Königsberger Winkel /von Herben Meinhard Mühlpfordt

3. Fortsetzung

V. Der Neue Markt.

Der alte winkelige Löbenicht, als Stadt bescheiden  Ackerbürger, hatte keinen repräsentativen Markt. Erst als das Sackheimsche oder Kohltor 27 Jahre nach der Vereinigung der drei Städte nebst den Freiheiten im Jahre 1752 der Spitzhacke zum Opfer gefallen war, wurde hier auf dem „Steegen" der „Neue Markt" angelegt.

 

Der Name „Steegen", d. h. bei den Scheunen, bestätigt, dass hier die Viehweide der Löbenichter gewesen, und der Name der Sackheimer Tränkgasse verrät, dass hier dieses Vieh zum nahen Pregel zur Tränke geführt worden war. Die Pferde der Löbenichter dagegen weideten auf den nördlich gelegenen Roßgärten.

 

Der Neue Markt, in der Barockzeit in den dieser Zeit eigenen großen Umrissen angelegt, hatte noch an der Nord- und Ostseite eine ganze Reihe alter Barockhäuser.

 

Zwar flutete an seiner Nordseite, wo die „Ferkelgasse", später Holländerstraße genannt, vom Anger herkam, das Großstadtleben vorüber mit Autogeknatter und elektrischen Bahnen, aber der mit Kopfsteinpflaster belegte Markt an sich war ganz still; am Pregel sitzend sah und hörte man den Straßenlärm nur wie aus einer andern Welt und fühlte sich angesichts der mit Mansarden gebauten, blumengeschmückten Barockhäuser mit der Reihe Linden davor wie geborgen — trotz der Mietskasernen an der Westseite. Zur Zeit der Heuernte lagen oft gewaltige Berge duftenden Heues auf ihm, das die Witinnen von den litauischen Wiesen nach Königsberg gebracht hatten.

 

Lange vor 1900 bestand der Plan, vom Neuen Markt eine Brücke nach der Lomse zu bauen, das neu heraufkommende 20. Jahrhundert aber wollte diesen Plan mit Macht verwirklichen. Und schon in den ersten Jahren entstanden drüben riesige Wohnviertel in der damals üblichen geschmacklosen uniformen Bauweise. Die breiteste, mit Bäumen bestandene Straße, der Kurfürstendamm, mündete genau dem Neuen Markt gegenüber auf den Pregel, um die neue Brücke aufzunehmen.

 

Der erste Weltkrieg verhinderte diese Pläne. Technik und Verkehr aber schritten viel gewaltsamer vor, als die Leute um 1900 mit ihren ersten Benzinkutschen geahnt hatten. So durfte und wollte man die Entlastungs- und Umgehungsstraße nicht mehr hier bauen, sondern sie entstand 1935 weit draußen hinter Lauth (Palmburger Brücke).

 

So blieb der Neue Markt der verträumte stille Winkel, der er immer gewesen war.

 

VI. Der Katholische Kirchenplatz

Wenn man von dem Lärm der Königstraße abbog in die stille Landhofmeisterstraße, schien sie vor der Katholischen Kirche, deren etwas kühler, aber formschöner Bau die Straße bedeutend abschloss, als Sackgasse zu enden. Dem war aber nicht so; zwischen alten Häuschen kam man ganz bequem zum stillen Katholischen Kirchenplatz.

 

Und das war wieder so ein idyllischer Winkel unserer Vaterstadt, östlich und westlich der Kirche führten zwei breite Treppen zum Sackheim hinab, dessen Verkehr und Lärm der mächtige Bau der Kirche abhielt. Anlagen und Strauchwerk gaben den Rahmen, im Norden begrenzte den Platz die Katholische Kaplanei, ein entzückender Barockbau mit Doppeldach, schönem Portal und einem, die Türpartie betonenden, ausdrucksvollen Giebel. Der Beischlag oder Wolm, der zum Portal hinaufführte, trug ein schmiedeeisernes Gitter, das mit Rokokotroddelchen geschmückt war, die bei jedem Windhauch vergnügt zu läuten schienen. Die beiden Antrittspfosten der Treppe waren entzückend gearbeitet.

 

An der Westseite grenzte an den Platz der Garten der Kaplanei, in dem sich ein Gartenhäuschen in der Form eines kleinen Kuppelhauses mit Pilasterstellung befand. Westlich hinter dem Gartenzaun lag der Kohlhasenwinkel.

 

Schauen wir uns von diesem idyllischen Platz nun einmal die Kirche näher an!

 

Nach dem Brande der alten turmlosen erst 1614 gegründeten Kirche wurde sie in den Jahren 1765 - 1777 vom Oberbaudirektor Johann Samuel Lilienthal neu erbaut. Unter den Bauzuschüssen aus Privathand befand sich eine namhafte Beisteuer des Kommerzienrates Franz Friedrich Saturgus. Er konnte sich das leisten, denn er hatte in Königsbergs erster Russenzeit durch Getreidelieferungen für die russische Armee ungeheure Summen verdient. Wir werden von diesem tüchtigen Manne noch ausführlich an anderer Stelle zu reden haben.

 

Das Gotteshaus wurde unter dem Einfluss des strengen und sparsamen offiziellen Berliner Baustils errichtet und zeigte daher eine etwas kalte und nüchterne Anlage. Die mächtigen Pilaster, die tiefen Nischen, und die schöne Kuppel des Turmes wirkten aber durch Masse, Schattenbildung und Wucht, hinter denen das Detail zurücktritt. Fortsetzung folgt.

 

Seite 10   Da droben vor meines Vaters Haus, da steht eine uralte Linde … (Von einem Hausbaum ostpreußischer Geschlechter)

„Da droben vor meines Vaters Haus, da steht eine uralte Linde, darauf da sitzet Frau Nachtigall und singt mit heller Stimme …“ so kannten wir ein altes ostpreußisches Volkslied.

 

Die Linde ist der Baum, der immer wiederkehrt im heimischen Lied und Volksleben. Die Linde, die schützend den Blitzstrahl abwehrte, war der Hausbaum, der Freud und Leid der Geschlechter mit ansah, und den man auch über das letzte kleine Haus, unter grünem Hügel seine Zweige breiten ließ.

 

Es schloss sich das Christentum der überlieferten heidnischen Vorliebe an, die den lieblichsten der Bäume der Göttin der Schönheit und des blühenden Lebens gewidmet hatte. In die der Göttin geweihte Linde setzte man besonders gern Heiligen- und Christusbilder, und manche sinnige Legende knüpft sich an Linden.

 

Wir denken zunächst an den bekannten Wallfahrtsort Heiligenlinde. Der ermländische Geschichtsschreiber Leo erzählt den Ursprung der Heiligenlinde so: Es stand dort seit alters ein vielästiger, schattenreicher Lindenbaum. Auf ihm war fast von der Gründung des Christentums in Preußen an ein wunderbares Bild der Heiligen Jungfrau, die das Jesuskind in ihren Armen trug, zu sehen. Anfangs erwiesen ihm nur die benachbarten Bewohner Verehrung; aber sein Ruf verbreitete sich bald und erfüllte ganz Preußen mit Staunen. Nun wurde das Bild von der Linde fortgenommen, mehrmals nach der Stadt Rastenburg gebracht und in der dortigen Kirche aufgestellt. Aber wunderbarer Weise erschien es nach jeder Übertragung immer wieder auf den Ästen der gleichen Linde. Hier ließ man es nun und, da zahlreiche neue Wunder geschahen, wurde der Lindenbaum, auf dem das Bild stand, mit einer Kapelle umgeben.

 

Im Garten des Rittergutes Weskeim, Kreis Pr. Eylau, stand eine sehr alte Linde, deren fünf Stämme aus einer Wurzel kamen. Die Überlieferung wusste davon zu berichten: Weskeim soll früher ein Kloster gewesen sein. Von dem unterirdischen Gang, der einst von dem Nonnenkloster zu dem Kirchdorf Eichhorn geführt hat, war noch ein kleiner Teil erhalten, der als Kartoffelkeller diente. In diesem Raum war es nicht geheuer. Die junge Nonne, die dort eingemauert war, meldete sich von Zeit zu Zeit, erzählten sich die Leute. Diese junge Nonne, die man einst hier eingemauert hatte, hatte man des Diebstahls beschuldigt, einen wertvollen Silberlöffel sollte sie entwendet haben. Ihre Beteuerungen, dass sie unschuldig sei, halfen ihr nicht, zur Strafe sollte sie lebendig eingemauert werden. Vor ihrem Tod bat sie aber noch, ein Gottesurteil anrufen zu dürfen. Das wurde ihr gewährt. Sie erhielt einen jungen Lindenbaum und sollte ihn in die Erde pflanzen und zwar so, dass die Zweige in die Erde gegraben würden, während, die Wurzeln in die Luft ragten. Wuchs das verkehrt in den Boden gepflanzte Bäumchen, dann wollte man die Unschuld der Nonne damit als erwiesen ansehen. Aber die harte Äbtissin wartete das Ergebnis nicht ab, das Urteil wurde vollstreckt. Ein paar Wochen nach der Vollstreckung aber fand man den verschwundenen Löffel. Die verkehrt in den Boden gesteckte Linde trug nun auch grüne Blättchen.

 

Eine andere volkstümlich gewordene Linde im Kreise Pr. Eylau stand nicht weit von Romitten, die sogenannte Totenlinde.

 

Ein eigenartiges Naturwunder war im Jagen 153b der Rominter Heide anzutreffen: eine Eiche und eine Linde hatten sich zu enger Lebensgemeinschaft umschlungen. Die kräftigen Bäume waren unten fest verwachsen, die Linde schmiegte sich um den knorrigen Eichenstamm, bis sie ihr Laubdach unter seinem weitästigen Wipfel ausbreitete.

 

Nahe bei dem Dorfe Jauninen liegt ein steiler Berg, auf drei Seiten von dem Flüsschen Titzeln umflossen, einige Kilometer südlich von Ragnit. An seinen mit Gestrüpp bewachsenen Seiten standen 2 altersgraue Linden, Nach der Sage waren die Bäume zwei Liebende gewesen. Einst stand nämlich auf dem Berge ein prächtiges Schloss, bewohnt von einem mächtigen Heidenfürsten, der nur eine einzige Tochter, namens Jaunina, hatte. Ihr Bräutigam war ein preußischer Ritter, der, als die Christen hierher kamen, um ihren Glauben mit Feuer und Schwert den Bewohnern dieser Gegend aufzudrängen, herbeieilte, für seine Braut zu kämpfen. Allein seine Tapferkeit konnte den Fall des Schlosses nicht verhindern. Da verbargen sich die Schlossbewohner in den tiefen Klüften des Berges, und der Ritter erklärte, er wolle den Christenglauben annehmen, um seiner Braut und ihres Vaters Leben zu retten. Er zog also zu den Christen, doch seine Abwesenheit dauerte länger, als man gedacht hatte. So kam es, dass Jaunina eines Tages, als sie ihr Versteck verlassen hatte, um nach ihrem Geliebten auszuschauen, von einem Christenritter überrascht wurde. Sie lief den Berg hinan, und ihr Verfolger hatte sie fast erreicht, da verwandelte sie Laima, die Glücksgöttin, in eine Linde, so dass die Hände des Verfolgers nur einen Baumstamm berührten. In dem Augenblick kehrte aber auch ihr Bräutigam zurück, und es war zu spät, sie zu retten, aber nicht, um sich zu rächen. Er unterlag jedoch den Streichen des gewandteren Gegners. Laima aber kehrte noch einmal aus den Wolken zurück und verwandelte auch ihn in eine Linde.

 

In dem nahe bei Wehlau gelegenen Kirchort Petersdorf, wenige Schritte vom Haupteingang zur Kirche, stand eine alte Linde und schaute auf die Reihen der dörflichen Gräber herab. Vier Männerarme konnten 1 m vom Erdboden den Stamm umklammern. In halber Höhe des Stammes befand sich eine kleine Öffnung, durch die allsommerlich emsige Bienlein ihren Honigseim hineintrugen. Doch auch von Bitterkeiten sprach diese Linde. In 1 ½ m Höhe steckte, ins weiche Holz getrieben und eingewachsen, ein „Halseisen", das Strafinstrument vergangener Zeiten, welches bei Kirchenbußen Verwendung fand. Am Sonntagmorgen, wenn die Kirchgänger in das Gotteshaus strömten, musste der Verurteilte am Pranger stehen, allen zur Schau, allen eine Mahnung.

 

Königsberg hatte einst eine große Linde im Lustgarten, dem späteren Paradeplatz. Diese Linde hatte einen Umfang von 30 Fuß, und in ihrer von Säulen gestützten Krone waren fünf Galerien übereinander angebracht. Sie fiel der großen Kälte 1708/1709 zum Opfer.

 

Eines der ältesten Naturdenkmäler befand sich im Pfarrgarten zu Tharau. Sie war 28 m hoch, hatte einen Umfang von 7 m und bestand aus 4 Stämmen. Pfarrer Andreas Neander, der Vater des „Ännchen von Tharau", hatte sie 1619 an ihrem Tauftage gepflanzt. Es gab aber noch mehr „Ännchen-Linden", so eine in Trempen, ebenfalls im Pfarrgarten. Anna Neander war Gattin des Pfarrers von Trempen, Johann Partatius, geworden. Als sie um Michaeli 1698 zu Insterburg starb, fand sie ihre Ruhestätte unter einer Linde.

 

Baumbach hat das Lied von der Lindenwirtin, der jungen, gesungen. Nach diesem Text waren in Ostpreußen einige Lindenkrüge entstanden, wie beispielsweise die Gaststätte „Zur Lindenwirtin" im samländischen Gr. Kuhren und das „Gasthaus unter den Linden" in Craam. Nicht weit davon entfernt, in der Försterei Hirschau, dem Warnicker Waldbezirks, stand auch eine Linde, die unter der Krone eine Galerie mit Tisch und Bänken hatte und zur Wanderrast einlud. Caspar Henneberger erwähnt in seiner Erklärung der preußischen größeren Landtafel, Königsberg 1595, Seite 416: „Schackunicken (d. i. Schakunellen, Kr. Heydekrug). Ein Dorf am Strome Russ, daselbst steht ein Lindenbaum, den die elende Leut für heilig gehalten haben, und noch doch heimlich, bei nacht zeiten, da beten und opfern“.

 

Nach dem ostpreußischen Volksglauben wird die Linde auch für die alten Geschlechter zum „Ewigkeitsbaum". Ein samländisches Volkslied in plattdeutscher Mundart hat Ludwig Rhesa in seiner Jugend von den Gildefischerknaben zur Fastnachtszeit gehört, wie er angibt, und übersetzt:

 

„Lauf um die Linden!

Frühling muss verschwinden,

Jugend, Liebe, Tanz und Lied.

Lauf um die Linden!

Wenn wir bei den Sel'gen leben,

Werden wir im Tanze schweben

Um den Baum, der ewig blüht.

Lauf um die Linden!"

Hermann Bink

 

Seite 10   Ermländisches Marienbild. Von Wanda Friese.

Seht dies Gesicht!

Noch heut nach Jahr und Tag besessen

von dem reinsten Licht.

Und hört Ihr nicht,

wie's aus dem Holz mit Zungen spricht?

Menschen, Ihr habt

die Mutter, die ewige, vergessen

über Euren heißen Fahnen.

Ein Mahnen

kommt Euch aus dem Nächte dunklen

Himmel zu Gast.

Und es wuchert das Heimweh in Euren Herzen

nach dem vertrauten Schimmer,

nach Kerzen,

nach einer heiligen und übersternten Rast.

 

Seite 10   Kunst ist Bekenntnis

Zum Schaffen des ostpreußischen Malers Ernst Mollenhauer (Foto)

Auf Ausstellungen in Deutschland, viel zu selten eigentlich, begegnet man heute immer wieder Bildern des Malers Ernst Mollenhauer, die einander in ihrer starken Farbigkeit und breiten Kontur sehr ähnlich sind, aber immer wieder ein Neues aussagen. Bilder, die mit kräftigem Strich und dichter Farbe, in starken Blau- und Grüntönen, dazwischen energischen Linien in Schwarz gemalt sind, und aus denen bald rotierende, erregt glühende Sonnenbälle aufleuchten oder das Rot eines Hauses, das sparsame, mächtige Rot von Blumen-, Bilder von der See, mit Booten und Bauernkaten, Hafenbilder, Gärten, Dörfer, seltener Ausschnitte aus einer Stadt. Fast immer die Landschaft allein, ohne den Menschen. Aber auch da, wo er auftritt oder im seltenen, wenn auch sehr gekonnten Porträt die Mitte ist, von herber Strenge und einsamer Zurückhaltung.

 

Wo immer Mollenhauer malt, im Umkreis von Düsseldorf, wo er seit 1950 lebt, an der Nordsee, in Holland oder in Frankreich, es bleibt immer wieder, nie eintönig und doch immer von unverwechselbarem Charakter, die Landschaft der geliebten ostpreußischen Heimat, die intensive, fast heftige, immer inbrünstige Farbenkonstellation der Nehrung zwischen Half und See bei Nidden. Hier hat der Maler, zurückgezogen, im Umgang mit gleichgesinnten Freunden, vor allem mit Max Pechstein und seinem Kreis, jahrzehntelang gearbeitet, in der Natur und nach der Natur, frei von Akademismus und anderen Ismen, obzwar man seine Kunst der Höhe der expressionistischen Entwicklung zurechnet und auch heute, da die meisten Potenzen des Expressionismus tot oder in ihrem Schaffen erlahmt sind, als legitime und zeitgerechte Fortführung des Expressionismus betrachten kann. Wir haben es eben wieder angesichts der Gedenkausstellung für Emil Nolde, im deutschen Pavillon der Biennale gesehen, wie sehr der Expressionismus, soweit er von gläubiger, naturnaher Inbrunst getragen ist, als deutsch im besten und in einem weltoffenen Sinn betrachtet werden kann.

 

Und Ernst Mollenhauer ist ein gläubiger Mensch, der aus einem tiefen Ethos heraus wirkt und lebt. Manche mögen diesen zurückhaltenden Menschen als schroff und als Einzelgänger ansehen, bis sie ihn als unaufdringlichen und herzlichen Gesellschafter und guten Kameraden kennengelernt haben, der trotz seiner intensiven Arbeitsweise, ja bisweilen sehr produktiven Arbeitsbesessenheit sich sehr viel Zeit nimmt, wenn es darum geht, für einen Kollegen einzutreten oder die Interessen der Gesamtheit der Kollegen zu vertreten, wie er das seit Jahr und Tag an der Spitze der Fachgruppe Bildende Kunst und der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Künstlergilde erfolgreich und unermüdlich tut. Wie viele Stunden und halbe Tage hat er in seinem Atelier für seine Kollegen mit Rat und Tat Wege gesucht, die dem einzelnen wie der Gesamtheit dienlich sind! Die erste große Ausstellung der ostdeutschen Künstler nach dem Kriege, 1950 in Düsseldorf, und seither die großen Repräsentationen der zeitgenössischen ostdeutschen Künstler in verschiedenen Städten Deutschlands wären ohne ihn nicht möglich gewesen. Dennoch bleibt er der Künstler, der seinen Weg geht und heute als 64-jähriger in stetiger Entwicklung auf dem Höhepunkt seines Schaffens ist.

 

Man kann nur immer wieder bedauern, dass dieser Mann mit dem wuchtigen Ostpreußenschädel, den trotz seiner unakademischen Art viele immer wieder mit „Herr Professor" ansprechen, welche Anrede er sich rasch verbittet, nicht an einer hohen Schule der Kunst ein Lehramt erhielt. Auch so aber, außerhalb der offiziellen Unterrichtsanstalten, wirkt sich sein menschliches und künstlerisches Erziehertum aus.

 

Von der Zeichnung und von der Graphik hält er — soweit sie sein eigenes Schaffen anlangt — viel weniger als von der Malerei. Und doch existiert von seiner Hand, auch neueren Datums eine Fülle von Zeichnungen, die — leider von ihm selten für Ausstellungen freigegeben — neben den Ölen und den Aquarellen ihre Bedeutung haben.

 

Mollenhauer ist wie Corinth in Tapiau geboren. Es hat ihn, unmittelbar vor und nach dem ersten Weltkrieg, nicht lange auf der Königsberger Akademie gehalten, wo er vor allem Meisterschüler bei Professor Degner war. 1923 bis 1923 (Jahreszahl stimmt vielleicht nicht) hat er in den USA gearbeitet und ausgestellt. Gelegentlich haben kurze Reisen seinen Aufenthalt in der Heimat unterbrochen. Doch die meiste Zeit lebte er in Nidden, bis ihm das entsetzliche Jahr 1945 mit der Heimat, mit dem Künstlerheim auch einen großen Teil des Lebenswerks genommen hat. Wo immer und was immer er malen mag, es bleibt doch der Charakter seiner heimatlichen Landschalt, deren Gepräge aus keiner seiner Arbeiten zu nehmen ist. Aber nie ist es bloß Heimatkunst, es ist Kunst im hohen Sinn, die aber in der Heimat wurzelt, sich zu ihr bekennt. E. S.

 

Seite 10   Aus Ostpreußens Sagenborn

Das Archiv zu Tapiau.

In dem alten Schloss zu Tapiau befand sich vor Zeiten das kurfürstliche Archiv, worinnen auch die Privilegien der Landes Preußen waren. Die Schlüssel dazu lagen deshalb verwahrt bei dem Regierungs-Kanzler zu Königsberg, welcher sie allein in die Hände bekam. Da begab es sich eines Tages im Jahre 1619, dass der Hauptmann des Schlosses, Herr Martin von Wallenrodt, in dem Innern des Schlosses spazieren ging, und er plötzlich die mit starken Riegeln versehene Tür des Archivs weit offen stehen sah. Er wunderte sich sehr darüber, dachte aber endlich, es seien Diebe eingebrochen, und ging hinein, um nachzusehen. Kaum war er aber hineingetreten, als die Tür wunderbarer Weise hinter ihm zuschlug, so dass er nicht wieder heraus konnte. Man musste draußen an das Fenster große Leitern ansetzen und das Gitter erweitern, um ihn zu befreien. Acht Tage darauf bekam der Hauptmann eine kurfürstliche Bestellung, dass er sollte Regierungskanzler werden, denn der alte Kanzler war zu derselben Zeit gestorben, da er im Archiv eingeschlossen gewesen, er hatte sein Ableben, wie es manchmal geschieht, angemeldet. hw

 

Seite 10   Kulturelle Nachrichten.

Konzert zugunsten Heimatvertriebener.

Ein Wohltätigkeitsfest zugunsten der „Prinzessin-Kira-von-Preußen-Stiftung“ fand am 2. Juni im Grafensaal der Burg Hohenzollern statt. Das Stuttgarter Kammerorchester unter der Stabführung von Karl Münchinger brachten Werke von Mozart, Händel und Friedrich den Großen zu Gehör. Als besondere Festesgabe empfanden die Gäste eine Reihe von Liedschöpfungen von Louis Ferdinand Prinz von Preußen nach Gedichten von Chamisso, Eichendorff (Musikantengruß), Carl Lange (Liebesbotschaft), Käthe Kamossa (Nebel) u. a., die in Horst Wilhelm (Tenor) einen guten Interpreten fanden.

 

Künstlergilde in Niedersachsen

In Hannover konstituierte sich bei ihrer ersten Landestagung die Landesgruppe der Künstlergilde, der Interessenverband der heimatvertriebenen Kulturschaffenden (Sitz Eßlingen/N.), dem auch Agnes Miegel als Ehrenmitglied angehört. In den zehnköpfigen Vorstand, der die Vertreter der einzelnen Fachgruppen einschließt, wurden auch die Ostpreußen Prof. Schwerdtfeger (Bildhauer) und der Komponist und Musikdirektor Otto Besch gewählt. Außerdem gehören dem Vorstand an Prof. Dr. Karpa, Prof. Rotter, Prof. Konwiarz, Prof, Rhein, Willy Heier, Intendant Walter Heidrich, Dieter Kaergel und Erhard J. Knobloch. Geplant ist, die große Ausstellung der Künstlergilde „Ostdeutsche Künstler im 20. Jahrhundert" Im nächsten Jahr bei stärkster Berücksichtigung der In Niedersachsen schaffenden Künstler nach Hannover zu holen.

 

Ostdeutsche Kulturtage am 20./21. Oktober

Der Ostdeutsche Kulturrat hat auf einer gemeinsamen Besprechung mit den Vertretern der vier regionalen ostdeutschen Kulturwerke den Termin für die diesjährigen Ostdeutschen Kulturtage endgültig auf den 20./21. Oktober festgesetzt. Die Tage sollen im Raume Düsseldorf stattfinden. Für den Festakt des Ostdeutschen Kulturrates ist Schloss Benrath gewählt worden. Die Ostdeutschen Kulturtage werden unter Verwertung der bei den Kulturtagen in Aachen und Nürnberg gemachten Erfahrungen in einer thematisch aufeinander abgestimmten Folge von einer Arbeitssitzung mit den Bundeskulturreferenten der Landsmannschaften und Vertretern der DJO, einer wissenschaftlichen Studien-Tagung und dem Festakt bestehen. Bildende Kunst, Literatur und Musik sollen in angemessener Weise zur Geltung kommen.

 

Seite 10   Verzeichnis ostdeutscher Urkunden

Der Herder-Forschungsrat in Marburg hat eine Nachweis-Sammlung über ostdeutsche Urkunden, Dokumente und Akten zusammengestellt. Eine im Staatsarchiv Marburg eingerichtete Zentrale Kartei umfasst 50 000 Nachweise von Urkunden, Briefen und Akten über Ostdeutschland, die in verschiedenen Archiven der Bundesrepublik aufbewahrt werden. Die größten Archivbestände befinden sich im staatlichen Archivlager in Göttingen, im Staatsarchiv Marburg und in der Westdeutschen Bibliothek in Marburg.

 

Bundes-Sängertreffen in Stuttgart

Alle Ost- und Westpreußen, die zum Bundessängertreffen vom 2. bis 5. August in Stuttgart sind, finden dort ihre Landsleute: in der Gaststätte „Silberburgstuben" Stuttgart-W., Silberburgstraße 68, Tel. 61 309 (Straßenbahnlinie 8, Station „Johannesstraße") und bei Walter Bistrick im „Bernstein-Museum Stuttgart", Stuttgart-O., Haußmannstraße 70. Tel. 41587 (Straßenbahnlinie 8, Station „Urachplatz") auch sonntags geöffnet, Eintritt frei, Treffpunktbuch, Telefondienst

 

Seite 11   Foto: Ernst Mollenhauer: Rettungshaus auf Nidden (Öl, 1951)

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Die Mondscheinküche / Von Tamara Ehlert.

Die alte Byruta nahm ihren Wassereimer und schlich treppab. Es war niemand mehr in der Küche. Sie stellte sich an den Ausguss und sah zum Fenster hin. Sie drehte den Hahn nicht auf, und sie machte auch kein Licht. Es war zunehmender Mond. Die Küche schwamm in bläulichem Glanz, alle Kochtöpfe auf den Regalen schimmerten bläulich. Das Fensterkreuz warf seinen Schatten auf den Fußboden, und in diesem Schatten war die alte Byruta gefangen.

 

Sie war wieder achtzehn Jahre und am Gilgefluss. Der Frühsommer hatte die Kastanienkerzen angezündet und den Holunderbäumen kleine süßduftende weiße Teller auf die Zweige gelegt.

 

Sie steckte die Petroleumlampe an und machte ihr Haar auf. Das Kammerfenster war offen, die Kühe brummelten verschlafen, der Wind roch nach Blüten und Juni und ein wenig auch nach Stall. Es war zunehmender Mond. Sie wollte gerade die Lampe löschen, als eine Kuh aufbrüllte, hilfeflehend und schmerzvoll. Sie zog sich rasch wieder an und rannte treppab, um den alten Wauschkuhn und den Knecht zu wecken.

 

Die Kuh Marikke hatte es nicht leicht, und so sehr der alte Wauschkuhn und der Knecht auch an den Stricken zogen, das Kälbchen wollte nicht kommen.

 

„Wir müssen Spugies holen", sagte der alte Wauschkuhn. Der Knecht spannte an und fuhr weg. Es schien dem Bauern und seiner Magd eine Ewigkeit, bis der Wagen wieder auf den Hof rollte.

 

Byruta hockte im Stroh und sah den Ankömmlingen mit ihren grünlichen Augen entgegen. Spugies war oft angetrunken, wenn er nachts geholt wurde, und er war ein Freund von derben Späßen. Sie machte ihren obersten Blusenknopf zu.

 

Mit dem Knecht kam ein junger Mensch in den Stall, den sie nicht kannte. Als er sie sah, stutzte er.

 

„Guten Abend", sagte er, gleichzeitig zu ihr und Wauskuhn hin. „Mahlert ist mein Name, ich vertrete meinen Kollegen Spugies für einige Zeit“.

 

Er kniete neben dem stöhnenden Tier nieder und sah erst wieder auf, als das Kälbchen ungeschickt und nass im Stroh lag und Marikke es zufrieden beleckte. «Ich möchte mir die Hände waschen“.

 

„Geh mit, Byruta“, knurrte der Alte.

 

Sie gingen miteinander in die Küche. Als Byruta nach den Streichhölzern griff, hielt er ihre Hand fest. „Du brauchst die Lampe nicht anzuzünden", sagte er, „es ist hell genug“.

 

Er wusch sich die Hände, sie stand neben ihm. Die Küche schwamm in blauweißem Glanz, die Töpfe auf den Regalen schimmerten. Als er ihr das Handtuch zurückgab, berührten sich ihre Finger. Das Handtuch fiel zur Erde.

 

„Wann seh' ich dich wieder?" fragte er, als er sie losließ. Sie zitterte. „Morgen", sagte sie. „Morgen Nacht um elf bei den Kähnen."

 

„Also morgen", sagte er. „Vergiss es nicht. Kannst du denn auch weg?"

 

„Ja", sagte sie. „Doch. Ich komm' schon weg hier“.

 

Als er gegangen war, hob sie das Handtuch auf und stand so eine ganze Weile. Der Schatten des Fensterkreuzes lag wie ein Gitter auf den mondhellen Dielenbrettern. Sie stand mitten darin.

 

„Ich werde nie vergessen, wie ich dich gestern im Stall sitzen sah", sagte Mahlert in der kommenden Nacht zu ihr. „Mit deinem schwarzen Haar und einem roten Rock. Dein Rock leuchtete wie eine eigensinnige kleine Fackel“.

 

Byruta sah übers Wasser. Die Zwiebelkähne lagen wie dunkle geduldige Hunde am Ufer und bewachten den Fluss, über den Wiesen hing der Mond, voll und rund und aufgetan wie die Blütenteller an den Holunderbäumen.

 

„Wann kommst du wieder?" fragte sie.

 

„Morgen Nacht", sagte er. „Übermorgen Nacht. Jede Nacht“.

 

Aber eines Nachts kam er nicht. Auch in den nächsten sieben Nächten wartete sie bei den Kähnen vergeblich auf ihn.

 

In der achten Nacht fuhr der alte Wauschkuhn aus dem besten Schlaf, weil eine Kuh jämmerlich brüllte. Als er in den Stall kam, hockte Byruta bei Marikke, weißgesichtig und verstört. „Wir müssen den Tierarzt holen", sagte sie.

 

Der alte Wauschkuhn grunzte widerwillig.

 

„Vielleicht hat sie was Giftiges gefressen", sagte Byruta. „Wir müssen ihn holen lassen“.

 

Der alte Wauschkuhn war es nicht gewöhnt, sich von seiner Magd Vorschriften machen zu lassen. Er sah sie schief an, schob sich aber aus dem Stall, um den Knecht zu rufen. Zehn Minuten später fuhr der Wagen vom Hof.

 

Als er wiederkam, brachte er Spugies mit. Spugies war lärmvoll und fröhlich und angetrunken. Er fasste Byruta unters Kinn.

 

„Wo ist Mahlert?" fragte Byruta und stieß seine feuchte Hand weg.

 

„Mahlert? Der ist weg. In die Stadt zurück. Der kommt auch nicht wieder“.

 

Byruta rannte aus dem Stall, über den Hof, ins Haus. In der Küche fiel sie neben dem Stuhl mit der Waschschüssel in die Knie. Sie biss sich in die Fingerknöchel und wimmerte.

 

Es war abnehmender Mond. Das Fensterkreuz warf seinen Schatten über ihre zusammengekrümmte Gestalt. So fand sie der alte Wauschkuhn. Er tappte durch die Küche und riss sie vom Fußboden hoch. „Warum hast du das gemacht?" schrie er und schüttelte sie. „Warum hast die Kuh vergiftet? Bloß um den Kerl wiederzusehn. Ich weiß, brauchst mir nuscht zu sagen. Hast se bloß ein bisschen krank machen wollen, und nu muss se dran glauben“.

 

„Aber ich musste", wimmerte sie. „Ich musste ihn doch wiedersehn! Ich musste ihn sprechen, ich musste es ihm doch sagen ..."

 

„Ach so", sagte der alte Wauschkuhn. „So ist das also. Steh auf, nu hilft alles Heulen nuscht. Nu musst ausfressen, was du dir eingebrockt hast. Steh schon auf, Marjell“.

 

Die alte Byruta nahm ihren Eimer und ging leise zur Tür. Sie hatte kein Wasser geholt, sie hatte den Eimer nur mitgenommen, damit sie eine Ausrede hatte, falls ihr jemand begegnete. Sie machte die Tür vorsichtig hinter sich zu.

 

Seite 11   Immanuel Kant – Freundschaft.

Freundschaft wird als das Süßeste, was das menschliche Leben nur immer enthalten kann, von wohlgearteten Seelen mit Sehnsucht gewünscht.

 

Freundschalt, in ihrer Vollkommenheit betrachtet, ist die Vereinigung zweier Personen durch gleiche wechselseitige Liebe und Achtung.

 

Die Freundschaft kann nicht eine auf wechselseitigen Vorteil abgezweckte Verbindung, sondern diese muss moralisch sein.

 

Moralisch erwogen ist es Pflicht, dass ein Freund dem anderen seine Fehler bemerklich mache. Denn das geschieht ja zu seinem Besten und ist also Liebespflicht.

 

Seite 11   Johanna. Von Käthe Kamossa

Meine durstigen Lippen

Netztest du nicht mit Wasser.

Meine schmerzenden Augen

Kühltest du nicht mit Küssen.

Meine offenen Hände

Fülltest du nicht mit Früchten.

 

Nahe knistern die Funken.

Bald verzehrt mich die Flamme

Und mich verlassen die Schmerzen,

Die mich noch von dir trennen.

 

Könnte ich jetzt entrinnen?

Nein — zerschundene Knie

Sinken schon auf die Scheite,

Grausam gestuft an das Feuer,

Das sich mir nun vermählet!

 

Seite 11   Die Wahrheit müssen alle suchen

Die Natur hat ihre Gaben verschieden ausgeteilt; auf unterschiedlichen Stämmen, nach Klima und Pflege wachsen verschiedene Früchte. Wer vergliche diese untereinander? oder erkennete einem Holzapfel vor der Traube den Preis zu?

 

Vielmehr wollen wir uns wie der Sultan Soliman freuen, dass auf der bunten Wiese des Erdbodens es so mancherlei Blumen und Völker gibt, dass diesseits und jenseits der Alpen so verschiedene Blüten blühen, so mancherlei Früchte reifen!

 

Wir wollen uns freuen, dass die große Mutter der Dinge, die Zeit, jetzt diese, jetzt andere Gaben aus ihrem Füllhorn wirft und allmählich die Menschheit von allen Seiten bearbeitet. Denn es scheint sowohl geistige als physische Notwendigkeit zu sein, dass aus der Menschennatur mit der immer veränderten Zeitfolge alles hervorgelockt werde, was sich aus ihr hervorlocken lässt. Mithin müssen mit der Zeit Kontrarietäten ans Licht kommen, die sich endlich doch auch in Harmonie auflösen.

 

Offenbar ist's die Anlage der Natur, das wie ein Mensch, so auch ein Geschlecht, also auch ein Volk von und mit dem andern lerne, unaufhörlich lerne, bis alle endlich die schwere Lektion gefasst haben: „Kein Volk sei ein von Gott einzig auserwähltes Volk der Erde; die Wahrheit müsse vor allen gesucht, der Garten des gemeinen Besten von allen gebauet werden. Am großen Schleier der Minerva sollen alle Völker, jedes auf seiner Stelle, ohne Beeinträchtigung, ohne stolze Zwietracht wirken.

Johann Gottfried Herder

 

Seite 11   Wertschaffende Minderheit / Kleine Betrachtung von Caroline Friederike Strobach.

Hausherr ist der Herr des Hauses und hie und da sogar ein Herr, welcher ein Haus hat, doch kommt dieser Fall selten vor und muss darum hier nicht weiter besprochen werden.

 

Da es auf dieser Welt immer mehr Menschen gibt, die kein Haus besitzen, als solche, die eines ihr eigen nennen, gehört der Hausherr einer Minderheitengruppe an, und von denen ist ja bekannt, dass sie stets auf ihre Rechte pochen, empfindlich und leicht gereizt sind und zu Exzessen neigen.

 

Woraus sich ohne weiteres eine Menge erklärt.

 

Der Hausherr hat jedoch noch viele Eigenschaften, die ihn vor gewöhnlichen Menschen auszeichnen. So ist er ungeheuer gescheit, weiß alles, hört alles und hat obendrein Röntgenaugen; weshalb er auch das Verborgene und noch etwas mehr merkt. Auch den Kratzer, den Kurtchen mit seinen abscheulichen Fingernägeln an dem der Wand zugekehrten Teil des Treppengeländers verursachte!

 

Was dem Hausherrn gehört, ist vollkommen. In seinem Hause gibt es weder Holzwürmer noch Ungeziefer, keine schadhaften Wasserleitungen und durchgebrannten Kamine, weshalb, da ja schließlich jedes Haus jemandem gehört, angenommen werden muss, dass derartige Plagen nur Sage sind.

 

Ein Hausbesitzer ist jedoch auch nützlich. Um die Mentalität der Bewohner eines Landes kennenzulernen, ist sein Studium und das der Reaktionen, die er bei seinen Heimatgenossen hervorruft, unerlässlich. So pflegen Wiender, wenn er naht (denn selbstverständlich kommt er nicht wie gewöhnlich Sterbliche), wenn er also naht, einen Knicks zu machen und: „Küss d' Hand, Hausherr!" zu flöten. Entfernt er sich Gott sei dank wieder, dann brummen sie mit Überzeugung: „Es san aa schon Hausherrn g'storbn!"

 

Kinder, diese liebliche Plage aller rechten Ehen, verabscheut der Hausherr grundsätzlich und vermietet daher nur an Leute, welche feierlichen Eide ablegen, nie zu zeugen. Für sich, versteht sich, für ihn sollen sie das des Öfteren, besonders vor Gericht. Können sie dies ihrem Gewissen nicht abringen, leidet ihre Gesundheit bald Schaden, denn nie wird der Kamin gerichtet werden und sie ersticken in dichten Rauchschwaden, oder sie bekommen Rheumatismus, weil Regenwasser in ihre Betten tropft, oder sie verlieren ihren guten Ruf, denn der Gefürchtete beobachtet, dass eine Schauspielerin sie besucht.

 

Man kann ihn nicht dazu verpflichten, sein Entsetzen darüber geheim zu halten.

 

Auch wenn er von Einkünften aus gemauerten Dingen oder seiner Pension lebt, hat der Hausherr viel zu tun, denn er muss verwalten, feststellen. Besonders Schäden muss er feststellen und wer suchet, der findet. Wenn Müllers auch vor ihrem Einzug jedem Transportarbeiter Extrabier und Schinkenbrötchen gaben — den großen Schrank brachten sie doch nicht um die Ecke, ohne ein Kratzerchen an der Wand zu verursachen.

 

Obwohl gleich ein Handwerker geholt wird, der den Schaden behebt, ist die Reparatur nur äußerlich, der moralische Schaden bleibt, Müllers sind schlampig. Außerdem fallen, nun, da die neuen Mieter da sind, die Birnen vor ihrer Zeit vom Baum. Nicht, weil der Wurm drin, oder der Sommer feucht ist, sondern, weil diese schrecklichen Kinder nicht ordentlich und sittsam lustwandeln, vielmehr umher rennen, Ärger und schädliche Erschütterungen verursachen.

 

Der Hausherr ist das einzige Wesen auf dieser Welt, das zutiefst davon überzeugt ist, dass Dinge durch Gebrauch neuer werden sollten. Er geht und sucht — und sucht Stäubchen auf der Treppe, Regentropfenspuren an Fensterscheiben und Unmoral hinter geschlossenen Türen, auch diese!

 

Gegen ihn gibt es nur ein Mittel: selbst Hausherr werden. Jeder Mieter kommt einmal zu dieser Erkenntnis und so eben zeigt sich, wie werteschaffend Minderheiten sein können. Der ‚Einlieger' oder ‚Einwohner' nämlich beginnt zu sparen, er lässt das Rauchen und das Kino sein, er verzichtet auf Kultur und Bücher und abends speist er Quarkbrot. Und wenn es denn sein muss: jahrelang! Kommt er je in Versuchung, dieses Hundedasein aufzugeben, erscheint sicher der Hausherr mit einer Beschwerde und der abendliche Quark bleibt am Programm.

 

Es kommt der Tag, an dem der kleine Mann ganz groß zu graben beginnt, zu fluchen, zu mauern. Eines anderen Tages ist er ‚Hausherr'. Wenn alles fertig und sauber gewaschen ist, wenn die neuen Mieter die es ihm möglich machen sollen, den Schatz abzubezahlen, einziehen, zeigt sich, dass Besitz verändert. Denn nun hat noch jemand Röntgenaugen, sieht alles, hört alles und noch einiges mehr und außerdem verabscheut er fremde Kinder.

 

Denn: Hausherr ist der Herr des Hauses und hie und da sogar ein Herr, welcher ein Haus hat — Näheres siehe oben.

 

Seite 11   Die Nachtwache / Eine Anekdote von E. T. A. Hoffmann

Ein Kranker, der an einer beharrlichen Schlaflosigkeit litt, sah sich genötigt, jede Nacht jemanden um sich zu haben, mit dem er nicht allein sprechen konnte, sondern der ihm auch in seinem gelähmten Zustande die nötige Hilfe leistete. So sollte ein junger Mann bei dem Kranken wachen. Statt aber zu wachen, verfiel derselbe in einen Schlaf, aus dem er nicht zu wecken war. Der Kranke war in dieser Nacht von einem besonderen Geist fröhlicher und zwar musikalischer Laune ergriffen, besann sich auf alle möglichen Kanzonen und Kanzonetten, die er sonst gesungen, und sang sie mit heller Stimme ab.

 

Endlich, als er in das schlafende Antlitz seines Wächters schaute, kam ihm dasselbe, sowie die ganze Situation, gar zu drollig vor. Er rief seinen Wächter laut beim Namen und fragte, als dieser sich aus dem Schlaf rüttelte, ob ihn vielleicht das Singen in seiner Ruhe störe?

 

„Ach Gott!" erwiderte der junge, wachsame Mann ganz naiv und trocken, indem er sich dehnte, „ach Gott, nicht im Mindesten. Singen Sie doch in Gottes Namen Herr Rat, ich habe einen festen, gesunden Schlaf!" Und damit schlief er wieder ein, indem der Kranke mit heller Stimme anstimmte: „Sul margine d‘un rio . . .“

 

Seite 11   Geteiltes Leid

In Elbing lebte einst der alte wohlbeleibte Herr M., der ein rechter Gemütsmensch war. Nur ein Laster hatte er: Wenn er sein Bier trank, dann kam er unweigerlich erst am nächsten Morgen nach Hause. Als er an einem Sonnabend wieder zum Dämmerschoppen gegangen war, war natürlich der Sonntagmorgen schon angebrochen, als er die Haustür aufschloss. Seine Frau empfing ihn mit vielen Vorwürfen: „Mann, wo warst so lange?" fragte sie und fügte vorwurfsvoll hinzu: „Die ganze Nacht habe ich kein Auge zugemacht“. Hierauf Herr M. in eiserner Ruhe: „Na. denkste ich?"  

 

Seite 12   Musikalische Ernte unserer Zeit. Das Schaffen zeitgenössischer Komponisten des deutschen Ostens.

In jahrelanger selbstloser und mühevoller Kleinarbeit entstand ein Werk, das mehr ist als eine bloße Bestandsaufnahme: der über 200 Seiten umfassende und hundert Komponisten und weit über tausend Werke registrierende „Werkkatalog zeitgenössischer Komponisten aus den deutschen Ostgebieten", der von dem sudetendeutschen Komponisten Heinrich Simbriger im Auftrage der „Künstlergilde" vorbereitet und zusammengestellt wurde und in diesen Tagen zur Auslieferung gelangte. Das Werk liefert eine umfassende Übersicht über das Schaffen der Komponisten aus den ost- und südostdeutschen Vertreibungsgebieten und wird künftig allen in der landsmannschaftlichen Kulturarbeit Stehenden als willkommene und unentbehrliche Stütze dienen, mehr noch, da es sich von jeglichem Ballast freihält, wird ihm eine reinigende und fördernde Ausstrahlung auf die musikalische Programmgestaltung in der Folge nicht versagt bleiben.

 

Schauen wir uns die nordostdeutsche, in Baltikum, Ostpreußen, Danzig und Westpreußen, Pommern und Polen gegliederte Gruppe einmal näher an. Da finden wir den in Neuhausen bei Königsberg geborenen, heute in Geesthacht/Elbe lebenden Komponisten und Musikkritiker Otto Besch; den Königsberger Herbert Brust, dem wir die Volkslied gewordene Vertonung des „Ostpreußenliedes" danken; daneben wohl als stärkstes Talent Heinz Thiessen, ebenfalls Königsberger, der heute in Berlin schafft; Herbert Wilhelmi, der frühere Domorganist von Königsberg, aus Insterburg gebürtig; Prof. Anton Nowakowski, geborener Danziger, der durch sein Schaffen das Musikleben Prags ungemein bereicherte; ebenfalls Danziger der Komponist und Musikpädagoge Alfred Paetsch, durch sein Wirken in Zoppot noch in vieler Erinnerung; und der Namen mehr, ein jeder in anderer Weise bedeutsam, zusammen einen nicht zu überhörenden Tenor nicht allein dieser Zusammenfassung, sondern im gesamten deutschen Musikschaffen bildend.

 

Das Werk umfasst zwei Teile: „Die Komponisten", untergliedert in die einzelnen landschaftlichen Gruppen; über die Künstler und ihr Wirken geben Kurzbiographien Aufschluss, und „Die Werke", die wieder in die verschiedenartigen Musikgruppen unterteilt sind und so eine bessere Übersicht vermitteln. Jedes einzelne Werk ist mit Angaben über Besetzung und Aufführungsdauer versehen. Ein Generalregister am Schluss des Werkes schafft noch einmal einen Gesamtüberblick über den Werkbestand der einzelnen Komponisten; entsprechende Hinweise erleichtern das Auffinden der gesuchten Musikstücke im Hauptteil.

 

Neben den rein dokumentarischen Wert des Unternehmens, der allein schon die Herausgabe rechtfertigen würde, tritt der praktische: dem Künstler ein Sprungbrett in die Öffentlichkeit schaffen zu helfen, indem der Katalog allen interessierten Kreisen, Persönlichkeiten und Körperschaften die Leistungen und die noch vorhandene musikalische Substanz der deutschen Ostgebiete vor Augen führt und anregt und ermuntert, dieses reiche, noch unausgeschöpfte Erbe zum Klingen zu bringen. Dam liegt vor allem die Hoffnung und Erwartung seines Herausgebers, der „Künstlergilde". Es wäre zu wünschen, dass recht viele Orchester und voran die Rundfunkanstalten sich dieses Kataloges recht oft in ihrer Programmbildung bedienten.

 

Der Werkkatalog kann zu dem erstaunlich niedrigen Preis von 5,-- DM (Selbstkostenpreis) über Dr. Heinrich Simbriger, München 58, Zehntfeldstraße 206; bezogen werden.

 

Seite 12   Mozart - Anekdote

Als Mozart 1787 die erste Probe zu seiner Oper „Don Giovanni" abhielt, ließ er bei den Stellen des Commendatore „Dierider finirai" und „Ribaldo audace", welche nur von drei Posaunen begleitet waren, innehalten, weil einer der Posaunisten seine Stimme nicht richtig vortrug. Als es nach wiederholten Versuchen nicht besser ging, versuchte Mozart dem Posaunisten klarzumachen, wie er die Stelle ausgeführt zu haben wünsche. Der Musiker erwiderte ihm gelassen: „Das kann man nicht so blasen, und von Ihnen werd' ich es auch nicht lernen“. Gott bewahre mich“, sagte Mozart lächelnd. „Sie Posaune lehren zu wollen. Geben Sie nur die Stimme her, ich werde sie gleich abändern“. Und auf der Stelle setzte er zwei Oboen, zwei Klarinetten und zwei Fagotte hinzu.

 

Seite 12   Nicht auf kulturellen Lorbeeren ausruhen. Richtungsweisende Tagung der Landsmannschaft Ostpreußen

Auf einem hohen Niveau stand die kulturelle und heimatpolitische Arbeitstagung der Landesgruppe Niedersachsen am 30.06. und 01.07. in Hannover. Aus allen Kreisen Niedersachsens waren die Kreisvorsitzenden oder Kreiskulturreferenten erschienen. Tagungsleiter war Herr Mews. Die begrüßenden Worte sprach der Landesgruppenleiter Herr Gossing, der auch gleichzeitig bekannt gab, dass der Bundessprecher Herr Gille nicht erscheinen könne. In seinen weiteren Ausführungen beschwor Herr Gossing die Anwesenden, nicht auf den kulturellen Lorbeeren der Väter auszuruhen, sondern Mittel und Wege zu suchen und zu finden, eine kulturelle Erstarrung zu vermeiden. Er trat dafür ein, die Schule noch mehr als bisher in die Aufgabe unserer Zeit, Wiedervereinigung und Wiedergewinnung der deutschen Ostgebiete, einzuspannen.

 

Dr. Nadolny zeigte in seinem Vortrag „Niedersachsen und Ostpreußen" die starken Beziehungen zwischen dem niederdeutschen Raum und den Küstengebieten Pommerns und des Ordenslandes, die er an Hand von zahlreichen Familienschicksalen der ostdeutschen Kolonisation nachweisen konnte.

 

Wieder in die Gegenwart führte Herr Dr Krannhals, Lüneburg, der einen ausgezeichneten Bericht über den Deutschen Osten unter der Wirkung des Kommunismus gab.

 

Der um 20 Uhr angekündigte Heimatabend wurde von Dr. Alfred Lau gestaltet. Heitere Gedichte alter und neuer Art, in Platt und Ostpreußisch, wechselten ab und gaben den Zuhörern das Gefühl, dass die Ostpreußen das Lachen nicht verlernt haben.

 

Der Sonntag brachte dann einen Vortrag von Herrn Rudi Meitsch, der Ziele, Grenzen, Mittel und Möglichkeiten unserer kulturellen Arbeit herausstellte.

 

Den Höhepunkt der Tagung bildete der Vortrag von Herrn Professor Dr. Wolfrum, Göttingen, über „Ostpreußen, ein Abbild Gesamtdeutschlands". Wer ihn einmal gehört hat, freut sich immer wieder, ihn in einem neuen Vortrag zu hören, in dem neben historischen Tatsachen und Begriffen die Gegenwart zu ihrem Recht kommt.

 

Als letzter Redner gab Herr Weiche, Hannover, einen Bericht über die Lage in der sowjetischen Besatzungszone.

 

Ein weiteres erfreuliches Kennzeichen dieser gelungenen Tagung war die Tatsache, dass Organisationsfragen usw. in Einzelbesprechungen außerhalb des Tagungsprogramms erledigt wurden und dass die sonst vielfach uferlose Aussprache, das Schreckgespenst jeder Tagung, sich in bescheidenen Grenzen hielt.

 

Seite 12   Kulturelle Nachrichten

Ostdeutsche Künstler im 20. Jahrhundert.

Die große Repräsentativausstellung „Ostdeutsche Künstler im 20. Jahrhundert", über die wir in unserer letzten Ausgabe ausführlich berichten konnten, hat nun (nach Darmstadt und Stuttgart) in teilweise neuer Zusammenstellung, in der Neuen Residenz in Bamberg ihre Pforten geöffnet. Das nordostdeutsche Element ist stark vertreten, sowohl mit ersten Namen wie Käthe Kollwitz und Lovis Corinth als auch beachtenswerten Talenten der jüngeren und jüngsten Generation.

 

Juryfreie Kunstausstellung Hannover

Im Künstlerhaus Hannover wird z. Zt. der II. Teil der „juryfreien Kunstausstellung" niedersächsischer Künstler gezeigt, in der wir erfreulicherweise auch einem beachtlichen Anteil ostdeutscher, heute in Niedersachsen schaffender Künstler begegnen; wir nennen hier nur einige Namen: den sudetendeutschen Bildhauer Franz Rotter, stark vertreten die schlesische Gruppe mit dem Maler und Grafiker K. J. Blisch, dem Grafiker Willy Heier, dem Bildhauer Walter Volland, nicht weniger stark die nordostdeutsche Gruppe mit dem pommerschen Maler Bruno Müller-Linow, Alfred Stärke, Wilhelm Engelmann, der Ostpreußin Lucia Steigerwald und der aus Westpreußen stammenden Eva-Christa Schmidt.

 

Ost- und westpreußische Künstler in Düsseldorf

Auf der Sechsten Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes am Düsseldorfer Ehrenhof sind auch diesmal wieder einige gewichtige Namen aus dem ostwestpreußischen Raum vertreten. Notieren wir kurz: Heinz Battke (Florenz), der aus Ostpreußen stammende Surrealist, der Königsberger Fred Thieler, der junge Dietmar Lemcke, dessen Name sich Immer mehr einprägt. Winfried Gaul, der aus Mühlhausen/Ostpreußen gebürtige Maler Manfred Grossmann, der Danziger Herbert Krause, die beiden ostpreußischen Bildhauer Kurt Schwerdtfeger und Johannes Dumanski.

 

Corinth und Kollwitz stark gefragt

Während bei der internationalen Frühjahrsauktion bei Ketterer in Stuttgart, die als Gradmesser des Kunstmarktes gelten kann, Grafik Picassos großenteils nur um die Hälfte bis knapp unter den Nennwert an den Käufer ging, stiegen Blätter der Käthe Kollwitz und Lovis Corinths oft bis auf das sechsfache des Taxwertes. Ein erfreuliches Zeichen dafür, dass manche Überschätzung heute wieder ins rechte Lot kommt und manches Werk, das bislang nicht die gebührende Anerkennung fand, zunehmend an Ansehen gewinnt.

 

Hauptmanns „Großer Traum" erscheint bei Bertelsmann

In der Reihe seine Hauptmann-Neuausgaben bereitet der Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh, zurzeit die Herausgabe des epischen Werkes „Der Große Traum" vor. Das von Hans Reisiger herausgegebene Epos erscheint damit erstmals vollständig und enthält auch jene sechs Gesänge, deren Veröffentlichung in der ersten Ausgabe des Werkes im Jahre 1942 unterbleiben musste. Das Vorwort schrieb Rudolf Alexander Schröder. Im Hauptmann-Gedenkjahr 1956 bringt der Bertelsmann-Verlag außerdem die von Hubert Razinger bearbeitete „Atriden-Tetralogie" Gerhart Hauptmanns heraus. Beide Werke werden im August vorliegen.

 

„Ich sag Dir alles" erreichte Halbmillionen-Auflage.

Das 1953 im Verlag C. Bertelsmann erschienene praktische Nachschlagebuch „Ich sage Dir alles" liegt jetzt im 500. Tausend vor. Es ist damit der erfolgreichste Titel der Bertelsmann-Reihe „Praktische Ratgeber", in deren Rahmen jetzt als Nr. 13 das Buch „Mutter und Kind" von Dr. med. Hannah Uflacker herausgegeben wurde.

 

Künstlergilde nach Chile eingeladen

Die Künstlergilde wurde eingeladen, eine Ausstellung ostdeutscher bildender Kunst der Gegenwart und ausgesuchten Kunsthandwerks in Chile zu zeigen. Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung sind kulturelle Veranstaltungen in mehreren Städten des Landes vorgesehen.

 

Seite 12   Bücher - die uns angehen.

Helmut Käutner: Himmel ohne Sterne. Roman. Franz Schneeekluth Verlag, Darmstadt. 197 Seiten, Ganzl. 8,80 DM. In Film und Roman greift Käutner unter dem Titel „Himmel ohne Sterne" ein Thema auf, das jeden Deutschen dies- und jenseits der Zonengrenze angeht: die unselige Teilung Deutschlands. Vor diesem Hintergrund spielt das tragische Schicksal zweier Menschen aus dem Deutschland unserer Tage, die Liebesgeschichte der Fabrikarbeiterin Anna Kaminski aus Thüringen und des westdeutschen Grenzpolizisten Karl Altmann, und gestaltet sich zu einer schreienden Anklage gegen diese widernatürliche Grenze, die Menschen gleicher Sprache und gleichen Fühlens voneinander trennt. Man spürt in diesem Roman, der seine Leser bis zur letzten Seite in Atem hält, den sicheren Griff des erfolgreichen Regisseurs, der die Kunst des rechtzeitigen Aufblendens, des Weglassens, wo es der Straffung der Handlung dient, und der Wahl des jeweils besten Bildausschnittes meisterlich beherrscht. Wenn sich der literarisch verwöhnte Leser auch an dieser oder jener Überbelichtung und mancher zu offensichtlich gestellten Situation stößt, so ist dies kein Grund weniger, dem Autor für sein Unternehmen, dieses Thema mit Hilfe seiner künstlerischen Mittel so eindringlich vor ein nach Millionen zählendes Publikum gebracht zu haben, zu danken. Und so gesehen, kann die Lektüre dieses Romans nicht warm genug empfohlen werden. —VT—

 

Walter Scheffler: „Erde und Licht". Gehörlosen-Verlag Heinrich Siepmann, Mülheim/Ruhr. 150 Seiten, geb. 5,20, kart. 3,30 DM.

Walter Scheffler, dem Fritz Kudnig das Vorwort dieses Buches schrieb, das eine charakteristische Auswahl aus den bisherigen Werken Schefflers darstellte, hat ein Leben gehabt, das gelegentlich wie ein Abenteuer anmutete. Sehr begabter Sohn eines Königsberger Schneidermeisters von der Laak, wurde Scheffler vom Schicksal schon mit 16 Jahren grausam geschlagen. Er verlor nach einem Unfall völlig sein Gehör. Seine Sehnsucht, Lehrer zu werden, wurde unerfüllbar. Erst nach langer Krankheit und vielen Enttäuschungen auf zermürbender Arbeitssuche nahm den Gehörlosen endlich ein Buchbinder in die Lehre. Auch dort jedoch kam er sich als Ertaubter oft wie ein vom Leben Ausgestorbener vor. Doch gerade das rief alle seine Kräfte wach. Das tiefe Leid, das seinen Weg unablässig überschattete, machte ihn zum Dichter, weil er es innerlich zu überwinden verstand. Mit vierzig Jahren sichtete, druckte, band und vertrieb er seine ersten Gedichte selber. Ferdinand Avenarius, der Herausgeber des „Kunstwart", bekannte sich in warmen Worten schon zu diesem Erstlingswerk „Mein Lied". Dies — von dem Graphiker Fritz Brachaus kunstvoll auf Stein geschriebene und von ihm bebilderte — Buch, wie auch das zweite, ebenso hergestellte „Mein Königsberg", zu dessen künstlerischem Schmuck die bekanntesten ostpreußischen Maler beigetragen hatten, war bald vergriffen. Nun nahm sich der Königsberger Verlag Gräfe & Unzer des Dichters an.

 

Als Schefflers Leben sich durch den Absatz seiner Bücher endlich auch wirtschaftlich etwas bessern zu wollen schien, riss ihm die Inflation seine kleinen Ersparnisse aus der Hand. Doch Scheffler verbitterte darauf nicht lange. Sein religiöser Glaube ließ ihn auch in den neuen Nöten nicht im Stich. Sein Dichten wurde nur noch tiefer und inniger. Da vertrieb ihn der Krieg jählings aus der geliebten Heimatstadt Königsberg, der er in seinem zweiten Buche ein unvergängliches Denkmal gesetzt hatte. Nach Jahren der Verbannung kam er aus Dänemark in das zerstörte deutsche Land, nachdem ihm kurz zuvor seine ihm während der Fluchtjahre angetraute im Elend erkrankte junge Frau durch den Tod entrissen war. Erst nach harter Selbstüberwindung fand er auch jetzt wieder zu sich selbst zurück. Und heute begegnet jedem — in dem Menschen wie in seinem Werk — ein Dichter, der fast wie ein alter Weiser wirkt in seiner abgeklärten Innerlichkeit. Schon die an diesem neuen Bande enthaltenen Kapitel aus seinen beiden Prosabüchern „Walter von der Laak" und „Die Lehrjahre des Walter von der Laak" bergen neben stillem, lebensnahem, herzwarmem Humor die ganze Tragik dieses Lebens, aber auch tiefe, domenferne religiöse Wahrheiten, die für Alte wie Junge ein rechter Lebenswegweiser werden können.

 

Nicht anders ist es mit Schefflers Gedichten, die alle Lebensbereiche umkreisen, die beseligenden Seelenfrieden und Herzensleidenschaft zu reiner Harmonie verweben, und die neben feingeistigen, blutfrohen Natur- und Liebesgedichten auch solche enthalten, die um Gott und die Welt ringen — und die alle im Tiefsten in der Liebe zu der verlorenen, unvergesslichen ostpreußischen und in der Kraft der unverlierbaren ewigen Heimat gründen. — Was braucht unsere heutige, seelisch entwurzelte Zeit mehr als solche durch keine Nöte beirrbaren Geister wie diesen Dichter, der schon seit seiner frühen Jugend ein Künder alles Guten, Schönen und Tiefen des unsterblichen Lebens wurde.

 

Dass dies Buch, vom Autor bis zum Verleger Graphiker, Setzer und Buchbinder von gehörlosen Schicksalskameraden des Dichters geschaffen wurde, gibt ihm seine Besonderheit. Dazu gehört auch der erstaunlich billige Preis, der ihm hoffentlich in viele Hände und zu vielen Herzen helfen wird!

 

Immanuel Kant: Fundamente des wahren Lebens. Ein Brevier. Herausgegeben von Dr. Max Kobbert. Verlag Der Greif, Walther Gericke. Wiesbaden. 104 Selten, geb. DM 4,20.

Mit dem Namen Kant verbindet sich gemeinhin die Vorstellung von einem bedeutenden, in seinem Werk aber doch recht trockenen, schwierigen wenn nicht gar lebensfremden, für den normalen Sterblichen nur schwer, zugänglichen Philosophen. Dies trifft jedoch nur bedingt zu. Zu allem Verschlossenen bedarf es eines Schlüssels. Ein solcher Schlüssel die verborgenen und versteckten Schönheiten im Werk dieses großen Geistes aufzuspüren und in ihrer Ausstrahlung wirksam zu machen, ist dieses von Dr. Kobbert mit viel Liebe zusammengestellte Brevier. Die treffend ausgewählten Gedanken und Aussprüche eröffnen uns die ganze, sich auf alle Lebensbereiche erstreckende Gedankenwelt des großen Weisen aus der Stadt am Pregel. Sie sind für jeden, der sich einmal in sie versenkt hat, eine echte und bleibende Lebenshilfe. In der Zeit schwankender Begriffe ein beständiger Pol, auf den man getrost sein Leben stellen kann.

 

Mikkjel Fönhus: Der Trollelch. Roman Biederstein Verlag, München. 218 Seiten mit 16 ganzseitigen Illustrationen von Josef Hegenbarth Ganzl 10,80 DM (433. Tausend der deutschen Auflage!).

Wenn wir an unsere ostpreußische Heimat denken verbindet sich immer damit auch die Erinnerung an jenes seltene Hochwild, den Elch, der hier durch die Niederung und die Dünen der Nehrung seine Fährte zog. Heute wissen wir, dass dieses sagenhafte Tierer auch diese seine letzte Heimstatt in Mitteleuropa verloren hat. In den nordischen Ländern aber in Schweden, Norwegen und Finnland zieht er noch weiter seine Fährte durch Täler, Wälder und Hochheiden, scheu und von Sage umwittert. In den einsamen Waldtälern des hohen Nordens erzählen sich die Holfäller und auern seltsame Geschichten von diesem Tier, eine davon ist die von dem Trollelch Rauten, einem verwunschenen Elch, der Unglück mit sich bringt und gegen jede Kugel gefeit ist. Er habe Menschenaugen, sagt man, denn in ihm wohne die Seele eines Menschen, der vor vielen Jahren im Rétal nach verborgenen Schätzen gesucht und dabei ums Leben gekommen sei. Diese Geschichte erzählt uns der norwegische Dichter Mikkjel Fönhus, dessen Bücher zu den schönsten Tierdichtungen der Weltliteratur zählen, in seinem Roman „Der Trollelch“. Gegenspieler dieses verwunschenen Elches ist Gaupa, ein alter Waldläufer. Auch er kennt die unheimlichen Geschichten, die man sich erzählt, und er setzt es sich in den Sinn, diesen unverwundbaren Trollelch zu erlegen. Mit Bjönn, seinem Hund, verfolgt er den Elch, durch Wälder und Moore, auf steile Gipfel, durch reißende Flüsse und weite Seen, durch Tage und Nächte, durch Jahre – und wird darüber zum alten Mann, bis sich an einem Frühlingsmorgen seines und des gejagten Tieres Schicksal in tragischer Weise erfüllt. Im Hintergrund immer die Großartigkeit der nordischen Landschaft, die Einsamkeit der endlosen Wälder, der weiten Moore, getaucht in das Zwielicht der Mittsommernächte.

 

In Josef Hegenbarth, dem phantasievollen Meister der Zeichenfeder, fand diese Dichtung ihren kongenialen Illustrator.

 

Seite 13   Schwarznasen und Schwarznasenkönige. Vom ostpreußischen Edelschaf und seinen Züchtern

Foto: Die Schafzucht bildete einen Hauptlebenszweig der ostpreußischen Landwirtschaft. Foto: OW-Archiv

Es wurde Frühling, die Sonne stand schon höher am Himmel und wärmte. Und die Weiden und Wiesen legten wieder ihre leuchtend grüne Farbe an.

 

Der alte Schäfer Sonnabend öffnete die Türen des geräumigen und sauberen Stalles und sammelte um sich die große Schafherde der Mütter und Lämmer. Sie liefen den breiten Landweg entlang, der zur Weide führte, welche mit ihren hochwertigen Gräsern und dem saftigen Klee der Herde nach dem Stallfutter eine abwechslungsreiche Nahrung bot. Das monotone Blöken der Mütter war die Antwort auf den hohen Blökton der lustig herumspringenden Lämmer, die der treue Schäferhund Hasso mit lautem Gebell öfters zur Ordnung rief, wenn eins der übermütigen Tiere aus der Reihe der Herde ging. Ja, auch die Schafe hatten ihre Sprache und die Mütter machten den Jungen verständlich, dass es nun Mai würde und sie vor sich eine gute Weidezeit hätten. Diese natürliche Weidenahrung tat den Tieren gut, sie wurden ja auf Wolle und Fleisch gezüchtet — die ostpreußischen Edelschafe.

 

Auch die Böcke der großen Zucht grasten friedlich unter der Behütung des Schäferenkels Heinrich auf gut angelegten Weiden. Eingetragenes Herdbuchvieh verlangte immer Pflege und Aufsicht und krönte dann auch den Erfolg auf den vielen Auktionen in Königsberg und auf den landwirtschaftlichen Ausstellungen im weiteren Reichsgebiet. So manches preisgekrönte Tier wanderte auch oft als aussichtsvolles Zuchtmaterial ins Ausland.

 

Auf dem Stammgut unseres Geschlechtes war es schon ein alter Zopf, dass die Schafherde nie abgeschafft werden durfte. Die Schafzucht bildete einen wichtigen landwirtschaftlichen Lebenszweig auf vielen ostpreußischen Gütern und auch im Reich. Sie trug mit bei zur Ernährung der Bevölkerung und verminderte die Einfuhr ausländischer Wolle.

 

Schon lange vor dem ersten Weltkrieg importierte mein Vater Zuchtböcke aus England-Hampshiere und Oxfordshiredown. Rassetiere eben, auf Wolle und Fleisch gezüchtet. Sie verbesserten das deutsche Zuchtmaterial, ihre Kreuzung ergab nun das ostpreußische Edelschaf. Durch intensive Aufzucht wurden die Herden schnell zu einem Aufstieg gebracht und besonders die Wolle sehr verbessert. Schon im Januar gab es für den alten Schäfer und seine Mitarbeiter eine verantwortungsvolle Arbeit — die Lammzeit war da. Viele Nächte kamen die Schäfer zu keinem Schlaf, gerade in der Nachtzeit gab es viele Geburten und die jungen Lämmchen bedurften der Sorgfalt. Die Mütter erhielten zusätzlich Futter, da sie ihre Kleinen erst einmal selber mit ihrer Milch ernährten.

 

Und so wuchsen sie heran und vergrößerten die Herde. Zweimal im Jahr, im Frühling und Herbst, erfolgten die großen Wollschuren. In den ersten Jahren wurden die Schafe noch mit Handscheren geschoren, es war hauptsächlich die Arbeit der Frauen und immer eine tagelange Arbeit, die sorgfältig ausgeführt werden musste, damit man die Tiere, wenn sie auch angebunden auf den Schurtischen lagen, nicht beim Scheren verletzte. Später wurde die Schur mit elektrischen Maschinen betrieben.

 

Die gesammelte Schweißwolle wurde in Säcke verpackt und ging weiter zur Verarbeitung in die Woll- und Stofffabriken, wie nach Rummelsburg in Pommern usw. Ich erinnere mich noch, es war wohl in den Jahren 1921/1922, dass ein Ztr. Schweißwolle 30,-- DM brachte.

 

Die Vorbereitungen der Tiere, ob Böcke oder Mütter, zu den großen Auktionen oder Ausstellungen hatten ihren bestimmten Weg. Das zur Auktion kommende Tier musste in vielen Dingen „vollendet" sein, um als wirklich gutes Zuchtmaterial in eine andere Herde überzugehen. Ausschlaggebend dafür waren erst einmal die „Körkommissionen", die schon lange vor einer Verkaufsauktion die Tiere bewerteten. Die Tiere mussten „formschön" sein, d. h. im Körperbau normal. Sie mussten einen guten Fleischansatz haben und die Hauptbewertung lag auf der Wolle. Gab es bei einem Tier eine kleine dunkelgraue Stelle im „Wollkleid" und war diese noch „zwirnig", d. h. hart, so war dieses schon fehlerhaft. Das Tier wurde „abgekört“ und wurde aus dem Herdbuchregister gestrichen. Die ostpreußischen Edelschafe mussten eben „rasse — rein" sein, man nannte sie auch „Schwarznasen“, denn das Zuchtmaterial der „Hampshire" vererbte stark den markanten Wuchs der schwarzen Nase. Auch die Register (Stammrollen) verlangten Sorgfalt, die Geburten wurden darin eingetragen, ebenso die Abstammung von Vater und Mutter usw. Jedes Tier hatte auch seinen Namen. Wurde ein Zuchttier verkauft, so bekam es seine Stammrolle mit.

 

Es waren immer große Tage, diese Auktionstage in Königsberg. Schon lange vorher wurden die Tiere besonders gut gepflegt. Die Verladeboxen wurden bereitgestellt und gekalkt. Auch der alte Sonnabend mit seinen Gehilfen rüstete sich zur Reise. Ja, dieses Mal gingen vom Gut N. genau zwölf einjährige Zuchtböcke mit, sie sahen prächtig aus und versprachen viel. Der alte Schäfer und der Gutsherr schmunzelten und ersehnten den großen Tag herbei.

 

Ob das Zuchtmaterial vom Schwarznasenkönig von N. wieder einmal den Rekord schlagen könnte?

 

Zwei Tage vor der Auktion erfolgte der Transport und dann fand man die Tiere der vielen Züchter in Königsberg-Rosenau in ihren Boxen zur Schau. Die Prämiierung war schon gewesen, auch hier gab es eine Kommission der Preisrichter.

 

Na, Sonnabend, wie steht's mit unseren Böcken, fragte mein Vater? Ich lauschte neugierig seiner Antwort und sah es schon seinem freudigen Gesicht an, dass wir bei der Prämiierung gut abgeschnitten hatten. Der Bock „Anton" hatte den 1a Preis erhalten, der Bock „Albert" den 2b Preis usw. Und es waren nicht nur unsere Tiere, die solche Auszeichnungen erhielten. Da waren noch die Eliteherden vom Tharauer, Tromitter und vom Gradker Züchter und wie sie alle hießen.

 

Hier und da wurde auch mal ein Tier in Königsberg-Rosenau nicht gut bewertet und hatte damit wenig Aussicht auf einen ernten Kaufpreis; es fiel dann oft den schon wartenden Königsberger Fleischern zu, die dann in ihren Läden „prima Schaffleisch" anboten. Ja, ein solcher Braten, oder Schaffleischsteaks in Sahnesauce schmeckten ausgezeichnet. Es tat mir aber immer leid, dass unsere mal nicht gut für die Zucht bewerteten Böcke, so schnell in die Königsberger Kochtöpfe wandern sollten und dann noch für einen geringen Preis. Ich hatte sie aber schnellstens auf Zuwinken meines Vaters wieder in der Auktionshalle zurückgekauft.

 

Man saß oft gespannt und angeregt, den Auktionskatalog verfolgend, auf den langen Bänken der geschlossenen und überdachten Halle. Das fortlaufende Aufschlagen des Hammers des Auktionators (Meitzen sen.) dröhnte durch die Halle und dazwischen sprangen aus seinem Munde fast automatisch, die oft so hohen Zahlen, die für ein Zuchttier geboten wurden. Der Hammer schlug das letzte Mal auf, der Käufer hatte das Tier erworben. Oft gingen die Preise in die Tausende, besonders hoch, wenn zwei Käufer sich auf ein Tier mit ihrem Kauf „festgesetzt" hatten. Mehrere Male hatte unsere Herde den Wanderpreis erhalten, eine besondere Auszeichnung für gutes Zuchtmaterial. Ein Silberpokal mit Bernsteinstücken. Wie oft stand er in unserem Essraum. Sicher ist auch er den Russen in die Hände gefallen, wie so viele wertvolle Preise für die gute Schafherde.

 

Fast immer dauerte so eine Verauktioniierung mehrere Stunden und hielt alle in Spannung; nicht nur die Verkäufer und Käufer, sondern auch die Pfleger der Tiere, denen ihre Pfleglinge sehr ans Herz gewachsen waren. Sie hatten mit ihrer pflichtgetreuen Arbeit und Pflege mit dazu beigetragen, dass die Schafzucht besonders in Ostpreußen vor dem zweiten Weltkrieg so im Aufstieg war. Für ihre tüchtige Mitarbeit an einem so wichtigen landwirtschaftlichen Lebenszweig erhielten sie auch Prozente von dem Verkauf der Auktionstiere.

 

Waren die Verkäufe in Königsberg-Rosenau beendet, dann mussten die Schäfer noch der Verladung der Tiere, die dort gleich erledigt wurde, beiwohnen. Und dann kam für sie, wie auch für die Züchter, in bestimmten Königsberger Lokalen der gemütliche Teil beim Glase Bier oder Wein.

 

Da saßen sie nun die Schafzüchter Ostpreußens, die „Schwarznasenkönige". Ihre Arbeit gekrönt mit einem guten Erfolg, da musste mal neben „Fachsimpeln" auch eine gute Flasche Wein getrunken werden.

 

Der große durch den Bockverkauf erworbene Geldbetrag, wanderte aber wieder in die intensive Bewirtschaftung der Güter, dort ging ja ein Rad ins andere und der Geldaufwand dazu war oft von großem Ausmaß. Für unser Gut bedeutete die Schafzucht viel und brachte die Haupteinnahme. Mein Vater hatte die Herde auf ca. 350 Tiere gebracht und nach seinem Tode hatte sie mein Bruder noch erheblich vergrößert.

 

Der Katastrophe sind auch viele ostpreußische Schafherden zum Opfer gefallen, ein großes Werk unserer Landwirtschaft ist vernichtet worden. Aber unsere Gedanken gehen zurück zu diesen schaffenden Männern, den Schwarznasenkönigen und den alteingesessenen Schäfern, den treuen Mitarbeitern. Größtenteils ruhen sie schon lange in der heimatlichen Erde. Das Schicksal hat sie die Vernichtung ihres großen Werkes nicht mehr miterleben lassen.

 

Unsere Erinnerung setzt ihrem Verdienst aber ein bleibendes Denkmal. Christel Papendick

 

Seite 13   Die Katlenburg im Ausbau. Siedlerschule staatlich anerkannt — Ab 1. Oktober auch Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule.

Die seit 3. Januar 1956 als Landwirtschaftliche Fachschule/Ergänzungsschule für bäuerliche Siedlungsanwärter und Siedler vom Niedersächsischen Kultusminister anerkannte Bundessiedlerschule Katlenburg (an der Mündung der Harzer Oder in die Rhume gelegen) wird baulich wesentlich erweitert. Aus dem einstigen großen Domänenschweinehaus ist ein moderner Lehrstall entstanden, dessen zeitgemäße, technische Einrichtungen (Tieflaufstall, Selbsttränken, verschiedene Fressgitter und Kobenwände, Melkanlage, Milchkühlanlage, Silos, Heugreifer) Schülern und Lehrgangsteilnehmern für den praktischen Unterricht sehr vorteilhaft sind.

 

Der ehemalige Domänen-Pferdestall ist zu einer Hälfte eine geräumige Vielzweck-Anlernwerkstätte für Holz- und Eisenbearbeitung nach dem Beispiel der ehemaligen Kolonialschule in Witzenhausen geworden; die andere Hälfte beherbergt nun die Werkräume- der im Herbst d. J. zu eröffnenden Ländlich-hauswirtschaftlichen Mädchen- und Frauenschule: die Lehrküche, die Lehrwaschküche, den Speiseraum, den Wäscheraum.

 

Durch einen kleinen Hof getrennt, schließt sich das künftige Mädchenwohnheim an. Hier wird ein älterer Fachwerkbau in ein ansprechendes Wohnheim mit einer Wohnung für die Schul- und Heimleiterin und eine zweite Lehrerin, mit Tages-, Unterrichts- und den notwendigen Nebenräumen umgewandelt. Im Alten Schloss mit den Unterrichtsräumen und dem Wohnheim der Siedlerschule wird der ehemalige Schlosssaal zum Festraum ausgebaut. Durch den Um- und Ausbau von drei Gebäuden der Katlenburg werden dreißig neue Räume gewonnen, die noch als Unterrichts-, Werk- und Wohnräume auszustatten sein werden.

 

Am ersten Sonntag im Oktober wird die neue Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule und das dazugehörige Wohnheim im Rahmen eines Erntedankfestes und eines Treffens der Altschüler der Siedlerschule in Anwesenheit der Agrarreferenten des BVD und der Landsmannschaften der Öffentlichkeit übergeben. Der Trägerverein der Siedlerschule und der Ländlich-hauswirtschaftlichen Frauenschule wird gleichzeitig seine Jahrestagung in Katlenburg durchführen. Diese Veranstaltung soll die besondere Bedeutung des Werkes Katlenburg insbesondere für die jüngere Generation des vertriebenen und einheimischen Landvolkes unterstreichen und das neue Katlenburg der Öffentlichkeit vorstellen.

 

Seite 13   Katlenburger Lehrgänge 1956/1957.

Der nächste Lehrgang für junge Männer beginnt am 29. Oktober dieses Jahres. Anmeldungen werden bis 15.09.1956 angenommen.

 

Ab 1. November laufen in den Räumen der künftigen Landfrauenschule Kurzlehrgänge und Freizeiten für Landfrauen und Mädchen.

 

Im Februar wird der erste 10-Monate-Lehrgang für Mädchen beginnen.

 

Den neuen Prospekten sind Aufnahmebedingungen, Lehrplan, Ausbildungsziel und Kosten zu entnehmen. Sie können ab 15. Juli bei der Verwaltung der Siedlerschule Katlenburg/Harz, Kreis Northeim, angefordert werden.

 

Während des Winters werden voraussichtlich wieder viele Kurzlehrgänge für Siedlungsanwärter und Siedler im Sinne der Erlässe der Niedersächsischen und Hessischen Landwirtschaftsminister in der Siedlerschule Katlenburg stattfinden.

 

Es sind auch zwei Schulungswochen für Fragen der Flurbereinigung und Siedlung vorgesehen.

 

Die erneuerte Siedlerschule und die Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule laden alle jungen Menschen des heimatvertriebenen und einheimischen Landvolkes zum Besuch ein.

 

Seite 14   Heimattreffen

8. Juli 1956:

Goldap in Hannover, Stadthalle.

Mohrungen in Hamburg-Nienstedten, Elbschlossbrauerei.

Neidenburg in Hannover.

Rößel in Hamburg.

Tilsit-Stadt und Tilsit-Ragnit in Bochum, „Kaiseraue", Josephinenstr. 29.

 

15. Juli 1956:

Angerapp in Hannover, Gaststätte „Döhrener Maschpark“.

Ebenrode (Stallupönen) in Essen-Steele, Stadtgarten-Saalbau.

Gerdauen in Hamburg-Nienstedten, Elbschlossbrauerei.

Schillen (Kreis Tilsit-Ragnit) in Plön Holst.

 

22. Juli 1956:

Allenstein Stadt und Land in Hannover, Kurhaus „Limmerbrunnen".

Braunsberg in der Patenstadt Münster in Westfalen.

Labiau in Hamburg-Nienstedten, Elbschlossbrauerei.

Lyck, Haupttreffen in der Patenstadt Hagen.

 

29. Juli 1956:

Bartenstein in Nienburg/Weser, „Glashütte Dierks".

Pr.-Eylau, Haupttreffen in Hamburg-Nienstedten, Elbschlossbrauerei.

 

5. August 1956: J

ohannisburg in Oldenburg.

Neidenburg, Haupttreffen in der Patenstadt Bochum, Nord- und Süd-Börsenhalle.

Pillau in der Patenstadt Eckernförde.

Pr.-Holland, Haupttreffen in Hamburg-Nienstedten, Elbschlossbrauerei.

 

Seite 14   Willi Schott 70 Jahre.

In Lübeck feierte am 12. Juni 1956 Willi Schott, einer der bekanntesten ostdeutschen Turnerführer, seinen 70. Geburtstag. Von hier aus hat er sich bald nach dem Kriege bemüht, seine ostdeutschen Turner und Turnerinnen wieder aufzuspüren und in jährlichen Treffen die alte Gemeinschaft lebendig zu erhalten. Schon in jungen Jahren konnte Willi Schott selbst beachtliche Turnpreise erringen und sich eine umfangreiche Kenntnis auf dem organisatorischen Gebiet erwerben. Auch als Kampfrichter betätigte er sich bei den deutschen Meisterschaften im Geräteturnen und bei Kampfspielen. So manches große Turnfest in Danzig und Ostpreußen verdankt seinen Erfolg dem rührigen Wirken Willi Schotts, der es auch verstand, seine Turner zu hohen Leistungen anzufeuern. Darüber hinaus betreute er 20 Jahre lang die deutschen Turner in Polen, die in ihren Turnvereinen nicht nur Sport trieben, sondern auch ihr Volkstum pflegten. Möge Willi Schott noch ein langes gesundes Leben beschieden sein in enger Verbundenheit mit seinen Sportlern aus der Heimat!

 

Seite 14   Es starben fern der Heimat.

Luise Kochan, geb. Brauer, aus Ebenfelde, Kreis Lyck, am 23. Mai 1956, 81-jährig in Rumbach/Rheinpfalz.

 

Herbert Mack-AIthof, Gutsbesitzer und Major a. D., in Eddinghausen/Hann. Der Verstorbene besaß vor der Vertreibung im Kreise Tilsit ein Gut und ein großes Gestüt. Auch in seiner neuen Heimat war er überall beliebt und geschätzt.

 

Seite 14   Turnerfamilie Danzig, Ost- und Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

 

Allen im Juli 1956 geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern zum neuen Lebensjahr die herzlichsten Glückwünsche; besonders denen, die ein neues Jahrzehnt ihres Lebens beginnen:

 

am 3. Juli: 1956: Ursel Nickel, Lyck (20 Jahre) und

am 31. Juli 1956: Ingrid Streht, MTV Königsberg (20 Jahre);

 

am 1. Juli 1956: Erna Buss-Rawitz, Lyck (40 Jahre);

 

am 12. Juli 1956: Fritz Rosengarth, Rastenburg (50 Jahre) und

am 30. Juli 1956: Willi Naesert, MTV Kbg. (50 Jahre);

 

am 10. Juli 1956: Elisabeth Spendel-Pfeiffer, Zopot (60 Jahre), und

am 27. Juli 1956: Frau Maria Kaltwang, KMTV Kbg. (60 Jahre.)

 

Zum Eintritt in das 80. Lebensjahr grüßen und beglückwünschen wir schließlich aufs herzlichste die letzte Frauenturnwartin des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft und Vorsitzende des Königsberger Frauenturnvereins von 1890, Johanna Löbel.

 

Ihnen allen ein frohgemutes und hoffnungsfreudiges Gut Heil!

 

Die bisher für das 9. Wiedersehenstreffen in Espelkamp-Mittwald vorangemeldeten rund 200 Turner und Turnerinnen erhalten durch besondere Rundschreiben Nachricht über die Zeiteinteilung und die Eingliederung des gleichzeitig laufenden Lehrgangs in die Veranstaltungsfolge sowie über die genaue Höhe der Kosten für Unterbringung und Verpflegung. Der Lehrgang wird in Verbindung mit dem Westf. Turnerbund nur für unsere Turnerfamilie durchgeführt. Wer keine Voranmeldung abgegeben hat, kann sich trotzdem zur Teilnahme melden, möglichst aber bis spätestens 25. Juli. Bis zum 5. August 1956 wird um Einzahlung der im Sonderrundschreiben benannten vorauszuzahlenden Beträge gebeten. Dies ist besonders wichtig für die endgültige Verteilung der Quartiere und eine möglichst frühe Benachrichtigung der einzelnen Teilnehmer hierüber.

 

Für die Turnbrüder und Turnschwestern aus der Sowjetzone, die nach Espelkamp-Mittwald kommen (bisher 35 gemeldet aus 13 verschiedenen Heimatvereinen) wird die Bitte wiederholt, Spenden für ihre kostenlose Unterbringung Verpflegung und Rückreise auf das Postscheckkonto Hannover 11 60 75 (Wilhelm Alm Oldenburg/Oldb.) zu überweisen.

 

Für Teilnehmer am 5. Bundesalterstreffen des Deutschen Turnerbundes in Heilbronn vom 17. bis 19.08.1956 wird voraussichtlich schon im Voraus ein Treffpunkt der Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen in Heilbronn bekanntgegeben werden. Für alle Fälle werde ich in der örtlichen Geschäftsstelle Nachricht darüber hinterlassen. Auch in Heilbronn erwarten wir Turnfreunde aus der Sowjetzone, die wir unterstützen wollen. Onkel Wilhelm.

 

Ostverein für Prüfung von Gebrauchshunden zur Jagd — Königsberg/Ostpr.

Auf meinen Aufruf, die Mitglieder oder deren Ehefrauen und Kinder unseres lieben alten Ostvereins möchten sich bei mir melden und über ihre Schicksale berichten, sind eine ganze Menge von Zuschriften eingegangen.

 

Durch Entgegenkommen des Verbandes war es möglich, den Ostverein zunächst als Traditionsverein zu erhalten und mit einem Mindestbeitrag von 2 DM auszukommen.

 

Der Ostverein als einer der ältesten Verbandsvereine steht. Im Verband in bester Erinnerung und hohem Ansehen, wie ich beim Besuch der Verbandsversammlungen immer wieder feststellen konnte. Mehrmals fand ich Gelegenheit, die Erfahrungen des Ostvereins bei den Debatten nutzbringend darzulegen.

 

Es haben sich bisher als zahlende Mitglieder gemeldet: Otto Wenck-Kbg., Sauerhering-Elbing, Forstm. Ulrich, Ehlers-Glashütte, Dr. Hilbrig, Amtsgerichtsrat Fr. W. Schulze-Fischhausen, Forstm.

Löffke, Bechle-Nettienen, Strüwy-Gr. Peisten, Dr. med. Wienert-Kbg. und natürlich ich selbst.

 

Bekannt sind die Anschriften von Revf. Zuehlsdorf, Ulmer-Quanditten, Dr. Lackner, Revf. Fritz Schröder, Riebensahm-Perpolken, Revf. Steinorth (Sohn des Blausteiners), Dr. Drews-Hanswalde, v. Knoblauch-Friedrichsburg, Krause-Wettin, Paul und Frank Hueter i. Fa. Gamm & Sohn-Kbg., Büchsenm. Klimpel-Kbg., Dr. Linus Kather-Kbg., Landfm. Lehnert-Padrojen, Oberf. Erich Steinorth-Schönmoor, Hans Graber.

 

Spenden gingen ein:

vom Verband, Baugeschäft Kraushaar-Laatzen, Konditorei Schwarz-Hannnover, S. Hausmann-Hannover, Möbel-Gumbold (Kbg.) Hannover und Bad Kissingen.

 

 Ich würde mich freuen, von den angemeldeten Mitgliedern und möglichst vielen Neuzustoßenden den Beitrag 1956 zu erhalten. Mindestbeitrag 2 DM, kein Eintrittsgeld. Postscheck-Kto. Dortmund 871 33 Dr. Otto Gehrmann „Vereinskonto".

Mit Waidmannsheil! Dr. Otto Gehrmann-Gr. Neumühl, Münster/Westf., Norbertstraße 1

 

Seite 14   50-Jahrfeier der Sackheimer Mittelschule.

Anlässlich der 50-Jahrfeier ihrer Schule hatte die Vereinigung der ehem. Sackheimer Mittelschüler, Königsberg/Pr. ihr Jahreshaupttreffen 1956 am 10. Juni nach Duisburg gelegt, um in einer gemeinsamen Feierstunde mit ihrer Patenschaftsschule, der Knabenrealschule Duisburg „An der Wacholderstraße“ festlich zu begehen. Herr Realschuldirektor Stimmler konnte als Hausherr der Patenschaftsschule zahlreich erschienene ehem. Lehrer. Schülerinnen und Schüler der Königsberger Schule begrüßen, die sogar eine weite Anfahrt nicht gescheut hatten. Andere, die nicht kommen konnten, sandten in Briefen und Telegrammen ihre Glückwünsche. Die landsmannschaftlichen Verbände hatten zu der Feierstunde in der festlich geschmückten Turnhalle der Schule ihre Vertreter entsandt. Bürgermeister Mues und Ratsherr Niekoleizik überbrachten die Grüße und Glückwünsche der Stadt Duisburg. In einer Festansprache schilderte Realschuldirektor Erich Grimoni die Entwicklung des Königsberger Schulwesens, insbesondere die der Sackheimer Mittelschule und mit einer Fülle anekdotischer Einzelheiten plauderte er aus seiner Jugendzeit Erinnerungen, bei denen die Königsberger lebhaft mitgingen. Im Hintergrund seiner Ausführungen stand aber selbstverständlich der Herzenswunsch aller Königsberger Anwesenden, die Rückkehr in ihre Heimat. — Im Verlauf der Feierstunde wurden die Herren Direktoren Stimmler und Grimoni zu Mitgliedern der Vereinigung — ehrenhalber — ernannt und ihnen eine Urkunde und die silberne Nadel der Vereinigung überreicht. Ein großes Aquarell, ein Motiv aus Königsberg/Pr. wurde der Schule als Geschenk der Königsberger dargebracht. Das Schülerstreichorchester und ein Schülerchor unter der Leitung von Realschullehrer Werner umrahmte die eindrucksvolle Feier.

 

Am Nachmittag trafen sie die „Ehemaligen" zu ihrem Jahreshaupttreffen 1956 in der „Schützenburg" in Duisburg. Bei der um 16 Uhr beginnenden Generalversammlung konnte der I. Vorsitzende Schulk. Herbert Minuth von dem ehem. Lehrerkollegium die Damen Frl. Haugwitz und Bergner, von den Herren Sadowski, Feyerabend, Konopatzki und Baruth, viele ehem. Schülerinnen und Schüler sowie eine Reihe von Ehrengästen begrüßen. Nach einem Geschäftsbericht über die letzten 3 Jahre der V. e. S. M. im Westen, wurde der Vorstand in seiner alten Besetzung einstimmig wiedergewählt. Den Ehrenmitgliedern, Schulk, Witt, Herrn Rektor Zeil, Herrn Mitelschullehrer i. R. Sadowski und Frl. Haugwitz, wurde die „Goldene", den Mitgliedern, Frau Witt und den Herren Feyerabend, Dziengel, Birreck und Staffenski die „Silberne" Vereinsnadel verliehen. Herbert Minuth erhielt für seine Verdienste am Wiederaufbau der Vereinigung nach dem Kriege ebenfalls die Goldene Vereinsnadel. — Unter Verschiedenes wurde eine gemeinsame Fahrt zum Jahreshaupttreffen 1957 nach Hamburg unter begeisterter Zustimmung angenommen.

 

Der gemütliche Teil, der sich der Generalversammlung anschloss, wurde durch Darbietungen des „Ostpreußenchors Duisburg", Leitung Realschullehrer Fr. Werner, eröffnet, der Heimat- und Volkslieder wirkungsvoll vortrug. Frau Marianne Bartak/Engel brachte einige Gedichte und Lieder in ostpreußischer Mundart und wurde mit stürmischem Beifall bedacht. Ein allgemeines Tänzchen beschloss diese wohlgelungene Zusammenkunft, zu dem Schulk, Alfred Wesselowski die Musik stellte.

 

Seite 14   Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit.

Ehepaar August Ketturat und Frau Elisabeth, geborene Grau, am 7. Juni 1956 in Bahrenbostel, Kreis Diepholz. Der Jubilar stammt aus Jänischken, Ostpreußen, seine Ehefrau aus Neu-Stonupönen. Der Ehe entstammen 3 Töchter und 2 Söhne, von denen einer im letzten Kriege fiel. Außerdem erfreut sich das Ehepaar an 13 Enkeln und 2 Urenkeln. Eine besondere Freude war den hochbetagten Jubilaren, dass ihnen neben den zahlreichen Ehrungen und Glückwünschen zu ihrem Festtag eine ostpreußische Sängergruppe ein Ständchen mit alten Heimatliedern darbot.

 

90. Geburtstag

Irene Gräfin Finck von Finckenstein, die Mutter des bekannten westpreußischen Dichters und Schriftstellers Ottfried Graf Finckenstein, am 29. Juni 1956 in Pronsdorf, Kreis Segeberg, Holstein. Als Witwe des 1916 verstorbenen Oberburggrafen in Preußen, Grafen Konrad Finck von Finckenstein, war sie bis zum Kriegsende von 1945 Gutsherrin auf dem gräflichen Familienbesitz in Schönberg, Kreis Rosenberg, Westpreußen.

 

85. Geburtstag

Frau Mathilde Nispel aus Zwion-Georgenthal, eine eifrige Leserin unseres Blattes, am 14.07.1956 in Eddelstorf, Kreis Uelzen.

 

75. Geburtstag

Seinen 75. Geburtstag beging der ehemalige Oberbürgermeister von Königsberg, Dr. Dr. Lohmeyer, am 23. Juni 1956. Der Jubilar, der nach dem ersten Weitkrieg die Geschicke der ostpreußischen Provinzhauptstadt über ein Jahrzehnt gelenkt hat, machte sich insbesondere um die Belebung des wirtschaftlichen und die Pflege des kulturellen Lebens Königsbergs verdient. Noch heute nimmt Dr. Dr. Lohmeyer an den Jahrestagungen der „Gesellschaft der Freunde Kants" teil, deren ältester lebender „Bohnenkönig" er ist.

 

Juli-Geburtstagskinder in Flensburg

Frieda Habermann aus Cranz, Flensburg, Bismarckstraße 40, feiert am 14.07.1956 ihr 75. Wiegenfest;

 

Marta Fieber aus Königsberg, Flensburg, DRK-Heim am 19.071956 ihr 85. Lebensjahr;

 

Johann Grimm aus Ostpreußen. Flensburg, Flurstraße 23, am 20.07.1956 sein 94. Lebensjahr;

 

Berta Blumenthal aus Hoppendorf, Kreis Heiligenbeil, Flensburg, Brixstraße 5, wird am 21.07.1956,  82 Jahre alt;

 

Karl Sefzig aus Mohrungen, Flensburg, Sophienstraße 11, am 31.07.1956, 91 Jahre.

 

Silbernes Doktor-Jubiläum

Die früher in Königsberg/Pr. tätig gewesenen Philologen Georg Kienapfel und Otto Losch, jetzt in Oberhausen und in Delmenhorst i. O., begingen am 26. Juni 1956 den Tag, an dem sie vor 25 Jahren von der Philosophischen Fakultät der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. zum Dr. phil. und Magister der freien Künste promoviert wurden.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

Seite 14   Von unseren Lesern gesucht. Königsberger! Ostpreußen!

Wer weiß etwas von Reichsbahnobersekretär Paul-August Radzimanowski, geboren 2. Dezember 1889 in Brückendorf/Ostpreußen, Dienststelle: Reichsbahndirektion Königsberg (Personalbüro). Wohnung: Königsberg, Schrötterstraße 48. Letzte Nachricht vom 29.01.1945. Nachricht für die Angehörigen erbeten an: Irma Grünke, Stud.-Rätin (früher Guttstadt/Ostpreußen), Treysa, Stettiner Straße 11.

 

Wilhelm Schmidt, geboren 31.10.1886 in Kalthof, Kreis Pr.-Holland. Beruf: Reichsbahnbeamter, zuletzt wohnhaft in Königsberg/Pr. Seine Ehefrau Gertrud Schmidt wohnt in der Sowjetzone. Auskunft gegen Kostenerstattung erbeten an: Gd. Mstr. i. R. Artur Liedtke, Brühl-Vochem, Frohnhofweg 4, Bez. Köln.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (36)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Merken Se all was vonnem Sommer? Ich ja! Vorgte Woch war er hier, aber er kam nich mit große Hitze, wie es sich geheert, sondern mittem Volkswagene mit Anhänger. Er heißt man nämlich bloß so und is Viehhändler. Zu Haus sagden wir Kuppscheller. Aber sonst is nuscht vonnem Sommer zu spieren. Es sibbert von oben und moddert von unten und bibbert von innen. Ach Gottche nei, wenn ich so an unserm Sommer zu Haus denk! Was war das doch scheen! Im Juni wurd das Gras abgefiddelt, und wenn wir denn wenden und käppsen taten, denn brannd de Sonnche uns aufem Pelz, dass wir alles ausziehen missden und bloß de Bixen anbehielden. Mittem roten Puckel gingen wir denn abends zu Haus. Und inne Nacht juckd es ieberall, und zwei Tage später pelld sich de Haut ab. Nei, war das scheen! Und so blieb es denn bei bis Juli und August, heechstens dass mal e kleines Gewitter zwischenhaud. Aber das machd gar nuscht, das war denn direkt wie e Erleesung. Und hier? leberall is kalt und nass. Einem frieren de Fieße, und das Heu verfault, und de Emma, was meine Frau is, muss zwei Paar Unterbixen anziehen, dass se sich nich dem Blinddarm verkiehlt. Wo sind wir bloß hingeraten! Ich kann mir gar nich denken, dass es in Ostpreißen jetz auch so kalt is, im Geist spier ich immer noch, wie de Sonnche brennt und der Puckel juckt. Und im Geist seh ich auch immer noch dem August Endrissat, wie er mal aufes Feld kam, dem ganzen Kopp mit Heftflaster bekleistert und mitte lahme Hift. Das linke Aug war ganz blau und geschwollen. Da fragd ich ihm, ob ihm de Pferde durchgegangen sind. Aber es war bloß ein Pferd gewesen, und das war so gekommen: Zwei Wochen vorher hädd er scheen angenehm getreumt und gelächelt und immer dem Namen Rosa geflistert. Da hädd seine Frau de Ohren gespitzt und ihm beim Kleinmittag gefragt, wer eigentlich de Rosa is. Erst hädd er e bissche gestottert, aber denn konnd er ihr beruhigen: „Das is doch das Pferdche, wo ich kirzlich in Lenkenungken bei das Rennen die hundert Gulden gewonnen hab“. Da war nu alles gut. Aber denn kam der firchterliche Tag, wo seine Frau ihm mitte Nudelroll dem Kopp polieren tat. Und wie er rickwärts auße Tier rauswolld, da strumpeld er ieberm Patscheimer und haud mitte Hift aufe Kant vonne Kichenbank, dass er de Engel im Himmel pfeifen heerd. Seine Frau war nämlich e richtiger Kierassier von zwei Zentner und schrieb e anständige Handschrift. Und er war man e kleiner Gnubbel, wo da reingeheirat hädd. Deshalb hädd er auch zu Haus nuscht zu sagen und konnd auch körperlich nuscht gegen ihr ausrichten. „Ja, August“, fragd ich nu, „wodrieber habt Ihr Eich denn so lebhaft unterhalten, dass Du lahm und verbeilt aufes Feld kommst?" „Ach, weißt“, sagd er, „das Pferd war so dammlich und hat e langem Brief geschrieben“. Sehn Se, was aus so e „rosa"-Briefche alles werden kann. Bei uns innes Dorf gab neilich auch wieder mal was zu lachen, und weil das so selten vorkommt, wird heite noch immer gelacht, denn wer dem Spaten hat, braucht fierem Schutt nich zu sorgen. Dem Spaten hädd de Alwine Allershofen. Das is e abgebuchte Bauerntochter von vierzig Morgen, wo mit Gewalt heiraten wolld, bloß se hädd keinem Breitgam nich. Das heiß, se hädd all vier Breitgams gehabt, aber die Kerdels waren immer ausgerissen, wenn soweit war. Nu war aber heechste Zeit, und deshalb hädd se zehn Mark Anzahlung fierem Heiratsvermittler ausgespuckt, und der hädd ihr einem besorgt. Er war auch all nich mehr ganz nei, groß und schlaksig, und de Haare aufem Kopp sahen aus, als wenn de Motten drin waren. Aber das war de Alwine egal, se sagd sich, besser einem angestoßenem wie gar keinem. Vorgtem Sonntag war er nu auf Besuch, um ihr zu besichtigen. Der Vermittler war sicherheitshalber mitgekommen, denn wenn es klappd, wolld er gleich die hundert Gulden Prowisjohn mitnehmen, wo se abgemacht hädden. De Alwine hädd sich in Staat geschmissen. E rosanes Kleid hädd se sich angezogen mit e tiefem, verfiehrerischem Ausschnitt, dass Ostern und Pfingsten sehn konndst. Sogar e Dauerwell hädd se sich machen lassen und sich de Lippen angetuscht. Denn hädden se dem fettsten Kuigel abgestochen und Zuckerkuchen gebacken und alles aufem Tisch aufgefleit, was die virzig Morgen bloß hergaben. Auch drei Flaschen Schnaps hädden se gekauft, aber keinem Meschkinnis, bloß Jägermeister. Und nu lauerden se auf die beide, und de Alwine hofft im Stillens, dass er auf ihr hoppsen wird, weil se sich in diese Aufmachung fier unwiderstehlich hield. Endlich kamen se an. Zuerst wurd der neie Trekker besichtigt, mit dem se sich peerschen taten. Er wussd ja nich, dass auf dem noch viertausend Gulden abzustottern sind. Denn gingen se bei die braune Kiehe und die zwei lahme Ziegen. Der Stall is all sehr alt, und der Breitgam missd sich vorsehen, dass er ihm, wenn er husten missd, nich umpusten tat. Zuletzt huckden se sich inne Stub am Tisch und fingen an, dem Kuigel und dem Kuchen zu verdricken, und dazwischen wurd immer wieder einer gezwitschert. Der Breitgam war ausgehungert wie e Wolf und packd ein fier drei. Auch picheln konnd er gut. Und der Heiratsvermittler stieß ihm zwischendurch immer inne Rippen, dass er nich so viel essen und trinken solld, weil das e schlechtem Eindruck machd. Aber der ließ sich gar nich steeren, und de Alwine tat ihm immer noch neetigen, weil se sich all wie e glickliche Braut vorkam. Und wie er voll war bis am Stehkragen, huckd er sich bei die Alwine aufem Sofa und wolld liebenswirdig werden. Er tat ihr untre Arme kitzeln, dass se juhchd und kriejuhld. Das wurd dem Vermittler zu viel, — de Alwine nich! — und deshalb sagd er mit eins: „Was soll Freilein Allershofen von Ihnen nur denken? Benehmen Sie sich doch, wie es sich gehört!" Da rulpsd der Heiratskandidat zweimal und sagd laut und vernehmlich: „Beruhigen Se sich man, ich nehm ihr ja gar nich!" Und so kam es denn auch, und der Kuigel war umsonst geschlacht, und die zehn Gulden Anzahlung waren auch im Eimer. Das hat sich natierlich innes Dorf rumgesprochen, und so haben de Leite noch lange was zum Lachen. De einzige, wo nich lacht, is de Alwine, denn es war heechste Zeit, dass se sich fier das Kindche, wo im November kommt, e Vater besorgt, und nu is wieder nuscht. Se möchd sich ja auch all in England zur Untersuchung melden, denn da hat e Frau e Tochter gekriegd, wo noch niemals nich mit keinem Mann nuscht nich zu tun gehabst hat. Emmend is se auch so e medizinisches Wunder! Aber se hat Angst, dass es ihr keiner nich glaubt. Allerdings scheint es ja immer noch Wunder zu geben. Vorgte Woch las ich inne Kreiszeitung e Annongse, da wolld e Bauer e Kuh verkaufen, wo jedem Tag kalben kann. Das is bestimmt e Mordskuh! Stellen Se sich vor: Jedem Monat dreißig Kälber! Das muss e ganz besondre Zucht sein. Wenn de Bauern aller sone Kiehe hädden, denn wär de Not inne Landwirtschaft fier alle Zeiten vorbei. Wie ich das schreib, muss ich laut auflachen. Da meldt de Emma sich auße Eck und denkt, ich amesier mir ieber ihr, weil se sich anne Hack e Blas aufgescheiert hat und nu dauernd mit essigsaure Tonerd kiehlen tut. Die hat auch immer was, und dabei will se durchaus noch emal e große Reis machen, meeglichst bis am Bodensee. Vleicht haut die neie Rentenreform nu endlich mal orndlich hin, dass einer es riskieren könnd. Aber ich glaub es nich. Es wird wohl wieder bloß e Tropfen aufe trockne Gurgel sein. Was will se auch am Bodensee? Ich trau mir gar nich zu fragen, denn wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Da wolld auch mal einer von Insterburg nach Georgenburg. Unterwegs traf er einem Freind, wo immer sehr neigierig war. „Wo willst hin“, fragd er. „Na, nach Georgenburg!" „Zu was willst nach Georgenburg?" „Na zu Fuß!" Sehn Se, so kann es einem gehen. Nu wollen wir man hoffen, dass im Juli wenigstens drei Tage de Sonnche scheint. Wenn se hier in diese Gegend auch nich so prickeln tut wie bei uns zu Haus, einer freit sich all, wenn einer ihr wiedersieht. Und ich frei mir auch, wenn Sie sich freien, aber am dollsten frei ich mir, wenn Se sich e bissche in Ihre Verwandtschaft und Bekanntschaft umkicken, wer unsre „Ostpreußenwarte noch nich hält und noch nich kennt. Schreiben Se man aller auf und schicken Se de Adressen am Verlag wo ihnen denn e bissche buggern will. Es giebt auch Preise dafier. Also man ran, auf dass unsre Gemeinde immer greeßer wird. So verbleibe ich bis August mit viele liebe Grieße

Ihr alter Landbriefträger z. A. Ernst Trostmann

 

Seite 15   Achtung Russland-Heimkehrer.

Gesucht wird Hauptfeldwebel Aloysius Eberth, geboren am 11.03.1914 in Bischofsburg/Ostpreußen, Feldpost-Nr. 037 42 (Panzerjägerregt.), vermisst seit Stalingrad im Januar 1943. Nachricht erbittet Konrad Grundwald, Ludwigsburg-Oßweil, Hermann-Löns-Straße 7.

 

Diese Listen sind bereits im Rundfunk verlesen worden. Es kann daher in Einzelfällen vorkommen, dass eine hier aufgeführte Heimkehrernachricht den Angehörigen vom Suchdienst schon bekanntgegeben wurde. Wenn Angehörige der Vermissten in den hier aufgeführten Listen in jüngerer Zeit bereits vom Suchdienst eine Heimkehrernachricht erhielten, so ist daher eine neuerliche Anfrage unnötig, da es sich um dieselbe Nachricht handelt.

 

Seite 15   Charta der Heimatvertriebenen - Grundlage der politischen Ausrichtung.

Nürnberg. Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Kreisverband Nürnberg, fasste auf ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Juni in Anwesenheit von Vertretern des VdL und der in Nürnberg wirkenden Landsmannschaften die nachstehende, vollinhaltlich wiedergegebene Entschließung.

 

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Kreisverband Nürnberg e. V., sieht ihre besondere Aufgabe darin, den Blick weiter Bevölkerungskreise auf die deutschen Ostgebiete zu lenken und das Verständnis für die Notwendigkeit einer friedlichen Rückgliederung dieser Gebiete zu wecken.

 

Die Wiedervereinigung der Bundesrepublik mit der Sowjetzone sieht die Landsmannschaft als eine notwendige Voraussetzung an. Sie hält vorerst eine Aktivierung der westdeutschen Politik in der Frage dieser Wiedervereinigung für das Gebot der Stunde. Das Bestreben, die deutsche Öffentlichkeit für dieses Vorgehen zu gewinnen, wird die Landsmannschaft voll unterstützen.

 

In einer Alternativlösung in dem Sinne, dass als Preis für diese Wiedervereinigung auf die deutschen Ostgebiete verzichtet werden soll, sieht sie einen Verrat an dem Schicksal von Millionen von Heimatvertriebenen und darüber hinaus eine volle Rechtfertigung der sowjethörigen Handlungsweise des Sowjetzonenregimes in der Frage der Oder-Neiße-Linie. Sie vermisst in Äußerungen dieser Art, soweit sie von deutscher Seite stammen, jedes gesunde nationale Empfinden, ohne das ein deutscher Staat in der Mitte Europas auf die Dauer weder Freiheit noch Unabhängigkeit bewahren oder auch nur erlangen kann. In entsprechenden Äußerungen von alliierter Seite sieht sie eine ausgesprochene Schwäche gegenüber dem imperialen Machtstreben und Ausdehnungsdrang des Sowjetblocks auf Kosten Deutschlands, eine Schwächung der gesamteuropäischen Politik und eine Verschärfung der alliierten Übereinkommen von Jalta und Potsdam zuungunsten Deutschlands.

 

Die Landsmannschaft sieht in der „Charta der Heimatvertriebenen" die für sie verbindliche Grundlage ihrer politischen Ausrichtung. Auch auf der Grundlage des Punktes 2 der Atlantik-Charta, der sich gegen Gebietsveränderungen ohne Befragen der betroffenen Bevölkerung wendet, ferner auf der Grundlage der unanfechtbaren und auch von amerikanischer Seite in jüngster Zeit mehrfach anerkannten völkerrechtlichen Zugehörigkeit der Sowjetzone und der deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie zum deutschen Staatsverband wird die Landsmannschaft zusammen mit allen ostdeutschen Landsmannschaften den Gedanken der Wiedereingliederung dieser Gebiete verstärkt in den Mittelpunkt ihrer landsmannschaftlichen Arbeit stellen.

 

Einen verstärkten, ebenfalls in diesem Sinne ausgerichteten „Ostkunde-Unterricht" in den Schulen, eine verstärkte aufklärende Tätigkeit der verantwortungsbewussten deutschen Presse und auch des Rundfunks hält die Landsmannschaft für unbedingt erforderlich. Sie glaubt, nachdem Bayern — in gleicher Weise, wie es die Ostgebiete waren — heute zum deutschen Grenzland geworden ist, in der Öffentlichkeit und bei den verantwortlichen Stellen für die hier aufgeworfenen Fragen Interesse und offenes Verständnis voraussetzen und erwarten zu können.

 

Da die Landsmannschaft sich keineswegs als wirtschaftlich-sozialen Interessenverband betrachtet und sich auch nicht nur auf die Pflege eines kulturellen Erbes beschränkt, sich vielmehr in die Verantwortung für einen parteilich nicht gebundenen politischen Auftrag gestellt sieht, wird sie die Beteiligung der Öffentlichkeit an ihrer heimatpolitischen Zielsetzung verstärkt anstreben.

 

Seite 15   Das kommt davon.

Wer als Student mit Mut und Kraft

Am Busen vonne Wissenschaft

Dem ganzen Tag de Weisheit suckelt,

Des Abends gern e Tulpche nuckelt,

Was sicher keiner ihm veriebelt.

Der Grips, der dauernd wird gezwiebelt,

Der muss auch gut beleuchtet sein,

Sonst wird er mied und trockent ein.

Drum kluckert, wo Studentchens sind,

Auch reichlich Bierche hintre Bind.

Das is doch klar, und diese Regel

Galt auch in Königsberg am Pregel.

In diese Stadt, der Welt bekannt

Durch Marzepan und Fleck und Schmand,

Konnt'st vor Studentchens kaum noch kicken,

Da schwärmden rum se wie die Micken

Und gossen Maitrank und Machandel

Und große Bierchens hintre Mandel.

Reihum wurd das so durchprobiert,

Und, wenn noch Zeit war, auch studiert.

Da kam der Fritz Parplies aus Krucken,

Dem tat aus eins de Gurgel jucken.

Drum machd er das Befeuchten grindlich,

Erst täglich man, doch später stindlich.

So kam es, dass im ganzen Jahr

Er kaum drei Tage nichtern war.

Nu stand er einmal frieh am Morgen

Am offnen Fenster voller Sorgen,

Dem Zeigefinger inne Gurgel

Und kreideweiß, weil sein Gewurgel,

Wie er sich auch bemieht und stremmt,

Nich gleich dem Dreck nach oben schwemmt.

Da, endlich, hat er es geschafft,

Im hohen Bogen spritzt der Saft

Nach unten, wo Professor Driest

Gerad de Morgenluft genießt.

Er is gemietlich und versehnlich,

Doch das erscheint ihm ungewehnlich,

Dass einer seinem scheenen Hut

Mit stink'gem Dreck bekleckern tut,

Dazu de Schultern und dem Ricken,

Drum tut er schnell nach oben kicken

Und sieht dem Fritz und brascht ihm an,

Wie er bloß sowas machen kann!

„Ja", rülpst der Fritz, und hoch im Bogen

Kommt wieder so e Schwauks geflogen,

„Wie kommen Sie, wie kann das sein,

Bloß hier in meinem Eimer rein?!“ Dr. Alfred Lau

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Deutscher Osten kein politisches Handelsobjekt.

Berlin. Die Delegierten der 15 im Berliner Landesverband zusammengeschlossenen Landsmannschaften wählten am 23. Juni 1956 die Vorsitzenden des BLV für das Geschäftsjahr 1956/1957. Mit Stimmenmehrheit wurde der bisherige Vorsitzende, Dr. Alfred Rojek, wiedergewählt. Dr. Rojek, der seit Gründung des BLV im Jahre 1949 als Vorsitzender den Verband führt, erhielt somit zum achten Male das Vertrauen der Vertriebenen in Berlin.

 

Zum zweiten Vorsitzenden wurde der Baltendeutsche Baron v. Oelsen gewählt. Seine Wahl wird als günstig angesehen, da er Vertreter einer kleinen Landsmannschaft ist. Baron v. Oelsen, der seit Jahren die Interessen der heimatvertriebenen Landwirte in Berlin wahrnimmt, ist zweiter Vorsitzender der Baltendeutschen Landsmannschaft in Berlin.

 

Dr. Rojek hob in seinem Rechenschaftsbericht die heimatpolitische Tätigkeit besonders hervor und sagte: „Die Heimatvertriebenen in Berlin sind aus ihrer Isolation herausgetreten und werden auch in der Zukunft bemüht bleiben, die Fragen des deutschen Ostens in die Reihen der einheimischen Bevölkerung zu tragen“.

 

Sein Bedauern drückt Dr. Rojek darüber aus, dass die Forderung Berlins an die beiden großen Vertriebenenverbände im Bundesgebiet (VdL und BVD) nach Schaffung eines Einheitsverbandes bisher nicht den von den Berliner Vertriebenen gewünschten Erfolg zeigte. Er bezeichnete die Bemühung der Bundesregierung um die Eingliederung der Vertriebenen als unzureichend und betonte, dass ein Einheitsverband der Vertriebenen diese Fragen mit starkem Nachdruck hätte wahrnehmen können.

 

Im Gegensatz zu den vorjährigen Delegiertentagungen standen diesmal in der Diskussion die heimatpolitischen Fragen im Vordergrund. Aus fast allen Diskussionsbeiträgen zum Tätigkeitsbericht war die Forderung nach einer gut fundierten heimatpolitischen Konzeption des Verbandes herauszuhören.

 

Die Delegierten wandten sich in einer Entschließung gegen die jüngsten Äußerungen in- und ausländischer Politiker zur Oder-Neiße-Linie. Es heißt unter anderem:

 

„Mit Empörung vernahmen wir Heimtvertriebenen die jüngsten Äußerungen in- und ausländischer Politiker zur Oder-Neiße-Llnie.

 

Die Sorge um unsere Heimat lässt uns fragen: Wie lange noch soll Unrecht über Recht triumphieren?

 

Allen, die mit dem Gedanken spielen sollten, den deutschen Osten zu einem politischen Handelsobjekt zu machen, sei gesagt: Wir Vertriebenen wissen uns eins mit allen rechtlich denkenden Menschen in aller Welt. Wir sind mit ihnen der Überzeugung, dass Europa und die Welt nicht eher Frieden finden werden, bis auch dem deutschen Volke das Recht auf Selbstbestimmung und damit den deutschen Vertriebenen das Recht auf die Heimat gewährt wird“.

 

Außerdem stellte sich die Versammlung einstimmig hinter eine Entschließung des Landesverbandes Schleswig-Holstein vom 16. Juni 1956, in welcher dieser die Schaffung eines Einheitsverbandes der Vertriebenen fordert. Der BLV legt nach wie vor Wert darauf, dass der Einheitsverband baldmöglichst Wirklichkeit wird.

 

Bayern

Hof/Saale. Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen brachte in ihrer April-Monatsversammlung einen Masurenabend. Die gut besuchte Veranstaltung wurde eingeführt vom l. Vorsitzenden Stud.-Rat Paul Bergner.

 

Zu Beginn der Versammlung wies Lm. Bergner auf eine anlässlich der Bundesversammlung in Hannover gefasste Resolution hin, wonach keinesfalls Westpreußen abgeschrieben werden dürfe. Auf die außenpolitischen Ereignisse eingehend, lehnte er eine Sicherung des europäischen Friedens auf Kosten einer Teilung Deutschlands ab.

 

In ca. 80 Lichtbildern wurden sodann sehr gute Aufnahmen gezeigt von Lyck, Allenstein und Lötzen usw., sowie von Erzeugnissen der bekannten Teppichknüpfereien und Volkskunstarbeiten, die ein eindrucksvolles Bild der ostpreußischen Heimat erstehen ließen. Ergreifend auch die einsamen Soldatengräber der Weltkriege.

 

Erna Parczanny bereicherte den Heimatabend mit Vorträgen von humorvollen masurischen Geschichten.

 

Zum Schluss der Veranstaltung wurde noch auf die z. Zt. laufende Ausstellung „Der Deutsche Osten" hingewiesen.

 

Nordrhein-Westfalen

Hagen. Unter dem Motto „Reichssender Königsberg" stand die letzte Zusammenkunft der Landsmannschaft Ostpreußen im überfüllten Saale des „Westfalenhofes". Mit dem von Kulturwart Hanke zusammengestellten Programm wurden den Anwesenden ein paar frohe und unvergessliche Stunden bereitet. Großen Anteil an dem guten Gelingen des Abends hatte Kapellmeister Rautenberg mit seinen Solisten. Die Sendefolge stellte sowohl die Freunde des Humors als auch der Musik zufrieden, vor allem seien die humoristischen Sendungen „für die Frau" und „für den Bauern" hervorgehoben, die von Frau Kuhnke und Landsmann Hanke bestritten wurden. Im musikalischen Teil fanden neben der schon genannten Kapelle vor allem die Darbietungen von Frau Schweizer (Sopran) reichen Beifall bei den Zuhörern.

 

Die zahlreichen Landsleute und Gäste begrüßte der Vorsitzende Ewert und konnte die Versicherung abgeben, dass sich die Pr. Holländer bei ihrem Kreistreffen in Hagen sehr wohlgefühlt haben. In seinen weiteren Ausführungen legte er schärfsten Protest gegen die Äußerungen Brentanos ein, in der Entscheidung über die Frage der deutschen Ostgebiete seien allein die Heimatvertriebenen selbst zuständig.

 

Lübbecke (Westf). Die letzte Tagung der Ostpreußischen Landsmannschaft wurde gemeinsam mit den Schlesiern durchgeführt. Ein schlesischer Spätheimkehrer sprach über die Zeit seiner Gefangenschaft in Russland und gab darüber hinaus ein Bild dieses weiten Landes und seiner Menschen. Aus eigener Erfahrung konnte er ebenfalls ein anschauliches Bild über das heutige Mitteldeutschland entwerfen, den Zwang, unter dem unsere Brüder leben müssen, die Ablehnung des herrschenden Systems und das Schweigen, zu dem sie verurteilt sind. Im Anschluss nahm der Vorsitzende der Ostpreußischen Landsmannschaft, Rektor a. D. Hardt, das Wort und kritisierte scharf die Auffassungen maßgebender deutscher Politiker in der Frage der deutschen Ostgebiete und der Wiedervereinigung und sprach ihnen jedes Recht ab, über unsere Heimat ohne uns zu verfügen.

 

Nordostdeutsche Kulturtage.

Lüneburg. Das Nordostdeutsche Kulturwerk e. V. führte vom 8. bis 10. Juni in Lüneburg die Nordostdeutschen Kulturtage durch. Neben Vorträgen von Professor Dr. Max Hildebrandt Boehm und Professor Dr. Erich Keyser kam weitgehend die Praxis des nordostdeutschen Kulturschaffens mit Musik, Dichtung, Darstellender und bildender Kunst zur Geltung. So gab Professor Hans Erich Riebensahm, der früher in Königsberg wirkte, einen Klavierabend mit Werken von Mozart, Beethoven, Chopin und dem Ostpreußen Otto Besch, dessen Schaffen wir bereits in unserer Juni-Ausgabe würdigten. Das Konzert war gut besucht, und dem Pianisten wurde mit überaus herzlichem Beifall gedankt.

 

Am folgenden Abend spielte die Bühne „Der Morgenstern" unter der Leitung von Dr. Netolitzky „Das Paradeisspiel aus Oberufer". Es handelt sich hierbei um ein Mysterienspiel aus dem 15. bis 16. Jahrhundert, das teilweise, zumindest in Überarbeitung vorhandener Texte, Hans Sachs zugeschrieben wird. Die Handlung bewegt sich um Weltschöpfung und Sündenfall und wurde durch Sprechgesang und Gebärde, bei fast starrer Mimik, in unvergleichlicher Schlichtheit dem Zuschauer vermittelt. Soweit es ging, traten die Darsteller selbst zurück, um den biblischen Inhalt überzeugend wirken zu lassen. Zur Einführung spielte Walter Schütz auf der Orgel die Ciacona in D von Pacheibel.

 

Dass das ostdeutsche Schaffen jetzt und aller vergangenen Zeiten nicht nur ein Anliegen der ostdeutschen Künstler ist, ging klar aus dem Vortrag von Professor Dr. Max Hildebert Boehm, hervor, der über die „Ostdeutsche Kulturarbeit im Vorfeld der Politik" sprach. Es sei ein Irrtum, so sagte er, diese Kulturarbeit als unpolitisch abgrenzen zu wollen, weil das Politische ja in alle Poren des Lebens eindringe. Die Kulturarbeit müsse ungestört im Vorfelde der Politik bleiben, um die stammliche Differenzierung der Kulturarbeit über die Zielsetzung der landsmannschaftlichen Gruppen hinaus vor einer Aushöhlung oder gar Verwischung zu bewahren, um die Volkstumssubstanz und Traditionsfestigkeit bei allen unverkennbaren Schwierigkeiten dennoch an die junge Generation weitergeben zu können. Die ostdeutsche Kulturarbeit dürfe sich der Politik nicht unterwerfen, die Politik könne höchstens beratend oder anregend eingreifen.

 

Niedersachsen

Hannover. Schon heute möchten wir alle Heimatfreunde auf unsere nächste Veranstaltung aufmerksam machen, die am Sonnabend, den 25.08., 20 Uhr im „Haus der Jugend", Maschstraße (Kleiner Saal), stattfindet. Der Abend ist der kürzlich verstorbenen ostpreußischen Dichterin Erminia von Olfers-Batocki gewidmet. Aus dem Werk der Dichterin liest deren Tochter Frau Hedwig von Lölhöffel. Wir bitten, auch Gäste mitzubringen. Mit Rücksicht auf die Urlaubs- und Reisezeit sehen wir im Juli von Veranstaltungen ab.

 

Seesen a. Harz. Im Mittelpunkt des heimatpolitischen Abends am 7. Juli wird ein Vortrag von Reg. Rat Augustin über „Das Ringen um Entspannung und Wiedervereinigung" stehen. Der zweite Teil des Heimatabends wird der Vorbereitung einer Quiz-Veranstaltung dienen, die für den Herbst in Aussicht genommen ist.

 

Osnabrück. Aus allen Teilen der Bundesrepublik kamen Allensteiner zum Patenfest in Osnabrück zusammen. Der Landkreis Osnabrück hat im vergangenen Jahr die Patenschaft über Stadt- und Landkreis Allenstein übernommen und bekräftigte die Verbundenheit mit den Ostpreußen nun in der prächtig geschmückten Festhalle Risch. Die Patenschaft, sagte Landrat Giesker in der Begrüßung, sei eine Zeit der Vorbereitung auf die Rückkehr in die angestammte Heimat. Der frühere Landrat des Kreises Allenstein, Graf von Brühl, Lüdinghausen, dankte mit warmen Worten den Männern, die das Band der Patenschaft geknüpft haben, und wies auf die Ähnlichkeit der Charaktere der Menschen aus Osnabrück und aus Allenstein hin. Das Zeichen Ostpreußens, ein Kreuz, sei das beste Symbol für den Glauben und die Kraft, die für eine glückliche Heimkehr notwendig sind. Egbert Otto, der aus Rosenau stammt und jetzt Vorsitzender des Kreisausschusses Celle ist, erinnerte seine Landsleute an die Geschichte Allensteins und sprach von dem Tag, an dem einst die Kinder ihre Eltern fragen werde, was sie getan haben, um die Heimat wiederzugewinnen. Mit Ostpreußen, sagte Egbert Otto, müsse auch das Deutsche Reich wiederkommen, dessen Hauptstadt Berlin sei.

 

Winsen/Luhe. Das erste Juniwochenende sah in Winsen/Luhe 1500 Ostpreußen aus Schloßberg, die zu ihrem Heimattreffen in der Patenstadt zusammengekommen waren. Ein vielseitiges Programm ließ Erinnerungen an den Heimatkreis wach werden, beleuchtete die jetzige Lage und vertiefte mit ernsten und heiteren Darbietungen bei Alt und Jung das Gefühl der Verpflichtung der Heimat gegenüber. Schloßberg gleicht heute einem einzigen großen Trümmerhaufen, und die umgebende Landschaft ist versteppt und versumpft; die Lichtbilder die während des Treffens gezeigt wurden, besitzen schon dokumentarischen Wert. Das Mitglied des Bundesvorstandes, Naujok, erinnerte daran, dass es auch in den ersten Nachkriegsjahren unter den Einheimischen schon Menschen gegeben habe, die sich von einem Lastenausgleich der Seelen leiten ließen. Er dankte auch der Jugend, die schnell eine Brücke zwischen Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen geschlagen habe.

 

Göttingen. Die Röcke der Mädchen und die bunten Bänder, die sich die Burschen um die Hüften geschlungen hatten, flogen mit Schwung, als junge Litauer ihre seit Jahrhunderten überlieferten Volkstänze vor der Göttinger Landsmannschaft der Ostpreußen tanzten. Sie waren als Gäste des ostpreußischen Familientreffens geladen, um den Dank der Ostpreußen für alle nachbarschaftliche Hilfe entgegenzunehmen. Der Vorsitzende der Göttinger Landsmannschaft, Landwirtschaftsrat Woelke, sprach von der zweitältesten Grenze in Europa zwischen Ostpreußen und Litauen, die durch kein Gebirge und keinen reißenden Strom das Zusammenkommen der Völker hindert. Im Gegenteil, bei Feuersnot war oft die Hilfe von jenseits schneller da und der besondere Dank gebührt den Litauern dafür, dass sie viele Ostpreußen aufnahmen, die zu ihnen über die Grenze flüchteten, als die Russen kamen. Die jungen Litauer, die den Dank für ihr Volk entgegennahmen, besuchen das litauische Gymnasium, das die 8000 Litauer in Westdeutschland mit Hilfe ihrer in Amerika lebenden Landsleute im Schloss Rennhof bei Mannheim unterhalten. 160 Schüler werden dort unter Leitung des Direktors Literskis, der mit nach Göttingen gekommen war, unterrichtet, vornehmlich um ihre Muttersprache und ihr Volkstum zu erhalten.

 

Soltau. Die Landsmannschaft Westpreußen hatte auf ihrer letzten Mitgliederversammlung Otto Pertz zu Gast. Er berichtete über seine Vortragsreisen durch verschiedene europäische Länder, in denen er über die Wiedervereinigung sprach. Die Juliversammlung muss in diesem Jahre wegen der Gemeinschaftsfahrt zum Bundestreffen nach Hannover ausfallen. Es werden zwei Busse in Soltau eingesetzt. Abfahrt am Sonntag, dem 8. Juli, 6 Uhr, Café Müller. Einer der Busse fährt über Harber und hält am Gasthaus Weber um 6.15 Uhr. Teilnahmemeldungen müssen umgehend an Kassenwart Meyer erfolgen. Die nächste Versammlung der Westpreußen findet am 8. August im Gasthaus „Im Hagen" statt.

 

Hessen

Bad Soden-Salmünster. Die Hauptversammlung der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen fand lm Gasthaus Jehn statt. Lm. Francke berichtete über die Arbeit der Landsmannschaft im zurückliegenden Jahr. Als Vorsitzender und Stellvertreter wurden die Landsleute Bankvorstand a. D. Franz Francke (Hauptstraße 18) und Lehrer i. R. Hermann Neudenberger (Linnenacker 1) wiedergewählt.

 

Seite 15   Treffen des Akademischen Fliegerrings

Der Akademische Fliegerring (Akaflieg), gegründet am 28. Oktober 1924 als Verbandszusammenschluss der an den Hochschulen in Berlin, Königsberg (Pr.), Halle, Breslau, Heidelberg, Würzburg und Graz angeschlagenen Akademischen Fliegerschaften, veranstaltet vom 4. bis 6. Juli 1956 in Köln/Rh. (Nordhotel, Riehler Straße 2, am Ebertplatz) ein Treffen aller Angehörigen sowie Freunde des Verbandes.

 

Auskunft über die Veranstaltungsfolge sowie etwaige Quartierwünsche sind zu richten an Rechtsanwalt Czygan, Köln/Rh., Hansaring 71/II, Tel. 57180.

 

Seite 15   Aufruf der Bundesregierung zur Gesamterhebung.

Die Bundesregierung hat nunmehr in einem Aufruf bekanntgegeben, dass sie die Gesamterhebung der deutschen Bevölkerungsverluste in den Vertreibungsgebieten durchführen werde. Diese Erhebung soll nach ihrem Abschluss das Maß und den Umfang der Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung feststellen, das Schicksal und den Verbleib der deutschen Bevölkerung der Vertreibungsgebiete klären und die Voraussetzungen für Hilfsmaßnahmen zugunsten der noch unter fremder Verwaltung oder in fremden Gewahrsam lebenden Deutschen schaffen. Die Bundesregierung bittet, die Fragen schnell und sorgfältig zu beantworten.

 

Seite 16   Todesanzeige

Unsere liebe Turnschwester Margarete Sierke die Mitbegründerin unserer Frauenabteilung ist nach jahrelangem, geduldig ertragenem Leiden am 25. Mai 1956 im 74. Lebensjahr verstorben. in Liebe und Treue zur Jugend hat sie jahrzehntelang aktiv und in Verwaltungsämtern des Vereins gewissenhaft und allzeit einsatzbereit gewirkt und geschafft. In Liebe und Verehrung wird ihr Andenken bei uns immerdar fortleben. Königsberger Männerturnverein von 1842

 

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