Ostpreußen-Warte, Folge 05 vom Mai 1955

Ostpreußen-Warte

Folge 05 vom Mai 1955

 

Seite 1   Foto: Ostpreußischer Bauer auf heimatlicher Scholle. Aufnahme: Fr. Wiemers.

 

 

Seite 1   Im Spannungsfeld der Mächte. Von Prof. Dr. Wilhelm Starlinger.

Die nachstehenden Ausführungen, die im Zeichen der jüngsten Entwicklungen im asiatischen Raum und insbesondere der in den letzten Tagen deutlich gewordenen Verhandlungsbereitschaft zwischen Rotchina, den USA und der Sowjetunion als höchst aktuell anzusprechen sind, wurden, worauf wir unsere Leser besonders hinweisen möchten, erstaunlicherweise bereits im Herbst 1954 niedergeschrieben. Sie sind ein Abschnitt aus dem Ende des vorigen Jahres veröffentlichten Buch des einstigen Königsberger Universitätsprofessors Dr. Starlinger „Grenzen der Sowjetmacht“ (erschienen im Holzner-Verlag, Würzburg), über das wir unsere Leser auch schon in einer ausführlichen Würdigung (in Nr. 4/55) unterrichtet haben. Inzwischen hat sich nicht nur Bundeskanzler Dr. Adenauer in Äußerungen über das Kräftespiel zwischen Moskau und Peking mehrfach auf die von Prof. Dr. Starlinger in der Sowjetunion selbst gewonnenen Erkenntnisse bezogen, sondern auch bei anderen deutschen wie ausländischen Politikern gilt Starlingers Buch heute als eine der fundiertesten und weitblickendsten Analysen der Entwicklungstendenzen im weltpolitischen Ringen um eine Entspannung zwischen Ost und West.

 

Amerika wird früher oder später, vielleicht früher, als viele denken, mit China akkordieren, also Tschiang und Formosa aufgeben, es muss auch Südkorea und Indochina neutralisieren, d. h. früher oder später der chinesischen Integration überlassen. Als Gegenwert erhielte es eine Ablösung Chinas von Russland in beschleunigtem Tempo und zuletzt den Wiederanschluss an den potentiell größten Konsumraum der Welt. Im Westen aber bekäme Amerika, mit ihm Europa und nicht zuletzt Deutschland den zunehmenden Wunsch der Sowjets nach greifbarer Rückendeckung zu spüren, dessen Realisierung nach Abgabe der Pfänder zu erörtern wäre.

 

Wenn sich Amerika entschließt, im pazifischen Raum nicht zu kämpfen, sondern zwecks seiner Erhaltung lieber mit China zu akkordieren, wird es noch weniger kämpfen, um im Rahmen einer überholten Kreuzzugsidee die Sowjetunion militärisch zu zerschlagen — um am Ende eines selbst siegreichen und nicht allzu opfervollen Waffenganges vor der gleichen Problematik zu stehen, die es in Russland ebenso wenig wie in China anders als durch Veraschung und Ausrottung lösen könnte. Darum wird Amerika auch gegen die Sowjetunion nur kämpfen, wenn es selbst von dieser angegriffen wird, es wird auch mit Russland ebenso wie mit China früher oder später einen Weg zur echten Verständigung suchen. Es wird dieses schon aus dem Grunde tun müssen, um Russlands Stellung gegenüber China zu festigen. Dieses scheint paradox. Aber es ist klar, dass Amerika, ebenso wenig, wie es auf die Dauer dulden darf, dass Russland China überschattet, auch nicht wünschen kann, dass Chinas Macht sich vor Asiens Norden erhebt und zuletzt Russland in seine Gefolgschaft zwingt.

 

Es könnte also in absehbarer Zeit bereits dahin kommen, dass sich zwischen den drei Riesenmächten, die sich als allein entscheidende Weltmächte allzu bald herausstellen werden (wobei das Commonwealth seiner Natur wie Struktur nach nur in der Einheit mit Amerika gesehen werden kann), ein gewisses Gleichgewichtssystem, ein neues Konzert der Mächte herausbildet, innerhalb dessen jede Macht versuchen wird, sich gleichzeitig bei beiden andern rückzuversichern. Gerade deshalb müsste dann die Position der Sowjetunion innerhalb dieses Gleichgewichtes die schwächste sein, und diese bleibende Schwäche würde Deutschlands und Europas größte Chance bilden.

 

Die ersten Folgen solcher Auswirkung müssten sich bald nach einem Akkord zwischen Amerika und China zeigen. Wie groß dann Deutschlands Aussichten auf Erfüllung seiner Lebenswünsche sein werden, muss von zwei Voraussetzungen abhängig erscheinen:

 

1. von der eigenen Bündnisfähigkeit und damit dem Bündniswert für den Partner,

 

2. von der absoluten eigenen Bündnistreue gegenüber diesem Partner — Amerika allein! Nur wenn dann dieses Amerika als stärkste und nicht auf uns allein angewiesene Macht der Welt überzeugt ist, dass unsere Bündnistreue unbedingt (wenn auch nicht bedingungslos) ist, nur wenn Russland diese Allianz als unbrechbar und endgültig ansieht — nur dann wird Amerika unsere Grundforderungen gegenüber Russland zu seinen eigenen machen können und wird Russland diese akzeptieren.

 

Bis dahin aber wird Russland sein militärisches Vorgelände mit allen Mitteln zu halten suchen, nicht mehr als Ausfallbasis gegenüber Deutschland und Europa, sondern zunächst als Verteidigungsbasis und später als Pfänderschatz! Erst wenn die echte Verständigung von beiden Seiten, Amerikas wie Russlands, gesucht und angestrebt wird, erst dann kann und wird Russland seine Pfänder geben, Stück für Stück, so langsam als nötig und so teuer als möglich. Denn Russland gibt nur, wenn es muss (wie jedes andere Land schließlich auch), und es ist im Fordern wie Nachgeben hartnäckiger als jedes andere Land, weil das Misstrauen gegen jedes wie alles zu seiner zweiten Natur geworden ist. Jetzt und sofort mit Russland zu sprechen, solange es den Rücken gegenüber China noch frei hat, ist ohne Sinn und Zweck. Zu erwarten, irgendeine Teillösung jenseits der Elbe oder gar der Oder erreichen zu können, solange nicht der Akkord über den Pazifik hinweg zustande gekommen ist, scheint hoffnungslos. Wenn dies aber geschehen ist und der abgezeichnete Entwicklungsgang begonnen hat, dann ist die Zeit reif dafür, dass Amerika zusammen mit uns (und Europa) gegenüber Russland ernsthaft zu sprechen beginnt. Und es wird dann nicht nur über die heutige sowjetische Zone in Mitteldeutschland, sondern auch über die Lösung der deutschen Ostfragen sprechen können und Antwort erhalten.

 

Es wird sich dann auch zeigen, dass die heutigen Machthaber Mitteldeutschlands über Nacht in einer Ecke des Moskauer Apparates abgestellt werden können, um abzuwarten, ob man sie noch einmal braucht, ebenso wie sie früher viele Jahre in bescheidenen Stübchen des Kominformbüros ein kaum beachtetes Dasein fristeten, solange für Moskau noch die geringste Aussicht bestand, mit dem kämpfenden Deutschland zu einer tragbaren Einigung zu kommen. Würde Deutschland jetzt allein, ohne Amerika oder gegen seinen Willen, zur Verhandlung mit Russland antreten, solange dieses im Fernen Osten noch seiner sicher ist und eine eigene deutsche Machtbasis noch nicht besteht, könnte es die sowjetische „Partnerschaft“ nur in Form der eigenen Unterwerfung erhalten und müsste gleichzeitig das Vertrauen wie die Unterstützung Amerikas für immer verlieren. Das aber bedeutet für ein Land, welches nur von der Einfuhrmöglichkeit seiner unzureichenden Rohstoffe und der Ausfuhrfähigkeit seiner Wertarbeit leben kann und daher buchstäblich vom guten Willen der großen Seemächte abhängig bleibt, den Wirtschaftstod mit nacktem Hunger in jeder Form, das Verspielen allen politischen Eigenwerts für weite Zukunft, zuletzt den Aufstand der verelendeten Massen und ein Ende im Chaos.

 

Die unbedingte (wenn auch nicht bedingungslose) Bündnistreue gegenüber Amerika muss das Grundgesetz der deutschen Politik sein und bleiben. An diesem Grundgesetz müssen sich alle übrigen Planungen der deutschen Außenpolitik orientieren. Entscheidend ist für keine dieser Fragen, wie groß die eigene militärische Kraft zunächst bemessen werden soll, sondern nur, in welchem Maße diese als potentieller Bündnisfaktor von Amerika geschätzt und von Russland gefürchtet wird. Die deutsche Stärke wird also nicht nur eine Frage der möglichen Divisionen, sondern vor allem eine Frage der Herzen und ihrer Härte sein. Solange die Aufstellung einer eigenen Waffenmacht nicht allein von der Außenpolitik, sondern auch von der Innenpolitik abhängt, solange in der Erwägung auch des einzelnen nicht Deutschland an erster Stelle, sondern eine Partei steht, solange allerdings wird unsere Bündnisfähigkeit weder im Westen noch im Osten hoch bewertet werden. Denn durch tausendfache Geschichte ist als Gesetz erhärtet, dass die Stärke und Formkraft einer Nation und ihrer Zukunft allein daran zu messen ist, ob in der Führung die äußere oder die innere Politik den Vorrang einnimmt.

 

Und niemand sollte sich im Unklaren darüber sein, dass nirgendwo dieses Maß als Maß der Bewertung Deutschlands und seiner künftigen Stellung in der Welt schärfer gesehen und strenger angelegt wird als in Russland. Jede innerpolitische Störung, vor allem aber jedes Schielen nach Osten wird nur als Zeichen der Schwäche angesehen, welches den (an sich als unvermeidlich angesehen) Wiedereintritt Deutschlands in die politische Geschichte der Welt verzögern kann und daher mit allen Mitteln unterstützt werden muss. Russland weiß, dass einmal der Tag kommen wird, wo es mit dem wirklichen Deutschland und seiner verantwortlichen Führung über die kommende gemeinsame Zukunft sprechen und auch zur Verständigung kommen muss, aber es will diesen Tag solange als möglich hinausschieben — und man wird dieses verstehen können. Denn Russland fühlt heute schon, dass genauso wie China im Osten, wieder einmal Deutschland im Westen sein nächster Nachbar sein wird, und es hat erfahren, dass es Deutschland auf die Dauer niemals integrieren kann, genau so wenig wie China, auch dann nicht, wenn ihm vorübergehend eine auf militärischer Macht beruhende Sowjetisierung selbst Gesamtdeutschlands gelungen wäre oder wider Erwarten noch gelingen würde. Ebenso wie Russland alles getan hat und weiter tun wird, um die Auferstehung Deutschlands so lange als möglich hinauszuschieben, ebenso wird es mit einem in sich gefestigten Deutschland einmal akkordieren, wenn es endgültig überzeugt ist, dass diese Festigung nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Dieser Akkord aber kann nur vereinbart werden zwischen den verantwortlichen Trägern der Macht. Nur mit einem deutschen Kanzler wird einmal Russland ein echtes Gespräch führen. Und wenn es diesen Kanzler heute noch mit allem Hass der öffentlichen Deklamation verfolgt, morgen schon kann das Gegenteil eingetreten sein, wenn die Zeit zur Verhandlung und Vereinbarung reif geworden ist. Ein totales System geht immer auf das Ganze, es treibt immer Strategie und benützt Taktik nur zur Erkundung und Maskierung. Darum wird jeder deutsche Privatmann, jede deutsche Delegation, solange sie nicht im Auftrag der deutschen Staatsführung abgesandt werden, nur gegen die eigene Staatsführung wirken können, ob sie es wollen oder nicht. Russland wird sie aushören, abtasten, wenn möglich erpressen mit jedem geeigneten Mittel. Russland wird sie zwar nie als wirkliche Abgesandte Deutschlands ernst nehmen, aber es wird sie loben und preisen, wird ihnen auch vielleicht einmal einen kleinen Wunsch erfüllen, damit sie damit groß tun können. Und es wird mit einem ernsten Gespräch noch länger zurückhalten, eben weil es unernste und billige führen kann.

 

Seite 2   Österreich als Modellfall?

Über acht Jahre ließ Moskau Wien warten und nicht weniger als 260 Mal hat es zum österreichischen Staatsvertrag in dieser Zeit njet gesagt. Jetzt zog der Kreml sein Veto um den Preis der absoluten Neutralität zurück. Österreich ist dem Ziel nahe gerückt, das es seit zehn Jahren unbeirrbar verfolgte. Allein auf dem Wege der Verhandlungen, worin es schon zur habsburgischen Zeit Meister war, wurde es erreicht. Bella gerand allii . . . „Mögen andere Krieg führen, du, glückliches Österreich, heirate“, in die Gegenwart übertragen: „Mögen andere Pakte abschließen, du, glückliches Österreich, bleibe neutral!“ Warum sollte, was Österreich recht ist, Deutschland nicht billig sein …? Sollte sich nicht auch auf dem Verhandlungswege das deutsche Problem seiner baldigen Lösung entgegenführen lassen? Ist Wien nicht Präzedenzfall und Vorbild zugleich?

 

Gewiss sind solche Fragen berechtigt — und doch sind sie abwegig. Die Unterschiede zwischen der deutschen und der österreichischen Lage sind zu augenfällig, dass man sich beinahe scheut, sie vorzukauen. Deutschland hat 50 plus 18 Millionen Einwohner in zwei verschiedenen Staatswesen — Österreich besitzt 7 Millionen. Deutschland ist in zwei Staaten gespalten, die in ihren politischen Wollen und Zielen sich diametral gegenüberstehen — Österreich ein Staat mit einem klaren politischen Kurs. Deutschland ist mit den materiellen und moralischen Hypotheken des zweiten Weltkrieges schwer belastet — Österreich ein Land, das seit 1943 auf der Befreiungsliste der Siegennächte steht. Hier das gewaltige Potential eines geteilten großen Landes, dessen Zweiteilung das politische Kernproblem Europas bildet — dort ein kleines Land, dessen Potential zu gering ist, um entscheidend ins Gewicht zu fallen. Deutschland, zum großen Teil in die europäische Tiefebene gebettet, die sich ohne nennenswerte Geländehindernisse bis tief in den russischen Raum hinzieht — Österreich, bei der heutigen Großraumstrategie ein Land ohne besondere militärische Bedeutung. In Wien eine zielklare gemeinsame Außenpolitik — in Bonn die Gegensätze zwischen Regierungsmehrheit und Opposition, durch die die Position der deutschen Außenpolitik geschwächt wird. Und Österreich besitzt — und das dürfte wohl der wichtigste Unterschied der poetischen Situation sein — keine Gebiete, die jenseits der Oder-Neiße-Linie liegen.

 

Schon diese wenigen Parallelen dürften zeigen, dass Österreich nicht Deutschland ist. Die Neutralität, die Wien jetzt abverlangt wird, kann sich nur ein kleines politisches Randgebiet leisten. Ein neutrales Deutschland aber wäre gegenüber dem Osten wehrlos. Kein Land außer der USA oder der UdSSR kann heute noch eine auf sich gestellte Verteidigung erreichen, schon gar nicht Deutschland, dessen angebliche Neutralität dem ständigen Eingriff und der unablässigen Kontrolle der Sowjetunion ausgesetzt sein müsste. Es gibt keine Gemeinsamkeiten für die Begründung einer gesamtdeutschen Neutralität.

 

Mit dem kleinen Österreich hat Moskau die zehn Nachkriegsjahre hindurch nur immer am Rande Politik gemacht. So ist die späte Zuerkennung eines längst schon bestehenden Rechts an Wien, ein taktischer Schachzug, der nicht dem kleinen Österreich zugutekommen, sondern auf die europäische Politik wirken soll, also ein Köder, dem man dem deutschen Volk hinhält. Prompt schnappte auch die deutsche Opposition danach und der SPD-Pressechef Fritz Heine forderte die sofortige Lösung der deutschen Frage nach Wiener Muster. Doch — was die deutsche Öffentlichkeit meist nicht erfuhr — die österreichischen Sozialisten belehren ihre irrenden deutschen Genossen, indem sie feststellten, „dass die Verhandlungen im Falle Österreich ein so günstiges Ergebnis gebracht haben, weil und seitdem die Ratifizierung der Pariser Verträge eine vollzogene Tatsache ist“.

 

Grundfalsch wäre es jedoch, in Österreich ein Glückskind der Geschichte zu erblicken, dem der Erfolg mühelos in den Schoß fiel. Es war ein mühevoller Leidensweg von Konferenz zu Konferenz, mühevoll und enttäuschend. Wie oft stand dabei der österreichische Staatsvertrag vor dem Abschluss und wurde dann durch den sowjetischen Außenminister oder seinem Stellvertreter zum Scheitern gebracht. Mit Ausdauer, Zähigkeit und Klugheit ging die Wiener Regierung diesen Weg und mit der gleichen Entschlossenheit widersetzte sie sich mutvoll 1950 einem kommunistischen Putschversuch, bei dem die Sowjets ihren Schützlingen jede Hilfe zuteilwerden ließen. Wenn die konsequente österreichische Politik doch zum Ziel führte, so dankt sie diesen Erfolg vor allem der inneren Einigkeit und Geschlossenheit in außenpolitischen Fragen. Damit konnte die österreichische Regierung als Vertreter des gesamten Volkes gegenüber den Sowjets auftreten. Und in diesem entscheidenden Punkt sollte Wien uns tatsächlich Modell und Vorbild sein. Wir wollen im Interesse Österreichs hoffen, dass der Vertrag bald zur Ausführung gelangt und dass sich keine neuen Schwierigkeiten ergeben.

 

Aber für Deutschland ist das österreichische Beispiel keine Lösung. Wir müssen zusammen mit dem Westen eine andere Möglichkeit finden; möglicherweise im Rahmen einer allgemeinen Abrüstung. Verfehlt aber dürfte es sein, von unserer Seite schon jetzt den äußersten Preis zu nennen, den wir zu zahlen bereit sind. Das hieße, die Karten schon auf den Tisch legen, bevor das Spiel begonnen hat.

 

Bündnisfreiheit und Neutralität sind politische Faktoren, die solange nicht praktizierbar sind, solange einem Teil unseres Volkes die Freiheit vorenthalten wird. Um diese Freiheit in der Sowjetzone zu erwirken, um die Wiedervereinigung zu realisieren, brauchen wir eine feste Verbindung mit dem Westen. Sie hat den Österreichern die Freiheit gebracht. Sie muss auch uns zur Wiedervereinigung führen.

 

 

Seite 2   Verändertes Memelland. Russen beherrschen das Bild der deutschen Stadt.

Das Memelland — vor dem Kriege mit seinen lieblichen Ostseebädern Magnet für viele Erholungsuchende — ist heute in die Sowjetrepublik Litauen eingegliedert. Von 150 000 deutschen Bewohnern, die 1939 hier lebten, dürften heute noch etwa 50 000 in ihrer Heimat wohnen. Viele von ihnen waren noch in den Kriegswirren zurückgekehrt, nachdem sie auf ihren Trecks von russischen Panzern überholten worden waren.

 

Memel ist immer noch zu zwei Dritteln zerstört, vor allem im Mittelpunkt der Stadt, am Rathaus und an der Börse. Die Börsenbrücke, die als Drehbrücke früher den Seedampfern die Fahrt auf der Dange bis an das landeinwärts liegende Industrierevier erlaubte, ist durch eine feste hölzerne Brücke ersetzt worden. Von der Dange-Mündung, die die Stadt in eine nördliche und eine südliche Hälfte teilt, hat der Beschauer kilometerweit einen freien Blick über die zerstörten großen Hafenspeicher und über die in Schutt gelegte Arbeiter- und Fischervorstadt Bommelsvitte, bis zu den Wäldern im Norden. Ein Teil der Industriebetriebe, die an den Rändern der weit ausgedehnten Stadt lagen, stehen heute noch. Sie waren nur wenig beschädigt worden.

 

Die Stadt ist heute in größerem Maße russisch als etwa das litauische Kaunas (Kowno) oder Schaulen. Die Zahl der Litauer ist kleiner als die der Russen, die die entscheidenden Stellen fast ausnahmslos innehaben. Auch die vorherrschende Sprache in Ämtern, Büros und Betrieben ist Russisch. Von den rund 50 000 Deutschen, die hier vor dem Kriege wohnten, leben heute noch etwa tausend in der Stadt. Ihre genaue Zahl ist deshalb nicht festzustellen, weil die statistische Abgrenzung gegenüber den Litauern fließend ist. Memel ist gegenwärtig von sowjetischen Truppen stark belegt. Für die Einheiten reichen die ehemaligen Kasernen bei weitem nicht aus. Ein großes Kontingent ist in dem ehemals idyllischen Badeort Mellneraggen untergebracht.

 

Die Bahnverbindungen von der Stadt sind schlecht; so fährt zum Beispiel nach Kaunus täglich nur ein Zug. Einen Ausflugs- und Badeverkehr, wie das früher charakteristisch war, gibt es in der alten Form nicht mehr. In den Ostseebädern Schwarzort und Nidden auf der Kurischen Nehrung wohnen einige Fischerfamilien; eine Fahrt zu ihnen ist jedoch nur mit einem besonderen Erlaubnisschein möglich.

 

 

Seite 2   Der Leserbrief. Geduld – Zähigkeit – Mut. Von Dr. Freiherr von Wrangel.

Für die Heimatvertriebenen, die ihr ganzes Leben in der östlichen Heimat verbrachten, gibt es keinen größeren Wunsch, als wieder dorthin zurückkehren zu können. Die Ungeduld wächst, der Faktor „Zeit“ tritt immer stärker in die Erscheinung. Wie lange, fragt man sich, werden die Deutschen in der sowjetischen Zone diesem Terror, diesem Druck standhalten, werden die Polen und Russen in den sog. „wiedererworbenen Gebieten“ sich festsetzen, Rechtsansprüche erwerben, Eigentum ersitzen und wer von den älteren Heimatvertriebenen wird zur gegebenen — noch so unbestimmten — Zeit in die alte Heimat zurückkehren können, wer von den Jüngeren, die als Kinder die Heimat verließen, wird — hier im Beruf, hier geheiratet — in die alte Heimat „auswandern“?

 

In diese Gedanken fährt wie ein Hoffnungsstrahl die Meldung aus Wien. Österreich wird frei! Frei von der Besatzungsmacht, frei als souveräner Staat. Die Rückkehr der Kriegsgefangenen, die Rückgabe wirtschaftlichen Eigentums ist gewährleistet. Alles ist erkauft durch das Versprechen zur Neutralität und die Zusage, keine fremden Truppen und militärische Stützpunkte im Lande zu dulden. Ist nicht eine gleiche oder ähnliche Regelung, so fragt man sich, für Deutschland möglich? Sollten wir Heimatvertriebenen nicht hoffen dürfen, durch einen gleichen Staatsvertrag die Tore in unsere Heimat geöffnet zu sehen? —

 

Auf zwei wesentliche Unterschiede sei zunächst verwiesen: Österreich war ein von fremden Truppen besetzt gehaltener souveräner Staat in seinen alten Grenzen. Demgegenüber besitzt die Deutsche Bundesrepublik noch nicht die volle Souveränität, die zunächst noch von den Hohen Kommissaren ausgeübt wird, und hat in den Gebieten ostwärts, der Oder-Neiße-Linie, wie in der Sowjetischen Zone

keine obrigkeitlichen Befugnisse.

 

Die Wiedervereinigung Deutschlands ist zwar das Tagesgespräch des Auslandes wie der maßgebenden deutschen Stellen. Sie ist aber allein abhängig von der Macht, die zurzeit noch über die deutschen Gebiete östlich des Eisernen Vorhanges verfügt. Nachdem es Russland nicht gelungen ist, in die Geschlossenheit des Westens eine Bresche zu schlagen, versucht es eine Kette neutraler Staaten von Schweden bis Jugoslawien zu schmieden. Das Mittelglied dieser Kette wäre Deutschland. Das Sicherheitsbedürfnis Russlands wäre vielleicht in dieser Reihe neutraler Staaten gedeckt. Wie steht es aber mit der Sicherheit Europas und mit unserer eigenen? Ein englisches Blatt schreibt hierzu: „Als Nachbar des Sowjetblocks bliebe ein neutrales Österreich“ (sprich: Deutschland. Die Red.) „steht unter einem beklemmenden und gefährlichen Druck. Der Kreml würde die österreichische Frage damit gewissermaßen aufs Eis legen; er könnte sich sagen, dass er sie jederzeit wieder auftauen und unter irgendeinem Vorwand sogar beträchtliche Hitze erzeugen könnte“. Das Blatt fährt dann fort: „Ein kleines Land von sieben Millionen Einwohnern könne auf dem Kraftfeld der internationalen Politik ausgeschaltet bleiben, auch wenn seine geographische Lage dies unvergleichlich schwieriger machen würde als beispielsweise für die Schweiz. Für Deutschland wäre dies eine Unmöglichkeit. Seine Neutralität würde ein Vakuum schaffen, in das die auswärtigen Kräfte mit Naturgewalt hereinbrechen würden. Die Sicherungen gegen den Einbruch aus dem Osten wären gefallen“.

 

Wenn sich in dem Abschluss des Staatsvertrages mit Österreich tatsächlich ein Einlenken Russlands gegenüber Europa ankündigen sollte, so können und dürfen die so verlockend erscheinenden Bedingungen uns nicht verführen sie bereits als Zeichen einer neuen Haltung Russlands auch uns gegenüber zu werten. Dieses Entgegenkommen, dessen Vorbehalte noch nicht erkennbar sind, verdankt Österreich allein der entschlossenen und von der Bundesrepublik immer vertretenen Haltung des Westens gegenüber allen Einflüsterungen aus dem Osten.

 

Die durch den österreichischen Staatsvertrag in die westliche Verteidigung gerissene Lücke muss auch für die Gegenseite als solche empfunden werden; und das umso mehr, wenn Russland seinen Verpflichtungen nachkommt, bei Abschluss des Staatsvertrages mit Österreich auch den Balkan zu räumen. Die Erfüllung der eingegangenen Versprechungen könnte uns davon überzeugen, dass Russland eine Befriedung und Entspannung im europäischen Raum wünscht, indem es sein eigenes militärisches Glacis freigibt. Bis dahin scheint aber noch ein weiter Weg zu sein.

 

Nur mit Geduld und Zähigkeit werden wir über kurz oder lang die Stellung in Europa einnehmen, die es uns als größtes Volk des Kontinents erlaubt, dann mit Energie und Mut, gestützt auf unsere Verbündeten, auch mit dem Osten ein Gespräch zu führen.

 

Wir Heimatvertriebenen, die wir jahrhundertelang im Frieden mit unseren östlichen Nachbarn gelebt haben, wissen, dass wir unsere Heimat durch siebenhundert Jahre in friedlicher Arbeit aufbauen konnten und wieder aufbauen werden, wenn nicht Macht und Raum, sondern Achtung und Vertrauen das gegenseitige nachbarliche Verhältnis bestimmen.

 

Die Geschichte lehrt, dass Achtung und Vertrauen auf Zuverlässigkeit aufbaut, und Zuverlässigkeit braucht Geduld, Zähigkeit und Mut.

 

Das Schicksal unserer Heimat liegt in unserer Hand.

 

 

Seite 2   Pressestimmen: Himmel oder Hölle.

Vor kurzem debattierten 130 Pastoren über Wehrprobleme. Die Frage, warum die Kirche dieses heikle Problem nicht dem Staat überlässt, nach dem bewährten Matth. 22, 21 „Gebe! dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, beantwortete Prof. Gollwitzer, unterstützt von Präses Dr. Heinemann, mit dem Satz: „Da die Staatsführung die Problematik nicht genügend sieht, muss die Kirche heute darauf aufmerksam machen und so die Gewissen schärfen“.

 

Wir wollen uns in diese neueste Abwandlung des uralten Konfliktstoffes zwischen Staat und Kirche nicht einmischen. Da es aber letzten Endes um unser aller Kopf geht, müssen wir gegen die folgende Formulierung von Prof. Gollwitzer Proteste einlegen: Seiner Meinung nach bedürfe nämlich die Bundesregierung für die Wiederaufrüstung einer außerordentlichen Legitimation. Er sagt wörtlich: „Legitimiert wäre sie erst dann, wenn durch einen Angriff des Ostens ein solch akuter Notstand eintritt, dass auch deutsche Truppen in die Schanze geworfen werden müssen“.

 

Wie stellt sich das Pastor Gollwitzer vor? Denken wir an die Aufrüstung in den Satellitenstaaten. Dort braucht doch sicherlich nur auf den berühmten Knopf gedrückt zu werden, damit sich der ungeheure Apparat der sowjetischen Macht sofort gegen uns in Bewegung setzt. Und dieser Zeitpunkt soll für uns erst die Legitimation sein, mit der Wiederaufrüstung zu beginnen. Wäre das nicht ein wenig zu spät? Woher soll man deutsche Truppen nehmen, um sie „in die Schanze zu werfen“, wenn wir sie vorher nicht aufstellen dürfen? Uns kommt die Argumentation von Pastor Gollwitzer angesichts der gigantischen Rüstungsanstrengungen des Ostens etwas weltfremd vor. Die Hauptaufgaben der Kirche mögen nach Joh. 8,23 „nicht von dieser Welt“ sein. Aber leider sehen wir nach Joh. 1,51 nicht „den Himmel offen“', wenn das Regime der Sowjetkommissare bei uns einmarschiert und wir ihm wehr- und waffenlos ausgeliefert sind, sondern wir fürchten, dass dann „die Hölle auf Erden“ für uns alle anbricht, einschließlich der Kirchen. Und deshalb verstehen wir manchmal die Pastoren nicht, selbst wenn sie nach 1. Kor. 13,1 .mit Engelszungen redeten“.

(Wegweiser für Heimatvertriebene}

 

 

Die DJO beabsichtigt, im Rahmen der „Kieler Woche“ (19. bis 26. Juni) eine Sonderausstellung unter dem Titel „Deutsches Land im Osten“ durchzuführen.

 

 

Seite 2   Hilfe für unsere Kinder

Der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat gemeinsam mit den Vorsitzenden der großen Verbände der Vertriebenen und Flüchtlinge folgenden Aufruf erlassen:

 

Millionen deutscher Menschen gedenken in diesen Wochen der vor zehn Jahren erlittenen Vertreibung aus der alten Heimat. In Not und Tränen fanden sich die Vertriebenen zu einer Gemeinschaft zusammen, die nicht mehr nach Herkunft, Besitz, Bildung und sozialer Stellung fragte. Das gleiche harte Schicksal hatte sie alle auf eine Ebene gesetzt. In schweren Jahren haben viele dieser Vertriebenen und Flüchtlinge in der Bundesrepublik durch eigene Initiative, durch Hilfe von anderer Seite und durch gesetzliche Maßnahmen sich wieder neue Existenzen aufzubauen vermocht. Daraus entwickelte sich auch unter ihnen eine neue soziale Gliederung.

 

So mancher hat sein Auskommen gefunden und sogar den Grundstein zu neuem Wohlstand gelegt. Viele aber stehen noch auf der Schattenseite des Lebens. Diese in schweren Jahren gefügte Gemeinschaft darf nicht verloren gehen. Wer Not und Leid selbst kennengelernt hat, wird leicht dazu bewegt werden können, die Not der Mitmenschen zu lindern.

 

Darum rufen wir gerade die Vertriebenen und Flüchtlinge dazu auf, mit dem Beginn des Frühjahrs an die Kinder zu denken, die einer Erholung und freundlicher Pflege bedürfen. Sucht sie in den Bunkern, den Flüchtlingslagern, den Notunterkünften und nehmt sie einige Zeit zu Euch in Eure Familien. Geht mit ihnen zusammen in die Ferien. Denkt auch an die Kinder Eurer Verwandten und Freunde in der sowjetischen Besatzungszone. Zeigt, dass die Vertriebenen und Flüchtlinge mit allen, die guten Willens sind, sich mit offenen Herzen und offenen Händen gerade derer annehmen, die unserer Fürsorge und Hilfe besonders bedürfen: Unsere Kinder. gez. Dr. Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.  gez. Dr. Linus Kather , MdB, Bund der vertriebenen Deutschen.  gez. v. Keudell , Reichsminister a. D., Vereinigte Landsmannschaften der Sowjetzone. gez. Manteuffel, MdB, Verband der Landsmannschaften.

 

Meldungen von Freiplatzen und Bedürftigen sind an die örtlichen Stellen der drei Verbände oder an deren Bundesgeschäftsstellen zu richten:

 

1. Bund der vertriebenen Deutschen, Bonn, Rathausgasse 4

 

2. Vereinigte Landsmannschaften der sowjetischen Besatzungszone Bonn, Poppelsdorfer Allee 15

 

3. Verband der Landsmannschaften, Bonn, Poppelsdorfer Allee 15.

 

 

 

Seite 3   Schicksal eines Ostpreußenliedes

Im Jahre 1934 erließ der „Sängerbund Ostpreußen“ ein Preisausschreiben, um ein sangbares neues ostpreußisches Lied zu erhalten. Aus dem Wettbewerb ging als erster Sieger Erwin Kroll hervor, der damals gerade im Begriffe stand, nach der Zerstörung der Hartungschen Zeitung, deren Musikkritiker und Feuilletonleiter er lange Jahre gewesen war, nach Berlin überzusiedeln. Sein neues Ostpreußen-Lied, dessen Text Ernst du Vinage, Sohn eines Allensteiner Oberregierungsrates, geschaffen hatte und das mit den Worten begann: „Land der tausend Seen! Dir entspross ein stolz Geschlecht“ bürgerte sich rasch ein, und der Gauführer des Sängerbundes, Staatsanwaltschaftsrat Baatz. schrieb dem Schöpfer der schlichten sechzehntaktigen Melodie Anfang Oktober 1934: „Ihr Lied hat außerordentlich gut gefallen und verspricht ein echtes ostpreußisches Volkslied zu werden“. Ob schon die drei Strophen dieses Liedes keineswegs mit „Blut- und Boden"-Romantik liebäugelten, sondern nur von patriotischem Stolz auf die Jahrhunderte lang bewährte Treue der östlichen Grenzwacht getragen waren, verleibte man das neue Gebilde, ohne viel zu fragen, den Liederbüchern der nach und nach gleichgeschalteten Volksgruppen des Dritten Reiches ein.

 

Als nun gegen Ende des zweiten Weltkrieges die russische Gefahr für Ostpreußen brennend wurde, musste dieses Lied immer wieder herhalten, um die Bewohner der bedrohten Provinz zum Ausharren anzufeuern. Es erschien schließlich, pomphaft für großen Chor gesetzt, in den Tagen des ostpreußischen Zusammenbruchs täglich bei jeder Nachrichtensendung im Programm des Rundfunks. Inzwischen hatte man aber den Komponisten hinter Stacheldraht gesetzt, und es war ein bitteres Vergnügen für ihn, im Zwangsarbeitslager, dem er angehörte, vom Lautsprecher der Schreibstube her seine Melodie zu hören . . . Doch dann schlug die Stunde der Befreiung, Kroll wanderte von Halle in Nachtmärschen zu seinem Sommerhäuschen nach Kähnsdorf bei Seddin, südlich von Berlin, wo er noch die letzten Kämpfe erlebte und Zeuge des Flüchtlingselends wurde. Damals reifte der Plan in ihm, seinem Liede einen neuen, zeitgemäßen Text zu geben, und er führte ihn aus, als in Berlin das Leben wieder erwachte. In der neuen Fassung ist es ein Lied der Heimatvertriebenen geworden. Es erklang oft im Nordwestdeutschen Rundfunk, dessen Berliner Musikchef Kroll 1946 bis 1953 war, und es wurde bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen für die ostdeutschen Heimatvertriebenen in Berlin immer wieder Schwäne“ und in sein Orchester-Werk „der Adebar“ eingeflochten, und er würde sich freuen, wenn sich bei der Duisburger 700-Jahrfeier Königsbergs nach dem hier gegebenen Abdruck der „Ostpreußen-Warte“ eine westdeutsche Chorvereinigung für sein Heimatbekenntnis einsetzte.

 

Getragen. Ostpreußenlied. Von Erwin Kroll. Noten mit Text.

1.     Preußenland im Osten. Wald und Düne, Meeressrand, deine Pflüge, rosten, deine Städte sind verbrannt. Land der Väter, treu verschworen, Land so treu verschworen, Land so treu verschworen, sturmerprobt, was auch geschah, Heimat, nun verloren, unsern Herzen bleibst du nah.

2.     Elche in den Wäldern, gold’ner Bernstein rings am Meer, Kornes Pracht auf Feldern, stolzer Burgen trutzige Wehr. Schimmern blau die weiten Seeen, schimmern weite Seeen. Anvertraut war Dorf und Stadt. Unheilvoll Geschehen das uns draus vertrieben hat!

3.     Heimat in der Ferne wirst dereinst du aufersteh’n? Wann, ihr Schicksalssterne, bringt ihr uns ein wiedersehn? Aller Herzen Wünsche schweben, alle Wünsche schweben. Sterne, bringt ihr uns ein wiedersehn? Aller Herzen Wünsche schweben. Traum beschwingt zu dir zurück. Ostmark! Unser Leben, Land der Sehnsucht, unser Glück!

 

 

Seite 3   Mutter. Von Ursula Enseleit-Riel.

Alle Sterne, die ich sehe,

Trauern über deinem Grabe.

Sternlicht war die letzte Habe

Deines stillen Angesichtes.

Deiner Erdentage Wehe

Berge ich in meinem Herzen.

Pflanzen, Tiere leiden Schmerzen

Blume blutet. Vogel klagt.

 

 

Seite 3   Der Taufengel von Rosengarten. Von Luise Kalweit

Wenn man glaubt, dass  Engel nicht auch ihre Geschichte haben, so irrt man sich. Der Taufengel in der Kirche von Rosengarten im Kreise Angerburg kann viel erzählen.

 

Hört, was er berichtet:

 

„Im Himmel, ich weiß es, ist meine ewige Statt, denn Gott rief mich ins Dasein, als all die Myriaden anderer Engel zusammen mit Sonnen und Erden seinen Händen entquollen.

 

Doch einer der kleineren Sterne — Erde hieß er in unserm Himmelsatlas, hatte es mir besonders angetan. Mich rührte das Gehabe der Wesen dort unten, die im Staube tappen müssen, weil unsre Engelsflügel ihnen fehlen.

 

Die besten von ihnen ließen nicht ab, die Augen zum Himmel zu wenden, was in der Zielsetzung ihrer Gedanken, dem Tönen ihrer Weisen und dem Schaffen ihrer Hände sich auswies.

 

Als ich nun vorwitzigerweise zu einem Himmelsfenster hinauslugte, weil ich gerade großen Spaß an einem Kometen hatte, der sich in einem dichten Sternenhaufen überkugelte, sah ich durch mein Fernrohr in einer winzigen Ecke des Erdgestirns einen Mann an einem Holzblock sitzen, ein Messer in der Hand.

 

Sein himmelwärts gerichteter Blick zog mich erdenwärts. Und so schwebte ich, die Flügel gefaltet, in seine Werkstube. Der Mann fing mich in seinem Blick auf, der das Ewige sieht im Irdischen und bannte mich in den Holzblock vor ihm. Da saß ich gefangen, bis seine könnende Hand mich befreite. Ich war ein irdischer Engel geworden und sagte dankbar zu meinem Schöpfer:

 

„Wie wonnig hast du mich geformt!“

 

Lieblich wie eines schönen Erdenweibes Antlitz war mein Gesicht, und in den ausgebreiteten Armen hielt ich einen Kranz, die zu krönen, die ein Leben lang dem Himmel Treue gehalten hatten. Meine Himmelsheimat nicht zu verleugnen, wurde ich ganz in goldene Farbe getaucht und nach dem Ort gebracht, wo die Menschen sich besonders in Gottes Nähe glauben, — in eine Kirche.

 

Am Eingang begrüßte mich der Heilige, der als Schutzpatron dort Wohnung genommen. Ich erkannte ihn gleich. Es war der heilige Nikolaus, der Freund der Kinder und des Christkindleins.

 

Er schlug vor Freude die Hände zusammen und nötigte mich in das geweihte Haus, das man ihm zu Ehren erbaut hatte, und worin wir einträchtig mit Engeln und Evangelisten — eine geraume Zeit war's nach der Erdenuhr, — verharrten.

 

Zur Nacht strichen wir gern durch das Dorf, dessen Sinn in unserer Kirche auferbaut werden sollte.

 

Aber damals schüttelten wir den Kopf, denn es machte seinem Namen „Rosengarten“ wenig Ehre. Es war weder ein Garten an Schönheit, noch wuchsen Rosen dort. Und so kamen wir zu dem Schluss, ein Irrtum müsse bei der Namengebung obgewaltet haben.

 

Alles in der Welt verblasst, alles in der Welt verfällt. So verblasste in Jahrhunderten mein Goldkleid, verfiel meine Kirche. Der heilige Nikolaus wollte schon andern Wohnsitz sich suchen.

 

Da erbarmte es zwei Große der Erde des kirchenlosen Orts. Der Sohn des Königs und ein Graf taten sich zusammen. Sie wurden mir als Stifter genannt, — und vor genau 100 Jahren erhob sich ein neues Gotteshaus an Stelle des brüchigen.

 

Just wie eine achteckige Laterne sieht's aus. Man sagt, eine berühmte Kirche in Rom habe bei dem Bau Pate gestanden. Klar quillt Licht durch zwölf unfarbige Fenster. Traulich eng schart sich die Gemeinde im Rund des Schiffes und des Chors um Altar und Kanzel. Künstlerhand wählte dem Sinn der Zeit folgend, strenge, ernste Farben, weiß für die Wände, grau für Gestühl und Orgelchor und die flache Decke, alles mit wenig Zier versehen.

 

Allein mich traf nun ein hartes Schicksal. Ich ward mit Evangelisten und anderen Engeln ob meines dürftigen Aussehens nicht mehr für würdig erachtet, die Kirche zu schmücken, passte auch nicht in ihren Ernst hinein. So lag ich, für nichts angesehen, auf dem Kirchenboden, grämte mich fast zu Tode, verlor, umhergestoßen, den Kranz aus den Händen, und hätte ich weinen können, so hätte ich weinen mögen — sehnsüchtig, beim Klange der Glocken.

 

Noch einmal aus dem Dunkel ans Licht kommen, andächtige Menschen schauen, Orgelspiel und Gottes Wort ganz nahe hören!

 

Endlich, nach 100 Wartejahren war es so weit.

 

Da wollten die Leute im Dorf ein Jubiläum der Kirche feiern und riefen einen berühmten Maler aus der Stadt Königsberg herbei. Sie nannten ihn Herr Professor Pfeiffer. Der sollte die Kirche neu ausmalen. Zwei Stunden saß er allein, eingeschlossen in ihrem Raum, dem nachsinnend, was an Bildern aus seinem Innern quoll.

 

Dann stöberte er auf dem Kirchenboden umher, fand mich und sah mich prüfend an. Er sann hin und her. Dann kam es wie eine Erleuchtung über ihn.

 

„Über der Taufecke sollst du schweben. Und die richte ich eigens für dich her“, so sagte er.

 

Einige Monate durfte ich einem geschäftigen Treiben zusehen: Gerüste wurden errichtet, Maurer taten die Risse der Decke zu, Zimmerer fügten neue Türen, aus der Orgel erhob sich ein neu schön Tönen. Am liebsten hätte ich manchmal mitgeholfen, es kribbelte mir in den paar Fingern, die mir noch geblieben waren. Alles ging mir zu langsam, und ich fürchtete, fürchtete, dass es kaum gelingen würde, die nicht kleinen Hindernisse zu überwinden.

 

„Es wird nicht fertig“, zischelten die Leute. Da raffte ich mich zum Widerspruch auf.

 

„Es wird doch fertig!“ glaubte ich. Ein Engel-Glaube muss doch helfen.

 

Endlich schleppten Frauen, Mädchen und Kinder den Bauschutt fort und spülten nach Frauenart des Staubes letzten Rest in Wasserwogen hinweg.

 

Und nun kam das Schönste. Maler-Künstler wählten die sinnvollsten Farben. Inmitten von Linden, die grüne Schatten durch die Fenster senden, liegt der Bau. Unweit dehnt sich die weite Forst, der Hochwald. Daher sind die Wände der Kirche grün.

 

Mitten im Seenland liegt der Ort Rosengarten, daher schimmert das Gestühl bläulich, gleich dem See, wenn er spiegelblank daliegt.

 

Gelbliche Holzpfeiler stützen die Decke, und es feiern die Farben im Verein mit mattem Lila blumenhaft eine fröhliche Vermählung.

 

Wie glücklich erstaunt war ich aber, als die Decke wurde. In feierlicher Majestät standen da in Kreuzesform vier Engel, Gottesboten gleich mir, weit gespreitet die Flügel, — wie eine Rose stoßen sie zusammen. In den Händen tragen sie das heilige Buch des Evangeliums, es in vierfacher Gestalt den Menschen zu bringen. Siebenfach ist der Zinnenkranz, in dem sie stehen. Immer heller wird er nach der Mitte der Decke zu, von der Sternenstrahlen ausgehen.

 

„Ein Zeugnis sind sie dem irdischen Chaos von der kristallenen Lichtwelt, die da ist, war und kommt“.

 

Dann entstand der Wände Belebung: ein Stern in jedem Feld des Chors, vier Tafeln aus heimischem Eichenholz mit den Namen derer, die in den schweren Kriegen ihrer Heimat Todestreue gehalten hatten, dunkel gewordene Bilder aus ferner Zeit, zwei Evangelisten zu beiden Seiten des bräunlich verhangenen Eingangs, inmitten darüber ein Christuskopf, ein Kruzifixus über der Tür zur Sakristei, sonstiges altes Schnitzwerk sinnvoll verteilt, zum Zeichen, dass zu allen Zeiten Menschen in gläubigem Sinn darnach gerungen, zeitliche Form mit ewigem Gehalt zu füllen.

 

Und ich? Nahm sich niemand meiner an? War ich doch vergessen? Alle meine Gefährten waren aus Schutt und Trümmern neu erstanden, — und ich sollte keine fröhliche Urständ feiern? Da kam ich in eines jungen Bildhauers Hand. Er befreite meinen Leib von dem verschossenen abblätternden Golde, gab mir wieder den Kranz in die Hand und hüllte mich in ein neues Kleid.

 

An der Stelle, wo ein alter hässlicher Ofen gestanden, wurde eine Taufecke hergerichtet. Die Wand zwischen zwei Fenstern deckte ein feiner gemalter Teppich, auf lila Grund schimmern goldig die Türme des himmlischen Jerusalems, der Stadt Gottes, fein lustig anzusehen mit ihren Brünnlein, die Wasser des Lebens geben. Davor auf erhöhter Plattform das Taufbecken, zwei alte Leuchter blinken seitwärts, und der Kinderengel an der Säule gegenüber trägt auch ein Lichtlein. Über dem Taufbecken wurde ich schwebend angebracht, so nah dem himmlischen Jerusalem, — meiner Heimat, — die Kindlein zu segnen, die dem Heiland als Weihgabe dargebracht werden. Fürwahr, ein Amt, eines Engels wert. Diese Wohnstatt, dieses Wirken möchte ich behalten, bis mein Leib in Staub zerfällt.

 

Es nahte der Vorabend des 100. Geburtstags meines Kirchleins. Nach Menschenmöglichkeit war es fertig geworden Aber mich dünkte es nicht so schlimm, wenn noch einiges zu bessern, anderes zu vollenden war.

 

Die Menschen sollen auch nicht auf Erden fertig werden. Was bliebe ihnen sonst im Himmel zu tun?

 

„Siehe, ich mache alles neu!“ so kündete der goldene Kanzelspruch. Neu war der in festlichem Weiß prangende Altarbehang mit dem Goldkreuz und den Lilien und dem Namenszug Christi, neu die Orgel, neu zwei der in dreifach abgestimmtem Klange erschallenden Glocken, — neu sollte auch der Sinn der Gemeinde werden, die das Gotteshaus am Tage des Jubelfestes füllte, neu der Glaube aller, die zu diesem Hause des Herrn wallen würden. So kündete es der Pfarrherren Wort, die zu der Gemeinde sprachen.

 

So riefen es die Glocken, die auf den Weihespruch der Geistlichen antwortend ihre Stimme laut werden ließen.

 

„Land! Land! Land! höre des Herrn Wort!“ mahnte die eine durch den Spruch, mit dem ihr Leib geziert war.

 

„Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“, versprach die andere, die große Totenglocke.

 

So rufen und künden sie nun am Alltag und am Sonntag, rufen zu meiner Kirche.

 

Soll ich euch sagen, dass sie schön ist? Dann würdet ihr denken, ich rühme mein eigenes Haus, darin ich wohne, nach eitler Menschen Art. Ich sage euch lieber: Kommt und sehet sie selber, wenn ihr im Frühling und Sommer nach den masurischen Seen fahrt!“ Dann beschatten sie die Bäume des Gartens ringsum, grün breitet sich die Fläche des Rasens und rote Rosen blühen am Eingangsweg zu ihrer Tür.

 

So konnte der Taufengel noch vor zehn Jahren berichten.

 

Und heute?

 

Liegen Kirche und Dorf und er selber in Schutt und Asche?

 

Wächst Gras und Gestrüpp aus den Trümmern?

 

Wer weiß es. — — —

 

 

 

Seite 4 und 5   Eines Jägers Sohn. Erzählung aus dem Land der dunklen Wälder / Von Hermann Rutkewitz.

Tief und schweigend sind die Wälder jenes Landes, gleich ob sie die laue Luft einer Sommernacht atmen oder in herber Einsamkeit tiefen Schnees träumen; tiefgründig und schwer ist der Boden, und tiefgründig sind auch die Herzen jener Menschen. Zu ihnen gehört jener alte Revierförster. Sein ganzes Sein ist geprägt von der Schwere dieses Landes, das er liebt und dem er die ganze Kraft seiner Arbeit gibt.

 

Unruhig geht er im Zimmer auf und ab; sein zum Boden geneigtes Gesicht verrät Gram und inneren Kampf. Die Lippen sind fest aufeinander gepresst, als wollten sie kein Wort hervorlassen. Plötzlich bleibt er stehen und wendet sich seinem Sohne zu, der die ganze Zeit wortlos auf dem Sofa gesessen hat. „Höre mal, Werner, so kann es mit dir nicht weitergehen, und so werde ich es auch nicht mehr länger mitansehen! Meine Geduld ist nun zu Ende“. — Langsam und bedächtig klingen seine Worte. Sie scheinen wohl überlegt zu sein und nicht aus Erregung gesprochen. „Jetzt war es bereits das dritte Mal, dass du einen starken Hirsch aus bloßer Jagdleidenschaft niedergeknallt hast. Sag mal, hältst du das Wild für Spielzeug, das man so mir nichts dir nichts umlegen kann, ganz wie es einem beliebt?!“

 

Bleich schaut der Sohn zu seinem Vater auf. Ein leichtes Zucken spielt um seine Mundwinkel, und zögernd antwortet er: „Vater, ich werde es gewiss nie wieder tun“.

 

„Das hast du mir schon zweimal versprochen. Beide Male habe ich dir geglaubt, und immer hast du mich enttäuscht. Ich habe dir verziehen. Du weißt, als du vor zwei Monaten erneut den Unfug begangen hattest, drohte ich mit einer Strafe, wenn es noch einmal vorkommen sollte. Jetzt ist's geschehen. Nun kann ich nicht anders, als dir ein Jahr lang das Jagen zu verbieten“.

 

Wie versteinert sitzt Werner sekundenlang da. Er möchte etwas zur Verteidigung entgegnen, aber er vermag keinen Ton hervorzubringen. Endlich hat er sich gefasst. „Vater“, klingt es fasst flehend, „Vater . . . verzeih“ mir noch diesmal. Es wird nie wieder geschehen! Glaube mir, Vater, ganz gewiss nicht! Nimm aber bitte dein Verbot zurück“.

 

„Nein, Werner. Du bist mit deinen zweiundzwanzig Jahren wirklich alt genug, um zu wissen, was du tatest. Reiß dich zusammen . . . und bald ist das Jahr vorbei. Komm, reich mir die Hand und versprich mir, dass es fortan keinen Ärger mehr gibt“.

 

„Das soll es nicht, Vater; aber ich kann ein Jahr lang nicht ohne Jagd leben. Das halte ich nicht aus! Bitte, nimm dein Verbot zurück“.

 

„Junge, — ein Mann, ein Wort!“

 

Unendlich langsam scheinen Werner die Tage seiner Semesterferien zu verlaufen. Tag für Tag sitzt er von morgens bis abends hinter den Büchern und lernt und versucht, sich so von allen üblen Gedanken abzubringen. Wie froh und leicht war er sonst in den Ferien im Walde herumgestreift und hatte sich an den Tieren und Pflanzen erfreut! Welch' herrliche Abende hatte er doch so oft beim Ansitz auf den Bock verlebt! Mit neuer Kraft und frischem Lebensmut war er dann zum Beginn des Semesters in seine Studienstadt zurückgefahren, schon erfüllt von Vorfreude auf die kommende Freizeit. — Jetzt durchwandert er nur noch selten den Forst; die ganze Natur scheint ihm nichtssagend. Es fehlt ihm mit einem Male das Verständnis dafür. Er ist sogar froh, als endlich der letzte Ferientag und somit seine Abreise naht.

 

Als ihn sein Vater zur Bahn begleitet, die ihn zur Universitätsstadt bringen soll, lenkt Werner noch einmal das Gespräch auf die Jagdangelegenheit. „Schau, Vater, zweimal habe ich mein Versprechen gebrochen und habe mich von dir demütigen lassen müssen, glaubst du nicht, dass ich schon allein deswegen das Jagdgebot nicht wieder übertreten werde?! Ich bitte dich darum, hebe jetzt die Strafe auf; die ganzen Ferien über hat sie mich schon gemartert, so dass ich wirklich keine Erholung gefunden habe. Nimm das Verbot zurück, damit ich wieder mehr Lust zum Arbeiten bekomme. Lieber Vater, bitte, tue es doch!“

 

Lange bleibt der alte Revierförster wortlos. Heftig kämpft in ihm die Vaterliebe mit dem Sinn für Gerechtigkeit und mit der Liebe zum Wald und seinem Wild. Hin und her überlegt er; nur zu gut kann er, der er selbst ein leidenschaftlicher Jäger ist, die Qualen seines Sohnes verstehen. Schon naht der Personenzug, da blickt er Werner milde aber straff an, und kopfschüttelnd sagt er: „Nein, Junge, das Verbot bleibt. Sei tapfer! — Lebewohl!“

 

Fauchend setzt sich der Zug in Bewegung. Ein stummes Hutschwenken und Werner rollt seiner Studienstadt zu. Wie oft hat er in dieser Bahn gesessen, und immer war er erfüllt gewesen von unbeschreiblicher Freude und Heiterkeit; mochte es Glückseligkeit von Erlebtem oder Vorfreude auf Kommendes sein, die sein Herz jubeln ließen. Bedrückt kauert er heute in einer Ecke. Alles widert ihn an, und er nimmt sich fest vor, das Elternhaus vor den nächsten Ferien nicht wieder zu betreten, sollte sich nicht schon etwas Ungewöhnliches ereignen. Sonst war er oftmals über Sonntag nach Hause gefahren, um dort die Stille der Waldeinsamkeit nach all dem Stadtlärm der Woche zu genießen. Nein, das will er nicht mehr tun, mochte es ihm auch noch so schwer fallen.

 

Wochen verrinnen.

 

Werners Jagdleidenschaft wächst von Tag zu Tag; besonders jetzt, da ihm das Waidwerken verboten worden ist. So beginnt er, den Entschluss zu fassen, sich eine Jagd zu pachten, um dort ganz unabhängig von seinem Vater jagen zu können. Jedoch reichen seine Geldmittel dazu nicht aus, und er muss diesen Plan bald wieder aufgeben. Gerne möchte er endgültig das Jagen aufgeben; aber, was er auch immer tut und denkt, seine Gedanken kreisen ständig um dieses Begehren. Nur allzu oft ertappt er sich, dass er den Vorlesungen in der Universität gar nicht folgt, sondern im Geiste durch die Wälder streift. Schließlich übermannt es ihn derart, dass er den Entschluss fasst, in seines Vaters Revier heimlich jagen zu gehen. Um die vierzig Kilometer bis zu jenem Forst zurücklegen zu können, will er sich ein kleines Motorrad kaufen; jedoch kann er auch dieses mit seinem Gelde nicht aufbringen. So sucht er am nächsten Tag einen ihm gut bekannten Wildhändler auf und schließt mit diesem den Vertrag ab, dass dieser ihm das nötige Geld vorschießt, welches Werner im Laufe eines Jahres mit erlegtem Wild zurückerstatten muss.

 

Schon wenige Tage später verlässt er eines Abends die Stadt und eilt auf einem Motorrad dem Revier seines Vaters zu. Nach einer einstündigen Fahrt hat er den Forst erreicht. Tief atmet er die kühle, würzige Waldluft ein, und es wird ihm dabei so leicht um die Seele, dass er aufjubeln könnte. — Schnell verbirgt er das Rad in einem Dickicht. Dann holt er aus dem Rucksack seinen zerlegbaren Drilling hervor, setzt ihn zusammen, und pürschend beginnt er, den nächtlichen Tann zu durchstreifen.

 

Alles um ihn herum atmet Frieden und Ruhe. Mitunter nur unterbricht das Heulen eines Kauzes das tiefe Schweigen. Im Osten färbt sich der Himmel langsam rötlich und der Vollmond schiebt sich langsam zwischen die düsteren Tannenwipfel; gemächlich klettert er höher und taucht Wald und Flur in ein gleißendes Licht.

 

Werner hat den Rand einer Waldwiese erreicht. Ein märchenhaft schöner Anblick hält ihn einige Minuten lang gefesselt. Schweigend ruht vor ihm die große Wiese im Silberlicht des Mondes. Zarte Nebelschleier brauen hier und da, und friedvoll äsend zieht dort ein Rudel Rehwild. — Vorsichtig greift Werner zum Nachtglas. Bald entdeckt er einen starken Bock, und das Jägerblut beginnt, wieder in seinen Adern mit unwiderstehlicher Gewalt zu pulsen. Lange überlegt er, ob er diesen wunderbaren Frieden einer Sommernacht durch todbringendes Blei zerstören soll. Es ist aber mehr ein innerer Kampf gegen die Leidenschaft als ein bloßes überlegen. Schließlich legt er doch die Waffe an, und donnernd durchrollt der Schuss den schlafenden Forst.

 

Kläglich heult eine Eule auf, und laut schreckend flüchtet das Rehwild ins Holz. Der Bock bricht jedoch nach einigen Fluchten zusammen. Eine Weile wartet Werner, dann eilt er zu dem erlegten Tier hin, trägt es in des Waldes Dunkel und bricht es dort auf. Mit einem mitgebrachten Spaten vergräbt er sorgfältig das Gescheide, damit sein Vater nichts von dem Vorfall merken soll; dann verstaut er den Bock im Rucksack und wandert wieder zurück. Bald hat er das Motorrad erreicht und fährt der Stadt zu.

 

Nachdem diese erste Jagdfahrt so glatt vonstattengegangen ist, reizt es Werner zu immer neuen Unternehmen; schon bald fährt er mehrmals wöchentlich zu seines Vaters Revier. Manchmal, wenn er von Hause erfahren hat, dass sein Vater verreist ist oder besonders viel schriftliche Arbeiten zu erledigen hat, wagt er sich sogar am Tage in den Wald, um dort zu jagen.

 

Schon nach wenigen Wochen merkt der alte Revierförster an der Unruhe des Wildes, dass irgendetwas in seinem Walde nicht in Ordnung ist. Bald weiß er auch, dass dort gewilddiebt wird. Sofort verdächtigt er seinen Sohn als den Täter. Mag es die Vaterliebe sein oder der Glaube — vielleicht auch nur die Hoffnung — an seinen Sohn, die immer wieder Zweifel in ihm auftauchen lassen. Jedoch nimmt er sich vor, über kurz oder lang Werner wohlüberlegt und geschickt zu prüfen.

 

Als dann Werner in den nächsten Ferien wieder zu Hause weilt, fällt es dem Vater sofort auf, dass das Wildern auf einmal in seinem Forst aufgehört hat, und er glaubt hiermit seinen Argwohn bestätigt. So lädt er eines Tages seinen Sohn zu einem Reviergang ein, um ihn endlich auf die Probe zu stellen.

 

Schweigend wandern beide Seite an Seite in den herrlichen Wald hinein. Trockenes Falllaub, das der erste Herbststurm von den Bäumen gerissen hat, raschelt unter ihren Füßen. Ein neugierigen Eichelhäher, der die beiden wahrgenommen hat, begleitet sie, ab und zu sein „Rätsch - Rätsch – Ätsch“ warnend. Eine Elster, die in einem Holunderbusch eifrig nach den letzten Beeren sucht, macht sich schäkernd davon, als sich die Menschen ihr nähern. Nach kurzer Wanderung haben sie eine Waldlichtung erreicht, die glänzender Sonnenschein überspielt. Auf ein Zeichen des Vaters fassen sich beide an deren Rand im Schatten einer dicken, urwüchsigen Eiche auf einem Baumstumpf nieder.

 

Fliegen umsummen sie. Einige Falter gaukeln auf und ab. In der Mitte der Lichtung äst eine Ricke, um die herum sich ihre beiden Kitze tummeln. Hoch über dem Wald zieht ein Mäusebussard seine weiten Kreise, mit scharfem Auge nach Beute spähend. Hin und wieder stößt er ein lautes „Hiäh“ aus. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kahlschlags spielen zwei muntere Eichhörnchen Greif. Von Ast zu Ast, baumauf — baumab flitzen sie im lustigen Spiel. Plötzlich schießt ein längliches Etwas zwischen sie; wild stieben beide quicklebendigen Turner auseinander. Nun wendet dieses Etwas, das sich als ein Baummarder entpuppt, blitzschnell herum, und schon gellt ein schriller Todesschrei in die mittägliche Ruhe hinein. — Jäh fährt die Ricke vom Äsen auf und flüchtet mit den Kitzen davon.

 

„Sag' mal. Werner“, unterbricht schließlich der Vater das beiderseitige Schweigen, „ist dir eben irgendetwas Besonderes an der Ricke aufgefallen?“

 

„Hm, ja. Ich glaube es wenigstens. Ich wunderte mich auch schon über die Scheuheit des Tieres und dessen panikartige Flucht“.

 

„Ganz recht! Das hast du vollkommen richtig beobachtet. Was meinst du wohl, woher diese Unruhe des Wildes kommt?“ Prüfend schaut er seinen Sohn an.

 

„Sind vielleicht wildernde Hunde im Revier?!“ antwortet Werner mit vorzüglicher Selbstbeherrschung.

 

„Wildernde Hunde sind es leider nicht“, sagt der Vater in einem Ton, aus dem innerer Schmerz mitklingt. „Wilddiebe sind es, Werner, die ihr grausiges Handwerk treiben“. Seufzend erhebt er sich dann von dem Baumstumpf. „Komm, wollen weitergehen!“

 

„Was, Wilderer sind im Revier?!“ Mit gut gespielter Bestürzung springt Werner auf. ‚Sich nur jetzt nichts anmerken lassen', hämmert es in seinem Hirn. ‚Was sollte sonst der Vater von ihm denken!‘

 

 „Ja, Wilderer!“ wiederholt der Förster voller Verachtung. „Jahrelang hat sich das Packzeug nicht mehr in meinen Wald gewagt, und nun, wo ich anfange alt zu werden, versuchen es die Kerle wieder. Aber ich habe mir geschworen — koste es, was es wolle — diesen Meuchelmördern das Handwerk zu legen. Wie schade ist es, dass selbst du mir so großen Kummer bereitet hast, so dass ich dir das Jagen verbieten musste, Du hättest mich jetzt wirklich sehr gut unterstützen können; aber nun geht das ja nicht“.

 

Werner, der anfangs so kühn den Worten seines Vaters zu widerstehen schien, quält jetzt mit einem Male das Gewissen. Soll er dem Vater alles erzählen und ihn um Verzeihung bitten? Nein, solche Tat konnte und würde ihm sein Vater niemals verzeihen. Oder soll er ihn jetzt noch einmal bitten, das Verbot aufzuheben, um dann das Wildern ganz von alleine aufgeben zu können? Lange grübelt er nach. Nein, auch das bringt er nicht fertig.

 

Wieder verlaufen für Werner die Tage zu Hause freudlos. Er mag gar nicht mehr daheim sein; und nur auf inständiges Bitten seiner Mutter verbringt er die Ferien bei den Eltern. Mit unwiderstehlicher Gewalt zieht es ihn aber immer wieder zum Jagen hin; und so verlässt er unter erdachten Vorwänden schon einige Tage vor Semesterbeginn sein Elternhaus, um wieder bei Nacht unbemerkt auf Jagd gehen zu können. Obwohl er die Schulden längst abgezahlt hat, beherrscht ihn der Jagdteufel derartig dass es auf gutem Wege für ihn kein Zurück mehr gibt, und soweit es nur seine Freizeit und das Wetter erlauben, fährt er zum Forst.

 

Langsam neigt sich der Herbst seinem Ende zu, und eines Tages hüllt sich das Land in ein zartes Leinentuch. — Jetzt packt Werner erst richtig die Lust zum Jagen. Ruhelos wartet er auf die mondhellen Nächte. Nichts interessiert ihn mehr, er weilt mit seinen Gedanken mir draußen im Walde, in Gottes freier Natur. Als sich dann endlich eines Abends die halbe Mondscheibe am klaren Firmament hinaufschiebt, da atmet er auf, wie von einem schweren Alp befreit. Und bald trägt ihn sein knatterndes Gefährt dem Walde zu. — Im gleißenden Licht gleitet neben ihm die beschneite Landschaft vorüber. Hier und da hoppeln einige Hasen. Gleich einer Silberschlange durchrast dort ein Schnellzug den romantischen Winterabend.

 

Unglaublich lang kommt Werner heute der Weg vor. Endlich tauchen die beschneiten Wipfel des Waldes auf, und sie strahlen solch eine magische Kraft auf ihn aus, dass er den Motor sein Letztes hergeben lässt. Als er den Forst erreicht hat, verstaut er eilig das Rad, und dann beginnt er wieder seinen nächtlichen Streifzug. —

 

Fast Tag und Nacht ist der alte Revierförster schon seit langem auf den Beinen, um endlich seinen Wald, den er über alles liebt, von den Wilddieben zu befreien. Oftmals hat er fern Schüsse fallen hören,- so schnell er nur konnte, war er dann zu der vermuteten Stelle hingeeilt; aber noch nie hat er die Burschen zu Gesicht bekommen. Nachdem nun schon ein halbes Jahr vergangen war, ohne dass er etwas gegen sie hat unternehmen können, hat ihm vorgestern der Forstmeister gesagt, es wäre wohl das Beste für ihn und auch für den Wald, wenn man ihn pensionieren würde. Seitdem gönnte er sich überhaupt keine ruhige Minute mehr. Ständig streift er im Walde umher. Ja, er lässt sich nicht einmal Zeit zum Essen.

 

Auch jetzt durchpürscht er wieder ein Waldviertel nach dem anderen. Schon will er die Suche abbrechen, da gibt ihm plötzlich ein Schuss ganz in seiner Nähe neue Hoffnung. Eilig schleicht er zu der Stelle hin. Scharf spähen seine geübten Jägeraugen den monderhellten Wald ab. — Auf einmal entdeckt er vorne zwischen den Baumstämmen eine dunkle Gestalt. Vorsichtig, jeden Baum als Deckung benutzend, pürscht er sich heran. Schussbereit umfassen seine rauen Hände das Gewehr. Noch scheint ihn der Mann nicht erblickt tu haben. Ganz unbekümmert, als gäbe es für ihn keine Gefahr, geht er auf das erlegte Wild zu. In seinen Händen hält jener ebenfalls eine Waffe. Nun hat er das Tier erreicht und beginnt, es aufzubrechen.

 

Langsam schleicht sich der Förster immer dichter heran. Nun ist er nur noch einige zwanzig Meter von dem Wilderer entfernt, da hebt er vorsichtig die Flinte zum Anschlag, und mit barscher Stimme ruft er den Mann an. Ruckartig springt der hinter einen Baumstamm — und dann wird drüben auch das Gewehr hochgerissen. Gerade will der Förster abschießen, da überhuscht spielerisch ein Mondstrahl das Gesicht des Wilddiebs. Mit einem Schmerzensschrei lässt der Förster den Flintenlauf sinken. „Werner, du bist es?“ — Da blitzt es drüben grell auf, donnernd durchrollt der Schuss den Frieden des nächtlichen Winterwaldes. Dem Förster fällt die Waffe aus der Hand, stöhnend fasst er sich nach der Brust, dann sinkt er in sich zusammen.

 

Mit ein paar Sätzen ist Werner bei dem Sterbenden. Durchdringend blicken ihn die milden Augen seines Vaters an. Matt streichelnd fährt die erschlaffende Hand über seine glühenden Wangen. — Tränen stürzen Werner aus den Augen. Heftig schüttelt er den Vater, der die Lider langsam schließt, und inbrünstig flehend ruft er: „Vater, Vater! Hörst du mich nicht mehr? Vater, so melde dich doch . . .“ Müde schlägt da der Förster noch einmal die Augen auf, und mit weicher Stimme, aus der unendlich große Vaterliebe spricht, flüstert er: „Werner, ich wollte doch nur das Beste mit dir . . .“ Dann sinkt sein Haupt zurück in das weiche Totenbuch, in das der raunende Tann eingehüllt ist.

 

 „Vater, Vater!“ ruft Werner noch einmal; aber nur das tiefe Schweigen einer klaren Winternacht antwortet ihm. Lange noch kniet er schluchzend an dem Toten, immer wieder bricht er heftig in Tränen aus. Endlich erhebt er sich und hastet querwaldein zu seinem Motorrad. Eine Weile überlegt er, was er tun soll; dann fasst er aber den Entschluss, niemand etwas von dem Vorfall zu sagen, und so fährt er wieder zurück in die Stadt.

 

Zwei Tage später ruft ihn ein Telegramm nach Hause.

 

Wochen sind verlaufen. Längst hat man den alten Revierförster zur letzten Ruhe getragen, trotz eifriger Bemühungen ist es der Polizei nicht gelungen, den Täter ausfindig zu machen. Wer sollte auch in dem Sohn den Mörder vermuten?!

 

Werner findet jetzt keine Ruhe mehr. Das Studium hat er aufgegeben, da er sich überhaupt nicht mehr zu konzentrieren vermag, Zum Jagen hat er nun auch keine Lust mehr. Am Tage sind es die Gewissensbisse, die ihn martern, und nachts quälen schreckliche Träume, immer staärker wird in ihm das Drängen, sein Geheimnis preiszugeben. Schon mehrmals war er zur Polizei gegangen, um sich selber dort zu stellen; aber wenn er dann an seine verlassene Mutter gedacht hatte, war er in letzter Minute doch stets umgekehrt. Vielleicht war der Gedanke an die Mutter aber auch nur ein Vorwand, um seine innere Feigheit vor sich selbst zu verbergen.

 

Unter diesen seelischen Qualen geht langsam der Winter dahin; der Frühling belebt die Natur, und nun naht bereits der Sommer. Immer näher rückt der Tag heran, an dem seine Mutter das Forsthaus verlassen soll, in dem er geboren wurde und auch aufwuchs. Ein junger Förster soll dort nun einziehen, um das Revier zu betreuen. — Es mögen wohl vierzehn Tage vor dem Auszug sein, da ruft ihn die Mutter in einem Brief nach Hause, in dem fast jede Zeile Spuren ihrer Tränen trägt. Auch ihr fällt das Scheiden von dem Forsthaus und dem Walde schwer.

 

Sofort begibt sich Werner zur Bahn; und als sich der Sommerabend über den Forst senkt, weilt er daheim. Lange hocken sich Mutter und Sohn wortlos gegenüber. Jeder geht seinen eigenen Gedanken nach. Schließlich unterbricht die Mutter das Schweigen: „Werner, jetzt sind schon Monate seit dem Tode des Vaters verronnen, und noch immer weiß man nicht, wer der Täter war. Oft habe ich überlegt, wer wohl hierfür in Frage käme; aber ich konnte keinen finden. Noch einige Tage vor dem Unfall sagte mir dein Vater, er wisse mit ziemlicher Sicherheit, wer im Walde wildere; aber sooft ich ihn auch fragte, er gab mir keine Antwort“. Tränen rollen ihr die Wangen herunter, und in wehe Erinnerungen versunken, schaut sie zu Boden.

 

Werner ist es zumute, als sei ihm die Kehle zugeschnürt. Er möchte sich so gerne von dem Geheimnis befreien. Heftig muss auch er gegen Tränen ankämpfen; und wie sehr er sich auch müht, er kann kein Wort hervorbringen.

 

Während sich die Mutter mit dem Taschentuch die Augen wieder trocknet, fährt sie fort: „Ich verstehe auch gar nicht, dass Vater nicht geschossen hat; denn nach dem Bericht der Polizei kann er nicht überrascht worden sein. Oh, wenn ich nur wüsste, wer dieser ruchlose Mörder war?!“

 

Laut schluchzend fällt da plötzlich Werner vor ihr auf die Knie und vergräbt sein tränenüberströmtes Gesicht in ihrem Schoß. „Mutter“, schluchzt er, „Mutter. . .“

 

Sanft streicht die ahnungslose Frau mit ihrer zarten Hand über das Haupt des Jungen, und mit warmer Stimme versucht sie, ihn zu trösten: „Beruhige dich, Werner; nun ist's geschehen, und wir können nichts mehr daran ändern. Es geht alles so, wie's Gott gefällt. Steh auf, mein Junge, und beruhige dich“.

 

Die weiche Stimme aber löst den Druck von seinem Herzen; unsäglich fließen ihm Tränen, und aus tiefster Seele seufzt er: „O Mutter, wenn du wüsstest . . .“

 

„Was denn, mein Sohn? Was hast du denn?“ „Verzeih‘, Mutter; verzeih mir!“ „Aber was denn, Werner? Was soll ich dir verzeihen?“

 

„Mutter . . . Mutter ... ich bin der ruchlose Mörder. Ich bin es; ja, ich!“

 

Schwer fällt das Haupt der alten Frau auf das ihres Sohnes. „Werner, stöhnt sie, „wie konntest du das nur tun?!“

 

„Ja, Mutter!“ schluchzt er laut auf, „ich war es. — Geh', rufe die Polizei an und verrate mich, bitte, tu es. Ich kann doch nicht mehr leben oder ich muss selbst ein Ende machen“.

 

Lange füllt tiefes Schweigen den Raum, den die Nacht in eine drohende Dunkelheit gehüllt hat. Leise fährt die Mutter dann fort: „Werner, ich werde die Polizei nicht benachrichtigen; niemand soll etwas von dieser Tat zu wissen bekommen. Sei du aber vernünftig und versprich mir, dass du dich nicht noch zu einem Selbstmord hinreißen lässt. Denke an deine alte Mutter, was soll die dann machen? Was für einen Schmerz würdest du ihr dann noch obendrein bereiten?!“

 

Wenige Wochen später bettet man die alte Mutter zur ewigen Ruhe. Der Gram und die Anstrengungen des Umzuges hatten der schwächlichen Frau die letzte Kraft geraubt und sie einem leichten Schlaganfall erliegen lassen.

 

Nachdem das Schicksal Werner nun auch den letzten Trost geraubt hat, verliert er gänzlich die Lust zum Leben. Niemand besitzt er, dem er sein Herzeleid anvertrauen könnte. Alles lastet wie ein Alp auf seiner Seele, den er ständig mit sich herumschleppen muss.

 

Als er an einem herrlichen Sommernachmittag ganz verzagt in seinem Stübchen sitzt, ruft es ihn plötzlich mit aller Macht hinaus ins Freie, in Wald und Flur. Lange zögert er, dann folgt er endlich dem inneren Drang; und mit der Eisenbahn fährt er zum Walde, dessen rauschende Wipfel ihm sein erstes Wiegenlied sangen. Ratternd bringt ihn die Bahn seinem Jugendland näher, und wie er versunken in einer Ecke kauert, tauchen manche schöne Erinnerungen auf. Aber jedes Mal, wenn er an den Vater denkt, hat er dessen grausiges Ende vor Augen, und marternd klingen ihm seine letzten Worte in den Ohren.

 

Bald hat er den Zielbahnhof erreicht, und in wenigen Minuten nimmt ihn erquickende Waldeskühle auf. Teilnahmslos wandert er durch die alten Bestände. Das lustige Musizieren der vielen Waldsänger überhört er; so selbstvergessen ist er, dass alles um ihn herum verschwunden zu sein scheint.

 

Lautlos segeln über ihn in schwindelnder Höhe bauschige, manchmal beinahe unheimlich aussehende Wolkenballen dahin, hinter denen sich ab und an die Sonne für einige Augenblicke versteckt. Langsam gleiten sie über Tal und Hügel, über durstende Wälder, reifende Kornfelder und dörrende Wiesen fernen Weiten entgegen, wo sie sich allmählich zu einer dunklen, drohenden Wolkenwand zusammenschieben. Hin und wieder flammt es sekundenlang in der Wolkenbank auf, und dann dröhnt ein dumpfes Grollen weit über das Land.

 

Inzwischen hat Werner den Ort seiner Mordtat erreicht. Ein schlichtes Holzkreuz mit einem Eichenbruch kennzeichnet die Stelle. Auf einem Stein nimmt er daneben Platz, und alles wird in ihm wieder lebendig.

 

Immer höher schiebt sich das Wolkengebirge am Himmel herauf, vor sich einen heftigen Sturm als Ankündigungsboten sendend. Nun verbirgt sich hinter den finsteren Zacken auch schon die Sonne.

 

Werner ist so tief in Gedanken versunken, dass er von all dem nichts merkt. Erst als das Unwetter über dem Walde losbricht, fährt er erschreckt hoch und eilt ziellos davon.

 

Grelle Feueradern durchpulsen das Wolkengebrodel. Rauschend peitschen Regenböen auf den Wald hernieder und bringen ihm die ersehnte Nässe und Abkühlung nach Wochen unentwegter Dürre. Zischend und gurgelnd tost die Windsbraut durch den Forst. Vor ihr neigen die Bäume ihre Kronen tief zur Erde; es sieht aus, als verbeugten sie sich vor ihr und flehten sie um Gnade an.

 

Der Regen läuft Werner in Strömen das Gesicht herunter. Sein leichter Sommeranzug ist völlig durchnässt. Immer noch hastet er ohne Weg und Steg durch den Wald. Als er den Rand einer Dickung erreicht, steht er mit einem Male vor einem rauschenden Waldbach, der ihm den Weg versperrt. Matt und mit wehem Herzen lehnt er sich an einen Baumstamm und blickt in das trübe Wasser. Was soll er machen? Wie kann er jemals noch glücklich werden? Hat das Leben überhaupt noch einen Sinn für ihn? Oh, wie konnte er auch damals nur diese grausige Tat begehen?! Womit kann er das wieder gut machen? „Vater“, schluchzt er, „wirst du mir jemals verzeihen?!“ — Langsam fasst er in die Rocktasche und holt seine Pistole hervor. Tränen der Reue und des Schmerzes quellen ihm aus den Augen, als er sie schussscharf macht. Hilflos schaut er noch einmal zum düstern Himmel auf; dann senkt er langsam das Haupt, lebensmüde schließt er die Augen und hebt die Pistole.

 

Grell flammt es da im Wolkengebrodel auf, und mit peitschenartigem Knall saust ein Feuerstrahl nieder. Mit ungeheurer Wucht wird Werner zu Boden geschleudert; seine Pistole fliegt ihm aus der Hand und verschwindet aufspritzend im rauschenden Bach . . . Ein stilles Lächeln lag auf dem Gesicht des Toten, als man ihn einige Tage später fand.

 

 

Seite 4   Nehrungswanderung. Von Heinrich Eichen. 

Ich möchte einmal wohl den Weg noch gehen,

Der einsam zwischen Haff und Dünen liegt,

Wenn weiße Wolken hoch im Blauen stehen

Und sich der Sommer in den Lüften wiegt.

 

Du solltest froh an meiner Seite schreiten

Im hellen Sand mit freudeleichtem Schritt,

Wenn alle Wunder, die sich um uns breiten,

Mit leisem Lächeln heimlich wandern mit.

 

Wir würden glücklich unsre Schritte lenken

Verzaubert durch ein erdenfernes Land

Und jeder selig dies dem andern schenken:

Das Haff, die Dünen und den schmalen Strand.

 

 

Seite 5   Der Ästhetiker des Hässlichen. Zum 150. Todestag von Karl Rosenkranz am 23. April 1955.

In Königsberg erschien vor etwa hundert Jahren das Buch eines Königsberger Universitätsprofessors unter dem Titel „Ästhetik des Hässlichen“. Wie, ist Ästhetik nicht die Lehre vom Schönen? Gewiss, aber wie Nichtästhetisches keineswegs immer hässlich ist, so kann Hässliches ästhetisch genießbar und künstlerisch verwendbar sein. Das wies in diesem Buche Professor Karl Rosenkranz nach, einer der Nachfolger Kants an der Albertina und Herausgeber einer zwölfbändigen Ausgabe der Werke Kants, deren letzter seine „Geschichte der Kantschen Philosophie“ enthält. Mit philosophischer Strenge, doch teilnahms- und geistvoll wandte sich Rosenkranz in der „Ästhetik des Hässlichen“ auch den literarischen Erscheinungen jener Zeit zu. Als erster gab er der Kritik des Naturalismus, der damals in den Schriften von Alexis, Gotthelf u. a. zu erwachen begann, treffliche Maßstäbe in die Hand, bestimmte fein dessen Begriffe und gab scharfe Schattenrisse literarischer Persönlichkeiten seiner Zeit. Er gewann mit diesem Werke unmittelbaren Einfluss auf die zeitgenössische Literatur.

 

Zu seinen Schülern gehörten zwei junge Poeten, der spätere Nibelungen-Jordan und der spätere Leipziger Literaturpapst Rudolf Gottschall. Sie machten ihn zum Vertrauten ihrer ersten dichterischen Entwürfe. Selbst Professoren der Universität, wie der Jurist Eduard Simson, der spätere erste deutsche Reichstags- und erste deutsche Reichsgerichtspräsident, hörten mit ihren Schülern die (nachher auch als Bücher erschienenen) Vorlesungen von Rosenkranz über Goethe und Schelling.

 

Der anspruchslose Gelehrte mit dem warmen, überzeugenden Vortrag hauste in einer Dachmansarde, während seine Familie in einem unteren Stockwerk es sich bequem sein ließ. Den neueren Literaturhistorikern hat er nicht nur mit seiner „Ästhetik des Hässlichen“, sondern auch mit einer „Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter“ und einem dreibändigen „Handbuch einer allgemeinen Geschichte der Poesie“ bedeutsam vorgearbeitet. Sein Hauptverdienst aber besteht darin, dass er Kants und Hegels Systeme in einer Reihe von Schriften nachgestaltend zu verallgemeinern vermochte. Damit erfüllte er eine große Aufgabe, indem er die — für Tausende verschlossenen — Siegel der beiden großen Geister löste und sie fruchtbar und befreiend dem Leben vermittelte. Ein volkstümlicheres Verdienst erwarb er sich mit seinem Goethebuche. In ebenso feiner wie pietätvoller Art wurde er der erste wahrhaft bedeutsame Verkünder einer reinen Goethelehre. Heute freilich ist seine Goetheschrift veraltet — könnte aber doch einer neuen, allzu nüchternen und pietätlosen Zeit zum mindesten Begeisterung lehren.

 

Sein weiches und phantasievolles Naturell wies ihn von der Philosophie außer zur Poesie zur Theologie. In seinen theologischen Schriften erklärte er „das wahre Christentum für vernünftig und die Vernunft für christlich“. Humanität sei die Losung des Christentums. Das Ideal der Humanität, so sagt er, wurde bei den Deutschen kosmopolitisch und philanthropisch. Indem sie sich für Vervollkommnung des Menschengeschlechts erwärmen, fühlten sie sich zugleich als Deutsche. Seine „Königsberger Skizzen“ sammelte Rosenkranz in zwei Bänden.

 

Vier Jahrzehnte hat Rosenkranz in der „Stadt der reinen Vernunft“ höchst segensreich gewirkt. 1848 wurde er als vortragender Rat ins preußische Kultusministerium berufen, kehrte aber schon nach einem Jahre in das ihm teure Lehramt nach Königsberg zurück. Im Jahre darauf wurde er vom Wahlkreis Tilsit-Memel in den preußischen Landtag gewählt. Im Jahre 1879 ist er, völlig erblindet, in Königsberg gestorben.

 

In der deutschen Geistesgeschichte steht Karl Rosenkranz da als ein Vermittler zwischen Idee und Wirklichkeit, zwischen Welt- und Zeitgeist, als einer der erfolgreichsten Jugendbildner des vorigen Jahrhunderts, der seine Zeit nicht nur zu begreifen suchte, sondern auch zu bewegen wusste. Paul Wittko.

 

 

Während im Jahre 1954 die Bevölkerungsdichte je qkm in den altpolnischen Gebieten 89 betrug, belief sie sich in den deutschen Ostgebieten nur auf 56 je qkm. In den altpolnischen Gebieten wohnen gegenwärtig 18,7 Millionen, in den deutschen Ostgebieten 5,8 Millionen Menschen.

 

 

Seite 5   Ostpreußen und die „Bücherei des Deutschen Ostens“. Anregungen zur Gründung eines „Vereins der Freunde der Bücherei des Deutschen Ostens“

In einer von der Stadt Herne in Westfalen herausgegebenen Werbeschrift wird als Zweck einer solchen Schrift angegeben, dass der Gast dieser Stadt  „einige Liebe zu ihr schöpfen möge“.

 

Für jeden Heimatvertriebenen ist diese Liebe aber schon deshalb selbstverständlich, weil sie in einer sehr großzügigen Weise die „Bücherei des Deutschen Ostens“ geschaffen hat. Das ist eine kulturelle Tat, für die jeder Heimatvertriebene dieser Stadt nicht dankbar genug sein kann. Denn diese „Bücherei des Deutschen Ostens“ ermöglicht es, jedes nur denkbare Schrifttum aus und über die ostdeutsche Heimat ausgeliehen zu erhalten. Jeder, der sich keine eigene Bibliothek aufbauen kann, hat durch diese Bücherei die Möglichkeit, ein wissenschaftliches, schöngeistiges und erzählendes Werk, das er zu lesen wünscht, zur Hand nehmen zu können. Und das ist nicht etwa eine Sache, die man in Herne so nebenbei abtut, sondern man hat im ehemaligen Amtsgericht eine repräsentative Stätte für die „Bücherei des Deutschen Ostens“ geschaffen, die man als schlechthin vorbildlich bezeichnen kann. Ihr Leiter ist der frühere Direktor der oberschlesischen Landesbibliothek Kauder aus Kattowitz, der zur polnischen Zeit Leiter des Verbandes deutscher Büchereien in Polen war. Seit 1954 wirkt er an dieser 1948 gegründeten und von Frau Krüger, einer gebürtigen Pommeranerin, umsichtig und tatkräftig Zug um Zug zu einem regen Leben erweckten Bücherei.

 

11 250 Bände umfasst zur Zeit der Bestand, der jährlich um etwa 2500 Bände wächst. Bibliotheksdirektor Kauder ist dabei vor allem auf den Ankauf aus ausländischen Antiquariaten angewiesen. Der Hauptlieferant sind dabei die USA. Interessant ist, dass die Ostblockstaaten wohl, um Devisen zu erhalten, die ihnen in die Hände gefallenen Buchbestände, die wir zurücklassen mussten, im Ausland verkaufen, so dass hier eine unschätzbare Möglichkeit zu einer umfassenden Auffüllung und Ergänzung der Bücherei gegeben ist. Dabei ist Bibliotheksdirektor Kauder an seinen Etat gebunden.

 

Sicher würde er es begrüßen, wenn er noch viel mehr Geldmittel in die Hand bekäme, um die noch vielen ungehobenen und wertvollen Schätze auf dem internationalen Büchermarkt heben und nach Herne tragen zu können. Wie wäre es, wenn die einzelnen Landsmannschaften Ostdeutschlands sich zu einem „Verein der Freunde der Bücherei des deutschen Ostens in Herne“ zusammenschließen würden, um eine Plattform für jeden geistig interessierten Heimatvertriebenen zu schaffen, auf der er sich mit Gleichgesinnten zusammenfinden könnte, um sein bescheidenes monatliches Scherflein dazu beizutragen, dass diese „Bücherei des Deutschen Ostens“ noch mehr ausgebaut werden kann als es allein durch die kommunalen und staatlichen Mittel, die bis jetzt zur Verfügung stehen, möglich ist. Einem solchen Verein würden sicher auch die Städte und Gemeinden der Bundesrepublik und die großen Wirtschaftsorganisationen als korporative Mitglieder beitreten.

 

Damit könnte in Herne so etwas entstehen wie eine Deutsche Nationalbibliothek des Deutschen Ostens, die eine bedeutende nationalpolitische Mission erfüllen würde. Von ihr könnten immer wieder Impulse ausgehen, die unseren gesamten Schulunterricht, die Arbeit der Erwachsenenbildung und die Aufklärung des Auslandes über die Deutschheit der uns entrissenen deutschen Ostgebiete jenseits der Oder-Neiße segensreich befruchten würden.

 

Eine solche Nationalbibliothek des Deutschen Ostens wäre eine auch im Ausland nicht zu übersehende Dokumentation unseres unabdingbaren Anspruches auf unsere uns gegen das Prinzip der Menschenrechte bereits zehn Jahre nach der Kapitulation vorenthaltenen Ostdeutschen Heimat! Sie und ein ebenfalls schon längst fälliger Deutscher Nationalpreis für heimatvertriebene ostdeutsche Autoren und Künstler würden bezeugen, dass es uns auch wirklich ernst ist mit diesem unseren Anspruch. Wie sich Salzburg, Bayreuth, Edinburg eine zu einem internationalen Begriff gewordene Tradition geschaffen haben, so müssten sich die Vereinigten Landsmannschaften ein ebenfalls zu einem internationalen Begriff werdendes Kulturzentrum schaffen, und das könnte in Anlehnung an die „Bücherei des Deutschen Ostens“ Herne werden. Herne bietet alle Voraussetzungen, um dort jährlich eine „Ostdeutsche Kulturwoche“ abhalten zu können.

 

Vor mir liegt Nachtrag 3 des „Vorläufigen Bücherverzeichnisses“ der „Bücherei des Deutschen Ostens“ nach dem Stand vom 1. März 1954. Inzwischen sind wieder viele hunderte Bücher hinzugekommen. Aber auch dieser Nachtrag bietet mit 694 Titeln eine Fülle von Stoff für alle, die sich wissenschaftlich mit ihrer alten ostpreußischen Heimat befassen oder die auf Mitgliederversammlungen und kulturellen Veranstaltungen ihren Landsleuten etwas von der ostpreußischen Heimat und ihren Menschen erzählen wollen. Da können wir Wiedersehen feiern mit den unsterblichen Werken ostpreußischen Humors. Robert Johannes „Klops und Glumse aus Keenigsbarg und Ostpreissen“ und sämtliche acht Bände des „Deklamatoriums“. Lau's Heimatbriefe des Dienstmädchens Auguste Oschkenat aus Enderweitschen per Kieselischken“ kann man sich ebenso entleihen, wie seine „Schnabbelbohnen“ und Reichermans „Ut e Kriegstied, e halwet Schock drollge Geschichtkes, tosamme geriemt onn tschoop gestoapelt“, „Ut Noatange, Plattdütsche Spoasskes“, sowie Hedwig Schirmers. „Blaubeere, wat's got's, Blaubeere blau“. Wir lesen auch noch folgende Titel „Lustige Geschichten aus Ostpreußen“, Ernst Gardey „Ostpreußischer Humor“, Egbert Korpjuhn „Riemkes ut Ostpreisse“, Marion Lindt „Schabber-Schabber-Hanne Schneidereit plachandert“.

 

Wer aber seinen Kindern die Sagen und Märchen der ostpreußischen Heimat erzählen und mit ihnen ostpreußische Volkslieder singen und ostpreußisches Brauchtum pflegen will, der findet in der „Bücherei des Deutschen Ostens“ auch das genügende Material. Christian Krollmann, „Ostpreußisches Sagenbuch“, Gerhard Krügel „Ostpreußische Sagen“, Jochen Schmauch „Ost und westpreußischer Märchen- und Sagenborn“. Christian Krollmann „Altpreußische Erzählungen“, Frischbier „Preußische Sprichwörter und volkstümliche Redensarten“, Max Toppen „Aberglauben aus Masuren, mit Märchen und Sagen aus Masuren“. Elisabeth Lemke „Volkstümliches in Ostpreußen“. Hedwig Borowski „Masurische Volkslieder“, Karl Plenzat „Der Liederschrein“, Steinheuser „Ostland. 20 Volkslieder aus Schlesien und Ostpreußen“. W. Schlusnus „Ostpreußische Weihnachtsfeier“.

 

Es müsste einer besonderen Artikelreihe vorbehalten bleiben, über die einzelnen Abteilungen der Bücherei zu schreiben. Hier sollen sicher für manche Monatsversammlungen erwünschte Hinweise auf die im Nachtrag verzeichnete Militärliteratur folgen: Walter Grosse „Ostpreußische Soldaten aus 7 Jahrhunderten“, Becker „Geschichte des 2. Ostpreußischen Grenadier-Regiments Nr. 3“, Czygan „Das Preußische National-Kavallerie-Regiment Königsberg und die Provinz 1313“, Heidrich „Geschichte des 3. Ostpreußischen Feldartillerieregiments Nr. 79“, Dietrich „Geschichte des Grenadier-Regiments König Friedrich der Große (3. Ostpreußisches) Nr. 4“, „Das 1. Masurische Infanterie-Regiment Nr. 146“, „Geschichte des 1. Ermländischen Infanterie-Regiments Nr. 150“, Zipfel „Geschichte des Dragoner-Regiments König Albert von Sachsen (Ostpr.) Nr. 10“, Podszun „Weg und Schicksal der 21. Infanterie-Division“, Buxa „Weg und Schicksal der 11. Infanterie-Division“, Hubatsch „61. Infanterie-Division“, Payk „Die Geschichte der 206. Infanterie-Division“, Gonze „Die Geschichte der 291. Infanterie-Division“. Herbert Schlobies-Unna

 

 

Seite 6   Zehn Jahre Ostpreußische Arztfamilie

Der Familientag 1955 der Ostpreußischen Arztfamilie wird am 4. Und 5. Juni 1955 in Göttingen in besonders festlichem Rahmen gefeiert werden, denn in diesem Jahre begeht die Ostpreußischen Arztfamilie unter ihrem sehr verdienstvollen „pater famillias“ Dr. med. Paul Schroeder –Dänischhagen ihren zehnten Geburtstag. Zu diesem Familientag werden die ostpreußischen Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet, aus Berlin und auch aus der Sowjetzone in großer Zahl nach Göttingen kommen. Auch der Präsident des Deutschen Ärztetages, Prof. Dr. Neuffer, hat seine Teilnahme zu diesem Treffen in Aussicht gestellt.

 

Für die zahlreichen Veranstaltungen ist folgendes Programm vorgesehen:

 

03.06., 20.30 Uhr: im Terrassensaal von Gebhard’s Hotel abendliches Zusammensein aller schon anwesenden Teilnehmer mit Gespräch am Runden Tisch.

 

04.06., 10.30 Uhr: pünktlich in Gebhard’s Hotel Mitgliederversammlung der „Alten Versorgungskasse Ostpreußen (Dr. Becker)“.

 

Tagesordnung:

1.             Geschäftsbericht

2.              Entlastung des Vorstandes

3.             Neuwahl des Vorstandes

4.             Beschlussfassung über die Verwendung der inzwischen bereinigten Wertpapiere des Restvermögens

5.             Verschiedenes

12 Uhr ct. bis 13.30 Uhr Lichtbildervortrag von Prof. Dr. Vogt, Flensburg: „Die Entwicklung der Medizin im Spiegel der Karikatur“. Ort wird noch bekanntgegeben.

16 Uhr ct. bis 18 Uhr Traditions-Festsitzung des Vereins für Wissenschaftliche Heilkunde Königsberg/Pr.

 

Vorträge:

Professor Dr. Mauz, Münster: „Krankheit und Persönlichkeit“. Prof. Dr. Wiesner, Freiburg: „Virchow als Altertumsforscher“.

20 Uhr ct. Festabend der Arztfamilie mit gemeinsamem Abendessen und Tanz in den Hainberg-Gaststätten-Rohns.

 

05.06., 10 Uhr ct. bis 13 Uhr Abhaltung des eigentlichen Familientages in den Hainberg-Gaststätten.

 

Auf der Tagesordnung stehen:

1. Kassen- und Tätigkeitsbericht der Arztfamilie.

2. Vortrag des pater familias: „Zehn Jahre Ostpreußische Arztfamilie“.

3. Festvortrag, für den Thema und Redner noch nicht endgültig feststehen, der aber der Bedeutung des Festtages entsprechend ausfallen wird.

 

Ab 13 Uhr Mittagessen in den Hainberg-Gaststätten, anschließend bei genügender Teilnehmerzahl gemeinsamer Autoausflug.

 

Für die beiden Abendveranstaltungen am 03.06. und 04.06.1955 hat Dr. Alfred Lau, der beliebte und bekannte ostpreußische Mundartdichter, sein Erscheinen und Rezitationen eigener Schöpfungen zugesagt. Auch ein heimatlicher Filmvortrag ist noch vorgesehen.

 

Anmeldung und Quartierwünsche für den Familientag sind umgehend an Herrn Dr. med. Paul Schroeder (24b) Dänischhagen über Kiel zu richten.

 

 

Seite 6   Dr. Ernst Hubert Gallasch 70 Jahre alt.

Dr. Ernst Hubert Gallasch, der alte Landrat des Kreises Danziger Höhe, beging in Hess. Oldendorf am 15. April 1955 seinen 70. Geburtstag.

 

Ein Sohn des Waldes aus der Nähe Berlins, stammt er mütterlicherseits aus dem alten Danziger Kaufmanns- u. Reedergeschlecht der Wegner, die 1806 - 1813 die 7 Leidensjahre Danzigs unter napoleonischer Herrschaft und die Beschießung der Stadt im Ratskeller erlebten, in dem sein Großvater geboren wurde. Der Urgroßvater Joh. Gottlieb Wegner hatte in den 40-er Jahren seine reich mit den Schätzen Indiens beladene Fregatte „Polydor“ durch einen Taifun verloren und verarmte hierdurch. Seine 7 Kinder mussten unter großen Entbehrungen ihr Leben selbst erwerben, teils durch Musikunterricht, teils als Kaufleute im Ausland. Nur einer konnte durch die selbstlose Hilfe der Geschwister studieren und wurde Forstmann und Feldjäger, sein Großvater. Der andere ging als junger Mensch nach Schottland in einen Heringsgroßhandel, kehrte wohlhabend zurück und kaufte als Alterssitz das alte schöne Patrizierhaus Frauengasse 43. Den Nachfahren zog es nach dem ersten Weltkriege in die Stadt seiner Väter, wo er 1920 Magistratsassessor und in schnellem Aufstieg Reg.-Finanzrat, Oberregierungsrat und 1933 Landrat des Höhenkreises wurde. Im Zuge der Aussiedlung vieler Danziger Beamten ging er 1935 ins Reich, zunächst als Landrat des Kreises Breslau, dann als stellv. Polizeipräsident nach Essen und Magdeburg.

 

Jetzt lebt er — körperlich und geistig rüstig — als Verwaltungsanwalt in Hess. Oldendorf bei Hameln (Weser), wo er durch Vorträge im Bund der Danziger die Liebe und Erinnerung an die alte Heimat aufrecht zu erhalten beiträgt und die Natur- und Kulturschönheiten Danzigs wieder auferstehen lässt. Seine Fürsorge gilt vor allem den Vertriebenen Danzigs, Ostpreußens und Schlesiens, denen er durch Rat und Tat hilft und manche Not gelindert hat durch Beschaffung von Wohnung und Existenz. Unvergessen bleibt er den Angehörigen seiner alten Kreise, denen er durch Wegebau und soziale Einrichtungen tatkräftig half. Seine besondere Liebe galt dem Wald und edlem Waidwerk.

 

Der „Ostpreußen-Warte“ ist er bekannt geworden als Verfasser seiner Beiträge über den Vogelzug auf der Kurischen Nehrung und über die Jagden in Rominten und Astrawischken, Kreis Gerdauen.

 

Wir wünschen diesem vitalen Erben alten hanseatischen Unternehmungsgeistes und echter preußischer Überlieferung, dem begeisterten Freund von Wald und See, weiter Gesundheit und Schaffenskraft für die nächsten zehn Lebensjahre! G. J.

 

 

Seite 6   Dr. Gaerte sprach in Rom

Vom 17. bis 23. April fand in Rom der VIII. Internationale Kongress für Religionsgeschichte statt. Wissenschaftler aus ganz Europa, aber auch aus fernerliegenden Erdteilen nahmen daran teil. Als Hauptthema war „Das sakrale Königtum“ herausgestellt. In der Sektion „Heidnische Völker“ sprach u. a. unser Landsmann Landesmuseumsdirektor a. D. Dr. Wilhelm Gaerte - Hannover zum Thema: „Sakrale Herrschaftsform bei den heidnischen Preußen, Litauern und Letten“. Das Referat behandelte die Frage, inwieweit der baltische Priester einen Machteinfluss auf das geistige und weltliche Leben der Balten ausgeübt hat. Es wurden einige neue Forschungsergebnisse an den Tag gelegt; z. B. wurde das Problem des sog. Kriwe, des Oberpriesters der Preußen, unter neuer Perspektive dargestellt. Alte Anschauungen erfuhren berechtigte Ablehnung. Der Vortragende wies nach, dass der baltisch-heidnische Priester nicht nur ein starker maßgebender Faktor im geistig-religiösem Leben war, sondern dass er auch auf wirtschaftlichem Gebiet, ja sogar im Krieg und in der Politik eine tragende Kraft darstellte.

 

 

Allenstein. Die „Woiwodschaftsverwaltung“ wurde angewiesen, zur Sicherstellung der Frühjahrsbestellung der Aktion „Industriearbeiter aufs Land“ jedwede Förderung zuteilwerden zu lassen.

 

 

Seite 6   Norddeutsche Kulturtage 1955

Vom 3. bis 5. Juni 1955 finden in Lüneburg, veranstaltet vom Nordostdeutschen Kulturwerk in Zusammenarbeit mit der Ostdeutschen Akademie, wie alljährlich die Nordostdeutschen Kulturtage statt, die in diesem Jahre besonders der Erinnerung an die 10 Jahre zurückliegende Vertreibung aus dem Osten dienen.

 

Im Programm sind vorgesehen: ein Konzert der westpreußischen Cembalistin Elfriede Otto, eine Dichterlesung von Ina Seidel und ein Vortrag von General a. D. Kurt v. Tippelskirch über den Zusammenbruch der Front im Nordosten sowie ein Vortrag mit farbigen Lichtbildern von Otto Stork über Ostpreußen. Während dieser Kulturtage findet auch eine Tagung der Kulturreferenten der nordostdeutschen Landsmannschaften statt

 

 

Seite 6   Beirat des Göttinger Arbeitskreises tagte.

Am 21. und 22. April fand die diesjährige Beiratssitzung des „Göttinger Arbeitskreises“ ostdeutscher Wissenschaftler in Anwesenheit von Bundesminister Prof. Dr. Oberländer, des Rektors der Göttinger Universität, Prof. Dr. Woermann, sowie Vertretern hoher Regierungsstellen statt. Die Tagung leitete in Vertretung des erkrankten ersten Vorsitzenden, Prof. Dr. Herbert Krauss, der stellvertretende Vorsitzende, Reg. Vizepräsident a. D. Dr. Freiherr von Wrangel. Der Geschäftsführer des Arbeitskreises, Freiherr von Braun, wies in seinem Geschäftsbericht auf die bisher rund 130 selbständigen Publikationen des Arbeitskreises hin. Besonderes Echo haben das Buch von Prof. Dr. Starlinger „Grenzen der Sowjetmacht“ der Bildband „Dokumente europäischer Leistung in den Heimatgebieten der Vertriebenen“ und die „Schriftenreihe“, letztere mit über 85 000 Exemplaren, sowie die „Dokumente der Menschlichkeit“ gefunden. Am ersten Sitzungstag sprach Prof. Dr. Gussmann - Berlin über das Thema „Die Ostpolitik Bismarcks“. Am zweiten Tag gab Prof. Dr. Götz von Selle das Thema des fünften Preisausschreibens des Arbeitskreises bekannt. Es lautet: „Der Beitrag der ostdeutschen Universitäten zur staatspolitischen Erziehung zu Beginn des 19. Jahrhunderts“. Es wurden wiederum drei Preise in Höhe von 1200, 600 und 300 DM ausgesetzt. Abschließend referierte Botschafter a. D. von Dirksen über aktuelle Fragen.

 

 

Prof. Dr. Kurth wurde „Bohnenkönig“

Die aus der „Tafelrunde Immanuel Kants“ hervorgegangene „Gesellschaft der Freunde Kants“ wählte am Tage des Geburtstages des Philosophen traditionsgemäß ihren neuen Vorsitzenden durch ein „Bohnenmahl“. Wer die in eine Torte eingebackene Bohne findet, ist Vorsitzender der Gesellschaft bis zur nächsten Jahrestagung. Als Nachfolger des letzten Bohnenkönigs, des verstorbenen Staatssekretärs a. D. Dr. Ottomar Schreiber, wurde Prof. K. O.Kurth vom Göttinger Arbeitskreis neuer Vorsitzender der Gesellschaft für 1955/56.

 

 

Seite 6   Turn- und Sportverein von 1865 Pr. Holland

Foto: Der Turn- und Sportverein von 1865 Pr. Holland beim Ostpreußentreffen 1954 in Hannover. In der Mitte (eingehakt) von links: Emil Link, letzter Vorsitzender. Käte Engling, Turnwartin. Max Graun, Vorsitzender 1932 – 1939. Alle anderen auf dem Foto namentlich nicht aufgeführt.

Der „Turn- und Sportverein von 1865 Pr. Holland“ wurde, wie schon aus der Jahreszahl ersichtlich, im Jahre 1865 gegründet *), würde also in diesem Jahre (1955) sein 90-jähriges Bestehen begehen können. Aus der ersten Zeit der Gründung lagen nur ganz wenig mündliche und keine schriftlichen Unterlagen vor. Man legte wohl damals auf Überlieferungen nicht viel Wert. Schreiber dieser Zeilen war von 1894 bis 1898 Mitglied des Vereins. Er bestand damals aus einer älteren und einer jüngeren Turnriege und nur wenige Turngeräte standen zur Verfügung. Vorsitzender war der Mühlenbesitzer Rudolf Stach. Von den Turnern jener Jahre lebt heute außer mir nur noch unser Theo Preuß, der seinen Wohnsitz in Berlin-Reinickendorf, Graf-Roedern-Allee 32, hat.

 

Im Jahre 1898 verließ ich Pr. Holland und kehrte erst 1920 zurück. Mein erster Gang war wieder zum Turnverein, da sah das Bild schon etwas anders aus. Die Damenriege war hinzugekommen und auch sonst herrschte reger Turnbetrieb. Bei den Damen war die treibende Kraft die Turnwartin Elfriede Valentin, bei den Männern waren es Fritz Lemke und Ernst Werner. Vorsitzender war Kreisoberinspektor Otto Eisenblätter, der viel zum Aufstieg des Vereins beigetragen hat. Im Jahre 1924 wurde die Turnhalle mit großem Sportplatz errichtet, wobei wir auch die Tatkraft des damaligen Landrats Robert-Tornow nicht vergessen wollen. In die damalige Zeit fiel auch das Kreisturnfest, zu dem Gäste aus fast allen ostpreußischen Städten erschienen waren (1924).

 

Im Jahre 1932 wurde Oberpostinspektor Max Graun Vorsitzender des Vereins; man kann wohl sagen, ein Turner vom Scheitel bis zur Sohle. Sein ganzer Stolz war die „Alte-Herren-Riege“, die er ins Leben gerufen hatte. Auch heute fehlt Max Graun auf keinem Turnfest.

 

Im Jahre 1939 übernahm Buchdruckereibesitzer Emil Link (der Schreiber dieser Zeilen) den Vorsitz. Der Turnbetrieb war in voller Höhe, als der Krieg ausbrach. Fast sämtliche aktiven Turner und Sportler wurden zur Wehrmacht einberufen, übrig blieben nur die Turnerinnen, aber auch diese wurden zur Wehrmacht eingezogen, Weiter kam hinzu, dass uns auch die Turnhalle von der Wehrmacht abgenommen wurde. Als Ersatz erhielten wir eine Halle in der Stadtschule, aber wegen Kohlenmangel war die Heizung unzureichend. Weiter fiel der Nachwuchs der Jugend aus, der von der HJ mit Beschlag belegt wurde.

 

Kreisvorsitzender während der 30-er Jahre war Landrat Joachim Schulz, heute Bürgermeister von Itzehoe, der viel für den Verein getan hat.

 

Es kam das bittere Ende, die Flucht aus unserer ostpreußischen Heimat. Unsere Turnerinnen und Turner sind heute in alle Winde verweht, von der Nordsee bis zum Bodensee, aber mancher Brief flattert noch in meine Stube. Bei den Treffen unserer Heimatstadt treten die Kämpfer wie einst zum Kampf an und gedenken der schönen Stunden in unserer früheren Heimatstadt Pr. Holland.

 

Emil Link, Kalefeld, Kreis Osterode (Harz).

*) Anmerkung: Die Jahreszahl 1865 dürfte irrtümlich dem Vereinsnamen angefügt sein, was auf das Fehlen schriftlicher Unterlagen zurückzuführen sein könnte. Nach den beiden statistischen Jahrbüchern der Turnvereine Deutschlands von Georg Hirth aus den Jahren 1863 und 1865 ist der „Männer-Turn-Verein Pr. Holland“ bereits am 17.07.1861 gegründet worden. Vorsitzender war 1863 Kreisrichter Birnbaum, 1865 Gerichtsassistent Neumann. -O. W.

 

 

Seite 6   Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen

Der Mai ist gekommen! Herzlichste Glückwünsche allen Lenzgeborenen, unter ihnen ganz besonders den 30-jährigen:

 

Cläre Wank, Sensburg (10.05.1955) und

 

Lothar Winter, KMTV Kbg. (22.05.1955),

 

den 40-jährigen:

 

Trude Kieselbach, FrTV Danzig (19.05.1955.),

 

Siegfried Perrey, MKTV Kbg./ Insterburg (28.05.1955) und

 

Gerhard Kirschke , Dzg./Neufw. (30.05.1955),

 

dem 50-jährigen Otto Brausewetter, KMTV Kbg. (30.05.1955),

 

dem 79-jährigen Karl Schüleit, KMTV Kbg./Tilsit (21.05.1955) und

 

dem 81-jährigen Arthur Callwitz, Tgm Danzig (23.05.1955).

 

Das goldene Ehejubiläum

beging am 15.04.1955 Turnbruder Paul Elissat, KMTV Königsberg, mit seiner Gattin in Lübeck, Schattiner Weg 6. Die herzlichsten Glückwünsche der ganzen Turnerfamilie gelten dem Jubelpaar für den weiteren, hoffentlich recht sonnigen Lebensweg.

 

 

Königsberg 700-Jahrfeier! Die Mitglieder des KMTV 1842, des KTC und der anderen Königsberger Turnvereine, die an der 700-Jahrfeier in Duisburg zu Pfingsten und den damit verbundenen Sondertreffen teilnehmen wollen, können Unterkunft in Duisburg für die Festtage nicht durch Vermittlung ihrer Vereinsvertreter, sondern nur durch den Verkehrsverein für die Stadt Duisburg - Abt. Quartieramt Königsberg - erhalten und müssen sich unimittelbar beim Quartieramt melden. Es kosten für eine Nacht Hotelquartier Klasse III 5,-- DM und mehr, Klasse II 8,-- DM und mehr, Klasse I 12,-- DM und mehr, Privatquartier mit einfachem Frühstück 4,50 DM und Strohlager in Schulen 1,-- DM.

 

Dem Königsberger Männer-Turn-Verein von 1842, der sich in Duisburg am 1. Pfingstfeiertag nachmittags im Klubhaus des Tus 1848/49, Margarethenstraße 26, trifft, will sich der Königsberger Turn-Club anschließen.

 

 

Seite 6   Der VfB Königsberg

der älteste Rasensportverein des Ostens, gegründet 1900, legt sein Jahrestreifen 1955 diesmal nach Duisburg. Im Rahmen der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg treffen sich die alten Sportfreunde im Duisburger Stadion. Die große Begrüßungsfeier ist für Samstag, 28. Mai, In der Union-Gaststätte Friedel Schwätzer am Dollplatz ab 20.30 Uhr. Am Pfingstsonntag nehmen die Sportfreunde an der Großveranstaltung der Stadt Duisburg teil, die in dem neuerbauten Sportstadion Duisburg-Wedau ablaufen wird.

 

Die Vereins- und Interessengruppen treffen sich hinterher wieder in den für sie vorgesehenen Tagesräumen.

 

Der Leiter des Kameradschaftsdienstes des VfB Königsberg, Willi Krawzick, Dortmund-Hörde, Nervierstraße 20, hat die Mitglieder des VfB in der eigenen Vereinszeitung — Aprilausgabe 1955 — zur Teilnahme aufgerufen.

 

 

Seite 6   Ostverein für Prüfung von Gebrauchshunden zur Jagd, Königsberg/Pr. gegr. 1896

Auf meinen Aufruf im vorigen Jahr, die Mitglieder des Ostvereins möchten sich bei mir melden, desgl. deren Ehefrauen und Kinder, um über das Schicksal unserer Mitglieder Näheres zu erfahren und den Interessenten vermitteln zu können, sind nur wenige Zuschriften erfolgt. Da auch keine Spenden eingingen und ich von meiner Schwerbeschädigtenrente nicht weitere Ausgaben bestreiten konnte, mussten neue Schritte unterbleiben.

 

Inzwischen habe ich die Verbandstage in Neuenahr und jetzt in Goslar auf Einladung des Verbandes besucht und konnte wertvolle Fühlung aufnehmen. Auch kehrte ich mit einer größeren Spende aus Goslar zurück. In ständiger Verbindung mit unserem alten Mitglied, dem ostpreußischen Meisterschützen Otte Wenck - Hannover und nach Rücksprache mit alten Mitgliedern und Freunden des Vereins in Goslar sind wir zu dem Entschluss gekommen, nunmehr den Ostverein wieder aufzuziehen. Da mir vom Verband Erleichterungen in jeder Beziehung zugesagt wurden, können wir die Kosten niedrig halten. Eintrittsgeld soll nicht erhoben werden, sondern nur ein jährlicher Mindestbeitrag von 2,-- DM. Herzlichst aber wird gebeten, darüber hinaus Spenden einzusenden an Postscheckkonto 871 33 Dortmund: Dr. Otto Gehrmann „Vereinskonto“.

 

Erbeten wird: Ihre Anschrift und kurze Mitteilung über eigenes Ergehen, Verbleib und Schicksal von anderen Mitgliedern und deren Adressen. Einsendung von Vereinsunterlagen Fotos, Suchen- und Versammlungsberichten und Adressen von Interessenten.

Mit Waidmannsheil! Dr. Gehrmann - Gr.-Neumühl, Münster, Norbertstr. 1

 

 

Seite 7   Wann können einem Vertriebenen die Vergünstigungen entzogen werden?

Nach § 13 des Bundesvertriebenengesetzes v. 19.05.1933 (BGBL I S. 201) kann ein Vertriebener oder Flüchtling die ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte und Vergünstigungen nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn er „in das wirtschaftliche und soziale Leben in einem seinen früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zumutbaren Maße“ wieder „eingegliedert“ ist. Diese wegen ihrer finanziellen Auswirkungen für jeden Betroffenen so außerordentlich schwerwiegende Bestimmung lässt viele Zweifelsfragen offen. Denn darüber, wann eine solche Wiedereingliederung anzunehmen ist, kann man im Einzelfall durchaus verschiedener Meinung sein. Insbesondere wird der Betroffene meist einen anderen Standpunkt einnehmen als die in Frage kommenden Behörden, die über die Gewährung der Vergünstigungen zu entscheiden haben. Deshalb war es ein zwingendes Gebot, dass der Bundesvertriebenenminister als zuständige oberste Fachbehörde Richtlinien aufstellte, die bei der Auslegung des Gesetzes zu beachten sind und eine möglichst gleichmäßige Anwendung der Bestimmung in allen Ländern sicherstellen sollen. Diese Richtlinien sind nunmehr veröffentlicht worden.

 

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass, wie im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist, über die Beendigung der Inanspruchnahme der Rechte und Vergünstigungen nur die zentralen Dienststellen der Länder oder die von ihnen bestimmten Behörden zu entscheiden haben. Die für die Gewährung der einzelnen Vergünstigungen zuständigen Behörden (z. B. Finanzämter, Umsiedlungsbehörden usw.) können also nicht von sich aus erklären, dass für einen Vertriebenen oder Flüchtling die Vergünstigungen infolge seiner inzwischen erfolgten Wiedereingliederung in das Wirtschaftsleben wegfallen oder weggefallen sind, sondern müssen abwarten, bis die nach § 13 zuständige Behörde eine Entscheidung getroffen hat. Diese kann übrigens den Wegfall der Vergünstigungen nur für die Zukunft, nicht aber auch für die zurückliegende Zeit aussprechen. Solange also eine Entscheidung nicht vorliegt, ist der Vertriebene bzw. Flüchtling befugt, alle Rechte und Vergünstigungen in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.

 

I.              Welche Fragen sind zu prüfen?

Bei der Entstehung der Frage, ob eine Wiedereingliederung anzunehmen ist, muss von der derzeitigen wirtschaftlichen und sozialen Lage des Vertriebenen oder Flüchtlings ausgegangen und dabei zweierlei geprüft werden, nämlich

 

1. ob der Betroffene eine nach den heutigen allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen gesicherte Existenz verfügt (Eingliederung in das wirtschaftliche und soziale Leben) und

 

2. ob diese Existenz im Vergleich zu seinen früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zumutbar ist.

 

Die gegenwärtige Existenz

Die gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Lage ergibt sich im Wesentlichen aus der Stellung des Vertriebenen oder Flüchtlings im Berufs- und Erwerbsleben und seinem Einkommen hieraus sowie aus seiner Vermögenslage. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Vertriebene oder Flüchtling wieder seinen früheren Beruf ausübt oder diesen gewechselt hat. Insbesondere ist nicht immer entscheidend, ob z. B. ein früherer Angestellter, Beamter oder Arbeiter jetzt eine selbständige Tätigkeit ausübt. Grundsätzlich kann aber davon ausgegangen werden, dass die frühere Art der Erwerbstätigkeit wieder angestrebt wird. Wenn aus objektiven Gründen eine Eingliederung in den früheren Beruf nur beschränkt oder überhaupt nicht möglich ist, kann dies in der Regel nicht zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden, solange er nicht endgültig einen anderen Beruf ergriffen und in diesem eine zumutbare Existenz gefunden hat. Solange also z. B. ein vertriebener Landwirt (wegen Nichtvermehrbarkeit des Bodens) nicht wieder als Landwirt angesetzt werden kann, obwohl er dies anstrebt, können ihm die Vergünstigungen nicht abgesprochen werden, wenn ihm nicht in einem anderen Beruf eine zumutbare Eingliederung gelungen ist.

 

Mit welchen Mitteln der Vertriebene oder Flüchtling seine jetzige Existenz aufgebaut hat, ist an sich unerheblich. Er muss jedoch eigene Mittel grundsätzlich für deren Aufbau einsetzen. Wer das nicht getan hat, muss sich u. U. so behandeln lassen, als ob er „in zumutbarem Maße“ wieder „eingegliedert“ sei. Das Gleiche gilt für Betroffene, die bereits eine gesicherte und zumutbare Existenz hatten, diese aber infolge eigener Schuld, z. B. durch Misswirtschaft oder strafbare Handlungen, wieder verloren haben.

 

Wesentlich ist der Hinweis in den Richtlinien, dass die „mehr oder weniger“ nur „provisorische Eingliederung“ in das Wirtschaftsleben grundsätzlich nicht zur Entziehung der Vergünstigungen führen darf. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass der Vertriebene oder Flüchtling seinen Arbeitsplatz, seine Stellung oder seinen Betrieb längere Zeit innegehabt hat. Bei Arbeitern und Angestellten kann nur dann von Eingliederung gesprochen werden, wenn die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses nach Lage des Betriebes gesichert erscheint. Das ist besonders bei älteren Angestellten zu beachten, die nach Verlust ihres Arbeitsplatzes nur schwer wieder unterkommen. Bei selbständigen Erwerbstätigen muss das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital normalisiert sein. Auch die Empfindlichkeit des Betriebs gegenüber künftigen Konjunkturrückschlägen — die gerade bei Flüchtlingsbetrieben häufiger zu beobachten ist — ist zu berücksichtigen. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob der Betroffene wieder über eigenen Grundbesitz oder eigene Betriebsräume verfügt.

 

Grundsätzlich gehört zu geordneten sozialen Verhältnissen auch das Vorhandensein einer angemessenen mit Mobiliar und sonstigem Hausrat ausgestatteten Familienwohnung, die sich in zumutbarer Entfernung vom Arbeitsplatz befindet. Solange durch den Fortfall der Vergünstigungen (z. B. Kredit, Steuervergünstigungen, bevorzugte Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen, Freistellung von der Rückzahlung von Fürsorgekosten u. a. m.) die bereits erreichte Eingliederung wieder gefährdet werden könnte, darf eine Aberkennung der Vergünstigungen nicht erfolgen.

 

Als in das wirtschaftliche und soziale Leben eingegliedert kann, wie in den Richtlinien ausdrücklich klargestellt ist, nach alledem ein Vertriebener oder Flüchtling nur dann angesehen werden, wenn folgende Fragen zu bejahen sind:

 

a) Verfügt der Vertriebene oder Flüchtling bereits über eine auskömmliche Existenz, d. h. erzielt er durch Verwendung seiner Arbeitskraft oder seines Vermögens Einkünfte in einer Höhe, dass ein ausreichender Unterhalt für sich und seine Familienangehörigen gewährleistet ist?

 

b) Verfügt er über ausreichende Mittel für seine berufliche Existenz (z. B. erforderliche Werkzeuge, Instrumentarium, Betriebsmittel, insbesondere auch Mittel für die notwendigen laufenden Ergänzungsbeschaffungen)?

 

c) Halten sich die Verschuldung und die damit verbundenen Absicherungs- und Tilgungsverpflichtungen, soweit sie mit der wirtschaftlichen Existenz zusammenhängen, in dem für eine derartige Existenz üblichen Rahmen?

 

d) Kann die erreichte Existenz nach allgemeiner wirtschaftlicher Betrachtungsweise als gesichert angesehen werden?

 

e) Verfügt der Vertriebene oder Flüchtling über eine angemessene Wohnung mit Mobiliar und sonstigem Hausrat in zumutbarer Entfernung vom Arbeitsplatz, die auch die Unterbringung der Familie ermöglicht? Liegt eine der vorstehend aufgeführten Voraussetzungen nicht vor, so ist der Betroffene noch nicht als „eingegliedert“ anzusehen, und die Vergünstigungen können ihm daher nicht entzogen werden. Sind dagegen sämtliche Fragen zu bejahen, so ist weiter zu untersuchen, ob die Eingliederung des Vertriebenen oder Flüchtlings im Hinblick auf seine früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse als „zumutbar“ angesehen werden kann.

 

Die Zumutbarkeit der Eingliederung

Unter „früheren“ wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen sind grundsätzlich die Verhältnisse vor der Vertreibung zu verstehen, bei Vertriebenen also die Lage vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsvorgänge. Bei den sogenannten „Umsiedlern“, d. h. den während des zweiten Weltkrieges auf Grund zwischenstaatlicher Verträge oder auf Grund von Maßnahmen deutscher Dienststellen aus außerdeutschen bzw. von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten Umgesiedelten, kommt es auf die Zeit vor der Umsiedlung an. Bei den sogenannten „Aussiedlern“, d. h. den Personen, die nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen die deutschen Ostgebiete oder andere Gebiete jenseits des Eisernen Vorhangs verlassen haben, ist nicht die Lage zur Zeit ihrer Aussiedlung, sondern zu der Zeit zugrunde zu legen, in der die Masse ihrer Landsleute vertrieben wurde. Bei Saarverdrängten ist ihre Lage unmittelbar vor ihrer Ausweisung maßgebend. Bei den Sowjetzonenflüchtlingen und den ihnen Gleichgestellten wird in der Regel von ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage auszugehen sein, im Zeitpunkt der Kapitulation.

 

Bei der Prüfung der Frage, ob der bisher erreichte Eingliederungsstand im Hinblick auf die früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zumutbar ist, muss beachtet werden dass die jetzige Lage den früheren Verhältnissen nicht in vollem Umfang zu entsprechen braucht. Das frühere Einkommen braucht nicht in voller Höhe wieder erreicht zu sein. Es muss aber der Teil des früheren Einkommens erreicht werden, der auf die Dauer zur Bestreitung des Lebensunterhalts verbraucht wurde. Es wird aber nur der Lebenszuschnitt berücksichtigt, der im Allgemeinen dem betreffenden Existenz-Typus (z.B. Arzt, Landwirt, Facharbeiter, Einzelhändler) entspricht. Das frühere Vermögen wird berücksichtigt, soweit es die wirtschaftliche und soziale Stellung des Betroffenen bestimmt hat. Von Bedeutung ist ferner, ob die frühere soziale Stellung wieder erreicht wurde. Von früher selbständig tätig gewesenen, die jetzt in abhängiger Stellung sind, kann dies nicht angenommen werden, sofern sie sich nicht mit der abhängigen Stellung abgefunden haben, eine Selbständigkeit also gar nicht mehr anstreben. Der frühere Beruf spielt gleichfalls bei der Frage der Zumutbarkeit der Wiedereingliederung eine Rolle, besonders wenn für seine Ausübung eine besondere Ausbildung erforderlich war. Die Richtlinien stehen jedoch auf dem Standpunkt, dass, wer in einem anderen Beruf seinen früheren Lebensstandard voll erreicht hat, sofern im Einzelfall nicht besondere Umstände vorliegen, von den Vergünstigungen ausgeschlossen werden kann. Wer sich darauf beruft, dass er gegen seinen Willen und seiner Ansicht nach nur vorübergehend einen anderen Beruf ergriffen habe, kann, wie die Richtlinien ausdrücklich betonen, damit die Entziehung der Vergünstigungen nur verhindern, wenn das Bundesvertriebenengesetz für die Rückkehr in den alten Beruf zweckentsprechende Hilfen vorsieht (so bei Landwirten und selbständigen Gewerbetreibenden). Bei früheren Beamten ist dies nicht der Fall.

 

Als zumutbar kann eine Eingliederung ferner nur dann angesehen werden, wenn der Betroffene auf Grund seiner jetzigen Verhältnisse in der Lage ist, in angemessenem Umfang Vorsorge für das Alter zu treffen. Ebenso ist wesentlich, ob eine den früheren Verhältnissen angemessene Ausbildung der Kinder gewährleistet ist. Endlich muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass viele Vertriebene und Flüchtlinge vor der Vertreibung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und vor allem ihrer sozialen Stellung erst in der Entwicklung begriffen waren. Diese Entwicklungschance darf ihnen durch eine Entziehung der Vergünstigungen nicht genommen werden. Im Zeitpunkt der Vertreibung oder Flucht noch jugendliche Personen können daher die Vergünstigungen nicht verlieren, bevor sie eine von ihnen geplante Berufsausbildung durchlaufen und eine entsprechende wirtschaftliche Existenz erlangt haben. Bei Handwerkern ist zu beachten, dass sich diese früher nach angemessener Zeit selbständig zu machen pflegten. Auch hatten Landarbeiter und nachgeborene Bauernsöhne in vielen Fällen die Möglichkeit, in ihrer Heimat als landwirtschaftliche Siedler angesetzt zu werden.

 

Wie sich aus alledem ergibt, ist die Entscheidung darüber, ob einem Vertriebenen oder Flüchtling die Vergünstigungen aberkannt werden dürfen, von zahlreichen Umständen abhängig, die sorgfältig zu prüfen sind und u. U. eine bis ins einzelne gehende Erörterung der Verhältnisse des Betroffenen voraussetzen.

 

II.            Welche Folgen hat die Entziehung der Vergünstigungen?

Durch die nach § 13 des Gesetzes zu treffende Entscheidung verliert der Betroffene (für die Zukunft) die „Rechte und Vergünstigungen nach diesem Gesetz“. Diese im Einzelnen darzulegen, würde in diesem Zusammenhang zu weit führen. Die Entziehung kann sich jedoch, wie in den Richtlinien ausdrücklich gesagt ist, nicht auf alle Vergünstigungen erstrecken. So darf eine auf Grund des Gesetzes einmal ausgesprochene Zulassung eines Arztes, Zahnarztes oder Dentisten zur Kassenpraxis bei Entziehung der Vergünstigungen nicht wieder zurückgenommen werden. Ferner schreibt das Gesetz die Anerkennung gewisser Prüfungen im Geltungsbereich des Gesetzes vor. Diese Anerkennung bleibt auch nach Wegfall der Vergünstigungen bestehen. Auch hat dieser keinen Einfluss auf die Frage der Familienzusammenführung, die durch das Bundesvertriebenengesetz erleichtert wird. Da die Entscheidung nach § 13 nur für die Zukunft wirkt, ist sie auf Rechte und Vergünstigungen, die bereits vorher in Anspruch genommen wurden, ohne Einfluss. Die vor der Vertreibung begründeten Verbindlichkeiten eines Vertriebenen, die nicht mehr eingeklagt werden können, weil der Gläubiger die Antragsfrist für das Vertragshilfeverfahren versäumt hat, werden daher durch den Entzug der Vergünstigungen nicht zu klagbaren Forderungen.

 

Von großer praktischer Bedeutung ist die Tatsache, dass sich der Wegfall der Vergünstigungen nicht nur auf die im Bundesvertriebenengesetz selbst begründeten Vergünstigungen bezieht, sondern auch auf die künftige Gewährung von Vergünstigungen nach anderen Gesetzen auswirkt, sofern diese ausdrücklich auf das Bundesvertriebenengesetz verweisen. So sind in § 7 a, § 8 e des Einkommensteuergesetzes die Bewertungsfreiheit für bewegliche Wirtschaftsgüter, Fabrikgebäude, Lagerhäuser und landwirtschaftliche Betriebsgebäude und in § 10 die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns davon abhängig gemacht, dass der Steuerpflichtige auf Grund des Bundesvertriebenengesetzes „zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen berechtigt“ ist. Mit dem Wegfall dieser Vergünstigungen verliert er also auch die angeführten Steuervergünstigungen.

 

Anders ist die Rechtslage dagegen, bei der in § 33 a des Einkommensteuergesetzes vorgesehene Gewährung von Freibeträgen für Vertriebene und Flüchtlinge. Die Freibeträge stehen den angegebenen Personenkreisen ohne Rücksicht darauf zu, ob sie auch Vergünstigungen nach dem Bundesvertriebenengesetz beanspruchen können. Die Steuerermäßigung ist in diesem Falle vielmehr lediglich davon abhängig, ob der Steuerpflichtige Vertriebener oder Flüchtling ist. Das ist aber auch nach Entziehung der Vergünstigungen gemäß § 13 der Fall.

 

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die Entziehung der Vergünstigungen keine endgültige Entscheidung darstellt, sondern, wie jeder Verwaltungsakt, auf Grund der Verwaltungsgerichtsgesetze mit den gesetzlichen Rechtsbehelfen angefochten werden kann. Dr. L.

 

 

Erste Rate Hausrathilfe

Nach einer Mitteilung des Bundesausgleichsamtes dürfte das zurzeit laufende Programm in der Hausrathilfe (1. Rate bis einschließlich 50 Punkte, 2. Rate bis einschließlich 75 Punkte, außerdem Sonderfälle) im Wesentlichen erfüllt sein. Mit einer weiteren Freigabe von Anträgen der 1. Rate ist Anfang Mai zu rechnen, zumal bis dahin auch der Wirtschafts- und Finanzplan für das Rechnungsjahr 1955 nach Zustimmung des Kontrollausschusses verabschiedet sein wird.

 

 

Seite 7   Aus den Landsmannschaften

Berchtesgaden. Die Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern hatte die im Altersheim Insula wohnenden Landsleute als ihre Gäste zu Kaffee und Kuchen zu ihrer letzten Sitzung eingeladen. Mit Herrn Dir. Modrow, dem die Vereinigung die Möglichkeit verdankte, die Gäste im Auto zum Hotel Stiftskeller zu bringen, waren erschienen:

 

Frau Harnack, Königsberg,

 

Frau Szameitat, Königsberg,

 

Frau Meyer, Danzig,

 

Fräulein Matthee, Insterburg und

 

Herr Rugage, Insterburg.

 

In seinen Begrüßungsworten kündigte der Vorsitzende ein Programm an, das die Heimatorte der Ehrengäste durch Lied und Wort im Geiste wiedererstehen lassen sollte. Dies geschah auch in ansprechender, heiterer Form durch Mitglieder der Jugendgruppe, ferner durch Frau Wolff, Fräulein Neiß, Herrn Leppert und Herrn Vogel. Besonders geehrt wurden

 

Frau Szameitat, die ihren 80. und

 

Herr Dietrich Kesse, der seinen 75. Geburtstag in diesen Tagen hatte begehen können.

 

Den Abschluss des unterhaltenden Teiles bildete die mit stürmischem Beifall aufgenommene Aufführung des „Kälberbrütens“ von Hans Sachs.

 

Im geschäftlichen Teil wurden die Wahlvorschläge für die Ausschüsse beim Lastenausgleichsamt zusammengestellt. Durch Erheben von den Plätzen ehrte die Versammlung den kürzlich verstorbenen langjährigen Sprecher der Landsmannschaft Pommern, den ehem. Staatssekretär Herbert von Bismarck. Beschlossen wurde, die nächste Zusammenkunft gemeinsam mit den Reichenhaller Landsleuten am 22. Mai in Bischofswiesen durchzuführen.

 

Ost- und Westpreußen in Nürnberg

Am Sonntag, dem 24.04., waren in Nürnberg 28 Delegierte aus sämtlichen Ortsverbänden der Landsmannschaften der Ost- und Westpreußen in Mittelfranken versammelt, um den Bezirksverband für Mittelfranken zu konstituieren. Die Versammlung stand unter dem einmütigen Beschluss, die heimatpolitische Arbeit, für die in absehbarer Zeit wichtige Aufgaben anstehen werden, zu intensivieren. Daraus ergibt sich zwangsläufig, besonders für die ländlichen Gruppen, die Notwendigkeit eines engeren Zusammenschlusses zur gegenseitigen Anregung und Befruchtung.

 

Im Vordergrund stand ferner die durch das Entgegenkommen des Bayerischen Bauernverbandes ermöglichte Verschickung erholungsbedürftiger Kinder. Auch die „Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit“ und der „Schwedische Pfadfinderbund“ haben sich bereit erklärt, „Ferienkinder“ der Landsmannschaft in Frankreich bzw. in Schweden unterzubringen.

 

Als Bezirksvorsitzender wurde einstimmig gewählt: Baumeister Paul Mex, Nürnberg, als Stellvertreter Stadtrat Fritz Mangel, Ansbach, als Pressewart und Organisationsleiter: Oberst a. D. Walter Böhnke, Nürnberg. Die Geschäftsstelle befindet sich in Nürnberg, Kressengartenstr. 18 b, Baumeister Mex.

 

 

Remscheid Patenstadt für Sensburg

Aus Anlass der Patenschaftsübernahme der Stadt Remscheid über den ostpreußischen Kreis Sensburg übernahm der Kreisvertreter von Sensburg, Freiherr von Ketelholdt, kürzlich in einer Festsitzung eine Urkunde aus der Hand des Remscheider Oberbürgermeisters.

 

 

Der Kreisvertreter von Gumbinnen gab bekannt, dass die Patenstadt Bielefeld Paketsendungen an die noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Gumbinner Landsleute schicken will.

 

 

Eine erfolgreiche erste Zusammenkunft ostpreußischer Studenten der Freien Universität Berlin mit Vertretern der Landsmannschaft unter ihrem Berliner Vorsitzenden Dr. Matthee diente der Verbesserung der materiellen Lage der Studenten. Studienbeihilfen, Fragen des Studentenwerkes, Spendenaktionen, Ferienaufenthalte und die Beschaffung von Fachliteratur wurden behandelt.

 

 

Die LM Ostpreußen Hannover veranstaltete eine 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in Anwesenheit der greisen Dichterin Agnes Miegel. Die Festansprache hielt Dr. Gehrmann von der Ostpreußischen Akademie Lünebrug.

 

 

Seite 7   600 Trakehner Stuten

Nach dem Geschäftsbericht des Trakehner-Züchterverbandes beträgt der Bestand an Trakehner Stuten rund 600. 47 Pferde ostpreußischer Abstammung sind im Verzeichnis der erfolgreichen Turnierpferde ausgezeichnet. Während der DLG-Sonderausstellung in München wird eine Kollektion ostpreußischer Edelpferde wiederum vertreten sein.

 

 

 

Seite 8   Fotos: Entenjagd auf dem Mauersee

Unser herrliches Masuren, war auch für alle Jagdfreunde ein Paradies auf Erden. Die unzähligen Seen boten besonders der Wasserjagd ein weites Gebiet. Unsere Bilder — sie mögen wohl vor Jahrzehnten aufgenommen worden sein — zeigen eine Bootsflottille auf der Fahrt zur Entenjagd auf dem Mauersee. Aufn.; Fr. Wiemers

 

 

Seite 8   Rastenburg. Chronik von Kreis und Stadt. Im Selbstverlag der Vereinigung der Rastenburger herausgegeben von Martin Modricker.

Nach Osterode hat jetzt auch die Rastenburger Kreisgemeinschaft in einem Büchlein von fast 90 Seiten der engeren Heimat ein Denkmal gesetzt.

 

Schon das Äußere des Buches mutet den alten Rastenburger heimatlich an; denn der Einband trägt die vertraute blaue Farbe der Mützen, die wir einst voller Stolz durch die Straßen der alten Stadt führten, wenn sich uns die Pforten des ehrwürdigen Herzog-Albrecht-Gymnasiums geöffnet hatten.

 

In mehreren Aufsätzen wird ein Bild der äußeren Geschichte und der inneren Entwicklung des 600 Jahre alten Gemeinwesens gegeben. Der schönen, wuchtigen Ordenskirche, welche die Augen jedes Reisenden schon von ferne auf sich zog, wird ein besonderes Kapitel gewidmet, ebenso den Volksschulen, dem alten Gymnasium, dem Oberlyzeum und dem kulturellen Leben.

 

Ein Spaziergang durch die Stadt führt den, der seiner Heimat gern gedenkt, zurück durch die schmalen Straßen der Altstadt und zeigt, wie Überkommenes sinnvoll umgeschaffen wurde, wie eine planende Stadtverwaltung neue Straßenzüge und gesunde Siedlungen erbaut und dem arbeitenden Menschen Stätten der Erholung an der Guber und am Oberteich gegeben hat.

 

Besondere Abrisse werden einigen Familien gewidmet, die in vergangenen Zeiten für die Stadt oder den Kreis gelebt und gewirkt haben: den Hippels, den Eulenburgs und den Gröbens.

 

Das Büchlein schließt mit einer kurzen, ansprechenden Würdigung des Dichters Arno Holz. Auf wenigen Seiten werden mit tiefer Sachkenntnis Eigenart und Bedeutung unseres Landsmannes dem Leser vor Augen geführt. Einige Stellen aus seinen Werken lassen uns das Städtchen mit seinem geruhigen Leben in den 70-er Jahren schauen.

 

Alles in allem lässt sich sagen:

 

Das Werk, das Walter Luckenbach noch in der Heimat begann, ist beendet. Er plante zusammen mit Arthur Springfeld eine umfassende Geschichte der Stadt und des Kreises. Auf Grund seiner tiefgründigen und langjährigen Forschungen hätte er der Wissenschaft über die ältere Geschichte der Stadt sicher noch manches mehr sagen können. Der Krieg und sein Tod beendeten allzu früh seine Arbeit. Doch bringt das vorliegende Buch dem, der sich ein klares Bild von dem Schaffen unserer Väter machen will, und dem, der sein Wissen um deutsche Arbeit und deutsches Ringen im Osten für den Kampf um das Recht auf unsere Heimat einsetzen will, reichen Stoff. Alle und besonders diejenigen, welche sich im Geiste zurückführen lassen wollen zu den vertrauten Plätzen der Heimat, werden das kleine Buch immer wieder gerne zur Hand nehmen, zumal es eine Reihe sehr hübscher Bilder bringt.

 

Besonders wertvoll ist das Buch für die Zeit, wo der Herausgeber, der selbst jahrelang im öffentlichen Leben der Stadt gestanden und für ihr Wohl gewirkt hat, aus eigenem Erleben und den Erzählungen seines Vaters schöpfen konnte: für die zweite Hälfte des vorigen und die erste Hälfte dieses Jahrhunderts.

 

Geboren ist das Büchlein aus der Liebe zur angestammten Heimat. Unsere Landsmannschaft und die Kreisgemeinschaften sind es, die durch ihren festen Zusammenschluss eine solche Arbeit erst ermöglichen. So gilt auch für dieses Buch, was unser verewigter Dr. Ottomar Schreiber einige Monate vor seinem Tode an den Verfasser dieses kleinen Hinweises schrieb:

 

„Das Buch ist mir ein Beweis dafür, dass mit immer größerem Interesse und auch mit wachsenden Möglichkeiten die Arbeit der Heimatkreise von Jahr zu Jahr erfolgreicher wird. Ich habe, wie Sie wissen, seit jeher auf diese echten Zellen des landsmannschaftlichen Lebens allergrößten Wert gelegt“. Dr. Kowalski

 

 

Seite 8   Ostforschung verhilf zu neuem Geschichtsbild

Der Vorsitzende der Gesellschaft für Osteuropakunde, Staatssekretär a. D. Dr. Wende, entwickelte auf einer Arbeitstagung der Grenzlandvolkshochschule in Tirschenreuth kürzlich wesentliche Gedanken über das Problem „Osteuropa in der Forschung und Erwachsenenbildung“. Dr. Wende ist gebürtiger Ostdeutscher, war als Staatssekretär im Reichskultusministerium und nach Bildung der Bonner Regierung als Leiter der Kulturabteilung des Bonner Innenministeriums am Aufbau der deutschen Ostforschung maßgeblich beteiligt.

 

Nachstehend geben wir eine zusammenfassende Darstellung der Ausführungen von Dr. Wende als Auszug wieder.

 

Solange Preußen und das Reich keine Kolonien hatten, beschränkte sich das staatliche Interesse an der Ostforschung auf die wissenschaftliche Behandlung der entsprechenden Disziplinen, die mit dem Osten befasst waren. Das deutsche Geschichtsbild war ausschließlich nach dem Westen und Süden orientiert. Vollends war der deutsche Bildungsbegriff vom Westen her bestimmt; der starke Einfluss der russischen Literatur — Tolstoi, Dostojewski, Gogol, Turgeniew, Gorki — blieb auf das Schrifttum beschränkt und ohne Breitenwirkung. Der Binnendeutsche wurde ostfremd erzogen; erst der erste Weltkrieg brachte durch das Vorrücken deutscher Truppen in Polen, Galizien, der Ukraine und dem Balkan weite Teile der Bevölkerung in Berührung mit unseren Streusiedlungen, von deren Bestehen der Durchschnittsdeutsche vorher kaum etwas gewusst hatte.

 

Überhaupt wurde die Bedeutung der Auslandskunde für die Heranbildung der Führungsschicht eines angehenden Weltvolkes erstaunlich spät erkannt. Zwar hatte das Hereinwachsen des Reiches in die große Politik und Weltwirtschaft einen zunehmenden Bedarf an auslandskundigen Beamten, Diplomaten, Kaufleuten zur Folge, und unsere Orientbeziehungen und -pläne führten schließlich auch zur Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen in Berlin. Aber erst der Weltkrieg machte es unseren verantwortlichen Staatsmännern sinnfällig, dass zum Weltvolk nicht bloß auslandskundige Diplomaten und Kaufleute notwendig sind, sondern dass dazu auch Bildungsanstalten gehören, die in der Lage sind, die Elite des Volkes für weltweite Aufgaben zu erziehen. In einer Denkschrift aus dem Jahre 1916 wurde für die zu diesem Zwecke zu gründenden Anstalten drei Ziele aufgestellt: die Vermittlung einer wissenschaftlichen Auslandskunde, die praktische Schulung von Beamten und Diplomaten sowie die Weckung eines allgemeinen außenpolitischen Interesses und Verständnisses bei der Bevölkerung. Endzweck dieser Bemühungen sollte sein, die Auslandskunde zum Gegenstand allgemeiner akademischer Bildung zu machen und auf eine umfassende und lebensnahe Behandlung der einschlägigen Fachdisziplinen auch auf den deutschen Hochschulen hinzuwirken.

 

Nun hatten die deutschen Hochschulen auch nach der Einigung von 1871 ihren landsmannschaftlichen Charakter bewahrt. Sie blieben Landesuniversitäten, die — entsprechend ihrer Tradition — eine gewisse Schwerpunktforschung pflegten. So spannen sich von Göttingen alte Bindungen zu den britischen Inseln. Bonn galt seit der Romantik als Vorort der Romanistik und Frankreichkunde, die Universität Königsberg machte sich die Erforschung der baltischen Sprachen zur besonderen Aufgabe, Breslau wurde zum deutschen Zentrum für die Erforschung Polens. Politisch gesehen lagen die Dinge bis 1918 einfach: der Osten bedeutete im Wesentlichen das russische Reich, mit dem Preußen seit den Teilungen Polens eine gemeinsame Grenze hatte.

 

Die Situation änderte sich, als sich nach dem ersten Weltkrieg zwischen dem Weißen und Schwarzen Meer eine Reihe selbständiger Staaten bildeten, die alle bemüht waren, ihre Eigenständigkeit auch kulturell und geistig zu unterbauen, an deren Entstehen Deutschland auf irgendeine Weise beteiligt war und wo es galt, sich nicht nur um politische Interessen, sondern vielfach auch um die Lebensrechte der dort ansässigen Landsleute zu kümmern. So ergab sich verstärkt die Notwendigkeit, die Ostforschung zu aktivieren und den Arbeitskreis der Institute auch auf Wirtschaft, Recht, politische und soziale Verhältnisse in diesen Ländern auszudehnen.

 

Die Vertreter der strengen Universitätstradition zeigten sich von dieser Ausweitung der Aufgaben nicht erbaut. Ebenso begegnete die Arbeit der Ostinstitute bei den politischen Parteien Bedenken. Die Sozialisten sahen in der Russlandforschung eine unerfreuliche Berührung mit der kommunistischen Welt, und die konfessionell orientierten Parteien hatten gleichfalls Bedenken gegen das Studium eines Regimes, in dessen Augen die Religion Opium für das Volk war. Trotzdem haben sich die Ostinstitute nach dem Kriege gut entwickelt, und die Aufmerksamkeit, womit namentlich die Polen ihre Arbeit verfolgten, sprach für die Wirksamkeit ihrer Leistung.

 

Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg war an eine Wiederaufnahme der Ostforschung nicht zu denken. Preußen, der Träger all dieser Institute vor dem Kriege, war vernichtet und aufgeteilt, die neuen westdeutschen Länder hatten mit Ausnahme Bayerns keine Ansätze für Lehr- oder Forschungsstätten über den Osten. Erst allmählich begann sich die Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Forschung auch in Westdeutschland durchzusetzen. Gegenwartsforschung liegt im Zuge der Zeit und selbst an den Universitäten gewinnt die Überzeugung an Boden, dass Wirklichkeitsnähe eines Forschungsvorhabens seinen Wert und Rang keineswegs herabsetzt. Die Zulässigkeit einer bedingten Zweckforschung wird kaum mehr ernstlich bestritten, wenn für sie absolute Wahrheitsliebe oberster Grundsatz bleibt. Auch hat man inzwischen eingesehen, dass die politische Verwendbarkeit eines Forschungsergebnisses keine Einschränkung seines Erkenntniswertes bedeutet, denn jeder wissenschaftliche Beitrag von Wert kommt ganz allgemein auch der Kultur zugute; im friedlichen Wettbewerb der Regionalkulturen Europas aber liegt eine wesentliche Chance für die Erhaltung des Friedens.

 

Die wichtigsten Stützen der Ostwissenschaft sind Linguistik und Geschichte. Es gibt heute in Westdeutschland neun planmäßige Lehrstühle für Ostsprachen und vier für osteuropäische Geschichte, zwei Lehrstühle für Volks- und Völkerkunde, zwei für Kirchengeschichte, zwei für Byzantinistik, einen für Ostgeographie und Landeskunde, einen für osteuropäisches Recht und einen für Ostwirtschaft. Schlimm ist es noch um die naturwissenschaftlichen Disziplinen bestellt; lediglich in Medizin hat ein Berliner Arzt eine Sammlung aus sowjetischen Fachpublikationen angelegt und erteilt auf Anfragen Auskünfte. Die drüben stärkstens geförderten technischen Wissenschaften sowie die russische Biologie werden von keiner westdeutschen Stelle systematisch verfolgt.

 

Die Leistungen der einzelnen westdeutschen Länder für die Ostforschung sind sehr unterschiedlich. Ein einheitliches Programm fehlt. Erst 1953 einigten sich die Länderkultusminister und die Universitäten darauf, durch einen Sonderausschuss prüfen zu lassen, was noch notwendig sei. Erschwerend kommt hinzu, dass den Westdeutschen das Gefühl und die Erfahrung für den Osten fehlen — das Trauma des Russlandkrieges und seine Folgen sind kein Ersatz dafür — und dass unter den deutschen Ländern nur Preußen und Österreich ein Ostproblem kannten, eine Ostpolitik betrieben haben.

 

Man kann auch nicht ohne weiteres an die Traditionen der alten deutschen Ostforschung anknüpfen. Die Ostkonzeptionen, wie sie vor dem Kriege bestanden, wurden vom Nationalsozialismus missbraucht. Außerdem haben sich im letzten Jahrzehnt in den Nachbarräumen Deutschlands soziale und politische Umwälzungen größten Ausmaßes vollzogen. Wir stehen sowohl in Bezug auf unsere eigene Geschichte als auch im Hinblick auf den Osten vor einem Prozess des Umdenkens aller gewohnten Begriffe, der sich mit organisatorischen Maßnahmen allein kaum beschleunigen lässt. Der Ausbau der Ostforschung nach dem Kriege hängt aufs engste mit der Ausbildung eines neuen deutschen Geschichtsbildes zusammen. Wir werden dieses Geschichtsbild, gerade was den Osten anbelangt, nie aus der Tradition des zweiten Reiches oder des Weimarer Staates allein gewinnen können. Hier gilt es auch alle Erfahrungen einzubringen, die gerade in der österreichischen Entwicklung beschlossen liegen. Auch dies wäre ein Anliegen der Vertriebenen aus diesen Gebieten, das noch viel zu wenig beachtet worden ist.

 

 

Seite 8   Bild von Käthe Kollwitz

Käthe Kollwitz. Vor zehn Jahren — am 22. April — starb Ostpreußens große Graphikerin und Bildhauerin in Moritzburg bei Dresden

 

 

Seite 8   Libanon und die Welt

Die soeben erschienene neue Doppelnummer der „Mitteilungen des Instituts für Auslandsbeziehungen“ berichtet in ihrem ersten Teil über die Republik Libanon, dieses kleine, am Ostufer des Mittelmeeres gelegene Land. Beitrage über die sechstausend Jahre alte Geschichte dieses Gebietes, über die Landschaft und die Menschen, über die kulturellen Beziehungen zu uns Deutschen in alter und neuer Zeit, über die Wirtschaft in diesem Lande heute, gestern und morgen, geben dem Leser eine geschlossene und interessante Übersicht.

 

Der zweite Teil des Heftes besteht aus verschiedenen Aufsätzen, die alle in gewissem Sinne die internationale Kulturarbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen unterstreichen. Hervorzuheben sind die Ausführungen von Friedrich Heiler, Marburg, über die Zusammenarbeit der Christenheit mit den außerchristlichen Religionsgemeinschaften — ein Problem, das, unabhängig vom persönlichen Standpunkt, größte Beachtung fordert — sowie der Aufsatz von E. Umlauff, Frankfurt am Main, über die Verbreitung des deutschen Buches im Ausland, mit statistischen Angaben.

 

Unmittelbar nach Erscheinen dieses Heftes wird auch die angekündigte Zeitschriften-Sondernummer herauskommen, in der ein äußerst fesselnder Überblick gegeben wird über die kulturellen Zeitschriften aus siebzig verschiedenen Ländern aller Erdteile.

 

 

Seite 9   Seuchenzeiten in Königsberg

„Die wilde Pest heert weit und breit

Mit Leichen ist die Welt bestreut.

Schon manchen Toten deckt kein Grab,

Der’s graben wollt‘, sank selbst hinab“.

 

So lautet ein altes Pestlied. Der Osten ist, wie alle Länder Europas, immer wieder „von der Pest“ heimgesucht worden. Freilich war es nicht immer die gleiche Krankheit, denn früher wurde jede ansteckende Krankheit, die plötzlich auftrat und rasch viele Todesopfer forderte, einfach „Pest“ genannt. Jene Grippe, die nach dem ersten Weltkrieg mehr Opfer in der Welt forderte, als der Krieg, und die Cholera im 19. Jahrhundert wären vordem auch als Pest überliefert worden. Desgleichen das große Sterben nach dem zweiten Weltkrieg, wie es gerade in der ostpreußischen Metropole geschah. Die Geschichte wiederholt sich oft.

 

Schlimm waren die Jahre 1708 bis 1710 in Königsberg. Aus einem Bericht des Königsberger Sanitätskollegiums vom 19. November 1709 entnehmen wir: Die Leute fallen dahin wie das Laub von Bäumen, wie Fliegen beim herannahenden Froste vor Hunger und Schrecken. Es laufen fast täglich Nachrichten ein wegen an noch säugender Kinder, dass dieselben in infizierten Häusern hilflos liegen, daselbst verschmachten und umkommen. — Auch tun die Geistlichen diesen Bericht, dass schon jetzt manchem der Strick oder das Messer nur mit Gewalt den Händen entwunden werden kann. Und hierzu berichtet der Königsberger Pestprediger Rausch: Heute und gestern war ich in der Bandschneidergasse, in einer Stube, da sie alle ausgestorben, wo zwei Kinder tot auf der Erde und eins in Agonie lag. Die Person, die da sollte berichtet werden, lag auf einer Bank aus Mangel an Betten und musste ich, um ihr das Abendmahl zu reichen, die Toten mit dem Fuße aus dem Wege räumen.

 

Grausige Überfälle und Anschläge werden uns aus der Zeit nach 1945 von Königsberg geschildert. Ähnlich ist es schon vor 2 ½ Jahrhunderten gewesen; denn die Behörden sahen sich veranlasst, folgende Verordnungen zu erlassen: Weil es sich ausgewiesen, dass des Abends Handwerksleute in Mänteln vermummt, die Vorbeigehenden häufig überfallen und ihnen die Almosen mit Gewalt nahmen, sowie in die infizierten Häuser eindringen und vielfältige Diebereien an infizierten Personen verüben, auch andere Gottlosigkeiten desto freier verrichten, weil solche Delinquenten meinen, dass man sie nicht bestrafen könnte, wo man nicht die Gefängnisse durch sie anstecken wollte, so haben wir in Sonderheit für sehr nützlich befunden, solche Verbrecher in das Pesthaus zu bringen und daselbst zur Verrichtung der unflätigen Arbeiten, als Wegbringen der Exkremente, Zumachen der Gräber, Verpflegung der im Pesthause befindlichen Kranken und sonsten pro qualitate ihres Verbrechens bestrafen lassen, als wodurch wir nicht allein den bekannten Banditen Bluhm, sondern auch insonderheit die Infamie, aus lauter Dieben bestehende Hermannsche Bande gänzlich aufgehoben und unschädlich gemacht haben.

 

Aber Notzeiten erwecken auch gute Seiten, im Diarium des Königsberger Grube steht folgende Aufzeichnung: Gott erweckte viele Wohltäter, dass, da das Getreide so teuer gewesen, dennoch sich Leute gefunden, die zu ganzen oder halben Lasten Korn, in gleichen Gerste, Bier, Brot und Gold geschenkt haben. Im Kneiphof ist manchen Sonntag von den Kanzeln für so reiche Wohltaten gedankt, die mehr als 500 Rthl. importiert. Arme Leute haben nach Vermögen in den Klingelsäckel eingelegt, und die Umgänge mit den Schalen haben auch reichlich getragen, dass davon für die Armen haben Särge gemacht werden können. Auch ist in den Apotheken den Armen zugute die Arznei gegeben worden.

 

Als sich die furchtbare Seuche dem Ende zuneigte, dichtete im Frühjahr 1710 der Königsberger Pestchirurgus Dr. Emmerich nachfolgende Verse:

 

„Gottlob, das Pesthaus ist von allen Kranken frei.

In unserm Sprengel stirbet kaum einer oder zwei.

Der Kantor klaget schon: „Es gibet keine Leichen“.

Der Arme gibet nichts und nichts sterbt von den Reichen.

Ich halte sonsten viel von einem Gläschen Bier,

Doch wenn kein Toter ist, so reichet man nichts mir.

Der Priester gleichfalls hat nicht sonderlich zu danken.

Es fangen sich vielmehr zu paaren an die Kranken.

Marcoly ist verliebt in Nuckel, seine Braut.

Der Pestgroßvater ist mit seiner Busch getraut.

Der Schreiber Fabian mit Morgens seiner Grethen,

Die wollen männlich sich, doch ohne Blut ertöten.

Es suchen alle schon die Scharte auszuwetzen

Und der Verstorbenen ihr Anzahl zu ersetzen“.

 

Soweit die historischen Tatsachen. Henneberger berichtet eine Begebenheit: „Der Erstgeborene an der Pest frisst den andern“, die man in das Gebiet der Sage verweisen muss. Er erzählt: Anno 1564 war ein Landsterben und es starben damals in zwei zu dem Königsberger Löbenicht gehörigen Dörfern viele Leute, da kamen drei Bauern zu dem dortigen Pfarrer Henneberger und baten um ein Begräbnis, aber an einem von ihnen bestimmten Orte. Das Begräbnis ließ er ihnen zu, den Ort aber schlug er ihnen ab, denn der Schulmeister hatte ihm geklagt, dass sie ihm die Hintertüre mit Todten also vergruben, dass er nicht wohl auf den Kirchhof zum Läuten kommen könne, da sie doch sonst Raum genug hätten. Da sagten sie dem Prediger die Ursache, wie man ihnen berichtet, dass die erste Person, die in einem Orte in der Pestilenzzeit stürbe, im Grabe aufsitze und den Laken fresse, und so lange sie zu fressen habe, solle es an dem Orte nicht aufhören zu sterben, solches wäre da und da auch geschehen, sie hätten den und den also sitzend und fressend gefunden, da hätten sie ihm mit dem Spaten den Hals abgestochen und da habe es aufgehört. Henneberger aber redete ihnen zu, dass die Pestilenz eine Strafe Gottes um ihrer Sünden willen sei, und belehrte sie, dass sie ihre Todten an einer andern Stelle des Kirchhofs begruben, und der Herrgott half, dass dies die letzte Person war, so in dem Sprengel an der Krankheit starb.

 

In einem anderen Sprengel war der Erstgeborene auf einem Acker begraben worden, denn er hatte sich nie zu Gottes Tische begeben. Diesen hatten Etliche heimlich ausgegraben und ihn sitzend gefunden, das Laken fressend, dem hatten sie den Hals abgestochen, dass sein Blut die Aufgräber besprengte, wie sie denn vom leidigen Teufel verblendet nichts anderes sehen konnten. Aber es bekam ihnen übel, denn sie fanden zu Hause überall kranke Leute und es starben hernach viel mehr denn zuvor, weil in dem Reviere nur sechs Ackerbürger und etliche Gärtner wohnten, und gleichwohl 49 Personen daraus starben, ohne die, welche sie aufs Feld begraben hatten.

 

Dieselbe Historie hat Noverius, ein Magister, gen Wittenberg an Dr. Martin Luther geschrieben, dass ein Weib aus seinem Orte gestorben, fresse sie sich selbst im Grabe auf und darum wären bald alle daselbst gestorben. Hermann Bink.

 

 

Seite 9   Ludwig Aegidi, ein treuer Anhänger und Mitarbeiter Bismarcks, wurde am 10. April 1825 in Tilsit geboren. Sein Vater, ein namhafter homöopathischer Arzt, war Leibarzt des Prinzen von Preußen gewesen und praktizierte seit 1835 in Königsberg, wo Ludwig Gymnasium und Universität zum Rechtsstudium besuchte. Er setzte seine Studien in Heidelberg fort und beendete sie in Berlin. Er wurde dann Sekretär der preußischen Minister Auerswald und Dönhoff und war einer der eifrigsten Mitarbeiter der „Konstitutionellen Zeitung“. 1853 habilitierte er sich in Göttingen für Rechtsenyklopädie, Kirchen-, Staats- und Völkerrecht. Schon im Jahre darauf wurde er außerordentlicher Professor in Erlangen. 1859 folgte er dem Rufe als Professor am akademischen Gymnasium in Hamburg. Dort gründete er 1861 „Das Staatsarchiv, eine Sammlung offizieller Aktenstücke zur Geschichte der Gegenwart“. 1868 ging er als ordentlicher Professor des Staatsrechts nach Bonn. Im Kriege 1870 rief er einen Nothelferverein ins Leben und rückte mit einem Teile der Mitglieder ins Feld. Bei diesen Samariterdiensten zog er sich ein unheilbares Fußleiden zu.

 

1871 zog Bismarck ihn als vortragenden Rat in die politische Abteilung des Auswärtigen Amtes als Pressedezernenten. Diesen schwierigen und undankbaren Posten bekleidete er zu Bismarcks Zufriedenheit bis zum Jahre 1877, worauf er zu seiner akademischen Tätigkeit als juristischer Professor an der Berliner Universität zurückkehrte. Bis zu seinem Tode im Jahre 1901 hat er sie ausgeübt.

 

Er war auch einer der Gründer des Nationalvereins und gehörte als Freikonservativer dem Norddeutschen Reichstage 1867/1868 sowie dem preußischen Abgeordnetenhaus 1873/1893 an. Paul Wittko

 

 

 

Seite 9   Erinnerungen an Wilhelm v. Drigalski

Vor fünf Jahren, am 12. Mai 1950, starb der langjährige Berliner Stadtrat Medizinalrat Professor Dr. Wilhelm v. Drigalski im 80. Lebensjahr. Er stammte aus einer alten ostpreußischen Familie. Mehrere Jahre war er Assistent Robert Kochs an dessen Institut für Infektionskrankheiten. 1902 - 1904 nahm er im Auftrage Kochs eine leitende Stelle ein bei der Bekämpfung der im ganzen Reiche verbreiteten Typhusepidemie und wurde im Jahre 1905 Professor. Während des ersten Weltkrieges bekämpfte er in Serbien die Cholera. Er war vermählt mit der bekannten Romanschriftstellerin Lisbeth Dill. Der Universität Berlin gehörte er Jahrzehnte lang als Honorarprofessor an. Mit der nach ihm benannten Platte wies er als erster das Vorkommen der Dauerausscheidung von Typhusbazillen nach völliger Genesung nach. Ferner klärte er als erster die Verschiedenheit von China-Ruhr und deutscher bzw. japanischer Ruhr.

 

 

Seite 9   Programm der Königsberger 700-Jahrfeier

 

Freitag, 27. Mai 1955

15.00 Uhr: Eröffnung der Büchereiausstellung, Stadtbücherei Eröffnung durch Herrn Büchereidirektor Dr. Schmitz-Veltin (Königsberger Sprecher: Herr Direktor Matull von der Bundeszentrale für Heimatdienst für Niedersachsen, Hannover)

 

17.30 Uhr: Eröffnung der kulturhistorischen Ausstellung, Niederrheinisches Heimatmuseum, Stadttheater, Eingang Neckarstraße. Eröffnung durch Herrn Museumsdirektor Dr. Tischler, Königsberger Sprecher: Professor Dr. Schuhmacher (jetzt in Hamburg)

 

19.30 Uhr Klavierabend Professor Riebensahm, Aula Obermauerstraße

 

 

Samstag, 28. Mai 1955

10.00 Uhr: Empfang einer Königsberger Abordnung im Rathaus anschließend Einweihung der Kant-Tafel

 

11.30 Uhr: Festakt im Stadttheater Eröffnungsansprache: Herr Oberbürgermeister Seeling, Duisburg Grußwort: Ministerpräsident a. D. Otto Braun. Grußadresse: Herr Konsul a. D. Bieske, Kreisvertreter der Königsberger. Festrede: Professor Dr. Rothfels (früher Universität Königsberg) Schlusswort: Rechtsanwalt Matthée (Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses) für die in Berlin lebenden Königsberger

 

15.00 Uhr: Eröffnung der Kunstausstellung im Städtischen Kunstmuseum Einführung: Dr. Händler, Direktor des Kunstmuseums, Duisburg. Königsberger Sprecher: Frau Charlotte Lemke, Vorsitzende der Käthe-Kollwitz-Gemeinde

 

16.30 Uhr: Universitätsakt mit einem Vortrag von Professor Metzke, Heidelberg, über das Thema: „Kant und Hamann“ (Duisburger Hof)

 

20.00 Uhr: Bunter Abend der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Reichssender Königsberg — Einst und wieder“ im Rheinhof, D.-Hochfeld, Wanheimer Straße 223/225

 

20.00 Uhr: Altakademikertreffen mit Kommers im Duisburger Hof

 

20.00 Uhr: Uraufführung des Schauspiels „Königsberg“ von Hans Rehberg auf dem Duisburger Burgplatz

 

Sonntag, 29. Mai 1955

8.00 Uhr: Kranzniederlegung auf dem Ehrenfriedhof (Kaiserberg)

 

8 - 9 Uhr: Gottesdienst

 

10.30 Uhr: Kundgebung der Landsmannschaft Ostpreußen im Duisburger Stadion

 

12.00 Uhr: Sprecher: Oberbürgermeister Seeling, Duisburg. Bundestagsabgeordneter Dr. Gille, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen

 

15.00 Uhr: Schauspiel „Königsberg“ auf dem Burgplatz

 

16.00 Uhr: Bunter Nachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Reichssender Königsberg — Einst und wieder“ im Rheinhof, D.-Hochfeldr Wanheimer Straße 223/225

 

16.00 Uhr: Heimatnachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Vom Rhein zum Pregel“ in der Aula des Landfermann-Gymnasiums

 

16.00 Uhr: Heimatnachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Mein Bernsteinland und meine Stadt“ in der Aula der Schule Obermauerstraße

 

16.00 Uhr Gedenkfeier aus Anlass des 300-jährigen Bestehens des Inf.-Regt. 1 Königsberg/Pr. im Stadttheater

 

19.30 Uhr: Festkonzert mit Werken von Beethoven, Goetz, Besch unter der Leitung von Musikdirektor Erich Seidler, Berlin, früher Königsberg.

 

20.00 Uhr: Aufführung des Schauspiels „Königsberg“ von Hans Rehberg auf dem Duisburger Burgplatz

 

20.00 Uhr Bunter Abend der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Reichssender Königsberg — Einst und wieder“ im Rheinhof D.-Hochfeld, Wanheimer Straße 223/225

 

20.00 Uhr: Heimatabend der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Vom Rhein zum Pregel“ in der Aula der Schule des Landfermann-Gymnasiums

 

20.00 Uhr Heimatabend der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Mein Bernsteinland und meine Stadt“ in der Aula der Schule Obermauerstraße

 

 

Montag, 30. Mai 1955

16.00 Uhr: Bunter Nachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Reichssender Königsberg — Einst und wieder“ im Rheinhof, D.-Hochfeld, Wanheimer Straße 223/225

 

16.00 Uhr: Heimatnachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Vom Rhein zum Pregel“ in der Aula des Landfermann-Gymnasiums

 

16.00 Uhr Heimatnachmittag der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Mein Bernsteinland und meine Stadt“ in der Aula der Schule Obermauerstraße

 

20.00 Uhr Bunter Abend der Landsmannschaft Ostpreußen unter dem Titel „Reichssender Königsberg — Einst und wieder“ im Rheinhof, D.-Hochfeld, Wanheimer Straße 223/225

 

 

Seite 10   General Henke zum Gedenken

Am 26. April 1945 endete in Ostpreußen ein heldenhafter Kampf um die Rettung Tausender von ostpreußischen Flüchtlingen, der mit dem Tode vieler Soldaten besiegelt wurde. Aus Dankbarkeit für diesen Opfergang und die ruhmreichen Taten des Pioniergenerals Karl Henke legten am 24. April 1955 Ostpreußen und Pioniere, am Ehrenmal der Gaspioniere und der Nebeltruppe in Celle b. Hannover einen Strauß mit der Namenschleife „Karl Henke" nieder.

 

Nicht vergessen werden wir Ostpreußen, hieß es, was die Pioniere in engster Verbindung mit Kriegs- und Handelsmarine in den letzten Monaten des Krieges geleistet haben. Fast übermenschlich war der Kampf der Soldaten bei der Verteidigung Ostpreußens und beim Abtransport der aus der Heimat vertriebenen Zivilbevölkerung. So kämpften vor 10 Jahren tapfere deutsche Soldaten um jeden Meter deutschen Boden, um das schöne Ostpreußen. Allen Landungspionieren, die unter dem Befehl von General Henke bei diesen Abwehrkämpfen eingesetzt waren, gebührt hohe Anerkennung. Mit dankbarem Herzen denken wir an die Fahrten der Fähren und Pionier-Landungsboote von Balga zur Nehrung, die Tausenden von ostpreußischen Frauen, Kindern, Greisen und Soldaten das Leben retteten. General „Papa“ Henke und seine Pioniere öffneten ihnen den Weg zu den Kriegsschiffen und damit in die Freiheit. Es gibt wohl kaum Landsleute, die nicht die Rettung eines Familienmitgliedes oder guten Bekannten dem Einsatz dieser Soldaten zu verdanken haben.

 

Der letzte Funkspruch General Henkes lautete: „Es wird weiter gekämpft, Siegfried (General Sauken), wir bleiben die Alten“. Der sofort eingeleitete Einsatz mit Landungsbooten scheiterte zweimal. So standen als letzte bei Mövenhaken 200 Pioniere und ihr Karl Henke in schwerem Kampf. In diesem Gefecht fand am 26. April 1945 Generalmajor Karl Henke den Tod. Die Pionierwaffe verlor mit ihm einen ihrer besten Kameraden, der innerhalb der Waffe bei Offizier und Mann weithin als „Karl Henke“ ein Begriff war und stets bleiben wird.

 

Wenn der russische General dem tapferen Verteidiger seine Anerkennung aussprach und es gestattete, General Henke zu beerdigen, dann beweist diese Tatsache, dass seine Ritterlichkeit auch vom Feinde geachtet wurde.

Ein ostpreußischer Pionier. Helmut Gronen, Celle, Hugo-Weg 21

 

 

Seite 10   Wiedersehenstreffen der 11. (ostpr.) Inf.-Div.

Am Sonntag, den 15. Mai, werden sich die einstigen Angehörigen der Division in Schloss Burg a. d. Wupper treffen. Programm: 10 Uhr Feierstunde, Schloss Burg; 10.30 Uhr Frühschoppen im „Lindenhof“; 11 Uhr Platzkonzert; 12 Uhr Mittagessen, anschließend kameradschaftliches Beisammensein.

 

Am Sonnabend, den 14. Mai, werden bereits die Regimenter und Abteilungen in den alten Quartierräumen zusammenkommen. — Das Artillerie-Regiment 11 wird sich in Burscheid, Bergischer Hof, Erwin Adolphs, Luisenstraße 22, treffen. Beginn 19 Uhr; der traditionelle Treffpunkt der III. Abt. — Paffenlöh — ist leider an diesem Tage nicht frei. Autobusverbindung von Berscheid nach Schloss Burg wird vorbereitet. — Quartierwünsche und Anmeldungen werden umgehend an Heinrich Wargalla, Leichlingen, Eichenstraße 9, erbeten.

 

 

Seite 10   Ostgrenze nicht festgelegt

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Prof. Hallstein, erklärte in der letzten Fragestunde des Bundestages im Zusammenhang mit dem Potsdamer Vertrag und den Viermächtevereinbarungen über Berlin: „Die Bundesregierung ist durch ihre eigenen Stellungnahmen in der Frage der Viermächtevereinbarungen vom 5. Juni 1945 nicht gehindert, daran zu erinnern, dass die deutsche Ostgrenze durch das Potsdamer Abkommen nicht festgelegt worden ist, sondern dass es ein die drei Unterzeichnermächte des Potsdamer Abkommens bindender Grundsatz bleibt, dass die dort getroffenen Gebietsregelungen nur vorläufigen Charakter tragen und die endgültige Festlegung der deutschen Grenzen dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt“.

 

 

Königsberg. Nach sowjetischen Angaben gibt es in dem von den Sowjets besetzten nördlichen Ostpreußen zurzeit 29 Mittelschulen, 9 Abendschulen, fünf technische, eine Sanitäterschule und zwei pädagogische Institute, Königsberg soll ein Theater, sechs Kinos und elf Klubs besitzen.

 

Neidenburg. Über 100 der im hiesigen Kreis angesiedelten Volkspolen stellten im vergangenen Jahre Abwanderungsanträge. Weitere 100 haben, wie es wörtlich in einer polnischen Verlautbarung heißt, „ihr Land ohne Einreichung eines Gesuches wieder verlassen“.  

 

 

Nach Mitteilung des Bundespostministeriums konnte die Gebühr im Fernsprechverkehr mit Polen für ein gewöhnliches Drei-Minuten-Gespräch von 10,80 auf 7,50 DM herabgesetzt werden.

 

 

Seite 10   Ostpr. EC ler und Gemeinschaftsangehörige

Ostpr. EC ler und Gemeinschaftsangehörige haben Gelegenheit, sich in Duisburg bei der 700-Jahrfeier Königsberg wiederzusehen. Bitte um Meldung an mich, damit ich der Gastgemeinschaft in Duisburg ungefähre Angaben über Teilnehmerzahl machen kann. Walter Huenerbein, Gevelsberg-Vogelsang, Im Anger 11

 

 

Seite 10   Wir gratulieren

Frau Emma Mierwaldt, geb. Grutz vollendete am 2. Mai 1955 ihr 95. Lebensjahr. Sie ist Flüchtling aus Königsberg/Ostpreußen, wo sie im Jahre 1860 das Licht der Welt erblickte. Da ihr Vater als königl. Bagger- und Maschinenmeister 1. Klasse zum Bau des König-Wilhelm. Kanals um das 1870 nach Memel versetzt wurde, verbrachte sie in dieser nördlichsten Stadt des deutschen Reiches fast die Hälfte ihres Lebens, das ihr viel Schweres auferlegte, da sie mit 35 Jahren Witwe wurde. Von ihren 6 Kindern verblieben ihr 2. Nach dem 1. Weltkrieg verließ sie, die ihr so liebgewordene Stadt am Ostseestrand, um nach Stallupönen (Ebenrode) zu ziehen, wo ihre Tochter Lehrerin war. Später siedelten beide nach Königsberg über, wo die Mutter hoffte, in der Nähe ihres Sohnes ihren Lebensabend zu beschließen. Der unglückliche Ausgang des letzten Krieges zwang die damals 85-jährige zur Flucht, durch die sie in die Lüneburger Heide kam. Hier lebt sie in verhältnismäßiger Rüstigkeit als älteste Einwohnerin Hodenhagens. Morgens ist ihre erste Frage nach der Zeitung und abends freut sie sich auf die „Partie 66“ mit ihrer Tochter und Nenntochter.

 

Frau Auguste Radtke, geb. Dufke, zuletzt wohnhaft gewesen in Kobbelbude Krs. Königsberg/Land (Ostpr.), feiert am 4. Mai 1955. ihren 70. Geburtstag. Sie wohnt mit ihrem Ehemann, einer Tochter und einem Enkelkind in Möllen, Post Voerde/Ndrrh. (22a). Auch die beiden anderen Töchter wohnen ganz in ihrer Nähe.

 

Studienrat Gotthold Wendik, früher Königsberg/Pr., Hindenburg-Oberrealschule, und seine Ehefrau Eva geborene Wolcke feierten am 11. April 1955 ihre silberne Hochzeit in ihrer neuen Heimat in Alpirsbach im Schwarzwald, Bürohalde 52.

 

Frau Johanne Braun, geb. Reiß aus Nikolaiken, Ostpr., jetzt mit ihrem Ehemann, Ziegelbrenner Johann Braun wohnhaft in Seesen a/H., Langestraße 45, wird am 6. Juni 1955, 81 Jahre alt.

 

Am 30. Mai 1955 vollendet die Tischlermeisterwitwe Elisabeth Weituschatis, aus Wartenburg o/R in Seesen a/H, Jakobsonstr. 45 ihr 75. Lebensjahr.

 

Frau Berta Losch geb. Schischke, aus Podlacken, Kreis Rastenburg, Ostpreußen, vollendet am 2. Juni 1955 in Seesen a/H., Bornhäuserstraße 14 ihr 75. Lebensjahr.

 

 

Seite 10   Unser Ostpreußen-Königsberg

Herausg.: Wolfgang Pohl und Gerhard von Jutrezenki. Verlag „Bücher für Dich“, Wolfgang Pohl, Hamburg, DM 2,--.

Mit dem Bändchen „Unser Ostpreußen — Königsberg“, das unter anderem Beiträge von Ruth Geede, Claus Katschinski und Edith Schroeder enthält, ist allen ein schönes Heimat- und Erinnerungsbuch an die Haupt- und Residenzstadt Ostpreußens gegeben worden. In teils ernster teils kernig humorvoller Art werden wir mit den früheren Hauptanziehungspunkten der Stadt bekannt gemacht. Das Büchlein beginnt mit einem kurzen stichwortartigen Abriss der Entwicklungsgeschichte, lässt uns dann die Persönlichkeit Kants noch einmal vor Augen treten und widmet sich hierauf dem „Samlandgold“, für das in Königsberg die größte und schönste Verkaufsstelle der Welt war. Nachdem wir uns bei einem Besuch im Blutgericht an einem Schoppen gestärkt haben, geht es zur Fischbrücke mit den unvergesslichen Fischfrauen. Und was wäre Königsberg ohne eine Mainacht am Schlossteich? Auch sie dürfen wir in der Erinnerung noch einmal erleben. Mit einem Blick auf die heutigen Verhältnisse in der Stadt schließt das Büchlein. — Eine harmonische Ergänzung bilden die Federzeichnungen von Heinz Fricke. Neun wirklich gut gelungene Fotografien von A. O. Schmidt vervollständigen das kleine Heimatbuch. — Alles in allem ein schönes und wertvolles Geschenk. H. R.

 

 

 

Seite 10   Musenalmanach „Heimatland“ 1956

Vor Beginn des ersten Weltkrieges gründete der Ostoberschlesier Wilhelm Wirbitzky den schlesischen Musenalmanach. Von Berlin aus, wohin er nach dem Verlust seiner Heimat, übergesiedelt war, erweiterte er ihn zu einem ostdeutschen Musenalmanach, in dem Autoren vom Baltikum bis zu den Karawanken vertreten waren. Nach dem 2. Weltkriegnannte  er seinen Musenalmanach „Heimatland“ . Er ließ diesen in Ostbayern starten. Nun wird ein neuer Band unter dem gleichen Namen in die Welt gehen, der wieder nicht nur eine Hochburg des Idealismus, sondern auch ein Nachschlagewerk sein wird, zumal öffentliche Institute, Ministerien u. a. besonders dem Buchspiegel darin und hauptsächlich dem biographischen Teile eine große Beachtung schenken. Der Herausgeber Schriftsteller Wilhelm Wirbitzky, jetzt in (16) Marburg/Lahn, Heimstätte für Wissenschaftler und Künstler, bittet darum, alle ostdeutschen Schriftsteller und Künstler, ihm einseitig beschriebene druckfertige Kurzbiographien zugehen zu lassen, damit der Band 1956 recht bald in die Druckerei gegeben werden kann. Der jetzige Wohnort ist besonders hervorzuheben.

 

 

 

Seite 10   „Fernund doch nah...“

Der Süddeutsche Rundfunk bringt am Sonntag, 22. Mai, von 15.30 bis 16 Uhr unter dem Motto „Fern und doch nah . . .“ eine Sendung über „Königsberg, Ostpreußens Hauptstadt einst und jetzt“ zur 700-Jahrfeier in Duisburg. Das Manuskript schrieb: Helmut Will.

 

 

 

Seite 10   Wie komme ich nach Duisburg

Privatquartier vergeben

Der Duisburger Verkehrsverein teilt mit, dass sämtliche Privatquartiere bereits vergeben sind. Alle Landsleute, die mit Strohlagern zufrieden sind, werden gebeten, sich umgehend an den Organisationsausschuss für die 700-Jahrfeier in Duisburg, Düsseldorferstraße 18, zu wenden.

 

Omnibusse und Personenkraftwagen!

Da mit dem Einströmen von vielen Kraftfahrzeugen während der Pfingsttage in Duisburg zu rechnen ist, bittet die Duisburger Polizei um die Beachtung einiger Wünsche:

 

1. Omnibusse sollen mit Angaben der Teilnehmerzahl sowie des Tages und der Zeit des Eintreffens beim Organisationsausschuss im Voraus angemeldet werden.

 

2. Omnibusse, die zur Kundgebung am Sonntag, dem 29. Mai, kommen, müssen bis neun Uhr an diesem Tage eingetroffen sein.

 

Um die Kraftwagen gleich auf die Parkgebiete weisen zu können, sollen die zur 700-Jahrfeier kommenden kenntlich gemacht werden. Es wird gebeten, Abzeichen für die Windschutzscheibe umgehend unter Beifügung eines adressierten Freiumschlages (Drucksache, 7 Pf.) beim Organisationsausschuss anzufordern. Der Organisationsausschuss für die 700-Jahrfeier Königsberg befindet sich in Duisburg, Düsseldorfer Straße 18.

 

Züge nach Duisburg

In Gemeinschaft mit anderen ostdeutschen Landsmannschaften, die ebenfalls während der Pfingsttage Treffen im Rhein-Ruhr-Gebiet veranstalten werden, ist eine Regelung getroffen, die den Teilnehmern an der 700-Jahrfeier von Königsberg eine Reisekostenermäßigung verschafft.

 

Die Bundesbahn wird Sonderwagen an einige fahrplanmäßige Züge hängen. Einzelreisende und geschlossene Gruppen, die nicht mit diesen Sonderwagen reisen wollen, erhalten folgende Fahrpreisermäßigungen: Rückfahrten: 10 bis 35 Prozent je nach Entfernung; Gesellschaftsfahrten bei 12 bis 24 Personen 33 1/3 Prozent, ab 25 Personen 50 Prozent, dazu Freikarten.

 

Diese Ermäßigung können auch von den Anschlussreisenden zu den Einsteigebahnhöfen der Sonderwagen in Anspruch genommen werden. Reisende aus dem Umkreis von Duisburg (etwa 150 km) können Sonntagsrückfahrkarten mit 331/3 Prozent Ermäßigung während der tarifmäßigen Gültigkeitsdauer erhalten. Die Rückreise kann an drei Tagen nach eigener Wahl angetreten werden. Der Reisende ist also nicht an einen bestimmten Rückreisetermin gebunden. Auskünfte erteilen die Beamten an den Fahrkartenausgaben und die Reisebüros.

 

Fahrplan für den Sonderwagenverkehr Hamburg – Duisburg

Die Hinfahrt wird mit D 200 am 28. Mai erfolgen; die Rückfahrt wird mit D 199 geschehen; sie kann am 30., am 31. oder am 1. Juni angetreten werden.

 

22.36 ab Hamburg-Altona an 6.33 Uhr 28,-- DM

22.56 ab Hamburg-Hbf. an 6.13 Uhr 28,-- DM

0.57 ab Bremen-Hbf. „ an 4.22 Uhr 20,-- DM

2.35 ab Osnabrück-Hbf. an  2.54 Uhr 11,- DM

3.20 ab Münster/W.-Hbf. an 2.07 Uhr 6,80 DM

4.07 ab Hamm/Westf. an 1.30 Uhr 5,60 DM

5.36 an Duisburg ab 0.07 Uhr –

 

Hannover—Duisburg

Die Hinfahrt wird mit D 106 am 29. Mai erfolgen; Die Rückfahrt wird mit D 105 geschehen; sie kann am 30., am 31. Mai und am 1. Juni angetreten werden.

 

0.20 ab Hannover-Hbf. an 6.00 Uhr 18,--DM

1.14 ab Bückeburg an 5.07 Uhr 14,-- DM

1.26 ab Minden/Westf. an 4.56 Uhr 14,-- DM

1.44 ab Bad Oeynhausen an 4.40 Uhr 12,-- DM

1.57 ab Löhne/Westf. an 4.24 Uhr 12,-- DM

2.12 ab Herford an 4.14 Uhr 12,-- DM

 2.38 ab Bielefeld-Hbf. an 3.56 Uhr 11,-- DM

2.57 ab Gütersloh an 3.30 Uhr 9,-- DM

4.07 ab Hamm/Westf. an 2.29 Uhr 5,60 DM

4.34 ab Dortmund-Hbf. an 1.56 Uhr 4,60 DM

6.36 an Duisburg ab 0.46 Uhr –

 

Köln—Duisburg

 

Die Hinfahrt wird mit E 219 am 29. Mai erfolgen. Die Rückfahrt wird mit D 58 geschehen; sie kann am 29., am 30. oder am 31. Mai angetreten werden.

6.06 ab Köln-Hbf. an 23.55 Uhr 4,60 DM

6.51 ab Düsseldorf-Hbf. an 23.03 Uhr 1,60 DM

7.12 an Duisburg ab 22.41 Uhr –

 

Frankfurt/M. - Duisburg

 

Die Hinfahrt wird mit D 57 am 29. Mai erfolgen. Die Rückfahrt wird mit D 58 geschehen; sie kann am 29., am 30. oder am 31. Mai angetreten werden.

2.04 ab Frankf./M.-Hbf. an 3.37 Uhr 20,-- DM

2.50 ab Wiesbaden an 2.53 Uhr 18,-- DM

4.23 ab Koblenz an 1.22 Uhr 11,-- DM

5.15 ab Bonn an 0.31 Uhr 6,80 DM

7.19 an Duisburg ab 22.40 Uhr –

 

Oldenburg - Duisburg

 

Die Hinfahrt wird mit E 566 am 28. Mai erfolgen. Die Rückfahrt wird mit E 565 erfolgen? sie kann am 30., am 31. Mai oder am 1. Juni angetreten werden.

11.14 ab Oldenburg/O. an 14.06 Uhr 18,-- DM

11.48 ab Ahlhorn an 13.30 Uhr 16,-- DM

12.04 ab Cloppenburg an 13.13 Uhr 16,-- DM

12.23 ab Essen/O. an 12.54 Uhr 14,-- DM

12.33 ab Quakenbrück an 12.44 Uhr 14,-- DM

12.51 ab Bersenbrück an 12.21 Uhr 13,-- DM

13.11 ab Bramsche an 12.02 Uhr 12,-- DM

13.50 ab Osnabrück an 11.31 Uhr 11,-- DM

14.07 ab Lengerich an 11.07 Uhr 9,-- DM

14.44 ab Münster/Westf. an 10.33 Uhr 6,80 DM

16.48 an Duisburg ab 8.28 Uhr –

 

 

 

Seite 10   Weitere Sondertreffen

Festkommers der Altakademiker

Mehrere studentische Vereinigungen an den Universitäten Hamburg, Kiel, Göttingen und Marburg, die sich der Tradition der Königsberger Universität besonders verpflichtet fühlen, sind übereingekommen, im Rahmen eines Festkommerses der 700-jährigen Stadt Königsberg zu gedenken. Die Gedenkfeier wird am Sonnabend, dem 21. Mai 1955, 19 Uhr s. t., in Sagebiels „Haus Erholung“, Hamburg, Dragonerstall, stattfinden.

 

Außer Studenten an den genannten Universitäten werden auch zahlreiche Altakademiker, die an der Alma Mater Albertina studiert haben, an dem Festkommers teilnehmen.

 

Nach Worten des Gedenkens von Pastor Link, Königsberg, wird der bekannte frühere Königsberger Historiker Professor Dr. Hubatsch, der jetzt in Göttingen lehrt, den Festvortrag halten über das Thema: „Königsberg, das geschichtliche Profil der 700-jährigen deutschen Stadt“.

 

 Alle früheren Studenten der Universität Königsberg werden zur Teilnahme an dieser Veranstaltung herzlich aufgefordert.

 

Zusagen an: Akademische Vereinigung „Ordensland“, Hamburg, Universität, Postkasten. Dr. Hans Claussen

 

 

Luftnachrichtler! Alle ehemaligen Angehörigen der II. Flugmeldeabteilung, der Luftnachrichten-Regimenter 1 und 11, der Flugmelderegimenter 91 und 261 werden sich aus Anlass der 700-Jahr-Feier Königsberg am 29. Mai um 14 Uhr in Duisburg in der DVG-Halle, Mülheimer Straße (vier Minuten vom Hauptbahnhof entfernt), treffen. Oberst a. D. Freiherr von Korff und Landsmann Kowalewski werden die Kameraden begrüßen. Es soll eine Vereinigung der ehemaligen Angehörigen als Traditionsträgerin gegründet werden.

 

 

Sondertreffen ehem. Angehöriger des RAD der Arb.-Gaue I und XXXIX und der Arbeitsdienst-Bezirke Königsberg und Zichenau.

Am Pfingstsonntag, den 29.05.1955, treffen sich alle ehem. berufsmäßigen Angehörigen der oben bezeichneten Arb.-Gaue und Bezirke mit Familien und Gästen zu einem Abend der Gemeinschaft um 18 Uhr im Saale des Hotels „Prinzregent“, Duisburg-Stadtmitte. Quartieranmeldungen sind zu richten an den Verkehrsverein Duisburg, Am Buchenbaum, mit der Bitte um Zusendung einer Quartier-Bestellkarte.

 

Dem vorbereitenden Ausschuss des Sondertreffens gehören an: Herbert Köchling, Duisburg-Hamborn, Grillostr. 3, Fritz Saunus, Duisburg-Ruhrort, Fürst Bismarckstr. 17, Ottmar v. Wedel-Parlow, Bottrop/W., Brauerstraße 52.

 

Ich hoffe, einen recht großen Kreis meiner alten Kameradinnen und Kameraden bei dieser Gelegenheit wiederzusehen. Eisenbeck

 

 

Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler, Königsberg/Pr. .3 5. Stiftungsfeier“

Im Rahmen der 700-Jahrfeier von Königsberg (Pr.) am Montag, den 30. Mai 1955 (2. Pfingstfeiertag), vorm. 10.30 Uhr in Duisburg-Ruhrort, Fürst Bismarckstraße 30 (Kolpinghaus-Saal, I. Etage). Um zahlreiches Erscheinen aller ehem. Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte wird gebeten. — Die Restaurationsräume sind gleichzeitig Treffpunkt der Vereinigung an beiden Feiertagen. Der Vorstand: i. A. Minuth

 

 

Kameraden des ehem. Artillerieregiments A. R. 1 mit I./A. R. 37!

Wir kommen alle mit unseren Frauen und Hinterbliebenen zum großen Pfingsttreffen am 29.05.1955 nach Duisburg! Bedeutende Fahrpreisermäßigung! Genaue Quartieranmeldung an: Verkehrsverein Duisburg, am Buchenbaum 6 erbeten! Eilt sehr! Hat Herbert Klaus, Wuppertal-Elberfeld, Gartenheim 13, Ihre genaue Anschrift mit Angabe der ehem. Abteilung und Batterie? Wenn nicht, dann bitte postwendend mitteilen! Auf ein frohes Wiedersehen in Duisburg am Rhein! In kameradschaftlicher Verbundenheit Ihr Herbert Klaus.

 

 

DRK-Kreisstelle Königsberg-Stadt

Bereitschaften (w) und (m) und Ortsgemeinschaften Treffpunkt: 29.05.1955 (Sonntag) um 15 Uhr in Duisburg. Konditorei Bildhauer, Ecke Mercator- und Düsseldorfer Straße (gegenüber Bahnhof Duisburg). Anmeldungen an Frau M. Szelinski, Schötmar/Lippe, Schloss.

 

 

Ehemalige Schüler der Altstädtischen Mittelschule

wollen sich umgehend melden an Walter Dagott, Duisburg, Gitschinerstraße 75. Quartieranmeldungen für das Pfingsttreffen in Duisburg sind umgehend an obige Anschrift zu richten.

 

 

 

Seite 11 und 16   Im Königsberger Stadttheater. Von Herbert Mühlpfordt. (IV. Fortsetzung)

Foto: Bomben vernichteten auch das Theater in der Schreckensnacht vom 30./31. August 1944.

Foto: Das Königsberger Stadttheater am Paradeplatz. Aufn.: Arno Piper.

Während im Schlusssextett wieder das zur Entspannung unbedingt notwendige heitere Element zum Ausdruck kommt, bleibt in Donna Anna zurück ein qualzerrissenes, untröstliches liebendes Weib. —

 

So war es die Donna Anna, die Mozart wollte, zu der sein gewaltiges Können und seine künstlerische Tiefe das Letzte hergab, was er zu geben hatte — dämonische Unrast eines Genies. —

 

Und wer war die Zauberin, das wunderbare Weib, das diese Donna Anna so ganz mozartisch, so ganz hoffmannisch zu geben wusste?

 

Wer war der berühmte Gast?

 

 Es war wieder der Name Devrient, der schon den Königsberg Kammergerichtsrat umgeistert hatte, es war ein Mitglied dieser berühmten Schauspielerfamilie — es war die geschiedene Frau Carl Devrients, Wilhelmine Schröder, die Tochter der berühmten Tragödin Sophie Schröder, die als Sappho, Medea und Lady Macbeth noch unvergessen war, und des Opernsängers Friedrich Schröder, der als erster den Don Juan dargestellt hatte.

 

Wilhelmine stand in jenen Jahren auf der Höhe ihres Ruhmes. Sie war eine Dreißigerin, sie war nicht mehr die sanfte Gestalt wie in der ersten Jugend, aber es war jetzt ein Etwas in ihr, das größer war, als jene Anmut — etwas Dämonisches, das alle in ihren Bann zwang. Sie war stark geworden bei hoher Gestalt, ihre Züge waren scharf ausgeprägt, aber sie passten so umso besser zu dem großartigen Schädel, dem mächtigen Hinterhaupt und dem prachtvollen Nacken. Ihre Schönheit war imponierend, ihre Haltung gebieterisch. Und doch war ihre Erscheinung typisch deutsch, deswegen gelangen ihr auch Rollen, die auch das Weibliche und Liebliche erforderten, wie Fidelio. Hier sang sie ganz das Hohelied der Gattenliebe und mit Stolz erzählte sie gern, wie sehr sie, die Siebzehnjährige, mit ihrem Fidelio 1822 des ertaubten Beethoven Beifall gefunden hatte, der, ohne einen Ton zu hören, tief ergriffen, mit brennenden Augen die Leonore vor sich sah, die er in schmerzlichem Ringen sich so und nicht anders erdacht hatte.

 

Wilhelmine Schröder-Devrient war das Pathetische, das Hochtragische das Angemessenste, wie als Valentine in den „Hugenotten“, oder als Norma, wo ihr göttliches Talent selbst diesen abgeschmackten Text ins Erhabene erhob. Die Fülle ihrer Kraft erschien im Pathos am freiesten und glorreichsten, sie war die „Hochdramatische“ im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei war sie nicht eigentlich musikalisch — jede Neueinstudierung einer Rolle fiel ihr schwer — aber niemand merkte das bei der unerreichten dramatischen Leidenschaftlichkeit, mit der sie alle Hörer restlos bezwang.

 

Sie war die erste Sängerin, der man Blumen zuwarf; sie musste kommen, um diese Sitte — oder Unsitte — einzuführen.

 

Ein Königsberger Kind, Fanny Lewald, plaudert in ihrer sonst heutzutage kaum noch erträglichen, die unwichtigsten Dinge unendlich langweilig, wichtigtuerisch breittretenden Lebensgeschichte, die höchstens als historische Quelle einiges Interessante bietet, über sie:

 

„Sie sang in der Gesellschaft gern Schubertsche und Mendelssohnsche Lieder, wie den „Wanderer“, den „Erlkönig“, die „Forelle“; man machte ihr damals schon den Vorwurf, das Lied zu dramatisch zu behandeln. Man vergaß dabei, dass sie nicht anders konnte, dass alles, was sich irgend zur lebendigen Gestaltung eignete, ihr unter der Hand selbständiges Leben gewann. Sie hatte das von ihrer großen Mutter. Sie glich darin dem verzauberten Mädchen, unter dessen Berührung sich alles, auch wider ihren Willen, in Gold verwandeln muss“.

 

„Im Verkehr mit Frauen zeigte sie sich freundlich, im Verkehr mit Männern willkürlich, bald stolz herausfordernd, bald abstoßend, bald anziehend und im höchsten Grade zu gefallen bemüht, ja selbst die freie Benutzung äußeren Anreizes nicht verschmähend. Sie gefiel sich in der Wirkung, die auszuüben sie sicher war“.

 

„Mich erfreute“, sagt Fanny Lewald weiter, „das stolze Selbstgefühl, mit dem sie in Königsberg von sich selber sprach und die Ehrlichkeit, mit der sie sich über alle mit ihr gleichzeitigen Opernsängerinnen stellte. ‚Ich bin von Gottes Gnaden', sagte sie einmal. ,Es ist mir viel gegeben und ich habe gut damit gewuchert. Die nach mir kommen, werden ihre Not haben, mich vergessen zu machen'.

 

„Der Stolz stand ihr prachtvoll an. Schmucklos, wie sie ihr schönes Haar beständig trug, sah man doch das Diadem auf ihrem Haupte, und sie hatte recht mit ihren Worten: „Ich kann keine Coiffuren tragen! Der Kopf ist nur für den grünen Kranz und für das Diadem gemacht!“

 

Später heiratete Wilhelmine den Landmarschall von Livland, Herrn v. Bock und lebte auf dessen Gut Kersel. Sie wohnte im oberen Stock des behaglichen alten Hauses in den niedrigen Zimmern mit den kleinen Fenstern und winzigen Scheiben. Die baltische Konzertsängerin Monika Hunnius beschreibt in ihrem 1927 erschienenen Buch, wie sie dort noch ihren Nähtisch mit ihrer letzten Häkelarbeit, ihre Schreibtischlampe, ihre Toilette, alles unberührt, vorfand. Im unteren Stockwerk, das mit alten Mahagonimöbeln und schönen Stichen ausgestattet war, stand ihr Flügel. An einem Abend, nachdem sie hier eine ihrer schönsten Partien, Glucks „Iphigenie“ gesungen, war sie zusammengebrochen: „Ich muss meine Welt haben, sonst muss ich sterben! ‚Ich, eine Künstlerin, muss in Livland Grütze kochen!“

 

Monika Hunnius schildert weiter: „Im Arbeitszimmer des alten Herrn, fast die ganze Seite der Wand ausfüllend, hing ihr Bild in wunderbarer Schönheit und Jugend: Sie sitzt in einem tiefen Lehnstuhl in dunklem Sammetkleide. Die eine Hand ruht im Schoß, ein Spitzentüchlein umschließend, die schlanken Finger der andern stützen sich auf die Lehne. Sie will sich erheben. Wie wunderschön war sie, wie sie stolz und lächelnd herüberblickte!“ und schließt: „Wie glücklich war er, denn er hatte eine Königin geliebt!“

 

Wie Wilhelmine Schröder-Devrient auf Männer wirkte, mag eine Stelle aus der Autobiographie „Mein Leben“ von Richard Wagner, der ja auch einst im Königsberger Stadttheater den Taktstock geschwungen hatte, bezeugen: „Ein Wunder gab meinem künstlerischen Gefühl plötzlich eine neue und für das ganze Leben entscheidende Richtung. Dies war ein kurzes Gastspiel der Wilhelmine Schröder-Devrient, welche damals auf der vollsten Höhe ihrer Künstlerlaufbahn stand, jugendlich, schön und warm, wie nie seitdem auf der Bühne mir ein Weib erscheinen sollte. Sie trat im „Fidelio“ auf. Wenn ich auf mein ganzes Leben zurückblicke, finde ich kaum ein Ereignis, welches ich diesem inbetreff seiner Einwirkung auf mich an die Seite stellen könnte. Wer sich der wunderbaren Frau aus dieser Periode ihres Lebens erinnert, muss in irgend einer Weise die fast dämonische Weise bezeugen können, welche die so menschlich-ekstatische Leistung dieser unvergleichlichen Künstlerin notwendig über ihn ausströmte“.

 

Wagner war ein Jüngling, als er dieses Erlebnis hatte, — es mag um 1830 gewesen sein — aber es wirkte so nachhaltig in ihm, dass er es noch als alter Mann mit diesen begeisterten Worten aufzeichnete.

 

Auch ein Brief aus Wagners Mannesjahren möge das Gleiche bezeugen: „Die entfernteste Berührung mit dieser außerordentlichen Frau traf mich elektrisch: noch lange Zeit, bis selbst auf den heutigen Tag, hörte und fühlte ich sie, wenn mich der Drang zu künstlerischem Gestalten belebte“.

 

V.

1842.

Das Königsberger Stadttheater war kein Hoftheater. Kein Fürst spendete hier freiwillig aus seiner Privatschatulle für das Theater seiner Residenz, wie in Berlin, in München, Stuttgart, Meiningen und an einem der anderen Höfe. Als Leiter eines Stadttheaters musste der jeweilige Direktor des Königsberger Musentempels sich schlecht und recht durchzuschlagen suchen. Reich werden konnte er dabei nicht, er musste schon froh sein, wenn er nichts zusetzte. Wie ein Blitzlicht fällt die Bemerkung des Referenten August S. in der „Allgemeinen Theater-Chronik“, dem „Organ für das Gesamtinteresse der deutschen Bühnen und ihrer Mitglieder“, auf die fast achtjährige Tätigkeit des damals abgehenden Königsberger Stadttheaterdirektors Anton Hübsch- „Er ist ehrenvoll und ohne einem Mitglied der Bühne etwas zuschulden aus diesem Verhältnis getreten; ein Zeugnis, das Referent der Wahrheit gemäß hier mit Vergnügen ausspricht“.

 

An seine Stelle trat Friedrich Tietz — seine Direktorialzeit hat dieses „hohe Lob“ nicht erreichen können.

 

Wie schwer es damals war, das Theater zu füllen, mag folgende Glosse der von Ludwig Walesrode redigierten Königsberger satirischen Wochenschrift „Der Freimüthige“ beleuchten:

 

„Das Stück „Das Wort des Fürsten“ konnte wegen Mangel an Zuschauern nicht aufgeführt werden. Wir fragen: Ist denn alles Geld aus den Taschen der Königsberger verschwunden? Oder gibt man hier in Königsberg denn so wenig auf das Wort des Fürsten?“

 

Vermochte man also nicht mit dem, wozu es eigentlich da war, das Stadttheater zu füllen, so versuchte man es eben auf jede andere nur mögliche Weise rentabel zu gestalten; in der eben genannten Theaterchronik liest man: „Auch bei uns hat sich nach dem Muster der Kölner ein Narrenverein gebildet und derselbe durch die Teilnahme im Theater an einem Maskenfest und einem Fackelzug auf der Bühne während des Faschings der Theaterkasse ein paar recht bedeutende Einnahmen verschafft. Vorangegangen war eine maskierte Schlittenfahrt (sic!] nach dem eine Meile von hier am Pregel gelegenen Lustorte Hollstein“.

 

Als noch weit besserer Kassenmagnet erwies sich für das Theater ein Konzert des damals erst einunddreißigjährigen, aber schon auf der Höhe seines Ruhmes stehenden Franz Liszt; wir lesen darüber: „Auf die Ankunft von Liszt ist Königsberg außerordentlich gespannt; es sind im Theater schon jetzt keine Plätze mehr zu haben, und Spekulanten haben hier zum ersten Mal mit Erfolg versucht, mit vorher bestellten Theaterbilletten (sic!] zu diesen Konzerten Wucher zu treiben. Jetzt zirkuliert ein Gerücht, dass er gar nicht herkommen wird, dem aber nicht Glauben zu schenken ist“.

 

Der Meister kam doch. Er gab am 10., 11. und 12. und Sonntag, 13. März, vier Konzerte hintereinander, die alle gedrängt voll waren. Die Direktion zahlte an den berühmten Pianisten für jedes Konzert 700 Thaler. Selbstverständlich waren die Eintrittspreise erhöht und zwar kostete jeder Platz im ersten Rang, Loge, Estrade und Sperrsitze im Parterre, sowie jeder Stuhl auf der Bühne 1 Thaler 20 Silbergroschen; zweiter Rang und Stehplätze im Parterre kosteten 1 Thaler 15 Silbergroschen, Amphitheater 1 Thaler und Galerie 20 Silbergroschen.

 

Den meisten Jubel riefen hervor: „Der Erlkönig“, „Lob der Thränen“, „Galopp chromatique“ und „Variationen über Motive aus Don Juan“.

 

Zu wohltätigen Zwecken gab Liszt den Königsberger Studenten ein Konzert zu 10 Sgr. „Entree“, zu dem er fünfzig Eintrittskarten selbst unterschrieben hatte, und am 14. wirkte er an einer Vorstellung zum Besten von zwei Königsberger Schauspielern mit.

 

Es waren also große Tage, die der würdige Bau am Königsgarten damals erlebte; und so war es verständlich, dass die ganze Stadt voll war von wilder Lisztbegeisterung. Die Albertina ernannte den Meister zum Ehrendoktor der Philosophie; es regnete Gedichte, Lorbeerkränze und Ehrenbezeugungen aller Art; selbstverständlich fehlte es auch nicht an Zudringlichkeiten der begeisterten Herren- und besonders der Damenwelt. Doch der berühmte Pianist war das alles gewohnt — ebenso die riesige Zahl von Bettelbriefen, die ihm auch in Königsberg nicht erspart blieben.

 

Aber so schlimm war es in Königsberg doch auch wieder nicht wie in Petersburg, wohin Liszt von hier reiste, nachdem er seinen Verehrern einen kleinen Ehrenschmaus gegeben hatte; dort war der Zudrang von Equipagen zu seinem Gasthof so groß, dass polizeilicher Beistand nötig wurde. Dort erhielt der Künstler von den Behörden eine Ehren- und Sicherheitswache bewilligt, um ihn vor lästigen Besuchern und Betteleien zu schützen. Auch waren in der Kaiserstadt seine Einnahmen wesentlich lukrativer als in der Provinzhauptstadt Königsberg, denn ihm brachte das erste Petersburger Konzert allein 35 000 Rubel Banko ein (etwa 9000 Thaler)!

 

Ja — da kam Königsberg, das schon bis 1902 seine Schulden aus der Napoleonischen Aussaugerzeit abzahlen musste, freilich in keiner Weise mit!

 

 

VI.

1855.

Mit dem Oktober des Jahres 1844 begann für das Königsberger Stadttheater eine bessere neue Ära. Sein Direktor wurde Arthur Woltersdorff, ein Geschäftsmann, der durch äußerst dürftige Inszenierung und durch junge, aufstrebende Kräfte, denen er nur niedrige Gagen zahlte, seinen Haushalt geschickt im Gleichgewicht zu halten wusste. Dabei fällt auf, wie lebhaft der Austausch an Bühnenkräften mit dem Rigaer Stadttheater war — stärker, als mit Danzig. Auch wurden damals allgemein Opernsänger im Schauspiel verwandt; so waren Bassisten sehr geeignet für Väterrollen.

 

Manchmal wurde von den Zuschauern die Einbildungskraft ihrer Vorgänger aus der Zeit Shakespeares verlangt, so sparsam waren die Dekorationen angedeutet, und es war durchaus nicht selten, dass die Theaterdiener und Kulissenschieber bei offener Bühne die kümmerlichen Verwandlungen vollzogen.

 

Die damals begeistert aufgenommenen neuen Opern des beliebten und tätigen Albert Lortzing „Undine“ und „Waffenschmied“ und gar die „Furore“ machenden ersten Opern Wagners dagegen (ich glaube hier fehlt etwas) stattete der sonst so sparsame Direktor glänzend und zugkräftig aus und brachte so die schweren Ausgaben durch zahlreiche wohlbesuchte Aufführungen wieder ein. Das gleiche galt für die noch immer als Glanzstücke beliebten Opern Meyerbeers. So wurden für die Erstaufführung der „Undine“ eigens fünf neue Dekorationen gemalt; im vierten Akt riefen der festlich erleuchtete Prunksaal, das bewegliche Wasser und der Kristallpalast Kühleborns größte Bewunderung hervor.

 

Weniger Umstände schon machte Woltersdorff mit den beliebten Opern Aubers, Boildieus und Dnizettis, deren „Weiße Dame“ und „Regimentstochter“ ständig auf dem „Repertoire“ blieben.

 

An den rührseligen Stücken der Schauspielerin Charlotte Birch-Pfeiffer, die damals in Zürich ihre Dramenfabrik betrieb, hatte Woltersdorff stets zugkräftige Kassenmagneten; auch durch berühmte und seit langem beliebte Gäste, wie den Verfechter des Theaterschulungsgedankens, Eduard Devrient, und dessen frühere Schwägerin, die noch immer schöne Primadonna Wilhelmine Schröder-Devrient, vermochte er das Stadttheater geldlich zu halten und künstlerisch zu heben. Wilhelmine entzückte Königsberg immer wieder als Romeo, Norma, Lukrezia Borgia und Fidelio. Ferner gastierten, begeistert aufgenommen, der berühmte Theodor Döring und Franz Wallner aus Berlin, sowie der Dresdner Bassist Dettmer, der in der „Zauberflöte“ und „Figaros Hochzeit“, in „Don Juan“, in Cherubinis „Wasserträger“, im „Freischütz“ und in Lortzings „Zar“ auftrat.

 

Im Sommer richtete Woltersdorff ein Reisetheater ein und spielte besonders in Memel und Tilsit.

 

Und man war mit ihm zufrieden. —

 

So war das Jahr 1855 gekommen.

 

Königsberg rüstete sich zur Sechshundertjahrfeier der Stadtgründung.

 

Auch das Theater wollte dabei nicht zurückstehen; ein großartiger Plan entsprang dem geschäftstüchtigen Gehirn des Theaterdirektors Woltersdorff und eines Tages im Monat Januar las der erstaunte Leser in der weitbekannten Hartungschen Zeitung folgenden Aufruf*

 

„Damit das Theater bei den bevorstehenden Feierlichkeiten zum Jubiläum der Stadt Königsberg sich in geeigneter Weise betätigen könne, sind demselben Vaterländische Stücke ein unerlässliches Bedürfnis. Um meinerseits zu solchen Arbeiten anzuregen, erlaube ich mir, eine Preisbewerbung auszuschreiben, und bestimme einen ersten Preis von 25 Dukaten und einen zweiten von 15 Dukaten für das beste und resp. zweitbeste Drama oder Lustspiel, das mir bis zum 1. Mai 1855 eingesendet wird und das die Bedingungen:

 

1) 2 - 3 Stunden Spielzeit,

2) als Ort der Handlung Königsberg und dessen Umgebung,

3) einen vaterländischen, historischen Hintergrund und zwar vorzugsweise aus der Zeit des Deutschen Ordens oder des Herzogs Albrecht oder des Großen Kurfürsten und der gleichzeitig hier lebenden Dichter Simon Dach usw. festzuhalten

 

erfüllt.

 

Das Preisgericht haben Herr Geheimrat Professor Dr. Rosenkranz. Herr Professor Dr. A. Hagen. Herr Regisseur Renhardt, freundlichst übernommen.

 

Bemerkt wird noch, dass diejenigen Autoren, welche mir Stücke einzusenden die Güte haben, ihren Namen und Adresse versiegelt, mit einer Devise als Aufschrift aufgeben wollen. Die Eröffnung der Namen erfolgt erst nach der Entscheidung der Herren Preisrichter.

 

Durch Zahlung des Preises erwerbe ich nur das Aufführungsrecht für Königsberg ... während sonst der Autor in jeder Beziehung freier Eigentümer seines Werkes bleibt.

 

Ich ersuche die geehrten Schriftsteller Deutschlands um freundliche Beteiligung.

 

Alle Redaktionen politischer Zeitungen werden gebeten, diese meine Aufforderung freundlichst veröffentlichen zu wollen.

 

Königsberg, 10. Januar 1855. A. Woltersdorff. —

 

In den „Neuen Preußischen Provinzialblättern“ referiert nun einer der Preisrichter, der Professor der Kunstgeschichte August Hagen, über die Ergebnisse dieses Preisausschreibens.

 

Nicht vergeblich war der Ruf in die Welt geschickt — es wurden Stücke eingesandt. Die deutschen Schriftsteller und Dichter (oder solche, die es zu sein glaubten) hatten ihren Pegasus gespornt und nicht allein aus Ostpreußen waren die Früchte dieses poetischen Rittes gekommen, sondern auch aus Berlin, München, Breslau, Stuttgart, Wien und Petersburg.

 

Die Preisrichter hatten bei ihrer Arbeit auf ein nicht geringes Maß an Langeweile gerechnet — es war kein Mangel daran! Aber „nicht erwartet hatten sie einen solchen Reichtum betrübtester Armut“ und „nicht gefürchtet, in der Art in der Fülle so zu darben“.

 

Die einen hatten versucht, wahrscheinlich nur aus patriotischer Regung auf dem Kothurn zu stolzieren, den anderen waren Poesie und Dramatik oft ganz fremde Begriffe in ihren theatralischen Mühwaltungen, die Befähigten hatten sich sichtlich ferngehalten.

 

28 Stücke waren zu beurteilen; in zweien war Ottokar von Böhmen, in dreien Herkus Monte der Hauptheld, in mehreren kamen Hans von Sagan, Winrich von Kniprode und die Schlacht von Rudau vor; Herzog Albrecht war nur einmal, der Große Kurfürst dagegen fünfmal vertreten, meist als Gegenspieler des Schöppenmeisters Hieronymus Rohde und des Obersten von Kalkstein, oder auch des Dichters Simon Dach, der dreimal der Hauptheld war.

 

Aber auch Friedrich Wilhelm I. und sogar der Alte Fritz bei Leuthen wurden bemüht und mühsam genug mit Königsberg verknüpft. In dem Drama „Gertrude“ aber, das, wie Hagen schrieb, „als Lustspiel gegeben werden könnte“, und zur Zeit Winrichs spielt, spricht Gertrude:

 

„Es schwebt mein Herz in Liebe zu Kniprode und zu Kant“.

 

Wer das liest, könnte vielleicht meinen, der unbekannte Meister wäre am Ende des Glaubens gewesen, der große Philosoph hätte zur Zeit Winrichs von Kniprode gelebt — dem ist aber nicht so — denn dieser Kant ist, wie zur Sicherheit eigens gesagt wird,

 

„Der seines Waffenschmiedehandwerks wegen Berühmte Kant“!

 

So stellte dieser Dichterling die Beziehungen zu Königsberg her.

 

Kurz und schmerzlich war das Urteil Hagens über „Totald und Teutilde“ oder „Die Verlobung“: „Schauspiel wird es genannt, tollhäuslerisches Phantasiegebilde würde besser passen“.

 

Ein „Hans von Sagan“ wurde folgendermaßen kritisiert: „Das Machwerk eines Schülers, wie es scheint, dem mancherlei noch nicht klar ist, am wenigsten, was zu einem Drama gehört. Das Stück ist kurz, aber nicht gut“.

 

Ein Stück „Das Rezept“, aus Potsdam, trug das Motto: „Preis oder Feuertee“. Hagen schrieb ganz trocken dazu: „Die Übersendung ist daher als Irrtum anzusehen. Auf die Gefahr, dass nach dem Motto der Verfasser sich erschießen oder das wertlose Machwerk ins Feuer werfen wird, wenn er nicht den Preis erhält, — muss er ihm dennoch versagt werden“.

 

Woltersdorff, der am 18. Juni durch die Zeitung mitgeteilt hatte, dass die Aufführung der mit einem Preise auszuzeichnenden Stücke bis zum November ausgesetzt werden müsse, weil in diesem Monat das Königsberger Theater sein hundertjähriges Bestehen feiere *), konnte im Oktober folgende Nachricht in der Hartungschen Zeitung erscheinen lassen:

 

„Einer wohllöblichen Redaktion erlaube ich mir hierdurch die Mitteilung zu machen, dass gestern die Herren Preisrichter... sich dahin resolvieret haben: „Dass sie den ersten Preis von 25 Dukaten dem ‚Waidot‘ des Herrn Erwin Schlieben, Literat in Landsberg, Ostpreußen, ertheilten, wohl aber erklärten, dass von den übrigen 28 Stücken mit Ehren zu nennen seien: von den Dramen

 

„Andreas Brunau oder Königsberg im Jahre 1455“

„.Herkus Monte“, aus Wien eingesendet,

„Winrich von Kniprode“ und „Nomeda oder die Heldin von Rudau“,

 

von den Komödien:

 

„Aus der guten Alten Zeit“ von Friedrich Tietz.

 

Die Herren Preisrichter stellten mir anheim, die nicht zum Ansatz gekommenen 15 Dukaten zur Prämiierung eines Prologs oder Festspiels zur Feier des hundertjährigen Bestehens deutschen Theaters in Königsberg, die am 24. XI. d. J. bevorsteht, zu verwenden...

Königsberg Pr. Oktober 1855. A. Woltersdorff

 

Der geplagte Referent Professor A. Hagen aber schrieb die vernichtendste Kritik über den eigentlich im Kopfe seines Mitpreisrichters, des Philosophen Rosenkranz, entsprungenen Gedanken, indem er seinen Bericht in den „Neuen Preußischen Provinzialblättern“ mit dem Stoßseufzer schloss:

 

„Nie wieder!“

 

 

VII.

14. X. 1861

Ein gewaltiger Trubel herrschte in den Straßen der alten Krönungsstadt Königsberg – mittags 12 Uhr waren die Majestäten gekommen zur Königskrönung, die alle Hohenzollernfürsten seit Friedrich I. in der alten preußischen Residenzstadt wiederholt hatten.

 

Feierlich in Dubeisruh oder, wie es neuerlich hieß, Schönbusch, von einer Deputation der Stadt, der Kaufmannschaft, des Landkreises und anderen eingeholt, wurde das Königspaar zum Schlosse geleitet.

 

Voran, nach altem Recht, die berittenen Fleischer, fünfzig an der Zahl; sie trugen schwarze Beinkleider, dunkelbraune Reitfräcke, mit goldenen Knöpfen, herunterhängende weiße Halstücher und schwarze goldverzierte Dreimaster mit Lorbeerzweig. Ihnen folgte ein Zug Kürassiere, dann zwei Stallmeister und darauf der König zu Pferde, begleitet von den Prinzen des Königlichen Hauses. Dann kam der mit acht Pferden bespannte Wagen der Königin Augusta. Ihr schlossen sich die Generäle und die Wagen der Begleitung an; den Schluss bildeten die Gewerke.

 

Auf der Stadtseite des Brandenburger Tores war die mit Fahnen und Tannengewinden übersponnene Ehrenpforte errichtet, Ehrenjungfrauen überreichten dann den Majestäten mit zierlicher Ansprache große Blumensträuße und dann ging es durch den Alten Garten, die hintere und vordere Vorstadt zur Grünen Brücke. Hier waren an zwei am Kai, dicht an der Brücke, vertauten Dreimastern schmucke Turner auf den Rahen aufgeentert und schmetterten dem Königspaar ein schallendes Gut Heil! zur Begrüßung entgegen.

 

Weiter ging es durch den prachtvollen Renaissancebau des Grünen Tores, durch die mit ihren Beischlägen geschmückte Kneiphöfische Langgasse, Altstädtische Schuhgasse, Windgasse, Danziger Keller, Prinzessinstraße, Junkerstraße zum Schloss, wo die hohen Herrschaften Wohnung nahmen. —

 

Ganz Königsberg konnte sich nicht genug erzählen von den rauschenden Festlichkeiten; auf den von Menschen wimmelnden Straßen, am Schlossteich, in den zahlreichen — und ausgezeichneten — Königsberger Konditoreien wurde das Ereignis bis ins Kleinste erörtert, auch in dem Wiener Café, das der südlichen Eingangspforte des Stadttheaters gegenüberlag, war Tisch bei Tisch gedrängt voll von fröhlich schwatzenden, lachenden, heiter erregten Menschen.

 

Sie vergaßen aber über dem eifrigen Gedankenaustausch nicht, es sich gut sein zu lassen an den köstlichen Mohrenköpfen, den leckeren Schillerlocken und den Windbeuteln mit Schlagsahne, den sie zu ihrem duftenden Kaffee oder ihrer süßen Schokolade mit zierlichen Löffeln verzehrten. Es war nur gut, dass der Konditor so reichlich vorgesorgt hatte, denn ein gut Teil seiner Gäste hatte sich darauf vorbereitet, von hier aus dem Besuch der hohen Herrschaften im Stadttheater zuzuschauen, wo es heute eine Festvorstellung gab.

 

Inzwischen begann es in der Stadt zu dunkeln; die Laternenanzünder mit ihren langen Stangen gingen durch die Straßen und drehten die Hähne der Gaslaternen auf;  in den Fenstern wurden die dort wie eine Reihe Soldaten stehenden Kerzen angezündet, sechs bis acht in jedem Fenster, wodurch die Häuser ein frohes, freundliches und festliches Aussehen erhielten, da kaum ein Einwohner war, der sein Stockwerk oder Fenster von dieser nichtbefohlenen, freiwilligen Illumination ausgeschlossen hätte.

 

Eine ganz besondere Ehrung hatte sich der Mechaniscus Schlösser in der Junkerstraße ausgedacht — er zeigte in seinem Schaufenster elektrisches Licht, das großes Staunen hervorrief.

 

Zur festgesetzten Abendstunde fuhren die Majestäten und ihr Gefolge in ihren Equipagen vor dem Stadttheater vor; von einer begeisterten Menschenmenge beim Aussteigen mit Hochrufen stürmisch begrüßt, verschwanden sie in dem würdigen Bau, der schon über ein halbes Jahrhundert stand und bei dessen Eröffnung der Vater des jetzigen greisen Königs, der damals ein Knabe von zwölf Jahren gewesen war, und seine Mutter, der Liebling des Preußenvolkes, zugegen gewesen waren. Fortsetzung folgt

 

•) November 1755 erhielt der angesehene Theaterdirektor Ackermann von Friedrich dem Großen die Erlaubnis, auf dem Kreytztenschen Platz in Königsberg ein Theater zu bauen und eine ständige Theatergruppe zu halten; 1838 wich dies Gebäude dem Neubau der Altstädtischen Kirche.

 

 

Seite 12   Värmundschaft. Von Wanda Wendlandt

„Spaoß mott sön“ säd de Diewel, wi he sein Oma mötte Mästfork mangke Röbbes kättelt“. Mutter Loneit rchtet sich energisch im Sorgenstuhl hoch: „Aower ditt ös mi kein Spaoß nich mehr! – Nä, mien Dochter, ös good jemeent – Scheendank ook! – aower noch e Tass von Ehrem goode Kaffee kann eck mi nicht o Jemeet fäehre, eck mott nu Tohuus gaohne! Un Se kenne mi doch nich äwerrede“. „Aber liebste Mutter Loneit, ich will Sie doch auch gar nicht überreden! Ich wollte doch nur zu überlegen geben, dass noch viele unserer obrigkeitlichen Einrichtungen notwendig sind und manche sogar nützlich und zum Segen“, - „Dat ös mi to wiedlöftich, mien Dochter! Vär hiede ös mi dat to wiedlöftich, dao motte wi denn e ander Maol davon kose. Vär hiede mott eck nu tohuus, denn ons Line wacht all op mi. Ons Lien häwt dat so hill wie e Muus wo Kindelbeer jöwt! Dat mott eck Enne doch noch rasch vatelle – eck hadd dat ganz vajähte bi onsem scharpe Disput, aower nu, wi wi daovon rede, mott eck Enne dem grote Niigkeit noch präsenteere. – Wat sejje Se dato? Ons Lien wöll söck op Reise bejäwe!“ – „Nanu? –Damit rücken Sie jetzt erst raus, Mutter Loneit? Eine so hochwichtige Angelegenheit hatten Sie vergessen?! – Wohin soll denn die Reise gehen, und wann, und warum?“ – „Jao, dat sulle Se maol raode! – Op so e Idee ware Se aower ganz jewöß nich kaome, obschonst Se jao ook dammlije Idee jenoj fabrezeere! Op so wat aower kann kein Minsch nich kaome, bloß ons Lien!“ „Sie machen mich ja neugierig, Mutter Loneit! Nun rücken Sie doch mal raus!“ „On nu ös se all ganz äwerkandidelt un sommt de ganze Daog vär söck hen“ — „Nun, wenn schon die Aussicht auf die Reise Ihre Cousine so beschwingt und fröhlich macht“. — „Jao — „Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder“, säd de Diewel um huckt söck motte Naosch mangke Beeneschwarm. Vleicht ward dat ons Lien ook noch so bejriesmule! — Aower nu singt se de ganze Daog: „Das war in Kenigsberg im Monat Mai –" „Ja, solchen Schlager gab es wohl mal — aber das hieß doch wohl: Das war in Schöneberg?“ — „Schiet öm't Heete, wenn't nich waohr ös! Wat häwt ons Lien möt Scheenebarg to dohne, wenn es doch nu to dem Jubeljäum von Kenigsbarg reise wöll?!“ — „Wie? — Nach Duisburg will Ihre Cousine fahren zur Jubiläumsfeier? — Aber das finde ich doch ausgesprochen nett und gar nicht verdreht! Aber ich wusste gar nicht, dass Ihre Cousine aus Königsberg stammt —" — „Na wer sejjt denn, dat de Lien ut Kenigsbarg stammt? — Dröm sejj eck doch: Se ös ganz un gaor äwerkandidelt un let söck rein nuscht nich mehr sejje — To de Tied, wo de „Schlager“, wi Se to dat sejje, ön Mood weer, weer de Lien in Kenigsbarg un häwt dao Schniedre jelehrt“. — „Dann muss man sie aber dazu beglückwünschen, dass diese Lehrzeit eine so glückliche Zeit für sie war, dass die Erinnerung daran sie jetzt noch so beschwingt“ — sonst sagt man doch: Lehrjahre sind keine Spieljahre“ — „Na, mien Dochter, mi schient doch, Se sönd hiede e bat möttem Klammersack jepudert! — Sonst had Enne doch all e Taljlicht opgaohne mußd, dat de Lien nich ön ehr Frihlingsjaohre alleen von dat Plosse nehje so entzickd un bejeistert weer, dat se nu naoh rund veertich lange Jaohr noch singt: Dat weer in Kenigsbarg im Monat Mai —" — „H — m! — Nun endlich ist der Groschen gefallen, Mutter Loneit! — Sie haben recht: Natürlich ist es unbedacht, dass wir Jüngeren immer vergessen, dass die Älteren auch jung gewesen —". „Jewese, mien Dochter? — Se sulle ons Lien sehne, wi se nu de ganze Daog huckd wi anjekliestert un trennt und nehjd un wedder trennt — ehrem ohle Kostiem, wo se all dree maol ömjekeehrt hadd (so e good Tieg jöwt dat hiedjedaogs nich mehr, sejjt se, un dao häwt se ook maol wörklich recht!), dem wöll se nu noch wedder ömmodle: Se häwt doch bi de ‚Jesellschaft', wo eck Enne all vatellt häw, önne ohl Radijo vonne H-Linje jeheerd un meent nu, dat se ons Lien, wedder önne Mod kaome kunn: ‚Kein Arsch, kein Gnick — ein Jahr zurick!' heet dat ön fröhere Jaohre bi e Kantung — un weer nich ackraod e groot Schmeichelei! — Aower kann jao sön, dat ook dat andersch jeworde ös un ons Lien möt ehrem vamösquiemtem Bossem fär e modern Lienje to este meere ös! Wenn de Welt varöckt ward, ward se toerscht önne Kopp varöckt säd ons Vaoderke ömma“. – „Und da müssen Sie nun tüchtig helfen?“ – „Jao, dat mott eck, tremme helpe un Faodems uttehne, denn ehr jesamte Garderob mott dran glowe un  e nie sieden Tailj wöll se söck ook noch leiste. Un dao wölle Se rede von „Jung jewese!“ — „In dem Sinne, wie Sie es vorhin andeuteten, liebe Mutter Loneit, muss man wohl doch von gewesen' sprechen. — Ihre Cousine schweigt doch auch nur in Erinnerungen, wenn sie singt: Es war in Königsberg — Akzent eben doch auf ‚War'“ – Na daovon ös doch gaonich to rede — dat ös doch klaor wi Kuulbaorschsopp, dat de Lien annem forsche stramme Soldaot denkt, möt dem se to de Tied önne scheene Monat Mai ömma in Kennigsbarg oppe Wall un oppe Howe römspazeert ös önne Schemmertied, wenn de Nachtegalles de junge Lied nich schlaope leete — wat e recht ohl Jumfer ös, denkt ehr Läwe lang an dat! — Aower wat e recht ohl Jumfer ös, mien Dochter, denkt ehr Läwe lang, dat dat ömma wedder noch mäglich ös un ömma wedder noch kaome kann, un dröm friee se nich, weil se ömma noch von dat dröme un oppe ‚Wiederkehr von die scheene Tied' luure wi e Kiekel op Schnodeer! — Solang se kunne, friee se nich, un wenn se denn old wäre, denke se Wunder, wat enne anne Näs värbie jegange ös und denn michde se noch partu! Un so jeiht dat ons Lien ook un dessentweje un ut dieser Ursach, wie ons Amtsverstehrer ömma säd, nu Adjeh! — eck mott t'uus gaohne un Heftfaodems ute siden Tailj tehne! — Op ander Maol kose wi denn wieder vonne Värmundschaft un Värmundschaftsjeröcht un von Enne ‚notwendije un sejensreiche obrigkeitliche Önröchtunge“ — „Wer kann jejen de Obrigkeit“ säd jen Marjell, wi se vonnem Schandarm önne Wäke keem. Aower Gott-to-danke si eck ut dissem Öller lang bute un kann Bott jäwe — un wöll möt obrigkeitliche Önröchtunge, wo irjend mäglich ös, nuscht nich, aower ook rein gaonuscht nich to dohne häbbe! — Un dat sejj eck!! — „Un nu Adjeh!“

 

 

Seite 12   Ostdeutsches Brauchtum wissenschaftlich bewahrt.

Das Freiburger Institut ist eine wissenschaftliche Forschungs- und Beratungsstelle. Ihre Bestände sind jedoch auch schon der praktischen heimatkulturellen Arbeit der Vertriebenen, insbesondere in Vorträgen, zugutegekommen und sollen hierfür in Zukunft noch mehr verwandt werden.

 

Das Institut, dessen Errichtung auf der Tagung des Verbandes der deutschen Vereine für Volkskunde 1950 in Freiburg im Zusammenhang mit der Bildung der Kommission für Volkskunde der Heimatvertriebenen erfolgte, geht auf die Initiative seines Leiters Prof. Dr. Johannes Künzig zurück. Auf 10 größeren Studien- und Arbeitsfahrten hatte er — der aus fränkischem Bauerntum stammende Westdeutsche — schon in früheren Jahren fast alle Siedlungsgebiete des Deutschtums im Osten und Südosten kennengelernt. Zu den noch aus dieser Zeit vorhandenen und ständig vermehrten Fotos und Diapositiven trat nun die systematische Sammlung ostdeutscher volkskundlicher Überlieferungen hinzu. Breitesten Raum nimmt in ihr die von Prof. Künzig persönlich geleitete Außenarbeit ein, als deren Ergebnis bis Herbst 1953 bereits 170 und heute wesentlich vermehrte Halbstunden - Tonbänder vorlagen: Lieder, Brauchtumsschilderungen, Berichte, Erzählungen und andere volkskundliche Überlieferungen der Wolgadeutschen und Siebenbürger Sachsen, aus der Bukowina und Galizien, aus dem Banat, der Batschka und Ungarn, aus Böhmen und Mähren, aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern. Neben Tonaufnahmen stehen schriftliche Aufzeichnungen. U. a. sind über 500 ostdeutsche Volkslieder aufgenommen worden. Einer umfangreichen Sammlung von Fotos stehen rund 2 300 Diapositive zur Seite. Sehr beachtlich ist die bereits über 10 000 Nummern umfassende Bibliographie der volkskundlichen Veröffentlichungen aus den Ostgebieten, während die für die volkskundliche Bearbeitung der Siedlungsräume unentbehrliche Kartensammlung rund 800 Blätter umfasst. Zu erwähnen sind ferner die über 230 Heimatblätter, die das Institut regelmäßig bezieht, und der Grundstock einer ostdeutschen Bücherei. Es wird Aufgabe der Landsmannschaften sein, im Einvernehmen mit Prof. Künzig Mittel und Wege zu finden und dazu beizutragen, um diese reichhaltigen und von einem Kenner zusammengetragenen Bestände einer Verwendung in der praktischen Volkstumspflege zuzuführen, soweit sie hierfür geeignet sind. Vieles wird, dem Charakter des Instituts entsprechend, in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken zugutekommen, doch könnten beispielsweise die Diapositive und Tonbänder zum Ausgangspunkt genommen werden, um noch weit mehr als bisher durch Kopien, durch Auszüge und Neuzusammenstellung zu Reihen in systematischem Einsatz auf Heimatabenden, in der Erwachsenenbildung, in den Schulen usw. Verwendung zu finden. Das Material ist insbesondere auch darum so wertvoll, weil es einem sehr großen Teil Zeugnis von deutschen Siedlungsgebieten ablegt, die andernorts — wie z. B. in den Sammlungen der Landes- und Kreisbildstellen — gar nicht vertreten sind.

 

 

Seite 12   Der vornehme Hund

Se kam aus Gaitzuhnen, die neie Mergell. Das war in zwei Jahr all de siebente Stell. Se taten ihr bloß ieberall kujenieren, Nu wolld se de achte, de letzte probieren. Wenn die nu nich hinhaud, denn hädd se es satt.

 

Denn wolld se partuh und durchaus inne Stadt. —So war se nu morgens um sieben gekommen Und hädd erst e bißche was zu sich genommen, Nachdem se de Finger sich warm hädd gepust, Dreimal ummes Brot und dazu einem Knust. Mit Butter und Lebenswurst orndlich beschmiert, Denn hädd se e großes Stick Wellfleisch probiert,

 

Es war ihr zu schad, dass es konnd wo versauern.

 

Nu tat auf e Happche Kleinmittag se lauern, Und wenn se sich das innem Bauch hadd gegestochen,

 

Denn missden ja auch de Kartoffel bald kochen. So huckd se karäsig am Tisch inne Kich und dachd: „Das gefällt mir, das is was fier mich!“

 

Vleicht hädd se auch noch bis Nachmittag gesessen, Bloß da brachd de Frau fierem Hund was zu fressen. ^

 

„Emilie", so sagd se, „nu musst dir erheben“ „Und hier diese Schiew voll dem Herkules geben!“

 

Was solld se nu machen, die arme Mergell! Se hob vonnem Stuhl ihrem Fahrgestell und ging aufem Hof raus, de Schiew inne Hand, und suchd, bis am Schweinstall de Hundsbud se fand.

 

Erst dachd se, der Hund hädd sich losgestriffen und war iebern Zaun bei die Braut ausgekniffen. Doch er lag inne Bud und glupd tickisch ihr an. Drum ging se man sachtche am Herkules ran und dachd: „Wat ös dä bloß ful onn domm!“ Und sagt immer: „Kules, mein Kules'che, komm!“ Das heerd nu der Herr und fing foorts an zu lachen:

 

„Emilie, was sind das fier komische Sachen!“ „Du hast doch e Mundwerk und kannst mir doch fragen“, Du musst auf dem Hundche doch Herkules sagen!“ Da kickd de Emilie ihm dreidammlich an: „Wat eenem nich alles passeere kann!“ „Man dat war öck mi doch sehr äwerlegge“. „Opp däm plieroogsche Krät ok noch Herr to segge!“ Dr. Lau

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (22)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Herrjehs nei, was hubbert mir bloß! Einer mißd diräkt dem ganzen Tag mitte Zähne klappern, aber es lohnt sich nich, weil nich viel von zu heeren is, denn ich hab man bloß noch e paar. Deshalb muss de Emma klappern, und die hat nich so viel Zeit. Aber sagen Se selbst, is das noch zum Aushalten? De Kohlen innem Keller sind aller, und der Wind pust durch alle Knopflöcher. Dabei geht es nu all mächtig aufem Mai los, wo de Beime ausschlagen sollen und wo bloß noch, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus bleibt. Wenn die Maikäferchens nu rausgekrabbelt kommen, denn missen se sich Mauchens ieberziehen und Ohrenschitzer, dass se nuscht nich anfrieren. Sogar de Abgeordnete in unserem Landtag haben kalte Fieße gekriegt, aber das kam greeßtenteils von die Wahl. Dabei tun se nu aller so, als wenn se sehr zufrieden sind. Da fällt mir bei die Gelegenheit e scheener Vers ein:

 

Vier Spieler spielden von spät bis frieh,

Und wie nu de Nacht verronnen,

Wie morgens de Sonn durches Fenster kickd,

Da hädden se aller gewonnen.

Wie is das meeglich, so fragden sich

De Brieders, de Onkels, de Tanten;

Und dabei war das e einfacher Fall:

Es waren vier Musekanten!

 

Jetzt nach de Wahl blasen auch allerhand Leite, aber aufem letzten Loch. Ich will hier nich perseenlich oder gehässig werden, und wer sich getroffen fiehlt, is selber schuld. Ja, in die Polletik geht es wie aufe Achterbahn, mal bist oben und mal bist unten. Aber lassen Se man! Es is ganz gut, wenn alles e bißche in Bewegung kommt. Bei uns innes Dorf is auch alles in Bewegung, aber nich wegen die Wahl, sondern wegen die blaue Minna. Das is e Aufregung, dass de Bauern foorts das Mistfahren vergessen. De blaue Minna und virzehn Gäste von die Einsegnung sind aufe Pollezei gelaufen und haben die Mannekäng angezeigt wegen Körperverletzung. Aber die hat gleich die Fork umgedreht und gegen blaue Minna wegen Diebstahl geklagt. Nu is das Dorf diräkt in zwei Hälften gespalten, und keiner weiß nich, was dabei rauskommen wird. Es lohnt sich rein, e Toto aufzumachen. Erst hädd der Schiedsmann versucht, die erregte Gemieter zu beruhigen, aber es nitzt nuscht, se wollden ihre Rache haben und hädden ihm beinah verpriegelt. Da kriegd er es mitte Angst und ließ ihnen dem Willen. Nu kam einem Abend de Pollezei, und aller mißden innes Gasthaus gehen, und da wurd nu der ganze Schmetter aufgeschrieben. Sogar einem Hund hädden die beide Wachtmeister mitgebracht. Der mißd immer knurren, wenn einer zu laut wurd. Und da haben se denn nu briehwarm erzählt, wie ihnen mit eins so mulmig wurd, wie der Bauch anfing zu kneifen und wie se rennen mißden, dass se knapp hintrem Husch kamen. Am dollsten schimfd die dicke Frau Sommer, aber die hädd auch alle Ursach, denn se fiehld sich am meisten geschädigt. Es kam nämlich bei die Vernehmung raus, dass se sone altmodsche Bixen trug mit Bänder, wo ummen Bauch rumgenommen und vorne zugebunden werden. In die Aufregung hädden die sich verknipft, na, und was nu passierd, können Se sich allein ausrechnen. Wodraus einer wieder mal sieht, dass einer immer mitte Zeit mitgehen soll. Die Fortschritte vonne Technik sind fier aller da, auch fiere dicke Frau Sommer. Wie einfach wäre alles gewesen, wenn se e Gummiband gehabt hädd. Dass de Pollezei ihr auch glauben solld, häd se gleich einem Zeugen mitgebracht, nämlich dem Nachbar von die blaue Minna, dem Bauer Bode. Sehn Se, und das hädd se nich tun solld, denn nu gab es noch beinahe e Priegelei. Denn der Bode sagd, er hädd auf seinem Hof gestanden und sich das angekickt, wie se aller hintre Hischer in Kniebeige gingen. Und er hädd auch gesehen, wie eine Frau sich mit ihre Bänders abmaracheld, aber es war all ziemlich schummrig, und so konnd er von hinten nich erkennen, ob es wirklich de dicke Frau Sommer war. Da ging se aber hoch! So unzuverlässig sind heite die Menschen, und ob er ihr das nich gönnen tat, dass se e extra Entschädigung kriegen solld. Es hädd wirklich nich viel gefehlt, denn hädd er von ihr e anständige Schicht bezogen. Bloß mit eins knurrd der Pollezeihund dazwischen, und da beruhigd se sich wieder. Es ist ja auch wahr: Ihr Mann is e ganz moderner Landwirt und will durchaus e Trecker kaufen, aber sie is geizig und altmodsch und hat nich emal Gummi inne Bixen! Na hoffentlich is se nu kuriert! Jedenfalls gab es viel zu lachen, und lachen is ja gesund. Die Mannekäng ließ sich nich auße Ruhe bringen. Se lächeld bloß vor sich hin und sagd, se will erst vor Gericht alles sagen, was se noch zu sagen hat. Da werden denn de blaue Minna diräkt de Augen iebergehen. Einer soll es gar nich glauben, wie schlecht de Menschen sind, meind se. Wenn nu nich mal mehr de Eier innem Hiehnerdups sicher sind, denn sind wir doch all wirklich weit genug. Wohin soll das noch fiehren! Wenn da nich der Staat durchgreift, denn geht alle Ordnung unter. — Nu lauert das ganze Dorf noch doller wie vorher aufem Termin vor Gericht, und ich hab de Emma inne Hand versprechen mißd, dass wir auch wirklich hinfahren, und wenn es blau brennen solld. Aber denn hat de Emma noch einem Wunsch, und der kommt bloß von das Gummiband, wo de Sommersche nich hädd. Se will nu auch ganz modern werden und einem H-Linien-Kleid haben. Erst wußd ich gar nich, was das is, denn ich hädd all mal was von Stromlinien geheert, aber noch nuscht von H-Linien. Nu hat se mir das auseinanderverposamentiert. Mit H-Linie, sagd se, is einer ganz schlank, da hat einer vorne nuscht und hinten nuscht, und das is das Neiste aus Paris. Aber das wäre ja direkt e Unglick, denn wenn einer Frau vorne und hinten nuscht mehr hat, denn is se doch e Missgeburt. Oder meinen Se nei? Is bloß gut, dass es wegen die Pienunse sowieso nich geht. Deshalb muss se sich die H-Linie außem Kopp schlagen. Emmend haut es mal innem Fußball-Toto orndlich hin, denn soll se sich meintswegen zwei H-Linien-Kleider kaufen. Bloß ich kauf mir denn gleich e Vergreeßerungsglas dazu, sonst find ich ihr womeeglich nich mehr inne Stub. Wie so e Frau doch foorts alles fier sich auszunutzen versteht! Dabei is doch von die geklaute Eier ieber das Abfiehrmittel und das Gummiband bis zu die H-Linie e ganz gewaltger Gedankensprung, wo einer mit seinem halbwegs normalen Verstand knapp noch mitkommt. Wenn de Emma schlank werden will, denn hädd se mir man e bißche helfen solld, wie ich im Garten unserm Ricken umgraben tat. Da hab ich nu all drei Tage rumgewiehlt wie e Maulwurf, dass mir abends das Kreiz wehtat. Aber wie ich fertig war und alles hibsch eingesät hädd, Salat und Radieschen und andre scheene Sachen, da flogen Mannekäng's Hiehner iebern Zaun und haben alles wieder hibsch ausgebuddelt. Deshalb bin ich mit meine Simpathie bei die blaue Minna. Denn hädd se de Kräten wieder abgefangen und eingespundt, denn hädden se dem Garten nich rujenieren konnd. Nu fang ich morgen noch emal an. Aber ich hab mir vorgenommen, wenn ich emal einem Huhnche bei die Wiehlarbeit bedrick, denn sperr ich ihm auch ein und denn muss de Mannekäng ihm mit einem Gulden bei mir auslösen. Und wenn se mir denn auch e Torte mit Krem-Garnitur schenken will, denn lad ich ihr zu Kaffee ein und denn muss se de ganze Torte allein aufessen. Und denn soll mir das auch ganz eingal sein, ob se e Gummiband hat oder nich. Sehn Se, so muss einer sich ärgern und in Hitze schreiben. Dafier hat de Emma nu aber leider kein Verständnis nich. Se meind ganz ruhig, dass ich ja sehr viel Zeit hab und dass die körperliche Tätigkeit mir vor die Artillerie-Verkalkung schitzen tut. Ich soll mir man nich unnitz aufregen, weil das in meinem Alter sehr gefährlich is. Inne nächste Woche will ich daraufhin nu doch emal beim Doktor gehn und mir inwändig nachsehn lassen. Zwar fehlt mir eigentlich gar nuscht aber sicher is sicher. Es beruhigt einem doch. Vleicht wart ich auch noch e paar Wochen, bis se de entzweine Straß wieder zurecht gemacht haben. Da fällt einer nämlich von ein Loch innes andre, und bei die Gelegenheit kann einer sich womeeglich noch de Knochen brechen, besonders im Diestern. Nu will ich meinem Geschreibsel beenden, denn es geht all langsam auf Ambrot. Herzlich Ostpreißengrieße.

Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer Ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Gesucht werden aus:

 

Braunsberg: Dietrich Kirstein, geb. 1941, und Manfred Kirstein, geb. 1942, von ihrer Tante: Emma Schröder. Die Kinder sollen mit der Mutter Hedwig Kirstein in Braunsberg direkt am Bahnhof gewohnt haben.

 

Bruchort, Kreis Gerdauen: Doris Kommnick, geb. 18.08.1942, und Dieter Kommnick, geb. 19.11.1944, von Otto Kommnick, geb. 10.08.1907.

 

Der Kinderklinik Frauenburg bei Braunsberg: Hannelore Kelch, geb. 15.02.1942 in Insterburg, von ihrer Mutter: Reta Wesselog, geborene Kelch, geboren 13.01.1908. Das Kind befand sich wegen Gesichtsrose und Lungenentzündung in der Kinderklinik Frauenburg. Von dort sollen die Kinder im Januar 1945 in eine Schule nach Braunsberg verlegt worden sein. Welche Schwester hat das Kind Hannelore Kelch in Frauenburg bei Braunsberg gepflegt und kann über den Verbleib desselben Auskunft geben?

 

Gaidellen, Kreis Heydekrug: Heinz Kurt Danner, geb. 29.05.1939, und Horst Danner, geb. 19.01.1941, von ihrer Tante: Liesbeth Danner.

 

Karolinenhof, Kreis Gerdauen: Ursula Kösling, geb. 23.04.1938 in Hohenstein, von Frieda Kösling, geborene Walter, geb. 06.05.1915. Ursula Kösling ist mit der Bahn von Klein-Gnie, Kreis Gerdauen, nach Litauen gefahren, um Lebensmittel zu besorgen. Laut Aussagen anderer Kinder ist sie in Liederenne ausgestiegen.

 

Klain, Kreis Zichenau: die Geschwister Hilde Krahn, geb. 03.11.1934, Ella Krahn, geb. 25.04.1937, und Erika Krahn, geb. 26.07.1943, von ihrer Schwester: Lydia Bender, geborene Krahn, geb. 10.04.1925. Die gesuchten Kinder befanden sich zuletzt mit ihren Eltern und dem Bruder Otto Krahn, geb. 02.04.1931, bei Frau Emma Glenz.

 

Klein-Schiemanen: Kreis Ortelsburg: Helmut Dzarstek, geb. im März 1934, und Walter Dzarstek, geb. im Juni 1936, von ihrer Tante: Minna Rosowski, geborene Koschinski, geb. 06.12.1906.

 

Königsberg-Lauth: Grete Steffler, geb. 07.06.1933, von ihrem Vater: Richard Steffler, geb. 15.03.1903.

 

Königsberg-Tannenwalde, Bahnhofstr. 1: Brigitte Losch, geb. 31.05.1938, von ihrer Tante: Johanna Rohde, geborene Losch, geb. 22.06.1911.

 

Königsberg-Ponarth: Barbarastraße 86: Lieselotte Walter, geb. 16.02.1936, von Ernst Gropp, geb. 03.06.1906.

 

Königsberg, Jägerstraße 41a: Erna Bockhardt, geb. 02.10.1938, von ihrer Mutter: Maria Bockhardt.

 

Königsberg, Troppauer Weg 23: Christel Keller, geb. 12.04.1937 in Königsberg, und Monika Keller, geb. 04.08.1943, von ihrem Vater: Erich Keller.

 

Königsberg, Schrebergarten „Glückauf“, Asternweg 22: Gisela Sprengel, geb. 13.08.1937, von ihrer Mutter: Erna Sprengel, geborene Krause, geb. 21.08.1905.

 

Locken, Kreis Osterode: Brigitte Fromberg, geb. 16.05.1939, und Lothar Fromberg, von Familie Jellonnek. Die Geschwister kamen nach dem Tode der Mutter zu einem Zahntechniker Fritz Kischlat in Locken, Kreis Osterode.

 

Mükünen, Gemeinde Partheinen, Kreis Heiligenbeil, bei Wolittnick: Heinz Kasimir, geb. 23.05.1935, in Rippen, von seinem Vater: Emil Kasimir.

 

Neuhof, Post Trutenau, Kreis Samland: Günter Kaufmann, geb. 06.06.1935 in Neuhof, von seinem Vater: Otto Kaufmann.

 

Rastenburg, Köskeimer Weg 4: Hans-Dieter Lunkeit, geb. 02.01.1934, und Brigitte Lunkeit, geb. 07.02.1935 in Engelstein, von ihrer Großmutter: Auguste Lunkeit, geborene Wentler, geb. 23.05.1889.

 

Reesen, Kreis Samland: Hertha Fischer, geb. 25.07.1938, und Else Fischer, geb. 10.05.1941, von ihrer Mutter: Helene Fischer, geb. 09.02.1908.

 

Schillmeyßen, Kreis Heydekrug: Erwin Knoop, geb. 27.12.1934 in Briußen, und Dieter Knoop, geb. 20.10.1943 in Schillmeyßen, von ihrem Vater: Emil Knoop, geb. 15.01.1910.

 

Schustern, Kreis Tilsit-Ragnit: die Geschwister Klaus Raudies und Grete Raudies, geb. etwa 1938, von ihrem Bruder, Gerhard Raudies, geb. 07.10.1937.

 

Stablack, Kreis Preußisch-Eylau, Heinrich-Bruch-Straße 9: Helmut Neumann, geb. 07.02.1935 in Zinten, von seiner Großmutter, Marie Goerke, geborene Boehmke. geb. 22.05.1882.

 

Stanillen, Kreis Wehlau: Paul Ziegann, geb. 05.05.1933 in Neuendorf, und Robert Ziegann, geb. 13.01.1934 in Ernstwalde, von ihrem Vater: Franz Otto Ziegann, geb. 30.09.1895. Paul und Robert Ziegann befanden sich im Dezember 1944 im Waisenhaus in Treuburg.

 

Tilsit, Siedlung, bei Familie Mischkat: Renate-Ingrid Gawehn, geb. 01.12.1939 in Insterburg, von ihrer Mutter, Helene Schneider, geborene Gawehn, geb. 11.01.1920.

 

Transsau, Kreis Samland: Bernhard Leskien, geb. 02.02. 934, von seinem Vater, Fritz Leskien, geb. 01.04.1901

 

Allenstein, Liebstädterstr. 36: Bärbel Kaminski, geb. 28.07.1941 in Allenstein, von ihrem Vater, Erich Kaminski, geb. 06.09.1914.

 

Arnsdorf, Kreis Heilsberg, Waisenhaus: Edith Wesse, geb 18.07.1934, und Horst Wesse, geb. 24.04.1941, von ihren Eltern, Franz Wesse, geb. 19.09.1908, und Luise Wesse, geborene Ogurek, geb. 20.08.1913. Horst Wesse hat braune Augen, hellblondes Haar und einen Haarwirbel in der Mitte des Haaransatzes. Edith Wesse hat braune Augen, dunkelblondes Haar und die beiden vorderen Schneidezähne an den Ecken etwas abgeschlagen.

 

Deutsch-Thierau, Kreis Heiligenbeil: Bruno Pletzki, geb. 14.06.1933 in Grünhof-Kippen, von Eva Pletzki, geb. 28.09.1925.

 

Felzin, Kreis Sichelberg: Alina Remin, geb. 30.01.1935 in Freudenau, von ihrer Mutter, Amanda Remin, geb. 14.02.1893.

 

Fichtenfließ, Kreis Tilsit: Hilda Tummuscheit, geb. 06.02.1938. von ihrem Vater, Paul Tummuseheit, geb. 17.06.1911.

 

Friedrichsrode, Kreis Labiau: Arno Bayer, geb. 28.04.1935, von Herta Bayer, geborene Krowinnus, geb. 27.09.1904.

 

Friedrichsrode, Kr. Labiau: Erich Paul Schierz, geb. 21.02.1935, von seiner Mutter: Anna Schierz, geborene Jodjahn, geboren am 03.05.1906.

 

Grüneberg, Kreis Elchniederung: Marion Gehlhaar, geb. 25.06.1936 in Königsberg, von ihrem Vater, Erich Gehlhaar, geb. 20.03.1909. Am 21.01.1945 befand sich Marion Gehlhaar in Drebnau, Kreis Samland.

 

Julienbruch, Kreis Labiau: Ursula Sziburies, geb. 28.09.1938, von ihrer Tante, Martha Sziburies.

 

Königsberg, Alter Garten 32: Erika Sprengel, geb. 01.01.1935, und Renate Sprengel, geb. 22.12.1943, von ihrem Vater, Walter Sprengel, geb. 26.10.1899.

 

Königsberg, Friedemannstr. 14: Lieselotte Könsler, geb. 03.11.1936, von ihrem Vater, Gustav Könsler, geb. 08.07.1892.

 

Königsberg, Gerlachstr. 96/97 oder 99: Hans Jürgen Lindigkeit, geb. 24.02.1940, von seinem Vater, Leo Lindigkeit. Der Knabe wurde „Hansi“ gerufen und befand sich bis 1945 in Pflege bei einer Frau Krokolowski, aus Königsberg, Gerlachstraße 97 oder 99.

 

Kruglanken, Kreis Angerburg: Siegrid Schelonnek, genannt Inge, geb. 16.04.1935, und Schelonnek, Rosemarie Schelonnek oder Erika Schelonnek, geb. 22.02.1945, von ihrem Vater, Gustav Schelonnek, geb. 08.11.1903. Die Kinder können auch auf den Namen Zagert hören.

 

Neu-Jerutten, Kr. Ortelsburg: Hildegard Tulowitzki, geb.06.01.1940, und Helga Tulowitzki, geb. 12.10.1941, von ihrer Mutter, Berta Tulowitzki, geb. 02.10.1907. Die Kinder sind am 24.01.1945 auf der Flucht beim Umsteigen auf dem Bahnhof Sensburg infolge großen Gedränges verlorengegangen und mit dem Zug in Richtung Königsberg allein weitergefahren. Die Kinder waren bekleidet mit einem rotkarierten Kleid, einem dunkelroten Unterkleid mit schwarzer Umrandung aus Wolle, hohen schwarzen Schuhen, schwarz und weißen schafwollenen Strümpfen und mit einem braunen Mantel. Wer ist diesen beiden Mädchen in Sensburg oder im Zuge von Sensburg nach Königsberg begegnet und kann über den weiteren Verbleib Auskunft geben? Bei den Kindern befanden sich Gepäckstücke mit einem Namenschild „Tulowitzki“.

 

Pronitten, Kreis Labiau: die Zwillinge Helmut Zander und Heinz Zander, geb. 09.03.1937, und Helga Zander, geb. 31.07.1939, von ihrem Vater, Willi Zander, geb. 03.09.1900.

 

Rastenburg, Hindenburgstraße: Brigitte Hallweg, geb. 12.11.1936, Wolfgang Hallweg, geb. 23.07.1938 und Iris Hallweg, geb. 1941 oder 1942 in Rastenburg, von ihrem Vate, Eduard Hallweg.

 

Raudensee, Kreis Angerburg: Reinhold Krieger, geb. 08.03.1936, von seinem Vater Walter Krieger.

 

Rumeyken, Kreis Lyck, bei Familie Chaimowski: Eva Rymarzick, geb. 29.03.1935 in Dlugossen, von ihrem Pflegevater, August Chaimowski, geb. 21.08.1899.

 

 

Schönbrück, Kreis Allenstein: Heinrich Krause, geb. 27.04.1940, von Johannes Krause, geb. 21.04.1912.

 

Schönbruch, Kreis Bartenstein, Siedlung: Günther Witt, geb. 28.04.1939, von seiner Mutter, Martha Kordetzki, geborene Witt, geb. 15.02.1920.

 

Schrombehnen, Kreis Preußisch-Eylau: Käthe Stahl, geb. 1937, und Alfred, Stahl, geb. 1933, von ihrem Bruder, Kurt Frenzel. Alfred und Käthe Stahl waren 1945 mit einer Frau Romeike, geborene Ambrosisus, auf der Flucht zusammen. Scheinbar sind alle zu Fuß über das Frische Haff gegangen.

 

Sonnheim, Kreis Angerburg: Elli Dzubiel, geb. 20.03.1934, Helmut Dzubiel, geb. 07.08.1937, und Manfred Dzubiel, geb. 10.06.1941, von ihrer Großmutter, Anna Gudusch, geborene Kulik.

 

Sudau bei Trömpau, Kreis Samland: Traute Herholz, geb. 24.12.1938 in Sudau, von ihrer Tante, Liesbeth Neumann, geborene Herholz. Traute soll nach Thüringen oder Sachsen in ein Waisenhaus gekommen sein.

 

Waldburg, Kreis Samland: Herta Post, geb. 17.06.1936 und Jürgen Post, geb. 23.08.1939, von ihrer Tante, Wilhelmine Buchholz.

 

Königsberg-Seligenfeld: Ruth Reklat, geb. 31.01.1943, von ihrer Mutter Magdalene Reklat. Das Kind wurde Mitte Februar 1945 in Rostock auf dem Bahnhof von der Hebamme Frau Kurschneruf aus Norkitten einer NSV-Schwester übergeben. Wer kann über den weiteren Verbleib des Kindes Ruth Reklat Auskunft geben?

 

Königsberg, Lovis-Corinth-Straße: Eva Fischer, geb. 06.01.1934 in Königsberg, von ihrem Vater, Otto Fischer, geb.07.04.1898.

 

Kornfelde bei Liebenfelde, Keis Labiau: Walter Alex, geb. 24.03.1935 in Kornfelde, von seiner Schwester, Waltraut Alex. Walter Alex ist im Januar 1947 in Litauen gewesen.

 

Lindenau über Braunsberg, Kreis Heiligenbeil: Elfriede Hopp, geb. etwa 1933, und Arthur Hopp, geb. 1939 in Lindenau, von ihrem Bruder, Helmut Hopp, geb. 15.06.1936.

 

Lötzen, Brückenstr.: Hans-Werner Praetorius, geb. 08.04.1939, von seinem Vater, Rudolf Praetorius, geb. 10.04.1901.

 

Lompönen, Kreis Tilsit-Ragnit: Heinz Ruppenstein, geb. 26.04.1934 in Lompönen, von seinem Vater, Emil Ruppenstein

 

Marauen bei Zinten, Kreis Heiligenbeil: die Geschwister Rosemarie Sabottki, geb. 07.10.1934 in Duisburg, Manfred Sabottki, geb. 14.11.1936 in Plehnen und Harald Sabottki, geb. 18.01.1941 in Nemritten, von ihrer Schwester, Margarete Scheelen, geborene Sabottki, geb. 01.05.1920. Die Kinder befanden sich im März 1945 mit ihrer Mutter in Fischhausen, Kreis Samland

 

Memel, Weidendammstraße 2: Klaus-Günter Balsis, geb. 01.06.1941, von Barbara Beermann, geborene Ivoneit.

 

Mittenbach, Kreis Schloßberg: Kurt, Dommasch, geb. 05.03.1934 in Mittenbach, von seinem Vater, Rudolf Dommasch, geb. 09.03.1886. Kurt Dommasch war Anfang Januar 1945 mit seiner Mutter und seinen Brüdern Heinz Dommasch und Kurt Dommasch nach Callehnen, Kreis Wehlau, evakuiert.

 

Osterode, Ostpreußen, Luisen-Schule, Hindenburgstraße: die Geschwister Walter Krause, geb. 1938 und Robert Krause, geb. 1939, von ihrer Mutter, Emmi, Rutz, verwitwete Krause. Beide Kinder haben sich bis 1945 in der Luisenschule in Osterode befunden und sind dort einer Flüchtlingsfrau übergeben worden. Jeder Knabe hat ein Bild der Eltern bei sich gehabt. Auf diesem Bild war der Vater in Militäruniform, die Mutter in einem dunklen Kleid mit bunten Aufschlägen abgebildet. Vielleicht war auch der Heimatort Moorhof, Kreis Gumbinnen, darauf aufgeschrieben. Walter Krause hat über der rechten Augenbraue eine Narbe.

 

Schönfließ, Kreis Rastenburg: Hannelore Welz, geb. 21.10.1936, und Roswitha Kussin, geb. 01.08.1944, von ihrer Tante, Hannelore Arndt, geborene Welz.

 

Tilsit, Dragonerstraße 27: Dieter Papendick, geb. 03. 08.1936, von seiner Großmutter, Martha Böhme, geborene Wendel.

 

 

 

Seite 13   Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a. zu richten.

 

Familie Schaudensitis, aus Auriken, Kreis Heydekrug, für Ludwig Schaudensitis, geb. 03.041919 in Usteninis,

 

Maria Stinka, aus Braunsberg, Langgasse 52, für Emil Stinka, geb. 01.02.1910 in Wellheim.

 

Luise Przyborowski, aus Dingeln, Post Herzogskirchen, Kreis Treuburg, für Wilhelm Przyborowski, geb. 14.02.1922 in Dingeln,

 

Rosa Rehberg, aus Doze-Bartoty, Gemeinde Ramsowo, Poviat-Olsztyn, für Wilhelm Rehberg, geb. 26.01.1900 in Groß-Barteldorf,

 

Wilhelm Sczesny, aus Dreifelde, Kreis Johannisburg, für Erich Sczesny, geb. 25.10.1920 in Dreifelde.

 

Familie Rüger, aus Forsteck, Kreis Gumbinnen, für Erich Rüger, geb. 1920,

 

Herta Ruppert, aus Gutenfeld, Kreis Samland, für Hermann Ruppert, geb. 19.06.1906 in Czerkow,

 

Anna Zyborowicz, aus Kischinen, Kreis Neidenburg, für Josef Zyborowicz, geb. 14.04.1902 in Schrensk,

 

Fritz Buchholz, aus Königsberg, Friedmannstr. Nr. 38, für Ernst Stobbe, geb. 09.10.1926 in Königsberg,

 

Bertha Thorun, aus Königsberg. Jerusalemstr. 47, für Johann Thorun, geb. 21.01.1903 in Königsberg

 

Lydia Ströbel, aus Königsberg, Moltkestr. 15, bei Schulz, für Ephraim Ströbel, geb. 12.06.1910 in Jakobkan,

 

Martha Sprengel, aus Königsberg, Sternwart 72, für Ernst Sprengel, geb. 25.04.1907 in Königsberg,

 

Anna Nausad, aus Mestellen, Kreis Heidekrug, für Oskar Szebries, geb. 06.10.1913 in Memel,

 

Minna Schulz, aus Neukussfeld, Kreis Preußisch-Holland, für Otto Schulz, geb. 02.10.1907 in Reichenbach,

 

Johann Sczepanek, aus Omulehofen, Kreis Neidenburg, für Heinrich Sczepanek, geb. 07.04.1909 in Omulehofen,

 

Ottilie Müller, aus Pereswalde, Kreis Angerburg, für Alexander Müller, geb. 10.12.1900,

 

Eugen Zieske, aus Perkuiken, Post Goldbach, Kreis Welau, für Günther Zieske, geb. 02.03.1922 in Waldried,

 

Familie Sbrzesny, aus Rodenau, Kreis Lötzen, für Gustav Sbrzesny, geb. 25.01.1912 in Brassendorf, Kreis Lötzen,

 

Emma Störmer, aus Walddorf, Kreis Insterburg, für Friedrich Störmer, geb. 22.10.1895 in Labagimen.

 

 

Seite 13   Heimkehreraussagen über Zivilgefangene

Nachrichten an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II, Hamburg-Osdorf, Blomkamp 51.

 

Gesucht werden aus:

 

der Gegend Gerdauen: die Angehörigen einer Annemarie Zastrau, geb. etwa 1929.

 

der Gegend Königsberg: die Angehörigen einer Hilde Deppner, geb. etwa 1929.

 

Memel oder Umgebung: die Angehörigen einer Emma Becker, geb. etwa 1926.

 

Rastenburg: die Angehörigen des Kaufmanns, Vorname unbekannt Stielau, , geb. etwa 1891. Die vermutliche Schwester, Frau Frieda Döhring, war wohnhaft in Gr.-Breitenbach, Kreis Arnstadt (Thüringen), Marienstraße 23, und ist von dort unbekannt verzogen.

 

Tilsit, vermutlich aus Litauen oder Lettland: die Angehörigen des Tischlers, Otto Knispel, geb. etwa 1906.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Schlossers, vermutlich auch Schiffsheizer, Max Woska, geb. etwa 1897.

 

Allenstein, vermutlich auch Mährisch-Ostrau: Karl-Heinz Förster, geb. 15.10.1897, von Elisabeth Schwinkowski-Förster,

 

dem Kreis Heydekrug: die Angehörigen des Landwirts und früheren Bürgermeisters, Heinrich Bateitis, geb. etwa 1891.

 

Königsberg, Flottwellstr. 11: die Angehörigen der Hausfrau Anna oder Anni Bobereck, geborene Zimmermann, geb. etwa 1913.

 

Königsberg, vermutl. auch aus der Umgebung: die Angehörigen des Müllers, Kurt Schreiber, geb. etwa 1904.

 

Königsberg, Rippenstr. 17: Helmut Paul, geb. 23.11.1923, von Frau Elsa Bastian aus Berlin.

 

Memel: die Angehörigen des Schuhmachers, Ernst Becker, geb. etwa 1918.

 

Rastenburg: die Angehörigen der Mittelschullehrerin, Herta Klein, geb. etwa 1902.

 

Tilsit: die Angehörigen des Horst Bartsch, geb. etwa 1929.

 

Tilsit: die Angehörigen der Hausfrau und Schneiderin, Martha oder Meta Broschaft, geb. etwa 1914.

 

Allenstein: die Angehörigen des Franz Dabrowski, geb. etwa 1900, von Beruf: Melker.

 

Elchwerda (Memelgebiet): die Angehörigen des Erich Kühn, geb. etwa 1926.

 

Sichelberg: die Angehörigen des Wilhelm Mey oder May, geb. etwa 1904, Beruf: Kaufmann

 

Ribitni, Kreis Sierpc, Bezirk Warschau: die Angehörigen des, vermutlich Andreas Herrn Roschak, geboren etwa 1879, Beruf: Landwirt. Ehefrau heißt Auguste Roschak, geborene Kupe. Töchter Helene Roschak und Johanna Roschak.

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen?

 

Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München. Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13. Infanteriestraße 7a.

 

Gesucht werden aus:

 

Gumbinnen oder Insterburg: Die Angehörigen von Dr. Werner Geu, geb. unbekannt, von Beruf Tierarzt, III/2667.

 

Insterburg: die Angehörigen von Otto Gerwin oder Gerwien, geb. etwa 1900, von Beruf: Landwirt, Verwalter, III/43487.

 

Königsberg: die Angehörigen von Fritz Gawlick, geb. 01.07.1906, Hausmeister, III/11694.

 

Königsberg-Ponarth: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Gehring, geb. etwa 1900, III/103992.

 

Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Goerke, geb. etwa 1908/1910, von Beruf: Vertreter in Spirituosen, III/55241.

 

Königsberg: die Angehörigen von: Georg Götting, geb. etwa 1900/1904, von Beruf Viehhändler, III/88431.

 

Wer kennt die Angehörigen?

 

Karl, unbekannter Unteroffizier, Personalien: Geb. etwa 1924/1925, ledig, Schüler, aus Angerapp (Ostpreußen). Verstorben Februar 1947 im Lager Kineschma (UdSSR), Nr. 1107.

 

Peter, aus Königsberg, Personalien: Geb. etwa 1909/1910, große, kräftige Erscheinung, schwarzes Haar, Metzger. Verstorben im März 1945 im Lager Nowosibirsk (UdSSR), Nr. 1103.

 

 

Schulkeim, Kreis Labiau: die Angehörigen von: Otto Gehrmann, geb. etwa 1887, von Beruf: Landwirt, III/37322.

 

Schulkeim, Kreis Labiau: die Angehörigen von: Hermann Gehrmann, geb. etwa 1892, von Beruf: Landwirt, III/37323.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Artur Gabert, geb. etwa 1917, ledig, von Beruf: Landwirt, III/21952.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Karl Gahl, geb. unbekannt, III/19325.

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von: Bruno Ganz, geb. 1913, von Beruf: Kaufmann, SS-Scharführer, III/105071.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Willi Görk, geb. etwa 1910, III/55555.

 

Allenstein (Ostpreußen): die Angehörigen von Josef Bania, geb. etwa 1888, Sägewerkarbeiter, III/53005.

 

der Gegend von Insterburg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Arbter, geb. etwa 1910/1911, aktiver Soldat, Fahnenjunker, III/12863.

 

Königsberg (Ostpreußen): die Angehörigen von: Erich Baeslek, geb. etwa 1914/1915, ledig, von Beruf: kaufmännischer Angestellter, III/103042.

 

der Gegend von Königsberg: die Angehörigen von: Bruno Baron, geb. etwa 1902/1907, von Beruf: Schneider, III/19543.

 

Skeisgirren: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Augustin, geb. etwa 1909/1910, von Beruf: Landwirt, III/5291.

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Adam oder Adams, geb. etwa 1919, Oberleutnant, III/72819.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Helmut oder Artur, Adomeit, geb. etwa 1924/1925, von Beruf: Jungbauer, III/12471.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Amann, geb. etwa 1911, III/103157.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Josef Axnik, geb. 1907, von Beruf: Landwirt, III/87986.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vornarne unbekannt, Bauer oder Frank, geb. etwa 1885/1890, III/22610.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Otto Bauer, geb. etwa 1931, III/93751.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Albert Plitt, geb. etwa 1924, Student, III/16932.

 

Deutsch-Krone: die .Angehörigen von: Fritz Baldes, geb. unbekannt, III/62461.

 

Königsberg: die Angehörigen von: Theodor Arendt, geb. etwa 1900, von Beruf: Schachtmeister, III/52422.

 

Königsberg, Ponarterstraße: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Arnold, geb. etwa 1890/1895, verheiratet, von Beruf: Gastwirt, III/71593.

 

der Umgebung von Lyck: die Angehörigen von: Emil Alexander, geb. etwa 1925, von Beruf: Tischler, III/82811.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Rudi Ansorge, geb. etwa 1921, III/55455.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Ausländer, geb. etwa 1902, Hauptwachtmeister bei der Gendarmerie, III/83342.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Horst Bachanowitz, geb. unbekannt. III/52897.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Zilly Baran, geb. etwa 1920/1925, DRK-Schwester, III/96526.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Klaus Bartsch, geb. 1922, Student, IlI/82827.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Bauer, geb. etwa 1900, Major, III/22970.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Walter Baumann, geb. 1922, III/87150.

 

 

Seite 14   Reklame von Firmen

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Die Vermählung unserer einzigen Tochter Iris mit Herrn John Henry Ballard geben bekannt: Georg Hager und Frau Frieda, geb. Stahlbaum. Jetzt: Bevensen, Kreis Uelzen. Früher: Königsberg, Preußen, Körte-Allee 12.

Wir geben unsere Vermählung bekannt: John Henry Ballard und Iris Elfriede Ballard, geb. Hager. San Francisco, Californien / USA 1022Powel Apt. 2

 

In memoriam. Frau Dr. Urte Aschekies, geb. Lilienthal. Zahnärztin in Ostseebad Neukuhren. April 1945 verschollen auf der Flucht. Familie Dr. Nimtz. Berlin-Zehlendorf. Am Fischtal 26 b.

 

Am 16. April 1955 entschlief nach kurzer, schwerer Krankheit mein lieber Mann unserer guter Vater, Assessor Erwin Kirschnick, Referent im Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein, kurz vor Vollendung seines 44. Lebensjahres. Ruth Kirschnick, geb. Stahnke, Ärztin. Christian Kirschnick und Sabine Kirschnick. Kiel-Hasseldieksdamm, Mettenhofer Weg 25. Früher: Königsberg, Preußen, Augustastraße 8

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Gesucht werden, das Postmeisterehepaar (Karl?) Krause, wohnhaft im Posthause Königsberg-Ponarth oder dessen Kinder und Angehörige, die in Königsberg/Pr., wohnhaft waren. Möglich ist es, dass das Ehepaar Krause im Jahre 1944 in Königsberg/Pr., Schiffdeckerstraße 12, wohnte, da ich von der Heimatortskartei für Ostpreußen diese Anschrift bekam. Die Anschriften sind für mich von großer Wichtigkeit und bitte ich alle Landsleute um Mithilfe bei meiner Suche. Auskunft wird belohnt. Frau Olga Bahner, München 23, Am Biederstein 7.

 

Suche meinen Mann, Gefr. Ernst Hollatz, geb. 12.11.1913, aus Angerburg (Ostpr.), Stadtsiedlung 15, zuletzt im Januar 1945 in Mohrungen, Schw. Artl.-Ausbildungsaibteilung 37, Umschulungsbatterie. Nachricht erbittet Hildegard Hollatz, Potshausen, Kreis Leer (Ostfrsld.).

 

Wer war mit dem Ehepaar, Lehrer Otto Topel und Frau Martha, geb. Schött, geb. 03.05.1873 und 25.01.1878, wohnh. in Königsberg, Claaßstraße 25 I, zuletzt zusammen und kann Auskunft über das Schicksal meiner Eltern geben? Nachricht erbeten an Dr. Bernhard Topel, Berlin-Nikolassee, Leopoldstr. 21.

 

Gesucht werden: Herr Max Czibulinski, aus Königsberg in Preußen — Soda- und Mineralwasserfabrik (Sinalco). Privatwohnung: Tragheimer Pulverstraße 4a, und Herr Herbert Brieskorn, Mitinhaber der Firma Taubert & Brieskorn, Königsberg in Preußen, Tamnaustraße - Colonial en gros - Privat: Hufen am Ziethenplatz. Bitte melden bei Fritz Meding — früher: Königsberg in Preußen, Schrötterstraße 6 I — jetzt: (24b) Brunsbüttel, Reichenstraße 17 I.

 

 

 

Seite 16   Humor der Heimat

Falsch verstanden!

Um die Jahrhundertwende lag in der „Deutschen Straße“ zu Tilsit das allbekannte, sehr gute Glas- und Porzellanwarengeschäft des Herrn L. B., der sich wegen seiner gediegenen Geschäftsführung, fröhlichen Lebensauffassung und Zuvorkommenheit gegen jedermann mit Recht allgemeiner Beliebtheit erfreute.

 

Einst kam ein Bauer in sein Geschäft, und es entwickelte sich folgender Dialog:

 

„Na guten Tag, Herr B.!“ „Na guten Tag auch; wie geht's denn so?“ „Na es geht ja!“ „Na denn geht's ja; und was möchten Sie gern haben?“ „Ich mecht' gern e Glas“ „Wollen Se eins mit'm Fuß?“ „Na, woll'n Se eins in de Fress?“ Damit war das Zwiegespräch beendet, und der wutschnaubende Bauer verließ eiligst das Geschäft mit seinem verdutzt dreinschauenden, so jovialen Inhaber. R. B.

 

 

„Also ich nehme drei Schlipse für meinen Mann!“ Verkäufer: „Sind sie Ihnen nicht doch etwas zu bunt für einen älteren Herrn?“ „Aber nein! Und nach dem Geburtstagsfest werde ich sie ja doch umtauschen! Ich kann doch dafür dann eine Bluse nehmen, nicht?“

 

„Mich schaudert, wenn ich an meinen vierzigsten Geburtstag denke!“ „Aber liebste Freundin, was ist denn damals so schreckliches passiert?“

 

 

Seite 16   Aus den Landsmannschaften:

Seesen a. Harz

Bei den Ost- und Westpreußen war der Heimatabend am 07.05. ein kaum noch zu steigerndes Bild familiärer Geschlossenheit und Einmütigkeit. Sämtliche oberen Festräume des Ratskellers waren bis zum Bersten gefüllt, als der 1. Vorsitzende, Schulrat a. D. Papendick, zur Eröffnung in einer beseelten Ansprache des Tiefstandes deutscher Geschichte vor 10 Jahren gedachte und ein Treuebekenntnis zur Heimat und zur Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit ablegte. Die drei Tonfilme „Jagd in Trakehnen“, „Masuren“ und „Rominter Heide“, die Mittelschullehrer Budzinski technisch vollendet vorführte, erfüllten auch die hochgespanntesten Erwartungen. Beim geselligen Beisammensein glänzte Frau Lina Fahlke durch humoristische Heimatvorträge. — Für den 5. Juni ist eine große Harzrundfahrt vorgesehen und für den 02.07. ein heimatpolitischer Abend mit dem Thema: „Eine 10-Jahresbilanz! Heute in der alten Heimat“.

 

 

Lübbecke/Westfalen

Am 4. Mai tagte nach einer Pause von acht Wochen, wieder unsere Landsmannschaft. Nach einleitenden Worten des Sprechers Hardt, sprach Frau Czapla über Johanna Ambrosius. Unsere sehr verdiente Kassiererin, Fräulein Stahl zieht demnächst nach Hamburg. Ihr widmete der Sprecher herzliche Worte des Dankes und wies auf gemeinsame Arbeit und gemeinsame Erfolge hin, worauf ihr ein kleines Andenken überreicht wurde Dann wurde eine Übersicht über geleistete Arbeit im Verbande der ostdeutschen Landsmannschaften gegeben, die sich besonders in den Schulen des Kreises und durch ein Preisausschreiben für Schüler, Thema: „Der Osten“, auswirkte. Man erörterte dann das Tagungsprogramm des kommenden Sommers, die Fahrt zur Königsberger Feier nach Duisburg. Um passende Rezitationen bemühten sich Frau Pieper und Fräulein Lojewski.

 

 

Königsberger Sportvereine

Die Königsberger Rasensportvereine VfB, Asko, Prussia-Samland und VfK treffen sich am 28. Mai 1955 im Kolpinghaus am Dellplatz. Für die Festtage in Duisburg ist das Kolpinghaus unser Verkehrslokal. Kameraden der Vereine, die in Duisburg kein eigenes Treffen veranstalten, sind als Gäste herzlich willkommen. Anmeldungen für Teilnahme am gemeinsamen Essen am Samstag und Sonntag sind rechtzeitig an Fritz Grinda, Duisburg, Menzelstraße 28, zu richten.

 

 

Dokumente der Menschlichkeit

Im „Bulletin“ des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung wurde das von Dr. Albert Schweitzer geschriebene Vorwort für die amerikanische Ausgabe des Buches „Dokumente der Menschlichkeit“ (Verlag Harper & Brothers — New York) in Übersetzung wiedergegeben. Schweitzer schreibt unter anderem, er halte dieses Buch für eines der bedeutendsten der neueren Zeit, und man schulde den Göttinger Universitätslehrern, die selbst Heimatvertriebene sind. Dank dafür, dass sie ihre Leidensgenossen zur Einsendung von Berichten über die ihnen zuteil gewordenen Taten der Hilfe und Nächstenliebe aufforderten und diese Dokumente veröffentlichten.

 

 

Verleger Heinrich Mohn gestorben.

Kurz nach Vollendung seines 70. Lebensjahres verstarb am Dienstagmorgen der Seniorchef des Verlages C. Bertelsmann in Gütersloh, Verleger Heinrich Mohn. Als Vertreter der vierten Generation der Verlegerfamilie Bertelsmann-Mohn schuf er während seiner 50-jährigen Tätigkeit als Verlagsbuchhändler die Voraussetzungen zur Entwicklung des Bertelsmann Verlages zu einem der führenden Buchverlage Deutschlands.

Inhaltspezifische Aktionen