Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1952

Ostpreußen-Warte

Folge 02 vom Februar 1952

 

Seite 1   Heimatvertriebene und „Auslese-Dienstpflicht"

Die Ankündigung des „Sicherheitsbeauftragten der Bundesregierung", des Bundestagsabgeordneten Theodor Blank, dass im ferneren Verlaufe dieses Jahres eine „Auslese-Dienstpflicht" durchgeführt werden soll, hat unter den Heimatvertriebenen eine Reaktion ausgelöst, deren Umfang und Bedeutung man nicht unterschätzen sollte. Wer in den dieser Rundfunkerklärung folgenden Tagen mit Heimatvertriebenen sprach, wird festgestellt haben, dass - ebenso wie im ganzen Volke - diese Frage der Einberufung mit einer - wenn auch verhaltenen - Erregung erörtert wird, die auf viele Gründe zurückgeht.

 

Bei den Heimatvertriebenen sind es z. T. Gründe, die ihre besondere soziale Lage betreffen, andererseits aber grundsätzliche Fragen, die mindestens von gleicher Bedeutung sind und die sie gleichermaßen wie das gesamte deutsche Volk bewegen.

 

Was die sozialen Fragen anbetrifft, so steht im Vordergrund, dass mehr denn je zuvor mit Nachdruck die Forderung auf Wiederherstellung der sozialen Gleichberechtigung erhoben wird. Dabei ist die Befürchtung maßgebend, im Zuge der Aufrüstung würden die Hauptanliegen der Vertriebenen auf diesem Felde verzögert werden, bis man ihre Berücksichtigung als „unmöglich" erklärt.

 

Demgegenüber bringen die Vertriebenen einhellig zum Ausdruck, dass an Einberufungen nicht gedacht werden kann, solange ein Großteil der Heimatvertriebenen in Elendswohnungen hausen muss, solange der Lastenausgleich nicht endlich in Angriff genommen ist, solange nicht die Diskriminierung der vertriebenen Beamten und Pensionäre beendet ist und solange nicht durchgreifende Maßnahmen z. B. zur Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolkes ergriffen würden. Ohne diese Wiederherstellung des gleichen Rechtes bei gleichen Pflichten - und schließlich sind es neue, schwere Verpflichtungen, um die es hier geht - erscheinen den Heimatvertriebenen die geplanten Maßnahmen als nicht zumutbar.

 

Im Besonderen aber wird der Erwartung Ausdruck gegeben, dass jener Punkt der Blank-Erklärung, in der von der Berücksichtigung „sozialer Gesichtspunkte" bei der Einberufung von Rekruten die Rede ist, insbesondere auf die Heimatvertriebenen Anwendung findet. Denn unter den Heimatvertriebenen ist der Prozentsatz der Familien, die ihren Ernährer verloren, besonders hoch, so dass bei ihnen nicht selten die berufstätigen Jugendlichen der zur Einberufung anstehenden Jahrgänge Verpflichtungen den Ihren gegenüber tragen, die besonders schwer sind.

 

Daneben werden die grundsätzlichen Fragen in oft außerordentlich scharfer Formulierung gestellt. Man unterschätze nicht, was es heißt, einem Volke Einberufungen und zweijährige Dienstzeit von gleich sechs Jahrgängen anzukündigen, das so viele Enttäuschungen erlebt hat wie das deutsche. Und besonders schwer trafen diese Enttäuschungen die Heimatvertriebenen, die zu denen gehören, denen das volle Maß der Folgen eines verlorenen Krieges zugemessen wurde.

 

So kommen gerade im Zusammenhang mit der Ankündigung der auf Aufstellung deutscher Divisionen in einer Europaarmee abzielenden Maßnahmen Gedanken und Empfindungen zum Ausdruck, die auf bittersten Erlebnissen beruhen. Es gibt unter den Heimatvertriebenen - und insbesondere den Beamten - viele, die sich mit Bitterkeit daran erinnern, dass sie nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und nach dem Verlust von Heimat und Habe und Existenz in Westdeutschland zunächst einmal vor „Kammern" gestellt wurden - deren Entscheid dann in der Praxis nicht einmal Gültigkeit hatte. Auf den ehemaligen Soldaten unter ihnen lastet besonders die maßlose Diffamierung ihrer Pflichterfüllung, die bis vor gar nicht langer Zeit an der Tagesordnung war. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Heimatvertriebenen ihrer Landsleute gedenken, die sich in Gefängnissen des westlichen Auslandes hinter Kerkermauern befinden, nachdem sie in oft zweifelhaften Gerichtsverfahren aufgrund noch zweifelhafteren Beweismaterials - vor allem aber unter Missachtung des Grundsatzes „Tu quoque" - zu schwerer Haft verurteilt wurden.

 

Und es sind viele Heimatvertriebene, die daran erinnern, dass es nicht nur Vertreter der Besatzungsmächte, sondern recht maßgebliche Politiker und Publizisten in Westdeutschland waren - und noch sind! - die sie ihrer ostdeutschen Herkunft und ihres Vertriebenenschicksals wegen als besonders des „Radikalismus", „Militarismus" und „Nationalismus" verdächtig bezeichneten. Es ist zu kurze Zeit her, dass jede Bekundung der Heimatliebe und Heimattreue der Vertriebenen zu derartigen Angriffen Anlass war, die sich gegen sie insgesamt und gegen ihre landsmannschaftlichen Sprecher insbesondere richteten. Sie wurden dadurch aus naheliegenden Gründen veranlasst, allen Fragen der

Wiederaufrüstung mit größten Vorbehalten zu begegnen.

 

Dies sind alles Gegebenheiten, die besonders aufscheinen, wenn es darum geht, die Vertriebenen zur Übernahme neuer schwerer Pflichten für das Ganze zu veranlassen. Kein Staat - und keine Armee - auch nicht die „europäische Gemeinschaft", können Belastungen standhalten, wenn nicht der Grundsatz der vollen Gleichberechtigung bei gleichen Pflichten garantiert wird. Es handelt sich dabei nicht nur um den Buchstaben auf dem Papier, sondern vor allem um Tatsachen auf realem und moralischem Felde. Hierum aber geht es den Vertriebenen, wie aus den vielschichtigen Meinungen und Fragen und Forderungen zu entnehmen ist, vor allem: Es sind nicht Forderungen um der Forderungen willen, sondern es ist ihnen um die Herstellung echten Vertrauens zum Staate und zu Europa zu tun. Es wäre verhängnisvoll, wenn man diese Stimmen nicht beachten wollte. (hvp. - Göttinger Arbeitskreis)

 

Seite 1   Foto: Masuren: Eissegelsport auf dem Schwenzaitsee

 

Seite 1   Vom landsmannschaftlichen Gedanken

Es ist ein bedeutsames Kriterium des Wertes und der Tiefe eines politischen Gedankens, wenn allein schon bei der ersten Begegnung mit Menschen, die sich zu ihm bekennen, sogleich eine Erwartung auf ein bestimmtes ethisches Verhalten mitschwingt. Wenn darüber hinaus diese Erwartung eine solche Stärke und Berechtigung hat, dass ein Versagen des Gegenübers auf diesem Gebiete geradezu eine Enttäuschung verursacht, zeigt ein solches Enttäuscht-Werden ganz klar und deutlich, welche ethischen Werte eben jener Gedanke an sich repräsentiert. Gerade in unserer Zeit, da das ethische Problem im politischen Leben durchaus nicht an erster Stelle steht, kommt daher jeder Organisation besondere Bedeutung zu, die einen solchen Gedanken von ethischer Tiefe vertritt. Nur sie sind wahrhaft zukunftsträchtig.

 

Dass dieses ethische Prinzip insbesondere dem landsmannschaftlichen Gedanken eignet, geht am deutlichsten aus folgendem Beispiel hervor: Wer irgendwo in der Fremde einem Landsmann begegnet, hegt die Erwartung, dass sich dieser Landsmann auch wahrhaft „landsmannschaftlich" verhalte, d. h. dass er Anteil nimmt am persönlichen Ergehen, dass er hilfreiche Hand leiht, wenn dies nottut, dass er in seinem ganzen Handeln und Tun dem Landsmann gegenüber Selbstlosigkeit

und Hilfsbereitschaft an den Tag legt. Wenn dies nicht erfolgt, wenn anstelle dessen Gleichgültigkeit oder gar Selbstsucht in Erscheinung treten, so wird dies „mit Recht" als Enttäuschung empfunden, als ein Verstoß gegen die ungeschriebenen Gesetze guter Landsmannschaft- und es wird ein moralisches Urteil gefällt, das viel schärfer ist, als wenn es sich um irgendeinen Menschen handelt, der eben nicht Landsmann ist.

 

Gerade hierdurch wird deutlich, was echte Landsmannschaft bedeutet: Dass hier eine Verbindung von Mensch zu Mensch gegeben ist, die tiefer ist als eine, die sich aus der bloßen gemeinsamen Zugehörigkeit zu irgendwelchen Organisationen ergibt. Eine Erwartung beispielsweise hinsichtlich des Verhaltens von Parteiangehörigen gegenüber Parteiangehörigen ist niemals im gleichen Sinne gegeben, sie erstreckt sich vielmehr allein auf ganz bestimmte sach- und zeitgebundene Zweckmäßigkeiten.

 

So zeigt sich gerade an dieser Gegenüberstellung, dass der landsmannschaftliche Gedanke nichts anderes darstellt als ein ganz bestimmtes Wertbewusstsein und Wertgefühl, dass er ein Ordnungsprinzip von sittlicher und zugleich politischer Bedeutung enthält. Sich zu einer Landsmannschaft zu bekennen heißt, sich zu einem ganz bestimmten ethischen Verhalten gegenüber den Landsleuten zu verpflichten. Der landsmannschaftliche Gedanke ist also unmittelbar „verpflichtend", er ist nicht nur eine Abstraktion, er ist Forderung an jeden. Er trägt also in sich bereits Maßstäbe zur Beurteilung ethischen Verhaltens und ist daher handlungsordnend nicht nur im Sinne einer Gemeinschaftsbildung, sondern auch im Sinne der Erziehung eines jeden einzelnen. Dabei ist festzuhalten, dass es gänzlich falsch wäre, in den „ethischen Optimismus" einer vergangenen Zeit zu verfallen, in der man annahm, dass es genüge, die Richtpunkte zu haben - und alles werde sich von selbst regeln. Im Gegenteil: Die Forderungen sind so bemessen, dass sie einerseits das Mindeste umreißen, was als „landsmannschaftliches Verhalten noch anerkannt werden kann, wie sie andererseits zugleich ein hohes Ziel zeigen das es anzustreben gilt, wenn es auch kaum oder nur selten erreicht werden kann.

 

Die Mindestforderung ist dabei auf Unterlassung einer jeden Handlung gerichtet, welche - im Sinne des einleitend gegebenen Beispiels  als „unlandsmannschaftlich" zu werten ist, d. h. es ist zu fordern, dass bei jeder eigenen Handlung zu beachten und zu bedenken ist, inwiefern sie geeignet sein kann, anderen Leid und Schmerz oder irgendeine Beeinträchtigung seines Anliegens oder Seins und Habens zuzufügen. „Verletze niemanden" ist diese Grundforderung, die Abwägen und Selbstbeschränkung bedingt und eine „Anteilnahme" wenigstens grundsätzlicher Art voraussetzt.

 

Die zweite Forderung, die hierauf aufbaut, aber lautet: „Hilf, soviel du kannst". Sie stellt an die Stelle des Unterlassens die Handlung und zwar die Handlung zugunsten des anderen, die in der Regel nicht nur eine Selbstbescheidung, sondern ein Opfer bedeutet, wobei mit der Hinzufügung der Worte „so viel du kannst" keine Einschränkung zum Ausdruck kommt, sondern das Maß der Hilfsbereitschaft umrissen ist, wobei das höchste Ziel, das immer nur annähernd und nur von wenigen erreicht wird, die innere Fähigkeit zur Selbstaufopferung zur Voraussetzung hat.

 

Es stehen diese Ziele zugleich in Übereinstimmung mit den ethischen Forderungen, deren Erfüllung jede echte Religion - besonders aber die christliche - als heilsnotwendig bezeichnet. Sie treten aber hier - vom Landsmannschaftlichen her entwickelt - als rein politische Erfordernisse, ja als Zweckmäßigkeiten in Erscheinung, wie ja in der Tat ihre Verletzung und Nichtachtung sofort verhängnisvolle Auswirkungen hat. Sie gelten daher auch nicht nur für das Verhalten von einzelnen untereinander, sondern auch für das Verhalten der einzelnen zur Landsmannschaft und zum Staat. Von hier aus ist daher allein auch die Problematik der Einstellung zum Staate zu lösen, indem sich so ein neues Gefüge der Pflichten ergibt, in dem, dem Staate gegeben ist, was des Staates ist, und dem einzelnen, was ihm als Verantwortung gegenüber dem Nächsten - dem Landsmann - zukommt.

 

Gerade, da der landsmannschaftliche Gedanke ethische Forderung und politische Zielsetzung zugleich bedeutet, kann auch nur von hier aus die Lösung der Probleme erfolgen, die man als die bedeutendsten unserer Zeit bezeichnet. Aus all dem geht hervor, wie gerade die Landsmannschaften in unserer Zeit eine notwendige Aufgabe zu erfüllen haben, eine Aufgabe, welche die geistige und sittliche Not betrifft, in der sich große Teile unseres Volkes und insbesondere unserer Jugend befinden.

 

 

Seite 2   Ostpreußen – drittgrößte Landsmannschaft

Nunmehr liegt das endgültige Ergebnis der Volkszählung vom 13. September 1950 vor, nach dem leben in der Bundesrepublik und West-Berlin 8 024 600 Heimatvertriebene, die am 01.09.1939 ihren Wohnsitz in den deutschen Gebieten ostwärts von Oder und Neisse und im Ausland hatten.

 

Die vom BVD zusammengestellte Statistik zählt insgesamt 1 260 400 Ostpreußen, die in Westdeutschland und in West-Berlin leben. In dieser Aufstellung sind die heimatvertriebenen Ostpreußen aus den Bezirken Königsberg, Gumbinnen, Allenstein und Memelland enthalten, während der Bezirk Marienwerder unter Westpreußen erscheint. Die 1 260 400 Ostpreußen verteilen sich auf die einzelnen Bundesländer wie folgt: Schleswig-Holstein 282 600, Hamburg 33 100, Niedersachsen 372 500, Nordrhein-Westfalen 286 400, Bremen 12 500, Hessen 55 600, Bayern 83 800, Württemberg-Baden 26 300, Württemberg-Hohenzollern 27 900, Lindau 1200, Baden 25 200, Rheinland-Pfalz 27 300, West-Berlin 25 900.

 

Wie hoch die Zahl der in der Sowjetzone, lebenden Ostpreußen ist, lässt sich nur vermuten. Schätzungsweise leben dort aber mehrere Hunderttausend Landsleute. Die Gesamtzahl der Einwohner der Provinz Ostpreußen belief sich im Jahre 1939 auf insgesamt 2 495 702.

 

Von den Westpreußen (mit den Bezirken Marienwerder, Danzig und dem Teil Westpreußens, der bis 1939 zu Polen gehörte) leben 452 400 Landsleute in Westdeutschland und in West-Berlin. Davon halten sich auf in Schleswig-Holstein 108 400, in Hamburg 12 400, in Niedersachsen 125 100, in Nordrhein-Westfalen 101 600, in Bremen 5 200, in Hessen 19 400, in Bayern 26 000, in Württemberg-Baden 11 200, in Württemberg-Hohenzollern 11 600, Lindau 400, in Baden 10 300, Rheinland-Pfalz 10 900 und in West-Berlin 9 800. Die stärkste Landsmannschaft im Bundesgebiet und Berlin (West) ist die schlesische. Es folgen die sudetendeutsche und mit Abstand die ostpreußische, die damit die drittstärkste Landsmannschaft ist.

 

 

Seite 2   Um Dr. Lukaschek

Bonn. Das Präsidium des Bundes der vertriebenen Deutschen wurde von Bundeskanzler Dr. Adenauer empfangen, um ihm die Gründe für das vom BVD beschlossene Misstrauensvotum gegen den Bundesvertriebenenminister Dr. Lukaschek vorzutragen. Der Kanzler wird gleichfalls den Bundesvertriebenenminister zu diesen Angaben hören und es ist zu erwarten, dass er danach nochmals mit dem BVD verhandeln wird.

 

Das von allen Heimatvertriebenen begrüßte Einigungsgespräch des BVD mit der VOL-Gruppe ist abgebrochen worden. Der BVD ist wie die Vertriebenen-Korrespondenz mitteilt, durch provokatorische „unverantwortliche Publikationen und Briefe" dazu veranlasst worden.

 

Dazu bemerken wir, dass wir als unabhängige Heimatzeitschrift nach wie vor im Interesse aller Heimatvertriebenen für eine Einigung eintreten, und mit uns werden alle anständigen und aufrechten Landsleute den Wunsch haben, dass trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller unschönen Vorgänge doch noch ein Weg zur Einigung aller Heimatvertriebenen gefunden wird.

 

 

Seite 2   Festung Ostsee

Der Zeitungsdienst der Benesch-Exilgruppe in London weiß zu berichten, dass die Sowjets Anfang Dezember ihren Befestigungsgürtel an der Ostsee fertiggebaut haben. Eine 30 - 50 km breite befestigte Zone ziehe sich von Rügen über Rostock, Stralsund, Kolberg bis nach Königsberg. Der gesamte Festungsbezirk werde von den mongolischen Truppen bewacht, Swinemünde diene als Marinestützpunkt, Peenemünde als Basis für Raketenwaffen, Kolberg als Versuchsstation für Atomwaffen.

 

 

Seite 2   Das soziale Schicksal unserer Bauern

Obgleich Niedersachsen eine recht hohe Anzahl ostdeutscher Bauernfamilien wieder ihrem Beruf zugeführt hat, konnte doch nicht der nur allzu gern zum Siedeln bereiten ostdeutschen Landbevölkerung Genüge getan werden.

 

Eine Überprüfung in sechs niedersächsischen Kreisen gab einen Einblick in beruflich, soziale Schicksal ostdeutscher Landleute. Abgesehen von rund, 26% Verstorbener, Gefallener oder auf der Flucht Erschlagener, befanden sich nur 22% in landwirtschaftlicher Tätigkeit. Von diesen wiederum waren, reichlich die Hälfte sozial abgesunken. Auch die große Zahl derer, die in andere Tätigkeiten hinüberwechselten (52%), ist zum weitaus größten Teil mehr oder weniger stark heruntergekommen. Kaum 1% vermochte sich sozial emporzuarbeiten.

 

Es ist also im Großen und Ganzen so, dass die ost-bäuerliche Bevölkerung - mag sie minder Landarbeit treu geblieben sein oder nicht - bis auf geringe Reste sozial gefährdet ist. Um das Knechtslos auf fremdem Hofe zu vermeiden, ging man in nichtlandwirtschaftliche Arbeit über, die nicht so drastisch die soziale Lebenswunde täglich aufs Neue aufriss. Sorgfältige Beobachtungen ergeben allerdings, dass vielfach nur eine scheinbare Abkehr von der Scholle vorliegt. Sehr viele dieser ländlichen Ostfamilien gehen zu einer Art „wilder" Nebenberufssiedlung über: Sie erwerben oder pachten Garten- und Ackerland, bauen dort mit eigener und Nachbarschaftshilfe ein Haus, und der Haushaltungsvorstand oder auch andere Familienmitglieder worden „Pendelwanderer", sie fahren auf (nichtlandwirtschaftliche) Arbeit und bringen Barverdienst mit. Zusammen mit den Erträgnissen der kleinen eigenen Scholle und Viehhaltung leben sie besser, als die völlig verstädterten oder zwangsverstädterten Schicksalsgefährten.

 

Und vor allem, was ihnen selbst das Wichtigste ist: sie bewahren sich und ihre Kinder vor Proletarisierung und Vermassung, sie ziehen den echtesten und wertvollsten Teil ihrer Selbstgeltung nach wie voraus dem Bewusstsein des Besitzes der eigenen Scholle.

 

 

Seite 2   „TIME"

New York. Die größte amerikanische Zeitschrift „TIME" befasst sich in ihrer ersten Januarausgabe 1952 unter der Überschrift „Die Unerwünschten" u. a. mit dem Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem in Westdeutschland, wobei es heißt, dass nach dem Potsdamer Abkommen „8 Millionen Volksdeutsche aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland zurückkehrten". Dazu sei „eine weitere Welle von 1 Million Deutschen, die aus Ostpreußen flohen", gekommen.- Die Austreibung der Deutschen aus ihren Heimatländern, in denen ihre Vorfahren seit vielen Jahrhunderten ansässig waren, wird somit von der „TIME" als „Rückkehr" bezeichnet, ganz abgesehen davon, dass z. B. die Schlesier und Pommern unter die „Volksdeutschen" gerechnet werden und nur die Ostpreußen als „Deutsche" gelten.

 

Ein weiterer Irrtum unterlief der Nachrichtenredaktion von „Time", als sie hinzufügte, die Deutschen, „deren Wirtschaft jetzt auf höheren Touren läuft als selbst zu Hitlers Blütezeit", hätten diese „8 Millionen Volksdeutsche und 1 Million Ostpreußen" bereits „absorbiert ', womit behauptet wird, dass das Vertriebenenproblem in Deutschland nicht mehr existiere.

 

 

Seite 3   Ostpreuße als Bildschnitzer. Wir besuchen Rudolf Petrikat in seinem Göttinger Atelier

Wir alle wissen, wie schwer es allgemein ist, sich in der Fremde eine gesicherte wirtschaftliche Existenz zu schaffen, und wir können uns gut vorstellen, dass dieses einem heimatentwurzelten Künstler erst recht schwer fallen muss, Künstler haben auch schon unter normalen Verhältnissen meist einen harten Kampf ums Dasein zu führen, bis sie einmal bekannt, berühmt und wirtschaftlich gesichert sind. Darum ist die Tatsache sehr erfreulich und verdient besonderer Beachtung und Erwähnung, dass es einem ostpreußischen aufstrebenden Talent gelungen ist, sich in Göttingen und auch schon darüber hinaus einen guten Namen zu machen, so dass er zuversichtlich in die Zukunft schauen kann.

 

Ganz heiter und unbeschwert hat uns Rudolf Petrikat aus seinem Leben, von seinen derzeitigen Arbeiten und seinen weiteren Plänen erzählt, als wir ihn in seinem Göttinger Atelier besuchten.

 

Geboren ist er in Romeiken bei Eydtkuhnen. In Stallupönen besuchte er das Realgymnasium und schon in der Schule tat er mit sich beim Zeichenunterricht hervor. An den Wänden im Treppenhaus und im Zeichensaal seiner Schule bekamen manche Zeichnung und manches Aquarell von ihm bereits einen Ehrenplatz. Als allein erstrebenswertes Lebensziel schwebte schon dem Knaben und später die dem Jüngling vor, bildender Künstler zu werden.

 

Der Wille des Vaters, wirtschaftliche Verhältnisse im Elternhause und schließlich der Krieg zwangen den jungen Menschen zu einer anderen Ausbildung. Doch mit seinem Herzen und all seinen Wünschen hing er weiter und darum erst recht der Kunst nach. Malen und Zeichnen blieben die mit Fleiß und großem Ernst geübten Beschäftigungen in jeder freien Stunde. Noch vor dem Kriege wurde für etwa drei Jahre ein intensiver Kunstunterricht in Hamburg, Lübeck und Sylt möglich. Dann kam dem jungen, noch tastenden, sich zum bildenden Künstler berufen fühlenden Sohn Ostpreußens das Kriegsgeschehen geradezu zu Hilfe. Das Schicksal führte ihn nach Italien und Frankreich und somit auch nach Paris, wo er von Stund an ein ständiger Besucher der dort so zahlreichen Kunstsammlungen und  Kunstausstellungen war. Er schaute, schaute und studierte. Fast unbewusst ging er bei seinen eigenen Arbeiten auf das Gebiet der Plastik über, er kam vom Zeichnen und Malen für eines Tages - er wusste selbst nicht recht wie - zur Darstellung des Figürlichen. Und zwar war es das Holz, das ihm der gegebene Werkstoff schien, aus dem er nach Eingabe und eigener Idee formen und gestalten konnte. Das Handwerkszeug jener Stunden, in denen er nur sich selbst leben durfte, war das Schnitzmesser geworden.

 

Der Krieg ging zu Ende. Rudolf Petrikat fand zunächst in Osterode am Harz eine Bleibe. Schwer kriegsbeschädigt und völlig  mittellos musste er den Kampf um das tägliche Brot aufnehmen. In jungen Jahren hatte er sich den Künstlerberuf als Erfüllung seines Lebens gedacht und gewünscht. Jetzt war die Stunde seiner Berufung gekommen. Die ihm in die Wiege gelegte Gabe, Schönes mit dem Zeichenstift festhalten oder mit dem Schnitzmesser figürlich bilden zu können, sollte ihm nun helfen, sein und seiner Familie Leben zu sichern. Er begann mit Holzbildarbeiten für Kirchen und Friedhöfe. Schon seine ersten Arbeiten zeigten die innere Reife des Darstellers, sie hatten eine starke Überzeugungskraft und einen beachtenswerten künstlerischen Wert.

 

Der gewissenhafte und strebsame Ostpreuße gab sich aber nicht zufrieden mit dem, was er aus sich heraus schuf und erreichte. Vollkommener wollte er werden. Dazu bedurfte er der Anregung reiferer und erfahrener Meister. Er bedurfte der Schulung durch Lehrer, die ihn die Regeln und die an Grundgesetze gebundenen Formen lehrten. Diese Meister und Lehrer fand er in dem Holzbildhauer und früheren Direktor der Kunstgewerbeschule in Stettin, jetzt Göttingen, Baake, weiter in dem Vorsitzenden des Bundes bildender Künstler, Henry Hinsch, in Professor Murcken, früher Breslau, und anderen Göttinger Bildhauern, Graphikern und Kunstmalern.

 

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Rudolf Petrikat von Osterode nach Göttingen übersiedelt, um die Verbindung mit seinen Lehrern, Gönnern und Freunden fetter zu gestalten und aus dem ständigen Verkehr mit ihnen immer mehr und immer Neues für sein Schaffen zu schöpfen. Dabei ist er keineswegs der allein Nehmende, nein, manche Idee kommt von ihm, und auch er wirkt befruchtend auf den Kreis der Künstler, die mit ihm zusammenkommen, ihn erkennen und anerkennen.

 

Am Volkstrauertag 1951 wird in Obernjesa im Kreise Göttingen eine 1,50 m hohe Gedenktafel enthüllt. Sie ist holzgeschnitzt, zeigt auf ihrer linken Hälfte die Auferstehung Christi, auf der rechten eine Figurengruppe und darunter Namen von im Kriege Gefallenen in erhabener Schrift.

 

Die Figuren und die Schrift sind nicht allein handwerklich meisterhaft gearbeitet, die schlichte Holztafel spricht zu dem Beschauer, die Figuren sagen, ohne doch einen Laut von sich geben zu können, klar und überzeugend, was sie sein sollen. Die Tafel in ihrer Gesamtheit spiegelt Seele und Charakter dessen wider, der sie schuf.

 

Rudolf Petrikat hat der Gemeinde dort ein schönes Ehrenmal geschenkt, sich selbst aber schon mit seiner ersten größeren Arbeit einen Namen als Bildschnitzer gemacht.

 

Er weiß mit Holz umzugehen, und er weiß durch seine Arbeiten zu überzeugen, dass Eichenholz als Werkstoff für Grab- und Gedenktafeln wärmer wirkt und passender als gewöhnlicher Stein oder Marmor ist.

 

 Letzthin schnitzte der Künstler eine Tafel, die für einen Friedhof in Friesland bestimmt war. Eine andere ging nach Hamburg.

 

Wir haben nicht zu viel gesagt, wenn wir einleitend äußerten, dass Petrikat schon bekannt ist. Auf jeden Fall ist er es in seinem derzeitigen Heimatkreis. Hier betraut man ihn mehr und mehr mit großen Aufträgen.

 

Ein dreiteiliges Grabmal von 2 m Breite und 1,80 m Höhe für eine Familienbegräbnisstätte ist vor kurzem aus dem Atelier zu seinem Bestimmungsort gebracht worden. Die Art, wie sich der Künstler auch mit dieser Arbeit abgefunden hat, ist für ihn nicht ohne guten Widerhall geblieben. Als wir neulich bei ihm waren, wurde ihm gerade ein neuer Auftrag angetragen. Es soll eine Gedenktafel werden mit etwa 200 Namen in erhabener Schrift und einer Figurengruppe von annähernd 3 m Höhe und 1,70 m Breite.

 

Dieses wäre der bisher größte Auftrag, den die Kunstwerkstatt Petrikat bekommen hat. Es wäre aber auch der Anfang, der den Künstler, der bisher wirtschaftlich sehr schwer hat kämpfen müssen, von einem guten Teil der materiellen Sorgen entlasten und ihm einige leuchtende Blumen der Freude mehr auf den Weg seines Schaffens und Strebens streuen würde.

 

Möge ihm diese Freude werden, denn er ist ein Mensch, der sich selbst herzlich freuen kann und der auch anderen gern Freude machen will und durch seine frohe, bejahende Art auch macht. So passt es zu Rudolf Petrikat, dass er, der reife und gefestigte Mann, sich mit Puppen- und Märchenspielen befasst und hierzu die Figuren schnitzt und bemalt.

 

Auf einer Drehbühne spielt er uns die Märchen von Hansel und Gretel und Kalif Storch vor. Die aus Holz geschnitzten, 20 cm hohen Märchenfiguren haben in ihrem Fuß einen Kern aus Eisen und werden während des Spiels mit einem magnetischen Stab bewegt - eine Idee des Künstlers. Die Märchenspiele, die wir im Göttinger Atelier in Vorbereitung sehen durften, werden Tausende vom 27. Februar bis zum 2. März auf der Hannoverschen Messe in Halle VI, Stand 107 in Vollendung sehen können. Wilhelm Keller

 

Seite 3   Foto: Bildschnitzer Petrikat bei der Arbeit in seinem Ateier

Seite 3   Foto: Eine Szene aus dem Märchenspiel „Hensel und Gretel", - aus Holz geschnitzt

 

 

Seite 3   Der Bügeltanz zu Fastnacht

Ein eigenartiger Brauch zwischen Weichsel und  Pregel.

Jedes Land hat sein volkstümliches Brauchtum. Oft teilt es dieses mit anderen Gebieten; mitunter aber ist es ihm allein eigen. Das trifft z. B. für die dörfliche Fastnacht in Ostpreußen zu; sie zeigt hier eine seltsame Eigenprägung. Tausende vertriebene Ostpreußen werden sich der Sitte erinnern, wie sie einst in ihrer angestammten Heimat die Fastnacht begingen. War auch der Brauch, der zwischen Weichsel und Pregel in Übung stand, in Einzelheiten gebietsweise verschieden, so herrschte doch überall ein gleichmäßiger Grundzug vor.

 

Noch deckt der Schnee die Fluren. Wintersaat träumt darunter dem Frühling entgegen. Fastelabend steht vor der Tür und mit ihm das erste große Festereignis im neuen Jahr. In der Spinnstubengemeinschaft des Dorfes ist das Surren der Räder für einen Abend verstummt. Es gilt, für den Feiertag den Reifen in alt her gewohnter Schönheit herzurichten, der im Mittelpunkt des Festes stehen wird. Schon ist ein biegsamer Ast zu einem Ringe geknüpft und mit weißen Handtüchern umwickelt. Wintergrün und bunte Bänder sind hineingeflochten. Vom Rande flattern farbige Seidentücher. Jetzt wird das Innere des Bügels mit einem viereckigen rotseidenen Tuch überspannt, darauf werden kreuzweise zwei Bänder gelegt. Nun noch ein vergoldeter Stern auf der einen Seite, ein Herz auf der Anderen, und die Scheibe ist gebrauchsfertig für den Festtag. Die Mädchen lassen es sich nicht nehmen, sich so schön und bunt wie möglich auszuschmücken; sind sie doch die Veranstalterinnen des Tages, den sie mit ersparten Talern bestreiten werden.

 

Fasteldienstag! Trompeten rufen die Teilnehmer zusammen. Es erfolgt die feierliche Abholung des Festsymbols, der Scheibe, vom Hause des Gillmeisters, des besten Tänzers unter den Burschen, dem Unbescholtenheit eigen sein muss. Mit Bändern reich geschmückt, bewegt sich dieser tanzend und in Luftsprüngen vorwärts, dabei den Bügel fortwährend schüttelnd und emporhebend. Dass seine Kräfte nur nicht versagen! Eine gewaltige Arbeit hat er zu leisten. So tanzt er durchs Dorf, von Haus zu Haus:

 

To Fasteldanz! To Fastelbeer!

De Kinner renne hinderher,

De Hundkes knurr' un belle.

Nu ewre Brigg, nu inne Krog!

Wer danze well, de kann genog

Im Schwefelschrett sek drelle.

Allemann schlett sek an,

Wer springe und danze kann!

 

Alle, auch die „Altchen", müssen tanzen; alles muss in Bewegung sein, „sonst gerät der Flachs nicht".

 

Mitternacht naht heran und mit ihr der Höhepunkt der Festesfreude und Ausgelassenheit. Bereits stundenlang hat man sich in der Gasthausstube im Tanze gedreht. Da erscheint zwischen den Tanzenden wieder der Gillmeister, diesmal mit dem reinen Bügel ohne Tuch- und Bandüberspannung. Das „Bügelspringen" nimmt seinen Anfang. Schon hat der Gillmeister den Reifen über den Kopf eines tanzenden Mädchens geworfen; da ergreift der Tanzpartner die „Gefangene" bei den Hüften und hebt sie aus dem Bügel in hohem Schwünge heraus. Das Mädchen jauchzt hell auf: „Flachswachs!" Doch wehe, wenn es am Reifen anhakt:

 

Nu, junget Mäke, recht gemokt,

Dat nich die Schoh im Bejel hokt,

Dat kunn di Onehr bringe!

So drellt sek aller inne Rund.

Hei! Wippt de Bejel kunterbunt.

Juchhe! Dat nenn' wi Lewe!

Se danze rasch, se lache lut,

Un jedrer spodt sek, sine Brut

Rasch utem Kranz to hewe. Erminia v. Olfers-Batocki.

 

So geht es fort, bet dat de Hähne krähje.

Den tieferen Sinn dieses sicherlich sehr alten Brauches, der in .den Bügeltänzen der Gilden (vgl.. Schäffler-Tanz in München) anscheinend seine zunftmäßige Ausprägung erhalten hat, darf man nicht aus einseitiger Wurzel erklären wollen. Wie so oft bei einem Brauch haben auch hier wohl mehrere volkstümliche Vorstellungen zusammengewirkt. Darauf deutet schon die verschiedene Gestaltung und Benutzung des Gerätes hin. Beim Dorfumzug erscheint es wie ein Kultsymbol, hinter dem wir vielleicht die Frühlingssonne vermuten können. Abzutrennen hiervon ist das eigentliche Bügelschwingen, das man mit dem bayrischen „bögeln" in Verbindung bringen darf, einem Brauch, der in ganz Deutschland, früher besonders in Niedersachsen, und bei vielen Völkern der Erde nachzuweisen ist; er stellt einen Reinigungsritus dar, wobei das „Hindurchziehen" durch einen Baumspalt, Reifen oder eine Schlinge, bisweilen zwischen den Sprossen einer Leiter, den Beteiligten von allem anhaftenden Unheil befreit, ihn gesund lebenslustig macht. Schließlich ist auch eine Beziehung zum Flachs nicht von der Hand zu weisen; denn „so hoch man am Fastelabend springt, so hoch wächst der Flachs". Dr. Wilhelm Gaerte.

 

 

Seite 4   Hunderttausende zogen über das Eis

(Zu unserem Bildebericht von Seite 12)

Anfang Februar 1945, zur gleichen Zeit als in Jalta die Staatsmänner Amerikas, Großbritanniens und der Sowjetunion das Abkommen schlossen, das Ostdeutschlands Schicksal besiegelte, während dort auf der Krim nochmals die Grundsätze der Menschlichkeit und der Völkerverständigung anerkannt wurden, vollzog sich in Ostpreußen eine, der furchtbarsten Massentragödien der von Angst und Grauen, von Tod und Qualen gehetzten Bevölkerung. Schon hatten die Zangen der russischen Panzerkeile Ostpreußen vom übrigen Deutschland abgeschnitten. Seit Ende Januar war der Landweg nach Westen, zur rettenden Oder unterbrochen. Nur noch über die schmale Landzunge der Frischen Nehrung konnten Danzig und die bergenden Ostseehäfen erreicht werden und nur der verzweifelt ringende Brückenkopf der 4. Armee deckte den Rücken der Hunderttausende, die in einem unübersehbaren Elendszug sich am Südufer des Frischen Haffes zusammendrängten. - Der Todesweg der ostpreußischen Trecks über das Eis des Frischen Haffes ist die Verkörperung allen Leides und des tausendfachen Grauens, das die Austreibung der Menschen des deutschen Ostens begleitete und sie in die ostdeutsche Passion hineintrieb, die heute noch nicht ihr Ende fand und die eines der dunkelsten Kapitel in der Menschheitsgeschichte bildet.

 

Dazu sollen die folgenden Aufzeichnungen einer jungen Ostpreußin sprechen:

„8. Februar 1945 - Sammelplatz vor Heiligenbeil: Tausende von Menschen, alles wahre Jammergestalten, Fahrzeuge und Viehherden drängen sich hier zusammen. Die Wege sind grundlos und immer noch regnet es. Gerade wird Heiligenbeil geräumt. Zu Fuß kommen die Bewohner aus der Stadt, nur die alten Leute fahren auf Leiterwagen ohne jeden Wetterschutz. Die schmalen Ausfahrtsstraßen zu den schmalen Haff-Übergängen sind ein einziges Chaos. In Leissuhnen treffen die Trecks aus drei Richtungen zusammen, ihre Reihen sind nicht abzusehen. Schon 14 Tage rollen hier die Wagen. Die Wehrmacht entwirrt die Fahrzeugknäuel und teilt die abfahrenden Kolonnen ein. Im Abstand von 50 Metern rollen die Wagen auf das Eis, das fußhoch mit Wasser bedeckt ist. Zwischen den schwankenden Fahrzeugen, die im Regendämmer verschwinden, wanken müde Fußgänger, oft nur in Filz- oder Turnschuhen.

 

Vor dem unbarmherzigen Regen suche ich in einem der Häuser Schutz. Alles ist gedrängt voll Menschen. In einer Ecke spielen drei Kinder von 5 bis 8 Jahren. Sie wissen nicht, wo sie hingehören. Eine NSV-Schwester hat sie hergebracht und war zur Ortskommandantur gegangen. Niemals kam sie wieder. Was wird aus den Kindern? Niemand will sie haben. Alle haben mit sich selbst zu tun. - Im Bett eine Wöchnerin. Der Säugling ist schon gestorben, die Frau fiebert und stöhnt. - Ich traf eine Frau mit 13 Kindern, die außer den Betten nur einen Sack mit Brot und einen Bottich Rauchfleisch auf dem Wagen hat. „Ich muss ja nur für Essen sorgen, bin immer nur beim Brotschneiden. Wenn das alle ist, was dann?" Ihr Mann und der Sechszehnjährige sind beim Volkssturm. Den Wagen fährt der Vierzehnjährige, der ständig einschläft, da nur nachts gefahren wird und er vor Übermüdung nachtblind ist.

 

Endlich sind wir dran! Die Pferde wollen nicht aufs Eis. Trotz des Wassers sieht man deutlich die Fahrgeleise im Eis eingedrückt. Es ist 10 Uhr 45, in zwei Stunden sollen wir die 8 km übers Haff geschafft haben. Das Gehen ermüdet, oft waten wir bis zu den Knien im Eiswasser. Schuhe und Stiefel sind zuerst nass, Strümpfe, Hosen und Kleider, der Mantelsaum zum Auswinden. Auf halbem Wege hört wenigstens der Regen auf. Wir halten stehend kurze Rast und haben Zeit uns umzusehen.

 

Hinter uns reißt der Zug nicht ab. Vor uns gebeugte, eilende Menschen. Ein Mann mit

zwei Mädchen kommen vorbei. Die Kleine schiebt er auf dem Fahrrad, die größere trägt im Schulranzen ein Brot, im Arm eine Puppe. Sonst kein Gepäck. Alles ist zu viel.

 

Soweit ich im Dunst über die weite Fläche sehen kann, liegen überall eingebrochene Autos und Wagen, die die Räder oder die Deichsel in die Luft recken. Noch gestern waren die Tiefflieger da. Wir haben heute Glück, es ist zu dunstig. - Dort liegt eine festgefrorene Kuh, da noch eine, dort Pferde. Und dort liegen auch Menschen, - Leichen, halb im Wasser, halb im Eis. Einer davon ist der Uniform nach ein französischer Kriegsgefangener. Opfer der russischen Tiefflieger.

 

Wir können kaum weiter vor Erschöpfung und Erstarrung, als wir vor dem Nehrungsufer sind. Hier liegen Trümmer, Kadaver und Leichen besonders dicht. Aber Feldgendarme verbieten hier an Land zu fahren. Wenige Meter vom Ufer müssen wir weiter auf dem Eis nach Westen ziehen Es dunkelt früh. Hinter den Fenstern der Nehrungshäuser sehen wir schon Licht. Je dunkler es wird desto unsicherer werden wir. Die Wagen sind dichter aufgerückt, die Fußgänger halten sich an den Fahrzeugen. Plötzlich Geschrei und Tumult. Das Eis schaukelt und knirscht. Ein Wagen vor uns ist eingebrochen aber wir sind schon im flachen Wasser. Mit Brettern sind zwischen den zerfahrenen Eisschollen unsichere Brücken geschlagen. Hier treffen sich die Zufahrtsstraßen der Trecks von Passarge, Frauenburg und Heiligenbeil. Das Eis ist brüchig, die Wagen stehen bis an die Achsen im Wasser. Mir reicht es bis an die Knie und ich werde fast ohnmächtig vor Kälte.

 

Ein Posten schleust immer zehn Fahrzeuge auf den festen Grund der Nehrung. Wir müssen noch lange warten. Es ist schon nach 20 Uhr, als sich hinter uns die Hölle auftut. Die Russen beschießen Frauenburg. Wir hören deutlich das Krachen der Granaten, auch Flugzeuge und Bombeneinschläge. Frauenburg brennt! Der immer heller flammende Feuerschein lässt in den Trecks eine grausige Paik entstehen. Weinen, Schreien, schreckliche Hilferufe. Unter den dicht aufrückenden, immer zahlreicher ankommenden Wagen bricht das Eis und hinter uns versinken fünf Fuhrwerke. Auch Menschen ertranken. Wir hören langes Wehklagen. In der gespenstischen Dunkelheit im Zucken der Flammen am Horizont ist alles besonders unheimlich und grauenvoll. Dazu die entsetzliche Kälte in den nassen Sachen.

 

 Endlich haben wir festes Land unter den Füßen. Wir sind auf dem Strand von Neukrug. In den Häusern ist kein Fleckchen frei. Trocknen der Sachen ist nicht möglich, auf einem Dachboden ziehen wir Schuhe und Strumpfe aus, wringen sie aus und ziehen sie wieder an. Furchtbar ist das bellende Husten der Kranken, das Wimmern der Kinder. Eine Schreckensnacht mit Kanonendonner, Flugzeuggeräuschen, Feuerschein und hoffnungslosem Jammer.

 

Der neue Tag zeigt das Elend in seinem ganzen Ausmaß. Die Nehrungsstraße ist für uns gesperrt, wir müssen den Strand entlang fahren. Überall liegen Leichen von Menschen und Tieren, Fahrzeugwracks und Gepäckresten. Müde zieht ein altes Bauernpaar sein Pferd hinter sich her, an dem zwei Säcke hängen „Das ist alles von unseren 250 Morgen, - der Fuchs blieb auf dem Haff!" - Von 15 Schlitten des Dorfes gelangten nur drei auf die Nehrung. -  Zusammengesunken auf dem Dünenrand eine Frau, zwei weinende Kinder neben sich. Sie kann nicht weiter und will auch nicht mehr. Kein Wagen nimmt sie auf und auch keines der Wehrmachtsfahrzeuge. Selbst um die verwundeten Soldaten, die apathisch mit verschmutzten Wunden am Wegrand liegen, kümmert sich niemand. Im Übermaß des Leides und der Todesnot sind die Menschen zu stumpfsinnigen Kreaturen ohne Gefühl geworden. Jede Stunde bringt ihnen neue Schrecken.“

 

Diese Tagebuchnotizen einer jungen Frau sind nur ein Ausschnitt aus dem Leidensweg ostpreußischer Menschen über das frische Haff im Schieksalswinler 1945. Ein winziges Bruchstück nur aus dem Schicksal von Hunderttausenden.

 

 

Seite 4   „und einen blanken Albrecht vor …“

Ostpreußische Abiturienten tragen wieder Alberten

Das waren hohe Tage für die Schüler und Schülerinnen der höheren Lehranstalten in Ostpreußen, wenn sie nach letzten heißen Schulwochen ihr Abiturium oder schlicht auf Deutsch gesagt die Reifeprüfung machten. In allen Tanten- und Bekanntenkreisen munkelte man lange vorher: wird er es schaffen - wird sie durchkommen? Es war wichtig, wenigstens eine ungefähre Gewissheit zu haben, denn der liebe Neffe, die noch liebere Nichte sollten an diesem Tage doch am Schulportal erwartet werden, um sich die rote, goldbestickte Mütze aus Samt, den Stürmer oder das Cerevis auf das weisheitsschwere Haupt drücken zu lassen.

 

Da hatte man dann den froh stimmenden Anblick der eben der Schule Entronnenen, wie sie stolz und ein wenig geniert zugleich sich mit der neuen Kopfbedeckung schmückten. Und nicht selten war es, dass ein großer Verwandtenkreis mehr als ein solches Geschenk überreichte und der angehende selbständige Herr oder die große kleine Dame Mühe hatten, aus Mangel an weiteren hutstützenden Köpfen die überzähligen Exemplare auf den Schultern unterzubringen.

 

In Legionen aber waren die gegenseitigen Verehrer und Verehrerinnen aufmarschiert, um dem Helden des Tages und meist auch ihrer Träume einen „Albertus" zu verehren und ihn auf jeden freien Fleck an Rock oder Bluse, links und rechts zu befestigen. Je mehr Alberten in „goldenem“ oder „silbernem“ Blech aber auch vergoldete oder versilberte, große und kleine, desto höher wurde der Kopf getragen - und welche Anzahl sammelte so mancher Schwerenöter! Es war keiner im Städtchen, der dem jungen „Mulus" nicht diesen Ehrenschmuck gönnte, denn man wusste: der Kurt und die Else - sie haben's geschafft, der Himmel steht ihnen offen und wie weit der Weg bis zu ihm hinauf ist, würden sie schon früh genug erfahren. Je kleiner die Stadt, umso anteilnehmender die Umwelt, aber auch in den größeren Städten und in Königsberg selbst belebte sich das Bild um die Oster-, früher auch um die Michaeliszeit, wenn die roten Kopfbedeckungen im Straßenbild auftauchten und die Alberten leuchteten. Allzu lange dauerte das Vergnügen ja nicht. Wenn man sich genügend gezeigt und die nötigen Dankbesuche gemacht hatte, dann wanderten die blanken Alberten in die Erinnerungskästen und verstaubten wie die prunkenden Mützen und Stürmer.

 

Woher kam dieser eigenartige Schmuck der Alberten, den alle Zugereisten und Besucher „aus dem Reich" staunend bemerkten?

 

Diese Anstecknadeln in Gold und Silber mit dem Brustbild des Herzogs Albrecht von Preußen, des Stifters der 1544 begründeten Albertus-Universität, waren dem Standbild nachgeahmt, das neben dem Eingang zur alten Universität auf der Dominsel mit Brustharnisch und geschultertem Schwert in die Mauer, die heute zerborstene, eingefügt war.

 

Ursprünglich war der Albertus das Erkennungszeichen aller Königsberger Studenten gewesen. Er trug ihn an Mütze oder Hut oder an einer sichtbaren Stelle des Anzugs und machte sich so überall als Bürger der alma mater Albertina kenntlich. Die „Allgemeinheit Albertina", der ursprünglich zu Anfang des 19. Jahrhunderts alle Studenten ohne Ausnahme angehörten, hatte ihn eingeführt und alle in der Allgemeinheit mehr oder minder Zusammenhaltenden trugen ihn, meist in Silber auf einer weißen Rose. Ein /Studiosus Sawatzki, der später Pfarrer wurde und in Westpreußen starb, soll bereits 1801 das herzogliche Standbild mit kunstfertiger Hand abgebildet und es sich an seinen Hut gesteckt haben. Eingeführt wurde dann in dieser Form der Albertus um die Osterzeit 1817 auf eine Anregung von Sawatzki und dem späteren Rektor Lubecius, der 1833 in Labiau starb. Dieser Albertus galt seit dem historischen Wartburgfest als Erkennungszeichen für alle Studenten und wurde auch von der Polizei als Legitimation anerkannt. Studentenausweise gab es erst nach 1848. In Albertinas Comment fanden wir u. a. folgende Bestimmung: „Als allgemeine Studentenrechte gelten folgende: Das Recht, das Albertusbild als Abzeichen zu tragen. Die Immaturen dürfen das Albertusbild für das erste halbe Jahr nicht tragen. Füchse und Brenner müssen jeden mit dem Albertusbild versehenen Studiosus überall, wo sie ihm begegnen, zuerst grüßen usw." Auch verschaffte der Albertus dem theaterbesuchenden Studenten, der das den dritten Teil des Stadttheaters einnehmende „Parterre" £ zu bevölkern pflegte, einen gewissen Vorteil. So bezahlte gegen Ende der 50-er Jahre der Student nur einen halben Gulden Eintritt. Die Karten wurden auf Grund des Albrechtsbildes abends an der Theaterkasse gelöst und je ein Angehöriger der „Masuren“ und der „Silberlitauer" stellten sich an den Eingang, um darauf zu achten, dass kein Unbefugter eine ermäßigte Karte löste. Dafür hatten sie dann den Vorteil, selbst umsonst an der Vorstellung teilnehmen zu dürfen.

 

Auf Reisen in die Provinz und ins Reich wurde der Albertus nicht abgelegt und ihm verdankte mancher Student viel Beachtung und Aufmerksamkeit. Aber das allgemeine Tragen durch sämtliche Studenten verlor sich bis zur Jahrhundertwende doch immer mehr und mehr. Schon in den 40-er Jahren war es bereits zu einer grimmigen Zeitungsfehde über das Für und Wider gekommen, die Nichtkorporierten hatten ihn selbst von ihrem bürgerlicher gewordenen Anzug abgelegt, befestigten ihn nur noch bei feierlichen Gelegenheiten an ihrem nicht immer eleganten Zylinderhut, manche Korporationen verzichteten auf ihn z. T. auf Grund neuer Mützenformate, so dass er Studentenkreisen schließlich bis in die 30-er Jahre dieses Jahrhunderts nur noch von einzelnen Verbänden an der Mütze getragen wurde. Umso stärker aber halte sich gleichzeitig die Albertus-Sitte aus dem engeren studentischen Universitätskreise nach außerhalb verlagert und war zu einem schönen traditionellen Brauch bei den ostpreußischen Abiturienten geworden.

 

Den späteren Kaiser Friedrich III. sah man als Kronprinz in Königsberg des Öfteren im Purpurmantel des Rektors der Albertina. Und es ist überliefert, wie ihm bei einer Festlichkeit am Schlossteich auffiel, dass der Albertus in so verschiedener Form, bald klein, bald groß, an der Mütze getragen wurde: „Wie kommt das?", fragte er eine Gruppe von schon recht lustigen Musensöhnen. Die fixe Antwort des einen lautete: „Der eine hat sich eben einen großen gekauft und der andere einen kleinen". - „Na, Sie scheinen sich heute aber einen großen gekauft zu haben", sprach der Prinz und ließ den Verdutzten stehen.

 

Auch der ostpreußische Oberpräsident Albrecht von Schlieckmann bedauerte es einmal bei einer studentischen Festlichkeit in den 80-er Jahren, dass die allgemeine Sitte des Albertustragens in Vergessenheit gerate und meinte, er in seiner Eigenschaft als Kurator der Universität würde sich für berechtigt halten, einen Albertus zu tragen. Dies hören und einen Albertus herbeischaffen war natürlich eins und vergnügt steckte sich der Oberpräsident den Königsberger Ehrenschmuck an seine rote Heidelberger Vandalenmütze.

 

Und noch eine Erinnerung an die Albertuszeit sei erzählt: Der spätere Theologieprofessor Richard Hoffmann - Wien hatte 1889 sein Abitur am Friedrichskolleg in Königsberg gemacht und nahm im folgenden Winter an einer Hochzeit in einem kleinen anhaltischen Städtchen teil. An seinen Frack hatte er sich einen Albertus gesteckt. Dieses dort ganz unbekannte Abzeichen fiel dem alten Geistlichen auf und er fragte nach seiner Bedeutung. „Das ist der Albertus, das Zeichen der Königsberger Studenten", unterrichtete ihn Hoffmann stolz, worauf es mitfühlend zurückklang: „Ja, ja, der heilige Adalbert, der ist ja droben bei Ihnen totgeschlagen worden ..." - der gute Anhaltiner hatte eben den Herzog Albrecht mit dem Bischof Adalbert von Prag und seinem Märtyrertod vom Jahre 997 im Samland verwechselt.

 

Der Albertus als Zeichen aller Königsberger Studenten war längst nicht mehr, die Tage der albertenblitzenden Abiturienten im Ostpreußenland leben nur noch in dem Lande, aus dem uns niemand vertreiben kann, in der Erinnerung, aber der Albertus als Sinnbild ostpreußischer Treue ist geblieben und heute wieder auch im Gastland „im Kommen". Und eine alte Königsberger Studentenweise klingt über die Zeiten - Louis Brehm, er starb 1870 als Kreisrichter in Labiau, dichtete sie vor fast hundert Jahren: „Die Mütze nur auf einem Ohr - und einen blanken Albrecht vor...", Dr. Hans Lippold

 

 

Seite 5   Heimatforscher Funk 85 Jahre alt

In Northeim (Hannover) vollendet am 16. Februar 1952 Rektor Anton Funk aus Allenstein sein 85. Lebensjahr. Er wurde in Bogen im Kreis Heilsberg geboren und kam nach dem Besuch des Braunsberger Lehrerseminars und kurzer Lehrtätigkeit in Deuthen bei Allenstein am 01.01.1892 als Lehrer an die katholische Volksschule in Allenstein. 1911 wurde er an die neugegründete Hilfsschule versetzt, die er in unermüdlicher Arbeit zu einer neunklassigen Schule ausbaute und ihr zwanzig Jahre lang als Leiter und Rektor vorstand. Seine Berufskollegen und hunderte seiner ehemaligen Schüler und Schülerinnen haben ihn als vorbildlichen Pädagogen in Erinnerung und wissen ihm Dank, denn durch sein liebevolles Einfühlungsvermögen hat er so manchem Kind, das von der Natur mit körperlichem oder geistigem Schaden behaftet war, die geistige Welt erschlossen und ihm in mühsamer Erziehungsarbeit den Weg ins Leben erleichtert. In christlicher Verantwortung hat Anton Funk durch persönliche und eingehende Kleinarbeit versucht, jenen Kindern das zu ersetzen, was ihnen die Natur versagt hatte. Als er im Jahre 1931 bei seiner Pensionierung die Schule verließ, war Allensteins Hilfsschule eine der besten ihrer Art in Ostpreußen. Neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Lehrer findet er Zeit, den Allensteiner Lehrerverein zu leiten, ist führendes Mitglied in vielen anderen beruflichen und wissenschaftlichen Organisationen und gibt im Jahre 1906 die „Geschichte des Preußen- und des brandenburgisch-preußischen Staates heraus.

 

Für die immer hilfsbereite und mitfühlende Art unseres Rektors spricht besonders die Tatsache, dass er sich als Stadtrat sorgend um die Betreuung der alten und kranken Insassen des städtischen Altersheims kümmert.

 

Im Bewusstsein der Allensteiner Bevölkerung ist Funk der beste Repräsentant von Heimatkunde und Heimatliebe. Wer seinen Namen hört, denkt zunächst an seine heimatlichen Forschungsarbeiten. Nie wird vergessen werden, wie er zusammen mit Zuelch, Worgitzki, Marks und anderen im „Ostdeutschen Heimatdienst" unermüdlich tätig war, als es 1920 galt, die Bevölkerung von Stadt und Landkreis Allenstein in ihrer Treue und ihrem Vertrauen zum angestammten Vaterland wach zu halten. In dieser Zeit kannte Anton Funk keine Müdigkeit und keine Arbeitsüberlastung. Überall, wo immer es gewesen sein mag, war er zugegen, wenn ein Heimatverein neu gegründet wurde, wenn ein Vortrag zu halten war, oder jemand als Diskussionsredner auftreten musste. Ja, nicht nur in seinem Heimatkreis oder in Ostpreußen allein, sondern auch in Teilen des übrigen Deutschlands wirkte er durch Wort und Schrift aufklärend. Dafür hatte er die Freude, dass das Gebiet Allenstein fast 100% deutsch stimmte. Er selbst wurde nach der Abstimmung im Triumphzug durch die Stadt getragen. Der Bau des Abstimmungsdenkmals, als äußeres Erinnerungszeichen an den überzeugenden deutschen Wahlsieg, ist auf seine Initiative zurückzuführen.

 

In späteren Jahren widmet sich Rektor Funk mehr und mehr der heimatlichen Forschungsarbeit. Er gibt verschiedene Schriften wie „Schloß Allenstein", „Dorfgeschichten aus dem Kreise Allenstein", „Siedlungsgeschichte des Kreises Allenstein" heraus und schreibt laufend Aufsätze für Zeitungen und Zeitschriften. Sein größtes Verdienst um die Heimatforschung ist die Mitarbeit an der „Geschichte der Stadt Allenstein", die der Osteroder Professor Dr. Bonk herausgibt. Diese Mitarbeit trägt ihm den ehrenvollen Auftrag ein, zu der 1948 stattfindenden Jubiläumsfeier der Stadt das Heimatbuch „Allenstein zur 600-Jahrfeier 1343 - 1948" zu schreiben, das auch bis zum Jahre 1945 im Manuskript vorliegt und durch einen glücklichen Zufall gerettet ist. Wir wollen hoffen, dass das Werk in seiner Gesamtheit gedruckt werden kann und uns als Ergebnis der lebenslangen Forschungsarbeit unseres heimatkundigen Rektors erhalten bleibt.

 

Beim Einfall der Russen hat Rektor Funk seine von ihm so gut gekannte und so sehr geliebte Heimat verlassen müssen und wohnt seitdem mit seiner Lebensgefährtin bei seiner Tochter in Northeim. Von den Strapazen der Flucht und den Hungerjahren nach dem Krieg hat er sich niemals mehr so recht erholen können: „Das biblische Alter habe ich längst überschritten und es machen sich Alterserscheinungen und Beschwerden bemerkbar. Ich sitze hier in den vier Wänden und humpele mit zwei Stöcken in der Wohnung herum." Sein Geist aber ist frisch und lebendig, und bewahrt hat er sich das rückhaltlose Vertrauen auf Gott und seine Gnade: „Gott der Alles lenkt, wird auch über mich verfügen." Paul Kewitsch.

 

 

Seite 5   Krähenschwärme kreisten um Kruglanken

Was bedeutet eigentlich „Kruglanken", fragte ich den immer zum Erzählen aufgelegten Schuhmacher Wilutzki einmal nach dem Namen unseres Dorfes. „Es soll Krähenwiese heißen", antwortete er mir.

 

„In vergangenen Zeiten war das heutige Dorfgelände ein versumpftes Waldtal. Erst der Kanalbau hat die Anlage von ordentlichen Straßen ermöglicht. Früher war es ein vergessener masurischer Winkel, wo Krähenschwärme über Fischerhütten kreisten. Man hätte es auch „Schwanenwinkel" nennen können, denn der jetzt so selten gewordene Gast nistete damals an unserem See und überflog seine kilometerbreite Fläche."

 

Ob nun Krähenwiese oder Schwanenwinkel, die Einsamkeit vergangener Zeiten lag immer noch über unser Heimatdorf gebreitet und niemand kann vergessen, wie es war, wenn die Nachtigallen dorfauf dorfab in den Uferbäumen sangen, wenn der Pirol auf den Fenstersims des einsamen Hauses geflogen kam oder ein Maimorgen über dem See aufging wie ein erster feierlicher Schöpfungstag.

 

Von vielen humorvollen Begebenheiten wusste Sattler Müller anschaulich zu erzählen ...

 

Da entschloss sich einmal ein altes Ehepaar zu dem Wagnis, verheiratete Kinder in Berlin zu besuchen. Das Mutterchen packte den „ostpreußischen Reisekoffer", eine buntkarierte „Züch" und beide vertrauten ihr Leben zum ersten Mal einer Eisenbahn an. Sie waren ganz erstaunt, wie bequem sich das fuhr und wie gut alle Leute zu ihnen waren. In Schneidemühl war ihre Anpassung bereits soweit vorgeschritten, dass der Opa sich gleich anderen Männern aufmachte, um ein Bierchen auf dem Bahnsteig zu trinken. Da er zu sparsam war, um dem Wirt die letzten Schlucke zu gönnen, fuhr der Zug ohne ihn weiter. Seine Frau war verzweifelt. Sie hielt es nicht für möglich, ihren Mann in der weiten fremden Welt jemals wiederzufinden. Ein Beamter telefonierte von der nächsten Station und bekam Bescheid, die Frau solle in Kreutz aussteigen und dort ihren Mann erwarten. Als er wirklich mit dem nächsten Zuge wohlbehalten eintraf, fiel sie ihm schluchzend um den Hals: „Ach Voaderke, dat wi ons doch noch moal wedderseihn!"

 

Von der Pestzeit, die im 18. Jahrhundert auch unseren Kreis fast entvölkert hatte, wusste der alte Kuschewski eine überlieferte Begebenheit aus Kutten zu erzählen.

 

Dort war nach dem großen Sterben die Kirche in Vergessenheit geraten und verschwand wie das Dornröschenschloss im Märchen allmählich hinter dem üppig wuchernden Wald am See.

 

Jahrzehnte später fanden Menschen das baufällig gewordene Gotteshaus wieder. Die Tür stand offen. Als sie eintraten, rauschte gewaltiger Flügelschlag. In dem Raum unter dem Altar hatte ein Schwan sein Nest gebaut und fuhr zornig empor, um seine Brut zu verteidigen.

 

Immer wehte uns aus dem alten Bericht ein heimliches Grauen an, das noch etwas nachklang, wenn wir vom Haus des alten Kuschewski an der Kiesgrube zu dem hohen Kamm emporstiegen, der den schönsten Rundblick über das Dorf gewährte. Umrahmt von See, Hügeln und dunklem Wald lag es unter alten Baumkronen wie in immerwährendem Glück und Heimatfrieden gebettet. Wir wussten damals noch nichts davon, wie schnell Gott das Rad der Zeitgeschichte herumwerfen kann und wie weh es tut, wenn wir es sind, die zwischen die malmenden Speichen kommen. Wir wussten aber wohl auch das andere noch nicht so, wie wir es heute wissen und Jahrtausende alter Erfahrung die unsere hinzufügen dürfen:

 

Es müssen dein sich freuen und fröhlich sein alle, die nach dir fragen, denn ich war arm und elend, aber der Herr sorgte für mich. (Psalm 40, 17—18) Elsbet Lange, Pfarrfrau aus Kruglanken

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen. Unsere Geburtstagskinder im Februar:   

01.02.1952 Karl Baering (Allenstein), 24b Flensburg, Ritterstraße 4 bei Hausen.

02.02.1952 Hans Plumpe TuF Danzig), 16 Bad Homburg v. d. H., Gymnasiumstraße 6.

02.02.1952 Heinz Thiede (TuF Danzig) 22a Köln, Sprengelstraße 14.

05.02.1952 Annemarie Kubawitz-Rudack (Tgm. Danzig), 22a Mülheim (Ruhr), Hermannstraße 30. 05.02.1952 Käte Schließauf-Hoffmann (Zoppot), 10b Leipzig W 33, Thüringer Straße 23 II.

05.02.1952 Werner Einbrodt (KMTV), 16 Herfornseelbach (Dillkr.), Dorfstraße.

06.02.1952 Herta Degenhardt-Nieswandt (KMTV), 23 Oldenburg, Ratsherr Schulze-Straße 8.

07.02.1952 Ernst Grego (Lyck), 20a Hannover, Lindenplan 11 I.

07.02.1952 Chritel Rauner-Semkat (KMTV), 23 Bremen, Friesenstraße 8 bei Kahl.

08.02.1952  Heinrich Schneider (Insterburg), 23 Verden (Aller), Brückstraße 16.

08.02.1952  Hertha Fischer-Leo (FrTV Danzig), 14a Backenang, Dilleniusstraße 9.

09.02.1952 Gustav Kublun (KMTV), 20a Upstedt 29 über Derneburg.

09.02.1952  Erwin Petri (KMTV), 23 Oldenburg (Oldbg.), Stadt. Handelslehranstalten.

11.02.1952 Carl Hoffmann (Zoppot), 24a Hamburg-Harburg, Heimfelderstraße 34 II.

12.02.1952 Luise Adam-Dalchow (KMTV), 3b Seebad Ahlbeck, Stalinstraße 19.

12.02.1952 Susi Eggert (TuF Danzig), 24b Hanerau-Hademarschen (Holst.), Hafenstraße 1.

12.02.1952 Max Koppatsch (KMTV), 3a Ludwigslust (Meckl.) Heisterweg 5.

12.02.1952 Agnes Tomscheit-Volkmann (Allenstein), 24b Flensburg-Engelsby, Kauslundenstraße 81.

14.02.1952 Robert Morgenstern (Zoppot), 24a Stöckelsdorf über Lübeck, Ahrensböckerstraße 30.

14.02.1952 Emmy Neumann-Koyka (Treuburg/Lyck), 19b Altensalzwedel über Salzwedel (Altm.).

14.02.1952 Erich Schreiber (KTC) 24a Hamburg 1. Kathrepelsbrücke 1 (Nitag).

15.02.1952 Lotte Rohlfs-Wiechmann (KMTV), 23 Barnstorf (Bez. Bremen), Am Flage 269.

15.02.1952 Heinrich Wilhelm (Danzig Nfw), 17a Lauda, Kaiser-Ludwig-Straße 4.

16.02.1952 Olga Wiechmann (KMTV), 10b CrimmitschauFrankenhausen, Ernst-Thälmann-Straße 31b.

16.02.1952 Maria Wurm (KMTV), 1 Berlin-Wannsee, Am Sandwerder 37, Jugendwohnheim.

17.02.1952 Siegfried Tamoschat (Marienwerder), 24b, Alt-Duvenstedt, Kr. Rendsburg.

18.02.1952 Luise Lieder-Wolter (Lyck), 24a Hamburg-Fuhlsbüttel, Wellingsbütteler Landstraße 201.

18.02.1952 Wilhelm Alm (KMTV), 23 Oldenburg (Oldbg.), Bloherfelderstraße 20.

19.02.1952 Willy Venzlaff (Zoppot) 19b Magdeburg-Hopfengarten, Rosenweg 26.

20.02.1952 Gerda Scherzer-Müller (Tgm. Danzig), 23 Bremen 11, Osterdeich 196g.

21.02.1952 Käte Döbel (Elbing), 24b Gr.-Solt bei Flensburg (Schule).

21.02.1952 Dr. Alfred Schurig (KTC), 20a Hildesheim, Wilhelm-Raabe-Straße 3.

22.02.1952 Hermann Heenes (KMTV). 16 Fulda, Feldstraße 4.

22.02.1952 Herbert Ogrzwalla (KMTV) 22a Mülheim (Ruhr), Zeppelinstraße 22.

24.02.1952 Erich Walther (KMTV), 24a Hamburg-Blankenese, Bahnhofstraße 1.

26.02.1952 Gustav Gorontzi (KMTV), 23 Osnabrück, Iburgerstraße 67.

26.02.1952 Leni Isbrecht-Buttgereit (Heidekrug), 24b Kellinghusen, Johannesstraße 24.

27.02.1952 Edith Neumann-Hannemann (Tgm. Danzig), 24b Tornesch (Holst.), Ebingerstraße 8.

28.02.1952 Ruth Ewert-Neubacher (Tilsit), 24b Flensburg-Mürwik, Landessportschule.

28.02.1952 Hans Kramps (KMTV), 21a Geseke (Westf.), Am Teich 12.

28.02.1952 Lucie-Marie Alter (TuF Danzig), 14a Stuttgart, Sicherstraße 3.

 

Ihnen allen herzlichste Glückwünsche, vor allem aber unserm lieben, jetzt 87-jährigen, Gustav Kublun, Ehrenmitglied des KMTV, dem er seit 68 Jahren angehört. Möge er in diesem Jahr in Marburg ebenso wie 1951 in Flensburg in alter Frische mit dabei sein.

 

Am 03.01.1952 feierte Turnbruder August Quandel, (19a) Lutherstadt Wittenberg, Bachstraße 10, den 91. Geburtstag in körperlicher und geistiger Frische. Lange Jahre war er Vorsitzender des MTV Insterburg. In vielen Städten und Vereinen Deutschlands und Österreichs hat er aktiv geturnt. Möge ihm weiterhin Gesundheit und Wohlergehen beschieden sein. Gut Hell! Onkel Wilhelm.

 

Jubiläen.

Gleichzeitig mit dem Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie in Marburg vom 15.- 18.08.1952 feiern der KMTV sein 110. und der MTV Lyck sein 75. Stiftungsfest. Ferner feiert die Turngemeinde Danzig ihr 90. Stiftungsfest. Wir werden Gelegenheit nehmen, über die Jubilare ausführlicher zu berichten.

 

 

Seite 6   Heiligenbeil – die Stadt der Jarft

Zu unseren Aufnahmen: Bild Mitte links: Das Rathaus von Heiligenbeil - Südseite

Bild unten links: Teile der alten Stadtmauer. Im Hintergrund die evangelische Kirche.

Bild rechts: Blick vom Rathausturm auf die Stadt Heiligenbeil mit der alten Ordenskirche.

(Sämtliche Aufnahmen: Apotheker Mertens, Fr. Heiligenbeil)

Bild: Philosophenweg an der Jarft

 

Als der Deutsche Ritterorden im Jahre 1239 die Burg Balga und im Jahre 1266 die Brandenburg gegründet hatte, begann er bald damit, die dazugehörigen Komturei-Bezirke neu zu besiedeln. Wohl gab es hier zwischen Pregel, Haff und Alle trotz der verheerenden Kriege zahlreiche Siedlungen der eingeborenen Altpreußen. Dem Deutschen Orden kam es aber darauf an, auch diese Landschaft einzudeutschen, also deutsche Städte, Dörfer und Güter zu gründen und deutsche Menschen anzusetzen.

 

In den Ordensburgen Balga und Brandenburg saßen meistens tatkräftige und weitblikkende Komture. Sie besiedelten vom Ende des 13. Jahrhunderts ab planmäßig ihre Bezirke mit deutschen Bauern. Auf diese Weise entstanden neben alten preußischen Gütern und Dörfern neue deutsche Ortschaften. Die erschlossenen Waldgebiete boten den deutschen Neusiedlern auf dem jungfräulichen Boden reichen Lebens- und Nahrungsraum. An markanten Stätten Natangens erwuchsen die Städte Heiligenbeil, Zinten, Pr. Eylau, Kreuzburg, Friedland, Landsberg, Domnau. Sie bildeten für die wachsende deutsche und prußische Bevölkerung in den deutschen Zins- und prußischen Hakendörfern wichtige Verkehrs- und Wirtschafts-, später auch kulturelle Mittelpunkte. Diese natangischen Städte sind fast alle kurz nach 1300 gegründet worden. Heiligenbeil dürfte die älteste von ihnen sein. Leider steht ihr Gründungsjahr nicht fest, es wird oft mit dem Jahre 1301 angegeben; im Jahre 1330 wird Heiligenbeil erstmalig urkundlich erwähnt.

 

Warum hat man die Stadt Heiligenbeil gerade hier an dem Ufer des verbreiterten Jarfttales angelegt? Zwei Gründe mögen hauptsächlich dafür maßgebend qewesen sein. An Bahnau und Jarft endete in frühgeschichtlicher Zeit das umfangreiche Waldgebiet, das fast den ganzen Süden des Kreises Heiligenbeil einnahm, und an seinem westlichen Rande lagen so zahlreiche prußische Orte, dass sie - wie die ab 1308 in dem Waldgürtel neu gegründeten deutschen Dörfer - eines wirtschaftlichen Mittelpunktes, eines Marktes, bedurften. Es kommt hinzu, dass hier in der Gabel zwischen Bahnau und Jarft ein Heiligtum der Prußen gelegen hat, an das in späterer Zeit der „Heilige Wald" erinnerte. Die Prußensiedlung, vielleicht auch nur eine Prußenfeste, mag die heilige Stätte geschützt haben; ihr Name Swentomest (swintas = heilig, mesta = Stätte) ist von Chronisten überliefert. Bemerkenswert ist es, dass die neugegründete Stadt anfangs ,,Heiligenstadt" und erst später Heiligenbeil hieß.

 

Was lag näher, hier an von Natur und Geschichte bevorzugter Stelle ein deutsches Gemeinwesen zu gründen! Der rechteckige Grundriss mit dem gitterförmigen Straßennetz und dem rechteckigen Marktplatz im Mittelpunkt zeugt heute noch von planmäßiger Anlage durch die deutschen Ordensbeamten. Einige Stadtmauerzüge und der Stadtgraben sind bis in unsere Tage zum großen Teil erhalten geblieben, obgleich Kriege und Brände die Stadt an der Jarft oft zerstörte und ihr Bild vielfach veränderten. In dem Städtekriege (1454 - 1466) und im Reiterkriege (1520/21) hat Heiligenbeil viel erdulden müssen. In den Jahren 1463 und 1520 brannten es die Polen vollends aus, und in den Jahren 1519, 1677 und 1807 zerstörten Feuersbrünste große Teile der Stadt und die letzten mittelalterlichen Bauten. Selbst die übriggebliebenen Laubenhäuser am Markt fielen im Dezember 1807 den Flammen zum Opfer. Das älteste Rathaus wurde 1520 zerstört, das nächste ging 1807 in Trümmer, und das letzte, das uns Heiligenbeilern durch sein eigenartiges Portal und seinen Turm so vertraut ist, sank im März 1945 in Schutt und Asche. Auch die evangelische Kirche mit dem massigen Turm, dessen flaches Zeltdach sich so schön in unsere Landschaft einfügte, hatte nach den Bränden von 1677 und 1788 bis zum Jahre 1945 nur noch spärliche Reste an mittelalterlichem Bauwerk bewahrt: in dem einzigartigen Hauptportal und in der Sakristei mit dem achtteiligen Sterngewölbe. Heute sind auch diese Zeugen gotischer Baukunst zerstört.

 

Nichts blieb von den beiden Stadttoren übrig, die bis 1807 wie ragende Wächter den Frieden der Stadt hüteten; nichts blieb auch von dem Augustinerkloster (es lag im Osten der Stadt unmittelbar vor der Stadtmauer und bestand von 1372 - 1520) als ein paar Flurnamen. Nur eine mittelalterliche Einrichtung bestand bis 1945: das St. GeorgsHospital. Es ist aus dem 1416 erstmalig erwähnten St. Georgshof bei Heiligenbeil hervorgegangen. Herzog Albrecht begründete dies Hospital im Jahre 1563 neu und beschenkte es mit den ehemaligen Klosterländereien. Im Jahre 1865 erhielt es auf dem Anger, dem späteren Feyerabendplatz, einen großen Ziegelbau und einen Garten unmittelbar an der Stadtmauer.

 

Welche Schicksale haben die Bewohner der Jarftstadt von der Ordenszeit bis zur Gegenwart erleiden müssen! Kriege und Brände, Seuchen und Hungersnöte, Plünderungen und Vertreibungen haben die Bevölkerung heimgesucht, haben sie vermindert, aber nicht vernichtet, haben sie arm, aber nicht gänzlich besitzlos machen können. Nach harten Schicksalsschlägen bauten die Heiligenbeiler ihre Stadt von neuem auf, sie riefen neue Bürger herbei, sie nutzten neue Erwerbsmöglichkeiten, sie gaben dem Ackerstädtchen neuzeitliche Einrichtungen; denn sie waren nicht rückständig, sondern fortschrittlich und führten trotzdem bis um 1900 ein bescheidenes, doch zufriedenes Dasein. Vom 16. -18. Jahrhundert genoss das Heiligenbeiler Bier solch einen guten Ruf, dass es in Mengen ausgeführt wurde; lange Zeit machte das Heiligenbeiler Weizenbrot der Stadt Ehre. Seit mehr als zwei Jahrhunderten beherrschten Heiligenbeiler Drechslerarbeiten mit ihren Wocken, Haspeln und Spielwaren die Märkte; dann wieder gingen seine Mühlenerzeugnisse nach Berlin, Braunschweig und Danzig, oder die landwirtschaftlichen Geräte der „Ostdeutschen Maschinenfabrik" wurden nicht nur in Ostpreußen, sondern auch in den baltischen Staaten, in Afrika usw. abgesetzt, und zuletzt kam alles den Heiligenbeilern und ihrer Stadt zugute. Vom 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts und in neuerer Zeit von 1936 bis 1945 war unser Ort Soldatenstadt, in der Teile bekannter Regimenter ihren Standort hatten.

 

Heiligenbeil ist auch durch seine Lage bevorzugt. Im Mittelalter führte die alle Land- und Heerstraße durch unsere Stadt. Daher wurde sie oft zum Tagungsort preußischer Ständetage, Tagfahrten und Landtage. Ja, man hat hier am 1. Januar 1511 den letzten Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen gewählt- den hohenzollernschen Markgrafen Albrecht, von Brandenburg. Die günstige Verkehrslage wirkte sich auch später aus. Als man die erste Kunststraße Ostpreußens erbaute, führte man sie über Heiligenbeil. Auch wurde unser Ort 1853 eine Station an der ältesten Eisenbahnstrecke Ostpreußens von Königsberg nach Berlin, ja, die jüngste Eisenbahnstrecke, Heiligenbeil - Zinten, ging 1938 von hier aus. Und am 1. April 1819 wurde Heiligenbeil trotz seiner Randlage im neugegründeten Kreise Heiligenbeil zur Kreisstadt erhoben.

 

Nach den mittelalterlichen Gilden pflegten zahlreiche Vereine das gesellige Leben innerhalb der verschiedenen Stände und Bewohner. In neuester Zeit hoben mehrere Schulen den allgemeinen Bildungsstand. Bereits in der Ordenszeit bestand eine Lateinschule die zahlreiche Bürgersöhne für das Studium auf den Universitäten Europas vorgebildet hat. Sie ist erst im Jahre 1811 aufgelöst worden. Ihre Aufgabe übernahm zum Teil die Bürgerschule, neben ihr gab es leider auch eine Armenschule. Beiden wurden erst im August 1910 zur Stadtschule vereinigt. Seit 1879 gab es in Heiligenheil eine in der Provinz Ostpreußen bekannte Landwirtschaftsschule, sie ging 1927 ein. Ihr Gebäude ging auf die neugegründete Mittelschule über. Außerdem bestanden in Heiligenbeil eine Fortbildungsschule, die später zur Berufsschule wurde, und seit 1927 eine landwirtschaftliche Winterschule für den bäuerlichen Nachwuchs.

 

Bis um 1900 war die Stadt an der Jarft eine ausgesprochene Ackerbürger- und Handwerkerstadt. In älterer Zeit spielten die Mälzenbräuer (das waren Bürger mit dem Recht des Bierbrauens) eine führende Rolle; später errangen auch Handwerker Bedeutung und Einfluss", gelangten in den Rat und damit in die Stadtverwaltung.

 

Nach den siegreichen Kriegen des 19. Jahrhunderts entwickelten sich in Heiligenbeil einige Industrien. Ein einfacher Schmiedemeister, Rudolf Wermke aus Stolzenberg, errichtete 1869 in der Stadt eine Schmiede, die er nach und nach vergrößern konnte, weil seine Pflüge großen Absatz fanden. Nach dem Tode Wermkes wuchs der Betrieb zur „Ostdeutschen Maschinenfabrik", die verschiedene landwirtschaftliche Geräte herstellte. Sie trugen als Warenzeichen zwei gekreuzte Beile und fanden wegen ihrer Güte und Brauchbarkeit nicht nur im In-, sondern; auch im Auslande reichen Absatz. Vorbildlich waren auch die sozialen Einrichtungen dieser; Heiligenbeiler Maschinenfabrik, die für Angestellte und Arbeiter von den Leitern (F. Bartels, seit 1938 Heßmer) geschaffen worden sind.

 

Aus der ordenszeitlichen Mahlmühle, die 1828 in das Privateigentum der Müllerfamilie Dous, 1844 in das der Familie Zarniko übergegangen war, entwickelte sich nach dem Erwerb durch die „An- und Verkaufsgenossenschaft" im Sommer 1918 unter der Leitung von Direktor Franz Wunderlich (1945) ein Industriebetrieb, der jährlich viele zehntausend Zentner Getreide vermahlte und umsetzte.

 

Die Sägewerke der Firmen Carl Stolt und Eugen Hinzko erzielten nach dem ersten Weltkrieg großen Umsatz und waren in Stadt und Kreis Heiligenbeil als Holzlieferanten bekannt. - Die Firma Fritz Werning & Co., am 1. Okt. 1900 aus der Schneidemühle Laubschat und Becker hervorgegangen, wurde mit dem Dampfsägewerk in Rosenberg und dem Baugeschäft wie der Rohrweberei in Heiligenbeil ein bedeutendes Unternehmen, das zahlreiche Hoch-, Tief- und andere Bauten in Heiligenbeil und Umgegend ausgeführt hat.

 

Um das Jahr 1875 gründete Hermann Eggert eine Fabrik, die nach der Verbindung mit dem Ingenieur Emil Becker bis nach dem ersten Weltkrieg unter dem Namen „Maschinenfabrik Eggert und Becker" eine gewisse Bedeutung besaß. Sie ging ein, und aus ihrer Stätte errichtete der Maschinenbauer Pritzkuleit ein neues Unternehmen, das besonders durch die große Tankstelle an der Königsberger Straße erhöhten Wert errang.

 

Seit dem Jahre 1914 bestand in Rosenberg, das im Oktober 1935 in Heiligenbeil eingemeindet wurde, eine Kalksandsteinfabrik  (Werner Frischbutter, vorher Riedel gehörig) deren Ziegel reichen Absatz fanden. - Die Heiligenbeiler Zementfabrik von Flakowski und Przygodda diente vor allem dem Brunnen- und Pumpenbau. - In den dreißiger Jahren ließen sich in unserer Stadt außerdem ein Tiefbauunternehmen (Erich Komos), eine Leichtmetallfabrik (Gerlach) und eine Puddingfabrik (Döhler) nieder.

 

Als ausgesprochener Rüstungsbetrieb entstand in Verbindung mit dem Flugplatz und der Luftwaffeneinheit in den Jahren 1936/37 das stattliche Industriewerk. Es stellte vor allem Flugzeugteile her und erreichte während des Krieges eine hervorragende Bedeutung. Mit seinen etwa 3000 Beschäftigten, die aus verschiedenen Gegenden Deutschlands zugezogen waren, trug es zur äußeren und inneren Umgestaltung unserer Stadt am meisten bei. Es war die größte industrielle Anlage der Stadt. Mit jedem neuen Industrieunternehmen und seit 1936 mit dem Einzug der Garnisonen wuchs die Zahl der Heiligenbeiler Bevölkerung. Im Jahre 1871 hatte unsere Stadt 3385 Einwohner, 1891 waren es 3810, 1910: 4821, 1925: 5178, 1933: 5623, 1939: 12 100 Bewohner. Von 1871 bis 1910 betrug das Wachstum 142%), von 1925 bis 1939: 203%, und beim Vergleich der Einwohnerzahlen von 1871 und 1939 ermitteln wir eine Zunahme um 357%! In fast 70 Jahren ist die Bevölkerungszahl unserer Stadt um mehr als das Dreieinhalbfache gewachsen. Im Kriegsjahr 1944 hatte Heiligenbeil sogar 16 090 Einwohner; es ist nicht bekannt, wie groß dabei die ständige Wohnbevölkerung war.

 

Der wirtschaftliche Aufstieg unserer Stadt war nur möglich durch die Ausnutzung der technischen Errungenschaften. Neben dem Bau des Schlachthauses, entstanden das Gas- und das Wasserwerk, die Versorgung mitelektrischem Strom und die Kanalisation.

 

Das im Jahre 1887 erbaute Kreiskrankenhaus wurde in den Jahren 1931 und 1937 erweitert und neuzeitlich eingerichtet; in seinen Räumen war auch das Staatliche Gesundheitsamt untergebracht. - Eine Apotheke lässt sich seit mindestens 1709 in unserer Stadt nachweisen; sie war im Besitz der Familien Falz, Weinberger, Friebel, Brickmann, Wittrin, Sonntag, Eichholz und seit 1895 Mertens.

 

Als das Gebäude des Landratsamtes am Feyerabendplatz für die vermehrten Verwaltungsaufgaben des Kreises nicht mehr ausreichte, erbaute die Kreisverwaltung 1923/24 ein stattliches Kreishaus in der Königsberger Straße, das im großen Ganzen der Zerstörung von 1945 entgangen ist.

 

Von dem regen Aufbauwillen der Stadt zeugten die zahlreichen Neubauten von Siedlungs- und anderen Häusern, so dass ganz neue Stadtteile in aufgelockerter Form hinzukamen: die Siedlungsviertel hinter dem Kreishause, an den Kasernen und vor allem die „Gartenstadt" zwischen dem „Fabrikerberg" und dem Stadtteil Rosenberg, so dass Heiligenbeil sich 5 km lang in nordöstlicher Richtung erstreckte von der „Siedlung Süd" an der alten Waltersdorfer Kunststraße und vom Industriewerk bis zum Hafen Rosenberg. Neben den Neubauten des Amtsgerichts, des Finanzamts bildete auch das Gebäude der „Heiligenbeiler Zeitung G.m.b.H." einen Schmuck der Stack. Aus einer unbedeutenden Druckerei hervorgegangen, konnte die Heiligenbeiler Zeitung seit den zwanziger Jahren mit ihren neuzeitlichen Maschinen größere Druckaufträge ausführen, eigene Verlagswerke und die täglich erscheinende „Heiligenbeiler Zeitung", später in „Natanger Tageblatt" umbenannt, herausbringen. In den blutigen Märztagen 1945 druckte sie das letzte deutsche Blatt für das verbliebene ostpreußische Heimatgebiet, bis auch sie in die Hände der Sowjets fiel.

 

Nicht vergessen wollen wir, dass Bürgermeister und Stadtväter Heiligenbeils auch für schöne Grünanlagen und Schmuckplätze gesorgt haben: Auf dem ehemaligen Anger entstand der vielbesuchte Feyerabendplatz mit den Denkmalen für den Bürgermeister August Feyerabend und Kaiser Wilhelms I. Neben dem parkartigen Schützengarten wurde dem Bürgermeister Louis Schröder zu Ehren der vom Jarfttal stufenförmig ansteigende Louis-Srhröder-Platz angelegt. Von ihm führte der Philosophengang am Jarftufer entlang zu den Schleusen und zum Wasserfall. Der Lutherplatz, der Sportplatz, die Badeanstalt und selbst die neuen Friedhöfe bildeten gleichfalls gern besuchte Stätten.

 

Und wer die näheren und weiteren landschaftlichen Schönheiten der Heiligenbeiler Gegend genießen wollte, der wanderte hinaus zum Fichtenwäldchen, zum Maiberg neben dem tiefen Bahnautal bei Wermten, in die Damerau, in den Hospitalwald mit dem anmutigen Jarfttal und dem sehenswerten Lateinerberg, der erwanderte den Haffstrand bei Foliendorf und Leisuhnen, durchstreifte die Haffberge bei Balga und im Büsterwald, erstieg die erhabene Ordensruine Balga mit dem Heimatmuseum und der herrlichen Rundsicht. Welche vertrauten und liebgewordenen Heimatfluren und Heimatstätten! Sie leben fort in unseren Herzen und in der Erinnerung. –

 

In früheren Jahren mag der Name Heiligenbeil vielen unbekannt, anderen vielleicht nur ,,Schall und Rauch" gewesen sein. Seit dem Schreckenswinter 1944/45 ist Heiligenbeil von neuem in die Geschichte eingegangen. Es war Zuflucht und Tor für mehr als eine dreiviertel Million Vertriebene, Gehetzte, Verfolgte und Verwundete, die den ungewissen Gang durch eisige Nacht, durch Sturm und Schneetreiben, in Angst und Hast über die unsichere Eisdecke des Frischen Haffs antraten, um dem Elend und dem Verderben zu entfliehen. Und doch mussten Hunderte in unserer Stadt bleiben - anfangs März 1945 waren allein an 1000 „Flüchtlinge" hier*" begraben worden.

 

Wochenlang blieb Heiligenbeil und seine Umgebung ein Brückenkopf von erbittert kämpfenden und -zuletzt doch verblutenden deutschen Soldaten der 4. Armee gegen eine gewaltige russische Übermacht. Ende März 1945 sank unsere Heimatstadt vollends in Trümmer.

 

Mag unser Heiligenbeil nun wie tot daliegen, keinen deutschen Laut erklingen hören, wir tragen unsere Stadt so in unserer Erinnerung und in unseren Herzen, wie wir sie seit vielen Jahren, ja Jahrhunderten kennen. Denn die Stadt Heiligenbeil bleibt unser! Sie wird wieder leben, wenn deutsche Menschen zu ihr zurückkehren werden!

 

 

 

Seite 7   Um die Jahrhundertwende in Königsberg i. Pr.

Junckerstraße 8 und die Querdroschke

Kam man von Zappa, wie damals vielfach noch die beliebte Bezeichnung für den Münzplatz war, weil diese altberühmte Konditorei an der Stelle stand, wo sich später zwei hohe Steinkandelaber vor dem Schloßteich zum Himmel reckten, in die belebte und geschäftige Junckerstraße, so lag zur rechten Hand ein graues, plumpes und wenig auffallendes Gebäude mit einem schweren, meist verschlossenem Portal, über dem eine große Gaslaterne herunterhing. Klopfte man an die Tür, so hallte es dumpf wieder. Nur selten war ein Blick ins Innere möglich.

 

Aber das etwas zurückstehende Bauwerk, das die Straßennummer 8 in blauem Schilde als Kennzeichnung trug, war älter als wohl alle Firmen ringsum. Es bildete für die Königsberger Bevölkerung, besonders aber für die Jugend dieser ehrwürdigen Residenzstadt einen besonderen Begriff, der mit etwas Schrecken, Neugier und Beruhigung verbunden war. Wie es die Freude jedes Königsberger Kindes war, wenigstens einmal auf dem breiten Rücken der behäbigen, schwanzwedelnden Jenny schaukelnd durch den Tiergarten zu trotten, so war es ihm etwas unheimlich, am Gebäude Junckerstraße 8 vorbeizugehen, obwohl dort meist äußerlich Ruhe und stille Beschaulichkeit herrschten.

 

Die knopfbeschuhten oder nackten Kinderfüße beschleunigten dann wohl den Schritt, um bald die Herrlichkeit im Weiß’schen Spielzeugwarengeschäft betrachten zu können oder die vielen Fenster von Zappa zu erreichen, hinter deren Gardinen sie sich das Schlaraffenland vorstellten. Mit Junckerstraße 8 verbanden sich für jedes Kind der Pregelstadt die beängstigenden Begriffe von „Aufschreiben" und „Abführen". Wenn man sich verbiestern sollte, würde man unfehlbar dort hinkommen.

 

Jeder der behäbigen und bebärteten Schutzmänner, denen man auf den Plätzen der Stadt begegnete, wie sie hoheitsvoll und gelangweilt an den Laternenpfählen lehnten, oder vor den Haltestellen der Pferdebahnen standen, schien die magische Fähigkeit zu besitzen, jede begangene oder geplante Unart zu bemerken, und bedeutete eine lebendige Drohung für den kleinen Übeltäter, ihn in das finstere Asyl Junckerstraße 8 abzuschleppen. Diese kindliche Besorgnis wurde von erziehungsbeflissenen Müttern und Kindermädchen dadurch genährt, dass sie beim Passieren der Junckerstraße nicht versäumten, angesichts des gefürchteten Portals ihren kleinen Begleiter mit erhobenem Finger zu ermahnen: „Siehst Du, Herzchen, da kommst Du hinein, wenn Du noch mal .., und dann folgte das Sündenregister vom „herumzergen", „sich mit Klunkermus bekleckern" bis zum „Dreibastigsein", „Plärren", „mit dem Stuhl kippeln".

 

Hier, war nämlich damals das Präsidium der Königsberger Königlichen Polizei, die Ausgangsquelle und das Kraftzentrum aller würdigen, gereiften und mit unvergleichlicher Autorität ausgestatteten Männer in der dunkelblauen Uniform mit den blauen Achselstücken und den wie Silber schimmernden zwei Knopfreihen, dem dunklen, blanken Helm mit dem Knubbel und dem schwarzen gekrümmten Säbel, von dem man unter dem Rock nur das Ende mit der gelblichen Spitze hervorlugen sah. Damit war die Gestalt gekennzeichnet, die den „Baubau" der Königsberger Jugend und den Schrecken der Übeltäter darstellte. Es waren gravitätische Erscheinungen voll Hoheit und Majestät, so dass es wie ein Missklang anmutete, eine solche Respektperson gelegentlich in ein rot gewürfeltes, baumwollenes Taschentuch hineinschneuzen zu sehen, oder unter dem blauen Uniformrock einen zerplieserten Hemdsärmel aus dickgestreiftem Barchent zu entdecken.

 

Aber nicht nur die Kinder mieden das unscheinbare, von hohen Geschäftshäusern mit gasbeleuchteten Läden eingefasste Gebäude. Ehrsame Mütter mochten nicht, dass ihre erwachsenen Töchter das Gebäude betraten oder in dessen Nähe stehen blieben, da es ihren Ruf schaden konnte, und allgemein war man der Ansicht, dass es drinnen recht barsch und herrisch zuging. Im Grunde galt jeder und jede als „suspekt", der dort hineinging oder herauskam, mochte er auch nur den Verlust eines Muffs oder einer Stulpe anmelden oder seinen Umzug von der Krönchenstraße nach der II. Fliesstraße anmelden. Sobald aber jemand von einem Polizisten behutsam hineingeleitet wurde, wobei ihm höflich der Vortritt gelassen wurde, dann hallte die Stadt von Gerüchten wider, dass auf dem Sackheim ein Mord passiert sei oder der langgesuchte Einbrecher von der Tamnaustraße arretiert worden sei. Allerdings wussten davon weder die „Allgemeine" noch die „Hartungsche" das geringste zu berichten.

 

Im Innern des Gebäudes hinter dem Portal war zunächst ein niedriger, länglicher und enger Torweg, an dessen beiden Seiten Treppen zu den Revierräumen führten und der auf einen von roten Ziegelbauten umgebenen Hof zulief, der eine Reihe fragwürdiger Unterkunftsräume enthielt. All das blieb aber dem harmlosen Durchschnittspassanten verborgen. Wer das Gebäude betreten wollte, musste einen dicken Klingelknopf vor dem Tor ziehen, und alsbald pflegte das Portal von einem Schutzmann um einen schmalen Spalt geöffnet zu werden.

 

Ziemlich häufig gab es Gelegenheiten, bei denen dies wenig gefällige Gebäude von Teilen der Königsberger Jugend mit den Gefühlen innigster Anteilnahme und unleugbaren Wohlbehagens betrachtet wurde. Bangigkeit, Furcht und böses Gewissen wurden dann abgelöst von rauschartiger Sensationslust. Tatendrang und Zivilcourage. Es geschah nämlich, dass zuweilen auch ohne klingelnde Herausforderung das graue, metallene Eingangstor von innen geöffnet wurde und ein Schutzmann die Portalflügel sorgfältig mit Hakenstangen am Boden befestigte. Dann bot sich die Gelegenheit, ins Innere zu gucken, und jedermann wusste, was los war. Wie aus dem Boden geschossen, stürzten von allen Seiten kindliche oder halbwüchsige „Lauxe" herbei, die barfuß oder mit Holzpantinen bekleidet waren und denen sich etwas ältere berufstätige Lorbasse anreihten, meist Laufburschen oder Lehrlinge.

 

Alles sah mit gespannter Neugierde und voller Vorfreude dem Kommenden entgegen. Man brauchte nicht lange zu warten, aber trotzdem gab es schon Balgereien, wenn ein größerer „Lauseangel" einem kleinen „Laps" mit hochgestrecktem Hals die Aussicht versperrte, worauf dieser ihm den schmierigen, breitkrämpigen Schlapphut herunterwarf. Gleichzeitig setzte ein Brüllen, Pfeifen und Heulen der versammelten Jugend ein. Dann bildete der Schutzmann aus dem aufgeregten Haufen ein Spalier zu beiden Seiten der Ausfahrt, und vom Hof des Polizeigebäudes rollte ein merkwürdiges, aber in Königsberg allbekanntes Gefährt herbei, nahm seinen Weg laut schallend durch den Torweg.  

 

Das Instrument war niedrig, ziemlich schmal und völlig schmucklos. Es glich der oberen Hälfte eines kleinen, schwarzgeränderten, querdurchschnittenen Lampenzylinders. Die Länge entsprach der, eines ausgewachsenen Mannes und die Breite, der eines Schemels.

 

Es sah aus, als ob ein dunkler Sarg oder ein länglicher Kasten mit abgerundetem Deckel auf vier Rädern gefahren würde. Ein Bock für einen Kutscher war nicht vorhanden. Vor das Vehikel war vielmehr ein magerer brauner Wallach oder ein Grauschimmel gespannt, an dessen Leibgurt im Dunkeln ein Laternchen mit einem Stearinstümpfchen angebracht war. Auf dem Pferdchen saß ein halbwüchsiger Junge als stolzer Reitersmann. Sein Ritt hatte etwas Hüpfendes an sich, was vielleicht daran lag, dass das Pferd, meiner Erinnerung nach, keinen Sattel, sondern nur einen Woilach auf dem Rücken hatte. Auf dem groben Pflaster schaukelte das Wägelein fast wie eine Hängematte. Die lärmende Aufregung des jugendlichen Publikums hielt an, als der Wagen abrollte und das Tor des Gebäudes wieder von innen geschlossen wurde. Foto: Blick auf den Münzplatz und und die Junckerstraße. (Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 7   Domglocke läutet im Wesertal

In feierlicher kirchlicher Handlung, wie es die Liturgie verlangt, wurde am Sonntag, dem 20. Januar, in der Klosterkirche zu Bursfelde durch den Herrn Landessuperintendenten Wiebe die Weihe einer neuen Glocke vorgenommen. Gott zur Ehre, der Gemeinde zum Heil ist sie ihrer Bestimmung übergeben, Künder des Wortes Gottes soll sie den Menschen sein. Gleichviel was das Leben für den Einzelnen bedeute, sie wird ihn fortan auf seinem Wege begleiten.

 

Aber weit über diese in der Natur des Menschen und seinem Verhältnis zu Gott liegenden Bedeutung hinaus, welche die Kirchenglocke für das Glaubensleben darstellt, besitzt gerade diese kirchliche Handlung in Bursfelde ihr besonderes Gewicht. Es ist, als ob sich an jenem Sonntagvormittag in dieser altehrwürdigen Klosterkirche die Jahrhunderte berührten. Denn die Glocke, welche geweiht wurde, stammte aus dem Osten, sie gehörte dem Königsberger Dom, und war vielleicht

eine seiner ältesten; denn sie trägt die Jahreszahl 1453. Jahrhunderte lang hat sie dort in Königsberg geläutet, bis sie, dem Vernichtungswillen des Krieges bestimmt, aus ihrer ehrwürdigen Stelle an der Westseite des Domes gewaltsam entfernt wurde. Die Predigt erinnerte an das Wort, das aus dem deutschen Osten stammt: Weh' dem, der sich an einer Glocke vergreift, er verliert den Krieg!

 

Von unerhörter Geschichtlichkeit ist das stille Land an der Weser. Große Bewegungen haben von diesem einsamen Tal ihren Ausgang genommen. Bollwerk des Glaubens war dieses Kloster und seine Kirche. Aber dieselbe Bedeutung kam dem Land dort oben hinter der Weichsel zu, ihm und jener Domkirche in Königsberg, deren Glocke jetzt eine neue Heimat in Bursfelde fand. „Flüchtling und Heimkehrer zugleich", sagte der Landessuperintendent von der neuen Bursfelder Glocke, die nun alter und neuer Bestimmung übergeben wurde. Stehend sang die Gemeinde den Choral: „Nun danket alle Gott!" Eine besondere Bedeutung erhielt die bedeutsame Feier, indem im Anschluss an den Gottesdienst der Herr Abt von Bursfelde das Wort ergriff. Ihm stand das Ereignis besonders nahe, war ihm doch selbst Königsberg Heimat gewesen, hatte er selbst doch die Glocke des Domes noch in ihrer alten Heimat gehört. Danken wir es ihm, wenn er auch an dieser Stelle zu uns spricht:

 

Es ruft eine Glocke im Wesertal, -

Wie klingt so vertraut mir ihr Läuten!

Mir ist es, als hört' ich schon manches Mal

Ihren Klang in vergangenen Zeiten.

 

Im fernen Osten am Pregelstrand

Erbauten den Dom sich, den hehren,

Die Ordensritter aus deutschem Land,

Um fromm ihren Schöpler zu ehren.

 

 

Jahrhunderte stand er und hielt die Wacht

An Deutschlands Grenze, zu wahren

Die Botschaft, die einst die Männer gebracht,

Die Gottes Apostel uns waren.

 

Vor fünfzig Jahren ward mir die Stadt

Mit dem Dome zur Heimat erhoben:

Gar oit da die Stimme der Glocken hat

Mich gemahnt an die Heimat dort oben.

 

Nun ist uns verloren das schöne Land,

Und die Glocken hört man nun nimmer.

Das Grabmal Kants an des Domes Wand

Zerschlug man gewaltsam in Trümmer.

 

Doch eine der Glocken, die folgte uns nach,

Und es ist mir, als sprach' sie: „Ihr Lieben,

Was dereinst ich zu Euch dort in Königsberg sprach

Ist Wahrheit noch heute geblieben!

 

Mag immer das Wesen der irdischen Welt

Zu Klagen und Zweifeln Euch treiben,

 's ist einer, der dennoch die Treue Euch hält:

 „Euer Gott und Vater zu bleiben!" –

 

Und wenn nun hinfort ihrer Töne Strom

Wir hören am Weserstrande,

Dann denken wir an den alten Dom

In dem uns nun verlorenen Lande.

 

Und dann danken wir Gott, dass er uns das Leid,

Das in trauernden Herzen wir tragen,

Zu neuem Segen gütig geweiht, -

Wie die Worte der Glocke uns sagen.

Prof. Götz v. Seile

 

 

Seite 8   Ein Opfer des Krieges

Die Schausammlung der Staatsbibliohek. Von Dr. Gaue

Zu den wichtigsten Kulturstätten unserer Heimat gehörte die Schausammlunq der Königsberger Staatsbibliothek, in den Ordensräumen des Schlosses. Viele große Bibliotheken besitzen außer Büchern noch mannigfache andere Kulturdokumente, die aus alten Kloster- und Schlossbibliotheken, durch Schenkungen, Vermächtnisse und Ankäufe nach und nach in ihren Bestand gekommen sind, Handschriften, seltene Drucke und kostbare Einbände, Bilder und Stiche, Autogramme, Briefwechsel, Nachlässe bekannter Persönlichkeiten und dergleichen mehr. Die meisten Bibliotheken bewahren diese Schätze in ihren Magazinen und machen sie nur der gelehrten Forschung zugänglich. Die Könisberger Bibliothek war außer der sächsischen Landesbibliothek in Dresden die Einzige, die einen Teil dieser Bestände der Öffentlichkeit zeigte, und zwar in einem musealen Rahmen, wie er würdiger nicht sein konnte. Als das Staatsarchiv aus dem Schloss, wo es seit der Ordenszeit zu Hause war, 1932 in den Naubau gegenüber dem Schauspielhaus umzog, wurden die bisher von ihm benutzten Räume frei und durch das glückliche Zusammenwirken von Staatsbibliothekdirektor Prof. Diesch, Regierungspräsident v. Bahrfeldt und dem preußischen Landeskonservator Ministerialrat Hiecke der Staatsbibliothek eingeräumt, die hier eine einzigartige Schau von Dokumenten aus der Geschichte und dem Geistesleben Ostpreußens schuf, die alle Besucher aufs stärkste anzog und an die sich wohl auch viele Leser dieses Blattes mit Freude und Wehmut erinnern werden. Nach handschriftlichen Aufzeichnungen von Prof. Diesch sei hier ein kurzer Überblick über diese Schau gegeben.

 

Sie begann in den beiden Zimmern rechts von der repräsentativen, mit Andenken aus der Ordenszeit ausgestatteten Eingangshalle, die die Tradition als Wohn- und Schlafzimmer des Hochmeisters bezeichnet. Sie enthielten mehrere Originalhandschriften der älteren und der jüngeren Hochmeisterchronik, die Satzunq des Ordens und eine Auswahl der wertvollsten Inkunabeln (Frühdrucke) der Bibliothek. In dem großen Remter links von der Eingangshalle wurden die wertvollsten Handschriften gezeigt, unter denen besonders die deutschen Bearbeitungen der beiden großen Evangelienkommentare des Thomas von Aquino, die beiden illustrierten Handschriften der Apokalypse Heinrich Heslers und die Radziwillbibel aus dem Ende des 12. Jahrhunderts (aus der Schenkung des Fürsten Boguslav Radziwill an den Großen Kurfürsten) zu nennen sind. Das kleine Cicerozimmer, so genannt nach einer noch erhaltenen alten, Cicero darstellenden Wandbemalung, enthielt alte Drucke klassischer Autoren, Fronsbergers Kriegsbuch und anderes. Ein paar Stufen führten dann in das alte Ordensarchiv, dessen Ausstattung aus der Ordenszeit noch unversehrt erhalten war. Hier waren die beiden interessantesten Dokumente der Wallenrodtschen Bibliothek ausgestellt: die Originale von Luthers Zitation nach Worms und der Geleitsbrief für die Reise dorthin. Diese beiden Stücke waren durch Luthers Familienbeziehungen zur Familie v. Kuenheim nach Ostpreußen gekommen. In diesem Raum befand sich ferner das Accreditiv des Großen Kurfürsten für Otto Friedrich v. d. Groeben, den Führer der ersten brandenburgischen Kolonisationsunternehmung, die von Pillau ihren Ausganq nahm.

 

Die an den Archivraum anschließende ehemalige Firmarie zeigte in einer reich ausgestatteten Sammlung die schönsten Stücke altpreußischer Einbandkunst. Hier trat vor allem das Wirken Kaspar Anglers, des Buchbinders des Herzogs Albrecht, einer der hervorragendsten Einbandkünstler seiner Zeit, voll in Erscheinung. Die anschließenden Renaissancezimmer enthielten Zeugnisse der Reformationszeit, darunter Luthers Schrift wider das Papsttum mit einer eigenhändigen Widmung an Herzog Albrecht und ein Gebetbuch Luthers mit eigenhändiger Widmung von Katharina Luther an die Herzogin, alte Kartenwerke und Reisebeschreibungen und Zeugnisse aus der Zeit der Befreiungskriege und den folgenden Jahrzehnten, ostpreußische Exlibris und Autoqraphen von Herzog Albrecht bis Agnes Miegel, die Erstausgabe der Kritik der reinen Vernunft mit eigenhändigen Randbemerkungen Kants. Die Krönunq der ganzen Schausammlung war dann das Turmzimmer mit der Silberbibliokthek der Albrechtsbibel (einem Exemplar des Lufftschen Drucks der Gesamtbibel Luthers auf Pergament mit dem Bilde des Herzogs im Gelehrtenmantel), den ältesten Satzungen der Universität und dem Original der alten Universitätsmatrikel sowie anderen Schriftdokumenten aus der Albrechtszeit. Die Schlossverwaltung hatte darüber hinaus diesen Raum mit Bildern und Wappen besonders repräsentativ ausgestattet.

 

Alle diese Schätze, Zeugnisse für die deutsche Kultur unserer Heimat, sind ein Opfer des Krieges geworden. Die wertvollsten Bestände der Bibliothek waren in ostpreußische Schlösser ausgelagert, nach Schlobitten, Balga, Langheim, Sanditten und Karwinden. Die Schausammlung lagerte, in Kisten verpackt, in Karwinden. Was aus ihr geworden ist, ist bisher nicht bekannt. Sie mag verbrannt oder geplündert oder den Russen als Kriegsbeute in die Hände gefallen sein.

 

 

Seite 8   Winterliches Königsberg. Von Carla v. Bassewitz

Es gab Winter in Ostpreußen, in denen Städte und Dörfer tageweise von jedem Verkehr abgeschnitten sein konnten und tief im Schnee vergraben lagen, während hier weiche Nebel über dem Lande lagern und ein feiner Sprühregen alles in ein mildes Grau taucht. Auf den Chausseen erster Ordnung im Osten gehen bei starken Schneefällen zwar die großen Schneepflüge der Kreisverwaltungen, und auf den Äckern zu beiden Seiten sind Schneezäune aufgebaut, aber trotzdem passiert es, dass über Nacht Schneewälle quer über die Chausseen angeweht und festgefroren sind, so dass sie ein richtiges Verkehrshindernis bieten. Sie haben genau das Größenmaß, das ein Schlitten mit dem Vorderteil von ihnen scharf herunterklappt und den Pferden in die Hacken rutscht, - bei unserem temperamentvollen ostpreußischen Warmblut von ungeahnter Wirkung! Autos und Autobusse können dann überhaupt nicht fahren.

 

Auch der Litauer Wall, die Stadtgrenze der alten Festung Königsberg, liegt noch im tiefen Schnee, denn hier ist die Stadtverwaltung nicht so eifrig mit der Straßenräumung, ebenso mit den schmalen Seitengässchen parallel der Königsstraße. Diese können wir also noch benutzen, wenn wir mit unserem klingelnden Schlitten - ein Schellengeläut am Sielenzeug oder zwei Glocken rechts und links am Brustblatt und eine vorne an der Deichsel - der Ausspannung zustreben. Diese waren in der Hauptstadt einer großen landwirtschaftlichen Provinz nichts Seltenes. Auch im mechanisierten Zeitalter war das Pferdefuhrwerk nie ganz ausgestorben und gehörte so zum Königsberger Straßenbild.

 

Ganz besonders war dies an Tagen der Fall, an denen die großen Auktionen von der Herdbuchgesellschaft, des Stutbuchs, der Edelschwein- und Schafzüchtervereinigung stattfanden. Früher in der Auktionshalle am Schlachthof, später nach Quednau heraus am Ende der Cranzer Allee. „Kleinste" und „größte" Züchter mit ihren Angehörigen wimmelten in der Stadt herum, und in keinem der bekannten Lokale - Blutgericht, Steffens und Wolter, Königshalle oder Parkhotel war ein Platz frei. Wer hat nicht noch in der Restauration unterhalb der Auktionshalle Würstchen oder Schweinebauch gegessen, und wer kennt nicht noch die Witze des alten Auktionators Oskar Meitzen, die er überall einflocht, wenn er die „Personalien" der Zuchttiere ausrief!? Dazwischen wärmte man sich in den Ställen, die unwahrscheinlich Schönes und vollkommenes Vieh beherbergten. Wie viel Hoffnung auf guten Verkauf, als Krone mühseliger langer Züchterarbeit, enthielten sie an solchen Tagen!

 

Eisig fegt der immerwährende Wind um die Straßenecken, mit dicken, weißen Mützen stehen die Bäume in den Maraunenhöfer Anlagen am Oberteich - auch der bronzene Reiter des Wrangelkürassierdenkmals hat eine auf. Wir stapfen zwischen den Schneewällen an den Straßenseiten den Rossgarten herunter, an unserem lieben alten Krankenhaus der Barmherzigkeit vorbei. Hier sind unzählige uns bekannte Kranke gesund geworden. Kinder geboren, und Verstorbene in ihren letzten Stunden von den treuen Diakonissen versorgt worden.

 

Wir biegen an der Stadthalle, wo wir viele Abende herrlicher Kunstgenüsse erlebten, in den schmalen Weg zur Schlossteichbrücke ein. Auf ihrem Geländer sitzen Reihen von Möwen mit zierlich wippenden Schwänzchen und blanken klugen Äuglein, laut nach der gewohnten Fütterung schreiend. Aber siehe da, die Brücke brauchen wir heute nicht! Die kleine Rasenböschung herunter haben findige Königsberger quer über das dicke Eis des Schlossteichs und seine dichte Schneedecke einen Pfad bis zum anderen Ufer festgetreten, worauf sich nun eine bunte Menschenschlange entlang wälzt. „So recht eigentlich" ist das ja verboten - wozu gibt es die stabile Holzbrücke? Aber man ist „ebend" eilig!

 

Nun gibt es an den großen weißen Rasenflächen des Paradeplatzes, an der Universität vorbei, ein Stück Junkerstraße, den Schlossberg hinunter, der immer matschig ist vom Sand, und Viehsalzstreuen und halbaufgetautem Schnee, in die Vorstädtische Langgasse …

 

Da blicken ernst und würdevoll die alten Speicher mit ihren klassisch reinen Linien und kunstvollem Fachwerk herab auf den Pregel, der nun seine gelblichgrauen Eisschollen dem Haff zuwälzt. Ein paar eingefrorene Dampfer und Kähne liegen am Quai - und wieder Möwen über Möwen - mitten im tosenden Verkehr der Pregelbrücken und über der gurgelnden Strömung inmitten der Fahrrinne.

 

Unsere Behörden und Läden, die Getreidekommissionäre, Vieverwertungs - Genossenschaft und An- und Verkaufsgenossenschaft haben wir aufgesucht. Wie gut und schnell erledigt sich alles Geschäftliche bei jahrelangen menschlichem Vertrautsein!

 

Es ist Abend geworden - klarer dunkelblauer Sternenhimmel spannt sich über der rastlos arbeitenden Stadt - der Hauptstadt eines Landes, aus dem jährlich ungezählte Waggons mit Schlacht- und Zuchttieren, Kartoffeln und Brotgetreide ins Reich geschafft werden, zur Ernährung des Westens und seiner Industriebezirke.

 

Nun kehren wir heim zur Arbeit - jeder in sein eigenes, liebes, warmes Haus - und durch das Brausen des Sturmes, das Geklingel der Glöckchen und Knarren der Schlittenkufen tönt uns nach das Abendlied vom Königsberger Schlossturm: „Nun ruhen alle Wälder . . ."

 

 

Seite 8   Landsleute, bitte herhören!

Es ist uns unmöglich, jedem für die Weihnachts- und Neujahrsgrüße persönlich zu danken, und deshalb sei an dieser Stelle all den Freunden und Bekannten mit „Viel Glück im Neuen Jahr" unser Dank ausgesprochen.

 

Am 10. Februar 1952 können wir auf 4 Jahre Such- und Vermittlungsdienst zurückblicken. Wir möchten daher all den ungenannten Berichterstattern, die uns den Suchweg wiesen, auch im Namen der Suchenden herzlich danken. Wie oft hat uns gerade manch kleiner Hinweis zur Klärung des Suchfalles verholfen? Und doch sind noch so viele Fälle offen, wo kein richtiger Suchweg gefunden werden kann.

 

Im letzten Berichtsmonat gaben uns wertvolle Nachricht: Eisenbahnobersignalmeister a. D. Arthur Mirau, Frau Ilse Podlech, Frau Anna Heyke, geb. Braun, Frau Maria Packheiser, geb. Hodau, Frau Maria Reichert und Friedel Trute. Dem Arbeitskameraden Artur Baubkus in Duisburg besten Dank für die Hilfsbereitschaft am 20.12.1951 und für die Papierspende.

 

Besonderer Dank gebührt unserer Arbeitskameradin Anna Schiel (KWS), die sich des Suchfalles Gertrud Ramm angenommen hatte. Beweist uns nicht die Tatsache, dass sich fast jeder Fall klären lässt, wenn nur jeder ein wenig mithelfen würde. Diese Arbeit gilt ja für all diejenigen, die heute noch in der Ungewissheit über ihre vermissten Angehörigen leben. Wozu müssen wir immer wieder bitten: „Helft uns doch in der Suche", denn wie oft sind die Wege, die wir einschlagen, vergebens? Die Suchenden werden es Euch zu danken wissen.

 

Allen Arbeitskameradinnen und Arbeitskameraden zur Kenntnis, dass Fräulein Gertrud Ramm am 13. August 1951 im Ludwig-Hoffmann-Krankenhaus in Berlin verstorben ist. Weil sich niemand um die Kranke gekümmert hatte, wurde sie von der Stadt Berlin auf dem Gemeindefriedhof in Berlin-Buch beerdigt. Doch wer kannte Fräulein Gertrud Ramm nicht? Es ist daher notwendig, dass wir nach den Aufzeichnungen von Frl. Anna Schiel an dieser Stelle Bericht erstatten:

 

Fräulein Gertrud Ramm, am 13.10.1898 geboren, wohnte zuletzt Samitter Allee 66,I. 1919 trat sie als Stenotypistin zur Stadtverwaltung ein. Als Kind verlor sie bei einem Straßenbahnunglück beide Unterschenkel. Als stets hilfsbereiter Mensch, war sie bei allen Arbeitskameradinnen und Kameraden beliebt. Und doch sollte ihr letzter Lebensabschnitt nicht auf Rosen gebettet sein. Als sie den letzten Bergungszug von Königsberg nach Pillau bestieg, wurde sie In Metgethen gefangen genommen. Infolge der zwei Prothesen konnte sie die Gewaltmärsche um Königsberg nur bis Trausitten mitmachen. Viel Schlimmes hat sie durchmachen müssen, aber mit zäher Energie gelang es ihr, im Dezember 1945 nach Berlin heimlich zu entkommen. Dort landete sie mit eiternden Beinstümpfen, wozu sich noch eine Lungen-Tb. einstellte. Allgemein beliebt im Krankenhaus, hat sie, auf Knien humpelnd, noch manchen geholfen, immer auf passende Prothesen hoffend und, dass es ihr gelänge, in den Westen zu kommen. Still und bescheiden, wie sie gelebt, ist sie gestorben. Wir alle, die wer sie gut kannten, werden ihr Andenken in Ehren halten.

 

Wir suchen und wer zeigt uns den weiteren Suchweg:

Gebt die Ostpreußen-Warte Eurem nächsten Landsmann, damit auch er diese liest und beachtet.

Kutscher Gustav Stiemer, Fuhrgesellschaft. Der angegebene Suchweg hat sich als nicht richtig herausgestellt. In Dänemark handelt es sich um einen Hermann Stiemer, wir suchen aber Gustav St.

 

Angest. Gertrud Wenskat: Zuletzt Wi.-Amt. Suchrichtung nach Wehlau und Tapiau. Wer macht uns die weiteren Angaben?

 

Fritz Böhnke: Zuletzt Feuerschutzpolizei, Wohnung: Hansaring 43. Wer war 1945 mit B. beim Volkssturm zusammen?

 

Prokurist Bruno Wiemer: Stiftung f. gem. Wohnungsbau. Die Angelegenheit ist noch vollständig ungeklärt. Die Möglichkeit ist vorhanden, dass W. am 08.04.1945 im Bunker, Junkerstr. 8, war. Wer sah und sprach ihn?

 

Frau Christel Juergasch-Saul: In einem Falle wird die Genannte als 1947 aus Kbg. herausgekommen, im anderen 1943 in Straubingen geheiratet, gemeldet. Auch wird ihr Weg von Straubingen wieder nach Kbs.-Ponarth, bezeichnet. Wer kann nun den richtigen Suchweg weisen?

 

Kühlhausaufseher Julius Wisch: Wohnung Gartenstadt Schönfließ 31, Dienststelle Schlachthof. 1945 als Volkssturmmann gefangen genommen. Angeblich 1945 im Lager Pr.-Eylau verstorben und soll im Warschkeiter Wäldchen begraben sein. Wer kann dies den Angehörigen bestätigen.

 

Buchhalter Albert Lomke: Wohnung Gneisenaustr. 40. Bis zur Einberufung zur Wehrmacht (1940) Dauerangestellter bei der Stiftung für gem. Wohnungsbau.

 

Stenotypistin Ilse Voigt, Dienststelle Standesamt III. Lagerinsassen von Poderwitten und Lager bei Pillkallen: „Wer sah und sprach die Genannte, nebst ihrer Mutter, dort. Was geschah mit beiden Frauen? Lagerführerin Frau Grete Drewski, ist Ihnen nichts bekannt, wo die Genannten abblieben?

- Ebenso fragen wir die Vorsteherin der Schneiderstube: Frau Kläre Stegmann.

 

Betriebsing. Herbert Schneider: Dienststelle Maschinenamt, Wohnung Gustloffstr. 49, Febr. 1945 Volkssturm, Feldpost-Nr. 31 922, einer Art.Abtlg. unterstellt. Am 15.05.1945 als Gefangener in der Rothensteiner Kaserne. Von da ab fehlt jede Spur.

 

Fischer und Kleinbauer Michel Naujoks: Wohnung: Schäferei, Krs. Memel, Dezember 1944 Volkssturm, Feldpost Nr. 15 245 C; am 14.07.1946 Gefangenenlager Stablack. Auffällig ist, dass ein Teil Landsleute von da ab nicht auffindbar ist. Wer sah und sprach dort den Genannten?

 

St.-Insp. Hans Nowakowski: Wohnung: Schleiermacherstr. 30. Einsatz Flüchtlingstransporte von Ostpreußen nach dem Reich; letzte Nachricht März 1945 aus Kbg.

 

Sparkassenkassierer Erich Neumann: Wohnung Flottwellstr 17. Am 06.04.1945 in Kbg. verwundet. Im Lazarett Blindenanstalt, Luisenallee eingeliefert. Seitdem fehlt jede Spur. Einem anderen Bericht zufolge ist Neumann in Königsberg verstorben. Wer hilft den Angehörigen den Fall zu klären?

 

Lehrer Emil Weißenberg: Wohnung Hintertragheim 53/57.

 

Lehrer Bruno Singer: Wohnung: Münzstr. 20/23.

 

Angest. Paul Wiesenthal: Wohnung Haydnstr. 3. Bis 06.04.1945 auf der Dienststelle „Kriegsschäden", dann Volkssturm. Angeblich 1945 im Lager Georgenburg gesehen worden.

 

St.-Ob.-Insp. Emil Tiedtke: Tiedtke soll angeblich nach seiner Gefangennahme u. a. auch im Lager Eichenbruch gewesen sein. Krank ist er dann am 17.05.1945 mit noch mehreren Lagerinsassen abtransportiert worden  - Bartenstein oder Insterburg. Nach einem Bericht sind 90% davon verstorben. Die übrigen 10% müssten doch nun in Restdeutschland nunmehr wohnen. Einer wenigstens dürfte Tiedtke gekannt haben und müsste u. Er. nach berichten können. Vielleicht lassen sich dabei die Fälle: Amtmann Hermann Thiele; St.-Ob.-Insp. Wernien und St.-Ob.-Insp. Lukau klären? – Für jeden Fingerzeig wären wir dankbar.

 

Lehrer Dedat: Dienstverpflichtet 1945, Verwalter der Stadtkellerküche. Seit der Einnahme Kbg.'s fehlt jede Spur. Die Möglichkeit besteht, dass Dedat den Durchbruchskampf am Volksgarten mitgemacht hat. Nur wenige Kameraden kamen nach dem missglückten Durchbruch zurück. Wer sah oder sprach den Genannten: Der Fall müsste sich doch klären lassen, genauso wie bei Kamerad Füllbrügge.

 

Weiter suchen wir:

St.-B.-Insp. Erich Albien,

Insp.-Anwärter Sieg Ader

Frau Maria Arndt (Spark.),

Rudi Ankermann (zuletzt Ltn. Bei der Genesungskompanie Braunsberg),

Reg.-Oberbaurat Kurt Bieler und Frau Helene,

St.-O.-Insp. Wilhelm Barkhorn,

St.-O.-Insp. Werner Bartnick (Schauspielhaus).

St.-O.-Insp. Erich Becker, Erich Bartsch (Stiftung f. gem.Wohnungsbau),

St.-Sekr. Albert Benson,

Angest. Fritz Bartsch (Druckerei),

St.-Insp. Fritz Behrendt,

St.- Insp. Gustav Boß,

St-Sekr. Friedrich Borawski,

St-Insp. Kurtgerhard Bartschkies,

St.-lnsp. Kurt Bischoff,

Schlosser Alfred Behrend (KWS),

Büroangest. Naumann (Fuhrges.),

Straßenreiniger Herbert Bartsch,

Mag.-Rat Horst Böttcher,

Fürsorgerin Bleise, Elfriede Bubel,

die Betriebsmitglieder der städt. Hafengesellschaft: Bakowies, Bönig. Banuscha, Bock, Buckbesch, Bartch, Wilhelm Bartel (Gartenamt),

Walter Behr, (Plan- Amt)

Fürsorg, von Bruckhausen, Franz Brodde,

St.-Sekr. Gottfried v. Bouillon,

Angestellter der Firma Beton- u. Monierbau Edwin Borchert, Hermann u. Toni Buttgereit, (Kaplanstraße 23/24),

Angehörige des Stadtfotografen Arthur Borrmann (Stägemannstr. 36),

St.-Sekr. Hermann Bolsch,

Angestellter Karl Buttler,

Stadtrat Borowski (Fuhrgesellschaft)

Straßenbahnführer August Bartsch V (KWS),

St.-O.-Insp. Rudolf Dembowski,

Amtsgehilfe Max Delegrand,

Brückenwärter Kurt Döschmann,

St.-O.-Sekr. Dahmer,

St.-O.-Sekr. Heinrich Dehring, Dühring, (FeuerIöschpolizei),

Angest. Diek, Lothar v. Dzingel (Grdst Amt),

Angest. Dorloff, Domnick (Sparkasse),

Arbeiter Fritz Dalko

Heizer Hans Dreier,

St.-Insp. Dittloff,

St.-Insp. Eheling,

Spark.-Angestellte Eberle, Ewert (Hafen),

Rev. Gärtner Albert Ehlert,

St.-Insp. Otto Fligge,

Insp. Frank,

St.-Insp. Albrecht Franz,

Brückenwärter Willi Fohrt,

Dipl.Beamter Ewald Fischer,

Insp. der städt. Fuhrgesellschaft Frank,

Frau Fischer (Familienunterhalt),

St.-Sekr. Emil Fydrich,

St.-O.-Insp Benno Gramberg,

Angest. Karl Grajetzki,

St.-O.-Insp. Herhuber,

St -Insp Goldmann,

St.-Amtmann Paul Gerth,

St.-O.-Sekr. Waldemar Girrulat,

Angest. Peter Gerst (Wohlf.-A.),

Architekt Julius Gnaß,

Schmiedemeister Gutzeit (Bauhof),

Brückenwärter Karl Groß,

Hausmeister Grawlik,

Angest. Paul Grenz,

Spark.-Angest. Gramatzki,

Spark Angest. Helene Grunwald,

Dienstanfänger Grensch,

Frau Groß (Familienunterh.),

St.-O.-Sekr. Otto Gohlke,

Hilfsaufseher Wilhelm Gotthardt,

Herbergswart Alfred Grohnert,

Angest. Kurt Günther (KWS),


 

Spark.-Angest. Gronert,

St.-Insp. Heinz Gau,

Spark.-Angest Großmann,

St.-Insp. Albert Gasentzer.

Weitere Namen folgen im nächsten Blatt dieser Heimatzeitung.

 

 

Seite 9

Glocke aus Friedland in Göttingen  

Die evangelische Friedensgemeinde in Göttingen wird jetzt für ihre Kirche auf dem Hagenberg eine Glocke erhalten. Diese Glocke wurde im Jahre 1746 zu Königsberg/Pr. gegossen und läutete, bis sie zu der bekannten Glockensammelstelle nach Hamburg kam, vom Turm der evangelischen Kirche in Friedland im Kreise Bartenstein.

 

 

Seite 9   Pfarrer Teschner – Wernegitten, verstorben

Einen der treuesten Söhne seiner Heimat, den bislang letzten deutschen katholischen Geistlichen der Pfarrgemeinde Wernegitten, Pfarrer Viktor' Teschner, nahm der Herr über Leben und Tod am 12. Januar 1952 in Uckerath, Siegkreis, infolge tragischen Unfalls auf dem Gang zum Dienst seines Herrn zu sich in seine himmlische Heimat. Die im Herzen getragene stille Hoffnung, seine weltliche Heimat und sein geliebtes Dorfkirchlein in Wernegitten wiederzusehen, sollte sich nicht mehr erfüllen. Wir Heimatvertriebenen verlieren in dem Heimgegangenen einen Seelsorger und Freund von Format.

 

Geboren am 19. Juni 1877 in Liewenberg, Kreis Heilsberg, zum Priester geweiht am 24. Juni 1900 in Frauenburg, Kaplan in Zinten und Schlosspropst in Heilsberg, amtierte der Jubilarpriester von 1917 bis 1946 als Pfarrer der mehr als dreihundert Jahre alten deutschen katholischen Kirchengemeinde Wernegitten und nach seiner Ausweisung als Krankenhausseelsorger in Uckerath, Siegkreis, von 1948 bis 1952. Es war ihm noch vergönnt, im Sommer 1951 sein goldenes Priesterjubiläum zu begehen.

 

Als treuer Hirte und Vater seiner Gemeinde verblieb Pfarrer Teschner, als 1945 keine Möglichkeit mehr bestand, beim Feindeinbruch seine Gemeinde zu retten, bei seinen Pfarrkindern, denen er trotz des ihm selbst widerfahrenen Leids ein ungebrochener Tröster und Helfer blieb. Schmerzlich traf ihn nach Einebnung des Friedhofes Wernegitten im Jahre 1946 der brutale Ausweisungsbefehl zum Verlassen seiner Heimat.

 

Aber auch in seiner Wahlheimat Uckerath, wo er im Gertraudenhaus liebevolle Aufnahme gefunden hatte, lag ihm das Wohl seiner vertriebenen Mitbrüder und Schwestern sorglichst am Herzen, eine Fürsorge, die sich auf die Pfarrkinder der Gastgemeinde übertragen hat. Die große Beteiligung an seiner Beisetzung, sowohl aus Kreisen der Heimatvertriebenen wie auch der Pfarrgemeinde Uckerath, dem Kirchenchor und seiner geistlichen Mitbrüder am 17. Januar 1952 auf dem Bergfriedhof in Uckerath, spiegelt wohl am besten die Liebe und Achtung wieder, die der greise Jubilarpriester auch in der Fremde auf sich vereinigen konnte.

 

Prälat Pingel, früher Marienburg, hielt das Totenamt und der Diözesanseelsorger für die Heimatvertriebenen. Herr Golombek, würdigte in bewegten Worten Lebenslauf und Verdienste des Verstorbenen zugleich unter Ausdruck des Dankes an die Pfarrkinder in Uckerath, die sehr zahlreich erschienen waren. Pfarrgemeinde und Kirchenchor der Gemeinde Uckeroth mögen gewiss sein, dass wir Heimatvertriebene ihren so beredeten Ausdruck der Anteilnahme nicht vergessen werden.

 

Es ist nicht vermessen, an der Guft des Verewigten die Worte zu sprechen, die M. Claudius seinem Vater gewidmet hat:

„Friede sei an diesem Grabstein hier, sanfter Friede Gottes

Ach sie haben einen guten Mann begraben,

Doch uns - Heimatvertriebenen - war er mehr."

Requiescat in pace!

Arthur Thiel, Heilsberg-Neuhof, jetzt Bonn.

 

 

Seite 10  Suchdienst der Heimatortskartei für Ostpreußen

Wenn ihnen über den Verbleib der Gesuchten etwas bekannt ist, geben Sie, bitte, direkt Nachricht an die Heimatortskartei für Ostpreußen - (24b) Neumünster, Postfach 178.

Es werden gesucht:

1. Allenau, Kreis Hartenstein, Fritz Eisenblätter, geb. 20.06.1921, ges. von Auguste Eisenblätter

2. Althoff, Kreis Heilsberg, Maria Ehm, geb. Erdmann, geb. 05.11.1898, ges. von Valentin Ehm

3. Altkirch, Kreis Heilsberg,Auguste Kablowski, geb. 22.12.1888, ges. von August Kablowski

4. Altkirch, Kreis Heilsberg, Paul Kiewitt, geb. 09.09.1906, Schleifer, ges. von Martha Woywod

5. Altkirch, Kreis Heilsberg, Josef Lange, geb. 03.11.1883, Schlosser, ges. von Alfred Lange.

6. Altkirch, Kreis Heilsberg, Hedwig Rogall, geb. 1898, ges. von Franz Braun

7. Altkirch, Kreis Heilsberg, Maria-Helene Rüchwald, geb. Radtke, geb. 15.07.1904, ges. von Heinz Rüchwald

8. Altkirch, Kreis Heilsberg, Martha Urban, geb. Strehl, geb. 1906, ges. von Franz Braun

9. Altkirch, Kreis Heilsberg, Hedwig Welke, geb. 15.08.1925, Hausangestellte, ges. von Maria Kowalkowski

10. Angerburg, Kreis Heilsberg, Wilhelm Bühlert, geb. ?, ges. von v. Blacha

11. Ankendorf, Kreis Heilsberg, Georg Kuhnigk, geb. 25.03.1904, Bauer, ges. von Erna Kuhnigk

12. Ankendorf, Kreis Heilsberg, Johann Laws, geb. 23.05.1871, Landarbeiter, ges. von Elisabeth Gorgs

13. Gerdauen, Hedwig Schleußner, geb. ?, ges. von v. Blacha

14. Grieslinen, Kreis Allenstein, Eugen Szcepanski, geb. ?, ges. von v. Blacha,

15. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Josef Bandel, geb. 02.06.1932, ges. von Frieda Loleit

16. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Anna Bludau, geb. 04.08.1921, ges. von Anna Bludau

17. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Hedwig Bludau, geb. 26.02.1930, ges. von Anna Bludau

18. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Ida Bludau, geb. 18.04.1926, ges. von Anna Bludau

19. Gnttstadl, Kreis Heilsberg, Maria Bludau, geb. 28.10.1928, ges. von Anna Bludau

20. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bruno Kruppke, ges. 06.08.1887, ges. von Bernhard Kruppke

21. Guttstadt. Kreis Heilsberg, Bruno Kruppke, geb. ?, jetzt etwa 24, ges. von Bernhard Kruppke

22. Hernsdorf, Kreis Pr. Holland, Gustav Fester, geb. ?, ges. von v. Blacha

23. Heilsberg, Aloisius Block, geb. 27.06.1909, Schmied, ges. von Maria Schenk

24. Heilsberg, Wassergassc 4, Paula Donde, geb. Litz, geb. 1913, ges. von Karl Donde

25. Hellsberg, Roßgartenstraße 4, Ursula Gaede, geb. Schmidt, geb. 02.11.1921, Telefonistin, ges. von Anna Schmidt

26. Heilsberg, Säuglings-Heim, Ottilie Gerigk, geb. 25.03.1925, Säuglingshelferin, ges. von Margarete Barduhn

27. Hellsberg, Säuglings-Heim, Monika Gillmeister, geb. 05.05.1914, Krankenschwester, ges. von Mathilde Gromm

28. Heilsberg, Artilleriestraße 2, Ferdinand Grzecza,geb. 30.03.1918, Buchhalter, ges. von Hedwig Grzecza

29. Heilsberg, Ferd.-Schulz-Str. 32, Albert Hoppe, geb. 24.11.1893, Friseur, ges. von Anna Hoppe

30. Heilsberg, Burgstraße 8, Josef Hoppe, geb. 06.03.1919, ges. von Mathilde Klein

31. Heilsberg, Neustadtstraße 27, Hedwig Krieger,  geb. 27.11.1922, Arbeiterin, ges. von Marie Krieger

32. Heilsberg, Hindenburgstraße, Hugo Pehl, geb.03.12.1873, Landwirt, ges. von Paul Pehl

33. Heilsberg, Hindenburgstr. 19, Hertha Pehl, geb. 17.10.1885, ges. von Liesbeth Schwank

34. Heilsberg, Töpfergrund 9, Josef Penkert, geb. 10.02.1899, Zimmermann, ges. von Anna Penkert

35. Heilsberg, Anton-Peter-Str. 2, Werner Rueggemeier, geb. 05.03.1905, Amtsarzt, ges. von Friedel Rueggemeier

36. Heilsberg, Seilerstr. 1, Altersh. Marie Sommerfeld, geb. 10.05.1903, Hausgehilfin, ges. von Hedwig Eichhorn

37. Heilsberg, Baderstraße 9, Karl Schulz, geb. 12.07.1893, Glasermeister, ges. von Karl Schulz

38. Heilsberg, Baderstraße 9, Luzi Schulz, geb. Denkert, geb. 21.10.1903, ges. von Karl Schulz

39. Heilsberg, Eckertsberg 1, Maria-Barbara Schulz, geb. 25.05.1892, ges. von Gustav Schulz

40. Heilsberg, Scharnhorststraße 7, Adolf Spriewald, geb. 14.04.1897, Eisenbahner, ges. von Anna von Spriewald

41. Heilsberg, Hohentorstraße ? Bruno Wolf, geb.04.01.1885, Schuhmachermeister, ges. von Ida Gerigk

42. Heilsberg, Kirchentorstraße 12, Franz-Otto Werner, geb. 03.04.1877, Oberzugführer, ges. von Ursula Fröhle

43. Kerwienen, Kreis Heilsberg, Anna Kastull, geb. 06.03.1900, ges. von Berta Putzer

44. Kerwienen, Kreis Heilsberg, Josef Krüger, geb. 28.02.1888, ges. von Anna Krüger

45. Kiwitten, Kreis Heilsberg, Hugo Jäckel, geb. 02.09.1929, ges. von Adalbert Jäckel

46. Kleiditten, Kreis Heilsberg, Margarete Taube, geb. 08.09.1895, ges. von Ernst Taube

47. Klingerswalde, Kreis Heilsberg, Martha Wichmann, geb. 21.05.1930, ges. von Franz Wichmann

48. Königsberg, Helene Manthke, geb. 02.04.1896, ges. von Georg Hager

49. Memel, Bommels-Vitte 244, Heinrich Franz, geb. 28.10.1884, ges. von Emma Franz

50. Memel, Bommels-Vitte 244, Jenni Eichholz, geb. Franz, geb. ?, ges. von Emma Franz

 

 

Seite 10   Lehrer Otto Buttkereit (wahrsch. Buttgereit) gestorben

Am letzten Tage des vergangenen Jahwes starb infolge eines Schlaganfalls der aus dem Kreise Goldap in Ostpreußengebürtige Lehrer Otto Buttkereit (wahrsch. Buttgereit). Der Verstorbene ist dreißig Jahre lang Erzieher an der Zimmermannschule in Königsberg/Pr. gewesen und hatte sich durch seine dortige Tätigkeit bei Vorgesetzten, Kollegen und Schülern Anerkennung und Liebe erworben. Im Januar 1945, als die Russen den Ring um die Festung schlossen, konnte er noch rechtzeitig mit seiner Familie aus Königsberg fliehen. Er kam nach Dänemark und musste dort fast vier Jahre in einem Lager leben. Der über siebzigjährige Lehrer setzte sich hier für die Allgemeinheit ein und erteilte den Kindern der Schicksalsgenossen Unterricht. Später fand er in Reichenbach im Schwarzwald eine neue Bleibe und konnte dort am 10. Juli 1949 mit seiner Ehefrau Antonie, geb. Kühnast, das Fest der goldenen Hochzeit feiern. Seiner lauteren Art wegen erfreute er sich auch in der neuen Umgebung allgemein eines guten Ansehens, was bei den Reden an seinem Grabe, in denen sein Lebensweg und sein Lebenswerk gewürdigt.wurden, zum Ausdruck kam.

 

 

Seite 10   Aus der Heimat kamen...

Aus Ostpreußen trafen über Litauen in der Westzone im vergangenen Jahr folgende ostnreußische Landsleute ein:

 

Hans Warschun, geb. 29.10.1929 aus Schenkendorf.

 

Kreis Tilsit:

Hoffmann, Martha, geb. 29.07.1904  aus Angerapp;

Weiß, Manfred, geb. 21.09.1931, aus Pomauden;

Jungius, geb. Böttcher, Margarete, geb. 21.02.1910, aus Königsberg, Theaterplatz 40,

Siebert, geb. Reisewitz, Erna, 12.12.1921, aus Kraussen, Kreis Königsberg;

Siebert, Hannelore, geb. 01.11.1940 (Tochter von Erna Siebert):

Albat, August, geb. 18.09.1874, Podszohnen, Kreis Stallupönen;

Breiden, geb. Bukowski, Herta, geb. 08.08.1921, aus Königsberg, Robert-Koch-Str. 8;

Niesner, geb Wiechmann, Johanna, geb. 26.10.1898. aus Königsberg, Vorder Roßgarten 1 - 2; Quednau, geb. Still, Margarete, geb. 25.07.1906, aus Königsberg, Roßgarten:

Graf, Max, geb. 15.02.1890, aus Königsberg, Kohlhofstraße 1049;

Sommer, Otto, geb. 28.12.1910, aus Königsberg;

Domnick, geb. Umard. Erna, geb. 14.07.1911, aus Königsberg, Hermann-Göring-Straße 61; Domnick, Hans-Georg, geb. 29.03.1936 (Sohn von Domnick. Erna):

Domnick, Helmut, geb. 03.11.1949 (Sohn von Domnik. Erna);

Nothdurft, Eberhard, geb. 15.05.1920, aus Allenstein, Treudankstraße 22;

Holzlöhner. geb. Warstatt, Margarete, geb. 04.10.1919, aus Königsberg, Kaplanstraße 19; Holzlöhner, Klaus, geb. 07.05.1940,

Holzlöhner, Erich, geb. 24.01.1942,

Holzlöhner, Monika, geb. 06.02.1951 (Kinder von Holzlöhner, Margarete):

Gaetsch, Ursula, geb. 27.10 1928, aus Königsberg  Ponarth, Kiefernweg 4;

Schmidtke, geb. Sand, Lina, geb. 01.06.1900, aus Allenau, Kreis Bartenstein:

Rumpe, Gerd, geb. 19.01.1930, aus Königsberg, Sackheim 33a;

Walter, geb. Lange. Gertrud, geb. 06.08. 1911, aus Königsberg-Ponarth, Waldplanstraße 20:

Müller, Gerhard, geb. 05.09.1932. aus Königsberg, Unterhaberberg 57;

Hirsch, Gertrud, geb. 28.06.1931, aus Königsberg, Gebauerstraße 21b;

Böhm, geb. Leimann, Hertha, geb. 23.03.1897. aus Königsberg, Altengarten 59a;

Pudlich, geb. Neumann, Gertrud. Geb. 25.04.1892, aus Schirrau, Kreis Wehlau;

Falk, Günther, geb. 03.11.1933, aus Groß-Lindenau. Königsberg, Krs.:

Wendeborn, Annemarie, geb. 23.02.1925, aus Königsberg, Hansaring 55;

Hermann, geb. Weiß, Marie, geb 05.12.1897, Tapiau, Kreis Wehlau, Friedländer Weg 15;

Klein, Eva, geb. 25.06.1927, Warengen, Samland;

Block. Walter,  geb. 17.04.1921. aus Königsberg, An der alten Bastion 5;

Rehse, Erich, geb. 20.08.1911, aus Königsberg, Hermann-Göring-Straße 55;

Lesch, Maria, geb. 27.05.1923, aus Caspershöfen, Samland;

Richter, geb. Schaefer, Herta, geb. 23.05.1911, aus Königsberg-Ponarth, Jägerstraße 18;

Richter Ingrid, geb. 17.01.1935;

Richter, Karin, geb. 23.05.1935 (Kinder von  Richter, Hertha;

Böhlke, geb. Böse. Frieda, geb. 13.02.1915, aus Königsberg, Rotensteinerstraße 38;

Böhlke, Reinhard, geb. 28.09.1935 (Sohn von Böhlke, Frieda);

Dannowski, geb. Müller, Maria, geb. 18.10.1900, aus Königsberg, Thomasstraße 1a;

Dannowski, Helga, geb. 31.03.1936 (Tochter von Dannowski, Maria);

Weißheim, Wily, geb. 29.01.1919, Heiligenbeil, Hindenburgstraße 9;

Weißheim, geb. Bollin, Juliane, geb. 16.12.1921 (Ehefrau von Weißheim, Willy);

Weißheim, Ingrid, geb. 05.01.1945 (Tochter von Weißheim, Wily);

Tiedtke, Hugo, geb. 28.05.1911, aus Königsberg-Ballieth;

Tiedtke, geb. Lange, Erna,geb. 22.01.1920 (Ehefrau von Tiedtke, Hugo. Das Ehepaar Tiedtke kam aus Frankreich);

Krüger Otto, geb. 28.12.1922, aus Königsberg, Schieferdeckerstraße 27;

Krüger, geb. Leonitsch, Maria, geb. 04.04.1922 (Ehefrau von Krüger Otto)

Klein, Horst, geb. 07.06.1949

Klein, Eugen, geb. 07.06.1949 (Söhne von Krüger, Otto. Die Familie kam aus Jugoslawien);

Weiß, geb. Bargholt, Anna, geb. 22.11.1904, aus Kosnehmen, Samland),

Scheiko, Gustav, geb. 04.02.1922, aus Offenau, Kreis Johannisburg;

Scheiko, geb. Ledicz, Rosa, geb. 08.08.1923 (Ehefrau von Scheiko kam aus Jugoslawien);

Nehmert, Elfriede, geb. 20.09.1920, aus Medenau, Samland;

Nehmert, Rosemarie, geb. 03.01.1949,

Nehmert, Peter, geb. 28.01.1950,

Nehmert, Helmut, geb. 05.07.1951 (Kinder von Nehmert, Elfriede)

 

 

 

Seite 10   Ein nachahmenswertes Beispiel

600 Opferbüchsen wurden auf Anregung des Pfarrers von Waldshut in katholische Familien seiner Gemeinde gebracht. Sie sollten alle Familienmitglieder und die Freunde der Familie mahnen, an die Not der Flüchtlinge zu denken und so oft wie möglich einen „Bauzehnten" zu spenden. An jedem Herz-Jesu-Freitag holten Caritashelfer die geopferte Summe ab. In Jahresfrist erbrachten die

Opferbüchsen den Betrag von 30 000,-- DM. Bisher konnten sechs Familien mit 30 Personen eine eigene Wohnung beziehen.

 

 

Seite 10   Wir gratulieren

Am 01.01 1952 beging Frau Käthe Francke, geb. Kaltenthaler, (16) Groß-Gerau bei Darmstadt, Rathenaustraße 49, Heimatvertriebene aus Gumbinnen (Ostpreußen), im Kreise ihrer Kinder Franz, Lina und Anni, ihren 75. Geburtstag.

 

 

Seite 10   Suchanzeigen

Otto Bossy, geb. 04.04.1896, in Goyen, Krs. Goldap, Stabsfeldw. im Landesschützenregiment Tilsit. -  Ida Fischer, geb. Bossy, geb. 04.07.1894 in Goyen, Krs. Goldap. Gesucht von Emil Bossy, Sagehorn über Bremen, Sagehorn 13.

 

Wo befindet sich die Wach- und Schließgesellschaft Königsberg Pr. und Heeresstandortsteile Rastenburg-Carlshof/Ostpr.? Anschrift in Rentensache gesucht. Joh. Bogumil, Offenburg/Bd., Straßburger Straße 21.

 

Kurt Bogumil, geb. 03.07.1927 in Rastenburg/Ostpr. Letzte Anschr. 1. Fl.-Ausb.-Batl. mot. 31, Heiligenbeil/Ostpr. und Albert Sieg, geb. 16.06.1891. Letzte Anschrift Wilhelmshorst, Krs. Neustettin, gesucht von Hedwig Bogumil geb. Sieg, Offenburg/Baden, Straßburger Straße 21 (früher Rastenburg/ Ostpr., Hochmeisterweg 16).

 

Helene Sommer, Generalswitwe, geb. 03.03.1864, wohnh. Königsberg/ Pr., Haarbrückerstraße 9, gesucht von Erika Barkowski, Marne/Holstein, Bäckerstraße 9.

 

Achtung, Sensburger! Wer weiß etwas über den Verbleib unserer Schwester Gertrud Gerlach, Lehrerswitwe, geb. 25.04.1894, wohnh. Sensburg/Ostpr., Ostkolonie, Wiesenweg 2? Sie war in Sensburg beim Russeneinfall. Nachr. erb. an Frau Erna Rogasch, Broistedt 44 bei Braunschweig.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal von Polizei-Meister Ernst Pielenz, geb. 21.09.1892, wohnh. Elbing/Westpr., Hochmeisterstraße 7. Nachr. erb. an Frau Erna Rogasch, Broistedt 44 bei Braunschweig.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meiner Schwester Lydia Wagemann, Kbg., Sackheimer Kirchenstraße 2. Für Hinweise wäre dankbar Inge Liontek. 17b Schiltach (Schwarzwald.

 

Gesucht werden Arbeitgeber und Angestellten aller größeren Königsberger Konditoreien zwecks Arbeitsbescheinigung für d. Oberkellner Benno Gerlach von Frau Gerlach. 20 Klein-Schneen Nr. 7, bei Göttgn., fr. Kbg., Hagenstr. 75.

 

Gesucht wird Fleischermeister Paul Keber aus Schirwindt/Ostpr., Krs. Schloßberg, von seinem ehem. Erstgesellen Reinhard Schulz, fr. Amalienhof. Krs. Ebenrode (Stallupönen), jetzt Banteln. Lichtenhagen 24, Krs. Alfeld/Leine.

 

Gesucht werden: Notgemeinschaft Königsberg/Pr., Charlottenstraße 16, Familien Tiedemann, Hochfeld, Jünichen. - Baronin Emmy von Stetten, geb. Brode, letzte Wohnung Berlin-Grunewald, war Sängerin, hatte 2 Töchter. - Mechanikermeister Frank, Königsberg/Pr., Steindamm 17 oder 21. - Frau Lisa Eydt geb. Rudeck und Tochter Irmgard, Insterburg, Luisenstraße. - Frau Dr. med. Else Kunze, Ärztin in Insterburg ab 1925. - Frau Alice Ehlert (Mann war Postinspektor) und Tochter Tamara, wohnten vor der Flucht in Kbg., Preylerweg 2 (gemeinsame Flucht auf Dampfer Nordland). - Frl. Charlotte Duncker, Angest. bei der Kreissparkasse Samland, Zweigstelle Kbg., Steindamm 19, zuletzt Lager Grove (Dänemark). Nachricht erb. an Frieda Krause, 14 Simmersfeld/Württbg., Hauptstraße 73.

 

Gesucht wird Lisbeth Lehmann, geb. 28.01.1928, zuletzt bei der Wehrmacht in Elbing tätig gewesen, von ihren Eltern Johann und Auguste Lehmann, fr. Großmausdorf, Kr. Marienburg/Westpr. Jetzt 19 Burgstall 46 über Tangermünde, Sachs-Anh.

 

Die Schneiderin Frl. Herta Isekeit aus Kbg., Friedmannstraße 20, wurde im Juni 1947 von der GPU abgeholt und kam ins Gerichtsgefängnis. Wer war mit ihr zusammen? - Wer kennt den Aufenthaltsort von Fam. Aloys Lukowski aus der Cranzer Allee? Nachr. erbeten an Frau Charlotte Half geb. Leschowski, Berlin W 30, Motzstraße 70.

 

Wer kann Nachricht geben über Gefr. Bruno Gerigk, geb. 02.02.1923 in Mehlsack/Ostpr., Inf., vermisst seit dem 03.09.1943, Feldp.-Nr. unbekannt, und Oberschütze Alfred Gerigk, geb. 07.12.1925 in Mehlsack/ Ostpr., Feldp.-Nr. 19 313 E. Nachr. erb. an Andreas Gerigk (fr. Mehlsack, Kr. Braunsberg/Ostpr., Stadtrandsiedlung 5), Jetzt 20 Hänigsen über Lehrte, Dorfstraße 9.

 

Gerullis, Hildegard, aus Mehlaucken (Liebenfelde), Krs. Labiau, geb. 23.03.1921. in Kolleschen, wurde mit ihrem Vater am 22.01.1945 von den Russen nach Lager Schloßberg gebracht. Ende Mai 1945 ist sie aus dem Lager fortgekommen. Wer weiß etwas über ihren Verbleib? Nachr. erbittet Auguste Gerullis, Hösseringen 21. Krs. Uelzen/Hannover.

 

Wer war mit meinem Bruder Horst Quednau, geb.01.06.1927, zusammen? Er wurde am 18.01.1945 in Königsberg-Ponarth zur schweren Artillerie einberufen. Nachr. erb. Frau Elfriede Geruschke, 20 Ahrbergen 59 über Sarstedt. Kreis Hildesheim.

 

Gerullis, Kurt, geb. 06.09.1923, in Bochum, Tischler, Heimatanschr. Mehlaucken (Liebenfelde), Kr. Labiua. Letzte Nachr. vom 22.03.1946 aus Moskau, Postschließfach 361/1. Wer war später mit ihm in den Lagern 7361, 7362 oder 7108 zusammen und kann über ihn Auskunft geben? Nachr. erb. Auguste Gerullis, 20a Hösseringen 21, Kreis Uelzen/Hannover.

 

Gesucht wird Frau Hedwig Hofer, geb. Damaschun, aus Königsberg/Pr., Bachstr. 20, mit Kindern Peter (Jürgen), Karin, Jörn und Sybille-Gabriele. Sie wurde Herbst 1944 ins Glatzer Bergland evakuiert. Nachr. erb. an Frau v. Seile, Göttingen, Weender Landstraße 75.

 

Wer weiß etwas über das Schicksal der Familie Josef Lange, Königsberg, Unterhaberberg 8c? Wer ist evtl. mit Kind Edith Lange zurückgekehrt? Wer sah Kind Edith Lange im Waisenhaus Kbg./Pr. Nachr. erb. an Herta Bartel, Bad Pyrmont, Humboldtstraße 14.

 

Russlandheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über Soldat Paul Kokoski, geb. 17.12.1925 in Wittigshöfen, Krs. Goldap. Letzte Feldp.-Nr. 17 158 (Mittelabschnitt). 1944 in russ. Gefangenschaft gekommen. Nachr. erbeten an Frau Emilie Kokoski, 20a Celle. Neue Straße 14.

 

Achtung, Tilsiter! Wer weiß, wo sich Hans Kloweit, geb. 12.09.1922, aus Tilsit. Dirsehauer Weg 17. befindet? Nachr. erb. an Irmgard Zimmer, 20 Edemissen 55, Kreis Peine, fr. Uszlöknen, Krs. Heydekrug/Ostpr.

 

Wer kann Auskunft geben über Stellmachermeister Fritz Jekutsch, der mit vielen anderen im Januar 1945 von den Russen aus Karthaus bei Danzig abtransportiert wurde. Nachr. erb. an Frau Jekutsch. 21 Münster/W., Horstmarer Landweg 433, fr. Heiligenbeil/Ostpr.

 

Czollmann, Ernst, geb. 16.09.1921 in Heinrichsdorf, zuletzt wohnhaft Santoppen, Krs. Rössel. Letzte Nachr. Nov. 1944 aus dem Raum von Kroatien. Feldp.-Nr. 59 686 A - Fam. Bernhard Bär und Frau Rosa Bär, geb. Neumann aus Bergental, Kr. Rössel. Letzte Nachr. Juli 1945. Nachricht erb. an Josef Czollmann, 22 Dortmund-Oespel, Borussiastraße 12.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal der angeblich verschollenen Fischspezialhändler Fritz Andrees vom Roßgarten und Ernst Mulack von der Ecke Kaiserstraße, sowie über den jetzigen Aufenthalt im Bundesgebiet von Dr. med. Paul Preuß vom Steindamm (Preußenbad). Nachr. erb. Eugen Kühlewindt, 13a Ansbach/Mfr.

 

Ferdinand Rosenkranz, geb. 04.06.1874, und seine Ehefrau Rosine Rosenkranz, geb. 24.01.1875, wohnhaft gew. Königsberg/Pr., Altroßg. Predigerstraße 38, dort August 1944 ausgebombt. Ferdinand R. war bei der Fa. Bremer u. Heuchler tätig, zul. Muna (Luftw.) in Schugsten. Er wurde März 1945 auf der Flucht in Neukuhren gesehen. Frau R. wohnte zul. Kbg., Thomasstraße 1, wurde Februar 1945 noch gesehen. Nachr. erb. Wilh. Reimann, 20a Peine, Gerhardstraße 24.

 

Wieberneit, Willi, geb. 03.12.1906, wohnh. gew. Königsberg, Herm.- Göring-Straße 79 I. War bei der Wehrkreisverwaltung I (Heeresstandortverwaltung Königsberg) beschäftigt. Wer kennt seine Feldpost-Nr. und war mit ihm bei einer Panzereinheit, die im Dez. 1944 im Raum Rumänien-Ungarn stand? Nachr. erb. Wilhelm Reimann, 20a Peine, Gerhardstr. 24.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib meines Bruders Zieglermeister Franz Borchert und seiner Frau aus Arnsberg bei Kreuzburg. Nachr. erbeten an Carl Borchert, Stuttgart - Untertürckheim, im Wetzstein 1.

 

Gesucht werden Willi Baginski, geb. 29.04.1922 in Gumbinnen, Uffz., letzte Feldpost-Nr 06 027 c, letzte Nachricht vom Juni 1944 aus Rußland, und Bruno Baginski, geb. 15.05.1923 in Gumbinnen, letzte Nachr. 1948 aus russ. Gefangenschaft. Nachr. erb an Frau Berta Baginski, 20 Celle! Im Werder 16. G. 3.

 

Gesucht werden Ernst Rittweger, Offizier, Kbg., Ernst-Wiechert-Str - Arthur Doehring, Regierungsbausekretär. Kbg. - Max Erzmoneit, Schullehrer. Kbg.-Hufen - M. Adomeit, Sportredakteur, Kbg., Hartungsche Zeitung. - Berta Muntau, Kbg., Haushälterin in Maraunenhof. - Margarete Kohn, Kbg.. Magistratssekretärin. Nachricht erb. an Dr. Werner Knapke, Helsingfors-Esbo, Finnland (früh Königsberg-Maraunenhof).

 

Heimkehrer! Ist jemand mit Willy-Hans Noske aus Königsberg/Pr. in der Gefangenschaft in Rußland zusammengekommen? Nachricht erb. an seine Mutter Frau Martha Noske, Winterthur/Schwz., Bruhlbergstraße 55   

 

Arnold Newiger, t. Reichsbahn-Obersekretär, geb. am 12.05.1885, wohnhaft in Königsberg (Pr.), Alter Garten 63, wird gesucht. Letztmalig am 06.04.1945 durch Bekannte gesehen und gesprochen. Wer weiß etwas über seinen Verbleib? Nachricht erb. Georg Newiger, 16 Frankfurt (Main), Süd, Heimatring 33

 

Frl. Sophie Schlenther, geb. 12.04. 1864 in Ostpr., ist am 24.02.1945 in Ostseebad Neuwasser, Kr. Rügenwalde, mit mehreren alten Frauen - wahrscheinlich in einem Heim - zusammen gewesen. Wohin ist ein geschlossener Transport von alten Frauen gekommen? Wer war damals mit der Gesuchten zusammen, wer weiß ob und wo sie noch lebt oder ob und wo sie gestorben und begraben ist. Nachr. erb. an Meta Münster, Göttingen, Breymannstraße 12.

 

Manfred Werner Rau, geb. 25.02.1926. O. B. bei Panzer-Aufkl.-Ers.Abt., Kriegsschule Bromberg. Am 15.01. von da zum Einsatz gek. zwischen Hohensalza und Bromberg. Seitdem fehlt jede Spur. Heimatanschr. Rastenburn, Ostpr., Pieperweg 5. Nachr. erb. Frau Ida Rau, Geesthacht/Elbe, Kr. Lauenburg, Dünebergstraße 4.

 

Es werden gesucht aus Marienfelde, Kr. Osterode, Ostpr., folgende Personen: Amtsvorsteher Wilhelm Koschmieder, Pastor Muscheites, Oberlehrer Albert Chimantschek, Hofbesitzer Gustav Eichler, Hofbesitzer Emil Gajewsky, Gustav, Paul und Berta Lux in dringender Angelegenheit von Leonarde Moses geb. Jankowski, Ovelgönne, Lg. II, Bar 3 Kr. Celle.

 

In einer Familenangelegenheit werden folgende Verwandte von Frau Sanitätsrat Hedwig Kern geb. Haußmann, fr. Kbg., Schützenstraße 31, gesucht: 1. Erich Reck, fr. Kbg., nähere Anschrift unbekannt, war einige Jahre vor der Flucht auf dem Wohlfahrtsamt Kbg. tätig, zuletzt Heeresdienst; 2. Hermann Haußmann mit Tochter Gretel, fr. Breslau. Anschrift und Beruf unbekannt. Wer kann ferner Auskunft geben üb. das Schicks, der Bewohner des Olga Friedemann-Hauses, Kbg.-Maraunenhof Aschmannallee 46/48 sowie der früheren Insassen des Albrechtstiftes Königsberg/Pr. Lawsker-Allee 1a sowie der letzten Leiterin des Hauses. Frau Matthee, zuletzt auf einem Gut b. Neidenburg wohnhaft? Nachr. erb an Frau Mar. Gemmel, Frankfurt a M Cronstettenstraße 57.

 

Suche meinen Mann, Kaufmann Walter Krummdeutsch, Königsberg, Domstraße 15 – 16, Privatwohnung, Kastanienallee 17. War Anfang Mai 1945 im Gefang.-Lager Carmitten, Samland, Ostpreußen. Nachr. Erb. an Frau A. Krummdeutsch (20a) Hermannsburg, Kreis Celle, Lutterweg 5

 

Oberlok.-Führer Brey, aus Königsberg/Pr., Jägerstraße, wird ges. von Lokführer Paul Born, 20b Holtensen über Göttingen, (früher: Memel).

 

 

Seite 10   Auskunft und Mitteilungen

Das Divisionsarchiv der ehem. 291. Inf.-Div. (Elchkopf) bittet alle Kameraden sowie Angehörigen von vermissten und gefallenen Kameraden um ihre Anschriften an Edmund Burtscheidt, Kiel-Gaarden, Augustenstr. 21 b. Jordan.  

 

Wer kennt die Anschrift von Herrn Gehlhaar, fr. Konditoreibesitzer in der Junkerstr., Königsberg. Mitteilung erb. an Frau Frieda Pfaff, Celle, Mauerstr. 52 II. (Fr. Kbg., Kreuzburger Str. 30).

 

Welcher Beamte, der in der Zeit von 1927 bis 1945 beim Versorgungsamt in Königsberg im Dienst war, ist so freundlich und gibt mir seine Anschrift zwecks einer Rückfrage bekannt? Gertrud Scheuermann, Oberstwwe., fr. Kbg., Lawsker Allee 20, jetzt Oppenau, Schwarzwald/Baden, Vincentlushaus.

 

Wo befinden sich im Bundesgebiet Dienststellen, die im Besitz der alten Angestellten- und Invalidenkarten (Ostpreußen) sind! Wer besitzt Muster für Kurenwimpel oder kann genaue Angaben über Maße und Farbenanordnungen machen? Mitteilung erbeten an Alfred Krüger (16) Köppern/Taunus, Hauptstr. 10.

 

Welche ostpreußischen Dienststellen haben ihre Unterlagen aus Ostpreußen gerettet und welcher Landsmann hat diese Unterlagen in Verwaltung? von welcher Dienststelle können sich Landsleute, denen jede Unterlagen und Bescheinigungen über gezahlte Beiträge zur Invaliden-, Altersversicherung u. -Versorgung fehlen, Bestätigungen beschaffen und Auskunft erhalten?

Wer kennt die Anschrift der Bank Stadtschaft Königsberg und kann mitteilen, ob diese Bank Unterlagen von Hypotheken gerettet hat? Nachr. erb. an die Schriftleitung der Ostpreußischen-Warte, Göttingen, Postfach 522

 

 

Seite 11   Familienanzeigen

Am Silvestertag 1951 entschlief plötzlich und unerwartet infolge eines Schlaganfalls im 78. Lebensjahr mein lieber Mann, unser guter Vater und Großvater, der Lehrer i. R. aus Königsberg-Metgethen Otto Buttgereit.  Im Sommer 1951 kam die Gewissheit, dass sein Schwiegersohn, Stadtoberinspektor in Königsberg/Pr., Hellmut Zilian, Hauptmann u. Batl.-Kommandeur durch Volltreffer in den Gefechtsstand bei Bartenstein in Ostpr. am 3. Februar 1945 gefallen ist. In stiller Trauer: Frau Antonie Buttgereit geb. Kühnast. Frau Else Zilian geb. Buttgereit. Siegfried Zilian. Schulhaus Reichenbach bei Lahr in Baden

 

Nach 51-jähriger glücklicher Ehe entschlief heute mein herzlieber Lebenskamerad, unser herzensguter Vater, Schwieger- und Großvater Oberingenieur i. R. Harry Lenz aus Lyck (Ostpr.), Yorckstr. 12, im 80. Lebensjahr. In tiefer Trauer:Lucie Lenz, geb. Schmidt. Werner Lenz u. Frau Friede. Magda Lenz. Christa und Jutta. Berlin-Friedenau, Wilhelmshöher Straße 16, den 15. November 1951.

 

Am 14. Januar jährte sich zum sechsten Male der Tag, an dem mein lieber Mann Bruno Fischer nach seiner Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft in einem Lager verstorben ist. In stillen Gedenken Frieda Fischer, geb. Haffke. Königsberg (Pr.), Unterhaberberg 8 d, jetzt Goslar (Harz), Grauhöfer Straße 8a.

 

Hierdurch gebe ich meinen Verwandten und Bekannten die Nachricht, dass mein unvergesslicher, guter Mann, mein einziger lieber Bruder, unser guter Schwager und Onkel, der ehem. Feldwebel Hermann Riemke, Autofuhrhalter in Königsberg (Pr.), Teilnehmer beider Weltkriege, in einem russischen Kriegsgefangenen-Lazarett am 20.07.1946 infolge Dysenterie im 50. Lebensjahr gestorben ist. Im Namen aller Angehörigen, Grete Riemke, geb. Lewin, Solingen-Ohligs, Badstr. 35, Januar 1952.

 

Am 11. Dezember 1951 nahm Gott, der Herr, unsern lieben Vater, Schwiegervater, Schwager und Onkel, den Postinspektor i. R. Franz Heinrich, Inhaber des päpstlichen Ordens „Pro ecclesia et Pontifice" im Alter von 88 Jahren zu sich. Er starb, ergeben in Gottes hl. Willen, versehen mit den Gnadenmitteln unserer hlg. Kirche. Er ruht nun fern seiner Heimatpfarrei St. Josephi, Allenstein, deren Kirchenvorstand er mehr als 20 Jahre angehörte. Um ein stilles Gebet für den lieben Entschlafenen bitten, Hedwig Heinrich. Ernst Heinrich, Lehrer, und Frau Klara geb. Jakubassa (21a) Lembeck-Wessendorf 18, Bezirk Münster (Westf.) fr. Allenstein, Zimmerstraße 16

 

Unerwartet verschied infolge Herzschlags unser lieber Vater, Großvater und Schwiegervater Max Harder, Kaufmann, am 21. Dezember 1951. In tiefer Trauer: Walerade Gottschalk, geb. Harder. Inatraute Harder, Hamburg. Toni Gottschalk und Kinder. Hersbruck, 22. Dezember 1951, Braugasse 1

 

Heute Abend entschlief sanft meine liebe Frau und Lebensgefährtin in Glück und Not, unsere unvergessliche, treusorgende Mutter, Großmutter und Schwiegermutter Frida Starfinger geb. Kuck, im Alter von 61 Jahren. In stiller Trauer: Dr. med. Karl Starfinger, früher Nordenburg (Ostpr.). Dr. med. Günther Starfinger. Ilse Kramer geb. Starfinger. Hannelore Starfinger. Gerd Kramer. Marga Starfinger geb. Tischler. Werner Kramer und Charlotte Kuck, als Schwester. Polle (Oberweser) den 27. Dezember 1951. Die Beerdigung hat am Sonntag, dem 30. Dezember 1951, 15 Uhr, vom Trauerhause aus, stattgefunden.

 

 

Seite 11   Suchanzeigen

Helmut, Otto und Frieda Sieg aus Strauchhütte, Kr. Danziger Höhe werden gesucht von Herbert Ackermann, Harste 31 üb. Nörten-Hardenberg.

 

Bruno Scharfenort aus Königsberg, Besitzer d. Reformwäscherei Rippenstraße, wohnhaft Luisenallee 94; 1945 noch in Königsberg gewesen, und sein Schwiegervater Emil Kepke, Kbg., Baczkostr. 3, ges von Fritz Pöpping, Landshut-Bayern, Innere Münchner Str. 21.

 

Haugwitz, Gerhard, geb. 25.10.1914, bis zuletzt Reg.-Insp. in Königsberg/Pr., vielleicht Volkssturm. Wer weiß etwas von ihm? Nachr. erb. Heinz Haugwitz (17b) Hinterzarten/Schwarzwald, Freiburger Straße 255.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Mann Ernst Hinz aus Karlshof, Kr. Fischhausen/Ostpr., geb. 29.05.1901. Letzte Nachricht 01.04.1945 aus Königsberg, Oberhaberberg 52. War Fernsprecher bei der Festungsartillerie in Königsberg. Seitdem fehlt jede Spur. Nachr. erb. an Frau Marta Hinz, Lüthorst über Kreiensen.

 

Rudolf Bartoleit und Johanna Bartoleit aus Tellitzkehmen, Kr. Gumbinnen, gingen im Frühjahr 1945 auf die Flucht zum Sohn Fritz Bartoleit nach Landsberg a. d. Warte, woselbst der Sohn am Krankenhaus Oberarzt war. Wer kann über den Verbleib von Bartolelts Auskunft geben? - Lehrer Johannes Plewe u. Frau Ursula Plewe, im Frühjahr 1945 noch in Schlobitten (zu Dohna) in der Schule von Vetter Dr. Pusch angetroffen worden. Wer weiß etwas über ihren Verbleib? Nachr. erb. Helene Pusch, Frankfurt/M.-Unterliederbach, Langobardenweg 20.

 

Aweider! Wer kann Auskunft geben über meinen Freund u. ehemaligen Klassenkameraden (Vorst. Oberschule f. Jungen Kbg.) Lothar Schiere, geb. wahrscheinlich 02.03.1932. Nachr. erb. an Gotthold Klein, ehem. Königsberg-Aweiden, Schulhaus, jetzt Gr.-Nordende bei Uetersen/Holstein.

 

Frau Gertrud Teller, geb. Krech aus Goldap/Ostpr., wohnh. Königsberg, Straße der SA, gegenüber Landeshaus, evakuiert nach Sandförde über Pasewalk/Pomm. Letzte Nachricht von dort vom 19.01.1945, soll von da, mit Treck gen Westen gefahren sein. Wer weiß etwas über Frau Teller und ihrem Sohn Chemiker Udo Teller (Soldat). Nachr. erb. Frida Kucklick, Kbg., Mitteltragheim 42, jetzt 20) Rosdorf über Göttingen.

 

Wer kann Auskunft geben über Walter Thiel, seine Frau Lisbeth und Tochter Gerda, letzte Wohng. Königsberg-Ponarth, Palwestr. 24. Nachr. erb. Frau Auguste Klein, fr. Wordammen, Kr. Bartenstein, jetzt Voldagsen über Kreiensen.

 

Bruno Klein, geb. 14.02. 1925, in Lekitten, Kr. Rössel/Ostpr. Letzte Nachricht vom 18.11.1946 aus russ. Kriegsgefangenschaft, damal. Anschrift: UdSSR, Moskau, Postf. 223/21 Rotes Kreuz. Kann ein Heimkehrer nähere Auskunft geben? Frau Emilie Klein, 19 Bottersdorf Nr. 12, Post Blumenberg über Magdeburg.

 

Eckert, Otto, geb. 16.01.1893, wohnhaft Angerburg, Kehlener Straße 38. Als Volkssturmmann in Salpen bei Angerburg beim Stab als Koch eingesetzt, im Januar 1945 mit 7 Kameraden nach Kbg. zum Arzt geschickt, von dort nach Danzig zum Stellungsbau. Wer kann über ihn Auskunft geben? Frau Helene Eckert, Dibbelsdorf Nr. 18 über Braunschweig.

 

Fa. M. Geschwandtner, Königsberg/Pr., Steindamm 103, gesucht von Karl Ruchatz, Landshut/Ndb., Am Graben 89.

 

Obergefr. Max Jandt, geb. 26.12. 911, in Kgl.-Blumenau, Kreis Pr.-Holland, Art.-Regt. 36. eingez. von Hospitalsdorf Krs. Stuhm/ Westpr. Letzte Nachr. Dez. 1944 aus dem Lazarett Elbing/West., verwundet an der linken Hand. Nachr. erb. an seine Mutter Frau Marie Plewka, verw. Jandt, geb. Weiß, Brunsbüttelkoog am Elbdeich 51, Holstein (früher Gut Damerau bei Christburg, Krs. Stuhm/Westpr.)

 

Schulz, Willi, Gren., geb. 21.06.1925 in Plichten, Kr. Osterode/Ostpreußen. Letzter Wohnort: Löpen, Kreis Mohrungen/Ostpr., Bauernsohn. Feldp.-Nr. 33 240 A. Letzte Nachricht vom 10.01.1945, Kampfabschnitt Narew, Brückenkopf bei Rozan (Polen). Wer kann Näheres mitteilen über den Verbleib meines Sohnes? Unkosten werden erstattet. Nachr. erb. Adolf Schulz, Klein-Lobke über Lehrte (20a).

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal unserer Tochter Ruth Nowotzin, geb. 23.03.1929 in Ortelsburg/Ostpr., dort wohnhaft Fiugatterstr. 8 bis 20. Januar 1945. Mitte Februar 1945 ist sie zwischen Königsberg und Medenau von russ. Sold, festgenommen und mit etwa zehn anderen Frauen und Mädchen verschleppt. Bei der Gefangennahme war sie noch nicht 16 Jahre alt (Handelsschülerin). Im April 1945 wurde sie in einem Lager bei Kbg. gesehen, angeblich typhuskrank. Nachricht erbittet Friedr. Nowotzin, Volpriehausen, Kreis Northeim / Hann., Bollertstraße, Stb. 3.

 

 

Seite 12   Der Todesweg über das Frische Haff

Wochenlang riss dieser Zug der ost- und westpreußischen Trecks über die trügerische Eisdecke des Frischen Haffes im Februar/März 1945 nicht ab. Menschen und Fahrzeuge sind ein leichtes Ziel der feindlichen Tiefflieger. Bei wechselndem Wetter barg das Eis viele Gefahren Nur mit 50 Metern Abstand konnten die Wagen der Flüchtenden hintereinander fahren. Sie enthielten das letzte Besitztum des ost- und westpreußischen Bauernvolkes.

 

 

Zeugen vieler Tragödien säumten die Treckwege über das Frische Haff. Mit bangen Gefühlen und oft mit letzter Anstrengung ziehen die Fliehenden vorüber. Wer von ihnen wird diesen Schreckenszug über das trügerische Eis überstehen? - Bild unten links: Auch ein Teil der weltberühmten ostpreußischen Pterde Trakehner Abstammung verließ auf dem Wege über das vereiste Haff die Heimat. Ein Viererzug mit herrlichen Lippizanern wurde hier sinnlos zum Ziel eines angreifenden Flugzeuges. Die Bomben verschonten die Tiere, die Bordwaffen vernichteten sie.

 

Auch noch angesichts der rettenden Nehrung ereilte das Schicksal noch zahlreiche Gruppen der Flüchtenden. Vor keinem Gebrechen machte es Halt. Von erschütternder Tragik zeugt der Krankenstuhl, in dem ein hilfloser Mensch in diesem Inferno sein Leben verlor.

 

 - Bild unten rechts: Überall auf der weiten Eisfläche lagen diese von Fliegerbomben und Bordwaffen zerfetzten Fahrzeuge und Tierkadaver. Daneben ragten die Reste derjenigen Wagen aus brüchigem Eis, die in der Dunkelheit in otiene Stellen geraten waren und versanken. Die unglücklichen Menschen, die das Schicksal ihrer Tiere auf dem Eise teilten, ruhen in unbekannter Zahl aui dem Grunde des Frischen Haifes und im Sande der Nehrungsdünen.

 

Ein westdeutscher Landser, der mit einer Spezialeinheit im Januar-Februar 1945 auf der Frischen Nehrung lag, wurde mit seiner Truppe zur Hilfeleistung für die Trecks der das Haff überquerenden ost- und westpreußischen Bevölkerung eingesetzt. Hierbei machte er, soweit das neblige und regnerische Wetter es zuließ, eine Reihe von Aufnahmen. Die entwickelten Filme führte er auf dem späteren Rückzug seiner Einheit mit sich und trug sie, z. T. zwischen den Einlegesohlen seiner Stiefel, z.T. in seiner Uniform eingenäht auch durch die britische Kriegsgefangenschaft. Auf diese Weise wurden die Filme, wohl als einzige Bilddokumente vom Todeszug über das Frische Haff, gerettet. Die Negative waren stark mitgenommen, sehr zerkratzt und beschädigt und mussten erst in mühsamem Rekopierverfahren zu neuen kopierfähigen Negativen verwandelt werden. Es sind - soweit bekannt - die einzigen Dokumente von dem Todesweg der ostpreußischen Trecks über das Frische Haff.

 

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