Ostpreußen-Warte, Folge 05/06 vom August 1950

Seite 1   Endkampf um Ostpreußen

 General der Infanterie Friedrich Hoßbach: Die Schlacht um Ostpreußen. Die Kämpfe der deutschen 4. Armee in der Zeit vom 19.07.1944 bis 30.01.1945. Verlag Ed. Pipersche Buchdruckerei und Verlagsanstalt in Clausthal-Zellerfeld.

 Wie von unerbittlichen Gewalten getrieben, tritt allmählich das Land Ostpreußen auf die Bühne jenes Krieges, der den Untergang Ostdeutschlands bedeutete. Bis in die Tage des unseligen Unternehmens von Kursk im Juli 1943 hinein, das den Rückzug der Heeresgruppen Mitte und Süd bedingte und das die Schlagkraft dieser Truppen für immer erlahmen ließ, ist das Schicksal Ostpreußens verwoben. Trotzdem gelang im Frühjahr 1944 noch einmal die Errichtung einer durchgehenden Abwehrfront im Osten. Noch einmal gelang es, die tödliche Gefahr von den deutschen Ostprovinzen abzuwenden, wenigstens für eine gewisse Zeit. Denn gerade die Heeresgruppe Mitte war der stärksten Einwirkung des feindlichen Angriffs ausgesetzt, dem sie schließlich doch erlag. Der Zusammenbruch dieser Front bedeutete die unmittelbare Einbeziehung Ostpreußens in die schweren Kämpfe um den deutschen Osten. Nunmehr tritt vor allem ein Verband innerhalb der Verteidigungslinie in den Vordergrund, das ist die 4. Armee, deren Führung seit dem 19.07.1944 dem General der Infanterie Friedrich Hoßbach übertragen war.

 Diese 4. Armee war nach der Umgruppierung der Front dicht an die ostpreußische Grenze herangerückt. Ihre Stellungen zogen sich etwa 40 km nördlich von Ebenrode bis zu Nowogord am Narew hin in einer Breite von ungefähr 350 km. An Truppen standen 15 Divisionen zur Verfügung, von denen aber nur sieben eigentliche Kampfverbände waren. Reserven gab es nicht. Selbst für einen Stellungskrieg schienen diese Formationen zu geringwertig. Man musste einer Verteidigung Ostpreußens mit großer Sorge entgegensehen. Der Angriff war auf die Rominter Heide in Richtung Königsberg zu erwarten. Am 16. Oktober setzte er ein. Das Kräfteverhältnis lag so, dass rund 40 russischen Divisionen etwa 11 deutsche entgegenstanden. Der Feind erreichte die Zerreißung der deutschen Front nicht. Mit größter Tapferkeit kämpften die zahlenmäßig dem Gegner weit unterlegenen deutschen Truppen, in großartiger Weise durch ihren Oberbefehlshaber von dem großen Ziel der Verteidigung des ruhmreichen preußischen Landes beseelt. Am 28.10.1944 gelang es, den feindlichen Angriff zum Stillstand zu bringen. Aber der .Feind konnte die Front um 40 km zurückdrängen. Ostpreußen war zum Schlachtfeld geworden.

 

Neuer Stellungskrieg setzte ein, der aber für die Truppe keineswegs eine Ruhezeit bedeutete, zumal sie in schwersten Kämpfen erschöpft war. Es konnte auch unmöglich gelingen, die Verbände in einen Zustand zu bringen, der sie befähigte, den Erfordernissen einer erneut zu erwartenden großen Abwehrschlacht zu genügen. Hoffnungen auf Verstärkung der Ostpreußen-Front mussten seit der Ardennenoffensive Dezember 1944 endgültig begraben werden. Als große Erschwerung der Operationen war die völlig ungeklärte Behandlung der ostpreußischen Bevölkerung anzusehen. Trotz aller Warnungen seitens der militärischen Führung wurde von den politischen Stellen hier keine oder eine zu späte Entscheidung getroffen. Den militärischen Befehlshabern waren die Mittel genommen, für die Rettung der Bevölkerung etwas zu tun. Immer mehr rückte die Verteidigung Ostpreußens in den Bereich der Aussichtslosigkeit.

 

Am 13. Januar 1945 setzte die neue russische Offensive ein. Es konnte kein Zweifel über deren Charakter bestehen; die entscheidendste Generaloffensive hatte begonnen. Die Schwierigkeiten der 4. Armee, die von der obersten Führung im Stich gelassen wurde, steigerten sich vor allem noch durch die ungenügend vorbereitete Kriegsführung im Winter und durch das ganz ungewöhnlich entwickelte russische Spionagesystem. Neben den militärischen tätig. Trotz der großen Opferbereitschaft, welche diese Formationen auszeichnete, konnten die Männer des Volkssturms keine Kampftruppe sein, sie leisteten aber im Stellungsbau Hervorragendes. Schwierig war die sonst gute Zusammenarbeit zwischen Heer und Volkssturm nur dann, wenn dessen Befehlshaber, der Gauleiter, die Kompetenzen überschritt.  

Die Lage entwickelte sich bald zu einer verzweiflungsvollen, so dass die 4. Armee des Schicksals der 6. Armee bei Stalingrad gewärtig sein musste. Innerhalb einer Woche war es der russischen Führung gelungen, die ostpreußische Abwehrfront zu durchbrechen. Ostpreußen und die zu seiner Verteidigung angetretenen Truppen waren in die größte Gefahr geraten.  

Sehr bald erlagen die 2. Armee im Süden und die 3. Panzer-Armee im Norden dem feindlichen Ansturm. Für die 4. Armee näherte sich immer mehr die Gefahr, eingeschlossen zu werden. Nur der Durchbruch zur Weichsel konnte die Lösung bringen. Entgegen den Anweisungen Hitlers erzwang General H. am 26.01. den Durchbruch im Abschnitt Wormditt - Liebstadt. Am 30. 1. wurde der 4. Armee der Befehl erteilt, zur Verteidigung überzugehen, General Hoßbach wurde seines Postens enthoben. Man hatte Hitler zugetragen, dass er mit der russischen Führung Verbindung angeknüpft habe. Eine irrsinnige Behauptung, denn die Russen kamen dieses Mal ja nicht wie 1812 als Bundesgenossen. Hoßbach konnte nicht wie York handeln, denn die politischen und militärischen Bedingungen waren 1945 ganz anders. Außerdem erschien es im Zeitalter der Sippenrache undurchführbar, die Bürde der Verantwortlichkeit in einer so schwer wiegenden Entscheidung auf jeden einzelnen zu übertragen. Die Truppen waren durch die Kriegführung Hitlers unfähig geworden, den Schutz des Vaterlandes auf sich zu nehmen. Es war nicht ihre Schuld, wenn sie der Übermacht des Feindes erlagen. Ihr Untergang bedeutete auch das Ende Ostpreußens.

 

Es ist von hoher Bedeutung, dass jetzt in diese tragischen Vorgänge, deren Verlauf in den obigen Zeilen nur flüchtig angedeutet werden konnten, ein volleres Licht fällt. Gewiss behandelt die Schrift des Generals Hoßbach nicht die ganze Entwicklung, aber der Ausschnitt, der hier in einer überaus eindrucksvollen Weise zur Darstellung gelangt, ist nicht nur von einem Fachmann ersten Ranges geschrieben, sondern die Stellung des Autors gibt die Gewähr, dass die Dinge in den großen Zusammenhang der wirksamen Kräfte, der militärischen wie der politischen, gestellt erscheinen. Nur wenig konnte freilich hier davon die Rede sein. Es ist daher nicht zuviel gesagt, wenn hier behauptet wird, dass dieses wichtige und erschütternde Dokument in die Hand eines jeden Ostpreußen gehört.

 

Seite 5   Walter Scheffler 70 Jahre alt

 Wenn man die Verse des Dichters Walter Scheffler liest, wird man nie darauf kommen, dass dieser ein Gehörloser ist. Alle Stimmen der Natur, das Wehen des Windes, das Brausen des Sturms, der Gesang des Meers - alles, was irgendwie tönt in unserer Welt, wird in diesen Gedichten so unmittelbar lebendig, als hätte sie ein Gesunder geschrieben. Ja, es stehen ein paar Gedichte auf die Musik darin, die ein Hörender nicht schöner geschrieben haben könnte. Wahrhaft ergreifend war es für mich immer, wenn in einem geselligen Freundeskreise jemand am Flügel saß. Dann stand der Dichter oft daneben, die schmalen Hände auf das vibrierende Holz des Instrumentes gestützt, tief in sich hineinlauschend. Und wenn das Spiel beendet, dann konnte er über Bach, Beethoven, Mozart sprechen, als hätte er sie eben zutiefst selber erlebt.  

So feine innere Sinne hat dieser Mensch in sich entwickelt, dass er, ohne ein Wort davon zu nehmen, was die Freunde sprachen, manchmal plötzlich das von diesen eben behandelte Thema selber anschnitt - und dies immer ganz vom Tiefsten her. - Von dieser inneren Feinfühligkeit, Hellsinnigkeit und Hellgesichtigkeit zeugen auch die besten seiner Gedichte.

 

Das Leid und die Nöte seines Lebens haben ihn selber früh schon tief und weise gemacht: die schwere Krankheit, die im 16. Lebensjahre zu seiner völligen Ertaubung führte; der harte Lebenskampf für seine Angehörigen nach dem jähen Tode des Vaters, eines kleinen Schneidermeisters auf der Laak in Königsberg; das schwere Ringen um das eigene Leben, seitdem er nach vielfacher Krankheit seinen Beruf als Buchbinder aufgeben und von nicht viel mehr als siebzig Mark monatlich leben musste; die Vertreibung aus seiner Heimatstadt; das elende

Dasein hinter Stacheldraht in Dänemark; die Zertrümmerung seines Vaterlandes und der Tod seiner geliebten, jungen Frau, mit der er sich seiner Armut wegen erst in hohem Alter verbinden konnte . . .

Alles das hat den Menschen in ihm nicht verbittert; obwohl es ihn manchmal der Verzweiflung nahe brachte. Es hat ihn innerlich gereift und seinem Gotte nur noch inniger verbunden. Und es hat, nicht zuletzt, auch allem, was er schrieb, eine Tiefe und menschliche Wärme gegeben, dass es den Lesenden immer wieder von neuem ergreift und beglückt.

 

Die beiden ersten Bücher Schefflers schrieb sein Neffe Fritz Brachhaus in Kunstschrift auf Stein, der Dichter band sie eigenhändig ein und vertrieb sie auch selbst. Für sein Erstlingswerk „Mein Lied" setzte sich Ferdinand Avenarius warm in seinem „Kunstwart" ein; mit dem Erfolge, dass der Dichter selbst aus dem Auslande zahlreiche Bestellungen erhielt. Viel Liebe, viel Sehnsucht, viel Gott- und Lebensglaube war in diesem Buche lebendig, das - nach dem ersten Weltkriege - zu einer Zeit erschien, als der Hass der Völker, der Hass des eigenen Volkes gegen sich selber, sich politisch austobte. In dem 1924 erschienenen Buche „Mein Königsberg", zu dem beste ostpreußische Künstler ihre Zeichnungen beigesteuert hatten, setzte der Dichter seiner Vaterstadt ein Denkmal in fein geschliffenen Sonetten, das die Geschichte seiner Vaterstadt in künstlerischer Quintessenz ebenso enthielt wie ihr pulsierendes gegenwärtiges Leben. Dies bildstarke Buch wird Königsbergs Tod unter Trümmern lange überleben. In ihm fand Walter Scheffler, auch was die Form angeht, ganz zu sich selbst. - Außer dem in einem Dresdener Verlage erschienenen Versbuche „Helle, Wege", dessen Titel schon von der frohen Lebensbejahung des vom Leben wahrhaft genug geschlagenen Dichters spricht, gestaltete dieser in zwei Prosabüchern, „Walter von der Laak" und „Die Lehrjahre des Walter von der Laak" sein leidvolles und doch humordurchsonntes, arbeitschweres und arbeitfrohes Leben; aber nicht nur dieses; denn die Bücher geben auch ein anschauliches Kulturbild seiner Vaterstadt um die Jahrhundertwende. Agnes Miegel hat diese Lebensbücher zu ihren schönsten gezählt.

Herbert Brust, der Vertoner des allbekannnten Ostpreußenliedes „Land der dunklen Wälder" von Erich Hannighofer, vertonte auch zahlreiche Gedichte von Scheffler, die bald in Schulen und bei kulturellen Veranstaltungen gesungen wurden. So ist Scheffler im besten Sinne ein Volksdichter geworden; nicht zuletzt in allem, was er in seinem lieben ostpreußischen Platt geschrieben hat.

Alles, was er je an Liebe und Lebenskraft in sein Werk hineinströmte, kehrt als Kraft und Liebe aus den Herzen derer, die ihn lieben, wieder in sein eigenes Herz zurück. Das Beste von ihm wird sein Sterbliches sicherlich ebenso lange überleben, wie die Lieder Simon Dachs ihren Dichter überlebt haben, dem Walter Scheffler in der Einfachheit und Tiefe seines Gemütes sehr verwandt ist.

Während zu seinem 60. Geburtstage zahlreiche Freunde und amtliche Vertreter der Heimatprovinz mit ihren Gaben, Glückwünschen und Ehrungen zu dem Dichter fanden, wird er seinen 70. sicher recht still und einsam im Altersheim Eckartsheim bei Bielefeld verleben. Um so herzlicher werden die um ihn Wissenden dem greisen Dichter für sein starkes; vorbildhaftes Leben und so warmblütiges Werk danken, dem man ernstlich wünschen muss, dass es noch in viel weitere Kreise hineinwachsen möge als bisher. Denn es ist eine Fundgrube echten Dichter- und Menschentums. Und was hätten wir in dieser Zeit der Unmenschlichkeit nötiger als solche seelische Untermauerung unserer seit langem grausam erschütterten Menschenkultur?!

Fritz Kudnig

 

Seite 7   Die Wolldecke

 

 Am 15. Januar 1945 musste ich mit meinen damals drei kleinen Kindern im Alter von neun, vier und drei Jahren aus Bergstadt O. S. meiner Heimat, flüchten. Da die Strecke über Breslau schon abgeschnitten war, nahm uns ein Treckschlitten in Neustadt O.S. auf, den ein französischer Kriegsgefangener führte. Es herrschte damals 20 Grad Kälte. Mein neunjähriger lief hinter dem Schlitten her, da er vor Kälte nicht mehr sitzen konnte. Unter einer dünnen Wolldecke lag mein damals Dreijähriger halb erstarrt. Da wickelte sich der französische Kriegsgefangene seine Wolldecke von seinen Füßen, warf sie mir zu und sagte: „Das Kind gut einwickeln, sonst erfrieren". Ich bin ihm heute noch für diese Tat dankbar..

 

Seite 8   Land der dunklen Wälder. Der Komponist des Ostpreußenliedes 50 Jahre alt

 

In aller Stille wurde am 17. April 1950 Professor Herbert Brust, der größte lebende ostpreußische Komponist und bedeutendste Kirchenmusiker des deutschen Ostens, 50 Jahre alt. Brust wirkt heute in bescheidenen Verhältnissen an einer Oberschule in Bremerhaven als Musikpädagoge.

Seit fast einem halben Jahrtausend hat der deutsche Osten und besonders das Ordensland Ostpreußen immer wieder schöpferische Menschen hervorgebracht, die bestimmend für das Kultur- und Geistesleben Deutschlands, des Kontinents, ja. der Welt wurden. Aus Ostpreußen kamen Männer wie Kant, Kopernikus. Wiechert, um nur einige zu nennen, aber bis zu Beginn dieses Jahrhunderts hat es in unserer Heimat - wenn man von Otto Besch absehen will - keinen repräsentativen Musiker gegeben. Wohl ist besonders Ostpreußen reich an volkstümlichen Komponisten gewesen, aber die Kraft, sich über die engeren Grenzen seiner Heimat hinaus durchzusetzen, war bisher nur einem gegeben: Herbert Brust.  

Das Geburtshaus des Komponisten in Königsberg, dort wo er am 17. April 1900 das Licht der Welt erblickte, stand dort, wo sich später die Konzertsäle der Stadthalle erhoben. Schon früh schien dem Jungen die Musik im Blut zu liegen, und als er dann - Brust war damals eben vierzehn Jahre alt - zum ersten Male die Orgel im Dom zu Königsberg spielen durfte, stand sein weiterer Lebensweg fest. Besonders die Orgel, die Brust auch heute noch als eines seiner Lieblingsinstrumente bezeichnet, hatte es ihm angetan.

 

Dank der hervorragenden Förderung, die Brust durch den damaligen Domorganisten und Kirchenmusikdirektor Walther Eschenbach zuteil wird, gelingt es dem jungen Musiker, mit sechzehn Jahren - nach dem Tode von Max Oesten - als Organist an die Loebenicht'sche Kirche zu kommen. Er vertieft seine theoretische Ausbildung bei Reinhold Lichey, der zu jener Zeit einer der bedeutensten Lehrer am Königsberger Konservatorium war, und geht schließlich von 1919 -1922 auf die Musikhochschule nach Berlin. Männer wie der Berliner Domorganist Professor Walter Fischer der sein Orgellehrer wird, und Professor Koch, der ihn in Komposition unterweist, bestärken, den kaum dem Jünglingsalter entwachsenen Brust, in seinen Zukunftsplänen. Orgel und Kompositionen sollen sein Leben als Musiker ausfüllen. Kurz nach Beendigung seines Studiums kehrt Brust im Jahre 1924 in seine geliebte Heimat zurück und erwirbt bald ein Haus in dem samländischen Fischerdorf Neukuhren. Bezeichnend für des Komponisten tiefes Zugehörigkeitsgefühl zum Boden seiner Väter ist der Spruch den er über dem Türbalken einmeißeln lässt: „Der Heimat Rauch ist leuchtender als Feuer!" Aus dieser Einstellung heraus wird auch verständlich, dass Brust im Jahre 1939 eine an ihn herangetragene  Berufung, als Professor an die Hochschulen in Frankfurt a. M . zu gehen, entschieden ablehnt.  

Brust's Werke kann nur der eigentlich verstehen, der um die tiefe Heimatliebe des Komponisten weiß. Fast alle seine Themen sind aus dem Niederschlag dieses fast sacral verinnerlichten Erlebens gestaltet. – Als  Schöpfer zahlreicher geistlicher Chor- und Orgelwerke. Kantaten, sowie als Komponist schlichter Volkslieder, aber auch moderner Kammermusik, ist Herbert Brust während der letzten Jahrzehnte weit über die Grenzen Ostpreußen’s hinaus bekannt geworden. Zu den hervorstechendsten Werken des Künstlers gehören neben der . . Bernstein-Kantate“ und der Musik zu Ernst Wiecherts „ Großen Totenspiegel“ das unter dem vergangenen Regime verboten war, die großen Liederzyklen, von denen wohl am schönsten die Gesänge um das tägliche Brot " und „Gesänge der Liebe“ sind. Mit dem Ostpreußenlied,  "Land der dunklen Wälder“ hat Brust unserer leidgeprüften Heimat ein unsterbliches Denkmal gesetzt.

B. Krause - Reussen

 

 

Seite 9   Die Marienburg. Prof. Walther Ziesemer

 

„An der Nogat frünen Wiesen steht ein Schloss in Preußenland. Das die frommen deutschen Riesen einst Marienburg genannt. An der Mauer ist zu schauen Bildnis, leuchtend groß und klar. Bildnis unsrer Lieben Frauen, die den Heiland uns gebar.“

 

So sang einst der ostpreußische Dichter Max von Schenkendorf, der die Marienburg auf einer Wanderung im Jahre 1803 gesehen hatte. Er war von ihrer Größe und Schönheit überwältigt, aber auch zugleich empört über willkürliche Zerstörungen und geschmacklose Umbauten. So schrieb er einen leidenschaftlichen Aufsatz, der mit den Worten schloss: „Wer retten will und kann, der rette bald, denn Eile ist nötig.“ Dieser Aufsatz gab den ersten Anstoß zur Erhaltung und Wiederherstellung der Marienburg. 

Was sah Schenkendorf in diesem Bauwerk? Nicht nur die einstige Schönheit altdeutscher Baukunst. Er erblickte in ihm ein Sinnbild für die Vereinigung der höchsten Ideale des abendländischen Mittelalters: Harmonie christlicher Frömmigkeit und weltlicher Arbeit. Nicht das Mönchtum allein konnte ein solches Ideal erreichen, auch nicht das Rittertum allein, sondern - soweit überhaupt erreichbar - die harmonische Vereinigung von christlich-mönchischem und weltlich-ritterlichem Leben. Solche Ideale fanden im Mittelalter am ehesten in den geistlichen Ritterorden ihre Verwirklichung. Die bedeutendsten sind der Templerorden, der Johanniterorden, der  1190 in Palästina begründet wurde. Wer in den Orden eintrat, musste alles, was sonst das Leben in der Welt lebenswert macht, verlassen und seine ganze Kraft dem Orden geben.  

Einer der ersten Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, ein genialer Staatsmann, wurde für die weitere Entwicklung des Ordens von entscheidender Bedeutung. Er war ein Freund des Staufenkaisers Friedrich II. und stand zugleich mit der Kurie in Rom in enger Verbindung. Er gab dem Orden auf europäischem Boden neue Aufgaben, zunächst in Ungarn, danach in Preußen.

Die Preußen, zwischen Weichsel und Memel wohnend, gehörten wie die Litauer. Letten und Kuren zum baltischen Sprachenstamm. Sie waren Heiden und drangen wiederholt in das südlich gelegene Masowien verheerend ein. Da rief der slawische Herzog Konrad von Masowien 1225 den Deutschen Orden um Hilfe. Hermann von Salza war bereit, ließ sich aber zur Sicherheit von Kaiser und Papst den Besitz des zu gewinnenden Landes bestätigen. Das geschah durch die berühmten Urkunden von 1226 und 1229. Ein Land, das so durch Kaiser und Papst geschützt wurde, gewann eine staatsrechtliche Sonderstellung von internationaler Weite. Im Jahre 1231 überschritten die Ritter bei Thorn die Weichsel, unterstützt durch Kreuzheere, die vom Papst gefördert wurden. Man ging zunächst weichselabwärts und gründete Orte wie Kulm, Marienwerder, Christburg, Elbing, um dann weiter am Haff nach Balga und in das Samland zu gelangen, wo 1255 Königsberg gegründet wurde. Es war für den Orden wichtig, die Schifffahrt auf der Weichsel zu sichern. Er besaß an der Teilung von Weichsel und Nogat eine kleine Burg, Zantir, sie wurde 1276 aufgegeben und an der Nogat weiter nördlich die Marienburg gegründet. Zunächst eine Komtureiburg wie die andern. Erst als 1308 das westlich der Weichsel gelegene Pommerellen mit Danzig zum Orden kam, gewann die Lage der Marienburg, in der Mitte des ganzen Gebietes, eine besondere Bedeutung und wurde 1308 zum Haupthaus des Ordens ausersehen.

 

Die Ordensbrüder wohnten nach klösterlicher Art in einem Konventshaus mit einem Komtur an der Spitze. Eine Komturei war wie ein Kloster ein geschlossenes, wirtschaftlich ziemlich unabhängiges Gebilde, und der Komtur hatte eine Stellung ähnlich wie ein Abt. Daher unterschieden sich die Ordensburgen wesentlich von den Burgen wie wir sie in West- und Süddeutschland kennen. Hier sind es adligen Geschlechtern angehörige Familienbürgen, die von felsigen Höhen ins Tal hinabblicken: dort sind es Gemeinschaftsburgen, meist von Wassergräben im Flachland umgeben, dem ritterlichgeistlichen Charakter entsprechend Festung und Kloster zugleich!  

Schon vor der Übersiedlung des Hochmeisters nach der Marienburg wurden Umbauten nötig, um das Haupthaus des Ordens aufzunehmen. Die Großgebietiger mussten in der Nähe des Meisters ihre Wohnstätte finden. Es mussten für sie Residenz Räume geschaffen werden und ebenso für Feste und Gäste. Die bisherige Vorburg wurde weiter nach Norden verlegt und an ihre Stelle ein Mittelschloss eingerichtet.

 Wenn wir nun durch die Tore des Mittelschlosses in die Marienburg eintreten, so empfängt uns ein breiter Hofraum. Der Blick richtet sich nach der gewaltigen Masse des Hochschlosses, dem alten Komtursgebäude. Über eine Zugbrücke kommen wir in einen Vorraum mit einem hohen Portal, wie es ähnlich in apulischen Bauten zu finden ist. Dann schreiten wir durch einen dunklen Gang und kommen in den Hof des Hochschlosses. Da empfängt uns unerwartet der Zauber einer wunderbaren Kunst. Um den Hof ziehen sich Kreuzgänge mit Granitsäulen und Maßwerken, von Efeu umwachsen. In der Mitte des Hofes ein tiefer Brunnen. An der einen Seite die Konventsküche, darunter die Kellerräume. Es ist, als ob kein Ton der Außenwelt in diese Stille dringt, die durch die Schönheit ihrer Kunst zu frommer Stimmung führt. Auf einer Steintreppe kommen wir dann in den Kapitelsaal. Er gehört zum ältesten Bau von 1280. In ihm fanden im September jeden Jahres die Beratungen des Meisters mit den Gebietigern und Komturen statt. Drei hohe Granitsäulen führen ihre Rippen zu dem wunderbaren Sterngewölbe. Die Wände sind mit lebensgroßen Figuren der Hochmeister bedeckt - eine lebendige Geschichte des Ordens im Sinnbild seiner Meister. Über der Eingangstür eine thronende Madonna. Tritt man wieder auf den Kreuzgang, so trifft man wenige Schritte weiter die Goldene Pforte, das Portal zur Kirche. In Ton zart geschnitzt, sieht man da den zwölfjährigen Jesus, die Synagoge und Ekklesia, die klugen und törichten Jungfrauen. - Kunstwerke, die zu den besten Schöpfungen deutscher Plastik des 13. Jahrhunderts gehören. In der Kirche selbst umfängt einen das Gefühl heiliger Andacht. Von wenigen Fenstern dringt nur gedämpftes Licht herein. Im Jahre 1344 ist die Kirche durch einen Erweiterungsbau um das Doppelte vergrößert. Rings um den Raum über einem Wandgestühl befindet sich ein Bilderfries von über hundert Einzelgestalten, reicher als in irgendeinem andern Bau des Mittelalters: es ist die Geschichte der christlichen Kirche von den Anfängen der Heilsverheißung bis zur Erfüllung des Jüngsten Gerichts. Der Eingangstür gegenüber Christus am Kreuz und zu seinen Füßen Maria und Johannes. Außen aber im Chor in einer Nische die einzigartige Mosaikfigur der Jungfrau Maria mit dem Jesuskinde auf dem Arm: wer von fern her nach der Marienburg kam, den grüßte schon von weitem die Patronin des Ordens und nahm ihn in ihren Schutz.  

Neben der Kirche der gemeinsame Schlafraum, aus dem die Ritter auch zur Nachtzeit sich in die Kirche zum Gebet zu begeben hatten. Im Südflügel der gemeinsame Speiseraum. Während der Mahlzeit las ein „Tischleser" aus der Bibel oder anderen religiösen Büchern vor, damit zur leiblichen Speise auch die geistige käme. Neben dem Speiseraum ein Erholungsremter, in helleren Farben gemalt. Im Westflügel kleinere Räume für die Schatzkammern und den Verwalter der Burg. Von der Ecke des Süd- und Westflügels aus führte ein Gang zu, dem sog. Danzk, der Abortanlage. Sie war hygienisch so praktisch angelegt, dass der Unrat von dem unter ihm hin fließenden Schlossgraben gleich weggespült wurde. Rings um das Hochschloss befand sich ein Zwinger, Parcham genannt, von hohen Verteidigungsmauern umgeben. Im Nordparcham lag unter dem Chorbau der Kirche die St. Annenkapelle, die Gruft für die Hochmeister. Elf Meister haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden, aber nur drei Grabplatten haben sich bis auf unsere Tage erhalten; Dietrich von Altenburg, Heinrich Dusemer und Heinrich von Plauen.

 Das Mittelschloss diente anderen Zwecken. An der Ostseite befanden sich die langen Gastkammern, die zur Aufnahme der Komture oder fremden Gäste eingerichtet waren. An der Nordostecke schloss sich die Großkomturei an, Wohnung und Amtsräume des ständigen Vertreters des Meisters. An der Nordwestecke lag die Firmarie, das Krankenhaus und der Ruhesitz altersschwacher Ordensherren.

 

An der Westseite, nach der Nogat zu. steht der Große Remter, um 1320 erbaut, die großartigste Leistung der Ordenskunst. Der Raum ist 30 m lang und 15 m breit, drei schlanke Granitsäulen tragen das durch alle Jahrhunderte erhaltene reiche Gewölbe. Von jedem Pfeiler steigen 24 Rippen wie Palmblätter auf und vereinigen sich mit den von den Wänden ausgehenden Rippen zu einem wundervoll gegliederten Sterngewölbe. Der Raum war ursprünglich reich ausgemalt, er wurde für hohe Festlichkeiten verwandt, wenn fürstliche Ehrengäste, die an Kreuzfahrten teilgenommen hatten, hier feierlich bewirtet wurden.  

An diesen Raum schloss sich ein besonderer Gebäudekomplex an, der Hochmeisterpalast. Er wurde zur Zeit der höchsten Blüte des Ordens, in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts durch einen aus dem Rheinland stammenden Baumeister Niclus Fellenstein ausgeführt. Die Fassade nach Westen ist, nach dem Vorbild rheinischer Bauten angelegt und bietet durch Aufbau und Gliederung einen überwältigenden Anblick. Der Zugang zum Palast war vom Hof aus. Man kam in einen hellen gewölbten Gang und betrat von hieraus das Wunderwerk des Sommerremters. Ein Raum von 14 mal 14 m; nur von einer einzigen Säule, von der wie bei einem Palmblatt die Rippen aufwärts streben, wird die herrlich gewölbte Decke getragen. Das Licht flutet von drei Seiten hinein, und der Blick über die Nogat und die weiten Flächen des Werders ist überwältigend. Der Sommerremter diente zu Beratungen und kleineren Versammlungen beim Hochmeister. Der anstoßende Raum war der Winterremter, der eine besondere Fußbodenheizung hatte.

 Die in der Vorburg liegenden Wirtschaftsgebäude wurden im 14. Jahrhundert erheblich erweitert. Da wurde der „Karwan" gebaut, die Karawanserei des Ordens für die Wagen und Reisegeräte, das Schnitzhaus, der Steinhof, die Schmiede, Schuhhaus. Backhaus, Brauhaus. Viehställe und Scheunen. Der ganze riesige Komplex von Hoch-, Mittel- und Vorschloss wurde mit einer hohen, von zahlreichen Türmen geschmückten Mauer umgeben. Der vier Meilen weit aus dem Sorgensee hergeleitete Mühlengraben umgab die ganze Marienburg mit fließendem Wasser.

 

Die Marienburg wird für uns aber erst wirklich lebendig, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass all diese Räume von Männern bewohnt waren und ein reges geschäftiges Treiben in ihnen, auf den Gängen und auf den Höfen vor sich ging. Da schreitet der Meister mit den Komturen zur Beratung, da versammeln sie sich zur Festlichkeit, da arbeiten die Schreiber des Tressiers und Großkomturs an Urkunden oder Rechnungen. In den meisten Burgen gehörten 12 Ritter zum Konvent, in der Marienburg betrug ihre Zahl wohl das Vierfache. Jeder von ihnen hatte ein bestimmtes Verwaltungsamt, zu versorgen. Der Karwansherr hatte für das Zeughaus, der Pferdemarschall für die Pferde, der Kellermeister für die Vorräte im Keller, der Kornmeister für das Getreide zu sorgen, und ähnlich der Schuh-. Schmiede-. Mühl-. Schnitzmeister usw. Dem Glockenmeister unterstand das Kirchengerät und die Bibliothek. Im Kelleramt befanden sich 1403 u. a. 1400 Scheffel Gerste. 26 Tonnen Met. 77 Tonnen Bier; im Küchenamt gedörrtes Fleisch von 40 Ochsen, 4 Tonnen Aale. 20 Tonnen Schmalz, 8000 Käse, 3 Körbe Feigen. 1 Tonne Reis; im Karwan 250 Pferde, im Viehamt 285 Rindvieh, 457 Schweine usw. Man kann sich leicht ausmalen, wie lebendig es in der Marienburg zuging.

 

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts erlebte der Orden unter dem rheinischen Hochmeister Winrich von Kniprode seine reichste Blüte. Winrich hatte vor allem die staatlichen Aufgaben im Sinne und residierte in der Marienburg mehr wie ein weltlicher Fürst. Das bedeutete eine Gefahr für die innere Entwicklung des Ordens, denn die hohen Ideale der Frühzeit drohten vernachlässigt zu werden. Dazu kamen die außen politischen Spannungen seit der Vereinigung Polens mit Litauen. Es kam schließlich zum Streit, der zu der katastrophalen Niederlage bei Tannenberg 1410 führte. Der Komtur von Schwetz. Heinrich von Plauen, eilte zur Verteidigung des Haupthauses und konnte die Marienburg 8 Wochen halten, bis der Polenkönig abzog. Der Thorner Friede von 1411 aber brach die Kraft des Ordens. Streitigkeiten mit den Nachbarn, innere Zwistigkeiten, wirtschaftliche Nöte schwächten den Orden immer mehr. Als ein neuer Krieg mit Polen ausbrach, wurde die Marienburg von böhmischen Söldnern, denen der Orden den rückständigen Sold nicht mehr bezahlen konnte, an die Polen verkauft. Im Juni 1457 verließ der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen die Burg, um nach Königsberg überzusiedeln.

 

In die Marienburg aber zogen polnische Verwaltungsbeamte ein. Im Mittelschloss wurden bauliche Veränderungen vorgenommen, während das Hochschloss vernachlässigt wurde. Im Schwedisch-Polnischen Krieg hielt Gustav Adolf die Burg eine Zeitlang besetzt, von 1629 bis 1635 verwaltete sie Kurfürst Georg Wilhelm, dann zogen wieder Polen ein. 1644 brannten die Dächer des Hochschlosses ab und wurden erst nach Jahrzehnten durch flache Dächer ersetzt. Die Kirche blieb zwar im Gebrauch, doch wurde die reiche alte Bemalung durch weiße Tünche überdeckt.

 

Als 1772 Westpreußen mit dem übrigen Preußen wieder vereinigt wurde, suchte man die Marienburg zweckmäßig zu verwenden. Es war ja die Zeit des Nützlichkeitsgedankens, und für gotische Baukunst hatte man ohnehin damals kein Verständnis. So wurde eine Kaserne eingerichtet mit Mannschafts- und Offiziersräumen. Der Große Remter wurde Exerzierhaus. Weiter wurden Webstühle aufgestellt, eine Armenschule untergebracht, Schüttboden für Getreide und Salz geschaffen. Das erforderte Umbauten und Zerstörungen, denen die meisten Gewölbe zum Opfer fielen. Schließlich beabsichtige man. das ganze Schloss abzubrechen, um aus den gewonnenen Ziegeln ein neues Magazin zu erbauen.

 

Da erschien jener aufrüttelnde Aufsatz Schenkendorfs. Er hatte die Wirkung, dass der König sofort jede weitere Zerstörung untersagte und die Erhaltung dieses Bauwerkes befahl. Den Gedanken einer Wiederherstellung konnte man erst aufnehmen, als die Notjahre der Napoleonischen Kriege vorüber waren. Theodor von Schön, ein Schüler Kants, setzte sich leidenschaftlich dafür ein, „damit der Sinn für große und edle Taten gestärkt werde durch die Erinnerung an die Erinnerung an die Vorzeit". Freiwillige Geldspenden brachten die nötigsten Mittel auf, Gelehrte und Künstler waren zur Stelle. Man widmete sich dem Palast und dem Großen Remter und baute im gotischen Stil, so wie man ihn damals verstand. Als 1822 im Sommerremter eine Feier stattfand, sprach der Kronprinz, der spätere König Wilhelm IV.: „Alles Große und Würdige erstehe wie dieser Bau!"

 

An die baulichen Probleme des Hochschlosses wagte man sich damals nicht heran. Das geschah erst Jahrzehnte später. Erst, als Conrad Steinbrecht, an den Ausgrabungen in Olympia geschult, 1882 nach der Marienburg kam, begann eine umfassende, auf gelehrter Grundlage aufgebaute und in künstlerischem Sinn durchgeführte Wiederherstellung. Vierzig Jahre leitete er das Werk, unterstützt von seinem späteren Nachfolger Bernhard Schmid, der bis zum Jahre 1945 den Bau verwaltete.

 

Und heute? Es ist unverantwortlich gewesen, dass von deutscher Seite der Befehl gegeben wurde, die Marienburg gegen die Russen zu verteidigen, so dass dieser Bau furchtbare Zerstörungen erlitt: die Kirche liegt in Trümmern, das Madonnenbild im Schutt, der Turm im Graben. Heute gehört die Marienburg zu Polen. Uns Deutschen aber ist und bleibt sie in unsern Herzen das Heiligtum des deutschen Ostens.

 

 

Seite 12   Erfindungen, die aus Ostpreußen stammen. Robert Budzinski

 

 A. Der Skat oder das Skatspiel

Es ist erfunden worden von einem Handlungsreisenden, einem Rittergutsbesitzer und einem Lehrer. Es kann von zweien gespielt werden, dann heißt der dritte Strohmann und ist nicht nicht da, sonst wird es von dreien oder vieren gespielt. Es kann auch von fünfen und mehr gespielt werden, dann heißen die übrigen drei Wanzen. Es gehören dazu Karten, Bier - und Schnapsgläser. Der erste Spieler legt eine Karte auf den Tisch, die anderen machen es nach. Dann nimmt einer von ihnen alle drei Karten zu sich. Das lassen die anderen sich nicht gefallen und schimpfen. Der Gesichtsausdruck ist geistesreich, geheimnisvoll, gespannt. Am Schluss des Spiels bezahle man sein Geld mit heiterer Miene. Die ganze Zeremonie verlangt viel Geduld und Ausdauer, einen scharfen Blick, besonders um die Ecke, harte Fingerknöchel, tiefgründige Kenntnis der Fachworte und Sprichwörter. Beherrscht man das alles aber wirklich ganz, so wird man belohnt. Alles übrige, was sonst Menschen plagen geeignet ist. z. B. Kunst, Wissenschaft, Politik, alles verliert an Bedeutung. Der gediegene und ausdauernde Skatspieler zieht beseligt ins heilige Nirwanaphilisterium ein.

 

B. Schmand und Glumse

Diese sehr wertvolle Erfindung gehört der Nahrungsmittelbranche an. Ein Produkt der ostpreußischen Kuh. Die Milch wird so verarbeitet, dass sie einmal dick wird und Glumse heißt, dann wiederum dünnflüssig und in diesem Zustand Schmand genannt wird. Beides wird in einen Teller getan und mit dem Löffel gegessen.

 

C. Der Kumst

Gleichfalls zum Essen. Blätter des Sauerkrauts oder des Kohls. Sie werden fadenförmig zerschnitten und in ein altes Petroleumfass getan. Dann steigt man in dieses Fass hinein und übt Stampfschritt an Ort. Man kann sich Schuhe und Strümpfe ausziehen. Dann geht man hinaus, legt wieder Blätter hinein und lässt seine Frau stampfen, dann geschieht dasselbe mit dem Großvater, dem Onkel und dem Dienstmädchen. Zuletzt bedeckt man das Fass mit einem alten Unterrock und stellt es in die gute Stube. Will man wissen, ob der Kumst schon fertig ist. so führe man einen Gast in diese Stube. Geht er bald wieder hinaus mit dem Finger an der Nase, dann ist der Kumst gut.

 

D. Der Bärenfang

Dieses ist ein wohlschmeckendes und gutbekömmliches Getränk, in der Wirkung etwa ähnlich Zyankali. Man nehme ein Liter reinsten Fusels und ein Pfund reinsten Lindenblütenhonig und schüttele beides in einer Flasche um. Man trinke aber nicht selber davon, sondern gebe es guten Freunden und Besuchern, auch sei man vorsichtig den Haustieren gegenüber. Die Wirkung äußert sich vorzüglich durch Betäubung der im allgemeinen überflüssigen Fortbewegungs- und der nur schädlichen Denkorgane. Ähnlich in der Wirkung ist

 

E. Der Grog

Diese Erfindung hat sich - leider sehr verwässert - auch anderweitig durchgesetzt, daher ihre Beschreibung überflüssig.

 

Seite 12   Dackelade

Manne hect ons Dackelhund,

Wiel'ts öm sienem Stammboom stund.

Dat he echt, dat kunn man sehne,

He had Form onn kromme Beene.

Schwartet Fell onn brune Foote,

Blanke Oog önnem Kopp - ganz groote.

He kunn sötze, Footke gäwe,

Ook dat veerde Been anhäwe,

Wenn he hastig renne deit,

Ook - wenn an ne Boom he geit. –

Önn sien Fach war he ganz groot,

Sorgd stäts, dat sien Herr wat schoot.

Wenn he nehm de Flint vom Nagel,

Wackelt Manne mött dömm Zoagel.

Mieft ver Freid, rennt an ne Deer

Onn öss bute ömmer veer.

Kiekel, Hoahn onn Hehner renne,'

Wenn kömmt angeroast de Manne.

Röppt sien Herr ämm dann toröck,

Rennt he wedder noch e Stock.

Horche füll äm goarnich önn,

Denn he had sien eegen Sönn.

Önnem Woald war he ganz stur,

Schnöffelt he e Hoaskespur.

Belld onn rennd dorch alle Joage,

Wöll dömm Kromme doch am Kroage.

Wielerwies he dann verhofft,

Wiel ämm utging all de Lofft.

Nu - als he de Losung seech.

Nochmoal Losst to renn, he kreech.

Doch onns Lampe Hoake schloog

Onn dömm Doackel so bedroag.

Nu wurd ömm de Sach to domm,

Affgerackert kehrd he omm,

Rend so schnell de Feet ämm droage,

Meed to Hus mött leerem Moage.

Freet de Klunkermoss ganz ut,

Löckt sich aff de matte Schnut,

Ook de Feet vom Sand onn Dreck

Onn kröppt hindre Oaweeeck.

Clara Brenke-Busse.

 

Seite 12   Die Drohung

Et wör e strammer Sommerdag

tom auste grod so recht.

De Schulze Franz de rackert söck

on schwötzt doabie nich schlecht.

„Twee Föder noch, denn häw wi't bönn!"

sächt he to siener Fru.

„Load man got, dat nuscht valörst,

on zoing, denn häw' wi Ruh'!"

Wie Ton, sien Söhn, nu wiederfoart,

doa kickt ons Franz moal op,

on wie he kickt, krust he de Störn

on schlackert möttem Kopp.

Denn hingerm Wald doa köm et ropp

so röchtig schwärt on gru.

„Nä -, mött twee Föder wart dat nuscht!"

sacht Franze siene Fru.

Ons' Franz, dat öss een frommer Mann,

jeiht Sünndags önne Körch

on denkt ok nu: „Ach, lever Gott,

nu loat ons man noch dörch!"

On wie he nu de Hocke sitt,

so dröj on licht on riep,

doa platzt he los ön siener Not,

nömmt utem Mul de Piep:

„Lew Gottke, wenn nu ränge lätst,

mien Frind böst Du denn nicht!

Dat eene säg' öck, dat öck goa

Di nich toä Oster bicht! -

Gerhard Weiß.

 

 

Seite 13

 

Am 29. Oktober 1950 feiert Schwester Stephania Feige, Provinzialoberin der Grauen Schwestern zu Königsberg, ihr 50jähriges Ordensjubiläum. Von 1902 - 1945 hat Schwester Stephania als Ordensoberin ihre Sorge und Kraft dem St. Elisabeth-Krankenhaus zu Königsberg gewidmet. Jetzt befindet sich Schwester Stephania in Dresden als Provinzialoberin.

 

Zwei Ermländer wurden zu Priestern geweiht: Eugen Maria Dost aus Allenstein und Bernhard Preuss aus Königsberg.

 

Am 15. Juli 1950 hat der bekannte Organist und Kantor Paul Sommer aus Braunsberg sein 50jähriges Dienstjubiläum gefeiert.

 

Erzpriester Wedig ist in Bischofsburg gestorben. Ferner beklagen die Ermländer den Verlust des langjährigen bewährten Betreuers des ermländischen Katharinenordens Direktors Prälat Schlüsener.

 

Konrektor Grunwald, früher Frauenburg, ist im Alter von 73 Jahren gestorben.

 

 

Seite 13   Ohne Zagen

Auch aus Trümmern keimt das Leben

Ständig wieder neu.

Immer rastlos weiter streben

Woll'n wir ohne Scheu.

Hat dir das Schicksal gar vieles genommen,

Sei doch niemals verzagt.

Keiner kann je vorwärts kommen,

Der nur mutlos klagt!

Bolko Freiherr von Richthofen

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Dem deutschen Dichter, Ernst Wiechert, unserem Ehrenmitglied, geb. am 18. Mai 1887 in der ostpreußischen Försterei Kleinort in den Wäldern unserer Heimat, gest. am 24. August 1950, widmen wir in Liebe und Treue zu seinem Werk diesen Nachruf: „Ruhe allen Schlafenden und Friede allen Toten !" „ . . und wir wissen nicht, was Gott noch vorhat mit diesem Sand von Soiwirog." (Jeromin-Kinder) Ostpreußen-Bund in Bayern e.V. Kreisverband Wolfratshauaen i.A. Dr. Schlusnus

 

Heute früh verschied nach kurzer Krankheit, im 71. Lebensjahr, mein geliebter Mann, unser guter Vater. Schwiegervater und Großvater, Dr. med. Max Gentzen, Landesrat i. R. Charlotte Gentzen geb. Ehlers. Dr. med. Gustav Gentzen, Brunhild Gentzen geb. Häuer. Friedrich Gentzen, Frieda Gentzen geb. von der Trenck und vier Enkelkinder. Lübeck, den 2. August 1950, Körnerstraße 24.

 Frank Mecklenburg, geb. 08.10.1925 in Königsberg, (Pr.), gefallen 22.08.1944 in den Karpathen.

Wir trauern um ihn, wie um seinen ihm vorangegangenen Bruder Rolf, (1) Berlln-Zehlendorf, Brettnacherstr. 27, am 22. August 1950. Paul Mecklenburg. Gertrude Mecklenburg-Romeike.Bernd Mecklenburg

 

Seite 15   Suchanzeigen

 Paul Pawlowski, Schneidermstr., geb. 10.08.1892, Königsberg, Donauerstr. 1a, zuletzt bei Heeres-Bekleidungsamt, Abt. Abnahme. Wer kann Auskunft über seinen Verbleib geben? Nachricht an Margar. Pawlowski, Gartenberg 15 über Wolfratshausen bei München, Obb.

 

Bruno Eichler und Frau aus Danzig, Theaterpl. 20, gesucht von Gerhard Jeykowsky, früher Königsberg, Fasanenstr. 10, jetzt Landshut, Bay., Neustadt 519.

 

Studienrat Alfr. Eisenack, Königsberg, Maraunenhof, Lönsstr. wird gesucht von Dr. Raffel, 20a, Ebstorf, Kr. Uelzen.

 

Königsberger Yorck - Lazarett! Erbitte jetzige Anschrift: Sigurd Claassen, 14a, Schorndorf, Lange Str. 20.

 

Wer kann Auskunft erteilen über Frau Herta Sprenger, geb. Daegling, geb. 06.12.1919 sowie über Kind und Mutter? Soll in der Feldscheune Gut Sieckenhöfen, Krs. Samland am 03.02.1945 ums Leben gekommen sein. Nachricht erb. an den Verlag.

 

Adolf Clemens, pens. Reg.-Beamter, geb. 12.08.1864, Königsberg, Nollendorfstr. 7. Wer weiß etwas über den Verbleib meines Vaters? Nachricht erb. an Charlotte Clemens, Düsseldorf, Sternstraße 8-10.

 

Farnilie Karl Unruh, früher Königsberg, Hintertragheim 30 und Fritz Naujoks von der  Standortvermittlung Gumbinnen wird gesucht von Liselotte Konrodat, Herbergen bei Essen i. Oldenburg.

 

Narvik-Lager Danzig-Langfuhr. Wer kannte dort im Sommer 1945 Frau Ida Winarski

aus Königsberg-Pr., Schwesternheim Juditten. Nachricht erbeten an Dr. R. Schaefer, Dortmund, Hansaplatz 2

 

Gesucht wird: Otto Krause, Königsberg Ponarth, Dreysestr. 13, wurde Mitte Januar 1945 beim Volkssturm eingesetzt, ferner die Gefolgschaftsmitglieder der Firma Carl Järzembowski, Königsberg, Knochenstr. 38 sowie die Anschrift der Königsberger Baugenossenschaft, Am Schloß 2. Nachricht an Ernst Wolter, 20a, Celle, Spangenbergstr. 35.

 

Alpenverein Königsberg Pr. Die Mitglieder der ehem. Sektion Königsberg des Deutschen Alpenvereins werden gebeten, Ihre Anschrift baldigst dem letzten Vors. der Sektion Oberlandesgerichtsrat i. R. Zippel in (20b) Göttingen, Reinhäuser Landstr. 51, mitzuteilen.

 

Rohloff, Margarethe geb. Neumann. Hauptlehrer-Witwe, zuletzt wohnh. in Tannenwalde bei Königsberg (Pr.), wurde nach russ. Besetzung im März 1945 noch in Königsberg gesehen. Wer kann irgendeine Auskunft über ihren Verbleib geben? Nachricht erb. an Walter Rohloff - (17a) Karlsruhe, Nebeniusstr. 15.

 

Gollücke, Josef. 60 Jahre alt, zuletzt wohnhaft in Königsberg (Pr.), Vorderlomse 1a bzw. Georgstraße 34. musste bei der Flucht seiner Angehörigen (Ende Febr. 1945) als Volkssturmverpflichteter in Königsberg bleiben. Wer war mit ihm zusammen und kann Auskunft über seinen Verbleib geben? Nachricht erb. Maria Gollücke bei Rohloff in (17a) Karlsruhe. Nebeniusstr. 15.

 

Walter Lickfett, Landwirt verwaltete während des Krieges das Gut Rhein. Kreis Osterode, das Herrn Hauptmann Rogalla gehörte. Am 07.02.1945 von den Russen verschleppt, seitdem ohne jede Nachricht. Jede Nachricht erbeten an Frau A. Lickfett, Berlin-Steglitz, Lepsiusstraße 59, ptr.

 

Lisbeth Rehberg, Letchneu, Kreis Labiau, Emmy Volke. Königsberg Pr.. Rosenauer Straße 41, Willy Radtke. Königsberg Pr., Nachtigallensteig 14, von Rakuttis. Guttstadt, gesucht von E. Müller, (13a) Parsberg. Oberpfalz, Kirchberg 40

 

Joachim Fischer, Wachtm., geb. 09.12.1915 in Heilsberg, bis Ende Januar 1945 bei Ausb.-Kommando A I in Königsberg (schw. Flak), der Verteidigung Königsbergs zugeteilt. Letzte Feldpostnr. L 60 121 vom 03.03.1945. Seitdem keine Nachricht. Landwirt von Beruf, Heimatort: Gut Barrücken, Post Drugehnen. Wo sind seine Kameraden vom Ausb.-Komm. A I geblieben? Ausk. über Verbleib meines Mannes erb. an Ursula Fischer, Loewensen 81 b. Bad Pyrmont.

 

Gustav Bartel, geb. 29.09.1893 aus Königsberg, Friesestr. 16, gesucht von Frieda Bartel, 14b Urach/Wttbg., Friedenssir. 2-4.

 

Willi Koch, geb. 18.01.1914 In Eichendorf, Kr. Johannisburg. Letzte Nachricht 08.08.1944 aus Pisino, Feldpostnr. L. 61 978 e. Nach Aussagen von Kameraden ist er im April 1945 östlich Triest beim Rückzug über Po-Adria gesehen worden. Nachricht an Marie Koch, Sümmern 135, Krs. Iserlohn über Schwerte (Ruhr).

 

Samlandkämpfer! Balduhn, Hermann, Feldpostnr. 22 522 E, geb. 30.09.1906 Wilhelmrode, Kr. Labiau, Nachricht erb. W. Grigereit, Darmstadt-Hessen, Land II, Weidterstädterstr.

 

Frau Frieda Grentsch, geb, 07.11. (jetzt fehlt eine ganze Zeile) landweg 19 (b. 1945). Fritz Grentsch und seine Ehefrau Frieda geb. Philipp, Königsberg, Samlandweg 19. Nachricht erbeten an Emil Staedler, Berl.-Zehlendorf, Am Wieselbau 25

 

Wer kann Auskunft geben über Willy Wenskat, geb 26.05.1892, Einkäufer u. Abt.-Leiter der Firma Siebert, zuletzt gesehen im Gefängnis in Königsberg u. Stablack. Nachricht erbet, an H. Wenskat, Mühlhausen/Thür., Bahnhofstr. 21b bei Olbrlsch.

 

Wischnat, Hans, Johanna u. Ida, früher  Wiebenfeld, Kreis Ebenrode, letzte Nachricht aus Uderwangen b. Königsberg, gesucht von Rud. Wischnat, Geinsheim, (Pf.), Neuer Weg 213 ½  

 

Emil Stachel, geb. 08.10.1874 und Tochter Erna, geb. 01.08.1920 werden gesucht v. Lina Stachel. Nachricht an Käthe Bohr, 19 Hoym/Anh. üb. Aschersleben, Beidscheidstr. 4.

 

Martin Smolinski, geb. 10.11.1903 gesucht von Erika Reinhardt, Weilheim/ Hohenz.. Kr. Hechingen.

 

Frau Luttge, 1946 nach Westdeutschland gekommen mit Nachricht für mich, wird gesucht von Lisa Wosegien, Mainz, Frauenlobstraße 24.

 

Wer kann Nachricht geben über das Schicksal meiner Schwester Anna Ruppscheit, geb. 05.01.1907 in Essen Ruhr und Kind Klaus-Willi Ruppscheid geb. 28.02.1944 in Insterburg. Letzter Aufenthalt Drosedow (Siedlung), Kreis Kolberg. Letzte Nachricht 06.06.1945 aus Pommern. Heimatanschrift: Wiepenheide. Kr. Labiau, gesucht von Helene Stöllger, 16. Eddersheim, Okrifte-lerstr. 11, Kr. Main-Taunus.

 

Königsberger Ärzte: Obermedizinalrat Dr. Jankowskl und Dr. Plorin, zuletzt Leiter des Roten Kreuzes, Farrensteiner, taubstumm Dentist. Gaertz, Rürovorsteher, gesucht von Martin Raabe, Berlin W 15, Pariser Str. 15

 

Helmut Perlowski, Feldw. der Feldpostnr. 15 858, in Zinten in russ. Gefangenschaft gekommen. Nachricht erbet, an Lehrer Kurt Perlowski, Egels 32, Kreis Aurich Ostfr.

 

Lehrer Kurt Friedrichsdorf. Valeska Friedrichsdorf geb. Frass, Werner und Inge Friedrichsdorf, zuletzt wohnh. Graudenz, Westpr., General-von-Both-Str. 56, Nachricht erb. an Kurt Perlowsky, Egels, Kr. Aurich.

 

Otto Raeder, Uffz., geb. 27.10.1896 in Bärenbach, Kr. Schloßberg. Am 25.02.1945 in Stolp gewesen, von dort angeblich nach Danzlg-Langfuhr. Nachricht erb. an M. Raeder, Tierstein bei Rottweil a. V.

 

Achtung! Wer kann Nachricht über meinen Sohn geben, Soldat Willy Dadd. geb. 22.02.1926 in Kl. Hubnicken bei Palmnicken. Letzte Nachr. Dezember 1944 aus Warschau. Nachricht erbeten an Gustav Dadd, Ostermoor, Altenkoog/Holst.

 

Dipl.-Ing. Willy Hans Noske, Königsberg, Wildenbruchstr. 12, wurde im April in oder bei Königsberg gefangen und befand sich dann in Jelabuga bei Moskau bis Sommer 1946. Seitdem fehlt jede Snur. Nachricht erbeten an Frau M. Noske, Winterthur (Schweiz), Anton-Graff-Str. 45.

 

Fischbacher. Werner, Dipl.-Landw., geb. 19.09.1903 Königsberg, Hauptzugf. vom Volksst. Kampfgruppe West C, 4. Komp., war im Mai 1945 im Gef.-Lager Stablack. Für jede Mitteilung dankbar: Edith Fischbacher, 23 Melle, Waldstr. 28.

 

Frida Fahl geb. Kösling. Königsberg, Hans Saganstr. 37 oder Verwandte, Erna Katzmierszack, geb. Neumann, Königsberg, Lieper Weg oder Sackh. Hinterstr. 62 gesucht von Charl. Wolter geb. Lange. 20a, Celle, Spangenbergerstr. 35.

 

 

Seite 16   Frauenburg. Von Agnes Miegel.

Eine der schönsten Elegien der ostpreußischen Dichterin

 

Ich blick vom hohen Uferberg

weit übers frische Haff hinaus,

unserer Lieben Frauen Burg,

im ganzen Land ihr schönstes Haus!

Ich funkel von dem Hügelstrand

aus meiner spitzen Türmlein Kranz,

wie aus des frommen Priesters Hand

die sonnenstrahlende Monstrand.

Zum Norden dunkelt grün wie Moos

die Kiefer aus dem Heidetal,

nach Süden rauscht silbern und hoch

der säulenhelle Buchensaal.

Im Hafen ruht von Fahrt und Fang

behaglich schaukelnd Boot an Boot.

Ein Garten ist der Wiesenhang,

so bleichplatzgrün, so kirschenrot'.

Über der Hügel Laubgewind

wie Beeren glüht mein rotes Kleid

und breitet seinen Saum so lind

und über des Städtchens Traulichkeit.

Der Himmel ist selig blau,

so blau wie Nehrungswald und Flut,

als ob der Mantel Unsrer Frau,

der golddurchwirkte, drüber ruht!

Wehrhafter Wächter späht vom Wald

abseits der Glockenturm hinab.

Es kündet seiner Glocken Schall:

gut wohnt sich's unterm Hirtenstab!

Im Domhof bei dem Kurienhaus

von eines andern Turmes Wacht,

ein anderer Wächter sah hinaus

in sternenklarer Winternacht:

Kopernikus, mein größter Sohn!

Und als der Morgen stieg herauf,

er sprach, ein zweiter Josua:

„Sonne, steh still in deinem Lauf!"

Des Turmes zarte Galerie, die Bücher drin er sinnend las,

Schrift, die er schrieb — wo blieben sie?

Wie kam's, dass man sein Grab vergaß?

Ach. Feindes- und Hussitengreul

und Bruderhass und Schwedennot

und aller Kriegswut Schlangenknäul

hat schäumend dieses Haus bedroht.

Bei Wisby an dem roten Kliff

klagt noch aus tiefem Meeresgrund,

aus dem gesunkenen Räuberschiff

geweihter Glocken heilger Mund.

Doch heut noch wie zu jener Zeit

prangt meines bunten Giebels Glanz

und trägt der Türme Zierlichkeit

und festlichen Arkadenkranz.

Durch Vorbau noch und durch Portal,

den friesgekrönten Vorhof zieht

zu meinem hellen Pfetlersaal

Herde und Hirt mit frommem Lied.

Noch wandert durch den Hallengang,

wie ihrer Domherrn Prozession,

geschmückter Altäre Lobgesang

bei Segensspruch und Orgelton.

Noch spannt sich hoch und bogenbunt

des Sterngewölbes Himmelsbild,

zu dem aus dunklem Fliesengrund

Gebet wie duftender Weihrauch quilt

Und aus dem Säulenwalde fern

am Frühaltar lischt Licht an Licht.

So bleicht im Nebel Stern an Stern,

wenn über Feld der Tag anbricht.

Und über der andächtigen Schar

der Betenden im braunen Chor

hebt marmorhell der Hochaltar

engelumrauscht sein Morgentor!

Ich blick vom hohen Uferrand

weit übers Haff im Frühlingsglanz.

Es funkelt bis zum Nehrungsstrand

auf meinem Haupt der Türme Kranz

Es weht der frische Morgenwind,

im Haff die bunten Segel stehn.

So werden Kind und Kindeskind

von diesem grünen Ufer sehn.

Und ist versiegt des Haffes Flut,

des Töpfers Ofen ausgebrannt. —

wir bleiben deiner Fischlein Brut,

wir bleiben Ton in deiner Hand!

Wir bleiben Kinder, die vom Strand

verspielt nach fremden Segeln sehn

und die an ihrer Mutter Hand

müde am Abend heimwärts gehn!

 

Seite 15   Der Dom von Frauenburg


Im 14. Jahrhundert erbaut, war das wuchtige Backsteinbauwerk die Wirkungsstätte von Nikolaus Kopernikus, der hier sein weltumwälzendes Werk „De revolutionibus orbium coelestium" schrieb. Armselig war seine Sternwarte im Kopernikusturm, unbekannt ist seine Grabstätte im Dom geblieben, aber ewig lebt sein Werk aus weltumspannenden Geist.

 

Seite 15   Mein Ermland will ich ehren ….

Der ausgesprochen katholische Charakter des Ermlandes war letzten Endes das Ergebnis der staatsrechtlichen Sonderstellung, die dieser Landstrich innerhalb des ostpreußischen Raumes schon sehr bald nach seinem Eintritt in die Geschichte eingenommen hat. Erst wenige Jahrzehnte war es her seitdem der deutsche Ritterorden das Land der heidnischen Preußen zwischen der unteren Weichsel und der unteren Memel überhaupt erst dem christlich - abendländischen Kulturkreis endgültig einzufügen begonnen hatte. Kaum 20 Jahre später ist dann das Fürstbistum Ermland als selbständiges Staatswesen. 

Mitten im protestantischen Ostpreußen lag in früheren Jahrhunderten wie eine Insel im Ozean ein rein katholischer Landstrich, das Ermland (d. s. die vier landrätlichen Kreise Braunsberg, Heilsberg. Rössel und Allenstein) Bis zum Ende seiner staatlichen Selbständigkeit im Jahre 1772 hatten die Protestanten hier, um einmal Ausdrücke zu gebrauchen, die uns Flüchtlingen sehr geläufig geworden sind, nur „Aufenthaltsgenehmigung", aber keinen „Zuzug" Sie mussten daher wenigstens einmal im Jahre, wenn auch nur für kurze Zeit, ihren Aufenthalt unterbrechen. Da reisten sie dann ins benachbarte Herzogtum Preußen, also ins Ausland, vielfach nach dem nächstgelegenen Städtchen Zinten. von dem ja deshalb bis in die jüngste Vergangenheit die Redensart ging: „Zinten ist Ausland", gegründet worden, in dem Zeitpunkt nämlich wo der ermländische Bischof Anselm sich am 27. April 1251 den mittleren Teil seiner Diözese als weltlichen Herrschaftsbereich ausgewählt hatte. Da indessen bereits Bischof Anselm ein Drittel seines eigenen Landgebietes wiederum dem ermländischen Domkapitel mit den gleichen Hoheitsrechten abgetreten hatte, gab es im Fürstbistum Ermland bis Ende seiner staatlichen Selbständigkeit zwei Staatsgewalten nebeneinander: den jeweiligen Bischof und für die Bezirke um Frauenburg. Mehlsack und Allenstein das Frauenburger Domkapitel. Beide Landesherren haben von Anbeginn einen ganz wesentlichen Einfluss auf ihre Untertanen ausgeübt, sowohl auf ihre Zusammensetzung und Besitzverteilung wie auch auf die geistige Haltung der Bevölkerung.  

Dieser Tatsache ist es zuzuschreiben, dass die Ermländer auch im Zeitalter der Reformation der katholischen Kirche die Treue gehalten haben. Während die übrigen Landesherren Ostpreußens, allen voran der letzte Hochmeister des Deutschordens. Albrecht von Hohenzollern. in ihrem Machtbereich die lutherische Lehre durch behördliche Anordnung eingeführt hatten, haben auf der anderen Seite die Bischöfe Mauritius Ferber und Stanislaus Hosius durch energische Abwehrmaßnahmen den Bestand des katholischen Bekenntnisses im Ermland ein für allemal gesichert .So schien es uns wenigstens, bis dann rund vier Jahrhunderte später mit einem einzigen Schlage alles anders wurde, bis die gesamte bisherige Lebensgrundlage des ermländischen Volkes durch die furchtbare Katastrophe des Jahres 1945 radikal ausgelöscht worden ist. Von den mehr als 270 000 Menschen, die 1945 das alte Ermland bewohnten, dürften etwa 170 000 in Restdeutschland Aufnahme gefunden haben; freilich sind sie auf unzählige Ortschaften in allen vier Zonen verstreut. In größerer Zahl findet man heute Ermländer vor allem in den nördlichen Teilen Deutschlands, in Mecklenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Je weiter man nach Süden kommt, desto mehr verebbt die Woge, desto geringer wird der Anteil der Ermländer.

Entnommen dem Ermländischen Hauskalender 1950 Aufsatz: „Wo die Ermländer herstammen" von Hans Schmauch.

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