Ostpreußen-Warte, Folge 08 vom November 1950

Seite 2   Entstehung eines neuen Volkes

 Die Entstehung eines neuen Volkes aus Binnendeutschen und Ostvertriebenen. Herausgegeben von Dr. E. Lemberg unter Mitwirkung von - L. Krecker. Marburg-Elwert 1950. (Schriften des Instituts für Kultur- und Sozialforschung, München, Bd. 1). 

Das Institut für Kultur- und Sozialforschung in München beschäftigt sich planmäßig mit der Erforschung der Strukturwandlungen unter den europäischen Völkern. Es lässt sich dabei von dem Gedanken leiten, dass heute im Zeitalter riesiger Völkerwanderungen die Wissenschaft mehr denn je die Verpflichtung hat, zeitnah zu bleiben und durch ihre Arbeit mitzuhelfen bei der Lösung der brennenden Gegenwartsfragen. Wir können uns dieser Auffassung nur anschließen. Die Geisteswissenschaft von heute sieht sich Aufgaben gegenüber, die sie in engste Verbindung mit dem Leben bringt, und denen sie gerecht werden muss. Denn es ist ihre Sache, die Unterlagen dafür zu schaffen, dass Urteile möglich werden, die Ihrerseits wieder die Voraussetzung für den Neuaufbau und die Neugestaltung des Lebens sind. Die vorliegende Schrift bietet ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig solches Forschen sein kann.  

Es ist in den letzten Jahren immer wieder die Forderung aufgestellt worden, man müsse den Heimatvertriebenen helfen ihnen ihr Los erleichtern. Und immer wieder werden von den Flüchtlingen selbst Forderungen gestellt, die nur zu begreiflich sind. Nicht weniger .verständlich aber auch - mag sie von vielen auch als sehr unerfreulich empfunden werden - ist die abwartende und oft ablehnende Haltung der Einheimischen. Was soll man also tun, um beiden Seiten gerecht zu werden? Diese Frage lässt sich nicht beantworten, wenn man sich nicht klar wird darüber, was dieser Einbruch der Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten in das westdeutsche Gebiet bedeutet. Diese Frage zu beantworten ist Sache der Wissenschaft. Aus ihrer Antwort mögen dann die Politiker die Folgerungen ziehen.

In diesem Bereich gehört die von Dr. H. Lemberg herausgegebene Schrift. Sie fasst zehn Einzeluntersuchungen zusammen, in denen nach einem vorher festgelegten Forschungsplan ein Arbeitskreis junger Forscher die Verhältnisse In einzelnen Gemeinden des Regierungsbezirks Kassel darstellt. Die Grundlage bildet sehr umfangreiches statistisches Material. Wir gewinnen einen Überblick über den zahlenmäßigen Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtbevölkerung über die Herkunft und die soziale Gliederung der Flüchtlinge und den Berufswandel. Besonders berücksichtigt sind auch die Fragen Jugend und Schule.  

Diese Statistiken bilden jeweils die Einleitung der Untersuchungen. Dann erst greifen sie die eigentliche Problematik auf, die Gegenüberstellung des Alten und des Neuen, oder anders ausgedrückt, Ausgliederung aus der alten Heimat und die Eingliederung in die neue Umwelt. Hierbei, ergeben sich naturgemäß eine Fülle von Gegensätzlichkeiten, die das Verhältnis von Altbürgern und Neubürgern belasten.  

Alle diese Untersuchungen sind sehr sorgsam vorgenommen worden. Sie enthalten sich aller Urteile, stellen vielmehr nur Tatsachen fest. Gerade darin besteht der Wert dieses Buches. Wer sich die Mühe nimmt, es aufmerksam zu lesen und zu durcharbeiten, wird - mag der Ausschnitt auch nur ein sehr kleiner sein gemessen an dem westdeutschen Gebiet - klar eingeführt in die Problematik, die sich aus dem Hineinströmen der Flüchtlinge in den Westen ergibt, eine Problematik, die von beiden Seiten her betrachtet werden muss von Alt- und Neubürgern.

 

Es würde zu weit führen, auf die einzelnen Untersuchungen einzugehen. Sie erstrecken sich auf dörfliche und städtische Siedlungen. Wesentlich ist, dass hier erstmalig gezeigt worden ist, wie man das Problem anpacken muss, will man die Voraussetzungen für eine Lösung der Frage der Heimatvertriebenen finden. Denn diese zehn kleinen Bilder vermitteln klar die Verzweigungen der Fragestellung, zeigen die Schwierigkeiten, die gemeistert werden müssen und die bestehenden Interessekonflikte.

Dr. Seraphim

 

 

Seite 2   Wiedersehen nach fünf Jahren

 Nach fünf Jahren fand jetzt der 22jährige Rudolf Theiss als letzter einer zehnköpfigen Vertriebenenfamilie seine Angehörigen in Goldhausen (Hessen) wieder. Die Familie musste Anfang 1945 aus Ostpreußen flüchten. Als der damals 16jährige auf dem Bahnhof Stargard in Pommern Brot holen ging, wurde er von einer Wehrmachtstreife festgehalten und dem Volkssturm eingereiht.

 

 

Seite 2   Wenn die Sternsinger kamen

 Die frostklirrende Winternacht wirft ihre ersten Dämmerschatten über das ostpreußische Land drunten in Masuren hinter Seen und Wäldern über Städte und Dörfer und Einzelgehöfte. Ringsum braust die verschneite Kiefernheide in dem tönenden Schweigen der weiten, großen Welt. In den Städten. haben die Menschen längst ihre Läden, geschlossen, und auf den Höfen wird Feierabend gemacht; das Vieh in den Ställen ist beschickt, und der Großknecht wandert mit der Laterne und den Schlüsseln die Stalltüren ab. Herrschaft und Gesinde sammelt sich um den Abendbrot-Tisch. In der Ferne ist das Klingen von Schlittenglocken zu hören - vereinzelt, denn hier und da strebt noch ein Verspäteter auf der Rückfahrt von den Weihnachtseinkäufen dem heimatlichen Dorfe zu.

 

Jetzt, wenn die stillen Winterabende ihre längste Zeit dauern, wenn die Menschen auf dem weiten masurischen Lande um das matte Licht der Kerze oder Petroleumlampe erzählend herumsitzen, am warmen Ofen, in dem die Buchenscheite zischen und knallen, war für das Entfernteste Dorf und jedes noch so verlorene Gehöft eine besondere Zeit gekommen. Alte, fast vergessene Lieder erwachen, und wundersame Erzählungen gehen von Mund zu Mund. - Und plötzlich ist es auch draußen lebendig geworden. Gesang ist zu hören, getragen und lang gezogen, wie es die Art der einfachen Menschen dort unten war: „Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt . . ." Man hört die führende Stimme des Lehrers, um den sich die jungen Burschen des Dorfes zum Sternsingerumzug gesammelt haben. Als hätte man sie erwartet - wie es denn auch wirklich so ist -, erfasst alle eine freudige Erregung: „Sie kommen — die Sternsinger kommen!" stellt man fest, und die Hausgenossen stürmen hinaus, die Kinder voran, und treten vor die Tür, durch das Hoftor, auf die Dorfstraße, die herannahenden Sternsinger zu empfangen.

 

„Wir treten herein ohne allen Spott, einen schönen guten Abend, den geb. euch Gott, einen schönen guten Abend, eine fröhliche Zeit, die uns der Herr Christus hat bereit!" Die Weihnachtszeit mit ihrem ganzen Wunder der frohen Heilandsbotschaft und dem Wiedererscheinen eines neuen Lichtes um die Wintersonnenwende soll der Allgemeinheit angesagt und von allen begrüßt werden . . . Voran geht der „Anführer" mit dem großen, bunten Lichtstern. An einem stillen Sonntag hat er den Stern vom Boden geholt, wo er das Jahr über verwahrt war. Es ist ein phantastischer, bunter Stern. Sorgsam hat der Sternträger den Staub vom Pafier abgeblasen und es mit Gänseschmalz frisch eingefettet, damit es recht durchscheinend wird. Hoch überm Kopf trägt er den mit einer Kerze erleuchteten Stern auf einer Stange dem Zuge voran, und ab und zu rührt ihn der Sternträger leise mit der Hand an, dass er sich dreht und ein buntes, farbiges Lichtspiel auf den Schnee wirft.

 

Vorsichtig haben auch die Begleiter ihre Laternen angezündet - der starke Ostwind bedroht die zitternden Flämmchen -, und Adventslieder klingen durch die kalte Nacht. In der Mitte der Sternsänger ziehen in seltsamer Vermummung die „Hirten auf dem Felde", die „Heiligen drei Könige" oder die „Weisen aus dem Morgenlande" mit, die in Ostpreußen schon in der Adventszeit in den volkstümlichen Umzügen auftraten, die Tradition altdeutscher Spiele der Weihnachtszeit auch im deutschen Osten überliefernd.

 

Überall, wo der bunte Stern vor Hoftor und Haustür erscheint, empfängt ihn eine erwartungsvolle, tiefinnerliche Freude. Verwundert blicken die Kinderaugen in das schöne Licht - in dunkler Winterkälte, und die Alten ergreift die Beglückung der nahen Weihnachtszeit. Ergriffen stimmen sie in den Adventsgesang ein. - Die Sternsänger ziehen vors nächste Haus, und fröstelnd kehrt man in die Stube zurück: Aber Weihnachten ist nahe, das Fest des Lichts, das in den Herzen der Menschen bereits angezündet ist. - Von fern her aus dem Dunkel der masurischen Dezembernacht trägt der Ostwind abgerissene Stücke des Liedes der Sternsinger herüber zu uns aus der Heimat vertriebenen und verstreuten Ostpreußen, und wir fügen das zerrissene Lied wieder zu einem Ganzen und die zerstreuten Menschen wieder zu einer echten und treuen Gemeinschaft.

Dr. Walter Schlusnus

 

 

Seite 2   Unterricht in Heimatkunde. Eine Anregung

 Kurator Dr. h. c. F. Hoffmanns inhaltsreicher Aufsatz, „Erhaltet die ostdeutsche Kultur!" in Nr. 5/6 der „Ostpreußen-Warte" veranlasst mich zu folgendem Vorschlag:  

Wenn wir in unseren ostpreußischen Flüchtlingskindern das Denken und die Erinnerung an die Heimat wach halten wollen, so müssen wir zunächst ihr Wissen um die Heimat wecken und befestigen. Dazu gehört nicht nur das Festhalten an ostpreußischen Sitten und Gebräuchen, dazu bedarf es auch regelmäßiger Unterrichtsstunden über Ostpreußens Geographie und Geschichte, Land und Leute, Städte und Dörfer. Klima und Wetter, Fauna und Flora, Handel. Industrie und Verkehr. Solche Unterrichtsstunden müssten nicht nur in allen größeren Städten des Bundesgebietes, sondern auch in allen Dörfern, in denen ostpreußische Flüchtlinge gesiedelt haben, eingeführt werden.

 

Diese Stunden müssten von langjährigen Einwohnern Ostpreußens, am besten geborenen Ostpreußen gegeben worden, an Schulen, die keinen aus Ostpreußen stammenden Lehrer haben, auch von Nichtlehrern, die sich dazu berufen fühlen und mit Freude und Eifer an dieser wertvollen Heimatarbeit betätigen.

 

Als Leitfaden für diesen Unterricht können die vielen über Ostpreußen bereits erschienenen, meist reich bebilderten Bücher dienen Es wäre aber sehr dankenswert, wenn der Göttinger Arbeitskreis sich noch zur Herausgabe eines kurzen aber erschöpfenden Leitfadens „Ostpreußische Heimatkunde" entschließen könnte. Reichen Stoff und gute Anregungen für diesen Unterricht, findet der Lehrer und jeder der sich an diesem Unterricht beteiligen will, besonders in der „Ostpreußen-Warte".

Unsere ostpreußischen Flüchtlingskinder sind das wertvollste Heimatkapital; nur wenn wir Heimatwissen und -erinnerung in ihre Herzen pflanzen, kann sich dieses Kapital verzinsen und reiche Früchte tragen, wenn einst der Ruf erschallt: „Auf, in die Heimat Ostpreußen!" Und viele alte Ostpreußen, diesen Ruf nicht mehr hören und  ihm folgen können, weil sie fern der ersehnten Heimat gestorben sind.

 Der Tag verglüht im Abendsonnenschein,

Auf leisen Schwingen naht die Nacht

Und hüllt in Dunkel alle Pracht.

Die eben strahlte hell und rein.

So löscht das Leben einst der Tod,

Das strahlend noch im Abendrot,

Wie einer Fackel helles Licht.

Im Todeskampf so rasch zerbricht!

Mit diesem Unterricht in der Heimatkunde würden erreichen, was Gorch Fock mit den Worten ausdrückt: „Die Heimat ist der Schlüssel zur Seele des Menschen, dann aber gibt es Menschen, die der Schlüssel zu ihrer Heimat sind."

Dr. Richard Gutzeit.

 

 

Seite 4   Steffeck-Bilder

 Um Auskunft wird gebeten über den Verbleib der Bilder des verstorbenen früheren Präsidenten der Königsberger Kunstakademie, des Geschichts- und Tiermalers. Prof. Carl Steffeck. Die Bilder befanden sich im Königsberger Schloss, in der Regierung und im Staatl. Wilhelms-Gymnasium. Mitteilungen erbittet die Schriftleitung.

 

 

Seite 4   Gedanken zum Totensontag

Noch einmal will ich durch den vielleicht letzten heiteren Herbsttag wandern, um Abschied zu nehmen von den schönen vergangenen Jahreszeiten. Wie war der Frühling so lieblich in seinen zarten Farben mit den duftenden Veilchen, dem ersten Grün und dem neu erwachten Vogellied. Mit zahllosen Blüten und goldenen Ähren beglückte uns dann der Sommer, eine Zeit der Reife und Erfüllung.

 

Nun schmückt sich die Natur ein letztes Mal mit den allerschönsten Farben. In herbstlicher Buntheit prangen Wald und Alleebäume. Eine Vielgestaltigkeit aller Farbenpracht ist noch einmal wie eine Farbsinfonie ausgegossen, um unser Herz und Auge zu entzücken. Bald aber wird alles vergangen sein. Unsere Füße werden durch welkes, raschelndes Laub schreiten. Die Bäume werden kahl ihre nackten Arme gen Himmel strecken. Nebel werden ihre dichten Schleier über alles Land breiten und uns den Blick in die Weite gen Osten versperren, gespensterhaft wird alles grau in grau vor uns liegen; Vergänglichkeit! Uns ist der tiefe Sinn aller Vergänglichkeit in besonders harter Schule bewusst geworden. Wo sind die Dinge geblieben, an die wir unser Herz hängten, wie Heimat, Hab und Gut und liebe Freunde. Alles ist vergangen wie ein Traum und es gilt, sich mit der Wirklichkeit abzufinden, Fuß zu fassen, sich lieben, gleichgesinnten Menschen anzuschließen, aufzubauen und Neues zu schaffen.

 

Aber wo bleiben unsere Toten, die in der geliebten Heimaterde ruhen? Besonders schwer wird unser Herz, und das Auge füllt sich mit Tränen, wenn wir sehen, mit wie viel Liebe ringsum die Gräber geschmückt werden. Gerade zum Totensonntag ringt treues Gedenken nach liebender Gestaltung:

 

Nebelverhangen und schwer die Luft, von letzten Astern ein zarter Duft, ein einziges, graues, trostloses. All und aus dem Nichts ein klingender Schall: Glockenklang - Gruß unseres Toten. Unsere Toten ruhen im Niemandsland, ihre Gräber schmückt keine liebende Hand. Kein deutscher Laut mehr um ihre Gruft, zwischen Gestern und Heute welch tiefe Kluft.

Vergangen - nur eines ist beständig geblieben in allem Chaos der Geschehnisse: Gott. Nur der Glaube an ihn kann uns die traurigen und schweren Gedanken von der Stirn wischen. Es ist doch nur die äußere Hülle unserer Lieben, die wir zurücklassen mussten, und die dort unter kühlem Rasen ruht. Sind auch in sinnlosem Hass unsere heimatlichen Friedhöfe zum Teil eingeebnet, wir wissen, dass wir trotzdem unsere Toten in der ewigen Heimat wiedersehen werden. Wenn uns auch die Novembertage mit ihrer Trostlosigkeit betrüben, lasst Euch nicht von der Schwere der Zeit zu Boden drücken. Erhobenen Hauptes wollen wir unseren Weg gehen und in Gedanken über die Straßen unserer Heimat schreiten und sinnend vor den Gräbern stehen, wie sie uns in der Erinnerung bewahrt geblieben sind und geloben, dass wir nicht ruhen und rasten werden, bis die teuren Toten wieder in deutscher Erde schlafen werden. Sie sind nicht tot, sie warten auf die Ewigkeit und vielleicht auch darauf, dass wir das Land unserer Väter nicht aufgeben werden, sondern den geistigen Kampf um seine Rückgliederung ins deutsche Vaterland weiter Austragen.

 

Für uns soll aus dem Totensonntag ein Ewigkeitssonntag werden, denn tot sind unsere heimgegangenen Lieben nicht, sie sind nur für die Ewigkeit aufbewahrt. Als tot begraben aber wollen wir allen Hass, Zank und Bruderneid und ein Volk werden aus lauter Menschen, die guten willens sind. Wenn wir soweit gekommen sein werden, vielleicht hat dann auch die Zeit unserer Prüfung ein Ende. Darum wollen wir zum Totensonntag geloben, dass wir den alten Adam in uns töten wollen und Neues und Gutes in uns aufbauen im Glauben an den dreieinigen Gott. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.

Gretel Hewner

 

 

Seite 4   Ein Brief aus dem Ermland

 „... Am Grabdenkmal meiner Eltern war die Tafel mit der Inschrift: „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben, denn ihre Werke folgen ihnen nach" abgerissen. Denn ein Ukas befahl, alle deutschen Aufschriften zu entfernen. In D... war beim Grab meiner ältesten Schwester die Rückwand mit der Inschrift umgeworfen. Der Totengräber erzählte mir, dass unnütze Bengel solchen Unfug mit deutschen Grabtafeln machen. In O... berichtete mir der Totengräber, dass alle Friedhöfe im Bezirk D ... verstaatlicht sind. Der Klerus darf noch die kirchlichen Funktionen vornehmen, darf aber nicht die Grabstätten anweisen, das macht der staatliche Verwalter. In O... wurde mein ältester Bruder 1945 nur in eine Steppdecke gewickelt begraben. Die Stadt Danzig, die schrecklich verwüstet ist, wird wieder etwas aufgebaut und die historischen Gebäude werden in alter Form wieder hergestellt.

 

Wie ich nach H ... zurückkehrte, erschien mir die Stadt leer und tot, wie sie wirklich ist trotz ihrer 8000 Einwohner. Die privaten Geschäfte sind eingegangen und die Läden sind geschlossen. Gebaut wurde bisher nichts. Nun fängt man an, einige noch gut erhaltene Häuser aufzubauen. Demnächst fängt man an. Ob die Bauten bis zum Frost noch fertig werden? Die Ermländer, die hier noch zurückgeblieben sind, fühlen sich nicht behaglich und möchten fast alle heraus. Doch alle Versuche, (Briefe, Fahrten nach Allenstein und Warschau) blieben ohne Erfolg... Die in der Ferne wohnenden haben Sehnsucht nach der alten Heimat. Ob aber die Heimat unter solchen Verhältnissen noch erstrebenswert ist? Wir fühlen und empfinden es. Vielleicht weiß man dort von uns alles. Warum wollen die Alteingesessenen, die Autochtonen, durchaus fort? ...

 

Viele Kirchen sind noch verwaist, so Reimerswalde, Raunau, Roggenhausen, Krekollen, Kiwitten, Schulen. Siegfriedswalde. Blankensee, Reichenberg, Süßenberg, Stolzhagen und viele Pfarreien um Guttstadt herum. Im Kreise Braunsberg gibt es nur zwei Landpfarrer, ebenso schlimm sieht es im Kreise Rössel aus. Die aus dem Osten gekommenen polnischen Geistlichen haben sich auf die Kreise Lyck, Treuburg, Lötzen, Angerburg, Johannisburg, Ortelsburg, Neidenburg, Mohrungen, Pr. Holland, Elbing Rosenberg, Marienwerder, also auf die früher evangelischen Teile verstreut. Die

Katholikenzahl ist gegenüber früher, mehr als doppelt so groß... in einigen Pfarrhäusern sind noch aus früheren Zeiten Bücher (Borromäusbücherei). die mir eine willkommene Lektüre bieten. Das Lesen ist meine einzige Zerstreuung."

 

 

Seite 4   Friedhof mit zerstörter Kirche

 Wie Kinder, die in dunkler Stube warten

auf ihre Mutter, die von dannen ging,

so stehst Du da, ein weher Gräbergarten,

an dem so banges, rotes Grauen hing.

 

Die kleinen Hügel blühn und sprießen weiter,

bedeckt mit Rosen und Vergissmeinnicht,

und über allem liegt - mal grau, mal heiter –

des Himmels allumfassendes Gesicht.

 

Die Mutter ging - es stürzten die Gesteine

der alten Kirche auf das Blütenfeld –

doch blieben ihre Kinder nicht allein.

Das Herz blieb da, der Himmel und die Welt.

Margot Krumm

 

 

Seite 5   Adventliche Reise nach Königsberg. Carla von Bassewitz

 Wenn die letzten Novembertage kommen und der erste Advent ihnen folgt - wenn in diesem westlichen Lande die Luft weich und dunstig ist und die Buchen im letzten Laub wie rote Flammen in der hellen Nebelmasse stehen - dann ist es bei uns im Osten schon Winter.

 

Die Linden auf den Marktplätzen der kleinen Städte schütteln ihre blätterlosen, kahl gerupften Häupter im Sturm. Eisig fegt er über die Chausseen, durch die Ritzen und Decken, in denen die Landleute „schubbernd" auf ihren Fuhrwerken zur Stadt „reisen". Denn in Ostpreußen heißt jede kleinste Fahrt „Reise", auch eine von nur 10 bis 15 km nach Königsberg, die in einem solchen Pferdeland wirklich keine Rolle spielt.

 

Um diese Jahresfrist hilft nur noch der Fußsack unten herum, wenn man nicht ganz verklamt ankommen will - und oben herum die über den Kopf geschlagene Decke, sowie der in Windrichtung aufgespannte Regenschirm.

Zu beiden Seiten der Chausseen liegen die abgeernteten Rübenschläge. Die langen Mieten in der Nähe der Feldwege sind längst bedeckt - auf den Firsten ragen die Strohwische goldgelb aus der Erde heraus.

 

Der Klee hat sich gut eingewachsen, seit der Roggen über ihm geaustet ist. An der kleinen Fichtenschonung äst ein Rudel Rehe und springt ohne Hast, in natürlicher Anmut, über die Schollen des tief gepflügten Nachbarschlages ab.

 

Dicht und grün steht der Roggen - unser liebes Brot - von den ersten Schneefällen her fein überstäubt mit einer leichten weißen Decke, die auf den Wegen längst zu Matsch geworden ist.

 

Nach dem Lauther Mühlenteich, den Dörfern mit ihren alten Alleen und den grün bepflanzten Glacis tauchen am Ende der Chaussee ohne einen Übergang durch Vorstädte die Häuser von Königsberg über dem alten Littauer Wall auf.

 

Der scharfe Geruch der Cellulosefabrik „anderseits" Pregel wird vom Sturm zu uns herübergeweht. Bepelzte Fußgänger begegnen den Führen - gekleidet in das treue Schaf, das nützliche Tier und das bescheidene und brauchbare Kaninchen - wie herrlich warm halten die hohen Ohrenklappen aus „Truschbock!"

 

Hinter dem Sackheimer Tor, das schmal und niedrig - ein ernstes Denkmal früherer Verteidigung - noch immer den Eingang zur Stadt begrenzt, spannen die Fuhrwerke „bei Sauerbaum" aus - während die Autobusse rechts zum Kleinbahnhof am Königstor umbiegen.

 

Die Läden der vertrauten Straßen tragen jetzt weihnachtlichen Schmuck. Sogar die Behörden tun es- nicht unter einer großen Tannenvase mit Silberfäden neben jeder Schreibmaschine! Die freundlichen Geschäftsinhaber und Verkäufer kennen uns alle seit Jahren, und haben schon daran gedacht, was wir diesmal zum Fest brauchen werden. Wie wohl tat der menschliche Ton des Vertraut seins auch im Geschäftsverkehr.

 

In den alten Konditoreien wie Plouda, Schweriner. Zappa und Gehlhaar liegt im Tannengrün der Schaufenster Königsberger Marzipan nach 100jährigen Rezepten mit braungebrannten Rändchen, Puderzuckerguss und bunten, kandierten Früchten belegt - neben Herzen und Törtchen das fein modellierte Relief des Königsberger Schlosses in allen Größen.

 

An der roten Kirche in der Bernsteinmanufaktur leuchten rötlich und zart gelb unter dem Adventskranz die geschnitzten Kunstwerke aus „Samlandgold" - vom Becher, aus dem Herzog Samo sich in der Gefangenschaft der Ordensritter den Tod trank - über den großen Teller, wieder mit dem Modell des Schlosses, bis zum klaren Tropfen an dünner silberner Kette.

 

Und bei Berding und Kühn unten am Pregel, dessen herrliches Damasttischzeug uns neben vielem Nützlichen so erfreute - sitzt in einem Budchen neben der Kasse der leibhaftige Weihnachtsmann und überreicht jedem Kind ein Päckchen Pfefferkuchen in buntem Papier! Zwei kleine Jungens vom Lande stellen sich inmitten der drängelnden Käuferschaft vor ihm hin, und singen laut alle vier Verse des Weihnachtsliedes, das sie zu Hause für sein Erscheinen gelernt hatten. Und die Menschenmenge bleibt lächelnd stehen und hört zu.

 

Überall sind die Lichter aufgeflammt. Jetzt geht es zum Weihnachtsmarkt auf dem Paradeplatz mit seinen vielen erleuchteten Budchen unter den hohen Bäumen vor der Universität. Dort kann man alles kaufen, von wollenen „Mauchen" bis zum „Thorner Katharinchen". Würstchen kochen über offenem Feuer sogar Marzipan wird vor unseren Augen vorschriftsmäßig mit einem darüber gehaltenen glühenden Plättbolzen gebacken.

 

Auf dem Münzplatz ist jetzt der gemeinsame Adventsbaum der Königsberger angezündet - eine riesige, makellos gewachsene Fichte aus dem Zehlau-Bruch. Weit leuchten die vielen Kerzen über den Schlossteich — feierlich und adventlich stimmt er uns, als wir nun „dick bezogen" und „gut bestöpft" die Heimreise auf der stürmischen Chaussee in das dunkle, schweigende Land antreten.

 

Was können uns Dunkelheit und Kälte tun, wenn am Ende unsere eigene, liebe, immer etwas heisere Türglocke scheppert - in der Diele der Adventskranz von Fichte und Douglastanne aus unserem Walde duftet - das Erlenholz in den Kachelöfen bullert und ein Geruch von Schlachten und Pfefferkuchenbacken aus der Küche weht, wo Oma und Mamsellchen selbstgemachten Johannisbeerwein mit Nelken heiß halten, und kochendes zu einem guten Grog... Das bedeutete Geborgensein ... Vorbei, vorbei...

 

Und wenn wir nun auch nicht mehr wissen, wo die Reise auf der dunklen und kalten Straße unseres Lebens enden wird - so wissen wir doch eins: Advent kommt immer wieder. Seht, die alten Lieder klingen hier auch. Und nach alten ostpreußischen Rezepten nehmen wir recht viel Gewürz und Nelken in den Pfefferkuchen und beziehen sie bunt wie zu Hause. Was tut es, dass alles jetzt bescheidener bei uns zugeht, wenn wir nur den rechten Sinn hineinlegen, und die Heimat auch in den kleinen Dingen weiter leben lassen, welche die Arbeitswochen vor dem Fest mit einem Hauch von Andacht und Freude vergolden.

 

 

Seite 5   Man drömt von ole Tiede

 Dö Düwel wurd e' moal to ene Hochtiet önngeloade, obber ehr he disrm Angebot annehm, äwerläd he sick dat noch gründlich un frog dann noadenklich: „Ware do ok am End Junges sönn?" „Joa!" antword dö Husherr. denn he doch dömm Düwel e' grotem Gefalle to done. Obber dö Düwel wer andrer Menung un winkt mött dö Worte af: „Na wenn do Junges sönnd, denn bruck öck doa nich to sönn," un ging nich henn.  

Dö Düwel had Recht, denn wo dä krätsche Lorbaße sönnd, do hätt dö Düwel sien Recht verloare. Dat wet öck ut Erfoahrung. Mine Heimat wer joa moal e' grotet Rittergot, un dö Junges, dä doa von 14 bis 20 Joahr geoarbeit häbbe, stammde bestömmt nich von Engels af, dat wet öck genau.Dö Kämmrer kreg schon bie Tiedens graue Kopp un dö pucklige Brenner wönnscht sich lewer e' Herd Rindveh to hede als ob dö Junges obtoapaße.  

Sinnoawends wenn se Gölld krege, denn ging es onne Krog. un ehr sick wer versach. had es e' poar engedrunkne Männer mött dö Fot anne Dösch angebunde un lurde bute anne Fönnster, wat nu ware ward.  

Am meiste Spoaß gew dat joa, wenn „Onkel Boo" önne Krog wer. Doa had ämn ener e' Kuarterke gekowt, dö andrer e' Bommke Pargamott un dö drödder e' Flaschke Beer, un so durd dat ok goar nich lang, un Onkel kun türkisch bede.

 

Nu sönnd joa dö schöne Tiede längst verbie. Siewke wurd parzelliert, un alle Lüd dä doa tosamme geoarbeit häbbe, verstreide sick wie do Vägelkis ut dömm Nest, bloß dö Onkel Boo wer noch doa gebläwe un he freüd sick, wenn wie ämm e' moal besochte. „Mien Sähn," säd he e- moal to mie, „wo sönnd doch da schöne Tiede gebläwe? Seh, öck sie olt un kann nich mehr so recht höre, un dö Schnapske schmeckt mie ok nich mehr so recht. Joa, joa. so geit dät ömm Läwe. Dat were doamoals doch ganz andre Tiede, na nich mien Sähn?" „Joa Unkel!" säd öck un erönnerd ämm an diset un jännet. He obber lachd blos un draud mött dömm Finger ob mie.  

Joa enmoal bloßig ömm Läwe öß dö Mönnsch jung un hätt allerlei Düwelsstreiche ömm Kopp, obber dö Tied kömmt noch fröh genog, wo he dö Ohre hännge lätt un hätt tomm Posse moake keine Lost nich mehr. Obber manch moal, wenn he mött sine Kameroade von froher tosammetrefft, denn ward vertellt un gelacht äwer alles wat se e' moal tosamme beräte häbbe. Joa sollke frohe Stunde wönnscht öck mie recht oft. un öck wönnsch sö ok färr andre, denn öck wet, dat dat dö schönste Stunde det Lewens sönnd.  

Wer obber önn siner Jugend nuschtniech beräte hätt, dä kann ok von goarnuscht vertelle, denn he öß hindre Oawe obgewachse un öß nich gesund. Mött solke Mönnsch wöll öck nuschtnich to done häbbe, denn sö sönnd langwielig un kenne kein böske Spoaß.

 

Öck söllwst stamm joa ok von keinem Engel af, dat kann öck joa hier wo kein Schandarm nich hört, joa ruhig sägge. Öck häbb mie önn mienem Läwe dömm Nordwind un dömm Südwind ume Ohre bruse loate. Öck häbb godes un schlechtes dorchgemoakt. obber e' bißke Posse doabie, dat fröscht mie ömmer dat Läwe ob. Doarom loat onns färr onsre Kinder ok nich gleich dat Fell äwre Ohre tehne wie färrem Ilske, wenn se wat beräte häbbe, sondern loat onns als ole Ochse doaran denke, dat wie ok moal Kälwer were.

W. Bienenfeld

 

 

Seite 6   Die ostpreußische Dichterin Johanna Ambrosius. Von Margarete Kudnig

Foto: Die ostpreußische Dichterin Johanna Ambrosius. Geboren am 03.08.1854 in Lengwethen, gestorben 27. 2. 1939 in Königsberg.  

 Es könnte wie ein Märchen klingen, wenn hier von dem Lebensweg eines kleinen Mädchens erzählt wird, das vor nun bald hundert Jahren in einem unbekannten, ärmlichen Dorf irgendwo im ostpreußischen Land geboren wurde. O ja, es gab schon arme Dörfer dort im Osten, mit kargem Sandboden, in damaliger Zeit noch fast vollkommen abgeschnitten von aller Kultur und natürlich auch von allem geistigen Leben. Bitter schwer mussten die Menschen dort oft arbeiten um das bisschen tägliche Brot, wie es auch im Märchen manchmal so heißt.  

Und doch fiel auch in dies stille, abgelegene Dorf einmal ein Strahl von dem Glanz, den Könige und Fürsten um sich verbreiten, ganz wie es im Märchen so ist. Die Kaiserin Friedrich kam auf einer Reise durch den Ort und hielt dort kurze Rast. Ein kleines Schulmädel stand am Weg und war ganz benommen von der Pracht des vierspännigen Wagens, ach, es war sogar voll Hochachtung vor dem Teppich aus kurz geschnittenen Tannenzweigen, den man für die Fürstin gestreut hatte, weil es sonst nichts Besseres gab. Das Mädchen ahnte noch nicht, dass es dereinst von derselben hohen Frau in ihrem glänzenden Berliner Schloss empfangen werden sollte.  

Wie das geschehen konnte? Nein, ein Prinz war nicht gekommen, um aus dem hässlichen Entlein einen schönen Schwan zu machen. Es kam nur ein einfacher Bauersmann, und das Mädchen wurde eine einfache Bäuerin und hat schwer arbeiten müssen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, in unermüdlicher Sorge für Mensch und Tier und für alles, was in ihrem Lebensbereich wachsen und blühen und Früchte tragen wollte. Es war fast zu viel für die zarte, kleine Frau. Auch seelische Schmerzen blieben ihr nicht erspart, - wer will heut noch in längst vergessenen Wunden wühlen?

 

Es war ein Leben voller Not und Mühe, und dennoch konnte das Wunder geschehen, dass dieser geplagte, getretene und erschöpfte Mensch aufstand und in schlichten, aber ergreifenden Liedern zu singen und zu sagen wusste von allem, was ihn innerlich bewegte, von der Liebe zur Heimat und von der Schönheit des ostpreußischen Landes, von dem Segen der Arbeit und von der stillen Freude an überwundenem Leid. Und auch das war wie ein Wunder, dass der erste, zaghafte Versuch der bescheidenen Frau, einen Weg in die Öffentlichkeit zu finden, auf einen Menschen traf, der wahres Seih vom falschen Schein zu trennen wusste, der ein verständnisvoller Helfer wurde und der den Namen von Johanna Ambrosius in kurzer Zeit im ganzen deutschen Land bekannt machte Briefe kamen zu ihr von fern und von nah. In England, in Amerika erschienen Übersetzungen ihrer Gedichte, ja, und sie ist tatsächlich im kaiserlichen Schloss empfangen worden, die unscheinbare Bauersfrau aus Groß-Wersmeningken in Ostpreußen.  

Wenn wir heut ihre schlichten Verse lesen, können wir es kaum glauben, wie solch ein Erfolg, solch ein Ruhm, solch eine restlose Anerkennung möglich gewesen sind. Man kann es aber verstehen aus der Tatsache, dass zu jener Zeit sich in der deutschen Literatur-- und vor allem in der Frauendichtung - viel falsche, rührselige Romantik breit gemacht hatte Da mögen den Menschen plötzlich die Augen aufgegangen sein für die Tapferkeit dieses einfachen Lebens, für die gekünstelte Reinheit dieser volkstümlichen Sprache, daneben aber auch für die weise Lebenserkenntnis und die mutige Lebensbejahung, die hier zur Tat geworden war. Reichtümer hat Johanna Ambrosius nicht gesammelt, aber sie hat ihren Kindern doch ein besseres und leichteres Leben ermöglichen können, und das war viel.

 

Später, in der hastenden Zeit, ist es wieder stiller um sie geworden, aber die Saat, die sie vor allem in die Herzen der ostpreußischen Schuljugend gelegt, ist darum nicht verloren gegangen.

Wer die hoch betagte, schwer leidende Frau in ihren letzten Lebensjahren sehen durfte - sie starb im August 1939 in Königsberg im Hause ihres Sohnes, - wird die gebrechlich kleine Gestalt, das weise, welke Gesicht mit den großen schwarzen, alles beherrschenden Augen, die leise Stimme, die mühsam nach Ton und Atem rang, die bläulich blassen, feingliedrigen Hände, das ganze Fluidum ihres stillen Wirkens nicht so leicht vergessen.

 

Weshalb wir ihren Namen, den schon viele Ostpreußen vielleicht kaum noch kennen, wieder in Erinnerung rufen? - Es geht ja nicht allein um ihre Lieder und Gedichte, es geht ja um das ganze tapfere, tätige Leben, das mancher geplagte und so leicht verzagte Mensch sich heut zum Vorbild nehmen könnte, es geht um die Kraft, mit der eine sehnende Seele sich aus der Dunkelheit zum Licht emporgearbeitet hat, es geht um die Liebe zu der Heimat, der diese Kraft entsprungen ist, und es geht wohl auch um das unerschütterliche Gottvertrauen, das diese Frau beseelte. Nicht nur die „Großen im Geiste" sind es, die ihren Beitrag leisten zum kulturellen Aufbau und zu den inneren Gütern eines Volkes, auch die Stillen im Lande gehören dazu, die den göttlichen Genius vielleicht mehr geahnt als in ganzer Fülle empfangen haben, die aber doch den Boden bereiten und die Sehnsucht wach rufen und die das Licht nicht verlöschen lassen. Zu ihnen gehörte Johanna Ambrosius, und darum soll sie nicht vergessen sein. Nicht Denkmäler wollen wir bauen, sondern leben, so wie sie gelebt. –

 

 

Seite 6   Was mein einst war

Auf meinem Hofe wächst das Gras,

in meinen Stuben liegt der Staub,

die Rosenbäumchen vor der Tür,

sie wurden all' dem Frost zum Raub.

 

Es gehen fremde Füße jetzt

die Gänge, die ich mir erdacht.

Verständnislose Augen schaun

auf meine Wiesenblumenpracht

 

Und alles, was ich lieb gehabt,

was ich mit Freuden groß gepflegt,

wird von erbarmungsloser Hand

hinweggeräumt, hinweggefegt.

 

Ein andrer sitzt zur Abendzeit

auf meiner Bank vor meinem Haus.

Das war einmal mein Lieblingsplatz,

da ruht' ich von der Arbeit aus

 

und sah, die Hände in dem Schoß,

anbetend in das Abendrot.

Ich trank die Schönheit der Natur,

die sich mir überschwänglich bot.

 

Aus schwarzem Tannenwalde stieg

des Mondes Scheibe silberklar.

In Pracht und Herrlichkeit saß ich

und wusste nicht, wie reich ich war.

 

Die Lerche sang ihr Abendlied

hoch über weitem Ährenmeer,

sie sang mich jeden Morgen wach;

heut' singt mir keine Lerche mehr.

 

Auch keiner Schwalbe Zwitscherlaut.

Kein Bienlein summt im weißen Klee.

Es war einmal - o kleines Wort,

wie tust du mir so bitter weh!

 

Ich musste nach der großen Stadt,

wo soviel Lärm und Rauch und Stein,

und jeder fragt, und jeder denkt,

ich müsste überglücklich sein.

 

Sie wissen nichts vom Wiesengrün

und Saatengold, ins Herz gelacht;

der ist verloren für die Stadt,

weil er aus anderm Stoff gemacht,

 

der ist der Waldesblume gleich,

die in des Menschen Hand verdirbt.

Die Sehnsucht lässt ihn nicht mehr los,

bis er verwelkt und einsam stirbt.

Advent 1937. Letztes Gedicht von Joh. Ambrosius.

 

 

Seite 9   Pfarrer Wardecki, Allenstein, gestorben

 Im Oktober 1950 verstarb in Allenstein der langjährige Pfarrer der Herz-Jesu-Kirche in Allenstein, Geistlicher Rat Wardecki Er war der erste Pfarrer der im Jahre 1903 gebauten Kirche. Über das Begräbnis des allseitig beliebten Pfarrers Wardecki heißt es in einer Zuschrift aus Allenstein: „Pfarrer Wardecki ist gestorben. Heute Nachmittag war ich zur Beerdigung. So eine große Beteiligung hat Allenstein noch nicht gesehen. Die Kaiserstraße ist doch breit. Sie war ganz angefüllt. Der Fahrweg und die Bürgersteige waren voller Menschen. Der Verkehr stockte. Ich zählte 68 Geistliche und Kleriker. Der Sarg wurde die ganze Wegstrecke getragen. Die Träger wechselten sich ab. Auf dem Friedhof konnte ich an das Grab nicht heran, unmöglich. Die Jungens waren auf die Bäume geklettert."

 

 

Seite 11   Suchanzeigen 

Landsleute, bitte herhören!

Folgende Arbeitskameraden suchen wir seit Februar 1947. Es muss doch möglich sein, unter den nach hier gekommenen Heimkehrern, etwas Näheres über den Verbleib der Vermissten zu erfahren. Helfen auch Sie den unzähligen Kollegenfrauen. die noch in der Ungewissheit leben, die Fälle zu klären. Selbst der kleinste Fingerzeig kann zum Erfolg führen:

 

Vermess.-Ob.-Insp. Max Kordel: Im Januar 1945 zum Stab der Luftnachrichtenkaserne Bailieth einberufen. Letzte Nachricht im März 1945. Wer war mit ihm bei der Verteidigung Königsbergs als Soldat zusammen? Wo sind seine Kameraden und Vorgesetzten abgeblieben?

 

St.-Insp. Gustav Lange: Am 2. April 1945 in seiner Wohnung gesehen worden. Nach Tötung seines Hundes ist er mit umgehängtem Gewehr allem Anschein nach zu seiner Volkssturmeinheit gegangen. Vermutlich ist er gefallen.

 

St.-O.-Inspektor Tiedtke: War im Graben an der Burgschule als Volkssturmmann eingesetzt. Bei Einnahme dieses Stadtteiles liefen Tiedtke und ein Lehrer Krause in die Burgschule, wo sie anscheinend in Gefangenschaft geraten sind. Im Lager Stablack will man Tiedtke noch gesehen haben. Die Möglichkeit besteht, dass er von dort aus ins Tapiauer Gefängnis eingeliefert worden ist. Auffällig ist, dass alle Arbeitskameraden in und um die Burgschule verschollen bleiben.

 

St.-O.-Insp. Rudolf Dembowski: Seit Februar 1945 Leiter eines städt Altersheims in der Burgschule. Von den 200 Insassen müsste jemand bis zum Westen gekommen sein und berichten können. Von Dembowski fehlt jeder weitere Anhaltspunkt.

 

Schlosser Alfred Behrendt: Zuletzt KWS-Gaswerk. Wird dringend von seiner Schwester Gertrud Behrendt gesucht.

 

Stadt-Ob.-Bauinspektor Wilhelm Barkhorn: Vermutlich als Volkssturmmann in Gefangenschaft geraten. Barkhorn ist jetzt von seiner Ehefrau iür „tot" erklärt worden. Wer war mit ihm zusammen? Wer sah ihn nach der Einnahme Königsbergs durch russ. Streitkräfte?

 

St.-O.-Insp. Hans Weiß: Nach den hier eingegangenen Berichten hat Weiß als Volkssturmmann bei Fort Charlottenburg im Kampf gelegen. Vom Gefangenenlager Stablack aus jedoch fehlt jede Spur.

 

Lebensmittelverteiler Lehrer Dedat: Zuletzt in der Stadtkellerkantine gesehen worden. Einsatz, zwecks Durchbruch, im Volksgarten, von wo aus die wenigsten Arbeitskameraden ins Stadthaus zurückkehrten. Wer war mit Dedat zusammen?

 

Techn. Lehrerin i. R. Frieda Kalbe: Vermisst seit Königsberg Besetzung. Letzte Wohnung Kummerauer Str. 23. Soll späterhin in Rauschen gesehen worden sein?

 

Arbeiter Karl Hinz (städt. Fuhrgesellschaft Hufen): Zuletzt Rollenwachtmeister der Luftschutzpolizei Hansaring-Sackheim. Wohnung: Zeppelinstraße 100. Fehlt jede Spur!

 

Polier Fritz Hinz: Letzter Einsatz Rumänien, Feldpostnummer 21 405 B 53/5b. Vermisst seit 13.08.1944.

 

St.-Amtmann Paul Gerth: Bei der Besetzung Königsbergs am 09.04.1945 dort noch gesehen worden. War sehr leidend. Dringende Anfragen über den Vermissten von verschiedenen Angehörigen. Wer kann nähere Auskunft erteilen?

 

Helmut Dedat: Zuletzt Feldwebel im Nachrichtenzug, Gren.-Reg. 399, Inf.-Div. 170, Feldpostnummer 16 691.

 

Weitere Veröffentlichungen In der nächsten Nr. dieses Heimat-Blattes.

Den vielen Anfragenden zur Kenntnis:

 

Stadt-Ob.-Insp. Herbert Hahn, gestorben 1945 in Königsberg (Pr.), ist an den Folgen einer Granatsplitterverwundung verstorben.

 

St.-Insp. Alfred Henseleit, gestorben 1950 in Schleswig-Holstein, auf dem Bahnsteig von der Lok. erfasst und tödlich verunglückt.

 

St.-O.-Sekr. Hermann Kiauk starb 1947 mit seiner Mutter in Liebenfelde bei Labiau an Herzschwäche.

 

Stadtbaumeister Wilhelm Unverhau verunglückte tödlich bei einem Straßenbahnunglück bei Rinteln a d. Weser.

 

St.-O.-Sekretärin Else Tromm ist im März 1947 an Unterernährung verstorben und auf dem Friedhof Tragh. Pulverstraße, beerdigt.

 

St.-B.-O.-Insp. Herbert Hein ist in Gotha an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben. Weitere Ermittlungen folgen.

 

Dass sich in der Mehrzahl gerade unsere Landsleute außerhalb der Stadtverwaltung an unserer Suchaktion beteiligen, mag folgender Brief beweisen:

 

Stadt-Ober-Inspektor Artur Bruno ist am 1. Juni 1945 verstorben. Ich war mit St.-O.-Insp. Bruno, seitdem 13. Mai 1945 im Lager Pr-Eylau, Block 5, Zimmer 13. zusammen. Bruno wählte den Freitod dadurch, dass er jede Nahrungsaufnahme verweigerte Er starb im Zimmer, sein Nachbar war Stadtamtmann Schulz der ihn bei Lebzeiten betreute.

Ich suche nun seine Ehefrau Ella Bruno geb. Horn, Königsberg (Pr.), Mozartstraße 12, wohnhaft gewesen. Ich besitze von Frau Bruno ein Foto welches ich von dem Toten an mich nahm. Das Foto ihres Sohnes, der mir als Gast aus dem „Fürstenteich" bekannt war, wurde mir im Lager Georgenburg von einem deutschen Schwein fortgenommen und den Russen übergeben, da das Bild von Bruno jun. in Offiziersuniform der Wehrmacht aufgenommen war. Amtmann Schulz ist später verstorben. Datum kann ich jedoch nicht angeben.

Otto Lebrecht. Konditormeister früher Gaststätte „Fürstenteich".

Wir konnten Frau Bruno, die in der Ungewissheit lebte, sofort Nachricht geben.

 

Erich Kuschnerus und Horst Pegas gesucht von Käte Paeslack, Zirndorf b. Nürnberg, Albrecht-Dürer-Straße (früher Haselberg, Kr. Schloßberg Ostpreußen) Wer kann mir Auskunft über das Schicksal meiner Angehörigen geben.

 

Arno Schmidt, Königsberg., Lieper Weg 4a Hilfs-Rev. beim Rechnungs-Prüfungsamt der Stadtverwaltung Königsberg, ferner Anna Schellerberg. Königsberg., Lavendelstr. 8a. Rentnerin. Nachricht erb. an Dr. Heinz Schellerberg, 31 b, Dortmund, Rosa-Luxemburgstr. 33.

 

Minuth, Emil, Eis-Obersekr. i. R. in Cranz, Plantagenstr-, Toll, Familie, Bauunternehmer. Cranz. Wlegand. Frau, Cranz. „Königin Luise", werden gesucht von Kurt Graefer. Augsburg, 13 b, Theodor-Wiedemann-Str. 29. Familie Toll und Frau Wiegand könnten evtl. Auskunft über das Verbleiben meines Vaters erteilen.

 

Cranzer! Wer weiß etwas über den Verbleib meiner Schwiegereltern? Karl Bartlau, geb. 10.06.1866 in Bledau. Johanne Bartlau, geb. Hartwich, geb. 28.02.1874 in Laptau, letzt Wohnort Cranz. Arno-Kalweitstraße 8 werden gesucht von Erwin Stacke, 1, Berlin-Reirickendorf-Ost, Walderseestraße 7

 

Wer kann Auskunft Reben über Frl. Elfrieda Brack, geb. 27.04.1880 Tapiau? Auf der Flucht ist sie vermisst. Letzte Nachr. aus Danzig vom 02.03.1945. Nachricht an R. Brack, Sebexen über Kreiensen.

 

Siegfried Krempien , geb. 20.05.1926 in Königsberg., wohnhaft Königsberg., Jahnstr. 10, Soldat in einem Pionier- Batl.. vermisst am 30.08.1944 im Raum Venduel (Frankreich). Gesucht. von seinen Eltern Wilhelm u. Maria Krempien, Braunschweig, Eulenstraße 12.

 

Elbinger! Vermisst wird Artur Krisch, Brückstraße 21, Rechtsbeistand, 79 Jahre alt. Wer traf ihn im Februar 1945 in Danzig-Langfuhr oder sah ihn auf ein Schiff gehen? Nachricht erb. an Dr. Alfred Krisch, Düsseldorf, Brehmstraße 54

 

Frau Räther, Toni, geb. Fischer und deren Schwester Berta Fischer, Königsberg, Königsallee 158 am Flughafen. Auskunft erbittet an Frau Olga Mielke, 20, Sarstedt, Kipphutweg 6, ptr.

 

Reichspostdirektion Gumbinnen! Wer kennt die Anschriftensammelstelle der Reichspostdirektion Gumbinnen? Auskunft erbeten an Frau Johanne Torkler, Minden/Westf., Am Hauptbahnhof

 

Russlandheimkehrer: Wer kann Auskunft geben über meinen Mann Willi Venohr, geb. 18.11.1907, Obergefr. Feldp.-Nr. 20 186. Letzte Nachricht 1944 Im August aus Tiraspol am Schwarzen Meer. Nachricht erb. an Marta Venohr. geb. Wenz. Weiden b. Köln, Bahnstraße 159.

 

Liselotte Lange, geb. 10.01.1934, aus Grünbaum, Kreis Pr. Eylau. sucht ihren Vater Gustav Lange, geb. 07.07.1906 oder Verwandte. Nachricht erb. an Witt, Wiesen 1 b, Königsdorf, Obb.

 

Oberpräsidium - Preisbildungsstelle - Königsberg. Wer kennt die Anschrift d. Abwicklungsstelle obiger Dienststelle, bzw. der Regierung Königsberg? Gesucht werden Reg.-Dir. Köhler. Reg.-Rat Dr. Roth, beide Reg. Kbg., Oberreg.-Rat Knauer, Preisbildungsstelle Oberpräsidium Königsberg. Angaben erbeten an Albert Heil, Horn/ Lippe, Nordstr. 5.

 

Meine Schwester. Helene Lange, geb. Meyer, geb. 17.05.1906, wohnh. in Rimlack, Kreis Pr.-Eylau. auf der Flucht im Februar 1945 bei Karthaus, Gegend Danzig. verschleppt. Soll im Sommer 1945 im Lager 7777 gewesen sein. Nachricht erb. an Herbert Meyer, Bad Canstatt, Seilerstraße 5, II.

 

Wilhelmine Pompöse, Königsberg Unterhaberberg 12. Letzte Nachricht vom 27.01.1945. Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meiner Mutter? Nachricht erb. Oskar Heinz Pompöse. Landshut Bayern Regensburgerstraße 34.

 

Wer kann mir Nachricht geben über meine Schwester Elisabeth Klee. Königsberg, Königstr. 18 a? Letzte Nachr. vom März 1945 mit der Mitteilung, dass sie sich mit der Schwester meiner Mutter, Frau Forstmeister, Alice Schräge, AIbrechtstraße 7 (Hufen) in Kürze auf die große Reise begeben würde. Nachricht erbeten an Arnold Klee, München 15, Thalkirchnerstraße 100.

 

Else Perrey, geb. 07.03.1909  in Seubersdorf, Kreis Osterode. Am 22.01.1945 durch die Russen von Moerken über Hohenstein nach dem Lager Sjernaja Grieva verschleppt, wird gesucht von ihrem Ehemann Walter Perrey, Hamburg-Finkenwerder, Finksweg 412

 

Gottlieb Dormeyer, geb. 24.09 1873, Bauer, und seine Ehefrau Helene geb. 14.12.1887 aus Saiden, KreisTreuburg, wurden zuletzt in Heilsberg und Seeburg, Kreis Rössel, auf der Flucht gesehen. Wer kann Auskunft geben? Nachricht erb Richard Dormeyer, (20) Kolenfeld Nr. 24, über Wunstorf/Hann.

 

Königsberger-Sackheim-Liep! F. Kariegus, früher Heidemann-Straße 8, sucht seinen Sohn Gerhard, geb. 11.02.1938, sowie alte Bekannte. F, Kariegus, (13 b) Landshut, Obere Auenstraße 10.

 

Gustav Salzmann, Schuhmachermeister, geb. 19.08.1887, aus Königsberg Brandenburger Str. 76, wird gesucht von Gerhard Salzmann, (21) Greven-Pentrup/Westf., Jagdhaus

 

Annemarie von Below, geb. von  Zitzewitz aus Raudischken, Kreis Angerburg, Emilie Gempf geb. Creuz aus Wehlau und Elisabeth Reinhold geb. Tal aus Nordenburg werden gesucht von Fräulein Elisabeth Brandtner, Stegaurach Nr. 9 bei Bamberg.

 

Wer kann Auskunft geben über Fritz Gehlig, Königsberg, Haarbrückerstraße, Otto Rudersdorf, Königsberg, Ottokarstraße, Inhaber der Firma Gebr. Siebert, Königsberg - und über Albert Bentin, Königsberg, Schnürlinsstr. 29? Nachr. erbeten an Rudolf Hartwig, Dortmund, Barmerstr. 11

 

Kurlandkämpfer! Wer kann Nachricht geben über Hans Wrobel, Fahnenj.-Feldw., Zivilberuf Reg.-Rat in Karlsbad, geb. 28.06.1906? Letzte Nachricht Februar 1945. Nachricht erbeten Frau Lotti Wrobel, Günzenhausen, Ansbacherstr. 32.

 

Traute Schiller, geb. Rautenberg-Fischer, geb. 18.05.1919, wohnhaft Cranz, Willi-Hölger-Str., letzte Nachricht aus Danzig-Langfuhr im Februar 1945, wird gesucht von Elsa Lässig geb. Benson. Bremen, Bakeweg 10.

 

Gerhard Schaschke, geb. 28.03.1911 in Lichtenfeld Ostpreußen, Fliegerhauptmann LGPA Berlin 31 144, früher Wohnsitz in Mohrungen, vermisst seit 04.08.1941 beim Flug Kirkenes - Murmansk. Standort Stavanger, letzter Flugausgangspunkt Kirkenes, Geschwader Haifisch oder so ähnlich Nachricht erb. an Frau Elise Schaschke, Gifhorn, Ribbesbüttler Weg, Neubau. Wer war mit meinem Sohn zusammen?

 

Feldpost-Nr. 03 372 (Panzerjäger-Abt.). Wer kann Auskunft geben über meinen Sohn Lothar Zerrath, geb. 17.11.1924 in Neuendorf, Kreis Niederung. Letzte Nachricht März 1945 aus Gegend Heiligenbeil. Nachricht erb. an Helmut Zerrath (20a) Bispingen 1 über Soltau/Hannover

 

Wer kann Auskunft geben über Schwester Marie Louise Grabowski (Rotes Kreuz) im Ostseebad Cranz? Nachricht erbeten an Otto Stange, Berlin-Britz, Weiderstraße 37.

 

Feldpost-Nr. 22 298 B. (Letzten beiden Ziffern leider sehr undeutlich) Wer weiß etwas über Christian Kalkbrenner? Schützenregiment 912. Mitteilung erbeten an Dr. Kalkbrenner, Berlin-Tempelhpf, Kanzlerweg 14.

 

Der M. T. V. Lyck sucht Feldw. Hans Kohn, Königsberg, Seligenfelderstr. 25, in Stalingrad vermisst. Nachricht erb. an H. Gronen, (20a) Celle, Hugu Weg 21.

 

Justizrat Fieberg in Holzminden und Frau von Klossmann-Fieberg in Wietze werden um Angaben ihrer näheren Anschrift gebeten von Frau Martha Noske, Wlnterthur/ Schweiz, Anton Graffstr. 45.

 

Elbinger! Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder, Uffz. Karl Franz Paetzold, geb. 13.01.1897. Paetzold war Ausbilder beim Volkssturm in Fichthorst bei Elbing. wahrscheinlich keine Feldp.-Nr. Anschrift: Fichthorst b. Elbing, Grunauerstr. 2 bei Landwirt J. Neumann. Letzte Nachr. vom 15.01.1945. Wer hat um Elbing gekämpft und kennt meinen Bruder? Wer kennt den Landwirt Johann Neumann aus Fichthorst und seinen jetzigen Aufenthalt? Nachricht erb. Wilhelm Paetzold. 20 a, Drohe Kreis Uelzen.

 

Leutnant Hans Stieda aus Königsberg, vermisst bei Stalingrad. 260 Inf.-Regt., 113 Div.,

Feldpostnr. 02 953. Nachricht erb., Frau Elzbeth Stieda, 13 b, Holz bei Gmund.

 

Gefreiter Helmut Plasse, geb. 28.04.1918 Bromberg, Rechnungsführer der Einheit

Feldpostnummer 07 733, vermisst seit 1942 bei Wjasma. Heimkehrer-Uffz. Hofstatter, dem die Flucht aus dem Lager gelang, schrieb im Mai 1943, dass Helmut gesund sei. Wer kennt den Helmkehrer Hofstatter? Auskunft über beide erbittet Oberregierungsrat a. D. Plasse, Ostseebad Dahne/Holstein, Hamburger Heim.

 

Wilhelm Fürbacher aus Kanten, Kreis Samland, zuletzt Marine-Sehützen-Batl. 107, 3. Kp., Gotenhafen-Hexengrund. Letzte Nachricht vom. 08.03.1945. Wer weiß etwas über sein Schicksal. Nachricht, erb. an Frau Fürbacher, (21a) Oetinghauser Heide bei Herford/Westf. Nr. 46.

 

Wachtmeister Karl Rau, geb. 11.05.1908, zuletzt s. Art.,Ers.-Abt. 47 in Heilsberg, Fronau-Kaserne. Am 25.01.1945 neuer Einsatz Deutsch - Krone, wohnhaft Königsberg, Schleiermacherstr. 29. Gesucht von Frau Sophie Rau, Darmstadt, Kaupstraße 22.

 

Wer ist, meinem Mann, St.-O.-Insp. Rudolf Dembowski, geb. 19.08.1884. in der Burgschule nach der Besetzung Königsbergs begegnet? Nachricht, erb. an Frau Anna Dembowski geb. Deutschmann, Marne in Holstein. Klaus Harmstr. 23.

 

Geschwister Murach, Königsberg, Moltkestr. wohnhaft - eine der Damen war im Reisebüro Meyhöfer tätig - werden gesucht von Frau M. Scheidler, Süsel über Neustadt Ostholstein, Pens. Lüdecke.

 

Prov.-Konservator: Wer weiß wo sich die Archivbestände des Ostpr. Provinzialkonservators befinden? Mitteilung erb. an: Bernh. Klein, Heidelberg, Luisenstr. 14.

 

 

Seite 12   Eine ostpreußische goldene Hochzeit

 

Zahlreiche Ehrungen wurden dem in weiten Bevölkerungskreisen Ostpreußens bekannten Hauptlehrer i. R. Hermann Schlusnus und seiner Ehefrau Ida, geb. Krisch, jetzt in Bokel (Schleswig-Holstein), anlässlich des Festes der goldenen Hochzeit zuteil, die das Jubelpaar am 2. November 1950 in der neuen Heimatgemeinde Bokel und am 4. November 1950 mit seinen Kindern und Enkelkindern bei der Familie Steinweg in Itzehoe, Klosterhof, feierte. Die gastfreundlichen Quartierleute in Bokel, Landwirt Hugo Kipp und Frau Helene, hatten es sich nicht nehmen lassen, dem heimatvertriebenen alten Paar in ihrem Hause eine reich bestellte und geschmückte Festtafel herzurichten, an der unter vielen Gratulanten auch der Bürgermeister, die drei Lehrer und der Pfarrer des Dorfes teilnahmen. Ostpreußische Heimatlieder, vorgetragen von den Schulkindern des Dorfes, und besinnliche Worte des Pastors bewiesen ein mancherorts seltenes Verständnis einer ganzen Gemeinde für das Schicksal dieses ostpreußischen Erziehers, der 45 Jahre seines Lebens der deutschen Sache an der Grenze im Osten mit treuer Hilfe seiner Frau gedient hat.

 

Die Feier in Itzehoe versammelte mit Kindern und Enkeln zum ersten Male seit der Vertreibung die gesamte zahlreiche Familie, deren Mitglieder aus allen Teilen der Bundesrepublik und der Schweiz herbeigereist waren, und bot ein - im Gedenken an die toten und vermissten Familienmitglieder - rührendes und im Wiedersehen freudig bewegtes Bild. Unter den zahlreichen Gratulationen befanden sich u. a. Glückwünsche des Bundespräsidenten und des Bundesflüchtlingsministers. Gelegentlich ihres Hier seins spielte die von ostpreußischen Heimatveranstaltungen und Kirchenkonzerten in Schleswig-Holstein bekannte Konzertflötistin Johanna Schlusnus (Zürich) in der Laurentius-Kirche in Itzehoe Bachkantaten. - Wir grüßen das goldene Hochzeitspaar in heimatlicher Verbundenheit und wünschen dieser ostpreußischen Familie auch weiterhin Blühen und Gedeihen.

 

 

Seite 12   Aufzuchtspatenschaften für unsere Trakehner

 

Der Verband der Züchter des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung hat im letzten Frühjahr eine Aktion eingeleitet, um die Aufzucht der anfallenden Fohlen Trakehner Abstammung sicherzustellen, und zwar durch Übernahme von Aufzuchtspatenschaften unter dem Motto: „Wer nimmt mich?" Diese Aufzuchtspatenschaften sollen wieder durchgeführt werden.

 

Die Besitzer der durch den Trakehner Verband erfassten Stuten sind Heimatvertriebene, deren Hoffnung, bald wieder zu Grund und Boden zu kommen, sich bisher nicht erfüllt hat. Dadurch fehlt ihnen die Möglichkeit, die Fohlen ihrer Stuten sachgemäß aufziehen zu können. Die Fohlen stammen von Stuten, die auf dem großen Treck vom Osten nach dem Westen in einem strengen Winter die härteste Probe für Gesundheit und Zugwilligkeit abgelegt haben. Sämtliche Fohlen besitzen den roten Füllenschein und den Brand des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung. (Doppelte oder einfache Elchschaufel.)

 

Es sind zwei Formen der Patenschaft vorgesehen:

 

1. Der Pate übernimmt zwei Fohlen Trakehner Abstammung in sachgemäße Pflege, Wartung und Aufzucht ohne geldliche Gegenleistung bis Ende des dritten Lebensjahres, und zwar von einem Heimatvertriebenen oder dem Trakehner Verband. Als Gegenleistung wird dem Paten das eine der beiden Fohlen übereignet. Erfolgt über die Auswahl des zu übernehmenden Fohlens keine Einigung in freier Vereinbarung, so wird das abzugebende Fohlen durch das Los ermittelt. Für die freiwillige Vereinbarung gilt als Grundsatz, das zur Zucht geeignete Tier soll dem Züchter verbleiben.

 

2. Der Pate übernimmt eine Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Unterstützung für die Kosten der Aufzucht von Fohlen Trakehner Abstammung. Diese Spende ist steuerlich begünstigt gemäß § 10 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes. Nähere Auskünfte erteilt der Trakehner Verband, Wiemerskamp, über Bad Oldesloe.

 

Seite 12   Förderer der ostpreußischen Rinderzucht, mit Foto.

 

Vor 50 Jahren übernahm Dr. h. c. Peters die Geschäftsführung der Ostpreußischen Holländer

Herdbuchgesellschaft.

 

Als Spross einer alten friesischen Marschbauernfamilie der schleswig-holsteinischen Westküste geboren, hatte Jakob Peters von Geburt die besten Voraussetzungen für seine spätere Laufbahn. Seine Jugend war erfüllt von intensiver landwirtschaftlicher Berufsausbildung in Praxis und Wissenschaft. Nach sechssemestrigem Studium erwarb er an der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf das landwirtschaftliche Diplom- und Tierzuchtinspektorexamen. Siebenundzwanzigjährig übernahm Jakob Peters am 1. Oktober 1900 die Geschäftsführung der Ostpreußischen Holländer Herdbuchgesellschaft.

 

Mit rastlosem Eifer hat sich Peters für die Hebung der Rinderzucht eingesetzt, wobei ihm neben seinen reichen praktischen und wissenschaftlichen Kenntnissen eine ausgesprochene Begabung für das, was man als Züchterinstinkt bezeichnet, von Erfolg zu Erfolg führte. Es gab kaum ein Gebiet der Rinderzucht, auf das Peters nicht befruchtend gewirkt hätte. Jungviehaufzucht, Konstitutionsstärkung, Milchviehfütterung und Futtergewinnung können, vor anderen, als Gebiete seines erfolgreichen Wirkens genannt werden. In züchterischer Hinsicht verdient besondere Anerkennung, dass es Peters gewesen ist, der als erster durch Beziehung der Leistung des Einzeltieres auf die Durchschnittsleistung der Herde (unter Berücksichtigung des Alters) die Einflüsse von Scholle und Fütterung auszuschalten versuchte. Diese Methode der Erbwertsermittlung hat sich schnell durchgesetzt und ist heute allgemein anerkannt.

 

Besonderes Gewicht legte Peters auf organisatorische Maßnahmen. Neuzeitliche Gestaltung der Herdbuchführung, Milchleistungsprüfungen und Zuchtviehversteigerungen haben unter seiner Leitung eine gewaltige Ausdehnung erfahren.

 

Über Ostpreußen hinaus hat Peters seine Kenntnisse und reichen Erfahrungen, die er in seinem großen Arbeitsgebiet sammeln konnte, in Veröffentlichungen und Besprechungen der gesamten deutschen Rinderzucht nutzbar gemacht.

 

Der allgemein anerkannte hohe Wert seiner schöpferischen Arbeit fand Ausdruck in zahlreichen öffentlichen Ehrungen. So wurde er zum Ehrendoktor der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf ernannt. Die Ostpreußische Herdbuchgesellschaft ernannte u. a. Peters zu ihrem ersten Ehrenmitglied und stiftete den Jakob-Peters-Preis.

 

Unter der Leitung von Peters hat sich bei der Herdbuchgesellschaft die Mitgliederzahl von 194 im Jahre 1900 auf 4731 im Jahre 1939 erhöht. Die Anzahl der eingetragenen Herdbuchtiere stieg von 1545 im Jahre 1903 auf 106 886 im Jahre 1939.

 

Seinen Lebensabend beschloss Peters In seiner Heimat an der grauen Nordseeküste, wo ihm die Landwirte seiner Wahlheimat in Anerkennung seiner Verdienste um die ostpreußische Rinderzucht in Garding ein Haus gebaut hatten. Auf den Marschen seines väterlichen Hofes konnte er sich hier noch weiterhin am Vieh freuen und „Ossen kniepen". Die Vernichtung seiner Lebensarbeit mitzuerleben, blieb Peters erspart. Am 18. Dezember 1944 sagte er dieser Welt lebe wohl. Weiter lebt sein Andenken, das ihm in Verehrung und Dankbarkeit die ostpreußischen Züchter bewahren. Darüber hinaus werden in der Geschichte der Landwirtschaft der Provinz Ostpreußen und der deutschen Rinderzucht unvergessen bleiben - die Ostpreußische Holländer Herdbuchgesellschaft und ihr Dr. Jakob Peters.

 

 

Seite 12   Ostpreußische Jugend bei Agnes Miegel

Um die Erinnerung an die alte Heimat zu pflegen und die neue Heimat kennen zu lernen, unternahm die Jugendgruppe der Landsmannschaft, Ostpreußen in Hannover einen Autobusausflug in das Bückeburger Land. Erste Station war die Wohnung von Agnes Miegel in Bad Nenndorf. Heimatlieder des Chores riefen die Dichterin vor die Tür ihres Hauses, die sich herzlich und tiefbewegt auch für den großen Herbstblumenstrauß bedankte, den ihr der Vorsitzende, Landsmann Kehr, überreichte.  

Sicher lag etwas Symbolisches darin, dass ein kleiner „Ostpreuße", der selbst die Heimat seiner Eltern nicht mehr kennt, der „Mutter Ostpreußen" völlig von sich aus sein Mündchen entgegenstreckte und von Agnes Miegel dann ihrerseits echt mütterlich geherzt wurde.  

Der weitere Tagesablauf brachte Besichtigungen in Bad Eilsen und auf dem Bückeberg und einen frohen Abschluss im Lokal von Landsmann May, früher Schwarzort, am Benther Berg.

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