Ostpreußen-Warte, Folge 04 vom April 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 04 vom April 1956

 

Seite 1   Haltet die Spiegel der Erinnerung blank. Es geht um unsere Verantwortung vor der Geschichte unseres Volkes.

Foto: Blick in den Hof der Marienkirche, dem bedeutendsten Bauwerk des Deutschritterordens. Aufn.: Löhrich

Als die Katastrophe 1945 über den deutschen Osten kam und die deutsche Bevölkerung ausgetrieben wurde, damals und in den nachfolgenden Jahren war die Erinnerung an das Verlassene Trost, war Hilfe, war ein Halt zur Bekräftigung des eigenen Wertes, von dem die neue Umwelt nichts wusste und der doch nicht durch eigene Schuld zerbrochen war.

 

Wie sehr haben wir die Heimat geliebt als den Boden, in dem unser Leben wurzelte. Wie klar und großartig waren darin die Leistungen vergangener Generationen eingeordnet, die Entwicklung von Jahrhunderten in mannigfachen Zeugnissen, das Werk eines jeden Einzelnen, sei es als die reichere Entfaltung des überkommenen Erbes, sei es als Wagnis und kühner Neuanfang. Das alles hat mit der Katastrophe von 1945 jäh aufgehört, für uns greifbare Wirklichkeit zu sein.

 

In der Armut des Barackenlebens in den Flüchtlingslagern, In dem entwürdigenden Jahen, um das Leben fristen zu können, in dem Hunger und der inneren Zerschlagenheit, der man in all der Trostlosigkeit jener Jahre ausgeliefert war. schien diese Erinnerung der einzige Reichtum zu sein, der noch geblieben war. Die Erinnerung an das, was die alte Heimat an Geborgenheit und Sicherheit bedeutet hatte, stand oft schmerzend fremd in der neuen Umwelt. Umso wunderbarer begann sie zu strahlen, je enttäuschter sich einer von der freudlosen Gegenwart abwandte und heißhungrig sich an die Vergangenheit verlor.

 

Wären die Zeiger der Zeit stillgestanden, wäre das Land in einen Dornröschenschlaf gefallen, seitdem wir fort sind! Wie viele wären bereit, den Dornenwall mit ihrer Sehnsucht zu durchdringen, auch wenn die Dornen sie selbst zerrissen und wenn sie unter den Dornen nur das zerstörte, geschändete Bild der alten Heimat wiederfänden, vor dem sie geflohen waren! Es ist das Erschütterndste in so vielen Austreibungsberichten, wie durch die Elendswaggons der Ausgewiesenen ein Aufatmen ging, wenn die Grenze nach dem Westen überschritten war - so furchtbar hatte die Drangsal der letzten Zeit vor der Austreibung das Bild der alten Heimat entstellt, dass das ausgewiesen werden manchmal wie eine Erlösung war. Jetzt aber wären viele bereit das Entweihte wieder mit ihrer Liebe zu weihen, das Zerstörte wieder mit ihrer Kraft zu bauen, ihm zu opfern und zu dienen um des Glücks der frühesten Erinnerung willen.

 

Aber die Zeiger der Zeit standen nicht still.

 

Vielleicht ist auf unseren Feldern wieder der Wald gewachsen. Wir fänden die Wege nicht mehr, die wir als Kind gegangen sind. Vielleicht schläft irgendwo im Boden noch ein altes Fundament, aber das Haus, das darauf gegründet war, und das unser Haus gewesen ist, ist nicht mehr da. Fremde Menschen haben ein fremdes Haus über die Fundamente gesetzt, den alten Grundriss nicht achtend, denn das Gewesene bedeutet ihnen ja nichts. Vielleicht rollt sich das Fremde nun fest in den Boden, der unser Eigentum war, wurzelt ein Leben, das wir nicht kennen, und verwandelt alles, was uns vertraut war.

 

Wir kennen das Ausmaß dieser Verwandlung nicht.

 

Zehn Jahre haben ein Niemandsland und Fremde zwischen uns und dem wachsen lassen, was einst unsere Heimat war. Es gibt keinen Weg in die Heimat zurück, der nicht mitten durch diese Fremde führt. Wir werden nicht mehr wiederfinden, was wir verlassen haben, denn wir selbst und die Heimat sind verwandelt, sei es zum Bösen oder zum Guten, zum Gleichgültigen oder zum Leidenschaftlichen. Wir können dieser Wirklichkeit nicht ausweichen.

 

Spiegel der Erinnerung — was taugt er noch, wenn er nur noch von Bildern weiß, die nicht mehr sind? Was nützt es, wenn wir die alten Bilder mit neuen Farben zu malen versuchten? Nie würden wir das flimmernde Leben so darstellen können, wie es ist, das Licht und die Schatten, das Ruhende und das Bewegte. Die Farben werden greller, je weniger das Vergangene eine Einheit bilden kann mit dem Gegenwärtigen.

 

Sollen wir den Spiegel der Erinnerung blind werden lassen, damit er unser Gefühl nicht täuschen kann?

 

Auch die geliebteste Erinnerung muss verblassen. Sollen wir uns damit bescheiden?

 

Aber es geht um etwas anderes als um den Traum einsamer Vertriebener von vergangenem Glück, um unsere Verantwortung vor der Geschichte unseres Volkes, um das gewachsene Recht einer großen Vergangenheit. Es ist etwas Unaufgebbares.

 

Erinnerung, die sich in Traum und Gefühl verliert, bricht die Brücken ab, die in die Zukunft führen wollen. Aber Erinnerung, die ein hartes, nüchternes Wesen nährt, wird wie ein Weckruf sein, um die große Aufgabe zu erkennen, die für uns trotz der schmerzhaften Verwandlung, die das deutsche Land im Osten erfuhr, nicht aufgehoben ist. Er muss unser ganzes Volk durchdringen als ein Ruf nach Ordnung und nach Recht.

 

Wo Willkür ist, kann der Frieden nicht wachsen. Allmählich beginnt die Welt zu erkennen, dass die Völker nicht zu Frieden und Sicherheit finden werden, solange Deutschland auseinandergerissen ist. Dann werden wir Rechenschaft geben müssen, ob wir, wenn wir in den vergangenen Jahren vom verlorenen Osten sprachen, uns nur in Träumen der Erinnerung verloren haben, oder ob wir in der Erinnerung an die Leistung unseres Volkes im Osten noch die ordnenden Kräfte lebendig erhalten, stark genug, um an der Zukunft teilzuhaben, einer Zukunft, die vielschichtig und verworren, gefährlich und mühsam sein wird. Werden wir dieser Stunde standhalten können, nicht nur mit unserer Liebe, unserer Treue zur alten Heimat, sondern auch mit unserem Wissen um unsern Auftrag und dem Willen, den harten, schweren Dienst zu tun, der dann von uns gefordert sein wird?

 

Wir wissen nicht, wann diese Stunde kommen wird Aber haltet die Spiegel der Erinnerung blank!

H. v. Koenigswald

 

Seite 1   Zusammenschluss der Völker und Staaten Europas.

„Die wichtigsten Fragen alle ziehen in Deutschland langsam nach Osten hin. Dort liegt die größte Gefahr, der Zug des Ostens nach Westen, der nur über Deutschland weggehen kann; und auch die größte Zukunft. Dem großen eurasischen Slawentum ein westeuropäisches entgegenzustellen, das stark genug war, die Verwirklichung des allslawischen Gedankens zu hindern, lag im Interesse Mitteleuropas.... Es ist bekannt, wie im Norden die Bedingungen für eine Einschiebung polnischer und litauischer Staaten zwischen Deutschen und Russen durch eine Ineinanderdrängung der Wohnsitze der Deutschen und Polen erschwert, durch den Zerfall des polnischen Staates unmöglich gemacht wurde. Dort grenzt nun Deutschland politisch an Russland, aber das deutsche Volkstum ist durch das polnische und litauische vom russischen getrennt. Wird die großslawische Idee das Polentum für sich gewinnen? Oder werden die historischen Erinnerungen und Gegensätze zwischen dem Christentum den Westens, das von Rom, und dem des Ostens, das von Byzanz ausging, jede Verbindung auch in Zukunft unmöglich machen? Die Deutschen schmeicheln sich, es werde so sein.

 

Ich begreife das, aber mit meinen alten, an amerikanische Dimensionen gewöhnten Augen sehe ich die Unterschiede nicht so groß, und da ich so viele Völkerunterschiede habe sich verwischen sehen, kann ich nicht so fest gerade an die Dauer dieser glauben. Wenn man die hinreißende Macht großer politischer Gedanken auf die Gemüter der Menschen gesehen hat, legt man größere Maßstäbe auch an die europäischen Verhältnisse.

 

... Wenn ich nun sehe, wie den großen politischen Gedanken die großen wirtschaftlichen Entwürfe folgen, so muss ich jenen eine schöpferische Kraft zuerkennen, die durch gewaltige Werke, wie die Pazifikbahnen, den Interozeanischen Kanal oder die Kanäle im Seengebiet vereinigend wirken. Ich meine die in Amerika gelernte Lehre auf Europa anwenden zu dürfen: Die Kunst der Politik besteht zu einem sehr großen Teil darin, die politischen Konflikte aus engen Räumen, wo sie sich wie die Geschwüre einfressen, herauszuführen. Darin liegt das Heil, das die Erweiterung der Räume der Welt gebracht hat. … Einstweilen sehe ich nur einige wenige fortgeschrittene Geister in ganz Mitteleuropa an der Arbeit, ihre Volksgenossen zu lehren. Völker- und Staatsgrenzen zugunsten eines größeren Zukunftsgebildes weniger zu betonen als das, was Völker und Staaten vereinigt. ...

 

Für mich gibt es überhaupt in der europäischen Politik westlich der Weichsel keine größere Frage als eben diese des Zusammenschlusses der Völker und der Staaten, die z. T. seit Jahrtausenden nur Gegensätze unter sich anerkannt haben, zu einem Bunde, der zunächst ihre wirtschaftlichen Interessen gegen die Riesen im Osten und Westen kräftig vertritt. Welcher Macht Europas ist aber diese Frage näher gelegt als dem im Herzen des Erdteils liegenden Deutschland? Ich, wage zu behaupten, dass seine eigene Zukunft noch mehr als die von Mittel- und Westeuropa von der Stellung abhängt, die es dazu einnimmt“. Friedlich Ratzel (geschrieben 1905)

 

 

Seite 1   Luftangriffe auf Königsberg (Pr.)

Die Auskunftsstelle Königsberg der Patenstadt Duisburg wird wiederholt von Behörden und von geschädigten Königsbergern gebeten, Bestätigungen über Luftangriffe auf Königsberg zu geben oder zu vermitteln. Abgesehen von den beiden großen Luftangriffen Ende August 1944 fehlen aber leider Unterlagen oder Aufzeichnungen. Im Interesse der Geschädigten wird gebeten, der Stadt Duisburg, Auskunftsstelle Königsberg, Nachrichten über Königsberger Luftangriffe (ohne August 1944) zu senden, und zwar nach Möglichkeit über den Zeitpunkt der Angriffe, das Bombenziel (Stadtteile, Straße, Haus) und die Bombenschäden.

 

 

Seite 2   USA-Abgeordneter Reece prangert Unrecht an. Das Recht hilft den Wachsamen und nicht denen, die auf ihrem Recht schlafen.

Im amerikanischen Repräsentantenhaus gab erstmals nach langer Zeit der Abgeordnete Reece von Tennessee am 8. Februar 1956 eine Erklärung über Jalta und Potsdam ab, in der er auf die durch die Vertreibung von 10 Millionen Menschen aus Ostdeutschland erfolgte Verletzung der Menschenrechte, des Völkerrechts und feierlicher Verträge hinwies. Er erinnerte an den Artikel 2 der Atlantik Charta, der besagt, dass die unterzeichneten Mächte „keine Gebietsveränderungen zu sehen wünschen, die nicht mit dem frei geäußerten Willen der betreffenden Bevölkerung übereinstimmen". Bei Festlegung der Besatzungszonen in Deutschland am 5. Juni 1945 hätten die Vertreter der vier Besatzungsmächte, also der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion in ihrer offiziellen Erklärung ausdrücklich von Deutschland innerhalb seiner Grenzen vom 31. Dezember 1937 gesprochen. In ihren am 25. März und 13. Mai 1952 an die Sowjetregierung gerichteten Noten, betreffend die Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland, haben die Regierungen der drei Westmächte es hinreichend klargemacht, dass die Festlegung von Deutschlands Ostgrenze in einem künftigen Friedensvertrag nach der Wiedervereinigung erfolgen soll. Die Regierung der Vereinigten Staaten sowie die Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Französischen Republik sollten nicht den Schatten eines Zweifels daran lassen, dass Ostpreußen und die anderen deutschen Provinzen ostwärts der Flüsse Oder und Neiße gemäß dem Völkerrecht ein Teil Deutschlands innerhalb seiner Grenzen vom 31.12.1937 sind, die heute noch unter kriegszeitlicher rotpolnischer und sowjetischer Verwaltung stehen. Die Regierung der Vereinigten Staaten sollte eine passende Gelegenheit wahrnehmen, die Rechtslage mit klaren Sätzen erneut festzustellen.

 

Anlass zu diesen Erklärungen hatte ein Memorandum über Ostpreußen gegeben. Es war von Dr. Sallet, zurzeit Beauftragter der Landsmannschaft Ostpreußen in den Vereinigten Staaten, verfasst und dem Abgeordneten übergeben worden. Am Beispiel Ostpreußens erläuterte Abgeordneter Reece die ungesetzlichen Machenschaften der Sowjetführer, die offenbar den Plan gehabt haben, die Vertriebenen zu einem Vortrupp des Kommunismus zu machen, wie überhaupt die Politik des Kreml darauf abziele, die Menschen zu entwurzeln, sie von ihrer Heimat, ihrer Familie, ihrer Religion zu trennen und je nach den Ideen der kommunistischen Diktatoren Tausende von Arbeitern und Bauern wie Vieh zu verfrachten. Die vertriebenen Ostpreußen aber seien die wahre Verneinung der Politik des Kreml: „Sie lieben ihr Heimatland, und sie halten an ihrem Recht fest, unentwegt, unentmutigt zäh“. Der Abgeordnete gab sodann das Memorandum bekannt, worin es unter anderem heißt: „Die jetzt in der Bundesrepublik Westdeutschland lebenden Ostpreußen sowie ihre Landsleute in der sowjetischen Besatzungszone (Mitteldeutschland) halten daran fest, dass der Rechtstitel an ihrem Heimatland nicht verloren ist und dass ihre friedliche Rückkehr in ein freies Ostpreußen eines Tages verwirklicht wird. Besetzung durch die Sowjets und ihre Satelliten ändert nicht den Rechtstitel am Land. Sie kann ihn nicht ändern. Hundert Jahre Unrecht ergeben zusammen noch nicht einen einzigen Tag Recht! Und um mit den Worten des großen englischen Juristen Sir Edward Coke zu sprechen, der einst mutig erklärte, dass seines Königs Proklamation das Recht nicht abändern könnte: „vigilantibus et non dormientibus jura subveniunt“. — Das Recht hilft den Wachsamen und nicht denen, die auf ihrem Recht schlafen“.

 

 

Seite 2   Anerkennung für vorbildliche Hilfsaktion

Der Bundespräsident hat auf Vorschlag der Bundesminister des Auswärtigen und für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Mr. Dan West das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen. Mr. Dan West führt als Leiter der Wohlfahrtsorganisation der amerikanischen „Kirche der Brüder" seit 25 Jahren Spendenaktionen in allen Teilen der Welt durch. Es ist sein Verdienst, dass in diese Hilfsaktion seit 1949 auch die Bundesrepublik einbezogen wurde. Unter anderem haben durch Vermittlung des von ihm gegründeten Helfer Project Comites amerikanische Farmer in den letzten sechs Jahren über zweitausend heimatvertriebenen Bauern hochtragende Kühe geschenkt. Durch die Ordensverleihung hat diese vorbildliche Hilfsaktion für das heimatvertriebene Landvolk ihre Anerkennung gefunden.

 

 

Laut Statistik

Das bayerische Arbeitsministerium gab auf Grund der Statistiken der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in Bayern einen Überblick über die Entwicklung des bayerischen Arbeitsmarktes im Jahre 1955. Hierin wird festgestellt, die Lage der Arbeitnehmer aus den Reihen der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge habe sich im vergangenen Jahr stark gebessert.

 

 

Seite 2   Gewissen unserer Soldaten nicht belasten. GB/BHE lehnt Eidleistung ab.

Zum Soldatengesetz sprach der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Abg. Feller, der zunächst die von der CDU beantragte Eidesleistung der Berufssoldaten ablehnte. Er begründete dies damit, dass sowohl die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte wie die politische Situation, unter der sich der Aufbau der neuen Streitkräfte vollziehe, die Einführung des Eides als unzweckmäßig erscheinen ließe. Man könne den Soldateneid mit dem Beamteneid nicht vergleichen, man dürfe auch keine Unterschiede in dieser Frage zwischen Berufssoldaten und Wehrpflichtigen machen. Eine Entscheidung sei verfrüht, solange das deutsche Vaterland, auf das man allein einen Soldaten verpflichten könne, nicht wiedervereinigt sei. Man soll angesichts der Spaltung und der Konflikte, die sich möglicherweise daraus noch ergeben könnten, das Gewissen unserer Soldaten nicht unnötig belasten.

 

Zur dritten Lesung des Soldatengesetzes gab Abg. Feller im Auftrage der Fraktion eine Erklärung ab, die eine grundsätzliche Zustimmung zu dem Soldatengesetz beinhaltete, aber darauf hinwies, dass der GB/BHE es für unerlässlich halte, dass das Parlament streng darauf achte, dass gegenüber den Anforderungen, die die Bundeswehr in den kommenden Jahren an die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bundes stellen werde, die sozialen Aufgaben nicht vernachlässigt werden dürften. Die Herstellung einer gerechten Sozialordnung sei nach Auffassung des GB/BHE ebenso entscheidend für die Sicherung der Freiheit des deutschen Volkes, wie die Stärkung seiner militärischen Verteidigungskraft. Man müsse vor allem den Opfern der vergangenen Kriege Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn der mit der Wehrgesetzgebung eröffnete Weg zum Erfolg führen soll. Die geschichtliche Verantwortung dafür liege beim Deutschen Bundestag.

 

Heimatortkarteien — Einwohnermeldeämter für Heimatvertriebene.

Aus dem Arbeitsbericht für das Jahr 1955, den die Zentralstelle der Heimatortskarteien der kirchlichen Wohlfahrtsverbände (München 15, Lessingstr. 1) zusammengestellt hat, ist ersichtlich, welch große Bedeutung auch heute noch der kirchlichen Suchdienstarbeit zukommt. So wurden im Jahre 1955 noch 263 856 Suchanträge nach vermissten Personen gestellt und 222 048 positive Auskünfte gegeben. Besonders wertvoll ist dabei, dass durch diese Suchdienstarbeit noch täglich nächste Verwandte zusammengeführt werden konnten, zwischen denen jede Verbindung abgerissen war.

 

An Angehörige konnten 65 848 bisher nicht zustellbar gewesene Feldpostbriefe oder Rot-Kreuz-Moskau-Karten zugeleitet werden. Die verschiedensten Behörden und Ämter nehmen die Heimatortskarteien in zunehmendem Maße als Auskunftsstelle in Anspruch. So betrug allein die Zahl der in amtlichen Angelegenheiten gegebenen Auskünfte 308 422.

 

Der Umfang der von den Heimatortskarteien zu bewältigenden Suchdienstarbeit wird allein schon daraus ersichtlich, dass der Gesamtschriftwechsel 1 630 000 Vorgänge umfasste. Bis zum 31.12.1955 waren 11 192 589 Personen in den Karteien erfasst.

 

Seit einigen Monaten werden die polizeilichen Umzugsmeldungen der Heimatvertriebenen in der Bundesrepublik bei den Heimatortskarteien ständig registriert. Die Karteien können so stets aktuell gehalten werden und erfüllen damit auch die Funktion von Einwohnermeldeämtern für Heimatvertriebene.

 

Fast neun Millionen Vertriebene im Bundesgebiet.

Seit der Volkszählung im September 1950 hat die Zahl der Vertriebenen im Bundesgebiet um 889 374 auf insgesamt 8,867 Millionen Personen zugenommen. Die Zunahme ist durch Zuwanderung von Heimatvertriebenen, die bisher in der Sowjetzone wohnhaft waren, durch Aufnahme von Transporten aus den deutschen Ostgebieten, durch Zureise aus dem Ausland — vor allem aus Österreich — sowie durch Geburtenüberschuss erfolgt. Auch eine Anzahl von Kriegsgefangenen, die aus sowjetischen Lagern entlassen wurden, erhielt den Vertriebenenstatus, sofern sie aus den Vertreibungsgebieten stammten.

 

Die Zahl der Sowjetzonenflüchtlinge, die durch das Notaufnahmeverfahren gegangen sind, betrug im Jahre 1955 insgesamt 252 870; unter ihnen befanden sich 68 000 Vertriebene. Seit der Volkszählung im September 1950 hat die Bundesrepublik 1,161 Millionen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone aufgenommen. Es muss aber damit gerechnet werden, dass die Zahl derer, die aus der SBZ nach Westdeutschland übergesiedelt sind, um rund 30 Prozent höher liegt, da wahrscheinlich 300 000 bis 400 000 am Notaufnahmeverfahren vorbeigegangen sind.

 

Echte Autonomie für Südtirol.

Der österreichische Abgeordnete Professor Gschnitzer erklärte in einer Tiroler Jungbauernversammlung, im Pariser Vertrag sei mit keinem Wort auf das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler verzichtet worden. Österreich müsse die Wiedereinführung des Namens Südtirol und der deutschen Ortsnamen, der deutschen Amtssprache und vor allem aber eine echte Autonomie für Südtirol fordern.

 

Minister Minc über den 6-Jahresplan.

„Orzel Bialy" Nr. 6 vom 11.02.1956 berichtet darüber: Der Minister sprach über den vergangenen Sechsjahresplan und war dabei sehr ehrlich. Er bemühte sich, dem polnischen Volke zu erklären, warum es bis jetzt in Polen so schlecht gehe, und dass es in Kürze besser werden würde. Er zählt zwar auf, um wieviel die Industrieproduktion sich gegenüber der Vorkriegszeit gehoben habe, doch musste er zugeben, dass sich der Lebensstandard seit 1949 statt planmäßig um 40 Prozent, nur um 26 Prozent gehoben hat. Leider vergleicht er hier nicht mit Vorkriegszahlen. Er erklärte aber, dass seit 1949 eine Erhöhung der Löhne nur bei den Arbeitern der Schwerindustrie stattgefunden hätte, während die Löhne der Arbeiter in der Leichtindustrie und die der Staatsangestellten keine Veränderung erfahren hätten. Er gab zu, dass in den Jahren 1951 - 1953 viele Milliarden für den Ausbau der Kriegsindustrie und die Modernisierung der Bewaffnung ausgegeben worden seien. Die Zeitung nimmt an, dass er dieses Geständnis gemacht hat, um die Bevölkerung darüber zu täuschen, dass Polen (einschl. der Gebiete jenseits der Oder-Neiße) wirtschaftlich durch Russland ausgebeutet wird.

 

Landarbeitermangel.

In einem Artikel über „Das Problem der Bereitstellung von Arbeitskräften für die Staatsgüter" wies die Warschauer Zeitschrift „Przeglad zagadnien socjalnych" auf den Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in den polnisch besetzten Gebieten hin, so in den Wojewodschaften Allenstein, Danzig, Köslin, Grünberg und Stettin, darüber hinaus aber auch in Ober- und Niederschlesien. Dieser Mangel bedinge die „Nichterfüllung der Terminpläne in der Landwirtschaft". Eine Ergänzung der Belegschaft der Staatsgüter könne, wie die Warschauer Zeitschrift meint, nur noch „aus überregionalen Reserven der Landbevölkerung" kommen, während eine Abstellung von Fabrikarbeitern nicht mehr möglich und außerdem „unwirtschaftlich" sei.

 

 

Verstärkung der Kollektivierung

„Dziennik Polski" Nr. 39 vom 15.02.1956 meldet, dass für den neuen Fünfjahresplan auf Grund eines Beschlusses des ZK. d. K. P. das Tempo der Kollektivierung in Polen erheblich verstärkt werden soll. Das bisherige Tempo sei zu langsam gewesen. Man will die Traktorenstationen besser ausbauen. Bis 1960 sollen in den Traktorenstationen 72 000 Schlepper von 15 PS vorhanden sein. An Mähdreschern will man bis 1960 8000 Stück den Traktorenstationen zur Verfügung stellen. 1960 soll die Gesamtproduktion an Getreide 14 Mill. to betragen, Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre wurden nur 11,6 Mill. to geerntet. Die Kartoffelproduktion soll von 29 Mill. to auf 38 Mill Tonnen gesteigert werden, die Zuckerrübenernte von 6,5 Mill. to auf 9,9 Mill. to.

 

Seite 2   Trakehner aus Hannover bei der Auktion

Als erste der drei in diesem Frühjahr angesetzten Reitpferde-Auktionen der deutschen Landespferdezucht wurde in Dortmund in der kleinen Westfalenhalle die Trakehner Auktion mit einem Auftrieb von 37 Pferden abgehalten, die bei einem Höchstpreis von 8000 DM und dem niedrigsten Preis von 1300 DM einen Durchschnittspreis von 3520 DM erzielte. Dieser Durchschnitt liegt um 1260 DM höher als bei der letzten Trakehner Auktion und sogar noch um 790 DM höher als der bisher höchste Durchschnittspreis der Nachkriegsjahre. Die Westdeutschland - Trakehner Auktionen sind eine Fortsetzung der früheren Ostpreußen-Auktionen im Rahmen der Berliner Grünen Woche. Vier Pferde kamen aus Hannover, aber acht Pferde sind in Hannover gezüchtet worden. Auch das Spitzenpferd der Auktion, der 4 jährige Rappwallach Renommee, ist ein Produkt der niedersächsischen Scholle, denn er wurde von Igor-Meyhoeffer aus Hunnesrück gezüchtet. Frau Anna von Zitzewiz. aus Oberhode, Kreis Fallingbostel, der früher das berühmte ostpreußische Gestüt Wedern gehörte, erzielte für ihren 4 jährigen Schimmel Kavalier 5500 DM. Die Ausbildung der Auktionspferde in der vierwöchigen Trainingszeit in Dortmund leitete U. Poll aus Fahrenholz, Kr. Fallingbostel.

 

Verstärkte Eingliederung vertriebener Bauern

Bundesminister Oberländer hat die Flüchtlingsverwaltungen der Länder gebeten, sich verstärkt der Eingliederung vertriebener Bauern anzunehmen. Von den jährlich angebotenen 70 000 bis 90 000 ha erhielten die Vertriebenen höchstens 25 000 bis 30 000 ha. Es läge in der Hand der Länder, das Vorfinanzierungsverfahren den Erfordernissen des Grundstücksmarktes anzupassen, um dadurch den vertriebenen und geflüchteten Bauern einen größeren Anteil auf dem landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt zu sichern. Die Länder werden gebeten, das Bundesministerium zu benachrichtigen, wenn irgendwo eine Stockung in der Geldbereitstellung oder sonstige Schwierigkeiten auftreten.

 

Schweden übernimmt Patenschaft für Siedlerhöfe

Die von Pastor Forell geleitete Deutsch-Schwedische Flüchtlingshilfe wird die Patenschaft für weitere zehn Siedlerhöfe sowie einen Teil der hierfür erforderlichen Finanzierung übernehmen. Diese Siedlerstellen sind das erste Ergebnis der vom Hessischen Landwirtschaftsministerium angeordneten Brachland-Auffangaktion.

 

Die Deutsch-Schwedische Flüchtlingshilfe hat bereits im Jahre 1953 sechs Holzhäuser zum Aufbau der sogenannten Schwedenhöfe für Flüchtlingsbauern im Kreise Offenbach kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Neue Schule für Flüchtlingssiedlung

Bürgermeister Muth von Bad Vilbel (Hessen) gab bekannt, dass die hessische Staatsregierung für den Bau einer neuen Volksschule in der Flüchtlingssiedlung Heilsberg bei Vilbel den Betrag von 1,2 Millionen DM zur Verfügung gestellt habe. Mit dem Baubeginn sei bereits am 1. April zu rechnen. Die Stadt wird das Grundstück bereitstellen.

 

 

Ostpreußische Heimat in der Firmen-Werbung

Das Mitteilungsblatt der Sunlicht-Gesellsdiaft AG „Der Kontakt" ist in seinen letzten Ausgaben dazu übergegangen, neben produktions- und vertriebstechnischen Beiträgen auch ost- und mitteldeutsche Themen zu behandeln. So enthält das Heft 3/1955 einen reich bebilderten Beitrag über Ostpreußen, während das Heft 4/1955 der Insel Rügen gewidmet ist. Beide Hefte sind ferner mit farbigen Reproduktionen wertvoller alter Karten ausgestattet.

 

Einen Sammelbildband „Ostpreußen" hat jetzt die Lebensmittelfabrik Hensel in Weinheim/Bergstraße für die ihren Fabrikaten beigegebenen Bilderschecks herausgegeben. Der Band ist von Karl Hauke gestaltet worden und enthält neben einer Fülle von ausgewählten Kunstdruckfotos auch belehrende Beiträge über Geschichte, Kultur und Landeskunde Ostpreußens sowie eine Zeittafel und einen Literaturnachweis.

 

Wo sind ostpreußische Corinth-Bilder

Das Schicksal der früher in Ostpreußen in städtischem oder privatem Besitz befindlichen Bilder des großen ostpreußischen Malers Lovis Corinth soll jetzt aufgeklärt werden. Die Feststellungen werden für die Erstellung eines Kataloges über das Werk Corinths benötigt welchen die jetzt in New York lebende Gattin des Malers, Frau Charlotte Behrend-Corinth, gegenwärtig bearbeitet. „Das Ostpreußenblatt" richtet deshalb an alle Kunstfreunde und Landsleute, welche irgendwelche Auskünfte geben können, die Aufforderung, entsprechende Angaben an die Schriftleitung des „Ostpreußenblattes", Hamburg 24, Wallstraße 29, zu senden.

 

 

Betreuung verlassener Gräber

In einem Schreiben an die Spitzenverbände der ostdeutschen Landsmannschaften in Bayern hat Staatsminister Walter Stain angeregt auf Kreisbasis eine Organisation zu gründen, die sich, ähnlich wie die Kriegsgräberfürsorge um die Soldatengräber, um die verlassenen Gräber von Heimatvertriebenen kümmern soll. Durch die Umsiedlung der letzten Jahre sind gerade jene verkehrsentlegenen Orte von Heimatvertriebenen weitgehend verlassen worden, die nach dem Zusammenbruch einen Hauptstrom der Heimatlosen aufzunehmen hatten. Dabei fanden viele Alten an jenen Orten ihre letzte Ruhestätte, die entweder keinen Anhang mehr besaßen oder deren Angehörige und Landsleute inzwischen verzogen sind. Staatsminister Stain regt nun an, dass die Vertriebenenverbände des jeweiligen Bezirks in Zusammenarbeit mit den geistlichen und gemeindlichen Stellen dafür sorgen sollen, damit auch diese Gräber wieder in Pflege genommen werden. Dies gilt auch für jene Orte, wo, oft abseits von Siedlungen, größere Lager entstanden waren, die inzwischen aufgelöst wurden. Schließlich regt der Brief an, bei Totenmalen von Deutschen aus den Ostgebieten nicht nur Name, Herkunftsort und die Geburts- und Sterbedaten, sondern auch die Heimatlandschaft des Verstorbenen anzugeben. Die Vertreibung, die gerade in das Leben der älteren Menschen eine besonders verhängnisvolle Wendung gebracht hat, würde durch diesen Hinweis über ihr Ableben hinaus deutlich werden.

 

 

Deutscher Osten und Wiedervereinigung.

Zu einer Aussprache über den Deutschen Osten kamen Mitglieder verschiedener Jugendverbände in Kassel zusammen. Der Leiter der Hess. Landeszentrale für Heimatdienst, Dr Osieka, führte in die Probleme des Deutschen Ostens, insbesondere der Wiedervereinigung ein. Der Wille zur Wiedervereinigung in breitestem Rahmen und die Kenntnis der Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang sind die Voraussetzungen für die Neuordnung des ost- und mitteleuropäischen Raumes. Die Wiedervereinigung könne nur eine Teillösung sein. Die Schule habe die Aufgabe, das westliche Geschichtsbild zu erweitern und Kenntnisse über die Ostvölker zu vermitteln.

 

 

 

Seite 3   Unsere Heimat heute.

Die deutschen Binnenfischer in Nikolaiken.

In der deutschsprachigen Zeitung „Arbeiterstimme", die in Breslau für alle in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten noch lebenden Landsleute erscheint, veröffentlichte man kürzlich einen ausführlichen Bericht aus Ostpreußen. Und zwar betraf er das Städtchen Nikolaiken im Landkreis Sensburg. Wir geben diesen Bericht auszugsweise wieder:

 

„Hart faucht der kalte Wind über den fast gefrorenen See daher. Ich gehe die Kajki-Straße entlang und freue mich an den niedrigen kleinen Häuschen, von denen keines dem andern gleicht. Aber alle machen auf mich denselben Eindruck: fest schmiegen sie sich an die Heimaterde, damit der Wind sie nicht fortreißt.

 

Da ist ja das Haus, das mir die Schwester beschrieb: ein großer hölzerner Fisch liegt an einer Kette angeschmiedet neben dem Eingang, wahrlich ein passender Wächter für das Verwaltungsgebäude der Fischereidirektion.

 

„Zespol Rybacki Mikolajki“ (Fischereigruppe Nikolaiken) verkündet die rote Firmentafel an der schweren Tür, neben der in einem originellen Schaukasten die Arbeitserfolge der einzelnen Abteilungen durch die Planerfüllungsziffern veranschaulicht werden. Die beste Abteilung wird als Düsenjäger dargestellt. Die schwächste muss mit einem Krebs als Wahrzeichen vorlieb nehmen.

 

Hier treffe ich den Stellvertreter des Direktors, den Genossen Ernst Kulak, Leiter der Fischereigruppe Nikolaiken, der mir über den Betrieb bereitwillig Auskunft gibt.

 

Es handelt sich bei uns um einen staatlichen Betrieb, der dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist. In seiner Organisationsstruktur gleicht er den Staatsgütern. Der Direktion in Nikolaiken unterstehen sieben Fisch-Wirtschaften: Nikolaiken, Talten, Okiertowo, Niedersee, Pilchen, Hermannsruh/ Glodowen und Wiartel. Man plant, die Fischereigruppe Nikolaiken und Talten einerseits und Pilchen und Hermannsruh andererseits zusammenzulegen. Somit reduzieren wir die Zahl der Fischereigruppen auf fünf. Unsere Erfolge, ja, die sind ganz gut Wir nehmen in der Planerfüllung im Rahmen der Binnenfischerei einen der führenden Plätze ein! Die aktivsten Fischer in Nikolaiken sind die drei Kollegen Franz Bergknecht, Otto Komorowski und Gustav Bogatz!

 

Der 82 jährige Franz Bergknecht lässt es sich nicht nehmen, bei jedem Wind und Wetter auf Fang zu fahren. Für seinen ungewöhnlichen erfolgsgekrönten Eifer erhielt er das Arbeitsaktivisten-Abzeichen. Er ist der älteste Fischer unseres Verbandes.

 

Kollege Bogatz ist unser bester Brigadier, er besitzt auch mehrere Auszeichnungen. Otto Komorowski, der wegen seines Rekordfanges im Februar 1955 weit über die fachmännischen Kreise hinaus berühmt wurde. Er hat in einem einzigen Zug 85 t Brassen gefangen. Das ist in der Geschichte der Binnenfischerei eine bisher nicht dagewesene Tatsache!"

 

Unzulänglicher Seenot-Dienst

Nachdem die volkspolnische Presse seit mehreren Jahren den unzulänglichen Seenotdienst an der ostpommerschen Küste kritisiert und zahlreiche Todesfälle auf das Fehlen eines Rettungsdienstes zurückgeführt hatte, sind kürzlich drei neue Rettungsstationen in Rewahl, Deep (Kreis Greifenberg) und Schiewenhorst bei Danzig geschaffen worden. Die Tätigkeit der Rettungsaktionen beschränkt sich jedoch, polnischen Pressemeldungen zufolge, auf erste Hilfsmaßnahmen für Schiffbrüchige, jedoch nicht auf direkte Rettungsaktionen gesunkener oder gestrandeter Schiffe. Bisher stehen den tätigen Rettungsaktionen nur kleine Boote zur Verfügung, die ohne Motorenantrieb sind.

 

 

Königsberg: Soldaten- und Arbeiterstadt Königsberg.

Wenn auch immer noch ein Schleier über dem sowjetisch besetzten Teil Ostpreußens liegt, so beginnt er sich doch allmählich zu lichten. In der letzten Zeit sind verschiedene Deutsche aus dem nördlichen Ostpreußen eingetroffen, die über die Verhältnisse in Königsberg folgendes berichten. Machorkakauende Soldaten, kleine, struppige Pferdchen vor Panjewagen, ratternde, tauchende mit Zeltplanen überdeckte Lastkraftwagen, Bretterbuden mit kyrillischen Schriftzeichen, Arbeitsbataillone zwischen Trümmern: Das ist das heutige Straßenbild von Königsberg.

 

Zwischen Mongolen, Kirgisen und Tartaren bewegen sich aber auch nylonbestrumpfte, westlich modisch gekleidete Offiziersdamen, sieht man luxuriöse Limousinen hoher Militärs und Parteiführer. Wenn nicht einige Reste ehemaliger deutscher Kulturbauten der 700-jährigen Ordensstadt zwischen den neuerrichteten Parteihäusern und Offiziersunterkünften, den vielen hölzernen, rotangepinselten Triumphbögen und den sowjetbesternten Kasernen und Werkstätten der Roten Armee wären, könnte man glauben, sich in einer östlichen Provinzstadt zu befinden.

 

In der Königsberger Universität, der jetzigen politischen Schulungsstätte der Königsberger Arbeiterschaft, befindet sich heute ein russisches Museum, in dem der slawische Anspruch auf die Provinz „Kaliningrad' durch eine Bildgalerie, Ausgrabungsstücke und eine „Dokumentarsammlung" belegt werden soll. Der während des Kriegs schwerbeschädigte Dom wurde wiederhergestellt, ebenso der Kneiphof auf der Pregelinsel. Vor der Ruine der Luisenkirche steht ein russischer Wachtposten, denn sie dient als Lagerschuppen; während Balalaikaklänge aus der Juditterkirche tönen, die man zu einem Offizierskasino gemacht hat. Auf dem Ponather Gelände ist ein „Kulturpark" mit Karussels, Luftschaukeln, Schießbuden und — Milchbars — in denen aber auch Bier und Wodka ausgeschenkt wird, entstanden. Dort amüsieren sich Rotgardisten, Zivilarbeiter und zweifelhafte Mädchen.

 

Die Russen haben sich eifrig bemüht, die Industrie in Gang zu bringen, und zum größten Teil ist ihnen das auch gelungen. Anfangs standen ihnen deutsche Soldaten und Zivilinternierte zur Verfügung, heute sind es Zwangsarbeiter und sogenannte Strafbataillone, die unter Anleitung von Spezialisten mit groben Arbeiten beschäftigt werden. Die Werften, einige Eisengießereien, eine Schiffsbau- sowie mehrere Maschinen- und Waggonfabriken, Sägewerke und Fischkonservenfabriken arbeiten auf Hochtouren, um den „Rayon Kaliningrad" autark zu machen. So ist Königsberg heute nicht nur Soldatenstadt, sondern auch Arbeiterstadt.

 

Schlecht ist es um die Zivilbevölkerung bestellt. Textilwaren sind besonders teuer. Nylonstrümpfe, die sehr begehrt sind, kosten 32, einfache Strümpfe 16 Rubel. Ein Paar Schuhe kosten 180 bis 200 Rubel, ein Arbeitsanzug 140 bis 160 Rubel. Auch die Lebensmittelpreise sind kaum erschwinglich.

 

 

Propaganda in Ostpreußen wirkungslos

Nachdem erst kürzlich die Warschauer Zeitunq „Slowo Powszechne" verschiedentlich darüber Klage geführt hatte, dass die polnische Kulturpropaganda im südlichen Ostpreußen bei der in der Heimat verbliebenen deutschen Bevölkerung auf Ablehnung stößt, befasst sich nun auch die polnische Zeitschrift „Nowa Kultura" mit dem gleichen Problem. Es gehe nicht an, heißt es in dem Aufsatz, dass über diese Situation nur „Alarm geschlagen" werde, ohne dass man etwas für die Ermländer und Masuren selbst tue. So erscheine zwar in Allenstein eine kulturpolitische Zeitschrift „Warmia i Mazury" (Ermland und Masuren), aber dieses Organ befasse sich ausschließlich mit „geschichtlichen Stoffen, um das Polentum des Landes zu beweisen", ohne jedoch die Gegenwartsnöte der „autochthonen Bevölkerung" zu berücksichtigen. Besonders bedauerlich sei, dass die Leiter der Kreis-Kulturhäuser, die „kulturellen Instruktoren" und die „Instruktoren der Jugend-Kollektivs" sowie die Lehrer, die zumeist aus Zentralpolen stammten, „in der Regel keinen Begriff von den besonderen Gegebenheiten auf dem Felde der Autochthonen" hätten. Vor allem aber trete erschwerend hinzu, dass die alteingesessene Bevölkerung in Ermland und in Masuren sich immer noch der Geschehnisse zu jener Zeit erinnere, als das Land „volkspolnisch" wurde, an Vorgänge, „die nicht immer Anlaßsszum Stolz für uns (die Polen) sind". Mit diesen Fragen müsse sich die Zeitschrift .Warmia i Mazury" neben der Vermittlung historischen Materials ebenfalls befassen, aber „unsere Aktivisten wissen nicht, was man ihnen (den Deutschen im südlichen Ostpreußen) sagen soll". Hierzu wird des Weiteren festgestellt, dass die zur Beeinflussung der „autochthonen Bevölkerung" gegründete Zeitschrift die Ermländer und Masuren „überhaupt nicht erreicht".

 

 

Gefährliche Medikamente zum 31.03., 01. und 02.04.1956

In der polnischen Presse finden sich immer häufiger Klagen über die Auslieferung minderwertiger Medikamente in Ostpreußen. So heißt es in einem Bericht aus Maldeuten im Landkreis Mohrungen, dass die dortige Apotheke an die Zuckerkranken verdorbene Medizin verkauft. Und zwar handelt es sich dabei um Insulin-Packungen, die von einer Warschauer pharmazeutischen Firma hergestellt und in den Handel gebracht werden. Jedes Insulin-Fläschchen von 80 Einheiten hat als Verschluss eine Gummikappe. Trotzdem ist das Insulin verdorben, so dass es vernichtet werden muss. Für den ganzen Spaß dürfen die Zuckerkranken jeweils noch 36,80 Zloty pro Fläschchen bezahlen. Besonders empört sind sie darüber, dass jede Packung von der sogenannten technischen Kontrolle gestempelt ist und dass auf jeder Flasche der Vermerk steht: „Für die Qualität des Erzeugnisses garantiert die Firma". Trotz dieses Hinweises aber reagiert das Warschauer Werk nie auf Beschwerden und Ersatzforderungen der hintergangenen Käufer.

 

 

Erfolgreiche Eisfischer

Von der Kolchos-Genossenschaft in Lötzen wurde jetzt bekanntgegeben, dass sie in den vergangenen Monaten erhebliche Sondereinnahmen aus der Eisfischerei hatte. Die Ergebnisse und die Verkaufserlöse aus dieser Tätigkeit sollen so groß gewesen sein, das die Genossenschaft alle ihre Schulden abdecken konnte. Von Lötzen wurden regelmäßig der Löwentin- und der Mauer-See sowie die anderen umliegenden Gewässer befischt. Zum Teil hatte man sich der Hilfe von Deutschen und von Optanten versichert, die die traditionelle Art der ostpreußischen Eisfischerei zeigen und erklären mussten. Die gefangenen Fische wurden mit gutem Erlös in Rastenburg und Allenstein verkauft. Auf Grund des guten Ergebnisses erhielten die Genossenschafts-Mitglieder, darunter auch Deutsche, beträchtliche Arbeitsentgelte. Auch die Staatsgut-Gemeinschaft in Lötzen beteiligte sich mit ähnlichem Erfolg am Eisfischen.

 

 

Wilderer am Werk

In Allenstein wurde kürzlich eine Kommission gebildet, die sich mit dem Wildeierunwesen befassen soll. Die Forstverwaltung ist der Meinung, dass in den letzten Monaten die Wilderer erheblich mehr Tiere erlegt haben als die Förster und die Jagdkommandos . . Der Schwarzhandel mit Wildbret war in der letzten Zeit äußerst umfangreich, auf dem schwarzen Markt gab es praktisch zu jeder Zeit Wild aller Art zu kaufen. Obwohl in diesen Wochen, während Schnee lag, laufend Wolfsjagd-Brigaden unterwegs waren, die gleichzeitig ein Auge auf die Wilderer haben sollten, ließen sich die Wilddiebe nicht stören. Man will nun versuchen, über die Hehler und Schwarzhändler den Wilderern auf die Spur zu kommen.

 

 

Seite 3   Chronik. Kurzmeldung aus der Heimat.

Allenstein

In der derzeitigen Woiwodschaft Allenstein wechselten von 413 Kolchosleitern insgesamt 205, d. h. jeder zweite den Posten im vergangenen Jahre. Allem Anschein nach haben sich die Verhältnisse inzwischen nicht gebessert oder beruhigt. Polnische Landwirtschaftskreise befürchten, dass dieser Wechsel sich auch in diesem Jahr nachteilig auf die Produktion auswirken werde.

 

 

Danzig

Nach der Marienkirche wurden nun auch die Wiederaufbauarbeiten der Katharinenkirche in Angriff genommen. Die innere Einrichtung der Kirche, die Malereien und Skulpturen waren luftschutzsicher untergebracht und sind wieder aufgefunden worden.

 

 

Wirsitz (Westpreußen)

Aus der evangelischen Kirche sind Bänke, Kanzel, Altar, Seitenemporen und alles Übrige weggenommen und von der Bevölkerung als Brennmaterial verwertet worden. Die sehr klangvolle Orgel ist von den Besatzungstruppen total vernichtet und verschleppt worden; nur ein Teil des Gehäuses steht noch. Die Kirche wird jetzt als Lagerraum benutzt.

 

 

Riesenburg (Westpreußen)

Die frühere Heil- und Pflegeanstalt dient heute als Sanatorium für Lungenkranke. Unter dem Personal sind mehrere Frauen und Mädchen.

 

 

Memel

Die Liebauer Straße, im Kriege fast völlig zerstört, ist mit massiven, dreistöckigen Häusern wieder errichtet worden, bietet jedoch in ihrem neuen Gesicht ein völlig fremdes Gesicht. Auch das ehemalige Hotel „Baltischer Hof", heute „Hotel Baltik", ist nach seiner Überholung nicht mehr wiederzuerkennen.

 

 

Seeburg

Im alten Rathaus und im Schloss residiert heute die polnische Stadtverwaltung. Viele alte Gebäude sind willkürlich abgerissen worden, teils auch niedergebrannt, vor allem solche auf dem Markt. Die Abstimmungseiche ist stehen geblieben.

 

 

Wormditt

Die 53 000 Hektar Brachland sollen in diesem Jahre von den Staatsgütern im Kreise Wormditt zum ersten Mal wieder unter den Pflug genommen werden. Vorläufig fehlt jedoch noch jegliches Saatgut für die Frühjahrsbestellung.

 

 

Gdingen

Kürzlich wurde die elektrifizierte Eisenbahnstrecke Danzig—Gdingen über Gdingen hinaus verlängert. Die Strecke wird zum Teil mit Zügen der Berliner S-Bahn befahren, die bei Kriegsende nach Polen gebracht wurden.

 

 

Riesenkirch (Westpreußen)

Heute leben nur noch acht deutsche Familien in Riesenkirch, die darauf warten, nach Deutschland ausgesiedelt zu werden. Die Schule ist abgebrannt und der Unterricht wird jetzt im Pfarrhaus abgehalten.

 

 

Palmnicken

In der Bernsteingewinnung sind 200 bis 300 deutsche und russische Zwangsarbeiter tätig, die Deutschen zumeist als Bernsteindreher an den Spindeln; sie werden nach innerrussischen Lohntarifen als Spezialisten bezahlt. Sie sind dadurch in der Lage, zusätzlich Lebensmittel und Kleidungsstücke zu kaufen.

 

 

Allenstein

Nach einer Meldung der volkspolnischen Nachrichtenagentur PAP sind in der Altstadt von Allenstein bisher nur 25 Häuser mit insgesamt 450 Wohnräumen, das sind 120 bis 150 Wohnungen, wieder aufgebaut worden. Für die erste Jahreshälfte 1956 sollen weitere 100 Wohnräume (30 bis 40 Wohnungen) wiederhergestellt werden.

 

 

Danzig

„Radio Warschau 1" meldet: In Danzig wird die große alte Mühle, die noch aus der Kreuzritterzeit stammt, wiederhergestellt. Im Mittelalter war diese Mühle das größte Industrieunternehmen im nördlichen Europa.

 

 

Seite 4   Die Sozialpolitische Seite.

 Bisher 3.47 Milliarden DM Hausratshilfe.

Bis zum Ende des Jahres 1955 hat der Ausgleichsfonds insgesamt 3,47 Milliarden DM an die Geschädigten zur Wiederbeschaffung von Hausrat ausgezahlt. Darin sind die nach dem Soforthilfegesetz für Hausratshilfe ausgeschütteten 556 Millionen DM und ein Betrag in Höhe von 67 Millionen DM für Beihilfen zur Hausratsbeschaffung aus dem Härtefonds enthalten. Von 6,9 Millionen Anträgen auf Hausratsentschädigung aus dem Lastenausgleich wurden bis zum 31. Dezember 1955 von den Ausgleichsämtern 4,5 Millionen Anträge auf die Hausratshilfe 1. Rate mit 1,78 Milliarden DM bewilligt. An diesem Betrage sind die Vertriebenen mit 60,4 Prozent, und die Kriegssachgeschädigten mit 39,2 Prozent beteiligt; der Rest entfällt auf Ostgeschädigte. Bei der zweiten Rate Hausratshilfe wurden bis zum gleichen Zeitpunkt 2,5 Millionen Anträge mit einer Summe von 1,08 Milliarden DM bewilligt. Hiervon entfielen auf die Vertriebenen 58,9 Prozent, auf die Kriegssachgeschädigten 40,8 Prozent und der Rest auf Ostgeschädigte. Nach dem § 295 des Lastenausgleichsgesetzes ist die Hausratsentschädigung nach den früheren Einkünften oder dem früheren Vermögen der Geschädigten in drei Gruppen gestaffelt. Im Laufe des letzten Jahres wurden 1,56 Millionen Anträge aus Hausratsentschädigung ausgezahlt, um die Schadensstufen festzustellen. Danach entfielen 97,2 Prozent der Bescheide auf die unterste Schadensstufe I, 2,1 Prozent auf die Schadensstufe II, und 0,7 Prozent auf die Schadensstufe III. Diese Sätze bedeuten jedoch nur einen Anhalt und keine Repräsentation, da die Auszählung nur den Teil der bewilligten Anträge umfasst, der in den zuletzt freigegebenen Punktgruppen liegt. Mit der Auszahlung der auf die II. und III. Schadensstufe entfallenden sogenannten Aufstockungsbeträge gemäß § 297, Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes darf erst nach der Abwicklung der 1. und 2. Rate der Hausratshilfe begonnen werden.

 

 

Seite 4   Abgabeerhöhung im Lastenausgleich zumutbar. BVD-Vorschlag neu aufgegriffen.

BVD-Vorschlag neu aufgegriffen

Der Lastenausgleichsausschuss des BVD beschloss vom 25. Oktober 1955, das Lastenausgleichsgesetz im Schlussgesetz dahingehend abzuändern, dass die abgabepflichtigen Gewerbetreibenden ihre Vermögensabgabe statt bis zum Jahre 1979 bereits bis zum Jahre 1971 entrichten sollen. Der Lastenausgleichsausschuss war der Auffassung, dass eine solche Verkürzung der Laufzeit und die damit verbundene Erhöhung der Jahresraten um 50% in Anbetracht der günstigen Wirtschaftsverhältnisse in der Bundesrepublik dem Gewerbevermögen zumutbar ist. Der Antrag hätte die Auswirkung, dass dem Lastenausgleichsfonds in den Jahren 1957 bis 1971 jährlich rund ½  Mrd. DM mehr zur Verfügung stehen würde. Diese „zwangsweise Vorfinanzierung" böte die Möglichkeit wesentlich beschleunigter Ausbezahlung der Hauptentschädigung. Diesen Gedanken des BVD-Lastenausgleichsausschusses aufgreifend hat die SPD-Bundestagsfraktion unter dem 22. Februar einen Antrag im Bundestag gestellt, wonach die Vermögensabgabe der gewerblichen Wirtschaft — mit erhöhten Jahresraten bereits am 1. April 1956 beginnend — bis spätestens 31. März 1969 entrichtet werden soll. Diese Initiative der SPD wird von den Vertriebenen und anderen Kriegsgeschädigtengruppen sehr begrüßt.

 

 

Seite 4   LAG-Mittel für die Berufsausbildung

In der Zeit vom 1. September 1949 bis zum 30 September 1955 erhielten 893 823 Personen Ausbildungshilfe und Beihilfen zur Berufsausbildung aus dem Soforthilfe- bzw. Ausgleichsfonds. Davon waren 750 473 oder 84 Prozent Vertriebene, 109 754 oder 12,3 Prozent Kriegssachgeschädigte, 13 386 oder 1,5 Prozent Sowjetzonenflüchtlinge, 17 200 oder 1,9 Prozent Spätheimkehrer und 3010 sonstige Geschädigte. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 387 Millionen DM für Ausbildungshilfe ausgezahlt. Diese Leistungen stützen sich auf die Kannvorschriften des Lastenausgleichsgesetzes.

 

 

Seite 4   Sechste Durchführungsverordnung gebilligt

Der Bundesrat hat die Sechste Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes gebilligt, die eine Regelung über die Ersatzeinheitswerte für Betriebsvermögen bringt. Der Verordnung, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird, sind Tabellen mit Richtzahlen und Ersatzeinheitswerten für Maler, Schneider, Tischler, Schuhmacher, Schlosser, Schmiede, Bäcker, Fleischer, Konditoren, Friseure, Kolonialwarengeschäfte, Obst- und Gemüsegeschäfte, Schokoladen- und Süßwarengeschäfte sowie Tabakwarengeschäfte beigefügt. Weitere Tabellen mit Richtzahlen, die sich aus der Anzahl der Beschäftigten, aus Umsätzen, Reineinkünften, Anlagevermögen und Umlaufvermögen ergeben, werden von der Bundesregierung erlassen werden, soweit die vorhandenen Richtzahlen nicht zugleich auch auf Betriebe ähnlicher Art angewendet werden können.

 

 

Lohnsteuerjahresausgleich

Anträge auf Lohnsteuerjahresausgleich müssen spätestens bis zum 30. April 1956 eingereicht werden. Wenn das Ausgleichsverfahren nicht vom Arbeitgeber durchgeführt wird, muss der Arbeitnehmer den Antrag bei dem Finanzamt stellen, in dessen Bezirk er am 20. September 1955 seinen Wohnsitz hatte.

 

 

Waisenrente für ostpreußische Kinder

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem Berufungsverfahren in einer Versorgungsstreitsache, die namens ostpreußischer Waisenkinder anhängig gemacht worden war, für Recht erkannt, dass das Land Baden-Württemberg diesen Kindern, deren Eltern nach der Besetzung Ostpreußens durch die Sowjetarmeen infolge der herrschenden Hungersnot in Insterburg verstorben sind, die gesetzliche Waisenrente zu gewähren hat.

 

Neue ERP-Kreditmittel für die Vertriebenenwirtschaft

Im Rahmen des Produktivitätsprogramms wurden nach Mitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesressorts ERP-Kreditmittel für die 2. Rate des Programms an Vertriebenen- und Flüchtlingsunternehmen in Höhe von weiteren 4,5 Millionen DM bewilligt. Damit sind als aus dieser Tranche mit den bereits verplanten 3,5 Millionen DM insgesamt 8 Millionen DM bewilligt worden. Mit diesen stark gefragten zinsverbilligten Krediten wird der Vertriebenenwirtschaft ein starker Impuls gegeben. Die Kredite werden vornehmlich bei solchen Betrieben eingesetzt, wo Rationalisierungsmaßnahmen zum Zwecke einer Produktionssteigerung notwendig sind.

 

 

Ostdeutsche Grundbücher werden rekonstruiert

Von allen Verlusten, die die Vertreibung aus Mittel- und Ostdeutschland für die Flüchtlinge mit sich gebracht hat, ist der Verlust der eigenen Scholle und des eigenen Heimes der schwerwiegendste. Der Besitz eines eigenen Stückchens Erde, eines eigenen Wohnhauses stellt eines der stärksten Bindemittel zur alten Heimat dar. Die Wiedervereinigung ist nicht von unseren Wünschen und unseren Kräften abhängig, sie ist einer der wichtigsten Punkte der großen Weltpolitik. Aber etwas kann jeder Grundbesitzer und jeder Hausbesitzer in der Sache tun: die alten Rechte für Kinder und Enkel dokumentarisch sicherstellen. Dafür arbeitet das Archiv für Grundbesitz in Bad Ems (früher Gießen).

 

Das Archiv hat bereits viele Tausende von Grundstücken registriert und die zugehörigen Grundbuchunterlagen gesammelt, so dass die Wiederherstellung der verloren gegangenen Grundbücher für alle Zukunft versichert wird. 

 

 

Seite 4   In welcher Höhe wird Hausratshilfe gewährt. Maßgeblich ist die Punkttabelle — Grundbetrag der ersten Rate 300 DM

Die Höhe der Hausrathilferaten bemisst sich im Regelfalle wie folgt: Grundbetrag in der ersten Rate 300 DM, in der zweiten Rate 500 DM, Ehegattenzuschlag in der ersten Rate 150 DM, in der zweiten Rate 50 DM, Angehörigenzuschlag in der ersten Rate 50 DM, in der zweiten Rate 50 DM, Angehörigenzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind zusätzlich in der ersten Rate 50 DM und in der zweiten Rate 50 DM. Personen, die zur Zeit der Schädigung unverheiratet waren und keinen selbständigen Haushalt führten, erhalten nur die Hälfte des Grundbetrages. Die Hausrathilfe der Soforthilfezeit (für ein Ehepaar 150 DM) wird in der Regel mit der zweiten Rate verrechnet, jedoch wird, sofern die Soforthausrathilfe 200 DM überstieg, um den Überschussbetrag die erste Rate gemindert.

 

Damit jeder Vertriebene ersehen kann, ob er bei Neuaufruf der Hausrathilfe berücksichtigt wird, seien nochmals die Bestimmungen der Punkttabelle mitgeteilt. Es wird gewährt:

 

I. bei monatlichen Familieneinkünften (maßgeblich sind die Einkünfte, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogen wurden und damals im Antragsformular angegeben wurden, es sei denn, die Einkunftsverhältnisse haben sich nachträglich verschlechtert, woraufhin eine Neufestsetzung zu erfolgen hätte.)

 

bis 100 DM 45 Punkte

von 101 DM bis 150 DM 40 Punkte

von 151 DM bis 200 DM 35 Punkte

von 201 DM bis 300 DM 30 Punkte

von 301 DM bis 400 DM 25 Punkte

von 401 DM bis 500 DM 20 Punkte

von 501 DM bis 600 DM 15 Punkte

von 601 DM bis 700 DM 10 Punkte

von 700 DM bis 800 DM 5 Punkte

über 800 DM 0 Punkte

 

II. bei einem Lebensalter des Antragstellers am 1. April 1952 bis zur Vollendung des 64. Lebensjahres für jedes nach der Vollendung des 49. Lebensjahres vollendeten Lebensjahr = 1 Punkt.

 

Nach der Vollendung des 64. Lebensjahres für jedes weitere vollendete Lebensjahr je 2 Punkte.

 

III. nach dem Familienstand des Antragstellers zur Zeit der Antragstellung für jeden zum Haushalt des Antragstellers gehörenden und von ihm wirtschaftlich abhängigen Familienangehörigen 10 Punkte.

 

Für das vierte und jedes weitere Kind außerdem weitere je 10 Punkte.

 

IV. nach der besonderen sozialen Lage für Kriegs- und Unfallgeschädigte bei anerkannter Schwerbeschädigung 5 Punkte.

 

Bei anerkannter Schwerbeschädigung von 80 v. H. oder mehr oder bei Bezug von Pflegegeld 10 Punkte.

 

Für Antragsteller, die nicht unter die vorgenannte Bestimmung fallen, aber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen so hilflos sind, dass sie nicht ohne fremde Wertung und Pflege bestehen können, 10 Punkte.

 

Für eine alleinstehende Frau (einschließlich Frauen von Vermissten und Internierten) mit mindestens einem versorgungsberechtigten Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 5 Punkte.

 

Für Antragsteller, die seit dem 1. April 1952 erstmalig in eine familiengerechte Wohnung eingewiesen sind, 21 Punkte.

 

V. in besonders gelagerten Fällen (z. B. wenn noch kein ausreichender Hausrat vorhanden ist oder wenn infolge von Umständen, die nicht schon nach III oder IV ausreichend mit Punkten bewertet worden sind, eine besondere Härte vorliegt) zusätzlich weitere 20 v. H.

 

 

Wiedergutmachung für Danziger.

Durch das dritte Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im öffentlichen Dienst, das der Bundestag am 23. Dezember 1955 verabschiedet hat, ist nunmehr festgelegt, dass als Angehörige des öffentlichen Dienstes auch Personen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit gelten, die in der Freien Stadt Danzig, im Saargebiet und in den nach 1937 eingegliederten Gebieten, einschließlich des Protektorats Böhmen und Mähren, im Dienst eines öffentlich rechtlichen Dienstherren standen oder versorgungsberechtigt waren. — Obwohl der Bundesinnenminister sich schon bisher nach dieser Auslegung gerichtet hat, entschied ein Teil der Gerichte, darunter das Verwaltungsgericht Köln im gegenteiligen Sinne, nämlich, dass Danziger Geschädigte von der Wiedergutmachung für Schäden in der Zeit von 1933 bis 1939 ausgeschlossen seien. Alle Landsleute, deren Entschädigungsanträge mit dieser Begründung bisher abgewiesen worden sind, können durch einen neuen Antrag ihr Verfahren wieder in Gang bringen. Die Antragsfrist ist bis zum 31. Dezember 1956 verlängert worden. Für Anträge, die noch nicht rechtskräftigt abgeschlossen sind, bedarf es keines neuen Antrages.

 

 

Seite 4   Die Arbeitslosigkeit der Vertriebenen. Eine Statistik des Vertriebenenministeriums.

Nach eine Statistik des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte betrug der Anteil der Vertriebenen an der Arbeitslosenziffer des Jahresendes in Höhe von knapp 1,5 Millionen insgesamt 25,2 Prozent. 263 447 Vertriebene oder drei Prozent der vertriebenen Bevölkerung waren am 31. Dezember 1955 arbeitslos. Die Quote der einheimischen Arbeitslosen an der einheimischen Bevölkerung betrug dagegen nur 1,9 Prozent und der Anteil aller Arbeitslosen an der Gesamtbevölkerung nicht mehr als 2,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit der Vertriebenen ist allerdings beträchtlich zurückgegangen, denn am Jahresende 1949 belief sich der Vertriebenenanteil an der Arbeitslosenziffer auf 36,3 Prozent. Bei einem Arbeitslosenanteil an der Gesamtbevölkerung von 3,4 Prozent waren damals 7,2 Prozent aller Vertriebenen arbeitslos während die Arbeitslosenquote der Einheimischen lediglich 2,6 Prozent ausmachte.

 

 

Zollfreie Pakete nach Polen

Der Liebesgaben- und Geschenkpaketverkehr von Deutschland nach Polen einschließlich der polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete ist nach einer Mitteilung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland wesentlich erleichtert worden. Polnische Zeitungen empfehlen Personen, die Geschenkpakete aus dem Westen zu erwarten haben oder erhalten, wegen der zollfreien Einfuhr ein Gesuch an das Außenhandelsministerium (Zentralzollamt) in Warschau zu richten. In dem Gesuch sei anzuführen, in welchen Zeitabständen ein solches Paket für den Eigenbedarf erwartet und was es enthalten werde. Dem Gesuch sei eine Bestätigung der Abteilung für Arbeit und Sozialfürsorge beim jeweils zuständigen Präsidium des Nationalrats über die Mittellosigkeit des Antragstellers beizufügen. Nach Genehmigung des Gesuches könne der Antragsteller seinen Verwandten oder Freunden mitteilen, dass sie ein Paket mit den vorgesehenen Waren und dem Vermerk „Wolne od oplat celynch" (zollfrei) absenden könnten. Für derartige zollfreie Pakete kämen alte Leute, Rentner, Körperbehinderte sowie bedürftige, von ihren Familien getrennt lebende Personen in Frage.

 

Da gerade dieser Personenkreis zumeist nicht in der Lage ist, sich Zeitungen zu halten, empfiehlt es sich nach Angaben des Hilfswerkes für den Absender von Geschenkpaketen, die Empfänger in Polen auf diese Möglichkeit des Einsparens der — oft recht hohen — Zollbeträge rechtzeitig aufmerksam zu machen.

 

 

Seite 4   Freifahrtscheine für SBZ-Besucher.

Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass minderbemittelte Bewohner der Sowjetzone, die in die Bundesrepublik reisen, seit dem 16.03.1955 von der Deutschen Bundesbahn kostenlos Rückfahrkarten erhalten können. Entsprechende Anträge sind bei dem für den Besuchsort in der Bundesrepublik zuständigen Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung zu stellen. Es ist dort ein Formblatt auszufüllen. Gegen Vorlage des genehmigten Antrages stellt die Fahrkartenausgabe des Abreisebahnhofes den Fahrschein aus. Die Kosten übernimmt die Bundesrepublik. Die Fahrkarten gelten nur auf den Strecken der Bund bahn bis zur Zonengrenze. Auf dem ersten Bahnhof der Sowjetzonen-Eisenbahn muss eine Fahrkarte für die Weiterfahrt zum Heimatort gelöst werden. Es wird geraten, die Nachlösung nicht zu versäumen. Andernfalls entstehen große Schwierigkeiten.

 

 

HERNE.

Vom Ostvertriebenen-Chor Herne ergeht an alle sangesfreudigen Landsleute, die gewillt sind, sich in den Dienst des ostdeutschen Liedes zu stellen, die Bitte, sich an unseren Chorproben zu beteiligen. Probenabende finden jeden Montag um 20 Uhr im Musiksaal des Kolpinghauses, Neustraße, statt.

 

 

Seite 5   Aus Bund und Gruppen. (Fortsetzung von Seite 2)

2. Arbeitstreffen der Ostpreußen.

Über 40 Namen standen auf der Teilnehmer- und Mitarbeiterliste zum 2. Arbeitstreffen der ostpreußischen Akademie zu Lüneburg am 24. – 26.02. Eine kleine Ausstellung von Arbeitsmaterial in Wort und Bild, und von Erzeugnissen ostpreußischen Kunsthandwerkes fand dankbare Aufmerksamkeit. Die reichhaltige Tageseinteilung brachte: Gemeinsamen Feierabend mit Lied, Lesung und Lichtbildern; Singen mit Gottfried Wolters; Arbeitsberichte und –planung; Vortrag Dr. v. Krannhals, „Ostpreußen — heute", dazu Aussprache; Heimatabend mit Lesungen im ostpr. Platt, dargebracht von Rektor Schukat und Hedwig von Lölhöffel; Heimatstunde, ein Lichtbildervortrag von W. Damaschke. Hanna Wangerin und Hans Herrmann waren die Verantwortlichen, Bundeskulturreferent der LM, Erich Grimoni, einer der maßgeblichen Mitgestalter dieses Treffens, von dem die Teilnehmer aus allen Landesgruppen (mit Ausnahme Bremens) viele neue Anregungen mit nach Hause nahmen.

 

 

Herz und Hand.

DJO spendet für die Jugend in Porkkala.

Die Bundesführung der „Deutschen Jugend des Ostens" hat anlässlich der Freigabe des finnischen Staatsgebietes Porkkala durch die sowjetische Besatzungsmacht dem „Bund der ladogakarelischen Jugend" eine Geldspende von 1000 DM übermittelt. Diese Spende soll die freudige Anteilnahme und Genugtuung der jungen deutschen Heimatvertriebenen zur Rückkehr dieses Gebietes zum freien Finnland ausdrücken. Für den Bau eines Jugendheimes und die Wiederherstellung eines bisher zweckentfremdeten Gotteshauses wird den Finnen in Porkkala die DJO-Spende eine wertvolle Hilfe sein.

 

Abgesehen von dem Wert des Opfers, das die DJO für diese gute Sache trotz nicht gerade überquellender Bundeslade gebracht hat. ist der großartige Gedanke, dem Bewusstsein der Verbundenheit mit der finnischen Jugend nicht nur im Unglück, sondern auch im Glück, Ausdruck zu geben, besonders überzeugend. An diesem Beispiel möge so mancher Realpolitiker ablesen, dass die Idee der Völkerfreundschaft nur dann realisiert werden kann, wenn praktischer Idealismus zu Werke geht. Die Völker sind der platonischen Lippenbekenntnisse in der Politik schon lange überdrüssig, das oft geschändete Wort von Frieden und Freiheit hat sie misstrauisch gemacht. Neue Begeisterung wecken für das Gute und neues Vertrauen gründen in den Menschen, das kann nur die tätige Liebe.

 

 

Seite 5   Für unsere Leseratten.

Das letzte Mal waren es gleich ein bisschen viele Bücher, die wir Euch da an den Kopf geworfen haben. Aber wir meinten es nur gut, von wegen Ostern und der zu erwartenden Eier. Hoffentlich findet Ihr das ein oder andere Buch, das Ihr auf Euren Wunschzettel gesetzt habt. Wir wünschen Euch jedenfalls ein recht erfolgreiches Eiersuchen!

 

Eine Frage: Wie gefällt Euch die Geschichte von „Wolf dem Struter", mit deren Abdruck wir in unserer letzten „Kogge" begonnen haben? Toll, was? — Und wie mag es wohl weitergehen? Allen denjenigen, die es nicht erwarten können, können wir heute die freudige Botschaft bringen, dass die Geschichte soeben als Buch erschienen ist.

 

Wolf der Struter, Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen von Max Worgitzki. Holzner Verlag Würzburg. 100 S., Halbleinen DM 3,80.

 

Ich habe das Buch gerade in der Hand. Wenn man erst einmal angefangen hat zu lesen, hört man nicht vor der letzten Seite wieder auf; so hält es einen in Atem. Und das ist nicht zu viel gesagt! Viele treffende Zeichnungen begleiten den Text und vermitteln zusammen ein recht anschauliches historisches Bild. Da kann ich wirklich nur sagen: Kaufen und lesen!

 

Ähnlich wird es Euch gehen mit dem gleichzeitig im selben Verlag und vom gleichen Autor erschienenen Buch

 

Tatarensturm, 104 S., Halblein. DM 3,80 dem gleichfalls ein Kapitel deutscher Geschichte im Osten zugrunde liegt: der Tatareneinfall zur Zeit des Großen Kurfürsten. Auch dieses Buch ist packend geschildert, reich illustriert und wie „Wolf der Struter" mit einem mehrfarbigen Einband versehen.

 

Für die alten Seeleute unter uns — und alle, die es einmal werden wollen, und wer wollte das als rechter Junge nicht — haben wir da noch einen ganz besonderen Leckerbissen in unserer Bücherkiste. Er betitelt sich:

 

Koggen, Janmaaten und schnelle Schiffe. Verlag Okis Dr. Karl Josef Sattelmair, Hamburg I. 80 Seiten, DM 9,20.

Bekannte Maler und Illustratoren schildern hier mit 36 ganzseitigen farbigen Bildern die Entwicklung der Seeschifffahrt vom Mittelalter bis in unsere Tage. Beim 13. Jahrhundert beginnt das Buch und führt nicht nur alte Koggen der fernen Vergangenheit und schnelle Schiffe der Neuzeit vor, sondern auch das Tagwerk von Kapitänen, Maaten und Matrosen. Es vergisst auch die „Musikdampfer" nicht mit den jeweiligen Errungenschaften ihrer Zeit wie dem Schwimmbad des „Imperator", dem ersten Sportdeck auf „Albert Ballin" und dem „Lido-Deck" der neuesten deutschen Kombischiffe. Alte, berühmte Namen klingen auf: „Wappen von Hamburg", „Helene Sloman", „Deutschland", „Potosi", „Cap Polonio", „Windhuk" und „Europa". Weltweite leuchtet herein, Geschichte spricht und von Bild zu Bild wechselt die Szene.

 

Des 36 fachen Bildwechsels kundiger Textbegleiter — in Deutsch und Englisch — ist Kapitän Fred Schmidt, See- und Schifffahrtsautor von Rang, der hier mit besonderer Liebe seine profunde Sachkenntnis, aber auch seinen salzgewässerten Humor sprechen lässt.

 

Wie schon gesagt: Ein Leckerbissen! und für einen zünftigen Koggen-Fahrer ein rechtes Handwerkszeug. Und damit soll es für heute genug sein. Die Mädel sind diesmal etwas schlecht weggekommen; aber wir können sie trösten: es liegt auch für sie noch allerhand in unserer Kiste. Gert und Ute.

 

Ein schönes Ostergeschenk. Das Land bleibt deutsch.

60 Seiten, 100 Aufnahme auf Kunstdruckpapier, 3,85 DM. Lieferung prompt durch: Elchland-Verlag Abteilung Ostpreußen-Buchdienst Göttingen.

 

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte.

Völker – die Bausteine der Menschheit. Grundsätze der Deutschen Jugend des Ostens (DJO)

1.Wir wollen die Erlebnisse aus Krieg und Vertreibung nicht vergessen oder unausgetragen beiseitelegen, sondern daraus geläuterte Erfahrungen und Erkenntnisse zur allgemeinen und persönlichen Lebensgestaltung gewinnen.

 

2. Wir haben gesehen, wie Weltanschauungen und Ideologien versagen, wenn der Mensch nicht da ist, der sie fruchtbar macht, der ihnen Maß verleiht und Grenzen setzt. Darum stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt unserer Erziehung. Den Menschen als Person, in seiner von Gott empfangenen Würde und Freiheit.

 

3. Wir entsagen aus unserer Erfahrung heraus dem Aberglauben an die Macht der „bloßen" Zahl, an die Zusammenballung der „Vielen" zu den Menschenblocks der üblichen Massenkundgebungen. Wir bemühen uns vielmehr um echte Gemeinschaftsformen, die überschaubar sind, die mehr durch die Kraft des Geistes als durch die Macht eines Organisationsapparates zusammengehalten werden.

 

4. Wir bejahen den Gedanken des Volkes als der Gemeinschaft, die Berufsstände und Gesinnungsgruppen umschließt. Von der Situation dieser Gemeinschaft soll das Maß der Freiheit bestimmt und die Bindungen gesetzt werden. Wir wollen aus seiner Art leben, aus seiner Tradition unsere Vorbilder nehmen und aus dem Ertrag ihres Geistes Kraft für die Zukunft schöpfen.

 

5. Wir sehen — mit Herder — in den Völkern die Bausteine zur Menschheit, darum glauben wir an Europa als einer Vereinigung der freien Völker. Europa darf nicht gegen, sondern muss für die Völker entstehen. Dies ist nur dann möglich, wenn die Völker sich nicht mehr in der großen Zahl, sondern in der Qualität im Sinne ihrer geschichtlichen Rolle zu begreifen suchen.

 

6. Von diesem Leitbild der Völkerordnung aus sehen wir auch unsere Aufgabe im Osten! Von diesem Leitbild her werden wir dort zum Verzicht bereit sein, wo wir dem ureigensten Anspruch eines anderen Volkes begegnen, und dort um Recht und Verständnis ringen, wo unser geschichtliches und gegenwärtiges Recht nicht bestritten werden kann. Wir wollen keine politische Ordnung, die nicht auch von den Besten unserer Nachbarvölker im Osten und mittleren Osten bejaht und mitgetragen wird!

 

7. Diese Gedanken wollen wir nicht nur als theoretische Grundsätze verkünden, sondern auch in den realen Bereichen des Lebens durchhalten. Wir wollen in unseren Jugendgruppen eine Atmosphäre schaffen, in der wieder edle und freie Seelen leben können. Wir wollen — trotz Technik und Organisationsapparatur — aus unseren Gruppen Personen-Gemeinschaften entwickeln helfen, die aus dem Geiste dieser Grundsätze leben und wirken wollen! Dies ist das Fundament unserer Arbeit.

Bundesjugendtag 1955 in Kiel

 

 

Foto: Na, ob das wohl was wird? Worauf du dich verlassen kannst. Foto: Sachers

 

Liebe Freunde!

Nun dürfen wir uns wohl so nennen, denke ich, nachdem eine ganze Anzahl junger Leser der „Kogge" begeistert in die ausgestreckte Freundeshand eingeschlagen und sich somit auf Gedeih und Verderb unter „Tuch und Takel" des hansischen Ostfahrers gestellt hat.

 

Bevor wir auf neue Fahrt gehen, bitte ich, mir zu verzeihen, dass ich das letzte Mal vergaß, mich vorzustellen. Man gut, dass Ihr mich darauf angestoßen habt. Es soll also hiermit in aller Form nachgeholt werden: Hanns, einfach Hanns, aber mit zwei „nn", wenn ich bitten darf. Änderungen in den Taufregistern sind eine kostspielige Angelegenheit, hab ich mir sagen lassen. Was sonst noch über mich? Auf dem Planschbecken zwischen den Küsten Jütlands im Westen, Finnlands im Osten so einigermaßen zu Haus. Ich hoffe, das schenkt mir Euer Vertrauen. Auf gute Freundschaft! Euer Hanns

 

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats. Simon Dach.

Nie hätte sich der einstmalige „Professor der Poesie" zu Königsberg träumen lassen, dass von all seinem lyrischen Schaffen — und er hat uns eine ganz beträchtliche Anzahl von Gedichten hinterlassen — einmal ein anspruchsloses kleines Gelegenheitsgedicht, ein sogenanntes Hochzeitscarmen, als vielgesungenes Volkslied den Weg durch die deutschen Lande nehmen und die Jahrhunderte überdauern würde, während von seinem übrigen Schaffen nur weniges auch in unserer Zeit noch seine Leser findet. Nämlich: sein „Ännchen von Tharau", seine „Anke von Tharaw", wie es in der ursprünglichen mundartlichen Niederschrift heißt. Der Dichter dieses schönen Volksliedes ist Simon Dach, der 1605 in Memel als Sohn eines Tolke (eines Dolmetschers) geboren wurde. Schon in jungen Jahren ist er weit im Lande herumgekommen, er besuchte die Schulen in Königsberg, Wittenberg und Magdeburg. 1626 finden wir ihn als Student in Königsberg wieder, der Stadt, der er für die nächsten Jahrzehnte seines Lebens die Treue hielt. 1639 wird er hier Professor an der Universität.

 

Schon frühzeitig tritt er mit eigenen Dichtungen hervor und wird schließlich Mittelpunkt eines um H. Albert sich sammelnden Kreises, der nach Art italienischer Akademien sich poetischen Übungen widmete, und den man nach dem Versammlungsplatz „Kürbshütte" benannte. Obwohl Dachs Dichtungen vorwiegend! Gelegenheitsdichtung ist, blieb er der fruchtbarste dieses Kreises und darüber hinaus von nicht geringer Bedeutung für die Poesie jener Zeit, die er um viele neue Töne bereicherte.

 

Zum 100 jährigen Jubiläum der Königsberger Universität schrieb Dach ein Schaustück (Sorbuisa-Borussia).

 

Zu erwähnen wäre noch, dass sein in samländischer Mundart verfasstes „Anke von Tharaw" von seinem großen Landsmann Joh. Gottfr. Herder ins Hochdeutsche übertragen wurde.

 

Simon Dach starb am 19. April 1659.

 

 

Von der Freundschaft. Von Simon Dach

Der Mensch hat nichts so eigen,

So wohl steht ihm nichts an,

Als dass er Treu erzeigen

Und Freundschalt halten kann.

Wann er mit seinesgleichen

Soll treten in ein Band,

Verspricht sich, nicht zu weichen

Mit Herzen, Mund und Hand.

 

Die Red' ist uns gegeben,

Damit wir nicht allein

Für uns nur sollen leben

Und fern von Leuten sein:

Wir sollen uns befragen

Und sehn auf guten Rat

Das Leid einander klagen.

Das uns betreten hat.

 

Was kann die Freude machen,

Die Einsamkeit verhehlt?

Das gibt ein doppelt Lachen,

Was Freunden wird erzählt.

Der kann des Leids sich wehrer

Der es von Herzen sagt;

Der muss sich selbst verzehren,

Der insgeheim sich nagt.

 

Gott stehet mir vor allen,

Die meine Seele liebt;

Dann soll mir auch gefallen,

Der mir sich herzlich gibt.

Mit diesem Bundsgesellen

Verlach ich Pein und Not,

Geh auf den Grund der Höller.

Und breche durch den Tod.

 

Seite 6   Memel sollte – Neu-Dortmund heißen!

Zeichnung: Memel, Die Alte Post

Wer der Geschichte der 1252 vom Deutschen Ritterorden gegründeten, bis nach dem Ersten Weltkrieg nordöstlichsten Stadt Deutschlands — Memel — ein wenig näher auf den Pelz rückt, stößt auf eine bemerkenswerte Tatsache. Sie zeigt auf, einen wie starken Anteil westfälisches Blut an der Besiedlung des deutschen Ostens hatte.

 

Ursprünglich sollte die im Schutz der eigentlichen Ordensburg, der „Memelburg", gegründete und angelegte Stadt — Neu-Dortmund heißen! Es war ferner vorgesehen, dass ihre Bürger nach Dortmundschen Stadtrechten leben sollten. Es kam anders und die neugegründete Stadt wurde nach der Memelburg benannt und erhielt lübische Stadtrechte.

 

Bis 1918 dachte kein Mensch in Europa daran, von einem „Memelland" zu sprechen. Es war eine politische Konstruktion, die die Annexion von 12 567 qkm und etwa 150 000 Menschen durch Litauen dem Weltgewissen schmackhafter zu machen trachtete.

 

Von diesen 150 000 sollen 1954 noch 30 000 bis 35 000 in der alten Heimat am Memelstrom ansässig gewesen sein. Als Bürger der Sowjetrepublik Litauen erfreuen sie sich geringer Freiheiten. Ihre Kinder müssen litauische Schulen besuchen und sind in der Sowjet-Armee wehrflüchtig. Dass ungezählte Litauer nach 1945 an zahllosen Deutschen zu Lebensrettern vor kläglichem Hungertode wurden, darf nicht verschwiegen werden. Unser Bild: Das alte Memeler Postgebäude, über dem noch im 18. Jahrhundert zeitweilig schwedische und russische Fahnen wehten.

 

 

Der Glomssack zu Memel

An der äußeren Festungsbrücke zu Memel befand sich früher ein Glomssack, von Metall gegossen, welcher zwei Zentner schwer war, und zum Aufziehen und Niederlassen der Brücke diente.

 

Über seine Entstehungsgeschichte erzählt uns die Sage: Als nämlich Erich König von Schweden einst das Schloss Memel belagerte, hat sich die Mannschaft der Festung so tapfer und so lange gehalten, bis aller Proviant verbraucht war, außer einem einzigen großen litauischen Glomskäse. Da berieten die Belagerten, was nun zu tun sei, und sie kamen schließlich überein, den Käse in das Lager der Feinde zu werfen, und diese dadurch in dem Glauben zu halten, dass man noch über genug Vorrat verfüge.

 

Also getan, und wirklich täuschten sie durch dieses Manöver den Feind, der nun die Hoffnung aufgab, die Übergabe durch Hunger zu erzwingen. Wenn man so schöne Käse noch so mutwillig fortwerfen konnte, hatte es mit der Aushungerung noch gute Weile, und er hob die Belagerung auf und zog ab.

 

Zum steten Angedenken an diesen Vorfall hat man dann diesen Glomssack in Metall gegossen und an der Stelle aufgehangen, an der man den Käse über die Mauer ins Lager der Feinde geworfen hatte.

 

 

Weißt du ...

... dass Ostpreußen ein Land aller Deutschen ist? Flamen besiedelten seine Küste. Sachsen die Landstädte, Schlesier das Ermland, Salzburger das Gebiet um Gumbinnen und dazwischen schoben sich Franken, Hessen, Pfälzer, Sudetendeutsche, Westfalen und Schweizer.

 

... dass im 14. und 15. Jahrhundert in Ostpreußen noch Wein angebaut wurde, u. a bei Rhein, der allerdings — laut Bericht alter Chroniken — süddeutschen Gästen wenig geschmeckt haben soll.

 

... dass Ostpreußen wegen seiner Lage als Durchgangsland des Handels früher den Beinamen „Holland des Ostens“ trug und die Stadt Memel Neu-Dortmund genannt wurde?

 

 

Bundesjugendtag in Saarbrücken .

Als erster westdeutscher Jugendverband wird die Deutsche Jugend des Ostens eine Bundesveranstaltung im Saargebiet durchführen. Sie hat beschlossen, ihren diesjährigen Bundesjugendtag am 5. und 6. Mai 1956 in Saarbrücken abzuhalten.

 

 

Willi Homeier neuer Landesführer

Beim diesjährigen Landesgruppentag der DJO-Landesgruppe Niedersachsen, der am 3./4. März in der Jugendherberge in Hameln/W. stattfand, wurde der aus Danzig stammende Willi Homeier MdL einstimmig zum neuen Landesführer gewählt, nachdem der bisherige Landesführer Walter Kutschera, der dieses Amt durch mehrere Jahre inne hatte, von seiner Wiederwahl abzusehen bat.

 

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. (1. Fortsetzung)

Das machte sich Herr Skomand wohl zunutze. Die Wildnis, die ein gut Teil des Sudauerlandes deckte, war ihm und seinen Kriegern Heimat und darum aufs Beste vertraut. Ihnen bot sie nicht nur die stets sichere Zuflucht, sondern auch verschwiegene Pfade und Schleichwege genug, dass sie jederzeit in kleinen Scharen in das Ordensland einbrechen und ebenso rasch wieder verschwinden konnten. Jeder Einbruch aber ließ den nächtlichen Himmel erglühen vom Brand friedlicher Dörfer; vielen deutschen Männern brachte er den Tod und ihren Frauen und Kindern noch ärgeres Los, die Sklaverei.

 

Lange stand der Orden diesem Treiben ohnmächtig gegenüber. Denn selten gelang es seinen Bewaffneten, die flinken Räuber zu fassen. Drangen sie aber in die Wildnis nach, auf den wenigen gebahnten Straßen, so konnte es leicht geschehen, dass sie sich plötzlich von unsichtbaren Feinden umringt sahen. Rundum aus dem Dunkel des undurchdringlichen Dickichtes schwirrte es heran, Wurfkeulen, Pfeile, Speere; verwundete und tötete Reiter und Pferde, schlug die Überlebenden mit Verwirrung und Schrecken. Und dann brach die wilde Meute hervor, stets in gewaltiger Übermacht. Da half nicht Mut noch Panzer und Schwert, sondern nur noch eilige Flucht dem, der noch zu fliehen vermochte.

 

Solche Erfolge reizten die Kampfeslust der Sudauer immer stärker und verlockten ihren Führer zu immer kühneren Taten. In kleinen Scharen, wie sie es gewohnt waren, hieß er seine Krieger durch die Wildnis schleichen. Darauf aber vereinigte er sie zu einem großen Heerhaufen und zog nun mordend und sengend durch das Ordensland. Su gut und heimlich vorbereitet waren seine Überfälle, dass es ihm zweimal gelang, bis zur Weichsel vorzudringen und sogar die festen Städte Kulm und Graudenz zu zerstören. Immer kam die Ordensmacht zu spät. Ehe sie zur Stelle war, hatte Skomand sein Heer längst wieder aufgelöst und im Schutze der Wildnis geborgen.

 

Herr Konrad von Tierberg, der Landmeister des Ordens, erkannte sehr bald, dass dieser Gegner nur mit seiner eigenen Kriegsart zu schlagen war. Er ließ daher längs dem Saum der Wildnis eine Sperrlinie aus kleineren Wildburgen, Blockhäusern und Verhauen errichten. Sodann hieß er kampferprobte Männer werben, die die Wildnis kannten wie der Feind, ihm aber an Verwegenheit und List nicht nur gewachsen, sondern überlegen waren.

 

Solche Männer fand der Landmeister genug. Viele Deutsche, aber zumeist Preußen, die bereits dem Christentum gewonnen waren und darum die Sudauer nicht mehr als Volksgenossen, sondern nur noch als Heiden betrachteten, die jeder gute Christ zu bekämpfen hatte. Freilich gebietet die Ehrlichkeit des Geschichtskundigen, zu berichten, dass diese Streiter Christi, die gemeinhin die Struter genannt wurden, nicht immer und nicht alle eine besondere Zierde des Christentums waren. Ein Ordenschronist nennt sie sogar latrunculi, das ist auf Deutsch: die Räuberchen. Was sie lockte, war die unbändige Lust am Abenteuer, am Raufen und Krieg führen auf eigene Faust, nicht zuletzt aber die Hoffnung auf Beute. Wie dem auch sein mag, unbestritten bleibt darum doch der Ruhm ihrer Taten. Die Wildnis hatte für sie keine Schrecken. Einzeln drangen sie als Späher tief in das Sauerland ein, spürten den Feind auf und gaben den Wachposten des Ordens schnelle Nachricht, wo sie eine Schar zur Kriegsfahrt sammelte. Oder sie vereinigten sich ihrerseits zu Banden, überfielen die Dörfer, verheerten das Land und waren ebenso rasch wieder verschwunden. So, wie die Sudauer es sie gelehrt hatten.

 

Sieben Jahre dauerte der Kleinkrieg in der Wildnis an. Unaufhörlich geschürt durch die nie rastende Angriffslust der Struter drang er immer tiefer in das Sudauerland vor. Dann war die Widerstandskraft auch dieses letzten der preußischen Stämme zerbrochen.

 

In einer Herbstnacht des Jahres 1280 jagte ein Reiter auf der Straße dahin, die von Südosten her aus der Wildnis nach der Ordensburg Bartenstein führte. Der Sturm heulte zornig über die Ebene und schleuderte Wolkenfetzen dem Mond ins bleiche Antlitz, dass strahlende Helle und tiefes Dunkel jählings wechselten und die Landschaft mit gespenstischem Leben füllten. Der Reiter aber lenkte sein Ross sicher des Weges und spornte es nur hin und wieder durch ermunternden Zuruf. Er wusste, dass es willig seine letzte Kraft hergab. Weiße Flocken riss ihm der Sturm vom Maule, aber Meile um Meile ließen seine Hufe hinter sich. Eine Baumgruppe wuchs aus dem Zwielicht vor ihm heraus und kam geschwind näher. Jetzt leuchtete der Mond auf und warf Häuserschatten über den Weg. Das Ziel war erreicht. Wütendes Hundegebell fuhr auf, als der Hufschlag die Dorfstraße entlang dröhnte und schwoll von Gehöft zu Gehöft zu einem einzigen lärmenden Chor an. In jenen Zeiten schlief der Siedler, der wagemutig sein Haus am Rande der Wildnis erbaut hatte, mit wachem Ohr. Kaum hatte daher der Reiter sein Pferd vor dem Hause des Schulzen gezügelt, als sich schon ein kleines Fenster neben der Tür öffnete.

 

„Wer da?" kam es drohend aus dem Innern des Hauses.

 

Der Reiter war aus dem Sattel gesprungen.

 

„Wolf, der Struter. Weck den Schulzen. Aber geschwind!"

„Tut nicht mehr not. Hier ist er schon", entgegnete eine zweite Stimme. Riegel klirrten, die Tür ward aufgetan und heraus trat ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, der Schulze. Erstreckte dem Struter die Hand hin. Und so ruhig und bestimmt klangen seine Worte, als ob es etwas Alltägliches wäre, inmitten einer stürmischen, finsteren Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden:

 

„Willkommen, Wolf! Ihr bringt nichts Gutes. Was gibt es?"

 

„Sudauer. Sie ziehen die Ilm entlang."

 

„Wie?" grollte die tiefe Stimme des Schulzen, „hat das Raubzeug noch nicht genug von den letzten Schlägen? Nun gut, wie stark ist die Horde?"

 

„Ich schätze an die zweihundert Mann“.

 

„Und wir hier, das ganze Dorf, Bauern und Knechte, bringen es auf achtundvierzig Schwerter. Ich meine, das genügt“.

 

„Schulze, ich warne Euch, nehmt es nicht zu leicht. Ich mochte nicht viel Zeit dran geben ans Zählen. Leicht können es auch mehr sein. Drum rate ich Euch dringend, bergt Euch in der Fliehburg!“

 

Der Schulze überlegte.

 

„Wann können sie hier sein?“

 

„Ich habe meinen Falken nicht geschont. Ihr habt einen Vorsprung von gut vier Stunden, wenn Ihr Euch rasch aufmacht“.

 

Aber der Schulze war unschlüssig. Die Fliehburg, gewiss, sie war in drei Wegstunden zu erreichen. Und sie bot eine sichere Zuflucht. Aber das Dorf verlassen, dem Feinde preisgeben, aus der Ferne untätig zusehen müssen, wie es in Rauch und Flammen aufging?

 

Der Schulze streckte noch einmal dem Struter die Hand hin.

 

„Wolf, Ihr seid uns durch so lange Jahre ein treuer Freund und kluger Ratgeber. Aber vermerkt es nicht übel, Ihr seid ein unsteter Gast auf dieser Erde und könnt darum nicht wohl wissen, was dem Bauern sein Haus ist. Ehe ich mich entschließe, das Dorf aufzugeben, will ich darum doch erst die anderen fragen“.

 

Und ehe noch der Struter ein Wort entgegnen konnte, rief der Schulze mit starker Stimme in das Haus:

 

„Heino! Dieter! Jörge!"

 

Die Söhne des Schulzen sprangen aus der Tür. Prächtige Burschen waren sie alle drei. Die beiden älteren dem Vater gleich an hoher Gestalt, der jüngste freilich war noch ein Knabe. Aber hier draußen an der Grenze zählte auch er mit seinen fünfzehn Jahren schon mit. Und er stand seinen Mann.

 

„Rasch ins Dorf", befahl der Schulze, „und alles geweckt! Die Sudauer kommen. Alle Männer treten hier vor meinem Hause an, voll gerüstet und gewaffnet. Die Frauen und Kinder machen sich bereit zum Auszug. Lauft!"

 

Ohne ein Wort zu sagen oder zu fragen, stürmten die Burschen in die Nacht hinaus.

 

Der Schulze aber wandte sich wieder dem Struter zu.

 

„Und nun zu Euch, lieber Freund. Ihr seid erschöpft, hungrig, durstig. Das alles um uns, und ich habe Euch noch nicht einmal ein Wort des Dankes gesagt“.

 

„Nicht doch, Niklas", unterbrach ihn der Struter. „Ihr seid mir, dem Einsamen, Freund geworden. Was bedarf es zwischen uns noch der Worte, und zum Essen und Trinken ist es wahrlich nicht an der Zeit. Ich muss fort, nach Meditten und Gudewall. Auch sie sind in Gefahr. Dem Gesindel soll der Heimweg bitter werden! Darum gebt mir rasch meinen Rappen!

 

Die beiden Männer eilten über den Hof, der Schulze zog den Rappen, den der Struter bei ihm untergestellt hatte, aus dem Stall. Schnell war der Sattel dem Falken genommen, dem Rappen aufgelegt und Wolf sprang in die Bügel. Dann reichten sich die Freunde zum Abschied die Hände.

 

„Lebt wohl, Niklas! Ich bitte Euch dringend, versucht Gott nicht, rettet Euch In die Fliehburg! Und meinen Falken vertraue ich Euch an. Hütet ihn mir, denn auch er ist mein Freund!"

 

„Lebt wohl, Wolf!" entgegnete der Schulze. Er führte sich seltsam beweg» und schwer nur rangen sich die Worte von seinen Lippen.

 

„Wir alle stehen in Gottes Hand und wissen nicht, was er über uns beschlossen hat. Darum bitte ich Euch, Wolf, so mir etwas zustoßen sollte, nehmt Euch meines Jüngsten an. Die beiden Großen werden sich zu helfen wissen. Aber der Junge, das letzte Vermächtnis meiner lieben Frau . . . Nehmt Euch des Jörg an!" (Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 7   Menschen – Wege – Schicksale. Spätaussiedler aus Nord-Ostpreußen. Spätaussiedler aus Nord-Ostpreußen. Berliner Landsleute bereiteten Begrüßungsfeier.

„Kinder, Ihr wisst nicht, wie gut Ihr es habt!", das waren die ersten Worte des Ehepaares Kl., das dieser Tage aus dem Norden Ostpreußens, von der litauischen Grenze her, nach West-Berlin gekommen ist. Die Eheleute erhielten von den Sowjets offiziell die Genehmigung, nach Deutschland auszusiedeln. Was sie aus dem Norden Ostpreußens berichten, ist erschütternd. Als Landarbeiter lebten beide ohne Entlohnung in Krakischken, nachdem vorher Herr Kl. für 10,-- Rubel pro Monat Chausseearbeiten in Wilpischken verrichtet hatte. Die Litauer leben in „Saus und Braus", berichteten sie, und das Verhältnis zu den wenigen Deutschen, die an der Grenze leben, ist sehr schlecht. Nach wie vor bemühen sich die sowjetischen Kommissare, in den einzelnen Orten die Bauern zu „Selbstverpflichtungen" für den Eintritt in die Kolchose zu zwingen. Herr Kl. weigerte sich, der Kolchose beizutreten und ging als Holzfäller in die Wälder. Er hat erlebt, dass sibirische Wölfe, die man wieder fast überall in Nord-Ostpreußen findet, die Wälder verließen und in die Dörfer kamen. Für das Roden von 5 ha fünfzehnjährigen Baumbestandes — die Arbeit eines halben Jahres — zahlen die Russen im Allgemeinen 200,-- Rubel. Er als Deutscher bekam dafür nur 50,-- Rubel. Wer nicht arbeiten kann/ kommt in die „Pracherei", eine Art Altersheim von größter Primitivität.

 

Die Eheleute Kl. werden das Leid der vergangenen zehn Jahre nicht mehr aus ihrer Erinnerung streichen können. Sie sind glücklich, dass sie jetzt in der Bundesrepublik sind und sie wünschen von ganzem Herzen, dass sich die Hoffnung der noch in Nord-Ostpreußen verbliebenen Deutschen auf eine baldige Aussiedlung auch erfüllen möge.

 

 

Hameln ehrt Agnes Miegel.

Die Stadt Hameln überreichte der Dichterin Agnes Miegel anlässlich ihres 77. Geburtstages in einer Feierstunde im Kleinen Haus eine Stiftungsurkunde über ein jährliches Legat von 2000 Mark und teilte ihr gleichzeitig mit, dass eine Straße in Hameln künftig ihren Namen tragen soll.

 

Im Ratsbeschluss, der dieser Hilfe zugrunde liegt, heißt es u.a.: Frau Agnes Miegel gehört zu den z. Zt. noch lebenden bedeutendsten deutschen Dichtern. Viele deutsche Städte haben die Dichterin in den letzten Jahren auf verschiedene Weise geehrt. Allerdings waren es immer äußere Anerkennungen, bei denen ihr persönliches Schicksal unberücksichtigt blieb. Die Stadt Hameln glaubt, mit der regelmäßigen Zahlung eines Legats beide Dinge am besten verknüpfen zu können.

 

In einer der nächsten Ratssitzungen soll die Straße bestimmt werden, die auf den Namen der Dichterin getauft wird.

 

 

Seite 7   Burg Greene – eine deutsche Passion.

Foto: Eberhard Giseler.

Foto: Blick auf Burg Greene

Die Bundesweihestätte Burg Greene, Sammlungspunkt eines Kulturwerkes ausgesprochen deutscher Prägung, geht 1956 in ihr drittes Lebensjahr. Stark beachtete Festspielwochen, in denen sich namhafte Schauspieler und beste deutsche Symphoniker zusammenfanden, wurden regelmäßig durchgeführt. Dieses Zentrum hervorragender Kulturarbeit ist maßgeblich das Werk eines Mannes, der heute als Intendant des Kulturwerkes ehrenamtlich tätig ist: Eberhard Gieseler.

 

Gieseler ist gebürtiger Ostpreuße. Er wuchs in Osterode/Ostpreußen auf, besuchte in Ortelsburg das Gymnasium und entschied sich zunächst beruflich für die Gartenarchitektur. Nach dem Studium der Schauspielkunst und des Gesanges trat er erstmals dem Ensemble des Landestheaters Südostpreußen in Allenstein bei, spielte am Treudank-Theater Ostpreußens im südostpreußischen Abstimmungsbezirk und ging dann an das Schauspielhaus in Königsberg.

 

Nach einer Spielzeit an den Städtischen Bühnen in Erfurt war er als Spielleiter und Oberspielleiter an den Bühnen in Wilhelmshaven, Oldenburg, Stuttgart und Heilbronn tätig. Dann kam der Krieg, den Gieseler im Ostpreußen Einsatz erlebte und aus dem er als Verwundeter über Pillau, Luckau und Dresden nach Wolfenbüttel verschlagen wurde.

 

Ein Zwischenengagement an der Jungen Bühne Schwaben in Tübingen war im Jahre 1945 der neue Start. Bald wurde er als Goethe-Hölderlin-Rezitator bekannt und war im Jahre 1947 der „Sprecher der ostdeutschen Heimat" schlechthin. Seit 1945 trat Gieseler in 1200 Rezitationsabenden auf, davon allein standen 750 unter spezifisch ostdeutscher Thematik. „Ich glaube sicher, dass es rund 360 000 Menschen sind, die ich in den vergangenen Jahren auf diese Weise kulturell zu betreuen vermochte", sagt Gieseler, „und das ist bestimmt eine schöne Bilanz!"

 

 „Meine beruflichen Höhepunkte in den letzten Jahren stehen eigentlich ausnahmslos im Dienst der Vertriebenenarbeit", erzählt der Intendant, „schon im Jahre 1950 erhielt ich den ehrenvollen Auftrag, die Ostlandfeier in der Paulskirche zu Frankfurt am Main am 8. Januar zu gestalten. Im Mai des gleichen Jahres rief man mich zur künstlerischen Leitung der Nordostdeutschen Heimat- und Kulturwoche nach Hamburg, im Juni wurde die Einweihung des Mahnmals bei Harzburg „Kreuz des Deutschen Ostens" in meine Hände gelegt, und im August stieg dann in Wolfenbüttel der große Festspielabend, dessen optischer Höhepunkt ebenfalls die Errichtung eines Mahnmales für Ostdeutschland war“.

 

 Etwa 150 Mitwirkende versammelte Gieseler im Herbst 1950 in Braunschweig um sich, als er aus der Tradition der Egerländer Wallensteinspiele auf dem Burgplatz der Stadt Braunschweig dieses imposante Schillerdrama als Freilichtspiel in Szene setzte. Aus der Tradition der ostpreußischen Festspiele führte Gieseler im Jahre 1951 die Marienburg-Festspiele mit dem neuentdeckten Eichendorff-Drama „Der letzte Held der Marienburg" entlang der Zonengrenze in Schöningen, Harzburg, Wolfenbüttel und Helmstedt zu einem viel beachteten Erfolg, „und dann entwickelte sich aus den „Gandersheimer Domfestspielen" in den Pfingsttagen 1952, in denen ich die Kolonisierung des Deutschen Ostens thematisch anpackte, der Gedanke, der mich heute gleichermaßen fesselt und leiden lässt. Ich erlebte erstmals die Burgruine Greene, damals eine dem Verfall preisgegebene Stätte verblichenen Glanzes. Aber sie ließ mich nicht wieder zur Ruhe kommen. Hier war die Atmosphäre, die ich suchte. Treue, Ritterlichkeit, Heldentum und menschliche Größe — alles schienen diese alten ehrwürdigen Mauerreste mit jedem Windzug auszuatmen, und so verschrieb ich mich dieser Burg. Bereits im Jahre 1953 gründeten wir die Bundesweihestätte Burg Greene, einmal als Mahnmal für die deutschen Kriegsgefangenen und zum anderen als repräsentative Festspielstätte für den Deutschen Osten. Mühen und Entbehrungen waren die ersten Bausteine, die die Burg von jedem forderte, der neben mir an der Aufgabe arbeitete. Hacken und Schaufeln haben wir in die Hände nehmen müssen, dann kamen Jugendliche aus verschiedenen europäischen Ländern, um in Ehrendiensten zu helfen, Opfer auf Opfer wurde gebracht, und so wuchs aus dem Nichts unsere heutige Kulturstätte“.

 

„Zur offiziellen Einweihung erschienen dann auch die Vertreter des Bundes und der Länder. Sie sprachen großartige Worte und ließen uns glauben, dass wir es künftig nicht mehr nötig hätten, um die Unterhaltungskosten der Burg und um die Subventionen zu unseren Festspielen zu feilschen, — aber alles blieb leerer Wahn! Weiter mussten wir opfern, mit Tellern sammeln und private Geldgeber bitten. Wir haben das getan, denn die Burg war uns Hort und Pflicht geworden. 1954 und 1955 haben wir die Festspiele durchgeführt! Carl Raddatz und Mila Kopp fesselten mit ihrem Spiel unsere Freunde, und im Schein der Fackeln erlebten wir das Niedersächsische Symphonieorchester in einem großen Beethovenabend! Wer kennt uns heute nicht? Wir sind bereits zu einem Begriff geworden, auch ohne die Mittel, die uns so bitter notwendig aus der öffentlichen Hand fehlen. Ein Dichterkreis, in dem Agnes Miegel und Ina Seidel, Dr. Staudinger-Wrann und Roelof de Jong Posthumus vertreten sind, arbeitet für die Burg, und sobald die wirtschaftliche Sicherung keine Problematik mehr ist, werden wir dem Ziel, an der Zonengrenze in jährlichen Festspielen einen kulturellen Schwerpunkt zu bilden, sehr erheblich näher gekommen sein. Wir stehen treu zu unserer Burg — so wie wir wissen, dass uns ihr mächtiger Bergfried als deutsches Vermächtnis niemals untreu werden kann!"

 

 

Seite 7   Unsere Leser-Erzählung. Christus ist auferstanden.

„Christos wosskrevenije!“ — das war der Ruf, mit dem sich die gläubigen Russen zu Ostern an ihrem höchsten Feiertag zur Zarenzeit begrüßten, wobei sie ihre guten Wünsche noch durch einen dreilachen Bruderkuss bekräftigten. Von welcher tiefen Frömmigkeit die Russen damals beseelt waren und wie ehrlich sie die Verbrüderung an diesem Festtage auffassten, davon soll das nachstehende Erlebnis unseres Lesers, Herrn Dr. P. Gusovius, Biedenkopf/ L., erzählen, das verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden.

 

Im ersten Weltkrieg waren ostpreußische Regimenter nach der Winterschlacht in Masuren im Februar 1915 bis zur Bober-Narewlinie vorgedrungen. Wir ostpreußischen Jäger, zur Division v. Jakobi gehörig, lagen vor der Festung Lomoza. Die Stellungen waren hier durch eine flache, etwa 800 Meter breite Talmulde voneinander getrennt.

 

Als der Ostertag (05.04.1915) anbrach, fiel nicht ein einziger Schuss an der ganzen Front. Auffallend war auch, dass einzelne russische Soldaten in voller Figur an ihren Schützengräben standen. Nach langem Zögern verließ ein Russe ohne Gewehr seine Stellung, überstieg - das Drahthindernis und kam, ein weißes Tuch schwenkend, oftmals anhaltend, vorsichtig auf unsere Stellung zu. Ein Überläufer konnte es nicht sein, sonst wäre er von seiner eigenen Truppe niedergeschossen worden; also konnte es nur ein Unterhändler sein. In der übersehbaren Talmulde blieb er dann lange stehen. Auf Drängen unserer Jäger wurde schließlich auch ein Mann von uns zu ihm entsandt.

 

Die Russen schlugen für den Ostertag eine Waffenruhe vor, um die zwischen den Fronten liegenden Gefallenen, in der Mehrzahl Angehörige unserer Division, gemeinsam zu bestatten. Der Verschlag wurde angenommen — und dann geschah das seltsame, dass mitten im Kriege die Soldaten beider Fronten friedlich zusammenkamen, um gemeinsam ihren Toten den letzten Dienst zu erweisen. Die Russen, in großer Überzahl, hoben das Massengrab aus und trugen die Gefallenen zusammen. Am offenen Grabe sprach Leutnant d. R. Kreide (Jäg. 1), während die russischen und deutschen Soldaten durch Salutieren den Gefallenen beider Nationen in stillem Gedenken die letzte Ehre zuteil werden ließen.

 

An diesen feierlichen Akt schloss sich ein „kameradschaftliches Treffen" an, bei dem die „feindlichen Brüder" zwischen den Fronten bei herrlichem Osterwetter promenierten und sich über alle interessierenden Fragen unterhielten. Die Unterhaltung fand zum Teil in deutscher Sprache statt, weil die uns gegenüberliegende Truppe Petersburger Garde war, in der viele Balten als Offiziere dienten. Sie hatten teilweise in Deutschland studiert und wollten nach dem Krieg ihre Studien in Deutschland fortsetzen.

 

Zur Verschönerung des Osterfestes stifteten die russischen Offiziere gute Kuchen, da sie gehört hatten, bei uns wäre die Verpflegung nicht so gut wie bei ihnen. Wir revanchierten uns mit Alkohol und der Bemerkung, wir hätten unsererseits gehört, bei den Russen mangele es immer an Alkohol. Leutnant Kreide tat auf das Wohl der Russen einen kräftigen Schluck aus der Kognakflasche — was ihm auch sonst nicht schwer fiel — und erhielt, als er dabei nochmals seine besten Osterwünsche aussprach, von dem russischen Offizier den üblichen Bruderkuss, ein Bild, das keiner der Teilnehmer vergessen wird, weil dadurch ein so unerschrockener Offizier wie Leutnant Kreide etwas in Verlegenheit gebracht wurde. Dieser Vorgang, dass ein Jägeroffizier von einem russischen Offizier mitten im Kriege vor versammelter Mannschaft einen Kuss erhielt, dürfte wohl einmalig sein.

 

Weil der erste Feiertag so zufriedenstellend verlaufen war, wurde daran anschließend noch ein zweiter Ruhetag vereinbart, um am Grabe der Gefallenen ein Kreuz, das die Russen anfertigen ließen, aufzustellen. Am zweiten Feiertag wurde die Waffenruhe nochmals um einen Tag verlängert, der zu einer .gemeinsamen Kranzniederlegung dienen sollte. Der Kranz wurde ebenfalls von den Russen besorgt. In welcher Harmonie die Festtage verbracht wurden, geht auch daraus hervor, dass wir den Russen auf ihren Wunsch hin gestatteten, das Essen für ihre Truppe mit den Feldküchen an ihre Stellung heranzufahren und ihre Militärkapelle spielen zu lassen. Wenn dann die mit vier Pferden bespannten Küchen hinter der Kampfstellung erschienen und die russische Kapelle die Nationalhymnen aller am Kriege beteiligten Völker ertönen ließ, so war dies ein Bild des Friedens, wie man es im Kriege nicht für möglich gehalten hätte.

 

Die drei Tage der Waffenruhe hatten Feind und Freund so gut gefallen, dass entgegen den Plänen der höheren Stäbe von Truppe zu Truppe stillschweigend abgesprochen, wurde auch in den folgenden acht Tagen nicht aufeinander schießen zu wollen. Unsere Vorgesetzten vom Regimentskommandeur aufwärts verfolgten verständlicherweise die Entwicklung an unserem Frontabschnitt mit zunehmender Besorgnis und mahnten zu größter Vorsicht. Wie tiefgehend die Versöhnung zwischen den Fronten war, ist auch daraus zu entnehmen, dass sich die hohen Stäbe nach den Osterfeiertagen mit dem Gedanken trugen, die Divisionen notfalls auszuwechseln, falls die Truppe nicht zu bewegen wäre, den Kampf wieder aufzunehmen.

 

Dieses Wunder — so darf man den Vorgang wohl mit Recht bezeichnen — ist nur aus der gefühlsmäßigen Einstellung eines jeden Soldaten auf beiden Seiten der Kampffront zu erklären. Der Ostertag war besonders geeignet, das religiöse Gefühl zu wecken. Der Zuruf „Christus ist auferstanden" fand daher willig Gehör. Christus, der Geist der Versöhnung, Liebe und Brüderlichkeit war damals, für jeden sichtbar, auferstanden.

 

Trotz Unterdrückung durch das bolschewistische Regime ist das religiöse Gefühl in der Masse des russischen Volkes auch heute noch vorhanden, wovon allerdings die wenigsten etwas wissen. Dies lässt uns hoffen, dass sich ein solches Wunder, die Versöhnung nicht nur kleiner Teile, sondern beider Völker — so unmöglich dies auch zur Zeit erscheinen mag — wiederholen wird, sobald die Zeit dazu reif ist.

 

Dies ist mein fester Glaube.

 

 

Seite 8   100 000 deutsche Gräber in Italien.

Foto: Deutscher Soldatenfriedhof in Pomezia (Italien).

Nach Mitteilung des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge" wird nach dem zwischen der Bundesregierung und der italienischen Regierung geschlossenen Abkommen bereits mit der Anlegung von deutschen Soldatenfriedhöfen begonnen, auf denen die italienische Regierung den Toten das dauernde Ruherecht gewährt. 110 000 Gräber sind in Italien auf rund 4000 Orte verstreut. In Pomezia, 30 km südlich von Rom, wurde die Tätigkeit bereits aufgenommen. Alle Toten, die auf Friedhöfen in den Provinzen Latina, Roma und Viterbo liegen, werden nach Pomezia umgebettet. Der Volksbund, der die ganzen Arbeiten durchführt, hofft, bei den Umbettungen viele unbekannte Tote identifizieren zu können. Über 7000 Gräber konnten in Italien noch nicht gefunden werden. Pomezia wird der erste endgültige deutsche Soldatenfriedhof auf italienischem Boden sein, für den die italienische Regierung nach internationalem Brauch das dauernde Ruherecht gewährleistet. Noch in diesem Jahr wird mit der Anlage eines großen deutschen Soldatenfriedhofes begonnen werden.

 

 

Seite 8   Helft Gefallenenschicksale aufklären. Gefallene aus Danzig, Ost- und Westpreußen auf dem Friedhof Pomezia.

 

Heinrich Beschorner, (Z 4028), geb. 20.07.1907 Brettersdorf. Ehefrau: Sofie Beschorner, Preuß. Stargard, Danziger Straße, Baracke 7.

 

Blaschke, Josef (Z 4032), geb. 29.11.1912 Neustadt Westpreußen. Ehefrau: Antonie Blaschke, Buchheide, Kreis Neustadt/Westpreußen.

 

Bernhardt Burmeister, (Z 4050), geb. 16.061915 Heisternest. H.A.: Frau Margarete Burmeister, Danzig-Neufahrwasser, Ollvaerstr. 24.

 

Johann Chodowski, (Z 4055), geb. 23.07.1912 Lindenau/Graudenz. Ehefrau: Sophie Ghodowski, geb. Karpa (letzter Buchstabe unleserlich), Kulm Zarnerau, Westpreußen

 

Kurt Chudziak, (Z 4056), geb. 09.02.1916 Eschwalde. Ehefrau: Elfriede Chudziak. Glauch, Kreis Ortelsburg, Ostpreußen.

 

Franz Czarnetzki, (Z 4059), geb. 21.10.1915 Nei Wuttrienen. Vater: Johann Czarnetzki, Neu Wuttrienen, Kreis Allenstein/Ostpreußen

 

Fritz Demke, (Z 4064), geb. 12.03.1918 Danzig-Lavental. H.A.: Familie Demke, Danzig-Klein Rammbau Nr. 6b.

 

August Dreyszass, (Z 4075), geb. 05.04.1913 Wuengen, Ostpreußen. Ehefrau: Martha Dreyszass, Werkirchen, Kreis Goldap, Ostpreußen

 

Oskar Drickler, (Z 4076), geb. 10.07.1912 Kowno. H.A.: Wanda Drickler, Mackheim/Ostpreußen

 

Alfred Frenzel, (Z 4102), geb. 18.01.1910 Königsberg. Ehefrau: Anna Frenzel, Königsberg/Preußen, Ostendorferstraße 7

 

Karl-Heinz Gabriel,. (Z 4105), geb. 22.10.1924 Königsberg. H.A.: Frau Hedwig Gabriel, Königsberg Preußen, Klosterstraße 1a.

 

Heinz Glang, (Z 4114), geb. 04.04.1910. HA.: Rosina Glang, Gr.-Lindenau, Kreis Samland.

 

Hans Goeldner, (Z 4116), geb. 15.06.1907 Insterburg. H.A.: Elisabeth Goeldner, Insterburg, Plueschestr. 17.

 

Franz Gollub, (Z 4117), geb. 23.031913. Thiergarten Vater: Ludwig Gollub. Thiergarten/Ostpreußen.

 

Grey Johannes, (Z 4121), geb. 16.11.1906 Spandau Ehefrau: Berta Grey, Kuckernese, Elchniederung, Hofstraße 1 (Ostpreußen).

 

Gustav Grommek, (Z 4123), geb. 24.01.1908 Stavken. Ehefrau: Margarete Grommek, Kehlen/Angerburg (Ostpreußen).

 

Johann Kalinowski, (Z 4172), geb. 19.09.1921 Gorgno, Westpreußen. Vater: Wladislaus Kalinowski. Messenborn, Kreis Straßburg/Westpreußen.

 

Alois Klebba, (Z 4186), geb. 24.05.1924 Karthaus. Vater: Johann Klebba, Gotenhafen, Gartenstraße 70.

 

Paul Kostka, (Z 4195), geb. 05.04.1922 Rosental. Mutter: Marie Kostka. Groß Falkenau/Dirschau (Westpreußen).

 

Bruno Kumm, (Z 4206), geb. 15.03.1914, Eydtkau. H.A.: Frau Charlotte Kumm. Gumbinnen, Kochstr.27.

 

Hans Laberenz, (Z 4208), geb. 11. 02.1919 Freienwalde, Kreis Sasnitz. H. A.: Hertha Laberenz, Salzen, Ostpreußen

 

Bruno Lange, (Z 4209), geb. 05.03.1925, Balga. Eltern: Hermann Lange, Mahnsfeld, Kreis Samland.

 

Edmund Laser, (Z 4216), geb. 18.05.1924 Essen-Krey. Mutter: Maria Glottek, Groß-Schöndamerau, Kreis Ortelsburg/Ostpreußen.

 

Rolf Lenz, (Z 4225), geb. 24.04.1919 Graudenz. Mutter?: Maurice Methausen, Wilden/Westpreußen

 

Eduard Malinlewitz, (Z 4241), geb. 22.06.1916 Loperpossen/Ostpreußen. Ehefrau: Auguste Malinlewitz, Nausseden, Tilsit.

 

Bruno Marschalowski, (Z 4243), geb. 19.02.1920 Sohmentau. Vater: Wladislaus Marschalowski, Brent/Westpreußen, Pfarrhusem.

 

Willy May, (Z 4248), geb. 18.12.1907 Königsberg. Ehefrau: Emma May, Königsberg. Schönberger Straße 36.

 

Johannes Meinski, (Z 4250), geb. 28.10.1920 Danzig. Mutter: Regina Meinski. Danzig, Schuettilp Große Molte.

 

Bruno Mierzwicki, (Z 4261), geb. 16.07.1924 Halbdorf/Westpreußen. Eltern: Bernhard Mierzwicki, Schlanz/ Westpreußen, Dirschau.

 

Wolfgang Mohnke, (Z 4263), geb. 23.02.1925 Königsberg/Preußen. Vater: Fritz Mohnke, Königsberg, Briesenerstraße 12.

 

Eberhard Naumann, (Z 4274), geb. 23.07.1915 Zaern/Elsaß. H.A.: Frau Ruth Naumann, Königsberg/Preußen, Kronprinzenstraße 2.

 

Wer kann Auskünfte über die Angehörigen dieser Gefallenen geben? Zuschriften mit Angabe der Z-Nummern hinter dem Namen erbitten wir an unsere Redaktion.

 

 

Seite 8   Suchdienst - Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamen des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a. zu richten.

 

Gesucht werden:

 

Martha Sinagowitz, aus Alt-Kiwitten, Kreis Ortelsburg, für August Sinagowitz, geb. 03.10.1909 in Olschienen

 

Ida Tremer, aus Baltumtruschet, Seeligenfeld, Kreis Rastenburg, für Karl Tremer, geb. 04.02.1912 in Gudick

 

Karl Schawobl, aus Bordehen, Kreis Preußisch-Holland, für Emil Schawobl, geb. 24.01.1911 in Plawischken

 

Otto Streich, aus Borken, Kreis Lyck, für Walter Streich, geb. 21.04.1923 in Borken.

 

 

 

Maria Stein, aus Braunsberg 2, Hofgasse 4, für Paul Stein, geb. 29.05.1912 in Bohnsack.

 

Herr Schapp, aus Forstamt Graben, Post Nanetzken, Kreis Labiau, für Gustav Schapp, geb. 15.04.1918 in Meierhof.

 

Anna Schütze, aus Gemmen, für Arthur Schütze, geb. 02.02.1890

 

Heinrich Schubert, aus Georgenwalde, Kreis Samland, Seestraße, Haus Kieselbach, für Heinz Schubert, geb. 15.05.1928 in Georgswalde

 

Elfriede Schulz, aus Goldap, Töpferstr. 14, für Otto Schulz, geb. 19.08.1909 in Garbossen

 

Gustav Szibaski, aus Groß-Garten, Kreis Angerburg, für Willi Szibaski, geb. 04.01.1917 in Groß-Garten

 

Familie Schulz, aus Groß-Klitten, Kreis Bartenstein, für Otto Schulz, geb. 13.10.1913 in Groß-Klitten

 

Erna Spredtke, aus Gumbinnen, Friedrich-Wilhelm-Str. 10, für Gerhard Spredtke, geb. 14.04.1920 in Danzig

 

Hilde Schurhoff, aus Gumbinnen, Riedhof, für Hans Eugen Schurhoff, geb. 01.05.1912

 

Martha Schroeter, aus Haushagen, Kreis Pr.-Eylau, für Werner Schroeter, geb. 13.05.1924 in Markröhlitz

 

Frau Pagelienen, aus Heydekrug (Memelland), für Christoph Simoneit, geb. 04.04.1892

 

Frieda Simoneit, aus Hohenfürst über Heiligenbeil, für Adolf Simoneit, geb. 03.09.1899 in Eszerninken

 

Gustav Schulz, aus Königsberg, Alter Garten 12/13, für Rudi Schulz, geb. 27.08.1925 in Königsberg

 

Gustav Schumann, aus Königsberg, Kaporuerstr. 28, für Willi Schumann, geb. 19.08.1915 in Korschen-Rastenburg

 

Familie Skibba, aus Korschin, Kreis Rastenburg, für Georg Skibba, geb. 15.09.1902 in Jarkowen

 

Georg Schützler, aus Labiau, Friedrichstr. 24, für Günther Schützler, geb. 02.07.1925 in Karkelbeck, Kreis Memel

 

Johanna Schröder, aus Lindengrund, Kreis Ortelsburg, für Friedrich Schröder, geb. 20.05.1906 in Kransberg

 

Richard Wölke, aus Lyck, frühere Straße der SA, für Hans Wölke, geb. 12.04.1924 in Lyck

 

Helene Skilandat, aus Mitgethen, Soldauer Weg, für Hans Skilandat, geb. 24.01.1926 in Zinten

 

Gertrud Schaar, aus Mohrungen, Treschowweg 4a, für Reinhold Schaar, geb. 18.02.1925 in Untereißeln

 

Familie Scheibner, aus Mulden, Kreis Gerdauen, für Kurt Scheibner, geb. 23.06.1920 in Prettlack

 

Anna Schiemann, aus Mulsen, Kreis Samland, für Hermann Schiemann, geb. 03.08.1902 in Kleinkreuz

 

Berta Silbe, aus Nattern über Allenstein, für Kurt Silbe, geb. 11.07.1910 in Schmelz

 

Elisabeth Saboczinski, aus Neidendorf bei Soldau, Kreis Neidenburg, für Leo Saboczinski, geb. 17.10.1920 in Groß-Sohrau

 

Steckbrief mit Foto. Bild Nr. 2575

Name: vermutlich Bergmann;

Vorname: fraglich, vielleicht Renate;

geb. etwa 1939.

Augen blau;

Haar: dunkelblond. —

 

Das Mädchen hat keine genauen Erinnerungen an den Heimatort. Es gab anfangs den Namen Grünberg an. Nachforschungen in Ostpreußen und Schlesien verliefen negativ. Es meinte, der Vater hieße Johann Bergmann und die Mutter Agnes Bergmann. Es seien auch noch Geschwister Mia und Hildegard dagewesen.

 

Dieses Genannt-Kind Renate Bergmann hat entweder durch einen Luftangriff oder durch Feindhandlungen während der Flucht ein Auge verloren. Durch die schwere Kopfverletzung ist wahrscheinlich das Erinnerungsvermögen geschwächt worden. Das Mädchen hat sich nach 1945 in Dänemark befunden. Es glaubt, davor in einem Kinderheim gewesen zu sein, welches durch Beschuss zerstört wurde. Dicht bei dem Kinderheim soll das Elternhaus gewesen sein. Eigenartig berührt, dass das Mädchen bei seiner Pflegemutter eine in Süddeutschland und Westdeutschland bekannte Mehlspeise als „Spätzle" bezeichnete. Man könnte vielleicht daraus schließen, dass es sich um ein süd- oder westdeutsches Kind handelt, welches evakuiert war.

 

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kinderstichdienst Hamburg Osdorf Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Gesucht werden aus:

 

Bittkau, Kreis Treuburg werden die Geschwister Renate Klett, geboren am 16. Mai 1935 in Insterburg; Jürgen Klett, geboren am 18. August 1937 in Bittkau und Karin Klett, geboren am 23. April 1940 in Bittkau. Gesucht von ihrem Großvater Robert Klett, geboren am 24. Mai 1873.

 

Forst Plicken, Kreis Labiau wird Ursula Dombrowski, geboren am 30. Mai 1933 gesucht von ihrem Bruder Max Dombrowski.

 

Fritzen, Kreis Samland werden die Geschwister Gisela Nitsch, geboren am 23. Juni 1935 in Fritzen; Manfred Nitsch, geboren am 9. April 1939 in Fritzen und Hannelore Nitsch, geboren am 22. Mai 1941 in Fritzen. Gesucht von ihrer Tante Grete Nitsch, geborene Thiemann, geboren am 11. Juni 1914.

 

Grammen, Kreis Ortelsburg wird Brigitte Kattanek, geboren am 9. November 1933 in Georgensguth gesucht von ihrer Mutter Karoline Kattanek, geboren am 18. November 1907.

 

Johannisburg, Fischerstraße 2, wird Edith Drost, geboren am 6. November 1934 in Köln gesucht von ihren Eltern Oskar Drost und Maria Drost, geborene Bialowons, geboren am 22. August 1909.

 

Königsberg, Barbarastraße 71 werden Gerhard Knorr, geboren am 21. März 1935 in Königsberg und Heinz Knorr, geboren am 7. August 1937 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Erich Knorr, geboren am 26. August 1901.

 

Königsberg, An den Birken 13 wird Sigrid Stadie, geboren am 3. Juni 1936 in Königsberg, gesucht von ihrer Tante Ruth Ressin, geborene Baumeister, geboren am 22. Januar 1923. Da die Mutter des gesuchten Kindes Sigrid Stadie starb, kam Sigrid am 15. Februar 1945 in ein Waisenhaus in Königsberg.

 

Steckbrief mit Foto. Bild Nr. 2613

Name: unbekannt;

Vorname: unbekannt;

geb. etwa 1944;

Augen braun;

Haar: dunkelblond.

Der Knabe wurde 1944 nach einem Fliegerangriff in Königsberg aufgefunden.

 

 

Königsberg, von Brandt-Allee 16 werden Marianne-Erika Schröder, geboren am 6. April 1938 und Claus-Eitel Schröder, geboren am 2. Juli 1939 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Fritz-Eitel Schröder.

 

Königsberg, Kummreuerstraße 71 wird Siegfried Pukowski, geboren am 1. April 1935, gesucht von seinen Schwestern Hildegard Henke, geborene Pukowski und Irmgard Pukowski, geboren am 1. Dezember 1940.

 

Königsberg, Vorder Roßgarten 20 werden Hannelore Brigitte Klautke, geboren am 20. Dezember 1941 in Königsberg und Horst Jürgen Klautke, geboren am 13. Mai 1943 in Königsberg, gesucht von ihrer Großmutter Maria Klautke. Bei den Kindern befand sich die Mutter Anna Klautke, geborene Hasenbein, geboren am 13. September 1916.

 

Königsberg-Quednau, Ringstraße wird Renate Sauerbaum, geboren im September 1938 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Helmut Sauerbaum, geboren am 13. September 1910.

 

Königsberg, Haberberg-Rundteil I wird Ursula Onischke, geboren am 8. Januar 1933 in Königsberg, gesucht von Richard Schipper, geboren am 11. Februar 1901.

 

Steckbrief mit Foto. Bild Nr. 2498.

Name: unbekannt:

Vorname: unbekannt;

geb. etwa 1942;

Augen: hellblau;

Haar: blond.

Der Knabe erzählte anfangs von seiner Mutter, die anscheinend mit dem Zug nicht mitkam. Die kleinere Schwester soll Roswitha heißen.

 

Königsberg-Juditten wird Gerhard Schulz, geboren am 2. Januar 1940 in Braunsberg, gesucht von seiner Schwester Martha Schulz, geboren am 21. August 1922. Gerhard ist bis zum 20. August 1945 in Königsberg mit seiner Schwester Martha Schulz zusammen gewesen. Sie musste drei Tage zur Landarbeit. Als sie wieder zurückkam, war der Knabe nicht mehr da. Gerhard Schulz hat blaue Augen und blondes Haar, auf dem Bauch eine Verbrühungsnarbe, die er sich mit etwa zwei Jahren zugezogen hat.

 

Kreywöhnen, Kreis Tilsit-Ragnit wird Rudi Subat, geboren am 19. Juni 1938 in Kreywöhnen, gesucht von seinen Eltern Emil Subat und Martha Subat, geborene Grigoieit, geboren am 19. Februar 1899.

 

Leissen, Kreis Allenstein bei Kukraschewski wird Herbert Paukstat, geboren am 2. August 1934 in Waltersmühl, gesucht von seiner Mutter Maria Paukstat, geborene Liedmann, geboren am 2. Oktober 1908.

 

Mohrungen, Kreiskrankenhaus wird die Schwester Hanna Loleit, geborene Breitmoser gesucht. Hanna Loleit kann Auskunft geben über den gesuchten Knaben Paul Schlussus, geboren am 7. Oktober 1943. Er wird von seiner Mutter Elisabeth Schlussus gesucht.

 

Mohrungen, Schimmerlingweg 1 werden Werner Oskandi, geboren am 22. Mai 1937 in Soldau; Reinhard Oskandi, geboren am 9. November 1939 in Soldau und Gisela Oskandi, geboren am 13. Januar 1944 in Mohrungen, gesucht von ihrer Tante Hedwig Freiheit, geborene Bucholski, geboren am 31. Dezember 1916.

 

Primsdorf, Kreis Angerburg werden die Zwillinge Egon-Hans Kühn und Margarete Kühn, geboren am 9. Dezember 1939 in Engelstein, sowie Rosemarie Kühn (geschrieben steht Küln), geboren am 4. September 1941 in Engelstein, gesucht von ihrer Mutter Anna Kühn, geborene Frenzel, geboren am 24. September 1906. Geschwister Kühn sollen sich im September 1945 in einem (hier fehlt etwas) in Korschen aufgehalten haben.

 

Rädtkeim, Kreis Gerdauen wird Dora Lemke, geboren am 22. Januar 1933 in Insterburg, gesucht von ihrem Großvater Friedrich Lemke, geboren am 10. Juni 1884.

 

Rippen, Kreis Heiligenbeil wird Harry Klotzki, geboren am 2. Februar 1935 in Rippen, gesucht von seinem Vater Erwin Klotzki, geboren am 14. November 1906.

 

Rogenau, Kreis Ortelsburg wird Kurt Plonke, geboren am 17. März 1936 in Rogenau, gesucht von Hildegard Kahmke, geborene Plonke, geboren am 15. Juli 1917.

 

Rostken, Kreis Lyck werden Elli Seegatz, geboren am 29. November 1935 und Herbert Seegatz, geboren am 10. April 1937, gesucht von ihrer Mutter Erna Seegatz und von dem Großvater Gustav Motulla.

 

Rothfliess, Kreis Rössel wird Agathe Hüttig, geboren am 24. März 1938 in Korschen, gesucht von ihren Eltern Richard Hüttig und Anna Hüttig, geborene Machei. Agathe Hüttig soll am 13. oder 14. November 1945 in das Krankenhaus Schwaan/Mecklenburg eingeliefert worden sein. Eine damals dort tätige DRK-Schwester soll Auskunft über Agathe Hüttig geben können.

 

Sandheim, Kreis Sichelberg werden Elfriede Hafemann, geboren am 15. September 1939 in Silberwald und Emilie Hafemann, geboren am 13. Juli 1943 in Sandheim, gesucht von ihrer Großmutter Mathilde Hafemann, geborene Spitz, geboren am 7. August 1894.

 

 

Seite 9   Der Verkauf der Marienburg im Jahre 1457. Treulose tschechische Söldner verschacherten den Polen die Hauptburg des Deutschen Ritterordens.

Das Ordensland Preußen, dessen Gründung und Bestand auf Privilegien des Kaisers und des Papstes fußen, hatte seit Anbeginn an enge Beziehungen zur stärksten Ost-Bastion des Reiches, zu Böhmen. Entscheidend für die dauernde Behauptung des Deutschen Ritterordens in Preußen war der von König Ottokar und seinem Schwager Markgraf Otto im Jahre 1255 unternommene Kreuzzug, der dem Orden die Fußfassung im Samland und die Gründung einer Ordensburg am Pregel ermöglichte, aus der sich eine Stadt entwickelte, die zu Ehren Ottokars den Namen Königsberg erhielt. Auch in den folgenden Jahrzehnten übte Böhmen eine Art Schirmherrschaft über das Ordensland Preußen aus, wozu die feindselige Haltung Polens sowohl gegenüber dem Orden als auch gegenüber Böhmen nicht unwesentlich beitrug. Erst der Aufstand der Hussiten gegen Kirche und Reich unterbrach das bewährte Schutz- und Trutzbündnis. Im 15 Jahrhundert, im Heldenzeitalter des tschechischen Volkes, trugen böhmische Söldner, in der überwiegenden Mehrzahl Tschechen, entscheidend zum Niedergang des Ordens bei. Trotzdem König Georg von Podiebrad dem Deutschen Orden durchaus nicht zugetan war, verfügte er wegen der Schwere der Anklage den Zusammentritt des böhmischen Hofgerichtes zu Prag, das im März 1460 über das Verhalten einer Reihe von tschechischen Söldnerführern in Preußen zu befinden hatte.

 

Dem Verfahren lag die Klage des Deutsch-Ordenshochmeisters Ludwig von Erlichhausen zu Grunde, die dieser „dem alterunüberwindlichsten Fürsten und großmächtigsten Herrn, Herrn Friedrich, Römischen Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, Herzog von Österreich, Steyer, zu Kärnten etc., auch allen christlichen Königen, Fürsten und großmächtigen Herren, namentlich dem allerdurchlauchtigsten Fürsten und großmächtigen Herren, Herrn Jorgen, Könige zu Böhmen, Markgraf zu Mähren und an seine würdigen Räte ... Grafen, Ritter, Bürgermeister und Städte..." am 11. November 1459 gesandt hatte, und in der die tschechischen Söldner, vor allem ihr Hauptmann Ulrich Czervenka, des Eidbruchs und des Verrats bezichtigt wurden. Der Hochmeister forderte, das Gericht möge die Angeklagten „verwerfen, verschmähen, verachten und verstoßen, an Leib und Leben greifen, schlagen und fangen“.

 

Der Hochmeister hatte alle Ursache zu derart schwerer Anklage. Die angeklagten Söldnersche Krieger mitgewirkt. Die tschechischen Hilfstruppen der verbündeten Polen und Litauer waren damals jedoch zahlreicher als die im Dienste des Ordens kämpfenden tscheführer (wahrscheinlich Tschechenführer) und ihre Rotten, insgesamt etwa 1500 Mann waren vom Deutschen Ritterorden im Jahre 1454 in aller Eile zur Abwehr der mit dem König von Polen paktierenden preußischen Adeligen und Städte, die sich gegen die Herrschaft des Ordens in offenem Aufruhr erhoben hatten, angeworben worden. Die preußischen aufständischen hatten ebenso wie die Polen bereits seit längerer Zeit böhmische Söldner in ihren Diensten. In der damaligen Zeit wollte keine kriegführende Partei auf die Mitwirkung der damals besten Soldaten Europas, der tschechischen Hussiten, verzichten, die mit ihren Wagenburgen eine völlige Umwälzung der Kriegstechnik herbeigeführt hatten. Bereits im Jahre 1410 hatten auf beiden Seiten tschechichischen Fähnlein. Es ist naheliegend, dass für Tschechen wie Zizka von Trocnow ideologische Gründe für die Stellungnahme gegen den katholischen und deutschen Orden entscheidend mitsprachen. 4 Jahre später spielte die klingende Münze die ausschlaggebende Rolle. Wer besser zahlte, für den wurde gekämpft. Der Soldvertrag verpflichtete die Söldner jedoch nur Treue gegenüber ihrem Kriegsherrn. Die Gebietiger des Ordens waren freilich etwas überrascht, dass die Hilfstruppen nicht wie in früheren Zeiten „zur Ehre der Heiligen Jungfrau und für Gottes Lohn“ stritten. Sie bezahlten selbstverständlich ihre Söldner — solange in den Ordenskassen Geld war. Da  der Krieg jedoch in die Länge zog, viele Söldner mangels einer zentralen Ordenskasse von Ort zu Ort zogen und sich zwei- und dreimal bezahlen ließen, und weil die Einnahmen des Ordens infolge des Abfalls einiger Städte mit der Zeit ganz ausblieben, kam die Stunde, da in den Ordenskassen kein roter Heller mehr war. Doch auch den aufständischen Preußen und den Polen ging das Geld aus, so dass das Kuriosum eintrat, dass die auf Seiten der Polen rupfenden tschechischen Söldner zum Deutschen Ritterorden und die tschechischen Hilfstruppen des Ordens zu den Polen desertieren wollten. Infolge des großartigen Sieges der Ordenstruppen bei Konitz — der einzigen Feldschlacht des ganzen Krieges — rebellierten zuerst die in den Diensten der preußischen Aufständischen stehenden Tschechen. Sie mussten aus der Front vor Marienburg herausgezogen werden. Die Söldner des Ordens blieben aber auch nicht lange ruhig, sondern forderten ungestüm den fälligen Sold. Da der Orden nicht gleich zahlen konnte, erpressten sie für die Gewährung einer kurz befristeten Stundung vom Hochmeister die Verpfändung aller Burgen und Städte, ja des ganzen Landes Preußen. Nach zweimaliger Verlängerung des Zahlungstermines bot der Orden eine größere Abschlagszahlung und innerhalb kurzer Zeit die gänzliche Bezahlung der fälligen Soldzahlungen an. Der maßgebende tschechische Söldnerführer, Ulrich Czervenka. lehnte dieses Angebot des Ordens jedoch ab, da ihm die Polen, mit denen er insgeheim Verhandlungen angeknüpft hatte, für die Übergabe der Marienburg, der Hauptbastion des Ordens und Sitz des Hochmeisters, rund 300 000 Gulden versprochen hatten, eine Geldsumme, die erheblich höher war als der vom Orden zu zahlende Sold.

 

Wie Czervenka und seine Mannen ihren Herrn, den Hochmeister, und die Ordensbrüder bereits vor dem Verkauf der Marienburg behandelten, darüber berichtet Hochmeister Ludwig von Erlichhausen, in der Anklageschrift (dzt. im Staatl. Archivlager Göttingen, Schbl. 24 a) u. a. wörtlich:

 

„….. unsere Diener, Hofgesinde und andere Getreue, die recht und getreulich zu uns hielten und halten, stießen und trieben sie aus der Marienburg, Dirschau und Ylau gar jämmerlich und brachten sie um all ihre Habe. Mit den Brüdern des Ordens sind sie besonders bübisch verfahren. Denn des Nachts, wenn unsere Brüder in Befolgung der Regel unseres Ordens in die Kirche auf dem Schlosse zur Mette gehen wollten, griffen sie sie frevlich an. Etliche schlugen und banden sie gar schwer und nahmen ihnen, was sie hatten. Etliche beraubten sie ihrer Kleider. Sie zogen sie mutternackt aus, und trieben sie so mit Peitschen, Gerten und Knüppeln um den Kreuzgang des Schlosses. Etliche nötigten sie so hart, dass sie vor Angst durch die Fenster fallen mussten, wenn sie ihr Leben retten wollten. Etliche ehrliche alte Männer warfen sie des Nachts vor der Kirche nieder. Denen schnitten sie die Bärte ab, und etlichen schnitten sie mit den Bärten Stücke von den Lippen und von den Kinnen ab. Etlichen brachen sie des Nachts die Kammern auf und nahmen daraus mit Gewalt alles, was sie hatten. In dieser Weise machten sie unsere Ordensbrüder und auch die weltlichen Priester und Kirchendiener so scheu, dass sie nicht mehr in die Kirche gingen. Dadurch hörten alle Messen und der Gottesdienst im ganzen Hause auf. Außerdem lästerten sie Gott auf folgende Weise: sie liefen in die Kirche und zogen Chorkappen und Chorröcke an. Diejenigen, die dies nicht bekommen konnten, hüllten sich in Altartücher und Banklaken und Hemden, besprengten das Kreuz und liefen so durch das Schloss Marienburg auf und ab, hin und her, unter großem Geschrei weltlicher Lieder, mit Lästerungen und Verspottungen Gottes und des heiligen Amtes. Sie raubten und was sie nicht stehlen konnten, nahmen sie mit Gewalt weg und führten sich so schändlich und bübisch auf, dass unsere Getreuen, die sie noch nicht weggetrieben hatten, froh wurden, von selbst wegziehen zu können. Die schändlich unehrlichen Leute hielten uns danach wie Gefangene in unseren Kammern. Es mochte niemand öffentlich zu uns kommen. Wir durften auch keinerlei Briefe empfangen, auch keine Briefe schreiben .... Einmal in der Mitternacht wollten sie unsere Kammer mit Gewalt aufstoßen, uns und die unseren ermorden und das unsere nehmen. Da half uns Gott bei der Verteidigung, so dass ihr Angriff nicht erfolgte. Da wir darüber klagten und zu richten begehrten, versprachen uns Herr Ulrich Czerwenka und die anderen Hauptleute … sie wollten ein solches richten, das uns sollte genügen. Dem sind sie nicht nachgekommen, so dass keine Bestrafung erfolgte. Daraus haben wir entnommen, dass sie uns hätten lieber tot als lebendig gesehen“.

 

Ähnlich verfuhren die böhmischen Söldner vom 4. zum 5. Juni, zu Pfingsten 1457, ließ in anderen Burgen des Ordens. In der Nacht. Czervenka nach Erhalt von 190 000 Gulden 600 Polen und preußische Aufständische in die Marienburg. Das dem Hochmeister vorher gegebene Versprechen, die Burg mit den Reliquien und allem Kirchengerät bei sicherem Geleit von 200 Mann verlassen zu dürfen, wurde nicht gehalten. Der zur Abfahrt im Hof der Marienburg stehende Wagen wurde geplündert, der Hochmeister erst nach langen Umwegen in Begleitung von sechs Polen und drei Tschechen nach Konitz zu den Seinen gelassen.

 

Die Macht des Ordens war gebrochen, Westpreußen wurde ein Teil Polens. Für den Hochmeister war es kein Trost, dass die westpreußischen Städte und Adeligen, die ihre ständischen Belange höher gestellt hatten als die Belange des Ordenslandes, bald unter der polnischen Knechtschaft seufzten und dass die tschechischen Söldner auf die restlose Bezahlung des Judaslohnes viele Jahre warten mussten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit sprach das böhmische Hofgericht, das die Angeklagten, gegen die eine Reihe von ordenstreuen tschechischen Söldnern als Zeugen aufgetreten waren, ehr- und waffenlos erklärte und zu schwerem Kerker verurteilte. Czervenka und seine Mitverurteilten kamen mit einem blauen Auge davon, da sie nach zwei Jahren auf Intervention des polnischen Königs Kasimir aus der Haft entlassen wurden.

 

 

Seite 9   Königsberger Winkel. Von Herbert Meinhard Mühlpforat   

Immer habe ich mich geschämt, dass unsere schöne Vaterstadt Königsberg im Bädecker nur einen einzigen Stern aufwies — der war dem Denkmal Friedrichs I. angeheftet —, während west- und süddeutsche Städte von Sternen wimmelten. Also selbst ein so weitgereister Mann wie Bädecker teilte offenbar das in West- und Süddeutschland herrschende Vorurteil, jenseits Berlins sei „nichts mehr los“. Anders urteilte jedoch der berühmte Dehio, der freilich ein gebürtiger Balte, über den Osten.

 

Ich will im Folgenden eine Reihe „Winkel" unserer Vaterstadt, die zum Teil so idyllisch waren, dass sie mancher Fremde in Königsberg gewiss nicht vermutet hätte, im Geiste wieder auferstehen lassen und meine Leser zu ihnen führen. Manche dieser Winkel lagen so versteckt, dass selbst viele Königsberger sie nicht kannten.

 

Die meisten dieser Winkel lagen im Löbenicht, und schon G. Karl — eigentlich der Rechnungsrat Springer — schreibt in seinem hübschen Büchlein „Alt-Königsberg", dass sie sich „selbst in Rothenburg oder Dinkelsbühl sehen lassen könnten".

 

I.              Der Kohlhasenwinkel

Ging man, vom Roßgärter Markt kommend, den Mittelanger hinunter und bog in den an alten Barockhäusern reichen Hinteranger und in die Kohlgasse ein, so kam man in einen großen, mit „Bonbon"pflaster gepflasterten Hof, der von alten berankten Häusern mit einer im Grün versteckten Gaslaterne, mit Fachwerkschuppen und Stallungen umsäumt war. Offiziell hieß dieser Winkel „Löbenichtscher Stadthof", im Volksmunde aber seit alters „Kohlhasenwinker“, obwohl die Zeit der Kohläcker, die sich im Mittelalter vor dem Löbenichter Kohl- oder Sackheimschen Tor, dem Krönchentor und den Mauern und jenseits des blumigen Angers erstreckt hatten, und also auch die Zeit der in ihnen schmausenden Hasen längst vorüber war.

 

Oft standen hier Rollwagen mit den verschiedensten Lasten und träumend ließen die müden Pferde davor in der Ruhe dieser Abgeschiedenheit die Köpfe hängen, aber oft sah man auch einen Maler, die Staffelei vor sich, das schöne Bild, das sich hier bot, verewigen.

 

In der Tat zeigte sich dem Besucher des idyllischen Plätzchens ein reizendes Bild: Hinter dem östlichen Zaun schaute eine niedrige Kuppel herüber, die dem Gartenpavillon der Katholischen Probstei angehörte und in ihrem Aussehen an den etwas größeren Pavillon an der Kaiserbrücke erinnerte — beide barockklassizistisch. Das Grün des Gartens aber wurde überragt von der grünen Kuppel der majestätischen Katholischen Kirche, der der prächtige Rokokohelm der 1771 neu erbauten Sackheimerkirche mit dem stark vergoldeten Lamm Gottes das Gegengewicht bot. Auf der anderen westlichen Seite aber zeigte sich dem erfreuten Blick der wunderschöne in seinen Maßen unsagbar fein abgestimmte Helm der auf dem hohen Berge thronenden Löbenichtscher Kirche, die dem Idyll einen heroischen Abschluss gab.

 

II.            Der Löbenichtsche Kirchenplatz

Nirgends wirkte die Zerstörung Königsbergs durch britische Phosphorbomben in der Schicksalsnacht erschütternder, als auf dem Löbenichtschen Kirchenplatz.  An die Stelle des Friedens, idyllischer Ruhe, stillen Geborgenseins war sinnlose Zerstörung, grauenhafte Öde, Totenstille getreten.

 

Eisige Schauder und heiße Tränen mussten dem kommen, der einsam und allein durch die Trümmer stieg, die zerspellten Mauern der schönen Kirche sah und die trostlosen Ruinen der alten Häuser, deren Essen anklagend gen Himmel zeigten.

 

Aber wer dies nicht gesehen hat oder wer es vermag, in der Erinnerung dies Bild des Greuls überdecken zu lassen von dem freundlichen Bilde des Einst, wird mir zugeben, dass es wohl kaum einen besinnlicheren und zugleich anmutigeren Winkel gab, als den Platz um „St. Barbara auf dem Berge", wie die 1334 erbaute Kirche nach der Schutzpatronin der Weber hieß.

 

Vier Zugänge hierher gab es. Der erste führte vom Bergplatz, oder wie ihn der Volksmund von jeher nannte, vom „Schiefen Berg", durch die Kollegiengasse, entlang den Mauern der Oberrealschule auf der Burg, die das Gebäude im Jahre 1892 vom Friedrichskollegium erbte. Das junge Friedrichskolleg hatte im Jahre 1703 den hier stehenden baufälligen Adelshof des Obermarschalls von Kreytzen, den sog. „Landhofmeistersaal" erworben; dieser aber war erbaut (wahrscheinlich) auf den Fundamenten des ehemaligen Klosters „Zum Heiligen Kreuz", das neben Kreuzkirche und Kreuztor gestanden hatte.

 

Von der Mündung der Kollegienstraße in die Oberbergstraße gelangte man dann durch die Wernerstraße, oder, wie sie vor 1888 hieß, die „Stippelgasse", oder „Das Gestippel" zum Löbenichtschen Kirchenplatz. („Stippel" nannte man die Wasserschöpftonne im Haushalt.)

 

Der zweite Zugang kam von Westen, von der Tuchmacherstraße her, steil die Unterbergstraße hinauf. Eine ideale Rodelbahn für die Löbenichter Bowken! In der die Unter- und Oberbergstraße verbindenden Löbenichtschen Kirchenstraße befand sich ein schmuckes Haus eines reichen Mälzenbräuers mit zwei stoben Pilasterbündeln und einem barocken Relief aus Holz in grellen Farben, das eine mythologische Szene darstellen mochte.

 

Auf dem dritten Wege gelangte man vom Mittelanger zur Kirche. Die drei Anger, trübselige graue Straßen, erinnerten freilich in nichts mehr an die blumigen Anger, die sich einst hier vor den Mauern ausgebreitet hatten. Auf einem Plan von 1720 sind hier noch Grünanlagen eingezeichnet.

 

Auf dem vierten Wege erreichte man den Kirchenplatz von der Löbenichtschen Langgasse her, just da, wo das 1752 abgebrochene Sackheimsche Tor sie abschloss. Das Eckhaus neben dem Tor (Nr. 50) wir einst das Löbenichtsche Pauperhaus, und an ihm führte der Paupersteig steil herauf zur Kirche.

 

Fast hätte ich einen fünften Zugang vergessen, der freilich zu unserer Zeit kein Zugang mehr war, sondern auch ein „Winkel" geworden war.

 

Schräg gegenüber dem Hause Nr. 12 in der Löbenichtschen Langgasse, an dem eine Gedenktafel berichtete, dass Heinrich v. Kleist 1805 dort gewohnt, befand sich zwischen den Häusern 40 und 41 ein Spalt. Wenn man die Straße überschritt, so schien der Spalt verschwunden, die Häuser berührten sich offenbar und eine schmale Holztür schien in einen Keller zu führen, öffnete man sie als gründlicher Altertumsforscher, so lag ein unwahrscheinlich enges, steiles, von einem Schwibbogen überspanntes Gässchen vor den erstaunten Blicken, das einst zum Löbenichtschen Kirchenplatz hinaufklomm. Damals hieß es „Heringsgässchen", und mit Recht, denn nur ein Hering konnte sich dort hinaufzwängen. Seit aber der Zugang zum Platz vor vielen Jahrzehnten verfiel, und der nackte Berg ins Gässchen hinunterstarrte, wurde es — nur wenigen — in Königsberg bekannt als „Heringswinkel". Die Schuttmassen der Schreckensnacht werden es wohl völlig verschüttet haben.

Fortsetzung folgt

 

Foto: Giebelschmuck an einem ostpreußischen Bauernhaus

 

 

Seite 10   Ostern

Kein anderes Fest im Jahreslauf weist Begehungen auf wie das Osterfest, das am engsten mit der Natur verbunden und von grundlegender Bedeutung für die christliche Kirche geworden ist. Alles, was an überlieferten Bräuchen im Sittenkreis der Familie wie auch der örtlichen Gemeinschaft geübt und an praktischen Verrichtungen seit langem in Haus und Hof getan wird, steht im Zeichen des sinnvollen Ostergedankens. Das uralte und ewig neue Auferstehungswunder spiegelt Reichtum volkstümlicher Gebräuche und alter sich als Hoffnung und Wunsch für neues Leben und neues Werden, als kraftvolle Äußerung neu erwachender Lebensfreude im volkstümlichen Osterbrauchtum wider, wie es in gleicher lebensvoller Durchdringung auch den christlich-kirchlichen Gedankenkreis beherrscht. Daher finden sich alle Sitten und Gebräuche, die sich auf Wachsen und Gedeihen, auf Erneuerung und Schönheit des Körpers und der Seele beziehen, in den Begehungen der Osterzeit in reicher Fülle vereinigt.

 

Osterbräuche der Heimat

Die Osterbräuche, die in unserer ostdeutschen Heimat ein besonders starkes Eigengepräge aufweisen, nahmen zu der Zeit, als wir nicht mehr ganz Jungen noch zu Hause weilten, ihren stimmungsvollen Anfang am Palmsonntag, wo die Jugend in den frühlingshaften Wald zog, um Haselruten, Weidenkätzchen und Birkenreiser für das nahende Osterfest zu schneiden. Die ganze Woche nach dem Palmsonntag, der früher allgemein der Tag der kirchlichen Einsegnung war, der im Familienkreis unter reger Beteiligung aller Verwandten und Freunde in mit Buchsbaum und Tannengrün geschmückten Räumen festlich begangen wurde, galt der gründlichen Reinigung von Haus und Hof. Bei diesen Verrichtungen spielte das „Flohbannen" auf dem Lande eine wichtige Rolle. Heutzutage, wo diese lästigen Plagegeister am Aussterben sein sollen, kann man leicht die sorgfältig beobachteten Gepflogenheiten belächeln, mit denen unsere Mütter und Großmütter unter Aufsagen alter Reime mit Kaddigzweigen die gefürchteten Hopser „ausräucherten". Ratten und Mäusen, die auf dem Lande noch immer unerwünschte Mitbewohner vieler Haushaltungen sind, kann man ebenfalls nach alten Rezepten in der Osterwoche erfolgversprechend zu Leibe rücken, wenn einem die früher gebrauchten Beschwörungsversuche noch gegenwärtig sind wie z. B. der folgende:

 

„Ratz, Ratz aus der Wand! Ostern ist im Land!“

 

Das Ausweißen der Stallräume am Ostersonnabend, das von guter Vorbedeutung für ihre Reinhaltung und das Gedeihen der Tiere war, wird von Landbewohnern auch in unserer Zeit nicht gerade selten noch vorgenommen. Am Gründonnerstag das Tannenreisig von den eingedeckten Rosensträuchern zu entfernen und es für das lustige Osterfeuer aufzuschichten, ist eine stellenweise noch heute übliche österliche Sitte.

 

Sind die Wohnräume vom Staub und Schmutz der Wintertage befreit und auch Hof, Ställe und Garten frisch hergerichtet, dann erhalten die Zimmer festlichen Osterschmuck, der sinngemäß aus frischem Birkengrün, seidigen Palmkätzchen und ersten Frühlingsblumen besteht, unter denen die alten Götterblumen, die liebliche Anemone und die gelbglockige Narzisse nicht fehlen dürfen. Mit der fröhlichen Buntheit der Frühlingssträuße wetteifern die satten Farben der bemalten oder gefärbten Eier der Osterschüssel, die mit den goldgelben Fladen in altpreußischen Gegenden zu jeder Ostertafel gehörten. Ostern hat das Ei seine „hohe Zeit", wo es im bunten Festgewand in verschiedenster Gestalt Groß und Klein entzückt. Kunstvoll bemalt, bunt gefärbt, mit symbolischen Zeichen und schönen alten Reimen versehen, ist das Osterei durch die Jahrhunderte unseres Volksglaubens als sinnige Ostergabe gegangen, auf die auch der nüchtern gewordene Mensch unserer aufgeklärten Zeit nicht verzichten möchte. Ausgeblasenen Eiern, deren Schalen die vorsorgliche Hausfrau das ganze Jahr hindurch sammelt, fehlt zwar der begehrte köstliche Inhalt; das zerbrechliche Gehäuse bietet aber nicht geringere Möglichkeiten künstlerischer Verzierung, um als „Osterei" den Ostertisch zu schmücken. Auf drei sich kreuzende Kätzchenzweiglein oder in kleine Pappständer gesetzt, ergeben die am oberen Rande ausgezackten und bemalten Eierschalen niedliche Väschen; verschieden gefärbt und im Wechsel mit weißen Eischalen und bunten Seidenbändern auf einem Rundbogen zusammengefügt, erfreuen die Hohleier als Osterkranz Auge und Herz; mit einer kleinen Papierrolle versehen, die als Spruchband in das ausgeblasene Ei gefügt wird und in Versform einen heimlichen Liebes- oder Glückwunsch enthält, bereitet das Wunsch- oder Orakelei immer neue Überraschungen. Einen besonderen und sinnigen österlichen Tafelschmuck wird auch eine Schale bilden, in deren Mitte nach ostdeutschem Brauch eine Handvoll Gerste zum Keimen gebracht wurde, um deren zartes Grün sich in schönem Farbenkontrast ein Kranz buntgefärbter ausgeblasener Eier legt.

 

Außer dem Osterei gehört zu den altüberlieferten österlichen Sinnbildern der Osterhase, der wie das Ei als Symbol der Fruchtbarkeit im Osterbrauchtum ein besonderes Glückszeichen darstellt. Selbst gebastelt, in geschmackvoller Form käuflich erworben oder wie Lämmchen und Küken als Festgebäck auf den Tisch gebracht, dient auch das Häschen der Ausschmückung des Ostertisches in sinnvoller Form. Osterhase und Osterei gehören in das Zauberreich der Mythe. Die volkstümlichen Ostersitten, die sich um die bunten Eier ranken, lassen wie beim Brauchtum um den Osterhasen deutlich das Bemühen erkennen, das Erwachen des schlummernden Lebens in der Natur, den Werdegang der Erde und ihrer Geschöpfe, sinnbildlich darzustellen. Nach altem Analogiezauber sollen Osterhasen und Ostereier als Fruchtbarkeitsträger neue Lebenskraft vermitteln, die sich durch die Berührung oder den Genuss überträgt. Die Sitte, Ostereier zu essen, lässt sich schon im zeitigen Mittelalter nachweisen. Während in früheren Jahrhunderten nur die Männer im Ritus der Landbestellung vor Beginn der Frühjahrsarbeit Eier verspeisten und die zerdrückten Schalen aufs Feld streuten, fanden im Laufe der Zeit Ostereier als Festspeise ganz allgemeine Verbreitung.

 

Gründonnerstag im Volksglauben

Wie drei am Palmsonntag von der Palmweide verspeiste Kätzchen vor Fieber und Zahnschmerz bewahren, so soll den am Gründonnerstag gelegten und genossenen Eiern eine besondere Heilkraft innewohnen, die vor Krankheit, hauptsächlich vor Leibweh schützt. An diesem Tage in die Erde eingegrabene Eier bewahren Haus und Hof vor Blitzschlag, während die zur Brut benutzten Eier nur Hähne ergeben. Diese gesteigerte Schutz- und Heilkraft der Eier hängt mit der Zauberkraft des Gründonnerstages zusammen, an dem als volkstümliche Mittel gegen allerlei Krankheiten neun verschiedene Kräuter gesammelt und gegessen wurden. Mit Recht führte deshalb dieser Tag unter dem Einfluss der Kirche den lateinischen Namen „dies viridium" (Tag der grünen Kräuter), der um 1200 mit „grünen Donnerstag" verdeutscht wurde. Nicht nur als kraftspendendes und gesundheitsförderndes Heilmittel steht das Ei mit dem Gründonnerstag in Verbindung; als „Antlass-" oder „Ablassei" stellt es gleichzeitig eine Opfergabe dar, wie sie in uralter Zeit von vielen Völkern den Göttern im Frühling dargebracht wurde. Die wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommenen Büßer pflegten am Gründonnerstag Eier als Zeichen ihres guten Willens und ihres Dankes der Kirche zu opfern. Unter Bezug, nähme auf die an diesem Tage erfolgte Wiederaufnahme der Ausgestoßenen in die kirchliche Gemeinschaft erblickt die volkskundliche Wissenschaft in dem Gründonnerstag auch den „Tag der Grunenden", wie die Büßer die Greinenden oder Weinenden, genannt wurden. Ähnliche Bedeutung wie die Antlasseier als Opfergabe hatten auch die „Zinseier", die am Palmsonntag oder zu Ostern von den Bauern an die Gutsherrschaft oder die Klöster abzuführen waren. Das Recht auf ein Eiergeschenk zu Ostern stand auch dem Gesinde zu, besonders den Mägden, denen in alter Überlieferung dieser Gepflogenheit auch heutigentags noch in Westdeutschland die Eiererträge vom Ostersonntag bis zum dritten Feiertage überlassen werden.

 

Schmackostern

Aus diesen alten Ostervorrechten bildete sich im Verlaufe von Jahrhunderten die allverbreitete anmutige Sitte des Ostereierschenkens heraus, die in unserer ostdeutschen Heimat als „Schmackostern" bekennt ist. Dieser sinnvolle Osterbrauch zeigt in keiner anderen deutschen Gegend eine so allgemeine Ausdehnung und feste Bodenständigkeit wie in Ostpreußen, wo er bereits zur Zeit der Ordensritter nachweislich üblich war. Nach alter Landessitte erschienen an den Ostertagen die geputzten Mägde vor dem Hochmeister, „um ihn zu bewegen, das Schmack-Ostern von ihnen mit 4 Skot abzukaufen", was besonders Konrad von Jungingen Freude machte. In frischer Ursprünglichkeit wie in alter Zeit wurde in Ostpreußen bis in unsere Tage mit dem Schmackostern während der Feiertage viel Scherz und Kurzweil getrieben. Am Ostersonnabend band die Jugend grüne Rutenzweige wie Tannen-, Buchsbaum-, Stecheichen- oder gar Kaddigreiser oder frische Weiden- und Birkenästlein, die lange zuvor künstlich zum Treiben gebracht worden waren, zum Osterstrauß zusammen. In der Frühe des Ostermontags zogen dann die jungen Burschen mit ihren Ruten in aller Heimlichkeit durch den Ort, um die Langschläfer mit Schlägen aus dem Bett zu holen oder die Liebste zu überraschen und zu „schmackostern" (lit. smagoti, mittelniederdeutsch smacken-schlagen, peitschen). Diesen spaßigen, fröhlichen Brauch, der auch als Osterstiepe, Stiepen, Stüpen, Pfeffern oder Fitzeln bekannt ist und dem Gestiepten die unverwüstliche Lebenskraft der frischen Reiser übermitteln sollte, üben vielfach auch arme Kinder aus, um sich unter Aufsagen scherzhafter Verschen wie die nachstehenden Ostsrgaben zu erbitten:

 

Oster, Sohmackoster, Grünoster!

Bunt Eichen dazu!

Oster, Schmackoster,

bunt Eier, Stück Speck,

dann geh ich, dann geh ich,

dann geh ich gleich weg!

Schmackoster, bunt Oster,

drei Eier, Stück Speck,

Stück Floade, Glas Branntwin,

dann geh ek glik weg!

Else Schattkowsky

 

 

Seite 10   Kulturelle Nachrichten

Prof. Dr. Max Hildebert Boehm — 65 Jahre

Am 16. März 1956 vollendete Prof. Dr. Max Hildebert Boehm sein 65. Lebensjahr. Prof. Dr. Boehm ist seit mehreren Jahrzehnten wissenschaftlich führend auf dem Gebiete der Volkstums- und Nationalitätenfragen tätig. Bereits 1926 gründete er in Berlin das Institut für Grenz- und Auslandsstudien, ferner übernahm er den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Nationalitätenrecht. Seit 1928 lehrte er an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin, dann war er Inhaber des Lehrstuhls für Volkstheorie und Volkstumssoziologie an der Universität Jena. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen ragt das Buch über „Das eigenständige Volk" hervor. Nach 1945 schuf Prof. Dr. Boehm die „Ostdeutsche Akademie" in Lüneburg, deren Präsident er ist.

 

 

Prof. Dr. Dr. Mitscherlich verstorben.

In Berlin verstarb Prof. Dr. Dr. Eilhard Alfred Mitscherlich in seinem 82. Lebensjahr. Prof. Dr. Dr. Mitscherlich, ein gebürtiger Berliner, hatte jahrzehntelang bis 1945 an der Königsberger Universität, deren Ehrenbürger und zweifacher Rektor er war, die Fächer Bodenkunde und Pflanzenbau als Ordinarius vertreten. Aufgrund seiner umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit, der u. a. die über ganz Ostpreußen verteilten Versuchsstationen der Mitscherlich-Gesellschaft dienten, erwarb sich Prof. Dr. Mitscherlich als Gelehrter Weltruf.

 

Prof. Hermann Wirth 79 Jahre alt

Professor Hermann Wirth, ab 1902 langjähriger Lehrer an der Königlichen Kunstakademie in Königsberg, begeht am 31. März 1956 in Neuwied a. Rh. seinen 79. Geburtstag.

 

 

Saarbrücken spielt Lauckners „Hiob"

Das 1947 geschriebene Schauspiel ,,Hiob" des Königsbergers Rolf Lauckner (gestorben 1955) erlebte jetzt im Stadttheater Saarbrücken, das wiederholt mutige Versuche mit ostdeutscher Dramatik unternommen hat. seine Uraufführung. Lauckner hat den biblischen Stoff nicht, wie beispielsweise Horst Mönnig in seinem Hörspiel aktualisiert und zum Vertriebenenschicksal in Beziehung gesetzt. „Solche Dramen auszuhalten, sind wir heute nicht mehr im Stande", schrieb der „Rhetnische Merkur" zu der Saarbrückner Aufführung. Vielleicht muss man oder muss man erst vertrieben sein, um ein Hiop-Schicksal nachempfinden zu können? Die Werke Rolf Lauckners sind kurz nach seinem Tode im Verlag Stichnote, Darmstadt, erschienen.

 

 

Internationaler Philosophie-Kongress

Der ord. Prof. Dr. Ebbinghaus, Marburg, wird auf Einladung des Auswärtigen Amtes an einem internationalen Philosophie-Kongress in Port-au-Price teilnehmen. Die Konferenz findet nachträglich aus Anlass der 150. Wiederkehr des Todestages von Immanuel Kant statt. Anschließend wird Prof. Ebbinghaus einige Vorträge in Habana und Mexiko halten.

 

Aufruf an die vertriebenen Musiker.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Vertriebene läuft im Rahmen der „Forschungsgruppe Eingliederung" eine Aktion zur Erfassung der Vertriebenen-Orchester, -Chöre, -Kammermusikvereinigungen und reproduzierenden Musiker. Es soll festgestellt werden, wieviel solche Körperschaften und Einzelpersönlichkeiten existieren, wo sie wirken und in welchem Maße sie eingegliedert sind Erwünscht sind bei Orchestern, Chören und Kammermusikvereinigungen, Angaben über Namen Zusammensetzung (auch zahlenmäßig), Standort, Wirkungs- und Aufgabenkreis, Gründungsdatum sowie, ob sich diese Körperschaften selbst erhalten oder subventioniert werden und von welcher Stelle aus. Bei reproduzierenden Künstlern, also Sängern. Sängerinnen, Instrumentalisten jeder Art interessiert Name, Geburtsdatum, Herkunft, Ausbildung, Fachgebiet, ehemaliger und jetziger Wirkungskreis sowie, ob die betreffenden Künstler voll beschäftigt sind, ob sie eventuell als Gesangs- oder Musiklehrer tätig sind oder sich ihren Lebensunterhalt durch einen außermusikalischen Nebenberuf verdienen müssen. Alle in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Körperschaften und Einzelpersönlichkeiten werden gebeten, kurze Angaben an folgende Anschrift zu richten: Dr. Heinrich Simbriger, München 58, Zehntfeldstraße 206/I.

 

 

Ostdeutscher Kulturrat in Berlin.

Der Ostdeutsche Kulturrat wird am 6. April 1956 zum ersten Male mit einer Veranstaltung nach Berlin kommen. Der Präsident des Kulturrates, Dr. Graf Henckel von Donnersmarck, spricht zu dem Thema „Die Freiheit des Menschen" im Auditorium Maximum der Freien Universität. In einem Interview erklärte Graf Henckel in Berlin: „Wir hoffen dazu beizutragen, dass weite Kreise von einem unberechtigten Pessimismus befreit und zur aktiven Mitarbeit für die Belange des deutschen Ostens und der aus ihm Vertriebenen aufgerufen werden".

 

 

Würdigung der Dichtung der Vertriebenen in USA.

Die von der „Carl Schurz Memorial Foundation herausgegebene „The American-German Review" würdigt in einem eingehenden Aufsatz „Voivkrd Far fromHome" (Stimmen fern der Heimat) das dichterische Schaffen der Vertriebenen seit 1945. Es werden nicht nur Beispiele der Heimatdichtung der Vertriebenen in Poesie und Prosa wiedergegeben, sondern es wird dabei auch insbesondere der Verdienste der Presse der Heimatvertriebenen um die Pflege des heimatlichen Geistesgutes gedacht. Durch Reproduktionen ostdeutscher Heimatbilder ist der gediegene Aufsatz reich illustriert.

 

 

Herausgabe einer Geschichte von Danzig.

Der Sender Warschau II meldet, dass z. Zt. zum ersten Male nach dem Kriege eine Geschichte Danzigs für den Druck vorbereitet werde. Dieses Werk soll Informationen über die Architektur und Kunst des frühen Mittelalters, wie über Ausgrabungen, die Malerei, und das Danziger Handwerk bringen.  In diesem Werk werde gleichzeitig der Wiederaufbau Danzigs, die neuere Geschichte und die künstlerischen Neuerscheinungen des kaschubischen Landes beschrieben werden. — Vermutlich wird in diesem bleiben vom Deutschtum Danzigs nichts mehr übrig bleiben.

 

 

Lyrik-Preis der „Neuen Deutschen Hefte"

Zur Beteiligung an einem Lyrik-Preisausschreiben, für das drei Preise von 1000,-- DM, 600,-- und 300,-- DM ausgesetzt  wurden, haben die im Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh, erscheinenden „Neuen Deutschen Hefte“ alle Autoren deutscher Zunge aufgefordert. Jeder Bewerber muss drei bis fünf unveröffentlichte Gedichte einreichen. Über die Preisverteilung entscheidet eine Jury, der Gottfried Benn, Joachim Günther und Rudolf Hartung angehören. Einsendeschluss ist der 1. Juni 1956. Das Ergebnis wird spätestens am 15. September 1956 verkündet. Die preisgekrönten Gedichte werden in den „Neuen Deutschen Heften“ veröffentlicht. Ein Merkblatt mit den Bedingungen des Preisausschreibens kann beim Verlag C. Bertelsmann in Gütersloh angefordert werden.

 

 

Seite 11   Foto: Jürgen Weber (Stuttgart) geb. 14.01.1928 in Münster, Herkunft Ostpreußen

Kruzifixus / Bronze auf Holz

Aus Kunstkalender „Die Künstlergilde 1956"

 

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Mutter und das Marjellchen. Von Tamara Ehlert.

Der Junge hielt nicht viel von Märchen. Das, was über ihn gekommen war, hatte ihn von so friedlichen und phantastischen Dingen weit entfernt.

 

Wenn der Vater von der Arbeit kam, schlang er das Essen hinunter und ging ans Wasser. Man sollte meinen, dass er das Wasser meiden müsste wie die Pest, seitdem die Mutter und das Marjellchen ertrunken waren, als sie damals mit dem großen Schiff über die Ostsee kamen.

 

Aber der Vater verbrachte all seine Freizeit am Wasser. Es war nur ein kleiner Fluss, aber er saß dort stundenlang, und der Junge und die Großmutter wussten, dass er dann an die Mutter dachte. Manchmal sagte er auch: „Ich hätte es nie zulassen dürfen, dass sie aufs Schiff ging. Ich habe ihr noch zugeredet“. Und manchmal sagte er: „Das ganze Leben ist nichts mehr wert“. Dann sagte die Großmutter: „Du versündigst dich. Es war Gottes Wille. Und außerdem sind wir auch noch da“. Aber der Junge wusste, dass es für den Vater nicht zu zählen schien, dass er und die Großmutter übriggeblieben waren, und dann konnte er es sich auch so schlecht vorstellen, dass es Gottes Wille gewesen war, dass die Mutter und das Marjellchen ertrinken mussten.

 

Die Landschaft war fremd, die Menschen waren fremd, alles, was den Jungen umgab, war fremd. Die Großmutter sprach nicht viel, meistens saß sie vor der Tür und sah über die Wiesen hin. „Aber es ist nicht die Niederung, Jungchen“, sagte sie immer, und dann sah sie wie eine verflogene alte Eule aus in ihrem großen schwarzen Umschlagtuch. Abends, wenn der Vater wieder unten am Wasser war, setzte sie sich an den Herd und redete vor sich hin. Manchmal sprach sie mit ihrer ertrunkenen Tochter und dem Marjellchen. Dann zog der Junge die Decke über die Ohren. Oft schrie er auch: „Hör doch auf!“ Aber die Alte hörte ihn gar nicht.

 

Der Junge hatte sich seine eigene kleine Welt zurechtgemacht. Wenn er sich in seinem Bett eine behagliche Kuhle gewühlt hatte, dachte er an zu Hause. Er hatte wieder den Geruch der Wiesen in der Nase und den Duft des kleinen Gartens vor dem Hause. Der Garten war im Sommer von Blumen so bunt wie das Kopftuch der Mutter. Er ging mit dem Vater und der Mutter zur Stadt, wo Jahrmarkt war und er Karussell fahren durfte, bis ihm schlecht wurde. Am schönsten war der Heimweg. Er ging zwischen dem Vater und der Mutter, und seine Hosentaschen waren prall von Waffeln und klebrigen Bonbons. Die Kopfweiden standen wie schwarze Männer im Nebel, und das Vieh drängte sich an die Zäune und atmete warm und laut. Die Mutter konnte dann eines Tages nicht mehr so rasch laufen, und der Junge musste ihr immer die Schuhe zubinden. Und dann war das Marjellchen da. Es war ganz winzig und fest und rund, und sein Haar war so gelb wie die Sumpfdotterblumen auf den Wiesen, noch gelber als das Haar der Mutter. Der Vater ging dann fort, weil Krieg war, und die Mutter sagte: „Du bist jetzt der Mann im Hause“. Er war sehr stolz darauf. Er passte auf das Marjellchen und die Hühner auf. Wenn der Vater für ein paar Tage nach Hause kam, gab es Streuselkuchen und Bratklops, so viel man wollte, und die Mutter war immer vergnügt. Aber als der Vater das letzte Mal kam, wurde nicht mehr gebacken und gebraten. Die Großmutter jammerte, und die Mutter sagte: „Nein, ich gehe hier nicht weg“. Aber der Vater bestand darauf, dass sie fort müssten, und dann fuhr er weg.

 

Wenige Tage später fuhren sie dann auch. Sie drehten sich noch einmal um und sahen zu ihrem kleinen Haus zurück. Die Weiden waren kahl, und auf dem Dach lag noch Schnee. Die Großmutter jammerte wieder, aber die Mutter sagte: „Mach es nicht noch schwerer“, und sie drehte sich nicht mehr um. Das Marjellchen wimmerte leise, weil es fror.

 

Als sie aufs Schiff gingen, hatte der Junge das kleine Haus und die kahlen Weiden im Februarwind beinahe vergessen, weil es so viel zu sehen gab. Die Augen der Mutter waren groß und ganz schwarz vor Angst. „Da gehe ich nicht rauf“, sagte sie. Und die Großmutter sagte: „Ach je, ach je, soviel Wasser“.

 

Sie gingen aber doch aufs Schiff. Und dann kam das Schreckliche. Wenn die Gedanken des Jungen an diesem Punkt angelangt waren, rollte er sich ganz fest zusammen, biss in seine Hände und stöhnte. Er hörte den entsetzlichen Krach wieder und die Schreie, und er sah das Gesicht der Mutter, ihren offenen Mund, ihre irren Augen, und wie sie das Marjellchen an sich drückte. Immer würde er vor sich sehen, wie die Mutter das Marjellchen an sich drückte. Als alles vorüber war und man die wenigen Überlebenden an Land brachte, waren die Mutter und das Marjellchen nicht darunter.

 

Und der Junge versuchte sich immer vorzustellen, wie die Mutter auf dem Meeresgrunde lag, das Marjellchen an sich gedrückt, das gelbe Haar offen und voller Schlamm und Muscheln, vielleicht auch Seesterne. Das strömende Wasser bewegte die beiden sanft hin und her, und dann kamen die Fische und stießen sie mit ihren kalten Mäulern an. Bei diesem Gedanken stöhnte der Junge wieder, und die Alte kam an sein Bett und sagte: „Na, na, Jungchen, träumst all wieder schlecht? Na, na, Jungchen ..." Er antwortete nicht, er hätte gern den Vater da gehabt, aber der Vater war nicht da.

 

Einmal las ihnen der Lehrer in der Schule ein Märchen vor, es war ein Märchen von der See und es hieß darin: „Die Nixen hatten Seerosen und Perlen in ihrem langen glänzenden Haar, und sie waren so schön, wie nie ein menschliches Wesen sein kann“. Da stand der Junge auf und sagte böse: „Auf dem Meeresgrund gibt es bloß Fische und Tote, und so schön wie die Mutter und das Marjellchen kann keine Nixe sein“. Einen Augenblick lang war alles still, dann lachten die Kinder los. Der Junge stand ganz steif und erschrocken da, und dann stürzte er fort. Er hörte nicht mehr, dass der Lehrer ihm etwas nachrief, er rannte und rannte, bis er bei der Großmutter war. Er drückte sich an ihr Tuch und weinte ganz bitterlich, wie er noch nicht geweint hatte. Was wussten die anderen davon, von der Mutter und von Marjellchen? Sie hatten gelacht, und das Lachen kam hinter ihm her, roh und hässlich, und erst als die Großmutter immer sagte: „Na, na, Jungchen, aber wer wird denn . . .", da wurde es etwas besser. Der Vater kam gerade nach Hause. „Was soll das", sagte er, „ und warum ist der Junge nicht in der Schule?"

 

Die Alte sah dem Vater mit ihren eingesunkenen Augen ins Gesicht. „Das ist darum, weil du dich nie um den Jung kümmerst", sagte sie. „Weil du bloß immer am Wasser huckst. Man gut, dass ich noch übriggeblieben bin, dann ist doch wenigstens einer da ..."

 

Der Vater ging aus der Stube, ohne ein Wort zu sagen. Aber er ging nicht an den Fluss, sondern begann auf dem Hof Holz zu hacken. Die alte Frau aber hielt den Jungen fest umfasst, wiegte seinen Oberkörper sanft hin und her und sagte immerzu: „Na, na, Jungchen, na, na . . ."

 

 

Seite 11   Wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt

Jedes Lebendige freut sich seines Lebens; es fragt und grübelt nicht, wozu es da sei. Sem Dasein ist ihm Zweck und sein Zweck das Dasein. J. G. Herder.

 

Ob mit dem Lorbeer oder dem Diadem geschmückt, immer werde ich meine Ruhe nur in meinem eigenen Herzen suchen. Friedrich II.

 

Nur zu dem, der nicht fragt, kommen alle Geheimnisse. Ernst Wiechert.

 

Wie an den Früchten den Baum, so erkennt man eine Lehre an ihren Wirkungen. J. G. Herder.

 

Eine in ihrem Ursprung reine und gute Sache muss am Ende triumphieren. J. G. Herder.

 

Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt. Ernst Wiechert.

 

Nicht auf Kenntnisse allein, sondern auf Charakter und Triebe, auf die menschliche Brust ist die Wirksamkeit und der Wert, das Glück oder Unglück unseres Lebens gebaut. J. G. Herder.

 

Was dem Herz widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein. Schopenhauer.

 

Nicht anders wirkt Gott auf der Erde als durch erwählte größere Menschen. J. G. Herder.

 

Dem Kinde lehren, dass alle Menschen gleich sind, und die Geburt, wenn sie nicht durch Verdienst unterstützt wird, nur eine Chimäre ist. Friedrich II.

 

Ich mache mir nichts aus einem Mann von Geist, wenn er dabei nicht auch ein redlicher Mann ist. Friedrich II.

 

Maßgebend in meinem Leben und Tun war für mich nie der Beifall der Welt, sondern die eigene Überzeugung, die Pflicht und das Gewissen. Hindenburg.

 

Es kann sein, dass nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält, denn er kann irren, aber in allem, was er sagt, muss er wahrhaft sein, er soll nicht täuschen. Kant

 

Eigene gute Menschenart kann eine fremde Menschenart allein verstehen und trösten und J. G. Herder

 

Bis auch für sie die Stunde schlägt, für sie der Tag kommt, der alle ihre Knospen sprengt, der Tag der tausend Wunder. Hermann Löns

 

 

Seite 11   Veilchen. Emil Merker

Ein Wochenendbesuch bei dem Freunde. Wir hatten einander ausführlich berichtet von all den kleinen Geschehnissen und Begebenheiten in Beruf und Familie, die mitzuteilen sind, wenn man sich länger nicht gesehen. Seine Jüngste, das drollige vierjährige Margretlein, war ein paar böse Winterwochen lang ernstlich krank gewesen, Scharlach mit ein wenig bedenklichem Nachspiel. Nun aber war sie wohlauf und drängte, den Vater immer wieder an der Hand fassend, hinaus. Wir billigten, da die Aprilsonne schon fast sommerlich lockte, gern ein und lagerten nach kurzem Wegstück im trockenen vorjährigen Laub; rauchten und plauderten, machten Pläne. Klein Margaretlein trieb sich in unserer Nähe herum, bunte Steinchen, Schneckenhäuser, Eichelnäpfchen suchend. Nun kam sie mit ein paar kurzstieligen Veilchen zurück und hielt sie dem Vater an die Nase. Er nickte: „Riechen gut, weiß schon!" und sie tappte wieder weg. „Jetzt kann ich sie schon wieder sehen und riechen", sagte er versonnen. „Ein paar Jahre lang konnte ich es nicht."

 

Ich spürte, eine Erinnerung ging ihm durch den Sinn, und bat: „Erzähl!"

 

Und er berichtete in der unbewegten, spröden Art, die ihm eigen war, wenn es ein persönliches Erlebnis betraf. „Es war in meiner KZ-Zeit. Man fragt manchmal, wie wir damit fertig werden konnten, seelisch! Die Frage geht von einer falschen Voraussetzung aus: von der Leidensfähigkeit und Aktivität nämlich, über die wir sonst verfügen. Die aber verliert sich bald. Es bilden sich innere Schwielen, eine seelische Hornhaut sozusagen, die nicht so leicht aufgerissen werden kann, wenn man ein wenig acht gibt. Zunehmende Stumpfheit und Dumpfheit sind oft ein Zeichen von Verfall und Absterben, mag sein. Oft aber auch instinktive Schutzwehr.

 

Wir hatten es gar nicht so schlecht. Andere jedenfalls hatten es schlechter. Wir wurden nicht oft geschlagen. Bloß Hunger hatten wir. Ständig solchen Hunger, dass wir davon wie ausgehöhlt waren. Nichts anderes denken konnten wir als: essen. Was ja auch wieder gut war, denn so brauchten wir nichts anderes zu denken. Wie eben überhaupt schwer zu sagen ist, was gut und was schlecht ist.

 

Ja, also Hunger hatten wir. Für ein Stück Brot hätten wir dem Teufel unsere Seele verkauft, wenn er uns damit versucht hätte. Nun, er tat es nicht.

 

Wir arbeiteten in einem Steinbruch, in dem es keinen grünen Halm gab, nur das bösartig flimmernde Gestein, von dessen ständigem Anblick unsere entzündeten Augen schmerzten. Ja, es gab keinen Halm. Dennoch, eines Tages war das Wunder da. Es hatte geregnet in der Nacht, am Morgen troff noch alles. Schon das war ein Labsal. Das Atmen fiel leichter. Und da — in manchem Atemzug war etwas, etwas aus Kindertagen, auf das ich mich vergeblich zu besinnen suchte. Als mein Blick einmal zufällig auf die Seite glitt, hatte ich es und erschrak grundlos, und mein Herz ging schwer. Ich vermeinte eine Halluzination gehabt zu haben und wollte nicht mehr hinsehen. Aber es gab mir keine Ruhe, ich schielte wieder zur Seite, ob der Spuk vorbei war. Doch das Ding war noch da: ein Trüppchen winziger dunkelblauer Veilchen in einer Handvoll dürftigen Laubes.

 

Keiner außer mir hatte sie bemerkt. Oder wenn bemerkt, so nicht beachtet. In einer mir selbst unverständlichen Erregung zitterte ich davor, dass ein Fuß sie zertreten oder Geröll sie verschütten könnte.

 

Die nächsten Stunden arbeitete ich wie im Traum, überlegend, was ich mit ihnen tun wollte. In eine Flaschenscherbe  stecken und hinter meine Pritsche stellen. Zwischen ihr und der Wand war ein Winkel, wo selten ein Blick hinfiel. Oder in mein Bündel tun, zwischen die Postkarten von daheim?

 

Ich musste einmal austreten, und als ich zurückkam, brauchte ich nicht weiter grübeln, was mit den Armseligen machen. Sie waren nicht mehr da. Auch das Laub nicht. Einem Kameraden aber hing ein Veilchenstiel aus dem Maul. Er hatte sie aufgefressen. Vor Hunger.

 

Als ich am Abend jenes Tages auf meiner Pritsche lag, wollte es mich zum ersten Mal überwältigen. Es schüttelte mich. Ich erkannte, dass wir Gestorbene waren.

 

Am Morgen aber war es vorbei und ich wusste, dass nicht Gott das Krautzeug dorthin gezaubert hatte, sondern der Satan: um mich schwach zu machen.

 

Ich ließ mir weiterhin durch nichts Derartiges mehr das Herz bewegen. Schaute nicht erst hin. So überstand ich alles“.

 

„Aber nun bringt dir ein Kind die ersten Veilchen …“,lächelte ich ihm zu.

 

 

Seite 11   Tag der tausend Wunder

Der Frühling hat einen leichten Sinn, und kurz ist sein Gedächtnis. Eben noch bot das rote Laub am Boden seinem ersten Grün einen herrlichen Hintergrund, heute schon schiebt er es beiseite, schämt er sich des Erbgutes des Winters und bedeckt es hastig mit tausenderlei Grün und hunderterlei Farbe, damit niemand merke, dass er alle seine Schönheit und Frische und Jugend dem toten Laube und den welken Blättern zu danken habe, und alle Freude verlässt sein Antlitz, erinnert ihn der Ostwind mit rauhem Worte an seine Herkunft, mit roher Hand aus Grün und Blüten die vergilbten, vergessenen Erinnerungen zerrend. Dann schauert der Frühling zusammen und sieht zitternd in die fahle, trockene Zukunft.

 

Einen Augenblick später vergisst er die Angst vor ihr und schafft emsig weiter, Wunder neben Wunder stellend, mit liebreichen, weichen Händen. Die harte, zackige Ranke der Brombeere schmückt er mit weichen, runden Flöckchen, er lockt aus dem steifen Holunderbusch mildes Blattwerk, webt um düstere Moospolster einen lichten Schein, macht dem schüchternen Waldklee Mut, dass er sich im kalten Schatten der Fichten hervorwagt, rollt mit spielenden Fingern die ängstlichen Farnenwedel auf, verhüllt die sparrigen Lärchenbäume mit zartgrünen Schleiern, erweckt des Pfaffenhütchens Selbstbewusstsein, der Weide Ehrgeiz, der Erle Willenskraft und wagt sich schließlich sogar an die Eiche heran, die abweisend und unnahbar alle seine Liebe immer wieder von sich stößt.

 

 

Seite 12   Alte Leute

E Stoppelacker bei Stallupönen,

De Erde dampft, und de Nebel zeihn.

Personen: Zwei Pferde, e Bauer beim Pflügen.

Und es schnoddriger Kurgast direkt aus Berlin.

„Na alter Herr", ... er will ihm was fragen,

Da fährt ihm der Bauer empeert ieberm Mund:

„Ich bin doch man ebend erst siebzig geworden“,

"Der Deiwel is alt, ich bin jung und gesund!“

"Bloß de Arbeit fluscht heite nich so wie gewehnlich",

E Hinterfuß vonne Kobbel is lahm",

"Und ich hab mir ieberm Vater geärgert",

"Weil ich von ihm eins fiere Freß bekam". —

"Ja is der Herr Vater denn auch noch am Leben?" —

Wieso nich? Der wird vierundneinzig nu bald"

"Und hat mir beschimpft mit Lausebengel"

"und denn foorts eins vorem Latz geknallt." –

"Wat hatten Sie denn miteinander zu streiten?"

"Wurden Schweine verkooft und det Jeld " verteilt?" —

„I wo, rein nuscht, ich hädd aus Versehen"

"Bloß dem Opache seine Schnapsflasche zerkeilt." —

„Det war wohl 'n wertvollet Angedenken?"

„Nei, gar nich! E Flasch wie e andere auch",

„E ganz gewehnliche Buddel war es"

„Mit Fusel drin fierem Opa sein Bauch".

„Dem schmeißt sich alles so leicht aufem Magem",

„Besonders Wellfleisch und Kumst, das stimmt",

„Es tut sich aber auch schnell begeben",

„Wenn er immer denn gleich e Schlubberche nimmt." —

„Moment mal! Sie wollen doch nicht behaupten",

„Det der Opa auch noch am Leben ist?" —

„Na“ Natierlich! Der is doch erst hundertundzwanzig"

„Und fittert noch Hiehners und lädt noch Mist.“ –

„Jetzt wollen Sie mir uffet Ärmchen nehmen!“ —

„Mein lieber Schwan, der Witz der ist flut!“ —

„Det können Se mir aber nich verkoofen",

„Det der Opa noch lebt und noch schanzen tut!"—

„Na denn nich! Se können mir aber glauben",

„Ich hab Ihnen nich fier dußlig verkauft."

„Se brauchen ja bloß unserm Pfarrer zu fragen",

„Der hat ihm nämlich perseenlich getauft!"

Dr. Lau.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (33)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Wenn der erste April und Ostern auf einem Tag fallen, denn hat das bestimmt was zu bedeiten, hoffentlich was Gutes. Hädden Se auch viele Eierchens geforben fier drittehalb Dittchens das Stick, weil die krätzsche Hiehners noch immer zu kalt is zum Legen? Hädden Se auch e paar griene Strempels inne Vas gestellt und Osterwasser geholt gegne Scheenheit? Hädden Se auch e bißche schmackostert gekriegt aufe blanke Beine? Hädd Ihnen auch einer im April geschickt? Das verstand der alte Nausedat besonders gut. Der war Junggesell und Spaßvogel in eins. Einmal fragd ihm e Jumpfer inne beste Jahre, warum er eigentlich nich geheirat hat und ob er nich doch noch heiraten möchd. Da bat er ihr um ihr Poesie-Album, weil er was Scheenes reinschreiben wolld. Und wie se dem Album zurickkriegd, da stand drin:

 

„Mötte Wiewer ös garnuscht antofange,

Ob dicke, ob dönne, ob korte, ob lange,

Se stoahne dem ganze Dag värem Spägel

On putze söck Hoare on Hut on Nägel,

Dat enne doch bloßig noch eener nömmt,

Wenn vleicht, wer kann weete, noch eener kömmt.

Sulle se obber e bößke koake,

Denn michd se am löwste, dat wi dat moake.

Nä, nä, doa sönd se nich to gebruke,

Man ömmer bloß Arwte on Komst on Wruke.

Obber wöllst moal e röchtgem Broatklope äte,

Denn häbbe's entweder de Zippel vergäte

Oder versolte. Se sönd keine Engel.

Am beste, du nömmst e Pompenschwengel

On jackst dä Krätsche dat Ledder voll,

Dat se nich mehr weet, wie se hucke soll.

 

Dieses winscht Ihnen in herzlicher Freindschaft Friedrich Nausedat“.

 

Nu wußd se ganz genau, wodran dass se war, und denn hädd er ihr auf die Art auch noch das scheene Poesie-Album ganz geheerig verschampiert. Wie ich das sagd, da meind er: „Besser dem Poesie-Album verrujeniert wie ihr selbst!" Sein bester Freind war e greeßerer Besitzer namens Hortian, wo auch allerhand Spaß verstand. Aber einmal is er mit dem alten Nausedat doch reingefallen. Er hädd ihm zum Geburtstag eingeladen und bei die Gelegenheit mit seine neie Wirtschafterin bekannt gemacht, weil indem dass er keine Frau nich mehr hädd, aber aufem Hof doch e Weibsbild gebraucht wurd. Das war e stramme Mergell, und der Nausedat machd sich ieber ihr so seine Gedanken. An die fuffzehn Gäste waren erschienen, und es ging hoch her, wie das bei die greeßere Besitzer in Ostpreißen so ieblich war: Dreierlei Braten und sechserlei Kuchen, dazu Bier und Schnaps und Wein. Und die neie Wirtschafterin war immer mitten mang, und der Hortian kickd ihr dauernd so vonne Seit an wie e gestochenes Kalb, dass ein nich genau wußd, liebt er ihr nu oder hat er Angst, dass er von ihr Pems kriegt. Der alte Nausedat wolld das nu aber rauskriegen. Wie er das fertig kriegd, werden Se gleich sehen. Der nächste Morgen kam, und de Gäste hädden sich langsam verkriemelt. Und wie de Wirtschafterin das Silber einsammeld, da fehld der große Aufschöpflöffel. „Dem hat bestimmt der Nausedat aus Schabernack mitgenommen", meind der Hortian. Wie aber drei Tage um waren und der Löffel nich zurickgeschickd wurd, da huckd der Hortian sich am Schreibtisch und de Sehmaschien aufe Nas und schrieb an Nausedat: „Lieber Freind Nausedat! Der schwersilberne Aufschöpflöffel is weg, seitdem Du bei mir auf Geburtstag warst. Ich will ja nich behaupten, dass Du ihm genommen hast, aber ich muss annehmen, dass er Dir aus Versehen inne Fupp gerutscht is. Bring ihm mir doch bei Gelegenheit zurick“. Er schrieb so gedrechselt durche Blum, weil er dem Nausedat nich beleidigen wolld. Promt kam de Antwort: „Mein lieber Freind Hortian! Ich will ja nich behaupten, dass Du mit Deine neie Wirtschafterin was hast, aber ich muss annehmen, dass Du mindestens drei Nächte nich in Deinem Bett geschlafen hast, sonst hädd'st dem Aufschöpflöffel missd finden. Ich hab ihm nämlich unter Deinem Laken gelegt“. Ja, das war so echt nausedatsch, und de Wirtschafterin war so empeert, dass se foorts alles hinschmeißen und gehen wolld. Se fiehld sich komplementiert — de Emma meint, es heiß kompromittiert — und unmeeglich gemacht. Was blieb dem Hortian iebrig, er missd ihr vom Fleck weg heiraten. Vleicht hädd er ihr lieberst solld gehen lassen, aber Se wissen ja, e stramme Wirtschafterin im Arm, denn is der Verstand im Eimer! Als Frau Hortian, Friederike hieß se außerdem, hat se denn ihrem Herrn und Gebieter ganz geheerig anne Kandarr genommen, so dass er aufem eignen Hof nuscht mehr zu bestellen hädd. Und alles bloß wegen einem Aufschöpflöffel! Se blieben trotzdem gute Freinde, der Hortian und der Nausedat, und de Friederike blieb dem alten Spaßmacher ganz besonders gewogen. Zuletzt kam es so weit, dass de Leite behaupten wollden, se hädd das mit dem Löffel vorher mittem Nausedat abgesprochen, weil se keinem andern Weg nich sah, Frau Hortian zu werden. Wenn Se nu noch heeren, dass der arme Hortian ausgerechnet am ersten April Geburtstag hädd, denn wissen Se alles. — Nu is auch wieder ieberall Einsegnung. Da giebt mitte Flinsenpfann aufem Dups, wie wir zu Haus sagden. Ja, und mit unsre Jugend is das nich so ganz einfach. Se kommen sich aller schon mächtig erwachsen vor und geben an wie e Tutche voll Micken. Aber in die Technik wissen se Bescheid. Knapp sind de Gnubbels man acht Jahr alt, denn kennen se all sämtliche Autotypen. Neilich kam e Herr mitten feinen Wagen innes Dorf. Mit eins gab es e Rucks, und der Wagen stand still. Der Herr stieg aus und prokeld ieberall rum, aber er kriegd ihm nich mehr im Gang. Da kam so e Steppke von vleicht zehn Jahre, machd e paar Griffe annem Motor, und gleich fing er wieder an zu burren. „Warum bist Du nicht in der Schule?" fragd der Herr. „Ja, wissen Se", meind der kleine Gnoss, „der Lehrer hat mir nach Haus geschickt. Denn heite kommt der Schulrat, und ich soll dem Lehrer nicht blamieren, weil ich so dammlich bin und nuscht weiß“. Dadrauf sagd der Herr: „Weißt Du auch, wer ich bin?" „Nei“. „Ich bin der Schulrat“. Da griend der Bengel und sagd: Dann versteh ich aber unserm Lehrer nich. Sie sind Ja noch damlicher wie ich!" So was kann einem heitzutage mit die Jugend passieren. Auch sonst passiert so allerhand! Haben Se auch Überschwemmung inne Stub, dass Se e Rettungsring brauchen, wenn Se vonnes Bett naches Schaff schwimmen missen? Ganz so schlimm ist es bei uns nich, aber feicht is e ieberall, dass de Wuschen beschimmeln und das Mehl klunkrig wird. Bald werden unters Bett und hinterm Schrank de Pilze wachsen. Hoffentlich sind es wenigstens Steinpilze. Und mied is einer dem ganzen Tag, als wenn einer Blei inne Knochen hat. Se sagen ja alle, das kommt bloß vonnem Friehling. Aber der Friehling is ja noch gar nich richtig da, wie soll es denn von ihm kommen. De Emma, was meine Frau is, is auch all ganz auße Fassong. Se weimert von morgens bis abends, dass es nich warm werden will. Als ob ich was dafier kann. Und jedem Morgen rennt se aufe Post sehen, ob de Antwort aus Amerika nich endlich da is wegen die Parzelle aufem Mond, wo ich durchaus kaufen soll. Ganz verrickt is se aber auf e neiem Friehjahrsmantel. Dabei hat se doch gerad zu Weihnachten e Wintermantel gekriegt. Vleicht brauch se auch noch e Sommer- und e Herbstmantel, emmend auch noch e Oster-, e Pfingst- und e Weihnachtsmantel! Und denn noch einem fier Rogate, Kantate, Exaudi und Quasimodogeniti! Heeren Se bloß auf! Ich kann mir doch die Mantels nich auße Rippen schneiden. Aber nu kommt ja bald der Mai, und denn singen se wieder alle: „Komm, lieber Mai, und mache“. Und wenn er denn kommt und macht, is auch nich gut. De Menschen sind ebend niemals nich zufrieden, und de Emma auch nich. Dabei is de Zufriedenheit das Scheenste aufe Welt, se kommt gleich nachem anständigen Schnaps oder nach e steifem Grog. Dem muss einer sich gelegentlich beleisten. Denn der Alkohol is unser Feind, und dem Feind soll einer entweder lieben wie sich selbst oder einer soll ihm vernichten. Deshalb nehm ich auch hin und wieder einem vore Brust und denk dabei wieder annem alten Nausedat. Bei dem hing e scheener Wandspruch iebers Bett, Brandmalerei war es, und rundherum e Rahmen von Schischkes. Der hieß: Wer keinem Schnaps sich gönnt und keinem Schniefke, der is e Gniefke. Womit ich Ihnen dasselbe winsch, nämlich dass Se keiner nich sind. Und nu gehen Se man wieder orndlich aufe Jagd nach die Ortsnamen, wo mit L anfangen. Denken Se mal nach, wo die Onkels und Tanten wohnen, wo Se mitte Großbahn fuhren, und was da alles fier Statzjohnen gab. Kitzeln Se man dem Gehirnkasten richtig an, dass ihm alles wieder einfällt, was er all lang vergessen hädd. Damit grieße ich Ihnen aller herzlich. Ihr alter Ernst Trostmann. Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 12   Kreuz und quer durch die Heimat: Tannenwalde, Tenkitten, Tromnau …

Das Ergebnis unserer Suchaktion: Über 300 Ortsnamen mit T. Alle machten begeistert mit / Berge von Briefen aus allen Teilen Deutschlands

Unser Aufruf, ost- und westpreußische Ortsnamen zu sammeln, die mit dem Buchstaben T beginnen, hat ein überaus starkes Echo gefunden. Aus allen Himmelsrichtungen trafen Briefe mit langen Listen ein. Ganze Familien hatten sich zur Gemeinschaftsarbeit vereint, Pensionäre einander geholfen, Hausfrauen und Schüler meldeten sich, alle Landschaften und alle Berufe waren vertreten. Und immer wieder wurde betont, wieviel Freude diese Suche allen bereitet habe, dieses Auffrischen der Erinnerung, diese geistige Fahrt durch die unvergessene Heimat. Besonders erfreulich war die starke Anteilnahme der Jugend, aber auch das Alter war würdig vertreten, u. a. durch eine 82 Jahre alte Königsbergerin Gertrud Rehs, die heute in Kiel wohnt. Auch aus Wien kam ein Brief. Und nun begann ein eifriges Lesen und Sichten zur Ermittlung der Preisträger. Viele Namen mussten gestrichen werden, weil Sie doppelt aufgeführt waren. Für die weitere Suche wollen wir grundsätzlich folgendes beachten:

 

1. Zu berücksichtigen sind! nur Ost- und Westpreußen in den Grenzen von 1939, dazu das Memelgebiet und der Freistaat Danzig (also z. B. nicht der sogenannte Korridor).

 

2. Jeder Name darf nur einmal genannt werden, auch wenn er (in verschiedenen Kreisen) mehrmals vorkam.

 

3. Bei Groß-, Klein-, Mittel- usw. ist nur der Grundname aufzuführen.

 

4. Bei umbenannten Orten dürfen der alte und der neue Name verzeichnet werden, je nach dem gerade aufgerufenen Anfangsbuchstaben.

 

5. Phantasie-Namen gehören nicht auf die Liste. Unter Wahrung dieser Grundsätze mussten viele Listen z.T. erheblich zusammengestrichen werden. Die Sieger sind heute:

 

1. Susanne Gissing, z. Zt. Berlin-Friedenau, Stierstr. 7 bei Jaensch mit 344 Namen.

 

2. Franz Werning, Berlin-Steglitz, Vereinsweg 1 mit 332 Namen.

 

3. Philip Weidmann, Herne, Wiescherstr. 125 mit 285 Namen.

 

Die Buchpreise werden den Gewinnern dieser Tage durch die Post zugesandt. Mit Anerkennung für den bewiesenen Sammeleifer nennen wir außerdem:

 

1. Hans-Wolf Fenna, Lübeck, Dieselstr. 3 (246 Namen).

 

2. Otto Gerhardt, Warleberg über Gettorf (238 Namen).

 

3. A. Schurig, Hannover, Bürgermeister-Fink-Str. 39 (216 Namen).

 

4. Peter-Jürgen Schierk, Bad Godesberg, Bismarckstr. 17/19 (215 Namen).

 

5. Siegfried Weiß, Engers (Rhein), Sayner-Landstr. 71 (196 Namen).

 

6. Elfriede Wiesner, Stade, Kirchhofstr. 8, I (175 Namen).

 

Allen, die sich an der Suche beteiligt haben, unseren herzlichen Dank! Und wer dieses Mal keinen Erfolg hatte, soll weiter mitmachen, es geht ja um die gute Sache, und vielleicht klappt es das nächste Mal besser. Allen Teilnehmern liebe heimatliche Grüße, besonders den 36 Schwestern aus der Königsberger „Barmherzigkeit", die jetzt im Kreiskrankenhaus Helmstedt tätig sind. Es ist nicht möglich, aller zu gedenken, und erst recht nicht, allen zu antworten. Sie können aber gewiss sein, dass wir alles gelesen und uns über alle Anerkennung sehr gefreut haben. Auch Ernst Trostmann dankt allen für das freundliche Gedenken.

 

Die Jagd geht weiter! Nun suchen wir alle ost- und westpreußischen Ortsnamen, die mit dem Buchstabe L beginnen, also Laukogallen, Lenkeitschen, Labiau, Laugallen, Langheim usw. Wer findet die meisten? Lassen Sie sich ein bisschen Zeit, Sie werden sehen, dass Ihnen immer noch neue Namen einfallen. Sprechen Sie wieder mit Verwandten und Bekannten. Fordern Sie sie auf mitzumachen, auch wenn sie noch nicht die „Ostpreußen-Warte" halten. Vielleicht gewinnen Sie bei dieser Gelegenheit einen neuen Bezieher, dann haben Sie ohnehin ein Büchlein verdient. Die Liste, fortlaulaufend nummeriert, senden Sie wieder an Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16. Der letzte Einsendetag (Poststempel) ist der 23. April 1956. Später eingehende Zuschriften, können nicht mehr bewertet werden. Die Ermittlung der drei Preisträger (Buchpreise) erfolgt unter Ausschluss des Rechtsweges. Die Einsendungen gehen in den Besitz der „Ostpreußenwarte“ über.

 

Und nun ans Werk! Wieder machen alle mit! Wer nennt uns die meisten ost- und westpreußischen Ortsnamen, die mit L beginnen? Viel Spaß und Erfolg wünscht Ihnen wieder: Ihre „Ostpreußenwarte"

 

 

 

Seite 13   Wir blättern in neuen Büchern.

Der Ostertisch / Von Siegfried Lenz

Alec Puch, ein schöner, gesunder Vater, hatte seine Brut auf einem Schleppkahn untergebracht, den ihm sein Onkel, ein riesiger Mensch namens Manoah, vererbt hatte. Die Brut: damit sind gemeint die drei zarten Söhne des Alec Puch, welche, wie er sich auszudrücken beliebte, redlich erworben waren. Ob redlich oder nicht — die drei zarten Menschen, Wunder an Anmut und Abrichtung, stammten alle von verschiedenen Müttern, ein Umstand, den man nur dadurch erklären kann, dass Alec Puch einst Gehilfe war bei einem wandernden Scherenschleifer. Und da er, aus verschiedenen Gründen, Kinder liebte, hatte er sie zu sich geholt. Allerdings, bitte sehr, ehrte er das Andenken der Mütter, indem er seine Söhne nach den Ortschaften rief, in denen sie die masurische Welt erblickt hatten. Diese Ortschaften hießen: Sybba, Schissomir und Quaken.

 

Seit geraumer Zeit also, wie gesagt, lebten die drei Knaben mit Alec Puch, ihrem schönen, gesunden Vater, auf dem Schleppkahn. Dieser Kahn sah aus — na, wie wird er ausgesehen haben: wie ein schwarzer Holzschuh voll Flöhe, so sah er aus. Hier wimmelte es, da bewegte sich was, hier roch es, da gab es piepsenden Laut: überall Interessantes, überall Neuigkeit und Abenteuer. Man aß angenehm, man badete gelegentlich, man schlief unter dem milden Glucksen der Flußwellen bis in den späten Vormittag — das Paradies war niemals näher.

 

Eines Tages, gleich wird gesagt wann, erhob sich, während noch Nebel auf der Wiese lagen, ein nie gehörtes Gebrüll auf dem Vorschiff. Der da brüllte: es war Alec Puch höchstpersönlich. Er brüllte, fast wie im Schmerz, die Namen der zarten Knaben, und da sein Gebrüll den Trompeten von Jericho in nichts nachstand, flog die Brut aus den ererbten Hängematten und rannte augenreibend an Deck. Die Söhne stellten sich, in der Reihe der Ortschaften, die ihr Vater durchlaufen hatte, auf dem Achterschiff auf, fröstelten leicht und warteten auf den, der ihnen den Schlaf gestohlen hatte. Und plötzlich erschien er, ein schönes, gesundes Gesicht, rosige Backen, schwarze Haare, ein annehmbares Herrchen sozusagen, wenngleich dieses Herrchen etwas zur Schau trug, das die Söhne tief erschreckte. Alec Puch nämlich trug eine so ungeheure Leidensmiene zur Schau, als hätte man ihm gleich sämtliche Zehen abgeklemmt. Na, er stellte sich hin vor die fröstelnden Knaben, ein Blick voll düsterer Liebe lief die Reihe entlang, und plötzlich, was geschah dann? Alec Puch weinte. Weinte einmal kurz aber ausgiebig, sah dann die Söhne mit versonnener Zärtlichkeit an und sprach folgendermaßen: „Der Tag", sprach er, „meine Söhne, ist nahe. Wehe, wenn ihr noch nichts habt gehört vom Lamm: Ostern. Wer von euch noch nichts gehört hat vom Lamm, ich werd ihn prügeln, bis er weiß das und sogar noch mehr. Aber das Lamm, ihr Lachudders: klein, ganz, ganz, klein, und sauber. Und ausgeschlafen. Und ganz weiß. Ehrenwort. Und sagt nichts, das kleine, weiße, liebliche Lamm. Eine Schneeflocke, verstanden! Das ist das Lamm. Ostern: Wehe, wer nicht kennt das Lamm. Kleines, gewaschenes, fröhliches Lamm. Anders als ihr“.

 

Alec Puch, der rosige Vater, konnte nicht weitersprechen, denn, wie man schon gespürt haben wird, erstickten Tränen die weitere Rede, und er trat, in haltloser Rührung, an die Reling, weinte hingebungsvoll und ließ die zarten Knaben frieren. Doch unvermutet — die Knaben waren nicht darauf gefasst und aßen, was sie in ihren Taschen gefunden hatten — schoss er herum, lachte, ging mit ausgebreiteten Armen auf seine Lachudders zu, küsste sie intensiv und, nachdem er sich etwas Essbares von ihnen geliehen hatte, sprach er so: „Wir haben, Cholera, lange genug ohne gesellschaftlichen Verkehr gelebt. Das ist, was soll ich viel sagen, nicht gut. Und darum werden wir, Söhne, morgen das geben, was man einen Ostertisch zu nennen pflegt. Vielleicht gleich vor dem Schiffchen. So ein Ostertisch: wer ihn mitgemacht hat einmal — vergessen kann er ihn nie. Man braucht Fische dazu und Schinken, und, wie sich's gehört, einige Fläschchen zum Trinken. Nur, wenn ich bitten darf, nicht zu knapp“.

 

„Den Tisch", sagte die Ortschaft Quaken, „den Tisch, bitte sehr, haben wir schon“.

 

„Und wir haben", fügte die Ortschaft Sybba hinzu, „auch die Bänke. Hier liegen, dreht euch nur um, Bretter genug“.

 

„Damit", sprach Alec Puch, „kommen wir zu dem Unwichtigen: worunter ihr zu verstehen habt Fische, Schinken, und, wenn ich bitten darf, nicht zu knapp zu trinken“.

 

„Es wird", sagte die Ortschaft Schissomir, schon im Stimmbruch, „alles beschafft werden zur Freude. Unser Ostertisch wird fröhlich sein und lieblich wie das Lamm. — Habe ich richtig gesprochen?"

 

„Richtig“, sagten die Brüder und nickten.

 

Sodann küsste Alec Puch seine Söhne, und sie begaben sich, getrennt voneinander, in das Dorf hinüber, wo, wie gemeinhin vor Ostern, einer der bewegten und erstaunlichen masurischen Märkte stattfand. Und hier, worauf man vielleicht gespannt sein mag, geschah folgendes zum Nutzen des beschlossenen Ostertisches: Alec Puch, ein, wie gesagt, rosiges, annehmbares Herrchen, spazierte ein wenig auf und ab, trat, leidlich interessiert, an einen Fischstand heran, rümpfte die Nase, beklopfte die Fische — na, spielte so nach Herzenslust den hochmütigen Käufer. Die Fischfrau, eilfertig, ziemlich bedripst obendrein, plierte dazu, sagte auch gelegentlich was, aber das Herrchen ließ sich nicht beschabbern. Und während das Herrchen, äußerst kritisch, die Fische drückte, beklopfte, beroch, in manche sogar hineinhorchte, wer kam da an? Gut, sagen wir mal, es war die Ortschaft Quaken, die da ankam. Tat natürlich so, als ob das Herrchen nie dagewesen wäre, einfach unbekannt war man sich. Und während so die Fischfrau das unentschlossene Herrchen anplierte, griff Quaken, gewissermaßen die Entschlossenheit höchstpersönlich, ohne zu riechen und zu klopfen, in den Kasten, schnappte sich die beiden Jonasse — womit gemeint sind die größten — und verschwand. Rannte natürlich den Markt entlang, schrie in einem fort „Platz da", „Zur Seite", „Aufgepasst" — und da er unter wilden Schreien die schleimigen Schwänze der Jonasse mal hierhin wirbelte, mal dahin, wagte keiner, in seiner Nähe zu bleiben, man stob quasi auseinander.

 

Stob, ja, derweil das annehmbare Herrchen, immer noch bei der Fischfrau, sich bemüßigt fühlte, so zu sprechen: „Mir scheint, Madamchen", sprach er, „als schulde Ihnen der letzte Käufer noch Geld. Ich werde jetzt, Ehrenwort, dem Burschen nachsetzen, kann sein, dass ich ihn gleich erwische, kann sein auch ein bisschen später. In jedem Fall, Madamchen, nur Mut, werde ich ihn einholen. Ich finde ihn wieder“. Die Fischfrau sagte darauf: „Schnell, Herrchen, schnell. Er hat die größten“. — „Das ist", sagte Alec Puch, „umso besser", und er wandte sich um und verfolgte die diebische Ortschaft Quaken.

 

So traf man sich also am Schleppkahn, verwahrte die Fische, träumte einen spärlichen Augenblick lang vom bevorstehenden Ostertisch — man sah ihn schon köstlich gebogen — und zog wieder los. Wieder: das war notwendig zur Erfüllung des zweiten Wunsches, wonach auf einen Ostertisch prangen, oder sollen wir sagen: blühen muss ein hinreichend kolossaler Schinken, frisch angeschnitten nach Möglichkeit.

 

Die — wenn es erlaubt ist zu sagen — Blume allen Fleisches war lange entdeckt, blühte gleichsam schwitzend in einem Rauchfang, nur ein bisschen hoch ohne Leiter, und war Eigentum eines finsteren Menschen namens Bondzio. Dieser Bondzio, je nun, er war höflich, hatte ein Einsehen, dieser finstere Einzelgänger, und verließ sein Haus, als der Schinken vonnöten war, um das Kunstwerk des Ostertisches zu vollenden.

 

Auf den Plan trat diesmal die Ortschaft Sybba, ein Jüngelchen von anmutiger Magerkeit, oder, wenn man will: ein Bindfaden mit Beinen. Die Leiter war zur Hand, sie stand schon an Bondzios Haus, und hoch auf dem Sims, in gnädiger Dunkelheit, turnte der Bindfaden herum, ging glatt durch den Rauchfang, wie unsereins durch die Tür, lupfte die Schinkenblume vom Haken, pflückte sie auf seine Art und schleppte sie keuchend nach oben. Doch kaum war er oben, wer kam heranspaziert? Das Unglück selbst, noch dazu uniformiert. Das Unglück hieß Schneppat, lachte blöd und wichtig und war von Beruf Gendarm. Na, steckte seine gebrochene Nase auch prompt in diese Angelegenheit und begann ungefähr so: „Was geht hier, Alec Puch, vor sich?"

 

Alec Puch — wer wird es ihm nicht nachfühlen — zitterte; zitterte so lange, bis er sich ausgezittert hatte, und dann sprach er folgendermaßen: „Es ist, hol's der Teufel, doch Ostern. Das Lamm, sauber, lieblich, kleine, gaaanz kleine Schneeflocke. Und weiß! Wir wollten, ach Gottchen, von wegen Ostern dem Bondzio einen Schinken bringen. Er hat abgeschlossen, du meine Güte, und nun, um uns zu helfen, wollten wir ihm eine Freude machen und den Schinken hineinwerfen in das Haus. Gerade durch den Kamin“.

 

„Das ist", sagte Schneppat nach langer Gedankenarbeit, „verboten“. Es könnte, Alec Puch, leicht sein, dass unter dem Kamin Zerbrechliches steht, Eier vielleicht oder so. Ihr solltet den Schinken, aber wirklich, wieder runterbringen und es einmal, sagen wir, später versuchen“.

 

„Wir waren, Max Schneppat, noch nie aufsässig", sagte Alec. „Das Gesetz geht uns, nun, es geht uns, wollen wir mal sagen: es geht uns einfach über alles“. Und damit flötete er dem Bindfaden auf dem Dachfirst, fing den Schinken auf, den Bindfaden hinterher; man wünschte sich friedlichen Ostertisch und empfahl sich.

 

Somit fehlten, wie man errechnet hat, auf dem Ostertisch nur noch ein paar Fläschchen, die zu besorgen die Ortschaft Schissomir ausersehen war — aus folgendem Grund: dieses melancholische, stimmbrüchige Bürschchen hatte eine höchst seltene Begabung, die nämlich, zu jeder Zeit, wo immer es stand, ohnmächtig zu werden. Verkniff sich einfach nur ein Weilchen die Luft, lief grün an, das Bürschchen, zauberte sich eine tragische Blässe ins Gesicht und kippte mit verdrehten Augen um. So.

 

Und diesmal erlaubte es sich umzukippen vor der Kneipe eines Menschen namens Ludwig Karnickel, was zur Folge hatte, daß sich alsbald ein Menschenauflauf bildete. Ludwig Karnickel hüpfte aus seinem Kneipchen heraus, machte Männchen sozusagen, um das Unglück auch mitzubekommen, und stellte auf solche Art, und nicht zu knapp, die Fläschchen für den Ostertisch. Denn während er das Unglück begutachtete, begutachtete der schöne Alec nebst zwei Söhnen seine Regale: wonach der Ostertisch komplett war.

 

So saß man, mit friedlichen Aussichten, an Bord des Schleppkahns und dachte an das liebliche Lamm, als Alec Puch ein Gebrüll vernehmen ließ, wie es zu Anfang beschrieben wurde. Die Brut flog aufs Achterschiff, bildete eine zitternde Reihe, während Alec, den schönen Kopf gesenkt, herausstürzte und rief:

 

„Es ist", rief er, „alles Dreck. Der ganze Ostertisch, sag ich euch, Schmutz. Denn wir haben vergessen das Wichtigste. Und was wird, bitte schön, das Wichtigste sein? Die Gäste natürlich! Wir haben vergessen die Gäste. Wo wollt ihr, könnt ihr das sagen, zu dieser Stunde Gäste besorgen? Stehlen?" — „Es ist", sagte die Ortschaft Quaken, „nie zu spät für alles, was sein soll. — Hab' ich richtig gesprochen?"

 

„Richtig", bestätigten seine Brüder und nickten.

 

Dann verließ man in eiligem Schwarm das Schiffchen, schwärmte hierhin und dorthin — Fragen, Bedauern, Kopfschütteln, mit einem Wort: es war ein Kreuz mit den Gästen, denn wie zu erwarten stand, hatten sich schon fast alle verpflichtet. Nur drei — niemand wird sich unterstehen, dies Osterwunder anzuzweifeln — drei Gäste, mithin, waren noch frei. Er handelte sich: um die Fischfrau, um den finsteren Menschen Bondzio und den bereits bekannten Ludwig Karnickel. Man bat sie — sie kamen.

 

Kamen schon am frühen Morgen zum Flüsschen herab, wo der Schleppkahn vertäut lag, inspizierten die Umgebung, man wechselte Höflichkeiten, und schließlich wurde der Ostertisch gedeckt. Und dann wurde gegessen und getrunken bis in den späten Abend, man plauderte angenehm über das liebliche Lamm, vertrieb sich die Zeit mit Komplimenten und versicherte sich gegenseitiger Sympathie.

 

Bis — ja, bis der Schinken einmal so lag, dass Bondzio die Kerbe erkennen konnte, die er hineingeschnitten hatte. Da begann der Spektakel, an dem sich, wie es bei solchen Geschichten üblich ist, bald auch die Fischfrau beteiligte, die ihre glotzäugigen Jonasse wiedererkannt hatte, und natürlich auch Ludwig Karnickel. Man rannte über die Wiesen, verfolgte einander, schwang Knüppel und drohte, bis unversehens Alec Puch einen Schrei ausstieß, einen Schrei, welcher folgendes wiedergab: „Das Lamm!"

 

Und wirklich, was kam da am Flüsschen entlangspaziert? Ein Lamm, klein und weiß wie eine Schneeflocke. Die Gesellschaft stürzte hinzu, vergessen waren Streit und Drohung, man rupfte zarteste Blättchen für das Tier, streichelte es, na, man brachte sich fast um.

 

„Es ist", sagte der schöne Alec, „das reine Wunder. Ehrenwort“.  

 

Die Gäste sahen sich gezwungen, ihm beizupflichten, man schüttelte sich die Hände, umarmte einander, die Luft war erfüllt von Flötenton und Jubelklang, und als man auseinanderging, sprach der finstere Mensch Bondzio: „Es war", sprach er, „Gevatterchen, insgesamt ein ansprechender Ostertisch. Vor allem, unter uns gesagt, weil jeder auf seinen persönlichen Geschmack angesprochen wurde. Das ist, wie man zugeben wird, nicht leicht“.

 

So zärtlich war Suleyken, Masurische Geschichten von Siegfried Lenz. Hoffmann und Campe Verlag Hamburg. 172 S. mit vielen „pfiffigen" Zeichnungen, Ganzleinenband im Großformat, DM 14,80.

 

 

Quer durch Ostpreußen. 100 Aufnahmen aus Ostpreußen, Text und Geleitwort von Gerhard Bedarff. Elch-Verlag Wiesbaden. Format 20X21 cm, 60 S. Kunstdruckpapier, farb. Schutzumschlag, DM 3,85.

 

Dieser preiswerte Bildband enthält 100 teils ganzseitige Aufnahmen aus fast allen Kreisstädten der ost- und westpreußischen Heimat, u. a. aus Allenstein, Angerburg, .Bartenstein, Bischofsburg, Braunsberg, Dt.-Eylau, Elbing, Gumbinnen, Goldap, Heiligenbeil, Heilsberg, Hohenstein, Insterburg, Johannesburg, Königsberg, Lablau, Lotzen, Lyck, Marienburg, Marienwerder, Memel, Nikolaiken, Ortelsburg, Osterode, Pillau, Riesenburg, Sensburg, Tilsit, Treuburg und Wehlau sowie herrliche Landschaftsaufnahmen aus dem Samland, von der Kurischen Nehrung, aus Masuren und den bekannten Ostseebädern Cranz, Rauschen und Kahlberg. Die Aufnahmen stammen größtenteils aus Privatbesitz und zeigen wenig bekannte, oft einmalige Motive. In den Texten, die den Bildern beigegeben sind, führt Gerhard Bedarff den Leser im Plauderton durch Städte, Ortschaften, Wälder und Seenplatten, durch Strand und Dünen. Ein Erzähl- und Bildwerk, das zahlreichen Wünschen entgegenkommt und sich sicher viele Freunde gewinnen wird. ejk

 

 

Walter von Sanden: Das gute Land, Erzählungen aus Heimat und Kindheit. Gräfe und Unzer Verlag München. 208 S., Leinen DM 8,75.

 

Der alte Königsberger Verlag, der sich besonders um die Pflege heimatlichen Schrifttums sehr verdient gemacht hat, legt in seinem Frühjahrsprogramm in einer gefälligen neugestalteten Auflage das selbstbiographische Werk Walter von Sandens „Das gute Land" (6. Aufl., 74 Tsd.) vor. In den Büchern dieses naturnahen und -verbundenen Dichters zu lesen, seiner Art, auch die kleinsten Dinge mit viel Liebe zu schildern, nachzuspüren, ist immer ein reicher Gewinn. Man spürt den Fischer und Jäger, den Freund aller Tiere, der Erde mit allem, was sie trägt und wachsen lässt. Und man spürt die Liebe gerade zu dem Land, das er seine Heimat nennt: sein Ostpreußen mit den weiten Feldern, den Wäldern und Seen. Ein Buch, das man vielen jungen Menschen — gerade in dieser Zeit, die die Bindungen zur Natur immer mehr verschüttet — schenken möchte. Es ist, wie nur wenig andere, geeignet, die Herzen aufzuschließen und einen Wurf guter Saat auszustreuen. ejk

 

 

Wind, Sand und Meer, Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung. Gräfe und Unzer Verlag München. Format 20X26 cm, 108 S., davon 52 S. Kunstdruck, Leinen DM 11,50, Halbleder mit Karton DM 15--.

 

Der Gelehrte und Reisende Wilhelm von Humboldt hat einmal gesagt: „Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebenso gut wie Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll". Der ganze Zauber dieser einzigartigen Landschaft und das eigenartige und schwere Leben ihrer Bewohner sind hier durch sorgfältige und liebevolle Auswahl von Bildern und Texten anschaulich gemacht.

 

Die bekanntesten ostpreußischen Autoren sind im Textteil, der den 52 großformatigen Aufnahmen vorangeht, vertreten. Viele der hier zusammengetragenen Gedichte und Prosabeiträge waren bisher noch nicht veröffentlicht, darunter der eigens für dieses Buch geschriebene hochinteressante Rossitten-Aufsatz von Prof. Dr. Ernst Schütz, dem letzten Leiter der Vogelwarte Rossitten, Jetzt Radolfszell und Stuttgart.

 

„Wind, Sand und Meer“:eine Monographie und Anthologie zugleich, ist das einzige umfassende Werk über die Kurische Nehrung. Es soll dazu beitragen, dass diese wunderbare Landschaft nicht in Vergessenheit gerät und wird nicht nur alle Ostpreußen begeistern, sondern auch alle jene tief beeindrucken, die die Nehrung bisher wenig oder gar nicht kannten.

 

 

So zärtlich war Suleyken, Masurische Geschichten — ei, und was für Geschichten sind das! Ehrenwort, sag Ich: die Finger leckst du dir ab. Ja, solche Geschichten sind das! Vom feinen Herrchen Alec Puch die, so ihr lest auf dieser Seite, und seinen drei Lorbassen, alles schöne, herrliche Söhne, und rechtmäßig alle. Und davon, herrlicher eine als die andere, ja, was sag ich: von diesen herrlichen Geschichten noch 19 andere, das ist das Buch, welches geschrieben hat der Masure Siegfried Lenz. Da wirst du lesen vom Großvater Hamilkar Schaß, der besiegt hat den Rokitno-General Wawrila, und, da wirst du lachen, wie derselbe Hamikar die Schmuggler fängt an der Grenze. Von Manoah, dem Schiffer, wirst du lesen, vom fülligen Tantchen Arafa und mancherlei anderen feinen Herrchen, Lachudders allesamt. Und mehr sag ich nicht. Geschichtchen! sag ich nur.

 

 

 

Foto: Danzig 1955 — Die wiedererstehende Marienkirche inmitten von Ruinen und Trümmern.

 

 

Aus mitten durch unser Herz, Bilder und Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland. 160 Seiten mit 157 Fotos und 4 Karten, Großformat, Ganzleinen 16,80 DM.

 

In einmaliger Weise verdeutlicht dieser ergreifende Bildband die unfassbare Teilung unseres Vaterlandes und das erbarmungslose Schicksal Mittel- und Ostdeutschlands. Von der Kurischen Nehrung bis zum Thüringer Wald, von der Mecklenburgischen Küste bis zu den Hochöfen Oberschlesiens ersteht dieses Land vor uns aus der drei-fachen Sicht der letzten Friedensjahre, des Krieges und der Nachkriegszeit. Ein Buch der Erinnerung, aber auch der Verpflichtung und Verbundenheit für jeden Deutschen, dem die Wiedervereinigung unseres dreigeteilten Landes am Herzen liegt. Diese Aufgabe erfüllt der dokumentarische Bildband in eindringlicher Weise.

 

 

Ostpreußenkalender 1956. 18. Jahrg., Abreißkalender mit 24 Fotopostkarten und Beiträgen ostpreußischer Autoren. Gräfe und Unzer Verlag München. Format 14,8X21 cm (DIN A 5). DM 3,50.

 

Dieser neue Jahrgang des Ostpreußenkalenders überrascht wieder durch seine gelungene Bildauswahl. Seine alten Freunde werden überrascht sein!

 

 

Seite 14   Wir gratulieren!

 

Zur eisernen Hochzeit:

Ehepaar Johann und Maria Martens am 12.3.1956 in Delmenhorst, wo sie heute auf dem Pachthof ihres ältesten Sohnes leben. Sie mussten im Frühjahr 1947 ihren Hof in Westpreußen verlassen. Und trotzdem bekennt das heute 88-jährige „Uromchen", nach dem 65-jährigen gemeinsamen Lebensweg befragt: „Das Leben hat uns doch viel Glück gebracht“.

 

Zur diamantenen Hochzeit!

Ehepaar Karl und Henriette Glass am 03.03.1956 in Westrhauderfehn/Ostfriesland., wo sie heute wieder ein Häuschen ihr Eigen nennen. Die Eheleute stammen aus Ostpreußen, sie wurden vor 60 Jahren in Schloßberg — er 26, sie 17 Jahre alt — getraut. Nach der Flucht führte sie der Weg zunächst nach Dänemark, wo sie auch das goldene Hochzeitsfest feierten. Seit 1948 leben sie in Ostfriesland. Mutter Glass meint: „Wir haben es nicht leicht gehabt, aber wir haben doch auch überall gute Menschen gefunden“.

 

Zum 95. Geburtstag:

Minna Groß, geborene Donnerstag, ausBärslak, Kreis Gerdauen, am 12.03.1956 in Gr. Hesepe bei Osnabrück, wo sie bei ihrer Tochter lebt, mit der sie 1945 aus der Heimat flüchtete. Oma Groß ist die älteste Einwohnerin von Gr. Hesepe und erfreut sich bester Gesundheit.

 

Zum 93. Geburtstag:

Friedrich Schulz, aus dem Memelland stammend, am 04.03.1956 in Ohrbeck bei Osnabrück als ältester Bürger dieser Gemeinde. Man sieht dieses hohe Alter dem geistig noch sehr regen Menschen nicht an, wenn er mit Humor und Frische aus seinem erstaunlich guten Gedächtnis aus seinem bewegten Leben und von seiner geliebten Heimat erzählt. Er war früher ein sehr geachteter Schuhmachermeister (55 Jahre lang), seine Spezialität waren die bekannten hohen Schifferstiefel. Mit besonderem Stolz berichtet er von seiner dreijährigen Militärzeit beim Königsberger Grenadierregiment Kronprinz. Noch im Alter von 50 Jahren zog er als Kriegsfreiwilliger mit nach Russland und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 1944, im Alter von 80 Jahren, wurde er aus seiner Heimat vertrieben.

 

Zum 91. Geburtstag:

Lehrer i. R. Julius Schützeck, Ostpreußen am 26.02.1956 in Lüneburg. Der alte Lehrer und Organist ist heute noch ein ungebeugter ostpreußischer Riese von 1,85 Meter Größe, der in seinem langen Leben nie ernstlich krank war. Als Medizin nimmt er ab und zu einen Schluck „Bärenfang", das soll helfen.

 

Zum 90. Geburtstag:

Frau Marie Schultz, geb. Ramsay, aus Königsberg/Preußen am 29.03.1956 in Hannover-Linden. Die Jubilarin, die sich voller geistiger und körperlicher Frische erfreut, verfolgt noch mit großem Interesse das Zeitgeschehen und ist seit Jahren eine eifrige Leserin unseres Heimatblattes. Ihre Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, leben in Niedersachsen, wo sie auch selbst zusammen mit ihrer Tochter bei ihrem jüngsten Sohne, Justizinspektor Erich Schultz, in Hannover-Linden, Windheimstraße 49, lebt.

 

Zum 87. Geburtstag:

Emil Mertins am 27.02.1956 in Föckinghausen (Niedersachsen). Er war von 1895 bis 1914 Amtsvorsteher in Wetterau, Kreis Schloßberg/Ostpreußen. Ein stattlicher Hof war sein Eigen, von dem ein Bild in seinem Zimmer die Wand ziert. Er erzählt: „Ich habe auch Pferde gezüchtet. Vier edle Zuchtstuten waren auf dem Hof, eingetragene Trakehner." Seinen Hof, wie Nachzügler aus Wetterau berichteten, ließen 1946 die Russen in Flammen aufgehen.

 

Zum 85. Geburtstag:

Witwe Anna Captuller aus Königsberg/Preußen am 07.03.1956 in Flensburg, An der Reitbahn 12. Die Jubilarin hat in Königsberg viele Jahre in der Heuen Reiferbahn 6 und später bei ihrer Tochter, Frau Herta Armoneit, Haberberger Neue Gasse 36/37, gewohnt. Auch heute wohnt sie mit ihrer Tochter Herta und ihrem Schwiegersohn Hermann Armoneit in Flensburg. Sie ist körperlich und geistig sehr rege und nimmt regen Anteil an allem Zeitgeschehen. Ihre Gedanken verweilen oft in der verlorenen Heimat.

 

Zum 83. Geburtstag:

Lehrer i. R. Hans Fiedler aus Königsberg/Preußen, Luisenallee 50b, am 28.03.1956 in Landkirchen auf Fehmarn. Herr Fiedler war 41 Jahre Lehrer im Kreise Treuburg, zuletzt in Erlental. Er feiert seinen Geburtstag bei geistiger und körperlicher Frische. Der Jubilar ist ein eifriger Leser unseres Heimatblattes.

 

Zum 80. Geburtstag:

Frau Anna Klinger am 21.03.1956 im Kreise ihrer langjährigen treuen Hausgehilfin in Hohenbostel/Deister über Barsinghausen.

 

Karl Grusdat, gebürtig aus Groß-Wronken, Kreis Goldap, am 05.03.1956 in Lenglern bei Göttingen. In seiner Heimat versah er bis 1944 seinen Doppelberuf als Bauer und Schmied. Seit zehn Jahren wohnt er mit seiner jetzt 74-jährigen Ehefrau in Lenglern, wo sie 1954 im Kreise der Kinder und Enkel die goldene Hochzeit feiern konnten.

 

Frau Marie Plau, geb. Alexander, gebürtig aus Langendorf bei Schippenbeil, Kreis Bartenstein, am 05.03.1956 in Westerstede. Nach Ihrer Hochzeit lebte sie mit dem Gatten in Königsberg/Preußen. Der Ehemann starb 1939. Von ihren sechs Kindern leben noch ein Sohn in Flensburg und eine Tochter in Westerstede, bei der die Jubilarin ihren Lebensabend verbringt.

 

Zum 78. Geburtstag:

Frau Theodora Schellhammer aus Allenstein am 20.03.1956 in Seesen am Harz, wo sie bei ihrem Schwiegersohn Wilhelm Dziersk lebt.

 

Zum 77. Geburtstag:

Peter Jochim (aus dem Kreis Elbing Westpreußen) am 27.02.1956 in Rethem. Opa Jochim erfreut sich bester körperlicher und geistiger Verfassung. Er stammt aus einer alten Fischerfamilie, besaß in der Heimat selbst eine große Fischerei und geht auch heute noch unermüdlich seinem Beruf nach.

 

Zum 76. Geburtstag:

Gustav Schatzke, Feuerwehrbeamter, aus Tilsit stammend, am 26.02.1956 in Beedenbostel.

 

Zum 75. Geburtstag:

Frau Elfriede Wabbels, geborene Schiemann, aus Königsberg/Preußen, Zeppelinstraße 9, am 11.02.1956 in Königstein/Taunus, Ölmühlweg 25, wo sie bei ihrer ältesten Tochter Lisa lebt. Frau Wabbels ist eine eifrige Leserin unseres Heimatblattes.

 

Witwe Maria Magunia (aus Westreußen) am 10.03.1956 in Elze, Heilswannenweg.

 

Zum 60. Geburtstag:

Willi Knape, Kunstmaler, Ostpreuße, am 11.03.1956 in Wilhelmshaven. Knape, der seine künstlerische Laufbahn in Königsberg/Preußen begann, hat sich auch in seiner neuen Heimatstadt wieder einen Namen geschaffen. Wie früher in Königsberg, befinden sich auch jetzt wieder Bilder des Künstlers im Stadtbesitz.

 

Hans Putzenius, Schneidermeister, aus Marienwerder/Westpreußen am 08.03.1956 in Nürnberg, Feldgasse 21, wo er mit seiner Frau eine Wohnung gefunden hat. In der Heimat war Putzenius als eifriger Turner und Schütze bekannt.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

 

Seite 14   Turnerfamilie Danzig, Ost- und Westpreußen

Herzlichste Geburtstagsglückwünsche allen Kindern des April 1956, besonders denen, die ein Lebensjahrzehnt vollenden:

 

am 10.04.1956: Bruno Politowski (Danzig-Heubude) und

am 24.04.1956: Eva Chall-Turowski (KTC Königsberg) beide 40 Jahre;

 

am 14.04.1956: Helmut Teichmann (Danzig-Neufahrwasser) und

am 21.04.1956: Hilde Much (Zoppot) beide 50 Jahre.

 

Hans Grosse vom KMTV 1842 Königsberg ist aus zehnjähriger russischer Gefangenschaft glücklich in die Arme seiner Gattin heimgekehrt Wir nehmen teil an der Freude beider und begrüßen ihn mit kräftigem Gut Heil!

 

Unser neuntes Wiedersehenstreffen vom 31.08. bis 03.09.1956 in Espelkamp-Mittwald gewinnt in seiner Planung schon festere Gestalt. Näheres enthält ein Umdruckschreiben, das von mir nachgefordert werden kann, wenn es bis 15.04.1956 nicht eingetroffen ist. Für die zunächst unverbindliche Voranmeldung bis zum 15.05.1956 liegt dem Schreiben ein Formblatt bei. Auch formlose Anmeldung ist angängig.

 

Das Bundesalterstreffen des DTB vom 17.08. bis 19.08.1956 in Heilbronn wird auch eine größere Zahl unserer nordostdeutschen Turner und Turnerinnen anziehen. Die Meldung hierzu bitte ich möglichst über den Turnverein abzugeben, dem der Einzelne jetzt angehört, mir aber davon Kenntnis zu geben. Der Bundesaltersturnwart hat auf meinen Wunsch ein besonderes Standquartier für uns in Aussicht genommen, wo wir einen fröhlichen heimatlichen Kameradschaftsabend durchführen könnten.

 

Neu aufgenommen in die Kartei sind:

Elfriede Ignatowitz (Tgm Danzig);

Hans Grosse, Franz Dietrich (KMTV Königsberg);

Alfred Rodde, Margarete Rodde, geb. Bormann (Elbing);

Walter Ebinger, Otto Döring, Hannes Hewelt, Paul Kowalke, Grete May, geb. Sebastian, Hans Mertens, Dr. Kurt Mertens, Alfred Schmidt, Paul Tokarski, Zilla (Danzig-Neufw.).

Karl Steuhl (Allenstein/Rastenburg);

Frau Kölsch (Bartenstein).

 

Unbekannt verzogen sind:

Alfred Schilling (Palmnicken);

Olaf-Wilhelm,Oeverberg, Arthur Thuernagel, Werner Wedekind (Elbing);

Lucie Alter (Tgm Danzig);

Charlotte Utzat, geb. Kosse (KMTV Königsberg).

Onkel Wilhelm.

 

Es starben fern der Heimat:

Frau Emma Hiegert, geb. Ruhnke, geb. 27.04.1902 in Wilkassen/Ostpreußen.

 

Emanuel Hiegert, geb. 01.05.1901. F. P. 15 731, Heimatanschrift: Wickmünde, Kreis Gumbinnen.

 

Frau E. Hiergert wurde mit 5 Kindern nach Pommern evakuiert, während der Ehemann Soldat in Russland war.

 

Wilhelm Ruhnke, geb. 15.02.1900 in Wilkassen/Ostpreußen, F. P. 11 086 D, und Frau Anna mit 4 Kindern. Heimatanschrift: Kl. Datzen, Kreis Gumbinnen. Frau Anna Ruhnke wurde mit den Kindern nach dem Kreis Mohrungen evakuiert. Wer kann Auskunft geben über den Verbleib der beiden Familien? Nachricht erbeten an Frau Elisabeth Mundzeck, Leck / Schleswig, Ründel.

 

Bus-Sonderfahrten zum Elbinger Treffen

Zum Elbinger Treffen am 12./13. Mai 1956 in Bremerhaven sind folgende Bus-Sonderfahrten geplant:

 

Ab Lübeck Lindenplatz 7: 12. Main1956, 11 Uhr (Fahrpreis 10,-- DM).

Ab Hamburg Hachmannplatz: 12. Mai1956, 12 Uhr (Fahrpreis 8,-- DM).

 Ab Wermelskirchen mit Zusteigemöglichkeit in Remscheid, Lennep, Wuppertal, Hagen und Dortmund.

 

Anmeldungen an Landsmannschaft Westpreußen, Bundesgeschäftsführung, Lübeck, Lindenplatz 7.

 

Unbekannter Gefallener aus Elbing

Der Heimkehrer Rolf Gipp aus Hamburg-Lohbrügge, Billwerder Str. 20/22, berichtete, dass etwa am 20. August 1944 bei Olita (Litauen) ein Soldat, der aus Elbing stammte und der 267. Inf.-Div. angehöre, gefallen ist. Der Name dieses Soldaten ist nicht bekannt. Als Erbstück seines Großvaters trug der Gefallene eine Chronometer-Taschenuhr bei sich. Der Unbekannte war ca. 1,62 m groß, hatte schwarzes Haar, dunkle Augen und war etwa 20 — 22 Jahre alt. Angaben, die zur Aufklärung dieses Gefallenenschicksals führen können, sind zu richten an: das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München, Abt. Nachforschungszentrale für Wehrmachtsvermisste, München 13, Infanteriestraße 7a.

 

 

80-jähriger Ostpreuße erst zwanzig

Opa Flauss, am 29. Februar 1876 in Königsdank (Westpreußen) geboren, konnte in diesem Jahre wieder einmal nach vier Jahren seinen Geburtstag feiern. Er lebt heute in Stendorf im Kreise Osterholz. Die ruhigste Zeit, erzählt er, verlebte er bis zum ersten Weltkrieg. Als er 1918 aus dem Felde heimkehrte, fand er die Polen in seiner Heimat vor. Wohl gab es sehr viele Enttäuschungen und Aufregungen; aber der Hof konnte gehalten werden. Bis 1939 ging es nicht nur vorwärts, sondern Familie Flauss konnte auch die Kinder auf eine gute deutsche Schule schicken. Das Unheil brach dann in großem Umfang 1945 herein. Auf der Flucht wurden sie von den Russen eingeholt und zurückgebracht. Auf seinem Hof wurde Opa Flauss Knecht bei seinem bisherigen polnischen Knecht, um dem Hungertode zu entgehen. Entlohnung war ab und zu ein bisschen Milch und ein Stück Brot. Ein furchtbares Jahr musste durchgestanden werden bis zur Ausweisung. Familie Flauss landete in Stendorf, wo 1952 im Kreise der Angehörigen die goldene Hochzeit gefeiert werden konnte. Opa Flauss geht immer noch sehr gerade und aufrecht. „Ich bin ja doch noch gar nicht so alt; denn ich habe doch erst zum 20. Male Geburtstag", meint er.

 

Ostpreußische Abiturienten in Flensburg

An der Goethe-Schule:

Jürgen Jungchausen, aus Kreis Wehlau, jetzt Flensburg, BailastbTücke 12, Heinz Brodda aus Kr. Ortelsburg, jetzt Flensburg, Fruerlunder-Str. 29,

 

Arnulf Hintz, jetzt Flensburg, Angelsunder Weg 51,

 

Hans-Joachim Wölck, jetzt Flensburg, An der Reitbahn 24,

 

Hubertus Krohm, jetzt Glücksburg, Paulineralle 2.

 

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat, anknüpfend an die alte heimatliche Tradition, den Abiturienten zu ihrem Examen die besten Glückwünsche ausgesprochen und überreichte ihnen einen Albertus.

 

Am Staatlichen Gymnasium für Mädchen:

Rosemarie Neuendorf aus Bartenstein, jetzt Dollerupholz, Kreis Flensburg,

Annemarie Boenisch aus Danzig, jetzt Flensburg, Kastanienweg 9,

Renate Hoefert aus Haselberg, Kreis Schloßberg, jetzt Flensburg, Bismarckstr. 103,

Barbara Kob aus Königsberg, jetzt Flensburg, Gertrudenstr. 1.

 

Am Staatlichen Gymnasium für Jungen:

Klaus-Dieter Bindzus aus Königsberg, jetzt Flensburg, Nordergraben (Landesbank),

Wolfgang Woeltz aus Johannisberg, jetzt Flensburg, Hebbelstr. 22,

Eberhard Eichler aus Insterburg, jetzt Wasserleben,

Klaus Hohenberg aus Allenstein, jetzt Flensburg, Peter-Christian-Hansen-Weg 5.

 

An den Handelslehranstalten:

Christel Böge aus Tilsit, jetzt Flensburg, Gerhard-Hauptmannstraße 10.

Gisela Bremer, jetzt Flensburg-Weiche, Holzkrug-Weg 8,

Eckehard Albrecht, jetzt Flensburg, Brixstr. 20,

Horst Bandorski, jetzt Flensburg, Turnierstraße 5

 

Von unseren Lesern gesucht:

Albert Pfeiffer,  Landwirt aus Glottau/ Ostpreußen, 78-jährig, in Ganderkesee.

 

Walter Kohls, Bautischlermeister, aus Marienwerder/Westpreußen, 76-jährig. in Krinau, Kreis Salzwedel, Sienauer Straße 8 (SBZ).

 

Joachim Biendarra, Oberlokheizer i. R. aus Allenstein, 74-jährig, in Melbeck.

 

Franz Heidemann, Schmiedeobermeister i. R., aus Schloßberg/Ostpreußen, 72-jährig, in Celle, Alte Grenze 29.

 

Rudolf Oberüber, Rangieraufseher a. D., aus Goldap/Ostpreußen, 69-jährig, in Brake.

 

Franz Eisenblätter, aus Ostpreußen stammend, 68-jährig, in Hinterbruch. Kreis Wittlage.

 

Dr. jur., Georg Kohtz, Rechtsanwalt und Notar aus Marienwerder, 61-jährig, in Hamm in Westfalen.

 

 

Seite 14   Die Toten mahnen: „Versöhnung über den Gräbern!"

Gewaltige und schwere Aufgabe des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge“.

 

An unseren Wohnungstüren und auf den Straßen sammeln in diesen Tagen die freiwilligen Helfer des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge". Es gibt nach den beiden Weltkriegen wohl keine deutsche Familie, die nicht ein Grab oder mehrere in der Fremde hat, das Grab eines Menschen, der sein Leben ließ, um das unsere zu erhalten. Dem Einzelnen ist es nicht möglich, das Grab des Vaters, des Bruders zu pflegen, aber wir Lebenden können in gemeinsamer Arbeit unsere Verbundenheit mit den Gefallenen zeigen, indem wir den „Volksbund für Deutsche Kriegsgräberfürsorge" unterstützen und ihm damit helfen, seine Ziele zu erreichen, Ziele, die unser aller Anliegen sind: die Zahl und Grabstätte aller Gefallenen festzustellen, die Toten auf großen Friedhöfen zu sammeln, um ihnen das ewige Ruherecht zu gewinnen und eine ihrem Opfer würdige Gedenkstätte zu errichten, die zugleich eine Mahnung ist. Dieses Wollen wird —- wenn wir es durch die Tat beweisen — zu einer geistigen Aussage, deren gerade das geteilte Deutschland bedarf.

 

Es mag sich manchem die Frage aufdrängen, ob es nicht besser wäre, die Toten dort ruhen zu lassen, wo sie liegen. Das brächte mit sich, dass die Gräber verwahrlosen, verloren gehen oder soweit sie auf Gemeindefriedhöfen liegen — nach landesüblicher Liegefrist verfallen. In einigen romanischen Ländern geschieht das bereits nach zehn Jahren. Der Volksbund konnte in Italien erreichen, dass die deutschen Gräber des letzten Krieges auf den Gemeindefriedhöfen noch nicht aufgelöst wurden. Hauptaufgabe dieses Jahres wird es sein, etwa 360 000 Gefallene in Italien und Frankreich auf Ehrenfriedhöfe umzubetten. Das ewige Ruherecht wird ihnen auf Grund der Genfer Konvention nur an eigens dafür vorgesehenen Stätten gesichert. Die Gräber liegen oftmals sehr verstreut. In Frankreich beträgt die Zahl der Grablagen 15 000, und zwar in 5385 Gemeinden mit insgesamt 250 000 Gräbern aus dem zweiten Weltkrieg.

 

Wenn der Volksbund alle diese Aufgaben erfüllt, leistet er Arbeiten, die in anderen Ländern der Staat durchführt und die zwischen den beiden letzten Kriegen auch zum Teil bei uns vom Deutschen Reich übernommen wurden. Erst in den letzten Monaten konnten Abkommen mit Frankreich, Italien, Ägypten und den Commonwealth Staaten die Möglichkeit schaffen, die Arbeiten vorzubereiten. Bis zum Vertragsabschluss beschränkte sich die Arbeit des Volksbundes zumeist darauf, die Gräber zu erfassen und unbekannte Tote namentlich zu machen. Dann müssen Grundstücke zur Verfügung gestellt und die Umbettungen vorgenommen werden. Es gilt oft, klimatische Schwierigkeiten zu überwinden, wie in Nordnorwegen, das nur vier frost- und schneefreie Monate im Jahre hat.

 

In den Westländern sind eine Million Gräber erfasst, und in der Bundesrepublik ruhen weitere 250 000 Gefallene. Meist übernimmt nach dem Ausbau der Ehrenfriedhöfe das betreffende Land die Pflege der Grabstätten. In einigen Ländern konnten die Arbeiten des Volksbundes während der letzten Jahre schon durchgeführt und beendet werden. So wurde im letzten Sommer der Friedhof Sandweiler in Luxemburg fertiggestellt, auf dem fast 11 000 Tote ruhen. Der amtliche belgische Gräberdienst hat die deutschen Gefallenen des letzten Krieges in Lommel und in Recogne-Bastogne zusammengebettet, es sind 46 500. Die 12 000 in Norwegen Gebliebenen ruhen jetzt auf sechs Friedhöfen zusammen.

 

Im Gegensatz dazu ist die Lösung der Kriegsgräberaufgaben in Dänemark besonders erschwert. Außer 12 000 Soldaten liegen 17 000 ostdeutsche Flüchtlinge dort, von denen 5000 Säuglinge sind. Den Dänen selbst ist das Problem fremd, sie vermögen unsere Nöte nicht so recht zu verstehen; es sollen aber in nächster Zeit offizielle Besprechungen über ein Kriegsgräberabkommen geführt werden. Auch mit Großbritannien und Irland steht ein Abkommen bevor. Die 15 000 Soldatengräber in Griechenland, mit dessen Regierung noch keine Besprechungen geführt werden konnten, sind zu 98 Prozent während des Bürgerkrieges zerstört worden.

 

Über die Kriegsgräber in den Oststaaten auch nur annähernd zutreffende Angaben zu machen, ist unmöglich. Die Zentralgräberkartei der Wehrmacht ist beim Zusammenbruch in Meiningen in russische Hände geraten und weder dem Volksbund noch einer anderen westdeutschen Stelle zugänglich. Nur bruchstückweise konnte die Zahl der Grabstellen namentlich erfasst werden, in Russland 60 000, in Polen 35 000, in Rumänien 1553 — von der Wehrmacht wurden dort 40 000 geschätzt —, in Ungarn 12 399, in der Tschechoslowakei 25 800. Diese Zahlen entsprechen auch nicht annähernd dem wirklichen Umfang; die meisten Toten brachte gerade im Osten das letzte Kriegsjahr.

 

Der Volksbund richtet seinen Appell besonders an die Jugend. In den letzten drei Sommern haben nacheinander tausend Jungen aus fünfzehn Nationen, darunter Chinesen und Nordamerikaner, das 72 Morgen große Gräberfeld Lommel in Belgien mit einem hohen schützenden Torfwall umgeben. Die Gräber der 39 500 deutschen Soldaten dort sind so vor Windverwehungen bewahrt.

 

Der tiefe Wert dieser Arbeit liegt im Ideellen darin, dass diese Jungen sich den Toten der Kriege verpflichtet fühlen und helfen, die Forderungen zu erfüllen:

 

„Versöhnung über den Gräbern —

Friede zwischen den Völkern".

 

 

Seite 14   Foto: Sorgt für die Gräber des Krieges. Öffentliche Sammlung! Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

 

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Schleswig-Holstein:

Flensburg. Die Gruppe der Königsberger wird sich in Zukunft bei ihren Zusammenkünften um ihr Stadtbanner scharen, das jetzt in ihrer März-Versammlung durch den Ostpreußen-Vorsitzenden Schulrat a. D. Babbel, seine feierliche Weihe erhielt.

 

Das hier in feiner Stickerei auf weißem Grund sehr farbenprächtig gehaltene dreiteilige Wappen Königsbergs geht ja auf die ursprünglich drei Städte Altsadt, Löbenicht und Kneiphof zurück, aus denen im Jahre 1729 auf Befehl des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. Königsberg wurde.

 

Lm. Babbel sprach von dieser historischen Entwicklung und erinnerte insbesondere daran, dass die Krönungsstadt der preußischen Könige stets ein Mittelpunkt geistigen Lebens nicht nur Preußens oder dann Deutschlands, sondern auch für Europa gewesen sei. Babbel erinnerte auch an die regen Handelsbeziehungen, die von dieser Metropole des deutschen Ostens aus gepflegt wurden.

 

Worte von Agnes Miegel, von Frau Kursch vorgetragen, und Heimatlieder des Singkreises Ostpreußen umrahmten den feierlichen Akt. Die am gleichen Abend durchgeführte Wahl erbrachte die einstimmige Wiederwahl des alten Königsberger Vorstandes: Bocian, Frau Dzeik, Drengk.

 

 

Niedersachsen:

Seesen a. H.  Unter dem Motto „Vogelwelt und Vogelsprache unserer altpreußlischen Heimat" veranstaltet die landsmannschaftliche Gruppe am 07.04.1956 einen fröhlichen Volkstumsabend. Die Stimmen und Eigenheiten der Vögel werden in ihrer Verankerung und Verflechtung mit dem Leben und Brauchtum der Heimat in Kinder- und Volksreimen, Liedern und Stegreifspielen lebendig werden. Farbige Bildtafeln, personifizierte Vogeltypen und Gemeinschaftsgesänge wie „Die Vogelhochzeit" u. a. sollen das Programm vervollständigen. Kinder über zehn Jahre sind zu dem lustigen Heimatabend herzlich willkommen. Das Manuskript stammt von Kulturleiterin Liselotte Donnermann und Schulrat a. D. Papendick.

 

 

Bramsche. Die Ortsgruppe der Landsmannschaft Ostpreußen, die an die 300 Mitglieder zählt, begeht am 7. April ihr erstes Stiftungsfest.

 

 

Nordstemmen. Bei dem kürzlichen Heimatabend der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen und der Danziger fand eine lebhafte Aussprache über die erneute Wiederbesiedlungsaktion der polnischen Behörden in dem unter polnischer Verwaltung stehenden Teil Ostpreußens statt. Hierzu konnten interessante Erläuterungen gegeben werden, die eine Frau zur Verfügung gestellt hat, die erst kürzlich besuchsweise In Ortelsburg war. — Bei der Neuwahl des Vorstandes wurde nachstehendes Ergebnis erzielt: Otto Teschner (1. Sprecher), Karl Großkopf (2. Sprecher), Frau Bröker (3. Sprecherin).

 

Celle. Vom 8. bis 16. Februar wurde in Celle (Niedersachsen) im Haus der Jugend von der DJO die Ausstellung „Deutsches Land im Osten" gezeigt. Oberbürgermeister Heinichen erklärte bei der Eröffnung, die Schau spreche mit ihren Fotos und plastischen Darstellungen deutlicher als Worte es vermöchten, was wir verloren haben. Die Jugend sei berufen, diesen Schatz wieder zu heben. Ein Vertreter der DJO wies darauf hin, dass die Ausstellung bereits 3 ½ Jahre  im Bundesgebiet unterwegs sei und überall stark besucht worden sei, was auch in Celle der Fall war.

 

 

Quakenbrück. Zu Beginn der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen gab Schriftführer Mertens einen Bericht über die Entwicklung der Ortsgruppe. Trotz Abgabe von mehr als hundert Mitgliedern an die neugegründeten Ortsgruppen Bersenbrück und Bippen konnte durch Neuzugang die bisherige Mitgliederzahl gehalten werden. Der heutige Mitgliederstand beträgt 210 gegenüber 228 zu Beginn des Vorjahres. Die Neuwahl brachte kaum Veränderungen. Neu in den Vorstand wurden gewählt: Willi Hartwig als Schriftführer, als Kassierer Franz Gieske.

 

 

 Aurich. Die Landsleute der Kreisgruppe Aurich erlebten einen gelungenen, nachhaltigen Heimatabend, zu dem Landesgeschäftsführer Meitsch mit einem Lichtbildervortrag über den Deutschen Ritterorden gewonnen werden konnte. Die gute Auswahl der Bilder zeigte nicht allein Entwicklung und Leistung des Deutschen Ordens im Osten, sondern deutete auch auf zahlreiche Bande, die den niederdeutschen Raum als Ausgangsland der deutschen Ostkolonisation mit dem Deutschtum Osten verbinden. An der Gestaltung der Feierstunde wirkte die rührige Jugendgruppe mit Spiel und Lied mit.

 

 

Berlin:

Berlin. Der Bund Heimattreuer Ost- und Westpreußen e. V. lädt herzlichst ein zu seiner nächsten Zusammenkunft am Sonnabend, den 07.04., im „Schloß-Cafe", Peter Engel, Tegel, Schloßstr. 1. Großes Bockwurst- und Eisbeinessen mit anschließendem gemütlichen Beisammensein mit Tanz.

 

 

Nordrhein-Westfalen:

Essen-Rüttenscheid. In der letzten Mitglieder-Versammlung der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen sprach Landsmann Dr. Luckat über „Erinnerungen an die Bauten des Deutschen Ordens“. Der Vortragende begnügte sich nicht damit, die altvertrauten Außenansichten der Ordensburgen Marienburg, Allenstein, Rössel, Heilsberg usw. im Lichtbild vorzuführen, es ging ihm mehr darum, an Einzelheiten zu zeigen, welche architektonischen Feinheiten unsere Vorfahren aus dem spröden Ziegel, der ihnen als fast einziger Baustein zur Verfügung stand, zu entwickeln verstanden. So ließ er Kreuz- und Sterngewölbe in Kirchen und Ordensräumen, Kreuzgänge, Säulen und Kircheneingänge im Lichtbild lebendig werden. Weiterhin ließ er die Zweckmäßigkeit der Büroanlagen erkennen und stellte schließlich noch einmal im Bild die steinernen Standbilder der schönsten Madonnen vor. Das Dargebotene war anregend und nicht alltäglich und Dr. Luckat wurde gebeten, auch andere Bezirksgruppen damit zu erfreuen.

 

Ab April versammeln wir uns an jedem 3. Mittwoch im Monat um 20 Uhr im „Weißen Rößl", Kegelklubhaus, Rüttenscheider Straße 119.

 

 

Bayern:

Traunstein/Obb. Die Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgruppe Traunstein, der auch die hier lebenden Westpreußen und Baltendeutschen angehören, hielt am 3. März d. Js. Ihre Jahreshauptversammlung ab. Der 1. Vorsitzende Folkerts gab den Rechenschaftsbericht für das Jahr 1955. Aus diesem sind besonders hervorzuheben die Autobusfahrt am Himmelfahrtstag nach Tegernsee – Schliersee – Bayr. Zell, der Tag der Heimat, Erntedankfest, Autobusfahrt zum Oktoberfest nach München, Totengedenken im November auf dem Waldfriedhof mit Kranzniederlegung, Fleckessen, Vortrag des Ldm. Schadau über das deutsche Geistesleben in Ost- und Westpreußen , sowie die gut gelungene Weihnachtsfeier und der Faschingsball. Der Vorsitzende dankte allen Mitgliedern für die aktive Mitarbeit, insbesondere dem Kassenwart Gronert für die gute Kassenführung. Dem Vorstand wurde Entlastung erteilt und die Neuwahl ergab: 1. Vorsitzender Alexander Schadau (Marienburg, Westpreußen), 2. Vorsitzender und Schriftwart Karl Folkerts (Elbing), Kassenwart Horst Gronert (Königsberg), Kulturreferentin Hilde Romahn (Rauschenbach, Ostpreußen), Beisitzer und Kassenprüfer Bruno Pellnat (Treuburg). Der neue Vorsitzende, Schadau, gedachte der vor 11 Jahren erfolgten Heimatvertreibung und ermahnte die Mitglieder zur Besinnung auf die abendländische Kultur und dafür einzutreten, dass das alte Ordensland im Osten wieder zu seiner früheren Geltung kommt. Zu diesem Gedanken müssten auch die Landsleute aus Ost- und Westpreußen gewonnen werden, die bisher noch nicht den Weg in die Gemeinschaft der Ost- und Westpreußen gefunden haben. Des 77. Geburtstages der Heimatdichterin Agnes Miegel wurde gedacht.

 

Nächste Zusammenkunft findet am 7. April 1956, 20 Uhr, im Aubräukeller, An der Wegscheid, statt.

 

 

Traunreut, Kreis Traunstein/Obb. Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Danziger und Memelländer, Ortsgruppe Traunreut veranstaltete gemeinsam mit der Volkshochschule in Traunreut am 27. Februar d. Js. im Traunreuter Hof einen Abend, an dem bei musikalischer Umrahmung der Dokumentar-Film „700 Jahre Königsberg" vorgeführt wurde. Der Abend war gut besucht und war ein voller Erfolg.

 

 

Seite 15   Wilhelm Strüvy 70 Jahre alt

Zu den Männern, die ihre gesamte Arbeitskraft und ihre Erfahrung in den Dienst der ostdeutschen Landsmannschaften stellen, gehört Wilhelm Strüvy, Groß-Peisten, der erster stellvertretender Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen ist. Am 14. März 1956 wurde er 70 Jahre alt. Er war zunächst aktiver Offizier und wurde dann Landwirt. Als Leiter des Ostpreußischen Land- und Forstwirtschaftsverbandes und als Generallandschaftsrat hat er viel für seine Heimatprovinz geleistet. Bei der Kapitulation von Königsberg geriet er 1945 in russische Gefangenschaft. Seit seiner zwei Jahre später erfolgten Entlassung wirkt er mit großer Tatkraft für seine Schicksalsgenossen. In Anbetracht seines großen Wissens und Könnens wurde ihm — unter anderen Aufgaben — die aufsichtsführende Leitung der gesamten elf in Lübeck arbeitenden Heimatauskunftsstellen übertragen.

 

 

Seite 16   Familienanzeigen

Am 20. Februar 1956 entschlief sanft nach langem schweren, mit unendlicher Geduld getragenem Leiden im Alter von 56 Jahren meine geliebte Frau, meine geliebte Mutter, unsere liebe Schwester und Schwägerin, meine liebe Schwiegertochter Klara von Perbandt, geborene von Bassewitz. In tiefer Trauer: Albrecht von Perbandt, Pomedien. Pergolla vn Perbandt. Sylvia von Bassewitz. Carla von Bassewitz, geborene Gräfin zu Rantzau. Alexander Boltho von Hohenbach. Johanna von Perbandt, geborene von Thaer. Waldbröl, Bonn, Poppelsdorfer Allee 34. Die Beerdigung hat auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn stattgefunden.

 

Ganz plötzlich ist meine geliebte Frau, Schwiegermutter und Omi, unsere gute Mutter, unsere liebe Schwester, Schwägerin und Tante Frau Lisette Krause, geborene Gulbis am 29. Januar 1956 im 56. Lebensjahr uns entrissen. Ein gütiger Mensch ist von uns gegangen. In tiefer Trauer: Landwirt Robert Krause, für alle Angehörigen. Rossitten / Kurische Nehrung. Jetzt: Lauerkreuz, Post Schollbrunn über Eberebach/Baden.

 

Am 26. Dezember 1955 erlag, 61 Jahre alt, einem schweren, langen Leiden unser Turnbruder

Dr. jur. Georg Kohtz und am 28. Januar 1956 ereilte der Tod unsern Turnbruder Walter Kohls. Beide vom Turnverein Marienwerder, Westpreußen.

Im Februar 1956 verstarb in der Sowjetzone unser Turnburder Friedrich Ignatowitz von der Turngemeinde Danzig – 68 Jahre alt und am 9. März 1956 schloss in Hamburg unser Turnbruder Hans Böhnke vom Königsberger Turnerbund – 64 Jahre alt – für immer die Augen.

Wir verlieren mit ihnen weit über ihren heimatlichen Verein hinaus bekannte und erfolgreiche Turner und Turnerführer, die jahrzehntelang treu und unermüdlich in der in der turnerischen Jugendarbeit standen. In die nordostdeutsche Turngeschichte sind ihre Namen unauslöschlich eingetragen, Ihre Andenken werden wir in Ehren hochhalten. Turnerfamille Ostpreußen-Danzig-Westpreußen. Wilhelm Alm. Fritz Babbel.

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