Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 02 vom Februar 1956

 

Seite 1   Das Elbinger Stadttor. Aufn.: Foto Marburg

  

Seite 1 und 2   Das baltische Beispiel. Wie Litauen, Lettland und Estland sowjetisiert wurden.

Ob Geschichte „rückwärtsschauende Prophetie" ist oder nur die „Sinngebung des Sinnlosen", soll hier nicht entschieden werden. Dennoch dürfte es zuweilen klug sein, die Augen offen zu halten für das, was einst in der Geschichte geschah, um besser zu sehen, was jetzt in der Politik geschieht. Dies erscheint umso dringlicher, wenn gewisse gesellschaftspolitische Strömungen der Vergangenheit mit unverminderter Heftigkeit noch über die Schwellen der Gegenwart schlagen, so regelmäßig wie Ebbe und Flut. Wer in Zeiten der Ebbe vergisst, was die Flut vermag, fällt ihr leicht zum Opfer. Wer sich ihrer Wirkung aber bewusst bleibt, weiß sich besser vor Überraschungen sicher.

 

Gerade in jüngster Zeit ist die Öffentlichkeit mit Interpretationen der jüngsten Geschichte, besonders im Hinblick auf die Gründe, die 1939 zum zweiten Weltkrieg führten, überrascht worden, umso mehr, da ein Teil der Betroffenen, die entweder mitgestalten halfen oder miterleiden mussten, noch lebt. Mag auch immer die Geschichte sich nach Hegel „dialektisch perfektionieren" — das zu bestreiten es gute Gründe gibt —, so kann doch der Tatsachenprozess selbst nicht nach Belieben „dialektisch" verdreht werden. Man hat mit Recht Rankes Bemühen gewürdigt, stets nur zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen".

 

Wenden wir uns noch einmal der baltischen Tragödie zu: der Sowjetisierung von Litauen, Lettland und Estland in den Jahren 1939/1940. Sie lag lange vorgezeichnet, noch ehe Stalin am 10. März 1939 vor dem XVIII. Parteitag in Moskau Hitler den Ball einer künftigen Interessengemeinschaft im Osten und Südosten Europas zuwarf. Sie begann mit der Illusion baltischer Staatsmänner, drei kleine Länder zwischen zwei Blöcken neutral halten zu können. Das Kommuniqué der „Baltischen Entente" vom 3. Februar 1939 erklärte ausdrücklich die Neutralität als politisches Ziel und Beitrag zum Weltfrieden. Eine estnische Zeitung schrieb am 13. April 1939: „Kleine Staaten sollten auf jeden Schutz größerer Mächte verzichten“.

 

Die Sorge, den „Schutz" einer Großmacht wider Willen aufgedrängt zu bekommen, war verständlich, seitdem die Sowjetunion sich in London und Paris bemühte, in den vorgesehenen Garantiepakt auch Litauen, Lettland und Estland einzubeziehen. Die „Prawda" betonte am 15. Juni 1939: „Die sowjetische Haltung in der Frage des Schutzes der drei baltischen Staaten gegen Angriffsaktionen ist gerechtfertigt und entspricht den Interessen aller friedlichen Staaten einschließlich Estlands, Lettlands und Finnlands“.

 

Chamberlain aber respektierte die Abneigung der Balten gegen eine sowjetrussische Garantie und erklärte am 10. Juli 1939, ihr Wunsch auf Neutralität und Unabhängigkeit solle gewahrt bleiben. Die Verhandlungen mit dem Kreml mussten sich somit in der Frage der Definition des Begriffs „indirekter Angriff" festfahren. Moskau wünschte schon in einem Regimewechsel in einem der baltischen Staaten einen „indirekten Angriff" zu sehen. Butler kommentierte hierzu im Unterhaus, die Sowjets wollten durch ihre Definition eines „indirekten Angriffs" eine Verletzung der Unabhängigkeit der baltischen Staaten herbeiführen.

 

Obwohl England gegenüber dem Kreml fest blieb, konnte das Schicksal der drei kleinen Staaten nicht aufgehalten werden. Was Chamberlain Stalin verweigerte, gewährte ihm Hitler den sowjetischen Einfluss über die baltischen Staaten, Ostpolen und Bessarabien. Am 24. August 1939 kam es zur Unterzeichnung des folgenschweren deutsch - russischen Nichtangriffspaktes. Wie Molotow kürzlich in Genf die Gründung der sogenannten „DDR" als einen „Wendepunkt in der Geschichte Deutschlands und Europas" nannte, so bezeichnete der gleiche Molotow am 31. August 1939 auch den Stalin-Hitler-Pakt als einen „Umschwung in der Geschichte Europas, und nicht nur Europas allein". In dem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen vom 23. August 1939 und vom 28.

September 1939 heißt es: Im Falle einer territorialen und politischen Neuordnung in den Gebieten der baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen) soll die Nordgrenze Litauens die Grenze der Einflusssphären zwischen Deutschland und der UdSSR sein. In einem Protokoll vom 28. September 1939 verzichtete Hitler auf das ganze litauische Gebiet.

 

Als zu Beginn des Polenfeldzuges die baltische Neutralität am 2. September 1939 in Kaunas noch einmal feierlich beschworen wurde, war der Stab längst über sie gebrochen. Zwei Diktatoren hatten sich skrupellos auf dem Rücken der drei Kleinstaaten geeinigt. Müßig ist die Frage, ob sie, zwischen Skylla und Charybdis, durch eine vorzeitige Aufgabe der Neutralität ihre Existenz retten konnten. Echter Schutz wäre nur in einer Machtgruppe zu finden gewesen, die durch gleiche demokratische Prinzipien vereint, das Schicksal der baltischen Staaten zu ihrem eigenen gemacht hätte. Einen solchen Schutz aber, wie ihn heute auch für kleine Staaten die NATO bietet, gab es damals noch nicht.

 

Nach Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsabkommens vom 28. September 1939 schritten die Sowjets nunmehr zur „Lösung des baltischen Problems". Der estnische Außenminister Karl Selter wurde mit seiner Gattin nach Moskau beordert, um angeblich einen Handelsvertrag zu unterzeichnen. In Wirklichkeit stellte Molotow die ultimative Forderung auf Überlassung wichtiger strategischer Stützpunkte. „Im Weigerungsfalle werden wir Gewalt anwenden", sagte er barsch. „Weder England noch Deutschland können Ihnen helfen“. Estland musste nachgeben und unterzeichnete am 28. September den sogenannten Beistands- und Handelspakt, der, auf zehn Jahre bemessen, u. a. „gegenseitigen Schutz" und „Sowjetwaffen" versprach. Ausdrücklich heißt es unter Punkt 5, die Verwirklichung des Vertrages dürfe weder die Souveränität des Landes, seine Staatsform, noch sein Wirtschaftssystem beeinträchtigen. Fast der gleiche Pakt wurde Anfang Oktober Lettland und Litauen aufgezwungen. Wer sich noch wunderte, wieso eigentlich dieser oder jener plötzlich verschwand, tat dies aus Unkenntnis des NKWD-Befehls vom 11. Oktober 1939, in dem die Deportation „antisowjetischer Elemente" bereits bis in die letzten Einzelheiten festgelegt war.

 

Hitler sah dieser Entwicklung, wie erwartet, tatenlos zu. Er erklärte am 6. Oktober, Deutschland habe im Baltikum nur wirtschaftliche Interessen, und sorgte im Übrigen dafür, die Baltendeutschen so schnell wie möglich zurückzuführen, bevor der Eiserne Vorhang fiel. Damit hatte der Kreml den ersten Schritt zur „Lösung des baltischen Problems" getan. Molotow gab am 31. Oktober vor dem Obersten Sowjet den Bericht zur Lage. „Der Beistandspakt mit den drei baltischen Staaten", sagte er, ist das Ergebnis des absoluten Vertrauens und gegenseitigen Verständnisses. Es ist eine Verleumdung zu behaupten, die Durchführung dieses Paktes sei mit der Sowjetisierung der baltischen Staaten verbunden, denn die Unverletzbarkeit der Souveränität dieser drei Staaten und das Prinzip der Nichteinmischung sind in den Verträgen festgelegt“. Gegenüber Hitler verneigte sich Molotow mit folgenden Worten: „Deutschland sucht den Frieden, während England und Frankreich den Krieg weiterführen wollen. Es ist unsinnig und verbrecherisch, einen solchen Krieg zur Vernichtung des Hitlertums zu führen, indem man ihm das Mäntelchen des Kampfes für die Demokratie umhängt. Der wahre Grund des Krieges ist die Angst Englands und Frankreichs vor einem deutschen Angriff auf ihren Kolonialbesitz, wodurch sich der imperialistische Charakter des Krieges zeigt“.

 

Weniger programmgemäß verlief für die Sowjets der Überfall auf Finnland am 30. November 1939. Nachdem die Finnen unerwarteten Widerstand leisteten, griff der Kreml nach einen von der ganzen freien Welt bewunderten ersten Kampftagen zu seinem bekannten Völkerrechtstrick: Er bildete in einer kleinen finnischen Grenzstadt eine Gegenregierung, die sogenannte „Volksregierung der Finnisch Demokratischen Republik" und schloss mit ihr am 2. Dezember einen Pakt. Als der Völkerbund gegen den kriegerischen Überfall auf Finnland protestierte, erklärte Molotow entrüstet, die Sowjetunion befinde sich gar nicht im Kriegszustand mit der finnischen Regierung, sondern unterhalte friedliche Beziehungen mit der Demokratischen Finnischen Republik", mit der sie sogar einen Pakt abgeschlossen habe. Erst als es im März 1940 Moskau opportun erschien, mit Helsinki wieder Frieden zu schließen, wurde im Friedensvertrag die finnische „Volksvertretung" Kuusinin wieder fallen gelassen.

 

Mit Hillers Angriff im Westen schlug auch bald dem Baltikum die letzte Stunde. Am Morgen des 16. Juni meldete „Tass", die drei Staaten hätten einen Bündnispakt gegen die Sowjetunion beschlossen, der Kreml fühle sich bedroht. Was nützte es, dass die betroffenen Regierungen ihre Loyalität beteuerten und auf alle neuen Forderungen eingingen: In wenigen Tagen war das Land von 300 000 Rotarmisten überschwemmt. In einem Beitrag zur Parole der „Koexistenz" schreibt H. von Tobien: „Die Rote Armee aber marschierte nicht friedlich als Verbündeter, sondern mit Kampfbefehlen in die baltischen Länder ein. In Riga besetzten die „verbündeten Sowjets" eigenmächtig den Flugplatz, den Sender und alle Post und Eisenbahnstationen. Die Munitionslager und Kasernen wurden umstellt und an den wichtigsten Straßenkreuzungen Panzer postiert. Unverzüglich begann die „Verwirklichung und Sicherung des Paktes zur gegenseitigen Hilfe" im Baltikum mit Verhaftungen und Erschießungen, mit der Vernichtung der politischen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit der drei Staaten, denen unter dem Druck der sowjetischen Bajonette das Sowjetsystem und der Anschluss an die UdSSR aufgezwungen wurden“.

 

Mit der sowjetischen Armee erschien auch die sowjetischen Anschlusskommissare: Shdanow in Reval, Wyschinski in Riga und Dekanosow in Kaunas, um nach bewährtem Muster die Bolschewisierung des Baltikums vorzunehmen. Die kommunistischen Parteien wurden sofort legalisiert, die baltischen Armeen zu „Volksarmeen" umgewandelt und neue linksradikale provisorische Regierungen gebildet. Schon am 17. Juli 1940 musste die terrorisierte Bevölkerung die Einheitslisten für den „Verband des werktätigen Volkes" wählen. Die Ergebnisse überraschten nicht. In Estland erhielten die Einheitslisten 92,9 v. H., in Lettland 97,6 und Litauen 99,2 v. H., wo durch einen Regiefehler das Ergebnis schon einen Tag vor der Stimmzählung bekanntgegeben wurde. Am 20. Juli 1940 traten die neugewählten Volksversammlungen gleichzeitig zusammen und beschlossen mit erhobenen Fäusten die Umgestaltung der drei Staaten zu sowjetischen Räterepubliken und den Anschluss an die Sowjetunion. Molotow beschloss das historische Kapitel am 1. August 1940 vor dem Obersten Sowjet mit folgenden Worten: „Die Sowjetunion hat sich im Laufe des letzten Jahres um eine Bevölkerung von mehr als 23 Millionen Menschen vergrößert. Der Erfolg ist umso bedeutender, weil alles auf friedlichem Wege erlangt, wurde mit aktiver Unterstützung der breiten Volksmassen . . ."

 

Wie groß in Wirklichkeit die „aktive Unterstützung der breiten Volksmassen" war, beweisen die Massendeportationen nach Sibirien, die schon am 14. Juni 1941 begannen und, von der deutschen Rückeroberung kurz unterbrochen, im Jahre 1949 bereits die Zahl von 1,5 Millionen (von insgesamt sechs Millionen) Balten erreicht hatten, in dem gleichen Jahre also, in dem am 28. September die zehnjährige Frist für die gegenseitigen „Hilfspakte" abgelaufen war ...

 

 

Seite 1   Offiziere und Politik.

Die alte Armee ist tot Die neue muss auf neue Fundamente gestellt werden, wobei bestimmte bleibende Werte des Soldatentums natürlich nach wie vor ihre Geltung behalten werden. Soldaten müssen befehlen, gehorchen und sterben können. Führende Soldaten müssen jene Klarheit und Nüchternheit besitzen, die zur richtigen Einschätzung der eigenen wie der feindlichen Kraft unerlässlich sind, gleichzeitig aber auch den Mut zum Wagnis aufbringen, ohne den man zwar Kriege führen, aber nur selten gewinnen kann. Vor allem aber braucht der Soldat, der Berufssoldat vornehmlich, das feinste und empfindlichste Ehrgefühl und das menschlichste Gewissen, die ihm in der Barbarei des Krieges davor bewahren, selbst zum Barbar zu werden. Der General York bat 1815 vor Laon mit Tränen in den Augen seine Soldaten, von weiteren Plünderungen bei den Franzosen abzusehen, selbst wenn sie einmal hungern müssten. Er wolle nicht General von Räubern heißen, die ihre gute Sache mit Schande befleckten.

 

Das ist das, was wir unter bleibenden Werten verstehen. Es sind Werte des Geistes und Charakters, die an Formen nicht gebunden sind. Die Formen eines gegenwärtigen Soldatentums sind daher nicht traditionsgebunden. Wir meinen dabei weder das Technische noch das Organisatorische. Wir meinen das Verhältnis zwischen Volk und Wehrmacht; wir meinen die Formen, unter denen die Menschen des Volkes in einer zukünftigen deutschen Wehrmacht leben sollen. Wenn das Wort nicht mit so vielen Ressentiments beladen wäre, würden wir sagen: Wir meinen die Demokratisierung der Wehrmacht.

 

Jedenfalls muss die militärische Pädagogik der Zukunft viel stärker als in der Vergangenheit auf die großstädtische Bevölkerung, auf die beweglichen, kritischen, intelligenten Arbeiter und Angestellten Rücksicht nehmen. Das bedingt allerseits einen Abbau der allzu scharfen Unterschiede zwischen Offizieren und Mannschaften; das bedingt andererseits den Aufbau der notwendigen Autorität und der unerlässlichen Rangordnungen auf erhöhten Anforderungen und die menschlichen und militärischen Fähigkeiten aller Führungschargen. Vom zukünftigen Offizier muss, gerade wenn man den Geist einer freien Kameradschaftlichkeit wünscht, mehr an Menschenkunde und Menschenbehandlung verlangt werden als früher.

 

Aus dieser Verantwortung wird sich auch das Verhältnis der Wehrmacht als eines Rechtsstandes im Volk zur Politik ergeben. Mit dem Schlagwort: „Der Soldat hat sich um Politik nicht zu kümmern!" lässt sich dieses Verhältnis allerdings nicht regeln. Gerade weil es keinen obersten Kriegsherrn mehr gibt oder weil das Volk zum obersten Kriegsherrn geworden ist, kann und darf der Soldat an den politischen Problemen des Volkes nicht vorübergehen. Von Parteipolitik allerdings wird er sich fernhalten; dort aber, wo es um Existenzfragen geht, muss er seine Meinung zu Gehör bringen können.

 

Wenn also der Chef der Abteilung Marine, Kapitän Zenker, das aussprach, was heute alle ehemaligen Soldaten und Offiziere der Marine bewegt, nämlich, dass die Großadmirale Raeder und Dönitz nach eigens dazu nachträglich geschaffenem Recht aus politischen und nicht militärischen Gründen verurteilt wurden und es feststeht, dass kein Makel an den Personen der ehemaligen Oberbefehlshaber der Marine sei, dann ist das sein gutes Recht, das ihm niemand verwehren sollte. Auch nicht der Bundesverteidigungsminister.

 

Gewiss, das mag Spannungen und Gefahren erzeugen. Um diese Gefahren zu bestehen, werden höchster persönlicher Takt und Verantwortungsgefühl allein nicht ausreichen. Vielmehr wird eine gründliche politische Schulung aller höheren Offiziere notwendig sein und daneben die Schaffung eines Koordinierungsorgans zwischen politischer und militärischer Führung. Der Zweck muss sein, ebenso die Offiziere mit dem Geist und den Bedürfnissen der politischen Arbeit wie die Politiker mit den inneren und äußeren Notwendigkeiten der militärischen Arbeit vertraut zu machen. Dr. A. K. 

 

 

Seite 2   Familienpolitik oder staatliche Kinderfürsorge?

Im Zuge der Entwicklung vom Agrarstaat zum Industriestaat hat sich ein Umbau unserer Wirtschafts- und Sozialordnung vollzogen, der grundsätzlich auf Einzelmenschen und kollektive Institutionen ausgerichtet ist. Man wurde sich gar nicht dessen bewusst, dass die Familie in der agrarischen und handwerklichen Struktur des vorigen Jahrhunderts entscheidender Träger wirtschaftlicher Produktionsfunktionen gewesen war und dadurch für die Familienglieder gerade auch bei mehreren Kindern gesicherte Existenzmöglichkeiten bot. Kinder waren damals — auch wirtschaftlich gesehen — Nutzen, nicht Belastung.

 

In der industrialisierten Gesellschaft verlor die Familie für die meisten ihre Funktion als gesunde wirtschaftliche Produktionsgemeinschaft, sondern der einzelne außerhalb der Familie bei fremden Arbeitgebern den für alle gleichen Leistungslohn verdiente, von dem der eine einen, der andere acht oder zehn Familienangehörige zu unterhalten hatte.

 

Das Ergebnis dieser Entwicklung war, dass Familien mit mehreren Kindern — gewiss nicht bewusst, aber tatsächlich — aus ihrer sozialen Schicht ausgestoßen wurden, da der Leistungslohn bei größeren Familien wirtschaftlich ein „Mitkommen" mit den anderen einfach nicht mehr zuließ. Die meisten Familien reagierten darauf durch so radikale Einschränkung der Zahl ihrer Kinder, dass der Bestand unseres Volkes für die Zukunft nach wissenschaftlichen Feststellungen nicht mehr gesichert ist.

 

Die Gemeinschaft hat gar nicht gemerkt, dass sie durch dieses Verhalten unseren Familien mit Kindern schweres Unrecht tat. Das verfassungsmäßig garantierte Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit sollte eigentlich verbieten, ohne Gegenmaßnahmen einer Entwicklung freien Lauf zu lassen, die unsere Eltern hindert, die Kinder zu haben, die in Verantwortung vor Gott und ihrem Gewissen großzuziehen ihre Lebensaufgabe ist. Diese Erkenntnisse liegen nun in unserer Denkschrift über den Familienlastenausgleich auf wissenschaftlicher Grundlage klar vor uns. Jetzt geht es darum, aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen, die andere Länder längst gezogen haben.

 

Bei diesen Konsequenzen geht es beim Thema Kindergeld nicht zuletzt um die Entscheidung, ob wir die Dinge mit den Augen eines kollektivistischen Sozialismus sehen, für den der Mensch dienendes Rädchen an der großen Gesamtmaschinerie ist, oder ob wir im Sinne des Solidaritätsgedankens innerhalb jeder beruflichen Schicht zu einem gerechten Ausgleich zugunsten der sozial deklassierten Familien bereit sind.

 

Organisch innerhalb jeder Schicht, nicht bloß schematisch etwa nur da, wo wegen nackter Existenznot soziale Fürsorge geboten erscheint. Es kann doch gerade auch in den kulturell so wichtigen Mittelschichten und im gehobenen Mittelstand nicht bei der sozialen Bestrafung der Familie verbleiben, die zum Großziehen mehrerer Kinder bereit sind.

 

Also keine Kinderalmosen aus Steuermitteln an sozial Hilfsbedürftige mit Einkommenshöchstgrenzen, sondern staatspolitische Gerechtigkeit durch Wiederherstellung einigermaßen gleicher Lebenschancen auf der Ebene des durch Leistung erreichten sozialen Niveaus! Der notwendig gewordene Familienlastenausgleich ist kein Akt staatlicher Fürsorge, sondern vor allem ein Akt berufsständischer Solidarität.

 

Die nächsten Monate werden zeigen, ob wir schon so „verkollektiviert" sind, dass wir auch diese Aufgabe total dem obersten staatlichen Kollektiv anlasten und damit weiter zum sozialistischen Versorgungsstaat fortschreiten wollen. Der Sozialismus wertet die Familie nicht genug, indem er fast nur den Staat und das Kind sieht und den Staat für das Kind sorgen lässt. Wir aber sehen das Kind eingebettet in die Familie und erst dann die Beziehungen zwischen der Familie mit ihren Gliedern und der Gemeinschaft.

 

Je sozialistischer der Staat ist umso abhängiger werden der Mensch und die Familie vom Kollektiv. Jede Ausweitung des kollektiven Machtbereichs bedingt zwangsläufig einen weiteren Verlust an Freiheit. Die Freiheit kann aber nur erhalten bleiben, wenn sie nicht egoistisch missbraucht, sondern in Solidarität genutzt wird.

 

Es wäre ein Zeichen des Bankrotts der Solidarität, wenn der sozialistische Kollektivversorgungsstaat für die Kinder durch egoistische Abschiebung weiterer Funktionen an das anonyme oberste Kollektiv in der (irrigen!) Annahme gefördert würde, dass dann „andere, bezahlen". Besitzen wir doch die sittliche Kraft, uns neuen Vermassungstendenzen durch gelebte Solidarität unegoistisch zu widersetzen? Das ließe wertvolle Abwehrkräfte gegenüber östlicher kollektiver Infiltration erkennen.

 

 

Seite 2   Bedrohung der „geistigen Freiheit"?

Zur Kontroverse über die Sperrung der Zuschüsse an den Sozialistischen Deutschen Studentenbund gab der Bundesminister des Innern folgendes bekannt: Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) wurde bisher wie andere politische Studentengruppen aus Mitteln des Bundesjugendplanes gefördert. In den Jahren 1951 - 1954 erhielt er insgesamt 42 310 DM. Für das Jahr 1955 wurde ihm ein Zuschuss von 15 000 DM bewilligt. Davon sind bis zum 19.07.1955 8 000 DM ausgezahlt worden. Weitere Zahlungen wurden gesperrt, nachdem der damalige Bundesvorsitzende des SDS im Juli-Heft 1955 der Zeitschrift „Standpunkt", dem Bundesorgan des SDS, den Deutschen Bundestag mit folgenden Worten verunglimpfte:

 

„Das gegenwärtige Treiben der Bonner Politiker ist ein einziger Schildbürgerstreich, Dieses Parlament der Ja-Sager ist keine verantwortliche Volksvertretung mehr; es ist dies selbst dann nicht, wenn man zugibt, dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter der Mehrheit des Bundestages steht. Die Aufgabe der Volksvertreter ist es nicht, immer das zu tun, was die Dümmsten für richtig halten".

 

Darauf wurde dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund mitgeteilt, dass die bisherige Förderung so lange nicht fortgesetzt werden könne, bis er von dieser Verunglimpfung der deutschen Volksvertretung abrücke. Das ist der ganze Sachverhalt. Wie darin eine „Bedrohung der geistigen Freiheit" gesehen werden kann, bleibt unerfindlich.

 

 

Seite 2   Keine Briefmarken mit ostdeutschen Motiven.

Seit mehr als zwei Jahren fordert die deutsche Öffentlichkeit deutsche Briefmarken mit ostdeutschen Motiven. Die Presse hat diese Forderungen klipp und klar begründet. Briefmarken sind die Visitenkarte eines Landes, sie sind die kleinsten und wirkungsvollsten Propagandamittel. Bundestagsabgeordnete und Vertreter der öffentlichen Meinung haben ihre Vorschläge präzisiert: Wir wollen Briefmarken mit Motiven, die an die Wiedervereinigung mahnen und an die deutschen Ostgebiete erinnern. Wir brauchen in unserer heutigen Zeit das Symbol und die Mahnung an das ganze Deutschland.

 

Auf einer Pressekonferenz Mitte Januar teilte Bundesminister Dr. Balke mit, er habe einen selbstverantwortlichen Kunstbeirat, der die graphische Gestaltung der Briefmarken übernommen hat. Da dieser Kunstbeirat heftig und oft unsachlich kritisiert worden sei, wäre es am besten, überhaupt keine Sondermarken herauszugeben, vor allem nicht für politische Propaganda. Der Kunstbeirat lehnte die von vielen Deutschen geforderten Motivmarken mit berühmten Bauten aus den deutschen Ostgebieten und aus Mitteldeutschland mit der Begründung ab: Die so gepriesenen Bildchen-Marken, die ein großflächiges Motiv, ein Gebäude oder ein Gemälde in Verkleinerung zeigen, entsprechen nicht der Kunstauffassung des Kunstbeirates. Der Hang zum Reportagebild und zur gefühlsbetonten Darstellung — wie z. B. von ostdeutschen Bauwerken — muss auf dem Gebiet der Briefmarke überwunden werden. Zurück zum Symbol.

 

Der Kunstbeirat wandte sich gegen die Forderung der Masse und weigerte sich, derartige „Bildchenmarken" zu schaffen. Gegen diese Einstellung werden sich breite Schichten der Öffentlichkeit wenden, auch wenn hier ein Gremium von Künstlern den Geschmack der großen Zahl umerziehen will. Auf die Eigengesetzlichkeit kann man sich berufen, wenn man im luftleeren Raum künstlerisch tätig ist. Wer lebensnah schaffen will, wer die Probleme unserer Zeit verstehen will, muss sich davon überzeugen lassen, dass es auch für die Gestaltung von Briefmarken eine öffentliche Meinung gibt, die nicht ignoriert werden darf. Wer für eine Fahrplankonferenz (am 05.10.1955) eine geschmacklose Marke herausgeben kann, darf sich nicht den berechtigten Forderungen verschließen, Briefmarken herauszugeben, die für gesamtdeutsche Interessen werben. Oder ist die Wiedervereinigung abgeschrieben?

 

 

Seite 2   Atomwaffen und Streitkräfte

Seit dem Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima beschäftigen sich die Fachleute in der westlichen und östlichen Hemisphäre nicht nur mit der Weiterentwicklung atomarer Waffen, sondern auch mit ihrer Verwendung bei einem — wenn auch leidenschaftlich abgelehnten — doch möglichen Krieg in Westeuropa. Auch bei der Planungsabteilung des deutschen Verteidigungsministeriums steht die Wirkung der Atomwaffen im Mittelpunkt aller Überlegungen und Planungen. Von ihrer richtigen Bewertung wird die Zusammensetzung der künftigen deutschen Streitkräfte nach Waffengattungen, Gliederungen und Bewaffnung weitgehend bestimmt werden.

 

Es ist deshalb begrüßenswert, dass gerade zu einem Zeitpunkt, da diese Fragen noch mitten im Fluss sind, der Verlag „Westunion — Offene Worte" als erster deutscher Verlag ein Buch herausgebracht hat, das sich mit der Problematik dieser Fragen auseinandersetzt. Es stammt aus der Feder des in Paris lebenden Oberstleutnant F. O. Mischke, der neben dem Engländer Liddel Hart und dem Amerikaner Fuller zur ersten Garnitur der international anerkannten Militärkritiker gehört.

 

Das Werk, von dem der Verfasser selbst betont, dass es nur eine Studie darstellt, weil das Vorstellungsvermögen eines Einzelnen nicht ausreicht sich den Ablauf eines Atomkrieges auszumalen, ist in seinen tief greifenden Untersuchungen und logischen Schlussfolgerungen von größter Bedeutung und Tragweite. Es dürfte deshalb über den Kreis der Fachleute hinaus auch jeden verantwortlichen Politiker, den alten Soldaten und die gesamte Allgemeinheit interessieren.

 

Die Technik übt stets einen entscheidenden Einfluss auf die Taktik aus, deren wesentliches

Element auf der Wechselwirkung von Feuer und Bewegung beruht. Die Taktik ist deshalb bestrebt, sich rechtzeitig dem jeweiligen Stand der Technik anzupassen, ja zu versuchen die mutmaßliche technische Weiterentwicklung im Voraus zu berücksichtigen. Um die Taktik von morgen zu verstehen, bedarf es einer Analysierung der Taktik von gestern. Das tut auch der Verfasser, indem er seinen Untersuchungen über die Atomkriegsführung eine objektive Untersuchung der taktischen Kriegsführung im ersten und zweiten Weltkrieg vorausstellt.

 

Waren es im ersten Weltkrieg die Maschinengewehre, deren überlegene Feuerkraft die Heere in die Erde zwangen und zum Stellungskrieg führten, so waren es im zweiten Weltkrieg die Panzerdivisionen, die unterstützt von Luftgeschwadern die kurze Periode der Blitzkriege ermöglichten. Erst die technische Entwicklung neuer Abwehrwaffen engte ihre Bewegungen ein und ließ die Abwehr mehr und mehr an Stärke zunehmen. Welchen Einfluss werden die Atomwaffen ausüben?

 

Selbstmörderische Atombombe

In der Wasserstoffbombe sieht Mischke ein so „selbstmörderisches" Mittel, dass er ihre Anwendung — zumindest zu Kriegsbeginn — für unwahrscheinlich hält. Keiner der Gegner wird sich dem Risiko einer schnell folgenden Vergeltung aussetzen. Weiter spricht gegen ihre Anwendung der Umstand, dass ein Angreifer schwerlich ein Gebiet zerstören wird, dessen unversehrter Besitz für ihn strategisch wichtig ist. Das trifft vor allem auf Verkehrs- und Industriezentren zu. Weiter wendet sich der Autor gegen die weit verbreitete Ansicht, dass schon einige Atombomben genügen würden, um in kurzer Zeit ein Weltreich zur Kapitulation zu zwingen. Auch in einem Krieg von morgen wird die militärische Entscheidung auf dem Schlachtfeld fallen, wobei allerdings die taktischen Atomwaffen, die Atomartillerie und Raketenbataillone ein gewichtiges Wort mitsprechen werden.

 

Kein Verzicht auf die klassischen Waffen

Der besondere Charakter der neuen Kriegsmittel macht einen Vergleich mit den herkömmlichen Waffen schwierig. Nur so viel sei angedeutet, dass ein einziges Geschoss der Atomartillerie — zumindest theoretisch — auf ein Gebiet von rund 10 Kilometer Umkreis zu wirken vermag, wobei allerdings die Wirkung die am Explosionspunkt am größten ist im proportionalen Verhältnis zur Entfernung von ihm schnell abnimmt. Mit der Erfindung der Atomwaffen hat sich die Feuerkraft vertausendfacht. Diese Tatsache, die die Atomwaffen zur Beherrscherin des Schlachtfeldes macht, beraubt die anderen Waffen aber keineswegs ihrer Daseinsberechtigung. Infanterie, Artillerie und Panzerwaffen müssen sich wieder einmal neuen taktischen Gegebenheiten und organisatorischen Erfordernissen anpassen.

 

Es ist undenkbar, dass große Räume, sogar ganze Erdteile mit Maschinen allein verteidigt werden könnten. Trotz aller technischen Entwicklungen bleibt der denkende Mensch noch immer die verlässlichste „Kriegsmaschine". Bis heute gibt es noch kein technisches Instrument, welches das menschliche Hirn ersetzen könnte. Mensch und Maschine müssen sich deshalb auf dem Schlachtfeld von morgen ergänzen.

 

Dringliche und grundsätzliche Fragen

Die taktischen Atomwaffen mit ihrer ungeheuren Feuerwirkung dürften in einem Krieg von morgen wohl in erster Linie den Verteidiger begünstigen und die Abwehr zur überlegeneren Kampfart machen. Für eine Abwehr aber hält Mischke die jetzt üblichen, voll mechanisierten „Mammutdivisionen" für ungeeignet und auch für zu kostspielig. Er glaubt und begründet dies auch damit, dass kleinere und zweckmäßig ausgestattete Verbände dieser Aufgabe nicht nur besser gewachsen, sondern auch weit billiger sind. Daraus folgert, dass bei der Planung und Festlegung von Rüstungsprogrammen außerordentlich Vorsicht geboten erscheint. Für uns Deutsche, die am Beginn einer Wiederaufrüstung stehen, verdienen die Untersuchungen des Autors deshalb besondere Beachtung.

 

Wenn immer schon Wehrpolitik, Strategie, Technik und Taktik mit einander eng verknüpft waren, so sind sie es in unseren Tagen ganz besonders. Die richtige Lösung dieser Probleme ist ebenso schwierig wie lebenswichtig, denn von ihrer richtigen Beurteilung kann unter Umständen die Zukunft der Nation, ja des ganzen Erdteiles abhängen.

 

Um die großen Wahrheiten

Wir stehen, so betont Mischke, vor der lebenswichtigen und zwingenden Aufgabe, neue Möglichkeiten zur Abwehr einer Aggression zu finden, die einerseits nicht die Gefahr eines Selbstmordes heraufbeschwören, andererseits aber Zweckmäßigkeit mit Wirtschaftlichkeit verbinden. Er fasst seine Untersuchungen in den wenigen lapidaren Sätzen zusammen.

 

„Der Führung, der es gelingt, ihre Organisation, ihre Rüstung und ihre Taktik den Formen eines zukünftigen Krieges am besten anzupassen, wird sich zweifellos entscheidende Vorteile sichern; andererseits besteht die große Gefahr, dass infolge fehlerhafter Schlussfolgerungen ungezählte Millionen für Kriegsgerät von nur beschränktem oder gar keinem Wert vergeudet werden. Es bedarf tiefschürfender Überlegungen, um die großen Wahrheiten zu finden, und — wenn sie freigelegt sind -, sie in ihrer vollen Bedeutung zu begreifen“. WML

 

 

Seite 3   Elbinger Häuser. Eine Heimatliche Plauderei. Von Bernhard Heister.

Foto: Alter Markt. Aufn.: Heister

Foto: Fachwerkspeicher. Aufn.: Holte Heister

Die Menschen bauen ihre Häuser nach ihrer Art. bestimmt durch die Tradition, durch ihre Abstammung, durch die umgebende Landschaft und das herrschende Klima, bedingt durch die zur Verfügung stehenden Baumaterialien. Die Bauten wiederum werden dann eigene Wesen, die ihrerseits die Menschen formen und prägen. Wenn wir also in unserer Erinnerung einige Elbinger Häuser beschwören, lassen wir damit die ganze alte Ordens- und Hansestadt lebendig werden. Wir erfahren an ihnen und durch sie die Art ihrer Menschen und warum sie gerade so waren, so werden mussten und auch heute noch so und nicht anders sind.

 

Meine eiste Begegnung mit den alten Elbinger Giebelhäusern fand auf den „Bei Schlägen" statt, die dem noch kleinen Jungen und seinen Spielkameraden ideale Tummelplätze bescherten.  Diese Beischläge Elbinger und Danziger Prägung waren den Hauseingängen vorgebaute steinerne Terrassen. In vergangenen Zeiten hielten hier die Bürger im Kreise ihrer Familie einen ruhigen Feierabend oder pflegten auch mit dem Nachbarn eine kleine Unterhaltung. Mehr und mehr mussten die Beischläge dem wachsenden Verkehr weichen und wurden abgebrochen.

 

Ein verständnisvoller Lehrer, der uns die Schönheiten der Heimatstadt sehen lehrte, veranlasste den Schuljungen, Giebelhäuser zu „sammeln". Mit einem Heft zog ich durch die Straßen und notierte alle alten Giebelhäuser, den Baustil und seine Eigenarten, versuchte, das Baujahr festzustellen und was es sonst zu bemerken gab.

 

Die meisten Häuser in der Altstadt waren, um Raum zu sparen, mit dem Giebel zur Straße gebaut. Ich erinnere mich eigentlich nur an ein mittelalterliches Langhaus, das Haus der Orgelbauanstalt Wittek, Wilhelmstraße 56. Es war mit seiner gotischen Fassade eins der schönsten alten Wohnhäuser unserer Heimat, nicht nur Elbings. Das Elbinger Bürgerhaus in der Anfangszeit der Stadt enthielt neben der Diele und den Wohnräumen, die in den unteren Geschossen lagen, in mehreren Stockwerken Speicherräume zum Lagern der Waren. Die stattlichsten erhalten gebliebenen Elbinger Giebelhäuser stammten aber aus einer späteren Zeit, etwa um 1600, und gehörten stilistisch der holländischen Renaissance an. Die Steinfiguren, die ihre Giebel schmückten, sind ein ursprünglich italienischer Baugedanke. Wir fanden die Steinfiguren auch in Danzig. Mit Danzig gemeinsam besaß Elbing auch ein zu einer besonderen Eigenart entwickeltes Barock, für das wir noch viele Beispiele in Elbing hatten, ebenso wie im klassizistischen Stil erbaute Häuser. Wir erlebten diese Häuser. Wenn wir nicht selbst in ihnen wohnten, dann hatten wir Freunde, die wir dort besuchen durften. Von der Straße her konnten auch die Fremden das Kamelhaus betrachten, eines der bekanntesten Renaissance-Häuser Elbings aus dem Jahre 1651. Wir aber zwängten uns auf dem Boden durch die engen Luken auf das Dach, klopften dem steinernen Kamel, das den Giebel schmückte und dem Haus den Namen gab, freundschaftlich auf den Achtersteven und betrachteten die Welt von oben.

 

Wir wussten, dass das mittelalterliche Elbing, eine Backsteinstadt gewesen ist, wie es Danzig, Stralsund, Rostock, Wismar und vor allem Lübeck waren. Diese Städte waren wie Schwesternstädte — mit Ausnahme Lübecks — das Elbings Mutterstadt ist ebenso wie die vielen der Hansestädte an der Ostsee. Wenn wir Elbinger Kinder unsere Stadt unsere Mutter nennen, ist Lübeck also gewissermaßen die Ahne. Wir fühlen uns wohl darum in Lübeck zu Hause, als kämen wir zur Großmutter zu Besuch, wenn wir heute dorthin fahren, da wir zum Mütterchen Elbing nicht mehr dürfen. Außer den gleichen Bauten, dem gleichen Stil der Häuser und Kirchen hat Lübeck wie eine gute Großmutter auch noch anderes „Spielzeug" der Mutter Elbing für ihre Enkel bereit. Ich meine die Dampfer „Flora" und „Liep" der Reederei Zedler, die uns einstmals nach Kahlberg fuhren und die wir jetzt auf der Trave wiederfinden. Auch von Elbings Schwesterstadt Danzig, der „Tante" also von Elbings Kindern, hat Lübeck kostbare Angedenken in seiner Obhut, das Glockenspiel von St. Katharinen, das jetzt von St. Marien ertönt.

 

Doch zurück nach Elbing. Ein Bild von der Brückstraße nach dem großen Brande der Nicolaikirche im Jahre 1777 zog uns immer in seinen Bann. Die Häuser mit den schiefen Buden davor, die dem Verkauf dienten, erregten unsere Phantasie. Wir kannten auch selbst an anderer Stelle noch ein paar solche alten Verkaufsbuden. Vor den kleinbürgerlichen Mietshäusern Fischerstraße 11 aus den Jahren 1787 und 1657 standen noch in unserer Zeit niedrige hölzerne Buden, in denen Fische verkauft wurden und ein Schuster seine Werkstatt hatte (Foto: Das Kamelhaus). Die behelfsmäßigen Ladengeschäfte in den zerstörten Städten nach dem letzten Kriege erinnerten oft an die Buden an der Propstei zu Ende des 18. Jahrhunderts und an die in der Fischerstraße.

 

In dem im Jahre 1624 erbauten Hause der Kramerzunft Wilhelmstraße 29 waren das Elbinger Heimatmuseum, Carl-Pudor-Museum genannt, und, wo gibt es wohl noch in einem Museum eine Weinstube? Beides vertrug sich gut miteinander, im Museum die Alt-Elbinger Zimmer mit den Möbeln und Stühlen im Danzig-Elbinger-Barock, die Pomehrendorfer Bauernküche und die Weinstube mit ihren schweren alten Möbeln in dem Hause, in dem schon früher ordentlich gezecht wurde.

 

Es gäbe von alten Portalen, Dielen und Treppen viel zu erzählen, aber wir wollen jetzt auf die Speicherinsel hinüberwandern, auch ein Spielgelände Elbinger Jungen. Die Fachwerkspeicher der Speicherinsel verdanken ihr Entstehen im 14. Jahrhundert dem Ausdehnungsbedürfnis der Stadt. In ihren engen Mauern wurde immer mehr Wohnraum benötigt, so dass man sich entschloss, die Lagerräume gesondert zu errichten und sie mit Wall und Graben umgab. Weil die Menschen im Mittelalter lange nicht alle lesen konnten, gab man den Speichern Namen wie „Der Storch" — „Die weiße Taube" — „Der alte Wolf" — „Neptunspeicher" und „Kaiser". Man malte ein entsprechendes Bild auf ein an den Speichern angebrachtes Schild so dass sich jeder zurecht finden konnte. Schönstes Spielzeug meiner Kinderjahre war ein von Vater und Onkel nach großem Vorbild selbst erbauter Spielspeicher mit Luken, mit einer Seilwinde und dazu gehörigen Säcken und Fässer.

 

Wir wollen jedoch auch Elbings Gotteshäuser nicht vergessen. Schaute man vom Markttor hinüber nach St. Marien, so reckte es sich gewaltig empor wie ein kniender Beter mit hoch erhobenen Händen. Bald nach der Gründung der Stadt entstand St. Marien als Klosterkirche der Dominikaner auf Eichenrosten errichtet. Die Kirche des Bettlerordens durfte nur einen Dachreiter besitzen und keinen großen Turm, der bei den Dominikanern als Hoffahrt verpönt war. Elbings Handwerker arbeiteten in ihrer Freizeit um Gottes Lohn an dieser Kirche. Die Schiffer verrichteten dort ihr Gebet, bevor sie auf große Fahrt gingen. Im Kreuzgang und im Klosterhofe ruhen die Kaufleute aus London neben denjenigen von Elbings Artushof. St. Marien, später die evangelische Hauptkirche Elbings, barg Elbings schönsten Altar mit Darstellungen aus dem Marienleben. Die Figur der Maria war zu öffnen und zeigte in ihrem inneren Gottvater, der Christus am Kreuze vor sich auf dem Schoße hielt. Auf den geöffneten Türen des Altars knieten anbetend neben verschiedenen anderen Personen der Hochmeister, der Papst und Kardinäle.

 

Wie vergessen träumte die St. Georg Kapelle am Georgendamm vor sich hin. Sie Stammte aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Weiß waren die Wände, durch die zum Teil noch das Fachwerk schimmerte, farbig die Holzdecke, die Chorbrüstung, die Kanzel und die Bildwerke, die später im Städt. Museum zu sehen waren. Wir können uns heute nicht vorstellen, dass wir St. Georg solch ein Leben im Schatten führen ließen. Die große Zerstörung und der Verlust so vieler Werte hat uns auf das Verborgene achten gelehrt. Von da aus gesehen, wäre dieses Kirchlein der Ort gewesen, eine kleine andächtige Gemeinde zu sammeln, eine Stätte guter geistlicher Musik am Abend zu sein.

 

Dchi es zieht uns hinaus aus den Mauern der Stadt. Wir besuchen Ackerbürgerhäuser in Grubenhagen und auf Pangritz-Kolonie. Grubenhagen war von jeher als der Küchengarten der Stadt bekannt. Zum niedrigen Haus gehörte Stall und Schuppen, manchmal auch eine Scheune. Hier ging die Stadt langsam in das sie umgebende Land über. Auf Pangritz-Kolonie wohnten die alten echten Elbinger, die mir ein Freund aus ihren Gesprächen so trefflich charakterisierte: „Kannste Tauben züchten und Recksack  =  Schifferklavier) spielen?" Wir merken, dass Elbing keine ganz kleine Stadt mehr war, weil es von gar so vielen Häusern zu berichten gibt. Das Stadttheater ist 1846 erbaut und 1911 umgebaut worden. Es war eine Stätte vieler froher und ernster Stunden.

 

Auch die neueste Zeit baute Häuser, die sich sehen lassen konnten. Da war die Jahnschule mit den sie umgebenden Parkanlagen und dem Jahn-Sportplatz. Es war schon recht weit in der Sonnenglut vom Bahnhof durch die ganze Stadt zur Turnhaus-Jugendherberge zu tippeln, denn wer, der zum ersten Mal nach Elbing kam, kannte den Weg „außen herum" über Wittenfelde zu den Heimstätten. Das Turmhaus aber war eine Stätte echter fröhlicher wandernder Jugend, kein Jugendhotel.

 

Natürlich gab es moderne Gaststätten. Es saß sich gut im Rathauskaffee in weichen Polstersesseln oder an warmen Sommerabenden auf der Terrasse, wenn das Leben auf den Straßen langsam schlafen ging.

 

Am Friedrich-Wilhelm-Platz war die Hansa-Buchhandlung, eine Buchhandlung, in der man Bücher liebte und nicht nur verkaufte. Herr Mosch und seine tapfere kleine Frau holten manchen Autor ihrer Bücher zu einem Vortragsabend nach Elbing.

 

Wenn wir heute durch neuerbaute Siedlungen gehen, so denken wir an die schmucken Heimstätten-Häuser daheim, schreiten in Gedanken durch die heimatlichen Straßen und gedenken der vielen fleißigen Menschen, die in all den Häusern wohnten.

 

Das alte Elbinger Rathaus in den Jahren 1779 - 1782 im Zopfstil auf dem Neuen Markt erbaut, im Jahre 1890 abgerissen und durch das uns bekannte ersetzt, haben wir alle kaum mehr gekannt. Es war vielen von uns dennoch nur von Bildern her im Ebenmaß seiner Proportionen, durch die es den Neuen Markt zu einem der geschlossensten und schönsten deutschen Marktplätze gemacht hatte, ein wertvoller und unverlierbarer Besitz. Es ist mit allem anderen, das in unserer Erinnerung lebt, ebenso, wenn wir es wollen. Wir werden in den Städten, durch die wir gehen, in denen wir heute leben, immer der Fernen gedenken und immer Vergleiche ziehen. Die alte Stadt im Osten ist uns das Maß aller Dinge geworden, nicht in dem Sinne, dass dort alles besser war, aber unsere Stadt gab uns immerhin eine Grundlage, und im übrigen — sie kann bestehen.

 

 

Seite 3   Ein Flüchtlingsdorf wächst aus dem Moor.

Wo sich noch vor ein paar Monaten Fuchs und Hase „Gute Nacht!" sagten, wächst gegenwärtig ein neues Bauerndorf aus dem Boden. Mitten im Wietigsmoor hat die hannoversche Siedlungsgesellschaft im Bereich der Kulturämter Verden und Osnabrück mit dem Bau von 15 mittleren Bauernhöfen begonnen. Für die meisten Bauvorhaben ist das Material bereits angefahren. Auch die Ausschachtungsarbeiten sind größtenteils beendet.

 

Mit überdimensionalen Dampfpflügen und modernsten Kultivierungsgeräten wurden im Wietingsmoor im vergangenen Jahr rund 190 ha Ödland kultiviert. Hohe Summen hat die niedersächsische Landesregierung für dieses Vorhaben investiert — und hohe Summen werden auch noch die Einrichtung und der Aufbau der einzelnen Höfe verschlingen. Es müssen Maschinen, Geräte, Vieh und die Saat beschafft werden. Einem neuen Hof fehlt es an allen Ecken und Enden. Bis sich die ersten Erfolge zeigen, darüber werden Jahre vergehen. Dazwischen liegt aber viel Mühe und Arbeit, die nicht allein von den Siedlern getragen werden kann, denn aller Anfang ist schwer, besonders aber für einen Jungbauern, der plötzlich vor einer völlig veränderten Situation steht.

 

Aber auch die Landesregierung und die Siedlungsgesellschaft haben diesem Umstand Rechnung getragen. Ankaufs- und Einrichtungskredite werden den Siedlern die Möglichkeit geben, die nötigen Wirtschaftsgüter, das lebende und tote Inventar zu beschaffen. Die Tilgung dieser Darlehen ist auf einen größeren Zeitraum befristet und teilweise sogar zinslos. Dennoch machen sich die Neubauern keine Illusionen: das Moor geizt mit seinen Schätzen, wer nicht seine ganze Persönlichkeit einsetzt und die Arbeitskraft der ganzen Familie, dem wird der Erfolg auch auf einem großzügig eingerichteten Siedlungshof versagt bleiben.

 

Die einzelnen Höfe umfassen etwa 10 bis 15 Hektar jungfräulichen Bodens. Als Siedler kommen, außer Heimatvertriebene auch vereinzelt einheimische Jungbauern in Betracht. Es sind durchweg Vollbauernstellen, für die nur Bewerber mit sehr guter fachlicher und charakterlicher Eignung berücksichtigt werden konnten. Alle Bewerber mussten den Siedlungseignungsschein vorweisen, der nur bei Erfüllung sämtlicher Bedingungen und Voraussetzungen von den Siedlungsberatungsstellen ausgestellt wird.

 

Das Wietingsmoorprojekt zählt gegenwärtig zu den größten Siedlungsvorhaben dieser Art im norddeutschen Raum. Praktisch entsteht dort ein neues Bauerndorf, politisch werden die einzelnen Höfe allerdings den nächstliegenden Gemeinden eingegliedert. Die Baugrundstücke gehören einmal zur Gemeinde Wehrbleck und zum anderen zur Gemeinde Barv?r. Mitten hindurch führt die Bundesstraße 214. Aber auch die Grenze der Kulturämter Verden und Osnabrück läuft mitten durch die neue Siedlung. Die Kulturämter haben sich jedoch nicht stur an diese verwaltungstechnische Grenze gehalten, sondern sich mehr nach der Zweckmäßigkeit in der Aufteilung der Ländereien gerichtet.

 

Die Gebäude der Bauernhöfe werden in Form und Gestaltung weitgehend dem niedersächsischen Stil angepasst. Moderne Erkenntnisse auf dem Gebiet landwirtschaftlicher Bauten wurden von den Architekten bereits einkalkuliert und verwertet. Die Siedler sind jedoch teilweise mit der Aufteilung der Räumlichkeiten unzufrieden. Sie waren auf den Höfen ihrer Heimat an große Zimmer, an weiträumige Stallungen und Scheunen gewöhnt. Die Architekten haben zwar auch daran gedacht, aber die Mittel waren nicht so umfangreich, dass sie im alten Stil hätten planen können. So blieb ihnen nur die Möglichkeit, den vorhandenen Raum praktisch und zweckmäßig einzurichten.

 

Neben den zahlreichen Schwierigkeiten um die Beschaffung der notwendigen Mittel für die Kultivierung und den Ausbau der Siedlerstellen, stellte sich dem Projekt auch die britische Besatzungsmacht entgegen. Sie beanspruchte das Gelände für den Schießplatz der RAT. Das Gelände liege im Gefahrenbereich, argumentierten die Engländer. „Macht nichts!" sagten die Siedler, „wenn wir nur eine Existenz bekommen, auf der wir leben und arbeiten können". „Die Behauptung der britischen Besatzungsmacht stimmt nicht", behauptet der Sachbearbeiter des Kulturamtes Verden. „Nur ein winziger Zipfel reicht in das Randgebiet des Schießplatzes hinein. Von einer Gefahr kann keine Rede sein.

 

Ein ähnlich geschlossenes Siedlungsprojekt wird für die kommenden Jahre auch im Raum Maasen bei Sulingen geplant. Es soll sich bis in das Gebiet Vogtei bei Nienburg erstrecken. In Niedersachsen wurden in den letzten sechs Jahren insgesamt 19342 Stellen mit einer Fläche von rund 112 000 Hektar Land an Vertriebene Landwirte übergeben. Nirgends sind größere Schwierigkeiten eingetreten. Diese Erfolge haben die Landesregierung angespornt, ständig neues Land und damit neue Existenzgrundlagen zu schaffen. Noch warten aber 300 000 vertriebene Bauernfamilien im Bundesgebiet auf eine Ansiedlung. Bund und Länder haben allerdings nicht die Mittel um eine zügige Kultivierung sämtlicher Moore und Ödländereien durchzuführen, obwohl die Regierungen genau wissen, dass allein ein Gebiet wie das Witingsmoor rund 70 000 Menschen ernähren könnte.

 

 

Seite 3   Verband der Ostdeutschen Chöre gegründet.

Anlässlich einer Chorleitertagung in Köln im November vergangenen Jahres ist der „Verband der Ostdeutschen Chöre im Verband der Landsmannschaften (VdL) Nordrhein-Westfalen" gegründet worden. Aufgabe des Verbandes ist die Pflege ostdeutscher Chormusik und ostdeutschen Liedgutes, um das ostdeutsche Kulturgut lebendig zu halten und weiterzutragen. Im Besonderen soll der Verband durch Chorfeste das Gemeinschaftsgefühl stärken, durch Chorleiterschulungen den Leistungsstand fördern und die angeschlossenen Gruppen durch Auswahl geeigneter Chorliteratur beraten.

 

Mitglied des Verbandes, der keine Mitgliederbeiträge erhebt, kann jeder ostdeutsche Chor und Singerkreis im Lande werden, der sich zu diesen Zielen des Verbandes bekennt.

 

Im Regierungsbezirk Arnsberg hat sich bereits eine Anzahl ostdeutscher Chöre zum „Bezirksverband Reg.-Bez. Arnsberg" zusammengeschlossen. Um eine noch weitgehendere Erfassung der Chöre möglich zu machen, werden die Leiter oder die Vorsitzenden der ostdeutschen Chöre oder Singerkreise, die bisher noch nicht vom Bezirksverband ausgeschrieben wurden, gebeten, sich unter genauer Angabe ihrer Anschrift zu melden bei: Landsmann Otto Weber, Herne (Westf), Amalienstr. 11. Dies gilt nur für Chöre innerhalb des Reg.-Bez. Arnsberg.

 

Bei landsmannschaftlich gemischten Chören werden die ostpreußischen Chorsänger gebeten, ihre Leiter oder Vorsitzenden auf diesen Artikel aufmerksam zu machen.

 

Für die benachbarten Bezirke gelten folgende Anschriften:

 

für den Reg.-Bez. Düsseldorf Dr. A. Schnabel, Viersen, Bismarckstraße 11;

 

für den Reg.-Bez. Münster Landsmann Kijora, Oelde, Emigerloher Straße 14;

 

für den Reg.-Bez. Köln Landsmann Mahnke, Köln, Barbarastraße 30;

 

für den Reg.-Bez. Detmold Landsmann Bittner, Lage, Im Bruch 5.

 

Es ist zu hoffen, dass sich die Tätigkeit des Verbandes fördernd auf die Chorarbeit auswirkt im Dienste für unsere ostdeutsche Heimat

 

 

Seite 4   Memel – Die älteste Stadt Ostpreußens. Kein Kontrollbeschluss ist berechtigt, völkerrechtliche bindende Entscheidungen zu fällen.

In einem deutschen Verlage ist vor längerer Zeit eine Landkarte erschienen, die den Sonderaufdruck „Deutsche Heimat im Osten“ trägt. Auf dem vielfarbigen Kartenbild ist das Gebiet der ostpreußischen Memelkreise – deutlich gegenüber dem Gebiet anderer Länder abgegrenzt. Als nicht zu Ostpreußen bzw. zur Deutschen Heimat im Osten“ gehörig sind somit die Gebietsteile der Provinz: Memel-Stadt, Memel-Land, Heydekrug, Pogegen herausgestellt.

 

In einem anderen Verlage erschien eine Karte „Heimat Ostpreußen" die auch als Provinzkarte das Gebiet der Memelkreise nicht einschließt.

 

In Taschenkalendern für die deutsche Jugend sind mit der Kennzeichnung „Länderkunde" und „Geschichte" unter der Überschrift „Deutschland heute" Kartenbilder abgedruckt, auf denen das Gebiet der ostpreußischen Memelkreise als zur UDSSR gehörig dargestellt ist und das Danziger Gebiet zu Polen gehörig.

 

Die genannten Beispiele sind lediglich herausgegriffen aus der Fülle von Darstellungen verwirrender Grenzverhältnisse der unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete. Heimatpolitische Erziehungsarbeit an der deutschen Jugend und die Vermittelung eines wahren Begriffes von „Der Deutschen Heimat im Osten" an die Jugend der Welt erfordern eine Darstellung der wahren völkerrechtlichen Verhältnisse auf Landkarten und auch in Taschenkalendern.

 

600 km ostwärts der Oder-Neiße-Linie liegt Memel - die älteste Stadt Ostpreußens. Nachfolgende Ausführungen zur „Kartenfrage" der Memelkreise sind der Schrift „Das Memelland" von Richard Meyer, Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises, Heft 12, erschienen im Holzner - Verlag, Kitzingen/Main entnommen.

 

„Die Stadt Memel und der Memelstrom haben dem nördlichen Ostpreußen den Namen und das Gepräge gegeben. Früher hat man nur von der „Memelniederung" gesprochen. Damit meinte man das Memeldelta. Die Bezeichnung „Memelland" ist kaum verbreitet gewesen. Jedenfalls hat man den Namen „Memelland" nicht in dem Sinne angewandt, wie das in Ostpreußen bei „Samland", „Ermland" üblich war. Von einem wirtschaftlich, kulturell oder gar politisch bestimmten „Memelland" konnte also gar keine Rede sein, und doch hat man 1920 durch die Abtrennung des Landstriches nördlich der Memel (2657 qkm mit 150 000 Einwohnern) einen solchen Begriff schaffen wollen. Man hat die Memel willkürlich zur Grenze gemacht und die amtliche Bezeichnung „Memelgebiet" eingeführt. Die Memel ist aber niemals eine Trennungslinie gewesen. An beiden Ufern wohnten dieselben Menschen, nämlich Ostpreußen. Eine wirkliche Grenze gab es nur im Norden des Gebiets gegenüber Litauen, die dort 500 Jahre hindurch bestanden hat.

 

Auf Grund des Versailler Diktats, ist das Memelgebiet gegen den Willen der Bevölkerung gewaltsam abgetrennt und zur Verfügung der alliierten Mächte gestellt worden. Am 12.02.1920 gaben die Memeler den letzten deutschen Truppen schweren Herzens das Geleit zum Bahnhof, und am 14.02. erschien eine französische Besatzung. Es begann ein Schwebezustand unter einem französischen Gouverneur.

 

Weil der ganzen politischen Lage nach damals nicht daran zu denken war, mit Ostpreußen wieder vereinigt zu werden, hat sich die Bevölkerung für die Einrichtung eines Freistaates nach dem Danziger Muster entschieden. Das Statut für den „Freistaat Memelgebiet" sollte 1923 in Kraft treten. Da kam die litauische Regierung der Ausführung dieses Planes zuvor. Sie hatte mehrere Regimenter, die Zivilkleider erhalten hatten, in das Memelgebiet einmarschieren und bekanntgeben lassen, dass es sich um „eine Erhebung der memelländischen Bevölkerung gegen die Gewaltherrschaft der Franzosen" handele; das politische Interesse war damals dem Einmarsch der Franzosen in das Ruhrgebiet zugewandt, und die Alliierten dachten nicht daran, des Memelgebietes wegen einen Soldaten zu opfern. Sie erklärten sich bereit, das Memelgebiet der Souveränität Litauens unter der Bedingung zu unterstellen, dass ihm „zur Sicherung der überlieferten Rechte und der Kultur seiner Bewohner" eine territoriale Autonomie gegeben werde. Nach langen schwierigen Verhandlungen wurde die Memel-Konvention vom Völkerbundrat am 08.04.1924 verabschiedet. Danach sollte das Gebiet entsprechend dem Willen der Bevölkerung nach parlamentarisch-demokratischen Grundsätzen verwaltet werden.

 

Litauen aber dachte nicht daran, die Autonomie durchzuführen. Die litauische Regierung hat alles aufgeboten, um die Bevölkerung zu litaurisieren. Zu diesem Zwecke wurde auch 1926 der Kriegszustand eingeführt. Den Memelländern standen keinerlei Machtmittel zur Verfügung. Sie haben sich aber gegen die Gewalt gewehrt und in voller Einmütigkeit das ihnen international garantierte Recht zu verteidigen versucht.

 

Nachdem Deutschland außenpolitisch stärker geworden war, hat auch Litauen der veränderten Lage Rechnung getragen und 1938 den Kriegszustand aufheben müssen. Schließlich sah es sich veranlasst, durch einen Staatsvertrag vom 22.03.1939 auf das Gebiet zu verzichten. Das geschah ohne Gewaltanwendung. Jedenfalls hat die Bevölkerung des Memelgebiets diesen Staatsakt als eine Wiedergutmachung der willkürlichen Abtrennung im Jahre 1920 empfunden. Die Memelländer sind Ostpreußen gewesen und sind es geblieben. Der Kriegsausbruch von 1939 führte auch dieses Gebiet noch schweren Zeiten entgegen.

 

Seit 1945 untersteht der Norden Ostpreußens der russischen Besatzungsmacht. Im Gegensatz zu dem internationalen Völkerrecht hat die Sowjetunion das ehemalige Memelgebiet in Sowjetlitauen eingegliedert und die zurückgebliebene Bevölkerung gezwungen, für Sowjetlitauen zu optieren. In den Jahren 1922/1923 hat die Sowjetunion über die Einverleibung des Memelgebietes in den litauischen Staat anders gedacht.

 

Was damals verurteilt wurde, ist jetzt durchgeführt worden. Wollte sich die Sowjetunion bei der Einverleibung des Memelgebietes in Sowjetlitauen auf den Kontrollratsbeschluss von 1945 berufen, nach welchem die Grenzen Deutschlands von 1937 anerkannt werden sollen, so muss demgegenüber mit allem Nachdruck festgestellt werden, dass der territoriale Bestand des Deutschen Reiches durch internationale Verträge, also in diesem Falle durch den deutsch-litauischen Staatsvertrag vom 22.03.1939 festgesetzt worden ist und dass kein Kontrollratsbeschluss berechtigt ist, völkerrechtlich bindende Entscheidungen über die deutschen Grenzen zu fällen. Dieses Recht steht nur einem Friedensvertrage unter Beteiligung einer gesamtdeutschen Regierung zu“.

 

Am 2. und 3. August 1952 stand die festliche 700-Jahrfeier Memels in Hamburg mit Förderung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen im Mittelpunkt der Feiern am „Tag der Heimat". Am 23. Mai 1954 wurde der 15. Jahrestag der Wiedervereinigung des Memelgebiets mit dem deutschen Vaterlande in Anwesenheit des Bundesministers Kraft bei der Feier in Hamburg feierlich begangen.

 

Heute ist es notwendig geworden, dass alle Deutschen sich für die Drucklegung einer Landkarte einsetzen, die ein wahres Bild der „Deutschen Heimat im Osten" zeigt. Morgen und übermorgen ist es vielleicht zu spät! Günther Groebe

 

 

Seite 4   Musiker - Dichter - Maler – Jurist.  Zum 180. Geburtstag von E. T. A. Hoffmann — Königsberg war seine Geburtsstadt

Am 24. Januar 1956 feierten wir den 180. Geburtstag einer der merkwürdigsten aber auch bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Romantik: Ernst Theodor Amadeus Hoffmann. Wir wissen von E. T. A. Hoffmann heute eigentlich nur, dass er Novellen, Märchen und Erzählungen mit mehr oder weniger schaurigem Hintergrund verfasste, eine Vorliebe, die ihm im Volksmund den Spitznamen „Gespenster-Hoffmann" eintrug.

 

Aber Hoffmann war in seiner Zeit auch als Maler und Komponist bekannt. Von Haus aus war er Jurist. Nachdem er seine Studien in seinem Geburtsort Königsberg abgeschlossen hatte, finden wir ihn als Staatsbeamten in Berlin, Plosk und Warschau, wo er es aber nicht versäumte, neben seiner beruflichen Tätigkeit seine künstlerischen Neigungen weiter zu entwickeln. Die Eroberung Preußens durch Napoleon machte ihn brotlos. Er nahm deshalb eine Musikdirektorenstelle in Bamberg an. In dieser Zeit entstanden auch seine meisten Kompositionen, wie Lieder, Kammermusikwerke, Singspiele und Opern, sowie seine berühmt gewordenen Musik-Rezensionen.

 

Während Hoffmann in der Literatur völlig auf dem Boden der Romantik stand und hier neue Wege zeigte, war er als Komponist noch sehr von der Klassik eines Carl Philipp-Emanuel Bach, Mozart und Gluck abhängig. Erst in seinem letzten musikalischen Werk, der Oper „Undine", die 1816 in Berlin ihre Uraufführung erlebte, betritt er auch auf diesem Gebiet den romantischen Boden.

 

Nach seiner Bamberger Tätigkeit ist er noch für kurze Zeit in Leipzig und Dresden als Musiker tätig. Den Rest seines Lebens verbrachte er als Kammergerichtsrat in Berlin, wo er im Jahre 1822 an Rückenmarkschwindsucht verstarb.

 

Jedoch konnte unserer Gegenwart weder Hans Pfitzners Versuch, die Hoffmann'sche „Undine" wieder auf die Bühne zu bringen, noch die Inangriffnahme einer musikalischen Gesamtausgabe weitere Kreise für den Musiker E. T. A. Hoffmann gewinnen. Nur wenige Werke, besonders sein Harfen-Quintett, sind hin und wieder zu hören.

 

Aber Hoffmann wird weiter leben als dar skurrile Dichter des „Kater Murr“, „Elixiere des Teufels", „Der goldene Topf und der Phantasiestücke in Callots Manier". Unsterblich klingt sein Name auch weiter in Jacques Offenbache Meisterwerk „Hoffmann« Erzählungen“.

 

 

„Der Heimat schönste Lieder"

Die Abteilung Unterhaltung des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart hat an alle Landsmannschaften und Verbände der Vertriebenen im Einzugsgebiet des SDR eine Umfrage gerichtet, welche Heimatlieder bzw. Volkslieder der Vertriebenen am beliebtesten sind. Bei der Umfrage, die bis 1. März befristet ist, hat jede Ortsgruppe eine Stimme und kann damit das dafür in Frage kommende Lied dem Rundfunk mitteilen. Das Ergebnis der Umfrage, bei der jede ostdeutsche Landschaft berücksichtigt wird, sowie 7 Lieder mit der höchsten Stimmenzahl werden dann in einer für Anfang April vorgesehenen Sendung „Der Heimat schönste Lieder" wiedergegeben.

 

 

Eine Tagung der Lehrerschaft unter dem Thema „Ostlandkunde" fand am 19. Januar in Koblenz statt. Schulrat Münzel führte für seinen Schulaufsichtsbezirk Koblenz-Stadt erstmalig in Rheinland-Pfalz eine Pflichttagung in diesem Sinne durch. Erfreulich war auch die Teilnahme von Behördenvertretern. In seinem von Lichtbildern unterstützten Vortrag über „Die abendländische Bedeutung der ostdeutschen Volkskultur" ging Univ.-Prof. Dr. Schier, Münster auf die Formungskräfte des Abendlandes im ostdeutschen Raum ein und wies den hervorragenden Anteil ostdeutscher Menschen und ihrer Kultur an der geistesgeschichtlichen Entwicklung dieser großen Kulturgemeinschaft nach. In der Praxis ergebe sich daraus ein Anruf zur Erhaltung ostdeutscher Kulturwerte. — Der Leiter der Arbeitsgruppe „Ostlandkunde im Unterricht" in der Deutschen Pestalozzi - Gesellschaft, Lehrer Freitag, Iseringhausen, sprach dann über die „Praxis der Ostlandkunde im Unterricht". Oberstudiendirektor Dr. Kirchner, Köln, fand mit humorvollen und ernsten Worten in vielen sprachlichen Bildern und Vergleichen Beispiele für „die Grundzüge des ostdeutschen Geisteslebens". Schulrat a.D. Jahns sprach über die bisherigen Bemühungen und Ansätze zur Pflege der Ostlandkunde im Unterricht sowie über Aufgaben und Ziele der Deutschen Pestalozzi-Gesellschaft (als deren Geschäftsführer), daneben zeigte er eine Buchschau über den deutschen Osten, der reges Interesse entgegengebracht wurde. In der nächsten Lehrerversammlung soll die „Ostlandkunde-Tagung“ noch einmal diskutiert und ausgewertet werden.

 

 

Seite 4   Kein Feuer, keine Kohle ….

„Wenn man an den Wolf denkt, ist er gewöhnlich nicht weit!" Eben habe ich an Sie gedacht, liebe Mutter Loneit, und dass Sie schon lange nicht da waren zu einem Plauderstündchen — ordentlich Sehnsucht bekam ich nach Ihnen! Nett, dass Sie gekommen sind! Sie machen sich ja rar, Liebe! Und dabei haben Sie mir noch nicht mal erzählt, ob Ihre Cousine wirklich losgereist war und befriedigt wieder heimgekommen ist, nachdem sie schon so lange vor der Reise Vorbereitungen getroffen und in schönen Erinnerungen geschwelgt hatte!" „Na nu horche Se man hiede ook noch emaol op möt Ehre lang Anspraok un terrebble Se söck nich — dat ös jao doller, als wenne Eener Fötselband awmött anne iesre Eel! „Alles möt Maote" säd jen Schnieder, wi he sien Wiew motte Eel dem Puckel volljact. — Oih! eck mott mi sowieso erscht henhucke un verpuste — dat ös jao e Hött hiede" und Mutter Loneit sinkt in den Sorgenstuhl, langt das Buntgewürfelte heraus und trocknet sich umständlich die feuchte Stirn: Aus den vielen Fältchen ihres freundlichen Gesichtes perlt es wie moussierende Tröpfchen an einem Champagnerglas. „Dao kunn Eener rein dat Schweete krieje!" säd jen Marjell wi se dree Kinder op eenmaol kreej. — Aower wat renn eck Aop ook so — „Sie nich ömmer so hurr-hurr! Guste!" säd mien Ohler ön junge Jaohre ömma to mie, — aower dat ös all lang her un nu jacher eck dammlije Pröss op miene ohle Daog noch so als wenn mi eener wat fär dat betaohle michd! —

 

Un bloßig, dat eck Enne doch dem Niigkeit so rasch wi mäjlich bringe wull, als wenn mi de Niigkeit sonst undre Fingersch wechjeglutscht weer wi e Quall anne See, eck dammlije Aop!!

— Un nu huck eck hier un japp naoh Loft wi e Stint önne Patschemmer!" Mutter Loneit langt ungeachtet ihrer Atemlosigkeit nach dem angebotenen Glas und stürzt es hastig herunter.

 

„Aower mi dreew de Nischgier — eck mußd möt Enne kose, mien Dochter! — Eck mußd Enne dat doch vatelle und mott heere, wat Se to dat meene! Eck mott doch weete, wat dat to bediede häwt, denn eck si doch de Negst dato, wi Se ömma sejje!"

 

Mutter Loneit muss sich wieder verpusten, aber in Erinnerung des Nasenstübers, den ich bei meiner wortreichen Begrüßung einstecken musste, wage ich keine Zwischenfrage und warte ruhig ab, bis sie fortfährt. „Un nu schwiemschlaog eck hier wi ons ohl dampje Kobbel un kann kein Woort nich rutbringe — on eck sie ook noch nich maol röchtig önne Där bönne, dao schmiete Se mi e ganz Schettel voll Fraoges anne Kopp — un knalle mi ook foorts mien Cesine väre Latz, wo eck doch all so ön Faohrt sie un anjepuust kaom wi ons ohl Kurrhaohn, bloßig om Enne de Niigkeit von der to vertelle!

 

Na mien Dochter - - aower  noch kann eck nich, erscht motte Se mi noch e Glas von Enne gode Saft spendeere, mi klewt de Tung wi möt Kliester von Reggemehl anjetiedert on de mott wi nu erscht losiese!

 

Na Scheendank ook! — So, nu ward dat vleicht all gohne! „Aower nu man ömmer schön önne Reeg" säd jen Marjell önne Kasern, wi nach de Musketiers de Tambour ranwull. — Bät wo had eck Enne all vatellt?! — Jao röchtig, vonne sieden Tailj! Se had söck doch von ehr Hausratshilfe noch wat anne Sied jelejjt un beknäpe, wat eck gaonich wussd, un dao hadd se söck doch utstaffert wie so e Bruutjumfer — eck hadd Enne doch all vertellt, wie se söck vermoderneseert had sogaor mötte H-Lienje, ons Lien, E Opstand weer dat rein als wenn e Muus Kindelbeer jöwt on toletzt kunn se all gaonich mehr schlaope un nehm ömma Oppedeldock un Baldrejan ömma ömschichtig, tom Beruhje, aower denn reisd se doch ganz luchter los un leet söck nich haole. Na un denn keem se jao ook röchtich wedder trigg. Aower gaonich luchter wi e Bruutjumpfer mehr! So stöllke weer se ömma un sömmeleert ömma so sachtkes vär söck hen. Erscht docht eck jao, se weer vonne lang Reis so mötjenaohme un mussd söck erscht wedder terkowre. Aower wi dat nu so blew un se so rein nuscht nich von söck jäwe wull, dao müssd eck ehr denn doch e bät oppe Tehes träde:

 

„Lien" säd eck „ös Di dao ön Duisburg e Raosmock bejejent odder wat ös Di sonst väre Luus äwre Läwer jerennt? Vär dat, dat eck Di alle Heftfädems utriete mussd, kannst mi doch nu wenigstens wat Nies vonne Reis vatelle!" Denn so e bät nischgierig ös eener ook noch op siene ohle Daog, mien Dochter!

 

Aover nich rehr en! Eener mussd ehr rein utknutsche wie dem Hollundersaft dorche leiwendse Kodder! Wenn se denn op mien Fraoge so e bät vatellt had vonne Reis, denn huckd se wedder dao wi e Luus oppe Schorf un kickd Lecher önne Loft. Un so blew dat ook! Aower möt eens dao bedröckd eck ehr doch, wie se onsem ohle Breefdräjer opluurt — nu denke Se söck bloßich, mien Dochter, se luurd dem Breefdräjer op! „Lien" säd eck, „wat schaodt Di, Lien? Wat hast Du to luuere? Häst Du vleicht Heimlichkeite vär mi hinder mienem Puckel, denn sejj mi dat man bi Tiedens!" Dao kruusd se söck op wi e Kullbeersch: „Was Du Dich auch immer jleich denkst, Guste!“ aower se stöckd söck an rood wi e Kopperkeetel.

 

On nu hiede! Se hadd all önne Nacht so väl römmarachd undre Toddeck, on ömma so möt Süfze und Stähne, dat eck all Angst kreej möt ehr jing to End. Aower wenn eck denn froog: „Lien, häst Buukkniepe odder wat schaodt Di sinst?" denn jeew se kein Ton von söck un deed, als wenn se schnarkd. On hiede morje dao jött se doch statts önne Kaffeekann, wo all oppe Schaff paraod stunn, dem Kaffee önne Arwtesopp von jistre, wo wi hadde to Möddag warme wullt. Na un denn huckd se söck hen un fangt an to plinse. „Wat jrienst nu, Marjell!" säd eck. „Nu nömm dem Stöppel un gaoh un kick, ob op onsem ohle Karschebooem noch e paor Suurkarsche söck verkraope häwwe to Sopp, eck war Kartoffel schraope un riewe to Flinse un denn häw wi Möddag. Nu heer bloßich op möt Jriene — dat ös doch nich se e Maleer als wenn de Schnieder starwt un de Flöcker bliewe!" Se weete jao, mien Dochter, wi hebbe doch so e Ecke Gardke möt e Fleederbusch un e ohl scheew Karscheboom awjekräje.

 

Na se jeiht, ons Lien, aower kömmt nich wedder. Eck häbb all alle Kartoffels jeschraopt un jeräwe un dorch e ohl Nachtmötz noch von ons Mutterke dorchjedröckt — hiedjedaogs sätt jao keiner nich mehr so e Mötzke op, wat e graot Schaode ös, denn von dat häbbe se ook aller so ruuje Kepp wi terhackde Kraaje! - Un Lien kömmt un kömmt nich un eck mussd mi de Filzwusche awströpe un ön miene Ponsorre stieje un hen naoh onsem Gardke un kicke gahne. Un wat sull eck Enne sejje, mien Dochter? — Dao huckd doch ons Lien wi e Osterhaoske undre Kröstohrbeerebusch und hield und hield tom Gotterbarme! — Nu sejje se mi bloßich dat eene, mien Dochter: Wat bediet mi dat? - Häwt nu ons Lien ehr letzt bätke Verstand valaore odder wat bediet mi dat sonst? — Wat hole So von dat?" Wanda Wendlandt.

 

 

Seite 5   Sieben Millionen Polen in den deutschen Ostgebieten.

Die Militärmission der Volksrepublik Polen hat jetzt in deutscher Sprache einen Rechenschaftsbericht über die Wirtschaftsentwicklung der sogenannten polnischen Westgebiete seit Kriegsende veröffentlicht. Darin wird zum ersten Male eine ausführliche Bilanz des wirtschaftlichen Wiederaufbaues in den deutschen Provinzen Schlesien, Pommern und Ostpreußen gegeben. Wenn auch die Angaben mit äußerster Vorsicht zu betrachten sind, so geben sie doch einen gewissen Überblick über die Entwicklung Ostdeutschlands in den letzten zehn Jahren.

 

Nach polnischer Darstellung waren bei Kriegsende jenseits der Oder-Neiße-Linie 2,5 Millionen Personen zurückgeblieben. Abzüglich der Ausweisungen und zuzüglich der Einwanderung aus Ost- und Mittelpolen leben heute in den polnisch verwalteten Gebieten 7 Millionen Polen. Die Bevölkerungsstruktur hat sich allerdings stark verschoben. Während die Groß- und Mittelstädte übervölkert sind, wobei teilweise die Vorkriegseinwohnerzahlen bei weitem übertroffen wurden, sind die ländlichen Bezirke nur schwach besiedelt. Hier dürften die Vorkriegszahlen nur zu 40 bis 60 Prozent erreicht worden sein. Nach den Angaben der Polen wird heute nahezu 30 Prozent des industriellen Bruttowertes der polnischen Industrieerzeugung in den polnisch verwalteten Gebieten hergestellt. 90 Prozent aller Textilfabriken sollen völlig vernichtet worden sein, ferner 60 Prozent der Energiewirtschaft und 40 Prozent der Kohlenindustrie. Als „vollständig liquidiert" geben die Polen die ehemaligen deutschen Hüttenwerke, die Rüstungsindustrie und die Maschinenbauindustrie an. 30 Prozent aller Höfe waren verwüstet. Nur 10 Prozent des Vorkriegsviehbestandes fiel den Polen 1945 in die Hände. 7000 km Eisenbahnstrecken, zwei Drittel aller Eisenbahnbrücken sowie fast das gesamte rollende Eisenbahnmaterial wurden von den Deutschen zerstört. Die Oderschifffahrt verlor 96 Prozent ihrer Kapazität.

 

Am 1. Januar 1956 hat der neue polnische Fünf-Jahres-Plan begonnen, der den Wiederaufbau des Stadtkerns von Stettin und Breslau vorsieht. Für die Industrie würden sich „neue große Perspektiven" in Schlesien und Pommern eröffnen. Ferner sei eine Industrialisierung der sogenannten „Agrar-Wojwodschaften" Köslin, Elbing und Allenstein geplant. Das Kupferbecken im Breslauer Raum soll ausgebeutet und eine neue Baustoffindustrie in Schlesien errichtet werden.

 

 

Seite 5   Graue Wölfe heulen wieder in unserer Heimat.

Noch immer hat Polen die größte Sorge mit den Wölfen. Nach wie vor wechseln sie aus dem sowjetisch verwalteten Nord-Ostpreußen, aus dem Memelland und aus den Urwäldern an der russisch-polnischen Ostgrenze nach Süd-Ostpreußen und nach Ostpolen über. Das Parteiorgan „Trybuna" gab kürzlich bekannt, dass allein in den Wäldern um Allenstein 46 Wölfe im letzten Jahr erlegt worden seien.

 

Den ersten Wolf im neuen Jahr schoss der jetzt sehr bekannte ostpreußische Jäger Siegfried Moschner im Kreis Neidenburg. Dieser deutsche Nimrod wird von der polnischen Presse natürlich als „Pole" gefeiert und in „Zygfryd Moszner" umbenannt. Der polnische Nationalstolz lässt es anscheinend nicht zu, dass der deutsche Name dieses in Masuren so bekannt gewordenen Weidmannes genannt wird. Moschner, der noch vor Jahren ausgewiesen werden sollte, wird jetzt von den Polen mit Ehrungen und Geld überschüttet. Die von ihm zusammengestellte Jagdbrigade schoss allein 32 der 46 Wölfe und erhielt dafür außer dem Gehalt noch Prämien in Höhe von 32 000 Zloty. Von den sieben Jägern dieses Kommandos sind vier Deutsche.

 

Warschau wollte diese Gruppe, die Süd-Ostpreußen schon ungeheure Verluste erspart hat und dafür sorgt, dass der Wolf hier nicht zum Standwild wird, schon zu den Sowjets nach Kaskallnis (Revier Augsgirren) im Memelland schicken, um dort mehrere starke Rudel zu vernichten. In Königsberg winkte man jedoch ab. Diese Blamage wollte man nun trotz der von den Augsgirrener Rudeln ausgehenden Gefahr nicht hinnehmen. So zieht das Kommando in die Wälder von Bialystok nach Westpreußen, in die Tuchener Heide und den Nordostteil von Pommern. Überall gilt es, die nach Westen ziehenden Einzelgänger (zumeist Rüden) und Rudel einzuholen, abzufangen und abzuschießen. Aber was können sieben Mann gegen Hunderte von Wölfen ausrichten?

 

Pommersche Wilderer gegen Wölfe

Die Wolfsplage entbehrt aber auch nicht weiterer Zwischenspiele. In Ostpommern beispielsweise sind den staatlichen Förstern die Wilddiebe zu Hilfe gekommen. Schon seit Monaten gehen dort die Wilderer auf regelrechte Wolfsjagden. Das hat zweierlei Gründe. Einmal wollen die Wilderer „ihren" Wildbestand nicht noch weiter durch die Raubtiere schmälern lassen. Reißen doch die Wölfe sehr oft Rehe, Hasen und andere Tiere — Wild, auf das die polnischen Dunkelmänner in den deutschen Forsten selbst scharf sind und ihnen hohe Profite bringen.

 

Der andere Grund, aus dem die Wilderer den Wölfen nachstellen, sind die hohen Prämien, die die Behörden für jeden erlegten Wolf zahlen. Die Beamten interessiert gar nicht, woher der Wolfstöter Schusswaffen hat oder wie er in die Forsten kam. Wer einen toten Wolf bringt, bekommt 1000 Zloty bar in die Hand. Warschau will Erfolge im Wolfskampf sehen — da ist man nicht so genau. Die seit 1950 (Beginn der polnischen Wolfsstatistik) in Pommern erlegten Wölfe gliedern sich folgendermaßen auf: neun von Förstern geschossen, 31 von Jagdkommandos erlegt und 38 von Wilderern zur Strecke gebracht. Die Statistik umschreibt letztere natürlich und führt sie unter „Privatpersonen" auf. Im Übrigen betreffen die unter Pommern genannten Wolfsabschüsse die Regierungsbezirke Stettin, Köslin und die neue polnische Provinz Danzig (Pomerellen und Nord-Westpreußen).

 

Wie groß das Problem der grauen Räuber ist, zeigt die Tatsache, dass ein Wolf im Jahr allein rund 2000 Pfund Fleisch frisst. Findet er kein Wild, so holt er sich seine Nahrung von den Bauernhöfen und besonders aus den schlecht bewachten Viehfarmen der Kolchosen oder Staatsgüter. Das bekamen auch die Tschechen zu spüren. Im Ostteil des Sudetenlandes und in den West-Beskiden begannen jetzt auch dort der Wolfsschrecken. Die Räuber haben sich im Mährischen Gesenke und vor allem im Adlergebirge festgesetzt. Dort meldeten in den letzten Wochen sechs Viehfarmen Überfälle in geschlossene Stallungen, die den Grauhunden kein Hindernis waren.

 

Da gleichzeitig in den niederschlesischen Landkreisen Tebnitz, Wohlau, Sagan und Glogau Wölfe geschossen wurden, fordern die Tschechen nun, die Polen möchten besser aufpassen und das Vordringen bis in die Sudeten verhindern. Zweifellos sind die Wölfe vom Adlergebirge über Niederschlesien eingewechselt, während die in den westlichen Beskiden aus Galizien bzw. den Karpaten kamen.

 

Woher sie auch kommen mögen — eines steht fest: jeder Wolf holt sich im Jahr eine Tonne Fleisch! Und da bei den Privatbauern nicht viel zu holen ist und die Ställe leer stehen, holt er es sich von dort, wo es Vieh gibt; aus den staatlichen Landwirtschaftsbetrieben.

 

Auch in der Bundesrepublik sind die Räuber aufgetaucht. Im Rodewald/Niedersachsen wurde jetzt wieder ein Wolf geschossen. Es ist dieses der vierte seit 1948. Vor acht Jahren begann es mit dem „Würger vom Lichtenmoor", ihm folgten bis jetzt drei andere. Sie trugen alle Spuren unzähliger Schroteinschüsse verschiedenster Kaliber. Wahrscheinlich wurden sie beim Überwechseln aus Sowjetpolen und der Sowjetzone beschossen.

 

Damit haben die Grauen Wölfe wieder dieselben Fernwechsel benutzt, auf denen sie zum letzten Mal im 18. Jahrhundert nach Niederschlesien kamen.

 

Wie lange noch werden sie wandern.

 

 

Seite 5   Brachliegende Wiesen und Weiden im Kreis Rastenburg

Auf einer Plenarsitzung des Wojewodschaftskomitees der polnischen Vereinigten Arbeiterpartei wurden nach einem Bericht der in Allenstein erscheinenden polnischen Zeitung „Glos Olsztynski" folgende Feststellungen getroffen: „Die Gebiete des Ermlandes imd Masurens bilden für die Gesamtgestaltung unserer Landwirtschaft ein wichtiges Zentrum. Es bestehen bei uns ungeheure Reserven, die wir jedoch oft nicht genügend ausnutzen können. Schlecht gepflegte Wiesen, nicht bewirtschaftete Brachlandflächen, nicht ausgenutzte Rohstoffe des ,wild' bestellten Landes, ungepflügtes Land an den Wegen und Seitenwegen, durch Wasser überschwemmte Wiesen, sind nur einige Reserven, die wir uns nutzen können und müssen. Es gibt noch im Gebiet des Kreises 2600 ha nicht bewirtschaftete Felder. Insgesamt können wir über 5000 ha zusätzliches Land gewinnen. Allein im Kreis Rastenburg gibt es etwa 3500 ha sekundäre Brachlandflächen. In demselben Kreis gibt es noch 7000 ha durch Wasser überschwemmte Wiesen und Weiden (insgesamt hatte der Kreis früher 18 600 ha Wiesen- und Weideflächen). Die Regelung der Wasserwirtschaft im Kreis Osterode gestattet die Gewinnung von 2000 ha zusätzlicher Wiesen.

 

 

Seite 5   In 500 Filmen 2117 Gesetzesbrüche gezeigt! Ausländische Gangsterstücke und Kriminalschmöker fördern Jugendkriminalität.

Einer Einbrecherbande vierzehnjähriger Schüler wurde in diesen Tagen in Essen das Handwerk gelegt, nachdem sie 81 Einbrüche und Raubzüge nach jenen Methoden verübt hatte, die wir heute jeden Tag in gewissen Filmen sehen können. In Hannover wurde eine motorisierte Bande weiblicher und männlicher Jugendlicher zu Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt, weil sie — ebenfalls nach Wildwest-Film-Manier — wiederholt richtige Überfälle auf Häuser durchführten. Nach den Überfällen sahen die Häuser mit den leeren Fensterhöhlen wie nach einem Beschuss aus, hieß es in einem Protokoll. In beiden Fällen hatten die Eltern keine Ahnung von dem Treiben ihrer Söhne und Töchter.

 

Diese beiden besonders krassen Beispiele sollten uns sehr nachdenklich stimmen. Sollte sich nicht jeder Vater und jede Mutter doch etwas ernsthafter darum kümmern, welche Bücher ihre Sprösslinge lesen, welche Filme sie besuchen? Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn man sich die Untersuchung von Filmfachleuten, die vor kurzem bekannt wurde, vor Augen hält.

 

Filmexperten haben sich die Mühe gemacht und 500 in der Bundesrepublik gezeigte amerikanische, französische und englische Filme vom Standpunkt der Justiz (oder der Moral?) untersucht. Dabei kamen sie zu dem geradezu erschütternden Ergebnis, dass in diesen 500 Filmen dem staunenden Publikum 2117 Gesetzesbrüche serviert wurden. Die unvollständige Liste besagt, dass neben 478 Ehebrüchen und 341 Morden auch 139 Meineide, 114 Raubüberfälle, 86 Erpressungen, 63 Fälle der Verführung von Minderjährigen und 43 Brandstiftungen auf der Leinwand zu sehen waren.

 

Leider wurde uns von den statistisch tätigen Filmfachleuten nicht gesagt, wie viele Jugendliche in der Bundesrepublik diese 500 Filme gesehen haben. Wer aber weiß, in wie starkem Maße sich das heutige Filmpublikum aus Jugendlichen zusammensetzt und wem die außerordentlich große Beeinflussung des Films auf diese jungen Menschen bekannt ist, der wundert sich nicht mehr, dass immer mehr Jugendliche auf Abwege geraten.

 

Mit den Kriminalschmökern verhält es sich ähnlich: „Hoddy", der Bandenchef der jugendlichen Gangster in Essen, gab offen zu, dass er sich die „Helden" in den Wildwest- und Kriminalschmökern als Vorbild genommen hat. Er war besonders stolz darauf, dass er einige „Dinger" originalgetreu gedreht hat.

 

Der größte Teil der Verantwortung liegt bei den Eltern. Sie sollten stärker darauf Einfluss nehmen, welchen Film ihre Kinder besuchen. Man macht es sich zu leicht, wenn der Sprössling den Hinweis zur Hand hat, dieser Film ist ja „jugendfrei".

 

Das, was die Jugendlichen in Essen und Hannover vorexerziert haben, das haben sie bestimmt in hundert „jugendfreien" Filmen gesehen. Mancher Vater, manche Mutter täte gut daran, wenn sie die Kinogroschen für ihre Jungen und Mädel nicht allzu bereitwillig hergeben. Sicher, es mag für den Augenblick verlockend sein, die Quälgeister am Sonntagnachmittag für ein paar Stunden los zu sein. Aber das kann ein teures Lösegeld werden. Die jugendlichen Einbrecher von Essen haben einen Schaden von etwa 10 000 DM verursacht. Für diesen Schaden müssen nun die Eltern aufkommen. Und das ist nur die materielle Seite ...

 

 

Seite 5   Ankäufe ostdeutscher Kunstwerke

Das Bundesministerium für Vertriebene hat aus der Ausstellung „Kirchliche Kunst der Ostdeutschen" Wandbehänge von Winfried Gaul (Ostpreußen), Anton Lansky (Sudetenland), Else Mögelin (Pommern) und Johanne Rump-Gramatte (Schlesien) erworben und sie der Benediktiner-Abtei Rohr, nach Königsstein/Taunus (somit zwei maßgeblichen katholischen Zentren der Heimatvertriebenen) und dem Ostkirchenausschuss der Evangelischen Kirche Deutschlands zur Verfügung gestellt.

 

 

Seite 5   Siedlerschule Katlenburg (Harz) im Ausbau.

Die im Sommer vorigen Jahres begonnenen Um- und Ausbauten einiger Gebäude des Haupthofes der ehemaligen Domäne Katlenburg werden auch während des Winters fortgesetzt. Der neue Stall entspricht nun allen Anforderungen eines Lehrstalles mit zeitgemäßer Aufstauung der Rinder, Schweine, Pferde und des Jungviehs, mit Selbsttränken, verschiedenen Fressgittern, Melkanlage, mit Dung- und Heugreifern, Futterküche und Presssilo. Die Anlernwerkstätte ist baulich fertig und wird Ostern in Betrieb genommen. Sie besteht aus drei Werkräumen mit je vier Arbeitsplätzen für Holz- und Eisenbearbeitung und einem Materialraum. Die Werk- und Unterrichtsräume für die in Vorbereitung begriffene Landfrauen- und Mädchenschule sind auch im Rohbau fertig (Lehrküche, Lehrwaschküche, Wäscheraum, Esszimmer) Der Umbau eines ehemaligen 4-Familienhauses in ein Mädchenwohnheim hat mit dem Einbau der Zentralheizungsanlage soeben begonnen. Die Mädchen- und Frauenlehrgänge sollen im Herbst 1956 eingerichtet werden.

 

 

Aufbausemester an der Siedlerschule in Katlenburg

Das Aufbausemester beginnt auch in diesem Jahr wieder nach den Osterferien (16. April) und dauert bis 31. August. Aufnahmebedingungen: Nachweis der landwirtschaftlichen Gehilfenprüfung und des Besuches einer Landwirtschaftsschule; Mindestalter 20 Jahre. Ausbildungsziel: Abschlussprüfung mit Zeugnis der Siedlerreife und Befähigung, einen bäuerlichen Hof selbständig zu verwalten; Erlangung der Siedlereignungsbescheinigung; Vorbereitung für die Landwirtschaftsmeisterprüfung.

 

Prospekt und Ausnahmeantrag sind bei der Siedlerschule in Katlenburg/Harz, Kreis Northeim anzufordern. Der Aufnahmeantrag ist bis spätestens 15. März mit Lebenslauf, Gesundheitszeugnis, pol. Führungszeugnis und den erforderlichen Zeugnisabschriften einzureichen.

 

 

Seite 5   Für Dokumentarfilm 52 Entwürfe

Zur filmischen Aufklärung und Unterrichtung stehen dem Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte jetzt insgesamt 240 Sechzehn-Millimeter-Tonkopien zur Verfügung, die Aufnahmen aus den Ostgebieten vor der Vertreibung zeigen. Sie wurden auch 1955 in ununterbrochenem Einsatz in Volksschulen, Gewerbeschulen, Volkshochschulen und bei Veranstaltungen von Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge gezeigt. Die Besucher setzten sich nicht nur aus Vertriebenen und Flüchtlingen, sondern auch aus Einheimischen, aus Jugendlichen wie aus Erwachsenen, zusammen. Die Besucherzahl konnte für das Jahr 1955 mit etwa 1,35 Millionen in vielen tausend Vorführungen festgestellt werden.

 

Das vom Ministerium durchgeführte Autorenschreiben zur Herstellung eines Dokumentarfilmes über das Vertriebenenproblem brachte ein bemerkenswert gutes Ergebnis. Von 40 einheimischen und vertriebenen Autoren, die aufgefordert worden waren, beteiligten sich 34 mit Einsendungen. Insgesamt liegen jetzt 52 Entwürfe zur Herstellung des Filmes vor.

 

 

Seite 5   Sowjets entließen Deutsche nach Ostpreußen.

Berlin. Dem „Pressedienst der Heimatvertriebenen" vorliegenden Informationen zufolge, sind im Verlauf der ersten Entlassungsaktionen deutscher Kriegsgefangener aus der Sowjetunion im September und Oktober mehrere Kriegsgefangene, deren Heimatorte im sowjetischen Verwaltungsgebiet Ostpreußens — dem „Kaliningradskaja Oblast" — liegen, nach Königsberg, Insterburg, Gumbinnen und Tilsit entlassen worden. Im November sind ferner 50 Deutsche, die 1945 in die Sowjetunion gebracht wurden, nach ihrer Haftentlassung aus sowjetischen Lagern in den sowjetischen Teil Ostpreußens zurückgebracht worden. Bei den 50 Deutschen handelt es sich ausschließlich um Zivilisten.

 

 

Seite 5   Seepolizei wird in Königsberg geschult.

Die Russen haben mit Beginn des neuen Jahres auf der Staatlichen Seeakademie in Königsberg Lehrgänge für Offiziere der Sowjetzonen-Seepolizei eingerichtet. Zurzeit befinden sich 100 Stabsoffiziere auf der Schule, die besonders mit modernen Navigations- und Funkmesseinrichtungen vertraut gemacht werden sollen. Der oberste russische Überwachungsoffizier für die Seepolizei, Abranow, hat seine Dienstbüros nach Rostock verlegt, das zugleich das „Oberkommando" der Seepolizei beherbergt. Sämtliche Seefahrzeuge erhalten nach den neuesten Informationen russische Raketengeschütze eingebaut.

 

 

Seite 5   London erkennt Annektion des Baltikums nicht an.

Die britische Regierung erkennt die Annexion der baltischen Staaten durch die Sowjetunion nach wie vor nur de facto und nicht de jure an, wie der Sprecher des Foreign Office in einer Erklärung feststellte, in der er zu den noch aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg stammenden Enteignungsansprüchen ehemaliger britischer Goldminengesellschaften in Sibirien Stellung nahm. Die sowjetische Regierung hatte die Zahlungen zur Abgeltung dieser Ansprüche im Jahre 1940 eingestellt, weil sich Großbritannien geweigert hatte, das in London liegende Gold der Banken der drei annektierten baltischen Republiken im Gesamtwert von 5 700 000 Pfund Sterling an die Sowjetunion auszuliefern.

 

 

Seite 5   Die Lm Ostpreußen, Landesgruppe Bremen, löste vor kurzem ihr bisheriges Abhängigkeitsverhältnis zum BvD. Die Landesgruppe stellte den Antrag, dem VdL-Landesverband Bremen beizutreten und wurde in dessen Vorstandssitzung vom 13. Januar als Mitglied aufgenommen und freudig begrüßt. Die Landesgruppe der Lm Ostpreußen ist dabei, die Arbeit ihrer Untergruppen zu aktivieren. Heimatabende sollen planmäßig erweitert und die Gruppe Bremen-Nord ausgebaut werden. Die Landesgruppe betreibt eine rührige Jugendarbeit.

 

 

Seite 6, 11, 14   „Rechts und Links der Eisenbahn“: Elbing – Königsberg – Tilsit – Memel. Regimontanus blättert in einer vor fünfzig Jahren erschienen Broschüre.

 

Foto: Unsere Aufnahme zeigt die Birkenchaussee bei Cadinen mit einem Blick auf die Weite des Frischen Haffes. Auch die Ostbahn näherte sich an vielen Stellen in ihrer Linienführung der Küste des Frischen Haffes. Allen Reisenden wird der Anblick des Haffes mit den vielen Fischerbooten unvergessen bleiben. (Aufn. B. Heister)

 

Foto: Stallupönen Nach der Zerstörung im ersten Weltkrieg neuerbaute Häuser in der Kreisstadt

 

Zuweilen ist es sehr kurzweilig in alten Chroniken, in alten illustrierten Zeitschriften oder Broschüren zu blättern und zu lesen. Zumal wenn diese Beschreibungen sich mit Teilen unseres Vaterlandes beschäftigen, die uns nun seit über zehn Jahren durch Willkür und Macht vorenthalten werden und um deren Wiedergewinnung wir nie müßig sein dürfen, mit Wort und Bekenntnis zu kämpfen und zu ringen.

 

Als mich der Weg, nach fast neunjährigem stillem, aber zähem Kampf gegen ein Regime der Unfreiheit und der Unterdrückung aus der sowjetisch besetzten Zone in den Westen, und dort in eine seiner großen Städte führte, erstand ich an einem „fliegenden Bücherkarren" für Pfennige, eine unscheinbare Broschüre. Das Heftchen ist ungefähr im Jahre 1903 bei Justus Perthes in Gotha gedruckt, betitelt sich „Rechts und Links der Eisenbahn!" und ist das fünfzehnte Heft einer Serie von damals neuen Führern auf den Hauptbahnen im deutschen Reiche, herausgegeben von Prof. Paul Langhans. Es weist zwei Karten auf, davon die Karte 1:500 000 die lange Eisenbahnstrecke von Berlin bis Eydtkuhnen, während die Karte 1:5 000 000 das damalige Deutsche Reich widerspiegelt.

 

Wenn man im Vorwort „An den lesenden Eisenbahnfahrer" vernimmt, dass „die Benutzung dieser Sammlung von Reiseführern beitrage zur Stärkung des Heimatgefühls, zur Pflege der Liebe und Begeisterung für deutsches Land und Volk" und dass diese Sammlung „dem aufmerksamen Beobachter zu einer Quelle vaterländischen Stolzes wird, aus der er auch in späterer Zelt immer wieder gern Anregung und Erinnerung an vergangene Reisetage schöpft", so könnte man meinen, der Verfasser sah weit voraus. Er sah voraus, dass dieses Land, von dem sein Reiseführer spricht, uns Heutigen vorzuführen so notwendig sei, um Erinnerung wiederaufleben zu lassen, unser Heimatgefühl zu stärken und keinesfalls nachzulassen in der Pflege unserer und unserer Kinder Liebe und Begeisterung zu dem Land, das unseren Vätern und Vorvätern, das uns und unseren Kindern Heimat war, ist und bleiben wird.

 

Einen Abdruck der ganzen Broschüre, die den Weg der Eisenbahn, — der Ostbahn —, die seit dem 15. August 1873 von Berlin über Kreuz und Schneidemühl nach Königsberg und schließlich nach Tilsit, Memel und Eydtkuhnen beschreibt, hier wiederzugeben, lässt sich wegen des Raumes und im Rahmen dieses Artikels, nicht durchführen.

 

Doch besteigen wir den Zug in Elbing und begeben uns auf die Reise nach Königsberg, um später in Insterburg uns nach Norden, nach Tilsit und Memel führen zu lassen.

 

Unser lieber kleiner Reiseführer erzählte uns in Elbing, dass im März des Dreikaiserjahres 1888 der Deich der Nogat brach, so dass der Werder für lange Wochen in eine Wasserwüste verwandelt wurde.

 

Wir werfen noch einen Blick auf den in der Ferne zuweilen aufleuchtenden Drausensee, wenden uns noch einmal nach Elbings Kirchen und hohen Türmen um, und nun sich die Eisenbahn vom Jahre 1903 in Bewegung setzt, erzählt unser Interpret von Landschaft, Stadt und Dorf, von Vergangenheit und Zukunft:

 

Eine schöne Abwechslung würde es sein, die Fahrt bis zur nächsten Hauptstation Braunsberg nicht auf der Ostbahn, sondern auf der privaten Haffuferbahn zurückzulegen. Wir würden dann die durch die großen Schichauwerke weltbekannte Stadt Elbing durchschneiden und viel besser kennen lernen und genössen weiterhin eine prächtige Strecke unmittelbar am Ufer des Frischen Haffs, über dessen Wellen fern der Streifen der Frischen Nehrung, auf der hier das Seebad Kahlberg liegt, sichtbar wird. Zur Rechten hätten wir bis über Tolkemit hinaus die hohen, bewaldeten Abhänge der „Elbinger Höhe". Das Ganze bildet eine Landschaft von nicht gewöhnlicher Schönheit. Unter den zahlreichen Stationen bemerken wir Cadinen mit seinem vielgenannten kaiserlichen Sommersitz und seinen prachtvollen Waldungen und Bergschluchten, das Töpfer- und Fischerstädtchen Tolkemit und endlich Frauenburg, die Stadt des Kopernikus, die sich mit ihrer geringen Häusermasse malerisch an den steilen Domberg anlehnt. Aber eine solche Fahrt würde ziemlich viel Zeit erfordern, da der Fahrplan dieser Nebenbahn bis jetzt noch manche Mängel aufweist.

 

Wir bleiben deshalb für diesmal auf der Hauptbahn, von der wir die Elbinger Höhe gleichfalls und zwar zur linken Seite der Bahn sehen können, auch dieser Abfall bietet mit seinen zahlreichen Ortschaften und Talschluchten ein ganz hübsches Bild. Rechts kommt uns der Drausensee mehrmals ganz nahe.

 

Jenseits der Station Güldenboden überschreiten wir die Grenze Ostpreußens und treten zunächst in das „Oberland" ein, das schon vor 1772 preußischer Besitz war. Da der Zeitpunkt, wann ein Ort an Preußen gelangte, noch heute bei manchen Rechtsverhältnissen, z. B. Stipendienverleihungen, von Wichtigkeit ist, hat sich bei der Bevölkerung eine ziemlich genaue Kenntnis der früheren Grenzen erhalten. Rechts weite Aussicht auf die fernen Berge von Preußisch-Holland, wohin in Güldenboden eine Nebenbahn abzweigte, näher die spitzgetürmte Kirche von Marienfelde. Wir kreuzen nun in mehrfachen Dämmen und Einschnitten den Verbindungsrücken, der die Elbinger Höhe mit dem großen oberländisch-masurischen Landrücken verbindet, die Fahrt bietet manche hübsche Landschaft. Station Schlobitten liegt weit von dem gleichnamigen bekannten Schloss, nur bei der Weiterfahrt sehen wir rechts ganz flüchtig den Turm der Ortskirche. Der große Bogen, den die Bahn hier macht, erklärt sich leicht durch die damals (1851 bis 1853) noch notwendig erscheinende Umgehung der umfangreichen Elbinger Höhe, sowie durch den Wunsch, dem Südosten Ostpreußens wenigstens an einer Stelle etwas näher zu kommen. An das Netz von Nebenbahnen, das sich einst an die Ostbahn anschließen sollte, konnte man damals noch nicht denken. Station Mühlhausen im Oberland ist für die links, eine Strecke von der Bahn entfernt liegende Stadt Mühlhausen bestimmt. Wir sehen nur wenig davon, wollten wir hier aussteigen, würden wir gewiss den Teich an der Westseite besichtigen, in welchem eine auch anderwärts wiederkehrende Volkssage einen Krebs an der Kette liegen lässt, der einst die Stadtmauern verzehrt hat. Die Bahn wendet sich langen Strecken gemischten Waldes mit dichtem Unterholz und zahlreichen Bauten der Waldameise zu, mitten darin liegt die einsame Station Tiedmannsdorf. Schon vorher sind wir in das katholische, erst 1772 mit Preußen vereinigte Ermland eingetreten, dessen schmalsten Teil wir jedoch nun durchfahren. Bald überschreiten wir den ansehnlichen Küstenfluss Passarge und sehen im Vorblick links schon den dicken roten Turm von Braunsberg. Braunsberg (einen Besuch lohnend) liegt weitläufig gebaut an beiden Ufern der Passarge, es ist eine Stille, streng katholische Stadt, die wissenschaftliche Hauptstadt des Ermlandes, denn hier befindet sich mit seinen zwei Fakultäten das „Lyceum Hosianum", das mit der Universität Königsberg denselben Kurator besitzt, sich übrigens eines botanischen Gartens und mancher Sammlung erfreut.

 

Hier könnten wir den Zug wieder besteigen, wenn wir den oben bei Elbing angedeuteten Umweg gemacht und die Haffuferbahn, die wir links kurz vor Braunsberg wieder heraufkommen sehen, benutzt hätten. Bei der Weiterfahrt durch hügeliges, hier und da bewaldetes Land, überschreiten wir bald die ermländisch-natangische Grenze, Natangen ist altpreußisches und protestantisches Gebiet. Wenn wir aufmerken, können wir links zuweilen das Frische Haff durchschimmern sehen. Nach der Brücke über den Küstenfluss Bahnau erscheint rechts die natangische Kreisstadt Heiligenbeil, deren Name trotz des zwei Beile zeigenden Wappens altpreußisch ist und ebenso wie bei Pillau, Pillkallen u. a. auf die bergige Lage deutet. Nun tritt das Haff bald besser hervor, hinter Station Hoppenbruch sehen wir links auf der auffallenden Höhe an der Küste deutlich Balga, wo die Ordensritter ihre erste Burg errichteten, es ist eine schöne Ruine und ein sehr bemerkenswerter Punkt. Bei Station Wolittnick ist links der Blick über das ganz nahe Haff besonders schön, bei günstiger Beleuchtung (morgens) kann man den Rauch der im Königsberger Seekanal durch das Haff fahrenden Dampfer und die samländische Küste bei Pillau und Peyse erkennen. Hinter Station Ludwigsort (Sommerfrische) kreuzen wir wieder eine kleine Landschwelle, die die nördlich liegende weit sichtbare Höhe der Brandenburger Heide mit dem inneren Hochlande Ostpreußens verbindet. Ziemlich scharf fahren wir im Walde bergab, darauf erscheint links das hübsch gelegene Pörschken mit sehr altem spitzen Turme, es gilt als einer der nördlichsten Orte, wo noch Buchen wachsen.

 

Nun aber wird die Gegend einförmiger, weite, feuchte Viehweiden beginnen, kurz vor der Brücke über den gerade hier oft austretenden Frischingfluss mündet rechts ohne Station die wichtige Bahn von Soldau und Allenstein ein. Auch die nächsten Stationen Kobbelbude und Seenpothen sind immer noch von Viehweiden mit einzelnen Gehöften und Vorwerken umgeben, größere Dörfer sind in der Nähe der Bahn nicht vorhanden. Auffallend ist im Sommer die große Zahl der Störche auf den Dächern. Wieder erscheint im Westen aufblinkend das Haff, Einschnitte führen durch schwache Terrainwellen, die Häuser mehren sich etwas, bei der letzten Station Ponarth kreuzen wir die Straße des Rechts liegenden umfangreichen, demnächst mit Königsberg zu vereinigenden gleichnamigen Vororts. Links sehen wir schon vorher die hohen Bäume des Schönbuscher Brauereigartens, die ein Seefahrtszeichen für das Frische Haff bilden. Ein Damm führt über die sumpfige Beekenniederung, durch die einst ein jetzt abgedämmter Pregelarm floss, wir haben das Plateau Natangens verlassen und sind in das breite Pregeltal eingetreten, das dann nicht zu breit erscheint, wenn man bedenkt, dass es nach dem Rückzug der nordischen Eismassen vom Memelstrom durchflossen wurde. Im Vorblick rechts zeigt sich der auf eine Diluvialinsel liegende Turm der Haberberger Kirche Königsbergs. Bald vereinigten wir uns mit der nachher zu befahrenden Linie nach der russischen Grenze, berühren links den Nassen Garten, eine reinfache ländliche Vorstadtstraße und durchdringen in engem Tunnel den Festungswall. Noch einmal zeigt sich rechts ganz nahe der gleichfalls als Seezeichen dienende Haberberger Turm, dann erreichen wir die düstere Halle des Ostbahnhofs von Königsberg.

 

Bei der Weiterfahrt passieren wir wiederum das Walltor und zweigen, sobald wir das Freie erreicht haben, von der Berliner Linie ab, um nun entschieden östliche Richtung einzuschlagen. Wir halten uns am Rande der natangischen Höhe und gewinnen hinter dem Rangierbahnhof und dem großen neuerbauten Königsberger Schlachthof links einen sehr hübschen Blick auf das bis zum samländischen Rande des breiten Pregeltals aufsteigende Königsberg. Dann beginnt flache, im ganzen fruchtbare Gegend, die einen vorteilhafteren Eindruck macht, als die letzte Strecke vor Königsberg; mehrmals werden zwei, selbst drei Kirchtürme zu gleicher Zeit sichtbar, im nördlichen Ostpreußen eine Seltenheit. Jenseits der Station Gutenfeld tauchen rechts einzelne Waldstücke auf, die bei Station Löwenhagen größer und zusammenhängender werden. Löwenhagen liegt wieder hart am hier ziemlich hohen Rande Natangens gegen die weite von Viehweiden eingenommene, nur ganz wenige „Holländereien" und andere Baulichkeiten, aber nicht ein einziges Dorf aufweisende Niederung des Pregel- oder Urmemeltals, auf die man weiterhin einige lehrreiche Blicke hat. Das weite Pregeltal ist hier ein großes Hindernis für den nordsüdlichen Verkehr, es gibt in den Randdörfern Leute, die vielleicht überseeische Länder kennen, aber das jenseitige Ufer nie betreten haben. Bei Löwenhagen findet sich manche schöne Waldpartie, auch das große Schloss Friedrichstein des Grafen Dönhoff, in dem ausgezeichnete Kunstsammlungen vereinigt sind, lohnt einen Besuch. Aber wir eilen weiter, berühren rechts die Abzweigung der inneren natangischen Bahn, die in großen Bogen, sehr bemerkenswerte Landschaften, wie den Zehlaubruch, das Angerburger Seengebiet, endlich die vielgenannte Rominter Heide berührend, schließlich gleichfalls nach Stallupönen gelangt, wo wir sie, bei einer Reise nach Eydtkuhnen wieder treffen würden.

 

Unsere Bahn nähert sich mehr und mehr dem Abhang, der vielfach durch Erosionsschluchten zerrissen ist, hinter Station Groß-Linden an fahren wir endlich in das hier etwas schmalere Pregeltal hinaus und erreichen Station Tapiau , ein jener charakteristischen Ordensstädtchen, das aber weit vom Bahnhof an der Nordseite des Tales auf dem hohen Ufer zwischen dem Pregel und der hier abzweigenden seltsamen, dem Kurischen Haff zugehenden Deime liegt. Haben wir von Königsberg bis hierher mit dem D-Zuge kaum vierzig Minuten gebraucht, so könnten wir, um das gegenüberliegende samländische Gebiet genauer kennen zu lernen, auf einer mehr als dreißig Stationen berührenden, die wundersamsten Windungen machenden Kleinbahn in fast vier Stunden nach Königsberg zurückkehren. Eine andere Kleinbahn geht südlich durch ein ungeheures Waidgebiet, den Frischingsforst, nach den Schlachtort Friedland an der Alle.

 

Auch jenseits von Tapiau ändert sich der Charakter der Landschaft nicht wesentlich, rechts das hier sehr dorfarme, einzelne Wald- und Sumpfstrecken aufweisende natangische Land, links das weite Pregeltal, in welchem der Fluss ungeteilt, fließt, während er weiter abwärts eine sehr langestreckte, aber äußert schwach besiedelte Insel, die genau bis in Stadt Königsberg reicht, umschließt. Auf dem Bahnhof von Wehlau sehen wir noch nichts von dieser Stadt, wir müssen erst auf der langen Brücke die ansehnliche, aus dem tiefen Süden Ostpreußens kommende Alle, an deren streckenweise sehr schöne Ufer sich der alternde Kant gern erinnert, überschreiten und das große Fabrik- und Mühlenetablissement Pinnau (dem Geographen wichtig als Geburtsort des genialen Friedrich Hoffmann, des Erforschers der neuen vulkanischen Insel in den sizilischen Gewässern) berühren, um die Südseite der genau zwischen Alle und Pregel eingeklemmten Stadt zu sehen. Das Pregeltal ist hier schmaler und erleichtert den Übergang, die Stadtlage ist also in mehrfacher Hinsicht recht gut gewählt. Freilich lange Brücken muss der von Norden und Westen kommende überschreiten, um in das Innere der Stadt zu gelangen; sagt doch ein ostpreußisches Sprichwort: „Wer nichts wagt, kommt nicht nach Wehlau" setzt aber auch hinzu: „und wer zu viel wagt, kommt nach Tapiau", wo nämlich in dem alten Ordensschloss eine Arbeitsanstalt ist. Einmal im Jahre, im Juli, wird Wehlau für Ostpreußen besonders wichtig, dann findet hier ein weit und breit berühmter Pferdemarkt statt, dessen Ergebnisse von der pferdezüchtenden Provinz und den Nachbarländern immer mit Spannung erwartet werden.

 

Wenn Wehlau außer Sicht kommt, entschwindet uns der Pregel und wir durchfahren eine an fruchtbaren Feldern reiche, hier und da aber auch mit weiten einsamen Wäldern durchsetzte Landschaft, die fast bis Insterburg andauert. Kurz vor Station Puschdorf überschreiten wir die Grenze des Regierungsbezirks Gumbinnen, des nordöstlichen Teiles des Reiches und sind nun in Litauen, ohne freilich von litauischem Volkstum und litauischer Sprache auf dieser Fahrt viel wahrzunehmen, das Litauische ist hier längst erloschen und weit nach Norden zurückgewichen. Aber litauische Ortsnamen, die dem Ohre oft nicht wohlgefällig klingen, aber bisweilen, wenn man sie erklärt und übersetzt, irgendeinen geographischen Charakterzug ganz hübsch und sinnig hervorheben, begegnen uns nun zahlreich. Uderballen, Daupellen, Uszbundszen, Kosakken, Auxkallen, Romanuppen und viele andere liegen nicht sehr weit von der Bahnlinie, während wir die bisweilen angeführten Orte: Bumbeln, Grumbeln, Baubeln, Kuddern  und wie sie alle heißen (sie existieren sämtlich), in größerer Entfernung suchen müßten.

 

Aber andererseits werden gerade hier mitteldeutsche Erinnerung wachgerufen, wir sind vor Station Norkitten in das „Dessauische“ eingetreten, wie man die recht hübschen ostpreußischen Besitzungen des anhaltischen Fürstenhauses gewöhnlich nennt. Norkitten und Groß-Bubainen sind die Hauptorte. Noch vor Norkitten durchschneiden wir das Schlachtfeld von Groß-Jägersdorf (30. August – Jahreszahl unlesbar -). Der Verlust dieser Schlacht brachte Ostpreußen zeitweilig unter die Herrschaft der Russen; die von den Russen damals in dieser Gegend angerichteten Verheerungen sind noch unvergessen, z. B. brannten sie das schöne, vom Alten Dessauer erst neu erbaute Schloss Bubainen vollständig nieder. In der Nähe von Norkitten passieren wir die Auxinne, ein schon zwischen hohen Ufern fließendes südliches Nebengewässer des Pregel. Die auch noch „dessauische" Station Waldhausen liegt mitten in einem weiten Forst, dem letzten vor der Grenze, dann nähern wir uns dem bahnenreichen (4 Hauptbahnen, 1 Nebenbahn, 3 Kleinbahnen) Insterburg, dessen weit gedehnter Bahnhof schon viel zu klein geworden ist. Von der Stadt Insterburg sehen wir nicht viel, betritt man sie, so fallen fast großstädtische Straßen und hübsche Partien an großen Teichen angenehm auf, auch manches ältere Gebäude verdient Beachtung. In Insterburg mündet die Thorn-Insterburger Bahn, welcher der von Berlin über Frankfurt a. O., Posen und Gnesen laufende D-Zug folgt, eine andere wichtige Linie, die nördlichste des Reiches, führt nach der Memelstadt Tilsit und dem fernen Seehafen Memel am Eingang des Kurischen Haffs. Wir werden sie sogleich kennen lernen.

 

Die Linie Insterburg-Tilsit verlässt den großen, verkehrsreichen Bahnhof Insterburg in nordöstlicher Richtung. Es war eine selbständige kleine Privatgesellschaft  „Tilsit-Insterburg", welche einst (1865) die Strecke bis Tilsit erbaut und bis 1884 betrieben hatte, sie wurde verstaatlicht, als der Staat selbst darangegangen war, das lange vergessene Landstück jenseits der Memel durch die Staatsbahn Tilsit-Memel aufzuschließen. Wir überschreiten zuerst auf hohen Brücken die Angerapp und bald darauf das gewaltige Glazialtal der Inster, sehen links flüchtig die alte Ordensburg Georgenburg, die einst Eigentum des Bischofs von Samland war, und halten uns hart am Rande des Diluvialplateaus, rechts über die parallellaufende Landstraße hinweg jenes weite glaziale Inster- oder Urmemeltal überblickend. Bei Szileitschen steht dicht an der Straße ein Monument für einen bekannten russischen Helden der Freiheitskriege, dem General Barclay de Tolly, der in Szileitschen am 28. Mai 1818 plötzlich starb. Bei der ersten Station Blumental haben wir die Höhe des Plateaus erreicht, das Instertal ist verschwunden. Die Plateaulandschaft ist einförmig, Ackerflächen, die zu den Besseren Ostpreußens gehören, wechseln mit bedeutenden Wäldern. Viele Ausbauten, wenig Dörfer.

 

Nach Durchfahrung des Padrojer Forstes zeigt sich rechts Station Grünheide, auch nur eine Gruppe von Höfen, dann geht es unablässig über schwach wellenförmiges, hier und da von kleinen Brüchen und Mooren unterbrochenes, seinen glazialen Ursprung nirgends verleugnendes Ackerland über Station Paballen zur Station Szillen. Szilen (rechts) am Fuße eines nicht unansehnlichen Hügels, ist eine etwas größere Ansiedlung mit Kirche. Der Name weist auf den früher wahrscheinlich stärker hervortretenden Heidecharakter der Gegend hin. Auch der Turm der Szillener Kirche fiel demselben Orkan vom 17. Januar 1818 zum Opfer, der so vielen anderen ostpreußischen Türmen gleichfalls verderblich wurde und überhaupt ein Naturereignis war, das sich bis auf den heutigen Tag im Gedächtnis vieler Provinzbewohner erhalten hat. Wir befinden uns im Gebiet des Memelstromes, die Landschaft ändert sich kaum, bis wir über Station Argeningken und Pamletten uns der alten Königsberg-Tilsiter Landstraße nähern. Rechts erscheinen der Drangowsky-Hügel und bald der bescheidende Park Jakobsruhe, der Tiergarten von Tilsit. Rechts und links münden nun Bahnen ein: die linke führt, das interessante Memeldelta und die riesigen Forsten östlich von Labiau trefflich aufschließend, direkt nach Königsberg, die rechte über das malerische Ordensstädchen Ragnit und durch den einförmigen Pillkaller Kreis nach Stallupönen, der letzten Station vor Eydtkuhnen, die wir noch kennen lernen werden.

 

Der Bahnhof von Tilsit liegt im Westen der Stadt, die sich mit ihren langen und teilweise auch recht breiten Straßen im Norden an dem Memelstrom, im Süden an die zu Teichen aufgestaute Tilse oder Tilsele anlehnt. Eine Durchwanderung der so fernen, dem Westdeutschen vielleicht nur aus seinem historischen Schulleitfaden bekannten Stadt ist sehr zu empfehlen. Der Blick von der hochliegenden Stadt — besonders vom Kapellenkirchhof und von einigen baumbewachsenen Höhen am östlichen Vorort Preußen — auf den gewaltigen Strom und sein fast unabsehbar breites grünes Tal, ist von nicht geringer Schönheit. Auch mögen uns die litauischen Inschriften, die wir im östlichen Teil der Stadt finden, interessieren, sie zeigen, dass selbst die ehrwürdige litauische Sprache einzelne dem Bedürfnis des Verkehrs entsprechende Fremdworte aufnehmen musste und wir lesen mit einigem Erstaunen, wie dem litauischen Bauern, der zu Markt kommt, Zinkiu, Chlorkalkiu und andere schöne Dinge angeboten werden.

 

Hier im Osten der Stadt befinden wir uns so recht auf dem Schauplatz des unseligen Tilsiter Friedens: an der Schiffsbrücke liegt das bekannte Floß, auf dem eine Monarchenbegegnung stattfand, ganz in der Nähe stehen die einst von den Fürstlichkeiten bewohnten Häuser. Der Turm der schönen „Deutschen Kirche“ soll das besondere Wohlgefallen des ersten Napoleon erregt haben. In der Gegenwart erleben es die Tilsiter, dass der „Tilsiter Käse“, der weithin im Memeldelta bereitet

wird, seinen Ruf überraschend ausbreitet, ist er doch 1903 auf den Speisekarten Graubündener Hotels und bis in die einsamsten Hospize hinauf angetroffen worden.

 

Fast unmittelbar am Tilsiter Bahnhof fahren wir über die Memel, die dem Reisenden wohl großartiger vorkommen wird als die Weichsel. Von den Zuständen, wie sie bis zum Eröffnungstage der Brücke, dem 10. Oktober 1875 herrschten, können wir uns heute kaum noch eine Vorstellung machen, mussten doch zuweilen die von Norden kommenden Reisenden angesichts der Stadt noch übernachten. Indem wir über die Brücke fahren, lassen wir unsere Gedanken stromaufwärts bis zu den fernen russischen Städten Kowno und Grodno, bei denen der Strom in tiefem romantischen, den Geologen lehrreichen Tale fließt, wandern, oder wir blicken stromabwärts auf die unabsehbaren Flächen des Delta und gedenken der Ibenhorster Wälder, wo noch Elche hausen, und der einsamen Wald- und Wasserorte Gilge, Tawe, Inse, Loje am Kurischen Haff, die während des „Schacktarp", d. h. der Zeit zwischen Frostbeginn und festem Eise oder zwischen Beginn des Tauwetters und völliger Eisfreiheit der Ströme, vielleicht die weltabgeschiedensten im Reiche sind. Alle diese Gegenden liegen aber von unserer Bahnlinie doch weit ab, die Entfernungen sind groß und Seitenexkursionen lassen sich hier meist nicht so bequem machen wie im Westen. In jenen Deltagegenden und weiter nördlich bis Memel hin ist der Schauplatz der Novellen Ernst Wicherts, der auf Grund seiner in und bei Prökuls (siehe unten) gesammelten Erfahrungen das äußerlich nicht eben bestechende, aber bei näherem Studium so interessante Land der Litauer trefflich geschildert hat.

 

Lange fahren wir noch auf dem Damme durch das Tal, erst bei Baubeln und der gleich folgenden Station Pogegen (wichtige Zweigbahnen nach dem Grenzort Schmalleningken und nach Laugszargen bei Tauroggen) erreichen wir die Diluvialhöhe, die hier ganz den angrenzenden russischen Landschaften ähnelt. Die wichtige Landstraße rechts würde uns über die Grenze nach Tauroggen bringen, in dessen Nähe einst York seine Konvention mit dem Russen abschloss. Tauroggen liegt an der alten großen Heerstraße nach Petersburg. Wald und Wiese wechseln lange ab, die Besiedlung der zwar vielfach von Litauern bewohnten, aber doch wenig Eigentümlichkeiten zeigenden Gegend ist fast durchweg die zerstreute, die Höfe tragen meist besondere Namen. Über die Stationen Jecksterken, Stonischken, Mädewald und Kugeleit, früher Jon Kugeleit (eine echt litauische, auf Personennamen zurückgehende, sich hier in ähnlicher Art hundertfach wiederholende Namensform), erreichen wir Station Jugnaten, wo sich einzelne flache Höhen etwas hervorheben. Dann folgt die Brücke über die Sziesze und die wichtigere Station Heydekrug. Es hat sich hier an einem günstigen Übergangspunkt über die Sziesze eine ganze Gruppe von Ansiedlungen mit mehreren Kirchen gebildet, unter denen Heydekrug selbst zufällig dem Bahnhof am fernsten liegt. Wii könnten von Heydekrug Exkursionen nach dem Augstumaller Torf- und Moorbruch oder nach dem Rupkalwener Moore (mit der neuen Kolonie Bismarck) unternehmen, beides sind bisher absolut unbewohnte Striche, in denen man sich redlich bemüht, der Kultur neues Land zu schaffen. Eine Landstraße führt nach dem Wasser- und Holzhändlerort Ruß, der seine langen Straßenarme so zwischen die Wasserläufe des  hier beginnenden sekundären Rußdeltais hineinschiebt und auf den Landzungen verteilt, dass der Verkehr zur Schacktarpzeit manchen Beschwerden unterliegt. Sehr schlimm haben es in dieser ganzen Gegend die Landbriefträger, denen es auf den schmalen, grabenumsäumten Wegen des Ibenhorster Forstes auch noch passieren kann, von einem hartnäckigen Elche in Verlegenheit gebracht zu werden.

 

Bei Station Szameitkehmen überschreiten wir die Tenne, jenseits Station Kukoreiten die Grenze des Kreises Memel und damit wieder die des Regierungsbezirks Königsberg. Zwischen Insterburg und Memel ist Tilsit die einzige Stadt, dabei ist die Strecke 146 km lang, so lang wie diejenige von Halle bis Fröttstädt zwischen Gotha und Eisenach. Kirchdörfer sind hier noch spärlicher als sonst in Ostpreußen, der 842 qkm große Kreis Memel hat bei 271 Landgemeinden noch nicht zehn Landeskirchen. Wir überschreiten die Wiewirsze, einen Nebenfluss der Minge, dann die Minge selbst. Alle diese sind tief aus Russland kommende Flüsse mit ziemlich bedeutender Wassermenge. Station Prökuls (= Freudendorf, lettischer Name) ist wieder eine etwas größere Ansiedlung; links streifen wir das große Tyrusmoor, das bis an das ganz flache Ufer des Kurischen Haffs reicht, selbst aber von dem nach Memel führenden König-Wilhelm-Kanal durchzogen wird. Das Haff sehen wir von der Bahn kaum, doch verraten uns, besonders bei starken Temperaturdifferenzen zwischen Land und Wasser, oft eigentümliche Wolkengebilde seine Lage. Jenseits Station Mitzken fahren wir über den Schmelzfluss, dann folgt noch Station Carlsberg, auch nur eine kleine Häusergruppe. Die Gegend wird lebhafter und gleichzeitig hügeliger, in weitem Bogen nähern wir uns Memel, überbrücken in hohem Damme die stattliche Dange und mehrere Landstraßen und erreichen dann den nördlich von der Stadt an der Grenze des freien Feldes liegenden Bahnhof.

 

Memel, das „nordische London", wie es ein wenig übertreibend wohl genannt wird, ist ein stattlicher weiträumiger Ort, der mit seinen nördlichen und südlichen Vororten sich lang am Haff hinzieht. Jene Weiträumigkeit und Luftigkeit, die auch die älteren, an beiden Ufern der Dange sich ausbreitenden Stadtteile auszeichnet, ist eine Folge der großen Feuerbrunst, die im Oktober 1854 einen bedeutenden Teil der Stadt mit den Kirchen verzehrte. Am Hafen der vorzugsweise mit russischem Holz Handel treibenden Stadt herrscht reges Leben, das aber noch viel größer sein könnte, wenn die Memel, im Norden und Osten ganz nahe der russischen Grenze, von Eisenbahnen überschritten würde. Aber bis heute führt nur eine kleine, übrigens recht interessante Strecke bis Bajohren dicht an der Grenze, es ist die nordöstlichste Bahn des Reiches. Memel pflegt vielfach als Sommerfrische aufgesucht zu werden, Ausflüge in die Umgebung lehren, dass dieser Brauch wohlbegründet ist. Schöne Ausblicke gewährt schon die Memel gegenüberliegende Nordspitze der Kurischen Nehrung, wo die alte jetzt verlassene Poststraße mündet; auf ihr reiste die Königin Luise, auch Alexander von Humboldt, als er 1829 dem Ural zueilte. Viel großartiger aber sind- die von der Memeler Kaufmannschaft mit schönem Wald bepflanzten Strandberge im Norden, bis zum Seebad Försterei und der aussichtsreichen „ölländschen Mütze“. Es gibt nicht viele Küstenstädte in Deutschland, in deren Nähe man hier mehrere Stunden lang im Waldesschatten gehen und doch das Meer und die hier oft heftige Brandung fast stets vor Augen haben kann. So bietet die ferne Grenzstadt Preußens, das anscheinend so unheimlich-nordische Memel, nicht nur ein sehr interessantes Städtebild, sondern auch einen Einblick in schöne, wenn auch einfache Landschaftsbilder. —

 

Genau genommen sind wir eigentlich am Ende unserer Fahrt und damit am Ende der Ausführungen unseres kleinen Führers „Rechts und Links der Eisenbahn". Und doch kann der Abschnitt der Beschreibung über die Strecke von Insterburg nach Eydtkuhnen dem Leser nicht vorenthalten werden, denn gerade die Geschichte dieser Landschaft gehört zu einer Beschreibung unserer ostpreußischen Heimat.

 

Wir wenden uns von Memel und dem Strand der Ostsee zurück nach Insterburg, besteigen wieder unsere „alte Ostbahn" in Richtung Eydtkuhnen und lassen nun erneut unseren Reiseführer sprechen:

 

Für das Flusssystem des Pregel ist Insterburgs Umgebung wichtig, die Stadt liegt zwar nach dem Sprachgebrauch am Pregel, aber eigentlich ist es die Angerapp, welche wir hier sehen, die sich wenig weiter abwärts mit der Insterburg keineswegs berührenden Inster vereinigt. Das Tal der Inster ist das des Urmemelstroms und trägt deshalb einen ähnlichen Charakter wie, das untere Pregeltal. Die Angerapp dagegen, sowie die nicht weit oberhalb Insterburg zufließende Pissa mit ihrem Nebenfluss Rominte, sind sozusagen Bergströme mit höchst gewundenem Laufe, tiefen Tälern und ziemlich starkem Gefälle. Aber nach dem Sprachgebrauch des Ostpreußen folgt der Name Pregel noch der Angerapp und dann der Pissa aufwärts, auch der Gumbinner will nicht an der Pissa, sondern am Pregel wohnen und die Quelle des Pregels.

 

Bei Insterburg treten wir in das — übrigens jetzt völlig deutsche — mittlere Litauen ein. In dieser Gegend hatte die Pest von 1709 viele Orte verödet, nun wurde König Friedrich Wilhelm I. der Reorganisator des Landes, der außer anderen Kolonisten namentlich die aus Salzburg ausgewiesenen Protestanten hier ansiedelte (1732). Bei dieser Gelegenheit ist man aber in der Entwaldung dieser wohl etwas zu weit gegangen. Die Umgebung von Gumbinnen gehört jetzt zu den waldärmsten Teilen der Provinz, wir berühren von Insterburg bis zur Grenze nur noch einige ganz kleine Waldinseln. Der Anbau ist gut: es fehlt aber an größeren Dörfern, dafür sieht man überall die bezeichnenden ostpreußischen, oft besondere Namen führenden .Ausbauten", zu denen von den Hauptwegen Zufahrtswege führen, deren Erhaltung vielfach nicht gerade die beste ist. Kirchtürme sieht man sehr selten und dies ist ein Hauptunterschied gegen die mitteldeutsche Landschaft. Nachdem wir Insterburg weiten Bahnhof verlassen und uns von der Linie nach Memel getrennt haben, durchfahren wir unablässig die eben kurz gekennzeichnete Landschaft, passieren Station Judtschen (im Pfarrhause war Kant‘s Hauslehrer), überschreiten die Angerapp (s. oben) und nähern uns Gumbinnen. Die höchst regelmäßig gebaute, einen leisen Anflug von Kolonialtypus tragende Stadt liegt links vom Bahnhof, sie wird von der Pissa (s. oben) durchflossen und ist eine ausgeprägte Beamten- und Regierungsstadt. Fern rechts erschienen schon vorher zeitweise die aus dem Flachlande ziemlich schroff aufsteigenden Auxkallener und Plickener Berge, wahrscheinlich Werke eiszeitlicher Gletscher.

 

Bei der Weiterfahrt überschreiten wir die Rominte kurz vor ihrer Mündung in die Pissa, eine Strecke weiter diese selbst und nähern uns, langsam steigend, der Wasserscheide zwischen Pregel- und Memelgebiet. Station Trakehnen liegt recht weit von dem zerstreut gebauten bekannten Gestütsort, der sich fern rechts in Mitte der Zweiggestüte und ausgedehnten Pferdeweiden schon etwas zu dem höheren Lande hinaufzieht. Hier halten sogar einzelne D-Züge. Wir steigen unablässig, einzelne Moore erscheinen rechts und links, endlich taucht links die ziemlich genau auf der Wasserscheide liegende Stadt Stallupönen auf, deren Name etwa „Opfertisch am Wasser" bedeuten kann, also auf die heidnische Zeit zurückdeutet. Auch hier war 1709 alles verödet und viele Salzburger wurden angesiedelt. Nationale Salzburger Eigentümlichkeiten haben sich nahezu gar nicht mehr erhalten, die echt salzburgischen Namen (Lottermoser, Rohrmoser und viele andere) kommen aber in ganz Litauen wie auch in Königsberg noch häufig vor. Von Stallupönen gehen wichtige strategische Bahnen nördlich über Ragnit nach Tilsit, südlich über Goldap nach Lyck und nach Löwenhagen (s. oben) ab, beide berühren viele kleine Orte mit oft sehr charakteristischen echt litauischen Namen.

 

Achten wir auch noch einen Moment auf die Reisegesellschaft. Schon lange haben die russischen Zoll- und Passvorschriften einen Gegenstand der Unterhaltung gebildet, mancherlei Erlebnisse werden erzählt, andere Mitteilungen über russisches Leben und Treiben knüpft sich an, so dass man, auch ohne das Zarenreich selbst zu betreten, hier schon mancherlei, was man in keinem Buche findet, darüber lernen kann. Daneben fesselt uns natürlich die Erwägung, dass die nächste Grenze nach der jetzt heranrückenden, die chinesische ist. Wir fahren nun bergabrollend von Stallupönen ab, alles rüstet sich mit einer gewissen Spannung auf das wichtige Ereignis des Eintritts in das benachbarte Rie???reich (unlesbar). Stets bleibt uns die Landstraße mit zahlreichen Häusergruppen und Ausbauten links nahe, endlich erscheint ein gewaltig großer Bahnhof, der zu dem rasch aufblühenden, vor 1860 aber beinahe unbekannten Grenzort Eydtkuhnen, dessen Name „Wohlgeboren" bedeuten soll, gehört. Hier schon ist längerer Aufenthalt. Dann überschreiten wir die zum Memelsystem gehörende Lepone und mit ihr die Grenze und fahren in den beinahe unmittelbar anstoßenden ebenfalls riesigen russischen Bahnhof Wirballen ein. Die russische Stadt Wirballen (Wershbolowo) liegt weit südöstlich, der dem Bahnhof nächste Ort — demnächst Stadt — heißt Kibarty. Nach überstandener Pass- und Zollrevision könnten wir, wenn wir wollten, die Reise in wochenlanger Fahrt bis an den Stillen Ozean fortsetzen. Fuhren wir (Herbst 1903) z. B. an einem Dienstag um 1 Uhr früh von Wirballen weiter, würden wir am Abend des dritten darauffolgenden Freitags in Peking einfahren, am Morgen des Donnerstags aber schon Dalni oder auch Port Arthur erreichen können. Doch wir machen hier Halt, um noch einmal das durchfahrene Gebiet zu mustern.

 

Soweit unser liebenswürdiger Interpret. Die am Schluss seiner Ausführungen gemachten Vorschläge, nach Peking oder Port Arthur weiterzufahren, hätten wir uns selbst im Jahre 1903 wohl reichlich überlegt; heute diese Reise zu unternehmen, würden wir gewiss abschlagen.

 

Unser Ziel war unsere alte, unsere schöne und geliebte Heimat Ostpreußen. Sie in Gedanken noch einmal — und wenigstens in ihrem nordöstlichen Teil — vor Augen zu haben, war unser Wunsch, den uns unser kleiner Reiseführer aus dem Jahre 1903 erfüllt hat. Ihm zollen wir unseren Dank. Er regte uns von neuem an, Heimat und Heimatflur, Besitz unserer Väter und Vorväter nie zu vergessen, Kindern und Kindeskindern immer wieder die Liebe und Begeisterung einzuprägen zu unserer, zu ihrer Heimat Ostpreußen.

 

 

Seite 7   Kindersuchdienst

Abschwangen, Kreis Preußisch Eylau: Ute Grutz, geb. 23.06.1942, von ihrer Mutter Erna Grutz, geborene Böhnke, geb. 21.04.1919. Das Kind Ute Grutz wurde zwischen dem 20. und 25.02.1945 von Frau Emma Mehl aus Abschwangen bei der NSV Stutthof abgegeben. Wer war im Februar 1945 bei der NSV in Stutthof tätig und kann über den Verbleib des Kindes Auskunft geben?

 

 

Seite 7   Mittel für die Siedlung sind zu gering. „Bauernverband der Vertriebenen“ fordert schnellste Vorlage des Siedlungsprogamms 1956.

Nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des Bundeshaushaltsplanes 1956 stehen für die Siedlung wieder nur 94,7 Mill. Mark zur Verfügung, da die zusätzlich eingesetzten 60 Mill. Mark zur Abdeckung der Vorgriffe aus dem laufenden Haushaltsjahr verwendet werden müssen. In den Erläuterungen zu Kap. 1002 Titel 531 Darlehen und Titel 662 Beihilfen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erhöhung um 60 Mill. Mark auf insgesamt 154,620 Mill. Mark zur Abdeckung des im Rechnungsjahr 1955 erfolgten Vorgriffs von 60 Mill. Mark vorgenommen ist. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu Titel 531 (Darlehen) sogar empfohlen, den Betrag von 40 Mill. Mark (Erhöhungsbetrag der Darlehen gegenüber 1955) in den außerordentlichen Haushalt zu übertragen.

 

Die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister Schäffer haben in der Haushaltsrede am 08.12.1955 sich dagegen gewandt und bleiben aus haushaltsrechtlichen Gründen bei der Vorlage, denn die Übertragung von 40 Mill. DM auf den außerordentlichen Haushalt, der erst bei entsprechender Deckung durch Anleihen bedient werden kann, würde bedeuten, dass zunächst für die laufenden Siedlungsmittel nicht einmal 94, sondern nur 54,6 Mill. DM zur Verfügung ständen, da nach § 30 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung (RHO) der Vorgriff vorweg aus dem ordentlichen Haushalt abgedeckt werden muss. Die Bestimmung des § 30 Abs. 3 Satz I (RHO) lautet:

 

„Mehrausgaben gegenüber einer übertragbaren Ausgabebewilligung (Vorgriffe) sind Haushaltsüberschreitungen, die aus der nächsten Bewilligung für den gleichen Zweck vorweg zu decken sind“.

 

Nach dem erst im Oktober 1955 vom Bundeskabinett verabschiedeten Siedlungsprogramm 1955 ist ein Mittelbedarf von 164 Mill. DM Haushaltsmittel erforderlich. Nach diesem Programm sollen 10 282 Neusiedlerstellen errichtet und 10134 Stellen durch Kauf und Pacht an Vertriebene kommen. Da nicht anzunehmen ist, dass die Bundesregierung ihr Siedlungsprogramm für 1956 um die Hälfte reduzieren will, werden auch 1956 zur Durchführung des gleichen Programms mindestens 164 Mill. DM erforderlich sein. Dieser Betrag ist inzwischen vom Bundesvertriebenenminister in der Sitzung des Vertriebenenausschusses des Bundestages am 07.12.1955 bestätigt worden, wo die Summe von 165 Mill. DM an Bundeshaushaltsmitteln für 1956 als notwendig angegeben wurde. Es ist deshalb notwendig, dass im ordentlichen Haushalt an Siedlungsmitteln, einschließlich des zur Abdeckung des Vorgriffs erforderlichen Betrages von 60 Mill. DM insgesamt 224 Mill. DM eingesetzt werden. Damit würde noch nicht einmal der Vorschrift des § 46 BVFG Genüge getan, jährlich 150 Mill. DM für die Neusiedlung einzusetzen, da ca. 30 - 40 Prozent der Mittel für die Finanzierung der Übernahme bestehender Höfe, Gebühren usw. benötigt werden.

 

Der „Bauernverband der Vertriebenen" hat wiederholt auf die nachteilige Wirkung hingewiesen, die durch Nichtaufstellung des im § 46 Ziff. 1 vorgeschriebenen Siedlungs-Fünfjahresprogramms (1953 - 1957) eingetreten ist. Wenn schon die Bundesregierung, entgegen dem Willen des Gesetzgebers, bisher noch keinen Fünfjahresplan für die Siedlung vorgelegt hat, so ist doch die Mindestforderung, dass sie die Jahresprogramme rechtzeitig und zusammen mit dem Haushalt vorlegt. Dadurch kann erreicht werden, dass der Gesetzgeber die Mittelbereitstellung für die Siedlung auf die nach dem Programm notwendige Höhe einrichtet. Es ist also dringend zu fordern, dass die Bundesregierung umgehend wenigstens ihr Siedlungsprogramm für 1956 bekanntgibt und der danach erforderlichen entsprechenden Erhöhung der Siedlungsmittel zustimmt.

 

Die bisherige Behandlung im Ansatz der Siedlungsmittel wird der Bedeutung der Siedlung nicht gerecht, und wir sehen in dem jährlich sich wiederholenden Kampf um ausreichende Siedlungsmittel, die bisher nicht in aus reichendem Umfange eingesetzt wurden, einen Widerspruch zum Programm der Bundesregierung, die Siedlung zu fördern und zu aktivieren. Es genügt nicht, wie die Erfahrung zeigt, sich mit Zusagen auf Vorgriffe zu begnügen, denn die Siedlung erfordert langfristige Planung, wobei die Siedlungsbehörden rechtzeitig wissen müssen, mit welchen Mitteln sie rechnen können und welche ihnen aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stehen. In der Haushaltsdebatte 1955 ist auch im Plenum darauf hingewiesen worden, dass man in Zukunft nicht weiter mit Vorgriffszusagen und Haushaltsüberschreitungen arbeiten soll, um endlich auch von Bundesseite durch rechtzeitige und ausreichende Mittelstellung die Siedlung zu fördern. Im laufenden Jahr haben die Durchführung des Vorgriffs und die Bereitstellung der 60 Mill. DM Haushaltsüberschreitungen monatelange Verhandlungen mit den beteiligten Ressorts benötigt, da man sich über die erforderliche Höhe nicht einigen konnte.

 

Der Bauernverband der Vertriebenen fordert:

 

a) sofortige Vorlage des Siedlungsprogramms,

 

b) Erhöhung der Siedlungsmittel im Bundeshaushalt 1956 auf insgesamt 224 Mill. DM.

 

 

Seite 7   Verstärkte Steuerbegünstigung für das zweite Kind! Telegramm der Familienverbände an den Kanzler - Warnung vor linearer Steuersenkung.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Familienorganisationen, der die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen, der Deutsche Familienverband, der Familienbund der Deutschen Katholiken und der Bund der Kinderreichen angehören, hat in einem Telegramm an den Bundeskanzler verstärkte Steuerbegünstigung für das zweite Kind gefordert. Sie hat gleichzeitig vor einer linearen Senkung der Lohn- und Einkommensteuer gewarnt, weil diese in erster Linie den Ledigen und Kinderlosen zugutekomme, da die Familien mit mehreren Kindern ohnehin geringere oder gar keine Steuern zahlen.

 

„Bei 400 DM Monatseinkommen würde ein Lediger monatlich 3,50 DM weniger zu zahlen haben, ein Ehepaar ohne Kinder 2,20 DM, bei einem Kind 1,20 DM und bei zwei Kindern 0,50 DM weniger. Bei 600 DM Monatseinkommen würde die lineare Senkung ausmachen: beim Ledigen 7,60 DM, beim kinderlosen Ehepaar 5,90 DM, bei einem Kind 4,70 DM, bei zwei Kindern 3,60 DM und bei drei Kindern ??? (unlesbar) DM. Hat man das wirklich bedacht, wenn man nach linearer Steuersenkung ruft, die zwar den meisten unbedeutende Entlastung bringt, aber den ohnehin viel zu geringen Abstand zwischen der Nettoauszahlung für den ledigen einerseits und für den Familienvater andererseits immer mehr verkleinert? Eine lineare Steuersenkung um 10 v. H. würde über eine Milliarde Steuerausfall zur Folge haben, vor allem aber würde sie die verbleibende Steuerlast prozentual von den Ledigen und kinderlosen auf die Familien mit Kindern verlagern.

 

Unsere Denkschrift über den Familienlastenausgleich hat bewiesen, dass die Kinderermäßigung für das zweite Kind (jetziger monatlicher Freibetrag: 60 DM) ausgebaut und auf den ab drittes Kind geltenden Satz (140 DM) erhöht werden müsste, um unseren Familien über die Steuer etwas mehr Gerechtigkeit werden zu lassen (Steuerausfall rd. 250 Millionen). Will man wirklich in vierfachem Ausmaß Steuerpolitik gegen die Familie machen, anstatt mit einem Viertel der dafür benötigten Summe unseren Familien zu helfen?

 

Darüber hinaus gibt es in der gegenwärtigen Steuerregelung einige Sonderbarkeiten, die hier nur an zwei Beispielen erläutert seien: wenn ein Arbeitnehmer arbeitstäglich per Kleinauto 10 km zur Arbeitsstätte fährt, kann er monatlich 125 DM (0,50 DM je km) als Werbungskosten steuerlich absetzen. Einem Familienvater dagegen werden für zwei Kinder monatlich insgesamt 120 DM (Kinderfreibetrag) abgesetzt. Je eine Viertelstunde tägliche Autofahrt von und zur Arbeitsstätte werden also steuerlich stärker begünstigt als der Gesamtaufwand für das Großziehen von zwei Kindern. So bevorzugt man das Auto vor dem Kind. Nach der neuesten Denkschrift des Finanzministeriums zur Ehegattenbesteuerung soll der berufstätigen zusammen veranlagten Ehefrau ein jährlicher Freibetrag von 1600 DM gewährt werden, wenn sie außerhalb der Familie berufstätig ist. Für das Großziehen von zwei Kindern hingegen gewährt unser Einkommensteuerrecht zurzeit jährlich 1440 DM Freibetrag, bewertet also den Mehraufwand für das Großziehen von zwei Kindern geringer als den Mehraufwand für die Berufstätigkeit der Ehefrau. Der in der Denkschrift des Finanzministeriums für die kinderbetreuende Hausmutter vorgeschlagene kleine Freibetrag von 400 DM jährlich würde den 1440 DM Freibetrag für die Kinder zwar auf 1840 DM steigern, aber an dem Gesamtbild völlig unzureichender Bewertung der Kosten für zwei Kinder würde sich nichts Wesentliches ändern“.

 

 

Seite 7   Unterhaltsansprüche – Unterhaltsverpflichtungen. Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches — Leistungsfähigkeit entscheidet.

In weiten Kreisen der Heimatvertriebenen herrscht vielfach Unklarheit darüber, unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Unterhaltsansprüche bzw. Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sind nur Verwandte in gerader Linie einander unterhaltspflichtig, das bedeutet, dass beispielsweise Kindern Unterhaltsansprüche gegen ihre Eltern und Großeltern sowie gegebenenfalls gegen die Urgroßeltern zustehen. Eltern, Großeltern und Urgroßeltern haben umgekehrt Unterhaltsansprüche gegen ihre Kinder und Enkelkinder. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass keine Unterhaltpflicht zwischen Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten besteht. So haben also Geschwister bzw. Onkel und Nichte, ferner Stiefvater und Stiefsohn keinerlei Unterhaltsansprüche.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für den Unterhaltsanspruch ist die Bedürftigkeit desjenigen, der Unterhalt verlangt. Somit ist unterhaltsberechtigt nur, wer selber nicht in der Lage ist, sich zu unterhalten. Bedürftig ist, wer weder aus seiner Erwerbsfähigkeit noch aus seinem Vermögen den Unterhalt bestreiten kann. Hinzu kommt noch die Erwerbsunfähigkeit: diese liegt vor, wenn der Unterhaltsberechtigte aus Gesundheitsgründen nicht imstande ist, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen.

 

Wer seine Arbeit grundlos aufgibt, wird dadurch nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes. Bei Studenten, Lehrlingen, Volontären, also Personen, die sich noch in der Berufsausbildung befinden, ist die Erwerbsunfähigkeit selbstverständlich zu bejahen.

 

Bei der Gewährung einer Unterhaltsleistung spielt die Leistungsfähigkeit dessen, der zum Unterhalt verpflichtet ist, eine ausschlaggebende Rolle. Somit ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdung seines eigenen standesgemäßen Unterhalts nicht in der Lage ist, einem an sich Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren. Den Eltern allerdings legt das Gesetz gegenüber ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern eine erhöhte Unterhaltspflicht auf.

 

Kinder brauchen, bevor sie Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern machen können, ihr etwa vorhandenes Vermögen nicht aufzuzehren, wohl aber müssen die Erträgnisse aus dem Vermögen, wie Zinsen usw. zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts verbraucht werden.

 

Den Eltern hat der Gesetzgeber darüber hinaus die Verpflichtung auferlegt, mit ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern alle verfügbaren Mittel, wie Arbeits- und Vermögenseinkünfte zu teilen, Vater und Mutter müssen daher gegebenenfalls für sich selber mit weniger auskommen, als zum eigenen standesgemäßen Unterhalt erforderlich ist. Das unbedingt notwendige Existenzminimum muss den Eltern allerdings belassen werden.

 

Der Gesetzgeber hat nun eine bestimmte Reihenfolge für Unterhaltsverpflichtete festgelegt. Unterhaltsbedürftige Eltern haben beispielweise in erster Linie einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Kinder, und zwar werden diese zu gleichen Teilen herangezogen. Kinder haben in erster Linie einen Unterhaltsanspruch gegen die Eltern. Erst wenn diese nicht in der Lage sind zu helfen, steht den Kindern auch ein Unterhaltsanspruch gegenüber den Großeltern zu. In welchem Umfange ist nun der Unterhalt zu gewähren? Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches richtet sich der Unterhaltsanspruch nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Der Unterhaltsanspruch umfasst an sich den gesamten Lebensbedarf, das heißt nicht nur die Kosten für Ernährung und Kleidung, sondern auch die Kosten für Pflege geistiger Interessen, also beispielsweise auch Schulgeld und Hochschulgebühren für einen Studenten. Der Gesetzgeber kann jedoch unmöglich die Frage über die Höhe des Unterhaltsanspruchs mit festen Zahlenangaben beantworten. Wenn ein Gericht also durch ein Urteil einen festen Unterhaltsbetrag bestimmt, so kann es sich dabei in gewissem Sinne nur um eine Ermessensentscheidung handeln.

 

In Ausnahmefällen steht dem an sich Unterhaltsberechtigten nur ein Anspruch auf den sogenannten notdürftigen Unterhalt zu, und zwar dann, wenn der Unterhaltsberechtigte, durch eigenes sittliches Verschulden, durch Trunksucht oder Spielleidenschaft bedürftig geworden ist. Der notdürftige Unterhalt kommt auch dann in Frage, wenn der Unterhaltsberechtigte sich so verhalten hat, dass der Unterhaltspflichtige ihm den gesetzlichen Pflichtteil nach erbrechtlichen Bestimmungen entziehen könnte.

 

Die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Ehegatten untereinander sowie allgemeine prozessrechtliche Fragen, die mit Unterhaltsansprüchen zusammenhängen, werden zu einem späteren Zeitpunkt behandelt. Wir hoffen, den gesetzesunkundigen Schicksalsgefährten in der Frage des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs einige wesentliche Hinweise gegeben zu haben.

 

 

Seite 7   Gegen den Missbrauch der öffentlichen Hand. Prof. Dr. Bräuer gegen die Bildung des Rüstungsfonds — Pflicht zu Steuersenkungen.

Der Präsident des „Bundes der Steuerzahler", Professor Dr. Karl Bräuer, hat in einem Artikel in der Zeitschrift „Der Volkswirt" in scharfer Form die Hortung der öffentlichen Hand kritisiert. „Sobald es feststeht, dass Überschüsse von Milliarden über den erforderlichen notwendigen öffentlichen Bedarf vorliegen, hat die öffentliche Hand die unabweisbare Pflicht, diese zu viel erhobene Kaufkraft dem Steuerpflichtigen in der Form von Steuersenkungen zurückzugeben. Man hat aber beinahe das Gefühl, dass — je höher die Reserven steigen — desto mehr der Widerstand der Finanzbürokratie gegen Steuersenkungen im Wachsen begriffen ist“.

 

Professor Dr. Bräuer schreibt weiter, ob es wirklich so sei, dass die ersparten Steuerbeträge einfach in den Konsum fließen und eine förmliche Investitionswut mit einer gefährlichen Preissteigerung auslösen würden? Halbe Wahrheiten würden durch eine äußerst geschickte Regie mit dem Anschein einer apodiktischen Gewissheit verbreitet. Der Fiskus übersähe völlig, dass die geforderte Steuersenkung auch Hunderttausenden von Betrieben jeder Größenordnung zugutekäme, die zum Teil weitgehend verschuldet seien (vor allem Vertriebenenunternehmen. Die Red.) und die heilfroh wären, einen Teil ihrer hochverzinslichen Schulden abstoßen und so das groteske Missverhältnis zwischen ihrem Eigenkapital und Fremdkapital verbessern zu können.

 

Nach Professor Bräuers Ansicht würden zu den vorhandenen Milliardenreserven der öffentlichen Hand durch die anfallenden Mehrerträge von Steuern, die in gleicher Höhe weitererhoben werden, immer neue zusätzliche Reserven gebildet. Man wolle einen Krisenfonds haben und stelle einen gewaltigen Spartopf aus, um mit seinem Inhalt in den Jahren 1958, 1959 und 1960 anfallende hohe Rüstungskosten bestreiten zu können.

 

„Wer erlaubt der öffentlichen Hand einen solchen offensichtlichen Missbrauch in der Erhebung von Steuern? ... Wer ermächtigt die öffentliche Gewalt ... die Steuerwilligkeit der Staatsbürger auf eine bedenkliche Belastungsprobe zu stellen?" Nur wer den tatsächlichen Verhältnissen sehr fernstehe und die wachsende Staatsverdrossenheit aus Gründen der Überspannung unserer steuerlichen Belastung nicht kenne, wisse nichts von den Gefahren, denen wir immer näher rückten.

 

 

Seite 8   Die verschwundene Insel in Masuren.

Foto: Kiefernwälder umgeben die zahllosen Seen in Masuren. Aufn.: Bernhard Heister.

In einem kleinen Dörfchen im schönen Masuren der vielen, vielen Seen stand ein kleines Haus. Das Dach war mit Schilfrohr gedeckt. In dem Hause wohnte ein Mann, den die Dorfgemeinde den Fischräuber nannte. Der Fischmeister hatte seine liebe Not mit dem Fischräuber. Er konnte ihn nie beim Fischfang ertappen. Wenn der Fischermeister mit seinem Motorboot auf der Bildfläche erschien, so ruderte der Fischräuber friedlich daher, als wenn er eine Vergnügungsfahrt machte. Sein bester Fanggrund war in der Nähe einer kleinen Insel. Sie lag ungefähr zwei Kilometer von seinem Häuschen entfernt. Dort, behauptete er, höre man eine feine leise Musik. Zuweilen sehe man an der Ostseite der Insel das Wasser wie Kristall leuchten, so dass man bis auf den Grund sehen könne. Auf diesen lägen große Steine und zwischen denselben sähe er oft eine kleine Tür. Dies alles könnte er nur von weitem sehen. Kam er näher heran, so verschwand das schöne Bild.

 

So gingen etliche Jähre dahin. Da wurde er des Alleinseins müde und beschloss eine Witwe aus dem Nachbardorf zu heiraten. Diese hatte ein kleines Töchterchen, ein bildschönes Kind. Die Frau wurde von ihren Nachbarn gewarnt, diesen sonderbaren Mann zu heiraten Er machte ja auch keinen guten Eindruck mit seinen vorstehenden Backenknochen und den kohleschwarzen Augen. Als aber die Mutter merkte, dass er freundlich zu ihrem Kinde war, und dass Freundlichkeit auf beiden Seiten herrschte, da schwanden auch ihr alle Bedenken.

 

Es dauerte nicht lange, da kam der Fischermeister in das Dorf, um des Nachts dem Fischräuber aufzupassen. Der Räuber aber hatte ein feines Gefühl für eine ihm nahende Gefahr. Denn, wenn er merkte, dass er beobachtet wurde, versenkte er sein Netz im See und kam gemütlich an Land gerudert. Kaum war er ausgestiegen, so stand der Fischmeister mit seinem Gehilfen vor ihm. Wie aber war der Fischmeister erstaunt, als er nichts Verdächtiges fand. Auf die Frage, was er des Nachts auf dem Wasser zu tun habe, antwortete er ruhig: Erstens ist es nicht mehr Nacht, denn die Sonne geht ja schon auf und zweitens kann ich auf dem Wasser sein, so viel und wann ich will. Nach dieser eingehenden Zurechtweisung ging der Fischräuber seinem Häuschen zu.

 

Der Fischmeister musste voller Wut unverrichteter Dinge den weiten Weg nach Lötzen, wo er zu Hause war, gehen. „Schade um die verlorene Nachtruhe", brummte sein Helfer.

 

Am Tage holte dann der Fischräuber ganz unauffällig seine Beute. Es war diesmal eine reiche Ladung von Fischen und etlichen Aalen. Diesen Fischreichtum konnte die Frau nicht in ihrem Haushalt verbrauchen. Sie entschloss sich daher, nach Lötzen zu gehen und die Fische zu verkaufen. Das war eine große Unvorsichtigkeit. Aber sie wollte so gerne ihren Mann, der von diesem Unternehmen nichts wusste, mit dem Geld überraschen. Wie so manchmal der Zufall mit im Spiel ist, so auch hier. Die Frau geriet in das Häuschen, wo der Fischmeister mit seiner Familie lebte. Zufällig kam er gerade nach Hause, als seine Frau gerade mit der Händlerin den Preis ausmachte. Sofort fragte er nach Namen und Wohnort. Als er aber noch fragte, woher sie die Fische erhalten habe, so antwortete sie nicht der Wahrheit gemäß. Sie sagte einfach, sie habe die Fische von einer Frau zum Verkauf erhalten. Sie hatte aber den Fischmeister nicht erkannt, da er nicht in Uniform war und sie nur einmal seinen Weg gekreuzt hatte.

 

Nach ein paar Tagen wurde dem heimlichen Fischfänger das Boot beschlagnahmt Diese Tat löste eine Wut ohne Grenzen in dem Fischräuber aus, die er an seiner armen Frau ausließ. Ihr Leiden begann.

 

Der Fischräuber sann nun, wie er zu seiner Insel gelangen konnte; holte sich schließlich die alten Bahnschwellen, welche von der Eisenbahn für Schneezäune verwendet werden und hämmerte sie zum Floß um. Allein konnte er dieses Floß aber nicht auf dem Wasser bewegen, so musste seine Frau mit einspringen. Sie machte dies nicht gerne, denn sie wusste nun, dass durch ihre Schuld das Boot beschlagnahmt worden war.

 

Als der Abend herankam, brachte sie ihr Kind zu Bett. Es konnte aber lange nicht einschlafen. Erst gegen morgen fielen ihr die Äuglein zu. In dieser Zeit träumte sie, dass ihre liebe Mutter von dem Stiefvater in den See gestoßen wurde und tief hinab sank. Als sie aber auf dem Grund des Sees ankam, sah sie vor sich eine Tür. Eine kleine Fee hielt ein Lichtlein und winkte ihr, sie möchte herankommen. Wie aber war die Mutter erstaunt, als sie in einen wunderschönen Palast geführt wurde. Viele Engel umgaben sie. Sie musste alles erzählen, was sie auf Erden gelitten hatte und unter der Herrschaft ihres Mannes und auch, dass ihr Kind jetzt ganz allein bei dem bösen Mann wäre. Aber die Engel trösteten sie und sprachen: „Sei ganz beruhigt, dein Töchterchen kommt bald zu uns“.

 

Da erwachte die Kleine, denn ihr Stiefvater kam polternd ins Schlafzimmer. Er rief nach Heidi. Ihre erste Frage war nach der Mutter. Da sah sie der Mann hart an und seine Augen leuchteten wie Feuer, so dass die Kleine ängstlich wurde und sich die Decke übern Kopf zog und bitterlich weinte. Als es aber mit einem Mal so still wurde, kam sie hervorgekrochen. Sie sah den Stiefvater am Tisch sitzen; den Kopf hatte er in beide Hände gestützt. Dieses sah so traurig aus, dass sie noch einmal Mut fasste und ganz langsam zum Tische ging und noch einmal fragte: „Wo ist meine liebe Mutter?" Ohne die Stellung zu verändern, antwortete er: „Deine Mutter ist ertrunken." Da weinte Heidi sehr und schrie: „Ich habe das Ganze schon geträumt, aber meine Mutter ist nicht von selbst ins Wasser gefallen, sondern Du hast sie hineingestoßen“.

 

Wutentbrannt wollte er aufbrausen, beherrschte sich aber, denn ein Gedanke hatte von ihm Besitz ergriffen.

 

Als Heidi sich etwas beruhigt hatte, bat sie den Vater, ihr doch einmal die Stelle zu zeigen, wo die Mutter ertrunken wäre. Dieser Wunsch kam seinen Gedanken sehr entgegen und das Böse in ihm lachte. Gleich am Abend konnte Heidi mitfahren. Es war eine herrliche Nacht, kein Mond schien, aber der Himmel war voller Sterne. So etwas hatte Heidi noch nie gesehen. Voller Andacht saß sie am Ende des Floßes. Ist denn die Insel noch nicht zu sehen, brummte mit einem Male der Vater. Ich sehe kein Licht, es ist alles so dunkel. Ein freudiger Ruf von Heidi schreckte ihn auf. Das Kind hatte das Licht im Wasser gesehen und auch die Tür. In dieser stand ihre liebe Mutter und streckte beide Arme nach ihr aus. Heidi merkte nicht, dass ihr Stiefvater sich ihr näherte. Plötzlich wurde sie ins Wasser gestoßen. Sie hatte dieses kaum wahrgenommen, denn sie sah nur ihre Mutter, die ihr langsam entgegenkam. Von der Mutter wurde sie zu den Elfen und Engeln getragen. Diese spielten mit ihr und sagten: „Du brauchst dich nicht mehr vor deinem Stiefvater zu fürchten, denn du bleibst jetzt immer bei uns“.

 

Von dieser Fahrt kehrte der Fischräuber nicht mehr zurück. Keiner wusste, wo er geblieben war. Das Häuschen stand einsam und verlassen am Ufer eines Sees im schönen Masuren. Karl Nadzeika

 

 

Seite 8   Wo waren die Landsmannschaften?

Am 23. Januar brachte der Süddeutsche Rundfunk folgenden Kommentar: „Die sangesfreudigen Zonenbewohner werden es immer begrüßen, wenn ihr Verein in die Bundesrepublik eingeladen. wird; denn hier hoffen sie einmal aufatmen zu können und nicht von der Propaganda des kommunistischen Systems berieselt zu werden. Die 62 Potsdamer Sänger, die einer Einladung der Stuttgarter Sängervereinigung West in unsere Landeshauptstadt folgten, sahen sich in dieser Erwartung getäuscht. Herr Schierle, der sie als Vorsitzender der Stuttgarter Sänger begrüßte, ist eingeschriebenes Mitglied der KPD. Einen besseren Repräsentanten hätten die schwäbischen Sänger sicher nicht finden können. Auch die Stuttgarter Stadtverwaltung war durch die gleiche politische Richtung vertreten. — Was nützen alle noch so gutgemeinten Aufrufe zahlreicher Institutionen, die Verbindung mit den Menschen in der Zone zu pflegen, wenn diese Institutionen bei solchen Gelegenheiten nicht in Erscheinung treten? Wo waren die Landsmannschaften? Wo waren die übergeordneten Organe des Sängerbundes? Und wo waren vor allem die nichtkommunistischen Gemeinderäte der Stadt Stuttgart?"

 

Unsere Antwort: Wie kann man den Landsmannschaften zumuten, an einer Veranstaltung teilzunehmen, die von Stuttgart rein kommunistisch aufgezogen wurde!

 

 

600 Heimatvertriebene sind in den letzten Tagen mit Sonderzügen aus Schleswig-Holstein nach Nordrhein-Westfalen abgereist. In Städten des Ruhrgebietes werden die Umsiedler Wohnungen und Arbeitsplätze erhalten. Bisher sind insgesamt 361 000 Heimatvertriebene aus Schleswig-Holstein in andere Bundesländer umgesiedelt worden.  

 

 

Mehr als 80 000 junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren sind nach Feststellung der Industrie-Gewerkschaft Metall im vergangenen Jahr aus der Sowjetzone nach Westdeutschland geflohen, um sich dem Militärdienst zu entziehen. Damit wird am besten die Behauptung der Sowjetzonenregierung widerlegt, dass die Nationale Volksarmee eine Herzensangelegenheit der Bevölkerung sei.

 

 

In Niedersachsen leben nach Mitteilung des Vertriebenenministeriums in Hannover zurzeit noch 25000 nichtdeutsche Flüchtlinge, von denen fast die Hälfte in Barackenlagern und Kasernen untergebracht sind. Damit beherbergt Niedersachsen 37 Prozent der im gesamten Bundesgebiet in Lagern lebenden heimatlosen Ausländer.

 

 

Ein westpreußisches Geschlechterbuch mit bisher 100 000 Karteikarten westpreußischer Familien hat der Mittelschullehrer Helmut Strehlau in Bielefeld angelegt, der seit Jahren nebenberuflich als Familienforscher tätig ist.

 

 

Nächtliche Schlittenfahrt.  

Stockdiestere Nacht, und es stiemt und schlackt,

De Pferdchens, die prusten und traben,

De Glockchens klingern, das Schlittche rutscht,

Kein Weg nich zu sehn und kein Graben.

Foorts rein wie im zunen Kartoffelsack,

Kein Mondche nich scheint und kein Sternche.

Bloß links anne Seit vonnem Walach hängt

E pischriges, blindes Laternche.

Im Schlitten hucken, hibsch fest verpackt,

Da nitzt kein Rucksen und Strecken,

Der erste Herr Lehrer und seine Frau,

Bepummelt mit Pelze und Decken.

Und vorn aufem Bock huckt der Fritz Warstat.

Zu sehn is er nich, bloß zu ahnen,

Der hädd drei Jahre aktiv gedient

Bei die Insterburger Hulanen.

Drum trägt er e Reitbix, bloß ohne Besatz.

Mit e ledernem Riemen zum Liften,

Die huckt wie e Pell umme Leberwurst

Ihm stramm und fest umme Hiften.

Se is sein Stolz, ohne ihr is er nuscht,

Und hängt auch das Schaff voll Hosen,

Er trägt bloß die eine und geht mit ihr

wahrscheinlich auch nachts inne Posen.

Der Schacko dagegen, der hädd ihm g??? (unlesbar)

Drei Jahr tat der scheinern und dricken,

Drum is aufem Kopp kein Haarche nich mehr,

Bloß e Schorrbahn fier Fliegen und Micken.

Die blänkert und schwitzt, und die ganze Bulljong

Suppt im Sommer ihm runter im Kragen.

Im Winter muss er, sonst friert ihm am Kopp

E mächtige Pudelmitz tragen. —

Nu huckt aufem Bock er und treimt von die Zeit,

Wo er stolz als Hulan is geritten,

Und wie se an Fenselau's Hohlweg sind,

Da kippt der klabastrige Schlitten.

Es gibt e Rucks, und denn hat er auch all

Mit Schwung aufem Bauch sich geschmissen,

Und dem Fritz Warstat is hinten de Naht

Von die scheene Reitbix gerissen.

Der Lehrer hädd anne Schul grad gedacht,

An Winkel und Kreis und Tangenten,

Na prusten se aller, dem Schnurgel im Schnee

Und dem Pirzel hoch wie de Enten.

In dem vielen Schnee, in dem nassen.

Se wiehlen und grabbeln im Diestern rum

Da kreigt de Frau Lehrer mit eins zum Glick

Was Warmes und Glattes zu fassen

Und sagt: „Herr Warstatche, verkiehlen sich nich“,

„Se haben de Mitz verloren!“

Und denn nach e Weilche, empeert und erstaunt,

„Wo haben Se bloß Ihre Ohren?" Dr. Lau

 

 

Seite 9   Das bunte Königsberg. Von Herbert Meinhard Mühlpford

Foto: Der Gesecusturm Aufn.: E. Blume

Das bunte Königsberg? Nanu? Es hieß doch so schön in dem Liede:

 

„Keenigsbarg is molsch und äckig

Und die Straßen dumpf und dräckig -"

 

Und da sollte Königsberg bunt gewesen sein?

 

Alles, lieber Leser, was ferne liegt in vergangener glücklicher Zeit, wird in der Erinnerung bunt und leuchtend — aber das meine ich nicht. Ich meine tatsächlich das bunte Königsberg; es schillerte wirklich in vielen Farben — sehen konnte diese freilich nur ein Sonntagskind!

 

Da war zunächst die „Bunte Brücke". Sie führte vom „Danziger Keller", der an der Ostseite des noch nicht vorhandenen Gesekusplatzes verlief und seinen Namen als Verballhornung aus „Danzger Keller" trug — denn dort stand bis 1630 der Dansker des Schlosses —, zur Prinzessinstraße (der späteren oberen Kantstraße) und überbrückte den Schlossgraben. 1867 wurde der Graben zugeschüttet, die Brücke abgebrochen, alle die alten Häuser abgerissen und der Gesekusplatz geschaffen.

 

Lassen wir in unserer Farbenpalette nun als erste Einzelfarbe die jüngste Vergangenheit folgen: Da ist das „Centralhotel", das im Jahre 1907 oder 1908 gebaut wurde und sofort Anspruch erhob, der vornehmste Gasthof Königsbergs zu sein. Diesen Rang hatte vorher das „Hotel Deutsches Haus" in der Theaterstraße unbestritten innegehabt, doch seitdem der Prinz Friedrich Wilhelm im Centralhotel abgestiegen war, ging der Ruf des „Deutschen Hauses" unstreitig zurück und schließlich fand es ein höchst „unrühmliches" Ende: es wurde — Finanzamt! So wurden die Königsberger nun in dem gleichen Hause bei weitem mehr Geld los, als die Fremden früher trotz aller guten Weine im Deutschen Hause"!

 

Vom Prinzen Friedrich Wilhelm hatten die Angestellten und Kellner fürstliche Trinkgelder erwartet. Diese hochgespannten Erwartungen zu erfüllen, fiel dem Prinzen aber nicht im Traume ein. Dafür war er ja aber auch nicht von der regierenden Linie, sondern von einer Nebenlinie. Er war übrigens außerordentlich musikverständig, und als er dann im Schloss „residierte", verdankte Königsberg seinem Antrieb die drei großen Musikfeste der Jahre 1909, 1910 und 1911, die in der Festhalle im Tiergarten stattfanden und eine großartige Leistung darstellten.

 

Vor dem Bau des Centralhotels aber stand an derselben Stelle, noch von Bäumen umstanden, auch schon ein Gasthaus, die „Centralhalle", die aber wesentlich bescheidener war, wie schon der noch nicht französische Name besagte. Denn was „fein" war, wurde damals französisch gesprochen — man denke an den „Salon", das „Entrée", die „Toilette", die „Sauce", das „Adieu" und die Briefmarken à 10 Pfennig, die auch heute noch nicht ausgerottet sind!

 

Vor der „Centralhalle" befand sich hier die Meyersche Conditorei, dann ein „Wiener Café", das von den Theaterbesuchern während der Spielpausen viel und gern aufgesucht wurde.

 

Von Gasthaus zu Gasthaus! Jetzt kommen wir zur blauen Farbe und damit zum „Blauen Krug". Mit ihm zieht eine viel weiter zurückliegende Zeit herauf, denn dieser Blaue Krug stand auf der rechten Seite des Hinterroßgartens, unweit des Roßgärter Tores zwischen Grolmonn- und Wallstraße in noch ganz freier Umgebung. Er hatte seinen Namen natürlich davon, dass er blau angestrichen war. Die Osteroder hatten ihren „Roten Krug" an der Pillaukener Chaussee, die Insterburger ihre „Grüne" und „Rote Apotheke", die Danziger den „Weißen Turm" und das „Grüne Tor". In Halle steht ein „Roter Turm", in Wimpffen am Neckar ein „Roter" und „blauer Turm" — alles Namen alter Zeit. Noch um 1910 brachte ein himmelblauer Anstrich der eisernen Elbebrücke bei Loschwitz prompt den Spitznamen „Das blaue Wunder" ein.

 

Der „Blaue Krug" also war eine der vielen Wirtschaften an der alten Heerstraße, die von Berlin durch Königsberg, über die Kurische Nehrung nach Petersberg führte, und ist seit langem verschwunden. Warum aber war er gerade blau und nicht rot oder gelb angestrichen gewesen? Nun — weil die Roßgärter eine Vorstadt des Löbenicht waren, und dessen Wappenfarbe war blau.

 

Wohlbekannt ist allen Königsbergern der „Blaue Turm".

 

Er trug noch bis 1879 statt der Zinnen einen spitzen Hut. So konnte man ihn auf dem Epitaph des J. v. Niemitz im Dom, dem ältesten erhaltenen Bilde Königsbergs, sehen, Er ist dort weiß gekalkt, war also noch nicht blau angestrichen. Das hätte man im Kneiphof auch keinesfalls getan, denn damals, in der Gotik und Renaissance, gab eben die Wappenfarbe den Ausschlag. Und die des Kneiphofes war grün. Erst in der Barockzeit, und besonders mit der Zusammenschweißung zu einer Stadt Königsberg im Jahre 1724, nahm man es mit den Farben nicht mehr so genau.

 

Er war der einzige noch übrig gebliebene Zeuge der alten Mauern des Kneiphofes, welche die ganze Insel Kneiphof umschlossen, denn die drei Schwesterstädte trauten einander so wenig wie den äußeren Feinden. Besonders im Dreizehnjährigen Kriege (1453 - 1466), in dem der Kneiphof auf Seiten Danzigs und der Polen stand, fanden schwere Kämpfe mit den Altstädtern statt. Errichtet worden war dies Mauersystem der drei Städte während der Regierung des großen Winrich von Kniprode (1351 - 1382).

 

Der etwas westlich vom Blauen Turm gelegene nächste Befestigungsturm, neben dem ehemaligen Kneiphöfischen Gemeingarten gelegen, hieß Pulverturm, weil er, wie die heute noch erhaltenen Pulvertürme in Lindau oder Passau, das Arsenal und die Pulvervorräte barg. In späterer Zeit wurde dieser stattliche runde Turm unter dem Namen „Blauer Turm" (also blau angestrichen) das Schuldgefängnis des Kneiphofes. Offenbar voreilig und sinnlos wurde er im Jahre 1735 abgebrochen, denn der ledige Platz in der Magisterstraße, wo er gestanden hatte, wurde noch jahrelang vergebens als Bauplatz ausgeboten. Sein Name „Blauer Turm" und Zweck aber gingen auf unseren noch erhaltenen viereckigen Turm über.

 

Wie fest man zur Ordenszeit baute, beweisen noch heute die eineinhalb Meter dicken Mauern des Blauen Turmes. In ihnen schmachtete 1697 ein 14-jähriges Mädchen, das, wegen Zauberei angeklagt, zum Tode durch das Schwert mit folgender Verbrennung des Leichnams verurteilt wurde. Obwohl der Kurfürst Friedrich III., der in Königsberg geborene spätere erste Preußenkönig, das Wiederaufnahmeverfahren anordnete, wurde das arme Kind dennoch gemäß dem Urteil hingerichtet! Ein furchtbares Beispiel dafür, was Dummheit, finsterer Aberglaube und richterlicher Unfehlbarkeitsdünkel anrichten können!

 

Neben dem Blauen Turm stand übrigens das Wohnhaus Simon Dachs, der dort 1659 starb und an den eine Bronzetafel erinnerte. Wie Goethe 117 Jahre später seinem Herzog für das Gartenhäuschen dankt, so ist ein ähnlicher Dank auch von Simon Dach erhalten:

 

„Gott will es ewig danken

Des Kneiphofs weisem Rat,

Der mir allhier zu wohnen

Geneigt erlaubet hat.

Gott, dem es unverloren,

Was mir zu Tag und Nacht

Die trüben Wohnungssorgen

Für Kümmernis gebracht.

Die Schneck' und Schildfrosch bringen

Ihr Hütten mit zur Welt,

Der Mensch muss mühsam ringen

Eh' er ein Haus erhält!"

 

Wohnungsnot im 17. Jahrhundert!

 

Fast 200 Jahre nach Simon Dachs Tode aber machte vorbei am Blauen Turm der Philosoph Rosenkranz, der Nachfolge Kants auf dem Lehrstuhl an der Albertina, seinen gewohnten Morgenspaziergang.

 

So viel von der blauen Farbe; es folgt schwarz.

 

Diese Farbe war lediglich durch das „Schwarze Meer" vertreten.

 

Der Oberburggraf Herzog Albrechts, Johann v. Bösenrade, hatte Schmerlenteiche angelegt, die von den Fließen gespeist wurden, jenen Nebenableitungen des Oberteiches in den Pregel, welche am späteren Nachtigallensteig, der Tragheimer Kirchenstraße und dem Paradeplatz verliefen. Schmerlen sind eine Karpfenart, die der Herzog mit Vorliebe aß; wie die Sage erzählt, verschwanden diese Fische jedoch von selbst, als Bösenrade zugunsten der Herzoglichen Tafel das Fischen in diesen Teichen strengstens verbot. In dieser Sage kommt der ganze Hass der Königsberger gegen diesen energischen Oberburggrafen, den sie nur den „Bösen Rat" nannten, zum Ausdruck. Tatsache aber ist, dass diese Teiche später zu „Faulen Teichen" versumpften und durch ihren Modergeruch die Anwohner belästigten. Der schlimmsten einer muss das zwischen Tiepoldstraße und Wrangelstraße gelegene „Schwarze Meer" gewesen sein, dessen Name tief blicken lässt. Später wurden die Fließe zugeschüttet.

 

Von Schwarz zu Weiß!

 

Wer von den vielen Ruderern und Seglern, die pregelabwärts zum Haff fuhren, hat nicht am „Weißen Mann" Rast gemacht? Denen, die es etwa nicht wissen sollten, sei gesagt, dass der „Weiße Mann" ein wohl hundert Jahre alter steinerner Turm war, unten schwarz, oben weiß gestrichen, der am Beginn des Seekanals auf der ersten Damminsel zwischen Kanal und Haff stand und als Zeichen für Schiffer und Fischer diente. Zu seinen Füßen ließ es sich im Sonnenschein herrlich auf dem trockenen Schlick und Schilf ausruhen und baden. Matull teilt in seinem Büchlein „Liebes altes Königsberg" die Seemannssprüche mit, mit denen der zünftige Haff- und Seefahrer den „Weißen Menn" als Wahrzeichen des Haffgottes Halibo begrüßte:

 

„Du weißer Mann mit deinem schwarzen Fuß,

Wir bieten dir den ersten feuchten Gruß.

Ach, gib uns bitte heute guten Wind,

Damit wir komm'n nach Hause, fröhlich und geschwind!"

 

Und bei der Rückkehr:

 

„Du alter Mann mit deinem weißen Hut,

Wir danken dir, die Fahrt war gut!" —

Nun kommt die rote Farbe an die Reihe.

 

In alten Zeiten stand an der Westseite der heutigen Münzstraße ein alter Adelshof, 1572 dem Amtshauptmann von Lötzen, Fabian von Lehndorff, verschrieben, der „Rote Hof". Später ging er in den Besitz derer von Tettau und dann derer v. Buddenbrock über. Der „Rote Hof" ist lange verschwunden.

 

Rot aber finden wir noch zweimal, und zwar in der Altstadt, deren Wappenfarbe ja rot war. Die Altstädtische Börse auf dem Hundegatt wurde 1728 zur „Roten Waage" erweitert, da die Kneiphöfische Börse, die am Grünen Tor auf Pfählen vorgerückt im Pregel stand, für die nunmehrige Einstadt Königsberg genügte. Die „Rote Waage" stand bis in die 70-er Jahre des 19. Jahrhunderts.

 

Neben ihr befand sich der „Rote Kran", dessen Bild uns auf dem berühmten Stich von Behring vom Jahre 1613 wohl erhalten ist. Er hatte ein Kuppeldach mit einem Kranich darauf — als Zeichen der Wachsamkeit.

 

Dieser „Rote Kran" brannte bei dem berühmten Speicherbrande vom 2. August 1839 ab. Rosenkranz hat uns diesen Speicherbrand und den des „Roten Krans" äußerst anschaulich geschildert:

 

„Der Anblick, welchen der Pregel jetzt (9 Uhr abends) darbot, war köstlich. Das Wasser, von Gluth durchgossen, sah doch streifenweise ganz schwarz aus und seine Wellen glänzten, wie vergoldeter polierter Stahl. Große Fässer brennenden Öls und Spiritus schwammen auf ihm umher. Wachtschiffe fuhren an den Bohlwerken und an der Grünen Brücke hin und her, denn an der Lastadie brannte das Bohlenwerk und das Sprühen der Funkensterne des Getreides dauerte noch immer fort.

 

Aber der Mittelpunkt des Schauspieles war der Rothe Krahn, der sich wie ein Zepter durch die Flammen streckte und zuweilen zu sinken schien, wenn dieselben heftig wogten. Allein er stand. Das Brennen hatte in den Speichern bald den klappernd-knisternden Ton eines Pelotonfeuers, bald den eines dumpfen Krachens, Kollerns, wie wenn Erde auf einen Sargdeckel geschaufelt wird. Aber am Krahn mischte sich ein knarrendes Seufzen ein. Die mächtigen Eisenmassen ruckten und zuckten, aber er stand. Endlich war das Holzwerk aus ihm herausgebrannt, das Tretrad verzehrt, und ungeduldig erwartete die Menge den Sturz. Noch war er nur ein Gerippe von Eisen, das sich im Flammengewoge mit bloßen Linien abzeichnete, aber er stand, bis das veränderte Fundament, das Fortfressen des Feuers am Bohlenwerk, ihn mit einem Mal zusammensinken ließ“.

 

Nun bleibt auf der Palette der Königsberger Farben noch grün und gelb.

 

Grün, die Wappenfarbe des Kneiphofes: Die Grüne Brücke! Wie oft ist der Königsberger über sie geschritten und kränkte sich, wenn sie, gerade, wenn er es eilig hatte, aufgezogen war! Dabei sei erwähnt, dass sich ein Modell der Grünen Brücke als Klappbrücke im Deutschen Museum in München befand. Und wie viele haben sich des herrlichen Hafenbildes erfreut, das sich von der Grünen Brücke auftat! Besonders bei Abendstimmung, wenn die Strahlen der untergehenden Sonne schräg auf das weißschimmernde Wasser des Pregels fielen, gehörte der Blick zu den schönsten Erlebnissen unseres bunten Königsbergs.

 

Die wenigsten aber werden wissen, dass die schon 1322 erwähnte Grüne Brücke in der Ordenszeit noch Langgasser Brücke hieß — wahrscheinlich wurde sie oder das Tor erst später grün gestrichen, denn erst später, im ausgehenden Mittelalter, finden wir die neue Bezeichnung.

 

Zur Grünen Brücke gehörte der Grüne Kran und das Grüne Tor. Denn grün war die Wappenfarbe des Kneiphofes.

 

Die heutige Generation kennt das Grüne Tor nur noch von Bildern, denn es wurde bereits 1864 abgebrochen. Es stammte aus Winnrichs Zeiten und hieß damals Langgasser Tor. Dieses gotische Tor war nur unscheinbar, ein einfacher Tordurchgang.

 

Erst in der Renaissancezeit wurde auf den Grundmauern des gotischen Tores der wunderschöne Bau des Grünen Tores — dieser Name hatte sich inzwischen eingebürgert — aufgeführt. Der Blick durch die mit lauter Beischlägen (Wolmen) geschmückte Kneiphöfische Langgasse vom Kneiphöfischen Krämertor her bis zum Prachtbau des Grünen Tores muss an Würde und Schönheit dem Blick durch die Danziger Jopengasse auf St. Marien nicht nachgestanden haben.

 

Erst zu Markgraf Georg Friedrichs Zeiten wurde der Bau begonnen und im Jahre 1592 setzte Meister Wilhelm den prächtigen Turm als Bekrönung auf das Grüne Tor. Den Turmknopf und die Fahne ließ sich Meister Wilhelm nicht nehmen, eigenhändig in schwindelerregender Arbeit anzubringen.

 

Auf jeder Seite des Turmes stand eine vielsagende Inschrift. Drei von ihnen vermochte ich in den Chroniken zu finden, die vierte weiß ich nicht. Vielleicht kann ein Leser sie angeben?

 

Eine lautete: „Jus et aequitas sunt vineula civitatum“. (Recht und Billigkeit sind die Bande der Gemeinden)

 

Die zweite: „Sint aliis turres, sit inexpugnabile vallum, Nos deus et rectum simplicitasque regent“.

(Anderen diene ein Wall und unersteigliche Türme, Uns möge lenken Gott, das Recht und ein biederer Sinn.)

 

 

Seite 10    Stadtverwaltung Königsberg Pr.

Alle früheren Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung Königsberg Pr. und der städtischen Gesellschaften mit einem Dienstantritt nach dem 31.03.1928 werden gebeten, ihre frühere Anschrift, ihre Beschäftigungszeiten und ihre Dienststellen mitzuteilen, um durch ihre Mithilfe die Ansprüche anderer Angehöriger dadurch klären zu können. Die Mitteilungen sind zu richten an Landsmann Arthur Nitsch, Hamburg 13, Postfach. Wer Antwort wünscht, lege Rückporto bei.

 

 

Seite 10. Fortsetzung von Seite 9

Die dritte: „Vultus Fortunae veriatur imagine Lunae Crescit, decrescit, constans persistere nescit“. (Ewig wechselt das Antlitz des Glücks, ein Spiegel des Mondes, Ründet, entründet sich bald, nie bleibt es ewig sich gleich).

 

Nun — die Wahrheit dieses letzten Spruches hat Königsberg wahrlich erfahren! Aber gleichzeitig soll er auch allen Königsbergern wieder Mut geben auf Heimkehr und Neuaufbau unserer geschädigten Stadt!

 

Später wurde der Turm noch mit einer Turmuhr, dem Kneiphöfischen Wappen, dem Schwarzen Adler und drei allegorischen Figuren (Gerechtigkeit, Arbeitsamkeit und Ruhe) geschmückt.

 

Übrigens ging ein gewölbter unterirdischer Gang vom Grünen Tor zur Großen Fähre am Pregel, der erst 1885 zugeschüttet wurde. Im Turm fand der Kneiphöfische Stadtmusikus mit seinen Gesellen Wohnung.

 

Gehen wir einmal durch die Zeiten und vergegenwärtigen wir uns nur einige der bunten Bilder, die das Grüne Tor sah — war es doch mit der bereits vor 1324 angelegten Kneiphöfischen Langgasse die Empfangsstraße Königsberg!

 

Hier zog 1466 in schwerster Notzeit nach dem schmerzlichen Verlust der Marienburg der nur mit Mühe seinen Verfolgern in abenteuerlicher Flucht über Weichsel und Haff entronnene Hochmeister Ludwig von Erlichshausen in seine neuen Residenz ein; hier ritt, schon in Haberstro (Haffstrom) feierlich eingeholt, 1526 der neue Herzog Albrecht hindurch, während die Bürger in der Langgasse Spalier bildeten und mit Jubel den Fürsten begrüßten; hier erfolgte am 21. Mai 1578 der traurige Einzug des Markgrafen Georg Friedrich, des Vetters und Vormundes für den geisteskranken Sohn Herzog Albrechts, mit dem Sarge seiner soeben in Warschau verstorbenen Gemahlin Elisabeth; hier kam Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, in seiner Eigenschaft als souveräner Herzog von Preußen daher, an der Spitze seines Zuges die berittene Fleischerinnung in kleidsamer Tracht, der von ihm das Ehrenrecht, den Landesherrn einzuholen, verliehen worden war. Hier fuhr der Kurfürst Friedrich III. in seiner Galakutsche 1701 hindurch, als er zur Königskrönung in seine Vaterstadt kam. Durch das Grüne Tor schritt oft Zar Peter der Große, der 1711, 1712 und 1713 gern im Negeleinschen Hause neben dem Tor, das erst im Anfang dieses Jahrhunderts dem Bau der Norddeutschen Creditbank weichen musste, wohnte, weil er von dort das Leben und Treiben im Hafen am besten beobachten konnte. Wie oft mag Kant durchs Grüne Tor geschritten sein, wenn er von seinem so schmählich im Jahre 1893 abgebrochenen Wohn- und Sterbehaus über die Brücken und an seinem Geburtshause vorbei seinen Lieblingsspaziergang am Philosophendamm machte? Durchs Grüne Tor ritt am 10. Juli 1807, nach Abschluss des Tilsiter Friedens, Napoleon I. in Königsberg ein. Und mehrmals, in frohen Tagen als Kronprinzessin, und in bitteren als kranke Königin, auf der Flucht, begleitet von dem treuen Leibarzt Hufeland, ist die Königin Luise durch dieses Tor eingefahren. Aber durch das Grüne Tor verließ auch der König von Neapel, Murat, 1812 Königsberg auf Nimmerwiedersehen. Es sah noch König Wilhelm I. zur Königskrönung 1861 in Königsberg einreiten, dann aber schlug seine Stunde, Es musste dem wachsenden Verkehr weichen. Der um 1850 angelegte östliche Fußgängertorweg genügte nicht mehr. Man konnte es auch nicht umgehen, wie das Hohe Tor in Danzig oder das Holstentor in Lübeck — so musste es fallen.

 

Mit ihm verschwanden alle die schönen „Wolme", die Beischläge in der Kneiphöfischen Langgasse, auf denen sich ein gut Teil des Familien- und Nachbarlebens der Kneiphöfer abgespielt hatte.

 

Gebieterisch verlangte der neue, 1857 erbaute Ostbahnhof, damals der schönste Europas, den harten Eingriff. Gegen den Einspruch aus Künstlerkreisen, gegen den Rat des Provinzialkonservators v. Quast, selbst gegen den Wunsch des Kronprinzen, des nachmaligen Kaisers Friedrich III., wurde es am 19. September 1864 abgerissen.

 

Dabei zeigte sich das Holz des Glockenstuhles völlig verfault; um die Glocken herablassen zu können, wurde die Brücke hochgezogen, die Langgasse abgesperrt und der Glockenturm zur Erhöhung der Festigkeit mit eisernen Ketten umwunden. Nun glückte die Niederbringung der schweren Glocken ohne Unfall bis auf die geringe Verletzung eines Arbeiters durch einen herabfallenden schweren Eisenring.

 

G. Karl — in Wirklichkeit hieß er Springer und war Rechnungsrat bei der Post, dazu ein großer Lokalpatriot — teilt in seinem volkstümlichen Büchlein „Alt-Königsberg“ eine von ihm aus den Archiven ausgegrabene Eingabe damaliger Künstlerkreise zur Rettung des Grünen Tores mit:

 

„Das Grüne Tor ist nicht allein in unserer an architektonischen Schönheiten so auffallend armen Stadt das zierlichste Werk der Renaissance, sondern man findet auch weithin nicht ein zweites Werk, in welchem der Charakter des kaufmännischen und städtischen Treibens so schmuck und heiter zum Ausdruck gelangt ist. Unsere Voreltern haben mit sehr richtigem Verständnis den Platz gewählt, wo der kleine, aber zierliche Turm nach vier Richtungen hin eine sehr wesentliche und günstige Wirkung ausübt: der Kaufherrenstraße, der Kneiphöfischen Langgasse, verhilft er wesentlich zu ihrem Charakter, ja, er bildet die Pointe derselben, wie er von der entgegengesetzten Seite, der Vorstadt, ein nicht zu ersetzendes „Point de vue" gewährt. Von dem Hafen aus gipfelt in diesem Turm die am richtigsten Platz gelegene Gruppe der Börse und der alten Bank, und auch von der fernen Lindenstraße mag das Auge den zierlichen Turm neben der Börse nicht vermissen. Er ist der eigentliche Hafenturm und nicht nur der Hauptgegenstand, an welchem sich festlicher Schmuck für die Wasserpartie entfalten kann, sondern das Grüne Tor bildet auch den Triumphbogen für alle festlichen Einzüge, Vorzüge, welche der geübte Blick seiner Hochseligen Majestät sogleich zu würdigen wusste. Die Vernichtung des charakteristischen Werkes, an dessen Stelle eben nichts, d. h. absolute Nüchternheit treten würde, möchte sehr auffällig dartun, was man an ihm verlor ..."

 

Es half alles nichts — das Grüne Tor fiel zwei Jahre später dem Verkehr zum Opfer. Jedenfalls aber ist die Erzählung eine Verleumdung, dass das Tor abgebrochen sei, um das Denkmal Friedrich Wilhelm III., das 1851 durch einen für die damalige Zeit gewaltigen 16-pferdigen Lastzug auf schlechten Landstraßen von dem Eisengießwerk Lauchhammer bei Elsterwerda nach Königsberg geschafft wurde, hindurchlassen zu können. Wahr daran ist nur, dass in der Tat der Torbogen des Grünen Tores nicht hoch genug war, um das hochragende Reiterdenkmal durchzulassen. Es musste daher der Boden zwei Fuß hoch abgegraben werden, wodurch Tor und Denkmal unbeschädigt blieben. Von unserem damals noch ziemlich neuen Brandenburger Tor dagegen war der obere Teil abgebrochen worden, weil das Tor für das Denkmal nicht hoch genug war. Ein Gleiches — Abbruch und Ausgrabung — war schon vorher auf der Reise des Denkmals in Jüterbog notwendig geworden. Aber das Grüne Tor blieb unvergessen. Nun es fort war, sprach jeder Königsberger mit Bedauern von seinem Verschwinden. Noch Springer schlug vor, es an der Stelle des alten Holztores wieder aufzubauen. Und als vor dem ersten Weltkrieg das Eingangsportal zum Tiergarten mit seinen rüsselschwingenden Elefantenköpfen anfing wackelig zu werden, da tauchte der Vorschlag auf, hier, als Eingangsportal des Tiergartens, das Grüne Tor nach alten Plänen und Bildern wieder neu erstehen zu lassen. Man sieht, das Gewissen schlug für das Grüne Tor noch immer, selbst zu der Zeit, wo man die alte im 16. Jahrhundert dem herzoglichen Leibarzt Dr. Mantanus gehörende spätere Hagensche Hofapotheke in der Junkerstraße, ein 1654 barock umgebautes wunderschönes Haus, skrupellos abriss.

 

Die Verwirklichung des gewiss gutgemeinten, aber höchst seltsamen Vorschlages zur Neuentstehung des Grünen Tores als Tiergartenportal aber unterblieb — Gott sei Dank! Denn man darf abgebrochene Bauwerke nur dort wieder aufbauen, wo sie organisch entstanden und hingehören, nur dann wirkt auch ihr Neubau echt. (Campanile in Venedig, Michaeliskirche in Hamburg, Zwinger in Dresden!)

 

Jetzt möge die gelbe Farbe diesen Aufsatz vom farbigen Königsberg beschließen!

 

Königsberg besaß nicht nur, wie erzählt, den Blauen, sondern auch einen „Gelben Krug".

 

Oberhalb der Brücke über den Hufenbach hatte der angesehene Bankier Adler, übrigens ein Urgroßvater unserer Dichterin Agnes Miegel, ein hölzernes Landhaus, wie die Hufen ja damals eine Villenvorstadt zum Sommeraufenthalt waren. Es hieß Carlsruh. Später wurde es zum „Gelben Kruge". Dieser Name wurde dann vergessen, aber die Stelle kennt jeder Königsberger, denn hier war zu unserer Zeit der als Tanzlokal beliebte „Drachenfels".

 

Als End- und Prachtstück folge der „Gelbe Turm“!

 

Er stand im Zuge der Altstädtischen Stadtmauern; der scheinbare Strebepfeiler an ihm war noch ein kläglicher Rest der Mauer.

 

Das Schicksal des „Gelben Turmes" ist besonders merkwürdig.

 

Jahrhundertelang diente er als Befestigungs- und Wachturm. Er war durch einen verdeckten Wehrgang mit einem etwa 20 Meter östlich von ihm stehenden anderen Wehrturm verbunden, durch den allein er zu betreten war, denn er war, wie der Schlossturm, ohne eigenen Zugang gebaut.

 

Während der Nachbarturm schon längere Zeit als Gefängnis und Diebesturm diente, war der Gelbe Turm unbenutzt, und 1797 musste der damalige Stadtbaumeister Bleek einen Bericht über die Frage an den Magistrat abgeben, was mit dem Gelben Turm zu machen sei.

 

Bleek äußerte sich am 21. Januar 1797 folgendermaßen: „Der alte wüste Turm ist stark massiv und hat vier Etagen, wovon zwei gewölbt sind. Die Ausbauung des wüsten Turmes zu Gefängnissen dürfte mit großen Kosten und äußerster Schwierigkeit verbunden sein, weil darin keine Wohnung für den Turmwächter anzubringen und ohne dessen Wohnung doch kein Gefangener aufzubewahren ist. Nachdem ich den Turm genau nachgesehen, so habe ich gefunden, dass in den alten dicken Mauern keine ganzen Ziegel befindlich, sondern nur mit Stücken und Feldsteinen aufgeführt, mithin würde beim Abbrechen wenig plus entstehen. Nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten möchte es anfänglich sein, wenn mal ein Versuch zum Vermieten des Turmes gemacht würde. Der Gebrauch möchte für manchen vorteilhaft sein, z. B. für Gewürzkrämer, Höker etc., die ihn z. T. als Keller, z. T. als Speicher aptieren und zu solchem Beruf nicht nur feuersicher, sondern auch bequem genug einrichten könnten“.

 

Dieser Bericht des Sachverständigen hatte zur Folge, dass der Magistrat am 23.01.1797 bestimmte: „Bei diesen Umständen ist von dem wüsten Turm kein Gebrauch zu machen und muss somit in statu quo verbleiben!

 

Offenbar war damals der Turm noch nicht gelb angestrichen gewesen, denn beide Schriftstücke sprechen nur immer vom „wüsten Turm", aber nicht vom gelben.

 

Man sieht, der alte Recke war damals kein ehrwürdiges Überbleibsel einer großen Zeit, sondern ein rechter Stein des Anstoßes! Drei Jahre später, im April 1800 kam er wieder in große Gefahr. Das kam so: Der Nachbarturm, das Gefängnis, bekam plötzlich so tiefe Risse, dass man acht Gefangene, drei Männer und fünf Weiber, in der Nacht zum 12. April, 3 Uhr morgens in ein anderes Gewahrsam bringen musste, um sie nicht von den Trümmern begraben zu lassen. Sie wurden daher in den unweit gelegenen, erst 1888 abgebrochenen „Neuen Turm", Ecke Altstädtische Langgasse und Altstädtische Pulvergasse gebracht. Der zerbröckelnde Nachbar unseres Gelben Turmes fiel noch im selben Jahre der Spitzhacke wegen seiner Baufälligkeit zum Opfer. Man erwog, den Gelben Turm gleich mitabzubrechen. Doch wieder bewahrte ihn ein guter Geist vor dem Untergang.

 

So kam das Jahr 1811. Da beschwerte sich der Hutfabrikant Ritter beim Magistrat, dass vom Dach des Gelben Turmes in stürmischen Nächten Ziegel und Dachpfannen auf sein Haus fielen und es beschädigten. Zugleich erbot sich Ritter, den Turm zu kaufen. Der Magistrat verkaufte 1812 den alten Turm auch, aber nicht an Ritter, sondern an den Bäckermeister Werner für ,100 Thaler zu 52 ½ Dittchen pro Thaler". Aber eine Bedingung war dabei: „nach § 3 müsse der Käufer den Turm in gutem baulichen Zustande unterhalten, auch ein Dach, einem Hause gleich, darauf setzen lassen“.

 

So geschah es. Der alte Turm verlor seinen Spitzhut mit dem Zinnenkranz, wurde ein Speicher und erhielt seine jetzige Dachform.

 

Er wechselte dann mehrfach seinen Besitzer. In den vierziger Jahren war ein Lotterieeinnehmer Heygster sein Eigentümer, 1863 gehörte er einem Oberstabsarzt der Wrangelkürassiere. Wer weiß, welche Kateridee diesen zum Besitzer des alten Wehrturmes gemacht hatte? Er muss es aber bald leid geworden sein, oder er wurde vielleicht auch versetzt — kurz, schon 1864 kam der Turm in den Besitz von Hermann Kadach, der ihn als Speicher benutzte. Das war er noch in meiner Kinderzeit. Im Schaufenster nebenan standen die herrlichsten Spielsachen, die mein Kinderherz entzückten, und in dem düsteren grauen Turm waren noch viel mehr solcher Herrlichkeiten gestapelt. Das sah man aber von außen nicht, nur eine riesenhafte gelbe Reklame auf dem griesen Putz wies auf des alten Turmes Speicherbestimmung hin und verschandelte ihn aufs grausamste. 1901 wurde noch dazu eine Bedürfnisanstalt an den ehrwürdigen Zeugen der Gotik angebaut, die den Bombenhagel unversehrt überstand und ihn vielleicht heute noch entehrt.

 

Auch die Spielwarenperiode ging mit dem Kadachschen Geschäft vorüber, dann kaufte der Königsberger Turnclub den alten Turm, und zuletzt war er wieder Eigentum der Stadt.

 

Auch heute steht er noch und harrt neuen Zeiten geduldig entgegen, und ich denke, er wird sich freuen, und über seine ganze verschrumpfte Außenfläche schmunzeln, wenn er seine rechtmäßigen Landsleute — die Nachkommen derer, die ihn gebaut haben und die nach Königsberg gehören wie er selbst — wieder heimkommen sieht. Dass das geschehen wird, weiß jeder, der aus den letzten 50 Jahren gelernt hat, dass die Erde rund ist — aber möge es recht bald geschehen!!

 

 

Seite 10   Die Barrings - ein Kassenschlager.

Zu einem Kassenschlager ersten Ranges ist der mit dem Prädikat „wertvoll" ausgezeichnete, in Göttingen von Rolf Thiele gedrehte Film „Die Barrings" geworden, der seit Ende Oktober 1955 in den westdeutschen Lichtspielhäusern läuft. Die Theaterbesitzer der Groß- und Mittelstädte, in denen dieser jüngste deutsche Erfolgsfilm seit mehr als einem Vierteljahr über die Leinwand geht, melden ausgezeichnete und überragende Einspielergebnisse. In einigen Kinos ist der Film bis zu vier Wochen gelaufen. Es gibt nur wenige deutsche Nachkriegsfilme, die eine derartige Publikumswirkung erzielt haben. Allgemein wurde festgestellt, dass unter den Besuchern die ältere Generation überwog. Dem Film liegt bekanntlich der Simpsonsche „Bestseller" gleichen Namens zugrunde.

 

 

Seite 10   Wir gratulieren

Herr Friedrich Kampf und seine Ehefrau Marie Kampf geb. Hoyer, aus Treuburg/Ostpreußen, Goldaperstr. 42, jetzt Bad Wiessee/Obb., Ringbergstr. 86, feierten am 26.12.1955 im Kreise ihrer Kinder und Enkelkinder das Fest der goldenem Hochzeit.

 

 

Seite 12   Fastnacht im Spiegel ostdeutschen Brauchtums

Wer die ausgelassene Fröhlichkeit und das übermütige Treiben der Fastnachtstage mit den seltsamen Verkleidungen und tollen Umzügen, dem Musizieren und Lärmen, Trinken und Schmausen, den sinnigen Heischegängen und allem lustigen Schabernack miterlebt hat, der wird es nicht verwunderlich finden, dass in einer ostdeutschen Dorfschule auf die Frage nach den drei größten Festen des Jahres die Antwort gegeben wurde: „Fastnacht, Kirmes und Schweinschlachten.“.

 

Unter Festnacht wird gemeinhin die Nacht oder die Zeit vor dem Fasten verstanden. Die Fastnachtslustbarkeiten sind in diesem Zusammenhang ein Abschiednehmen von den Freuden des Lebens, denen man sich angesichts der bevorstehenden Enthaltsamkeit und der Einschränkungen der Fastentage noch ein letztes Mal ungehemmt hingeben möchte. Nach einer anderen weit verbreiteten .Meinung ist das Wort „Fastnacht" oder „Fasnacht" (mundartlich auch „Fasnat" und „Fasnet") auf eine althochdeutsche Sprachwurzel zurückzuführen, von der auch der noch vielfach gebräuchliche Ausdruck „faseln" (= Unsinn treiben) abgeleitet wird. Dem Sinn der Fastnacht als fröhliche Abschiedsfeier entspricht auch die romanische Bezeichnung „Karneval", die entweder von dem Ausruf „came vale" (= Fleisch, lebe wohl!) hergeleitet oder für eine Umbildung von „carnem levare" (= das Fleisch wegnehmen) gehalten wird. Ein weiterer Deutungsversuch des Wortes Karneval weist auf den „carrus navalis" hin, jenen alten Schiffswagen, wie er im Altertum bei der römischen Nerthusfeier mitgeführt, im Mittelalter von deutschen Webern durch das Rheinland gezogen wurde und sich heutigentags noch in den bunten Karnevalszügen rheinischer Städte findet. Diese verschiedenen Wortauslegungen erklären wohl den Fastnachts- und Karnevalstrubel an sich, geben aber noch keinerlei Aufschluss über die reichen und eigenartigen Sitten und Gebräuche, die bei uns allenthalben das fastnachtliche Treiben begleiten. Die beste und sinnfälligste Erklärung der seltsamen Fastnachtsbegehungen liefern die vermummten Gestalten der Fastnachtsumzüge durch die Art ihrer Verkleidung und ihr sonderbares Benehmen. Es sind nicht überall dieselben maskierten Erscheinungen, die wir in den fastnachtlichen Umgängen antreffen. Alle wahrhaften Volksfeste sind in ihren Erscheinungsformen bedingt durch das volkliche Sondertum und die Eigenart der Landschaft, in der sie sich herausgebildet haben. Deshalb unterscheidet sich das ausgelassene Karnevalstreiben der leichtlebigen Rheinländer wesentlich von den derb-fröhlichen Fastnachtssitten der schwerblütigeren ostdeutschen Bevölkerung.

 

Den sichersten Aufschluss über den Sinn und die Bedeutung unserer deutschen Fastnacht werden wir dort erhalten, wo sich die Fastnachtsitten am wenigsten von ihrer ursprünglichen Form entfernt haben und demzufolge den einstigen Sinn leichter erkennen lassen. Am wertvollsten sind in dieser Beziehung die Fastnachtsumgänge, wie sie noch bis in die jüngste Vergangenheit in ländlichen Gegenden Ost- und Westpreußens geübt wurden und durch die Eigenart ihres Brauchtums besonders interessante Rückschlüsse zulassen. Am eigentlichen Fastnachtstage, dem Dienstag nach Estomihi, versammelten sich alle am Umzuge beteiligten maskierten Gestalten beim Dorfschulzen oder im Gasthaus. Hier begann der lustige Ausmarsch unter Vorantritt der Dorfkapelle, die neben der beliebten Ziehharmonika die alten Lärminstrumente Brummbaß und Teufelsgeige, Brummtopf oder Rummelpott und die mit Erbsen gefüllte Schweinsblase mitführte. Unter ohrenbetäubendem Krach, Johlen, Trommeln, Schießen, Peitschenknallen und Pfeifen setzte sich der Zug in Bewegung, dessen Nahen der „Quartiermacher" ankündigte. Wenn er die erbetene Erlaubnis zum Auftreten erhalten hatte, erschien der aus den weihnachtlichen Umgängen bekannte „Schimmelreiter" mit seinem Führer, der eine bändergeschmückte Schnapsflasche herumreichte. Der Schimmel, der nach üblicher Weise aus zwei Siebreifen, weißen Tüchern und einem nachgebildeten Pferdekopf hergestellt wurde, führte auf Geheiß die lustigsten Sprünge aus. Ihm folgten als Fruchtbarkeitsgeister „der wilde Mann", ein in Laubwerk, Moos und immergrünes Gezweig gehüllter Bursche, der ausgiebig seine Lebensrute aus Wacholder „gebrauchte", und der mit Erbsenstroh umwickelte Erbsenbär. Die „Prachersehe", Sinnbild der Frau Holle, durfte ebenfalls nicht fehlen. Dämonen und böse Mächte wurden durch Teufel und Hexe dargestellt, die in fratzenhafter Vermummung auftraten. Diesen Geistermasken schlossen sich die Vertreter der verschiedenen Handwerke und Stände an wie Zimmermann, Stellmacher, Schmied, Schornsteinfeger, alle mit deutlichen Abzeichen und Symbolen ihres Berufes ausgestattet. Große Heiterkeit erregten in ihrer beabsichtigten Komik der Advokat, der Gerichtsvollzieher, Dr. Eisenbart und der Dorfbarbier. Als typische Heischegänger durften der „Speckmann" mit seiner bebänderten Heugabel zum Aufspießen der gespendeten Würste und Speckseiten und das „Eierweib" mit seinem großen Korb nicht fehlen. Im Gefolge dieser bunten Maskerade befanden sich verschiedentlich noch Bauernburschen und Landmädchen, die schön geschmückte landwirtschaftliche Geräte wie Sensen, Harken, Hacken und Futterkiepen trugen. — Dem Speckmann und dem Eierweib fiel in erster Linie die Aufgabe zu, Speck zu „fiddeln" und zu „hippeln", was vielerorts auch als „zampern", oder „zempern" und vereinzelt auch als „karrideln" bezeichnet wird. Durch derb-komische, häufig in der Mundart der betreffenden Gegend aufgesagte Bettelverse wurden die heimgesuchten Wirtsleute an ihre Gebepflicht erinnert wie in dem folgenden im Samland üblichen Fastnachtsreimen:

 

Oeck säh een Schornsteen rooke,

da käm oeck hergeloope,

Oeck säh op eene lange Dösch

wat darop Gebacknes öß,

nuscht als Fastelawendskoke,

Gewe se mi een, denn bliew oeck stahn,

gewe se mi twei, dann warr oeck gahn,

gewe se mi drei togliek,

kame se önt Hömmelriek!

Warre se mi nuscht gewe,

warre se nich lang lewe,

warre se mi wat gewe,

warre se recht lang lewe!

 

Wo solche recht deutliche Anspielung auf ein, Fastnachtsgeschenk nicht den erwünschten Erfolg hatte, bekamen die knauserigen Bauersleute auch wohl Drohverse wie den folgenden zu hören:

 

Schwanes Pferd, weißer Schimmel,

wer was gibt, der kommt in den Himmel,

wer nichts gibt, der kommt in die Hölle

und kriegt vom Teufel was mit der Kelle.

 

Gemeinhin aber griff die Bäuerin schon beim Nahen des Fastnachtszuges ins Schap und holte ein tüchtiges Stück Speck, Wurst, Kuchen oder auch eine Mandel Eier hervor, um das Ansehen des Hauses zu wahren und dem guten bäuerlichen Rufe Ehre zu machen. — Mit den gehamsterten Gaben zogen die Teilnehmer des Fastnachtsaufmarsches gegen Abend zur Schenke, wo sich das ganze Dorf „bi Fastelbeer und Fasteldanz" zusammenfand. Den Höhepunkt der Tanzbelustigungen bildete dort, wo alte Sitte noch stark lebendig war, einer der weit verbreiteten Reifen- oder Bogentänze wie der in Ostpreußen allgemein bekannte Bügeltanz und der in Süd- und Mitteldeutschland bis auf unsere Tage ausgeübte Schäffertanz.

 

Zur Erhöhung der Fastnachtsstimmung trugen wesentlich auch die traditionellen Fastnachtsspeisen und -getränke bei. Zum Mittag gab es in überliefertem Erinnern an die Zeit, wo unsere Vorfahren noch dem Eber des Germanengottes Freyr ihre Opfer darbrachten, gekochten Schweinskopf mit Sauerkraut. Dazu wurde ein kräftiges Bier verabfolgt. Das Abendessen bildeten Mohnstriezel, Mohnnudeln und Mohnkeilchen, gehört doch der Mohn ebenso wie Hirse und Grütze, Erbsen und Linsen, Äpfel und Nüsse zu den alten Symbolen der Fruchtbarkeit und reichen Segens. In Ostpreußen verspeiste man deshalb zur Fastnacht, alter Sitte getreu, den Schuppinnenbrei aus Erbsen, Gerstengrütze und Speck. Als Fastnachtsgebäck waren Pummelchen, Fastnachtskringel und Brezel bekannt, aber nicht so allgemein beliebt wie die Pfannkuchen, zu denen ein „strammer" Punsch genossen wurde.

 

Die Frage nach der Bedeutung der eigenartigen Fastnachtsverkleidungen und dem Sinn der seltsamen Heischeumzüge führt uns in die Zeit des ältesten religiösen Erlebens unserer Vorfahren. Der mit der germanischen Mythe Vertraute erkennt in dem Schimmel das weiße Ross Wodans, auf dem der alte Germanengott in den „Zwölften" über die Fluren ritt. Der in vielen Gegenden mit Goldpapier und Flitterwerk reich behängte Hanswurst, Hänsele oder „Poiatz“ ist das Sinnbild der golden leuchtenden Sonne, die mit jedem schwindenden Wintertage an Kraft, Licht und Wärme zunimmt und in Wald und Feld neues Leben weckt. Die Fruchtbarkeitsgeister, die wir in den Tagen der Wintersonnenwende im Gefolge des Schimmelreiters und des alten Sonnen- und Frühlingsgottes Freyr antrafen, tauchen hier in der Gestalt des Erbsenbären und des wilden Mannes wieder auf. Das Erbsstroh, mit dem der Strohbär völlig umhüllt ist, das Laubwerk, Moos und immergrüne Gezweig, das die Kleidung des wilden Mannes reich bedeckt und die Lebensrute, mit der er die segenbringenden

Schläge austeilte, sind als Sinnbilder der nie, versiegenden Naturkräfte in Flur und Wald aufzufassen. Als böse Dämonen, die das beginnende Wachstum in der Natur stören wollen, treten Teufel und Hexe lm Fastnachtszuge auf. Die wüste Vermummung der Fruchtbarkeitsgeister und der von ihnen vollführte Lärm haben nach altem Volksglauben den Zweck, die bösen Geister zu schrecken und zu vertreiben. Wer sich heute zur Fastnachtszeit verkleidet, um sich ungezwungen allen Fastnachtsfreuden hingeben zu können, ist sich wohl selten noch der ursprünglichen Bedeutung des Mummenschanzes bewusst, der Fruchtbarkeitszauber und Dämonenabwehr darstellt. Und wenn nach altem Brauch beim Fastnachtstanz Hanfsamen oder Erbsen (heute Konfetti!) über die tanzenden Paare gestreut wird, damit die neue Ernte gut gerate, wenn es vielerorts üblich ist, beim Tanz zur Fastnacht so hoch wie möglich zu springen, wobei die Burschen laut rufen „Hoch Vaters Gerste!" und die Mädchen erwidern „Hoch Mutters Flachs!", um dadurch das Wachstum des Flachses und der Saaten günstig zu beeinflussen, und wenn in einzelnen Gegenden zur Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens von blühenden Mädchen und jungen Frauen ein Pflug in feierlicher Weise um die Ackergrenzen gezogen wird, so lassen alle diese Riten dieselbe Verbindung zwischen Fastnacht und Frühling erkennen, wie sie aus Fruchtbarkeitsglaube und Dämonenbekämpfung ersichtlich ist. Nach Ursprung und Sinn ist Fastnacht also eine Vorfrühlingsfeier. — Auf die enge Beziehung zwischen Fastnacht und Frühling deuten auch die im Umzüge vertretenen Handwerksgestalten hin, die angesichts des nahenden Frühlings im Bauernhof vorsprechen, um für die Ausbesserung der Winterschäden ihre Dienste anzubieten. Der Landmann, der in der harten Winterszeit ohne merkliche Einnahme war, Not litt und vielfach den Arzt (Dr. Eisenbart oder den Bader) benötigte, auch wohl wirtschaftlich hier und da so in Verfall geriet, dass Advokat und Gerichtsvollzieher ihn heimsuchten, sieht nun den Frühling mit neuer Arbeit und neuem Verdienst kommen. Er fasst wieder Lebensmut, erteilt Aufträge zur Behebung aller Schäden in Haus und Hof an die Handwerker und spendet in der begründeten Hoffnung auf neuen Erntesegen freudig von den alten Vorräten dem „Speckmann" Wurst, Schinken, Speck und dem „Eierweib" Butter, Eier und Kuchen.

 

Was in den Fastnachtsumzügen und -satten unter Flitterwerk, Vermummung und Maskierung an seltsamen Brauchtum verborgen ruht, stellt uraltes, kostbares volkliches Leben dar, das auch fern der angestammten Heimat eine neue Pflegestätte finden sollte, wie sie der

 

„Bund heimattreuer Ost- und Westpreußen e.V., Berlin"

 

seinen Mitgliedern bereitet hat. In seinen Bundesgruppen wird Jahr für Jahr auch das heimatliche Fastnachtsbrauchtum auf die altvertraute Weise zum Erleben gebracht mit dem Ziel, das Gefühl der Heimatverbundenheit zu bewahren und zu stärken und der nicht mehr in der ostdeutschen Heimat geborenen Jugend eine lebendige Anschauung der sinnigen Gebräuche und mit ihr ein eindrucksstarkes Bild von der Heimat ihrer Väter zu vermitteln. Erich Schattkowsky, Berlin.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (31)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nu is er dot, der Juljus Zäsar! Er hat ausgezäsart, und seine besonders edle Körperteile hängen im Rauch, im Ganzen oder durche Maschien gedreht. Drei Sorten Wurst haben wir gemacht: Rauchwurst, Leberwurst und Gritzwurst, und dem Rest haben wir zu Silz verarbeit. Aber er hat sich gerächt, indem dass de Emma es wieder mit ihre Galle kriegd und ich nachts im Diestern dem Doktor holen missd, wo ihr e Spritz geben tat. Ich hab auch was von abgekriegt, aber nich vonne Spritz, sondern vonnem Dorfteich, wo ich bis anne Kniee reintrampeld, weil ich mir in die dunkle Nacht verbiestern tat. Nu rennt meine Tuntel wie e verspakter Eimer, und mein Kopp brummt wie e Maikäfer im Kartong. Das hat einer nu davon! Aber wir werden dem Pochel in gute Erinnerung behalten und können ihm nich vergessen, weil indem dass er bei uns inne Stub iebers Bett hängt. Erst wolld er gar nich auße Bucht raus, wie er abfotografiert werden solld. Emmend dachd er, es geht all los mittes Schlachten. Aber denn haben wir ihm gut zugeredt und mittem Eimer geklappert. Wie er denn rauskam aufem Hof, haben wir ihm anne Ohren genommen und inne Sonn zurechtgehuckt. Ich stelld mir an eine Seit auf und bedrickd ihm das Kreiz, und de Emma anne andre und betrampeld ihm dem Zagel. Und der Fotograf missd denn e ruhigem Moment abpassen und knipsen. Das war gar nich so einfach, denn der dammlige Kiugel quietschd wie am Spieß, und dabei riss er das Maul auf. Aber der Fotograf is e großer Kinstler, denn er hat ihm so hingekriegt, dass einer ihm direkt in die treuherzige Augen kicken kann, und das Maul hädd er auch geradzig zugemacht. So is es denn e scheenes Familienbild geworden, bloß de Emma kickt der Unterrock handbreit vor. Zur Sicherheit wollden wir noch e Aufnahme machen, aber das passd dem Zäsar nich. Deshalb hoppsd er hoch und rannd, dem Kopp gesenkt wie e Stier inne Arena, dem Fotograf ieberm Haufen, dass wir direkt Miehe hädden, ihm wieder einzufangen, — dem Zäsar natierlich, nich womeeglich dem Fotograf. Bloß gut, dass das erste Bild geglickt is. Nu huckt er da, wie er leibt und lebt, und kickt mit gemischte Gefiehle zu, wie wir ihm stickweise verdricken. Das Schlachten war viel einfacher wie das Abfotografieren, und e paar Stunden später kam das ganze Dorf, aber nich mit Blumen inne Hand, sondern mit Eimers, indem dass se von die gute ostpreißische Wurschtsupp schmecken wollden. Aber ich hab ihnen was gehust. Se kriegden Wurschttupp, selbstverständlich, aber die hädd ich sicherheitshalber „niedersächsisch" verlängert. Bloß dem Bauerochse gaben wir von unsere Supp, weil er uns dem Briehtrog und dem Schwengel gepumpt hädd. Als wir dem Pochel am Balken hochzogen, da stemmd er sich mitte Schulter gegne Wand, weil er Angst hädd, dass der Zäsar dem ganzen Stall umreißt. Er schwitzd direkt aus alle Knopflöcher, aber es ging gut, und der Stall blieb stehen. Dafier hat er sich denn mit die scheene, fette Wurschtsupp getreestet und innes ganze Dorf erzählt, dass er sone Supp das ganze Leben noch nich gegessen hädd. Das konnden de Leite gar mich verstehen und dachden, wir hädden ihm hipnotesiert. Aber wir hädden gar nich. Das Schneiden und Braten und Wurschtmachen ging bis inne Nacht, und ich hab sechs gebratene Klopse verdrickt, wo se in Berlin Buletten nennen und hier Fleischklöße. Auch Kornus missden wir trinken wegen die bessere Verdauung, denn e Kleinrentner-Magen is auf so viel Fett nich eingericht. Natierlich hat de Schlachterei e Haufen Geld gekost, aber das sparen wir nu wieder ein, indem dass wir es nich beim Fleischer tragen missen. Vorgestern hab ich nu auch nach Amerika geschrieben wegen die Mondparzelle. Ich missd ja, wenn es auch Blödsinn is. Wieviel Anzahlung das kost, hab ich angefragt, und in wieviel Raten wir dem Rest abstottern können. Inzwischen is es nu Februar geworden, und alle Vereine risten sich zu ihr Fastnachtsvergniegen. Einmal im Jahr soll der Mensch sich austoben und sich de Hörner bestoßen. So dachd ich auch, wie ich noch unverfreit und geradzig innem Aushilfsdienst bei die Deutsche Reichspost eingetreten war. Ich war damals vleicht so Anfang zwanzig, und der Frauenverein in Karalene machd e großes Kastiemfest und foderd mir auf hinzukommen, weil er Tänzers brauchd. Bei sone Gelegenheit waren auch damals all de Junggesellen sehr beliebt, besonders bei die Frauenvereine. Aber ohne Kostiem gab nich rein. Nu hab ich mir dem Kopp zerbrochen, als was ich gehen solld, denn kosten solld es auch nich viel. Zuletzt kam ich aufem Ritter, so konnd ich mir auch am ehesten e stolzes Ritterfreilein anlachen. Dazu brauchd ich bloß e altem, ausgedientem Bullerofen, wo zu Haus aufem Hof lag und aufem Alt-Eisenhändler lauern tat. Dass er, bevor er eingeschmolzen wurd, noch emal e Kostiemfest in Karalene mitzumachen kriegd, hädd er bestimmt in seine kiehnste Treime nich gerechnet. Aber nu wird es wahr. Iebre Knie streifd ich mir zwei gebogene Sticke vonnes Ofenrohr, und vore Brust band ich mir e breitem Ofenblech, wo ich mit Bindfaden festmachen tat. Anne Hacken kamen zwei verrosterte Sporen aus meine Dragonerzeit. Nu fehld bloß noch was aufem Kopp. Erst wolld ich mir e verbelltem Milcheimer rieberstilpen und Löcher reinmachen. Aber denn kam ich doch davon ab und fuhr nach Insterburg und borgd mir außes Prussia-Mausoleum e richtigem Ritterhelm. War de Burblies'sche, wo innes Mausoleum Staub wischen tat, nich de Kusine von meine Schwester ihrem drittem Breitgam gewesen, denn hädd ich dem Helm gar nich gekriegt. Aber so kriegd ich ihm. Denn ging ich auch gleich noch bei Vogelreuter Nachfolger aufem Alten Markt und kaufd mir fier drei Gulden Scherzartikel: E Ziehgarr, wo kurz naches Anstecken explodierd, Konjackbohnen, wo Essig drin war, Juckpulver, Knallerbsen und andre Dammlichkeiten. Da fand ich auch e Ritterhelm aus Pappe, aber nu hädd ich all dem echten außes Mausoleum. So konnd es nu losgehn aufem Maskenball, aber nich ohne Balljett, das kostd auch noch einsfuffzig. Hädd ich mir bloß e andres Kostiem gebastelt und mir nich gerad als Ritter verkleidet! Mit die Ofenrohre konnd ich mir nich hinhucken, sondern missd immer stehen. Auf das Ofenblech, was ich vorem Busen hädd, hauden se mir immer rauf, und zuletzt nahmen se mir mang de Kapelle und benutzden meinem Harnisch als Pauke. Am schlimmsten war aber mittem Helm. Der drickd wie verrickt, und ich schwitzd wie e Äff, weil ich keine Luft kriegd. Und wenn ich mal dem Wisier, das is de Luftklapp, hoch nahm, denn haud ihm einer gleich wieder runter. So hädden se mir bald das Kinn und de Nas bescheiert. Und die vornehme Ritterfreileins kickden mir gar nich an, heechstens mal aus Versehen, und denn lachden se mir aus und schwenkden foorts mit einem Zigeiner oder einem Bajazzo los. Zuletzt knuffd mir einer gegnes rechte Aug, da ich e blauem Fleck kriegd, wo mir sechs Wochen an das scheene Kostiemfest erinnern tat. Da wurd ich aber falsch und wolld dem besoffenen Knuffer mit die Explosions-Ziehgarr anfiehren. Aber wie wir uns jeder einem Glimmstengel angestochen hädden, da ging meiner mit eins inne Luft und versengd mir dem Schnurrbart. Er paffd vergniegt weiter, denn seine Ziehgarr war echt. Auch mit die Konjackbohnen hädd ich kein Glick, indem dass ich keinem nich fand, wo dadrauf reinfiel. Besser war all mit die Knallerbsen, wo die Freileins sich verschreckden und aufe Seit hoppsden. Bei die Gelegenheit streid ich ihnen e bißche Juckpulver innem Ausschnitt. So hädd ich auch meinem Spaß, aber die Kawaliere, wo zu die Mädchens geheerden, hädden bald rausgekriegt, weshalb de Mergellens sich schobben missden. Deshalb zwangen se mir, dem ganzen Juckpulver-Vorrat rauszuricken, und taten mir alles innem Kragen schitten. Das war e Gefiehl! Jedenfalls hädd ich genug von dem ganzen Karalener Frauenverein, zog mir die Ofenrohre vonne Kniee und huckd mir ganz solo in eine Eck und nahm einem gegne Wirmer, bis de letzte Dittchens aller waren. Wie ich denn eigentlich nach Haus gekommen bin, hab ich bis heite nich konnd feststellen. Wie ich wach wurd, lag ich aufem Hof neben dem alten Bullerofen, und de Sonnche prickeld mir inne Nas. Emmend war es auch das Juckpulver. Aber ich hab mir gleich in meine Wanzenschaukel geschlichen, dass mir der Alteisenhändler nich womeeglich mit aufladen tat, wenn er mir nebnem Ofen liegen fand. Seit die Zeit bin ich alle Kostiemfeste innem großen Bogen auße Seit gegangen. Gescherbelt hab ich viel und gern, aber niemals mehr inne Ritterristung. Und jedes Jahr, wenn Februar wird, denk ich zurick an jene Nacht in Karalene. Leider hab ich de Emma später in eine schwache Stund davon erzählt. „Siehst", sagd se, „häddst mir damals all gekannt, denn war das nich passiert, denn hädd ich dir als Kauboi ausgekleidt, und du häddst könnt mitte Peitsch knallen“. Wenn Se sich nu womeeglich auch innem Karnewal reinstirzen wollen, denn seien Se man hibsch vorsichtig. Einet weiß gar nich, was fier Gefahren da auf einem lauern!

Herzliche Grieße sendet Ihnen, liebe ostpreißische Landsleite,

Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg-Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Crossen, Kreis Preußisch-Holland: Gerhard Granke, geb. 11.12.1935, von Emma Pohl, geborene Gruhn, geb. 09.09.1911. Gerhard Granke ist am 24. Januar 1945 in Tiegenhof verlorengegangen. Im April 1945 wurde er mit Hermann Jeschke in Kaltwasser bei Bromberg gesehen.

 

Eisenbart, Kreis Bartenstein: die Geschwister Erich Messal, geb. 31.05.1934, Erwin Messal, geb. 29.10.1938 in Eisenbart, und Gerhard Messal, geb. 13.07.1941 in Eisenbart, von ihrem Vater Hugo Messal.

 

Eigenau, Kreis Osterode (Ostpreußen): Helmut Fahl, geb. 20.05.1937 in Königsberg, von seinem Vater Josef Fahl, geb. 03.12.1906 in Soweiden, Kr. Rössel.

 

Klein-Schrankheim, Kreis Rastenburg: Ursula Eritt, geb. 16.01.1942, von ihrer Mutter Anna Eritt, geb. 15.12.1901. Die Mutter befand sich mit ihren beiden Kindern Ursula und Udo am 9. März 1945 auf der Flucht und geriet bei Kolberg in einen Feuerüberfall. Hierbei wurde der Knabe Udo getötet, die Mutter selbst schwer verwundet und verlor dabei das Bewusstsein. Seitdem fehlt von Ursula Eritt jede Spur.

 

Königsberg (Preußen), Briesenerstr. 21, bei Familie Holz: Ingrid Weller, geb. 21.08.1937 in Königsberg, von ihrer Mutter Eva Luntke, geb. 13. 3. 1911.

 

Königsberg (Preußen), Hermann-Allee 14: Peter Browarzick, geb. 08.02.1936, von seinem Bruder Dieter Browarzick. Peter Browarzick soll im Herbst 1947 nach Litauen gegangen sein.

 

Königsberg (Preußen), Laptauerstr. 19 oder Schleimacherstraße: Hannelore Dams, geb. 15.10.1935 in Tilsit, von ihrem Vater Arthur Dams, geb. 25.02.1891. Hannelore Dams soll sich 1946 angeblich in Königsberg in einem Waisenhaus befunden haben.

 

Königsberg (Preußen), Roonstr. 14: die Geschwister Erwin Floth, geb. im August 1937, Dora Floth, geb. 27.06.1941, und Günther Floth, geb. 16.08.1943 in Königsberg (Preußen), von ihrem Vater Bruno Floth, geboren 22.06.1914 in Friedrichstal.

 

Königsberg-Ponarth (Preußen), Str. 1820, Nr. 6: Herbert Backschat, geb. 24.05.1933, und Wolfgang Backschat, geb. 09.08.1937 in Königsberg, von ihrem Vater Fritz Backschat, geb. 12.03.1902.

 

Königsruh, Kreis Treuburg: Helga Bieberneit, geb. 23.02.1934, und Horst Bieberneit, geb. 04.01.1940 in Königsruh, von ihrem Vater August Bieberneit, geb. 01.08.1891. Helga und Horst Bieberneit waren Ende Januar 1945 in Bischofstein (Ostpreußen).

 

Liebemühl, Kreis Osterode (Ostpreußen): Erich Binder, geb. 09.11.1934 in Hamborn, von seiner Schwester Gerda Göbler, geborene Binder, geb. 08.03.1927.

 

Nonnenhausen bei Zinten, Kreis Heiligenbeil: Fritz Bergien, geb. 11.02.1939 in Groß-Rödersdorf, von seinem Vater Friedrich Bergien, geb. 16.12.1896. Fritz Bergien wurde am 17. Februar 1945 auf der Flucht auf dem Frischen Haff verwundet und ins Kriegslazarett in Heiligenbeil (Ostpreußen) eingeliefert.

 

Oberheiligenwalde, Kreis Samland: die Brüder Peter Reichert, geb. 03.09.1936, Götz Reichert, geb. 11.03.1938/1939, und Lutz Reichert, geb. 11.03.1938/1939, von Gertrud Tobies, geb. 05.08.1922 in Weißenstein. Die Mutter der Brüder Reichert, Gertrud Reichert, geborene Gall, geb. am 19.04.1910/1911, wird auch noch gesucht.

 

Osterode (Ostpreußen), Fritz-Tschierse-Straße, Siedlung, bei Baumgart: Ursula Sawatzki, geb. 15.09.1936, Manfred Sawatzki, geb. im Oktober 1938, und Herald Sawatzki, geb. im November 1939 in Osterode (Ostpreußen), von ihrem Vater Karl Sawatzki, geb. 26.04.1906.

 

Peitschendorf, Kreis Sensburg: Hans Gerhard Langenheim, geb. 1935, Helga Langenheim und Wolfgang Langenheim, von Gertrud Wolff.

 

Petersdorf, Kreis Wehlau: Helmut Költzsch, geb. 14.03.1934 in Wilkendorf, Kreis Wehlau, von seiner Mutter Johanna Költzsch, geborene Ziblinski. Helmut Koitzsch ist auf der Flucht in Milgen, Kreis Wehlau, abhanden gekommen.

 

Pomedien, Kreis Wehlau: die Geschwister Hannelore Matthe, geb. 10.11.1934, Werner Matthe, geb. 22.05.1936, Siegfried Matthe, geb. 22.04.1939, Manfred Matthe, geb. 1941, und Heinz Matthe, geb. 22.02.1943 in Pomedien, von ihrem Vater Karl Matthe, geb. 23.01.1905 in Pomedien.

 

Schatzberg über Zinten, Post Canditten: Bruno Sohn, geb. 28.04.1936, von seinem Vater Franz Sohn, geb. 23. 02.1904.

 

Schippenbeil, Kreis Bartenstein, Rastenburger Str. 6: Elly Faust, geb. 26. 05.1938, von ihrem Vater Herbert Faust, geb. 01.07.1907. Elly Faust ging am 12. März 1945 in Swinemünde verloren.

 

Tapiau, Kreis Wehlau: Heinz Wannoff, geb. 25.02.1934, von seiner Tante Martha Jabs, geborene Kraemer. Heinz Wannoff ist am 21. Januar 1945 auf der Flucht von Tuppen, Kreis Schloßberg, schwer verwundet ins Krankenhaus in Tapiau eingeliefert. Der leitende Arzt des Krankenhauses hieß Doktor Kopas.

 

Tilsit, Hindenburgstr. 43: Annemarie Haupt, geb. 29.01.1936 in Tilsit, von ihrer Mutter Else Haupt, geborene Hertel, geb. 25.11.1904 in Thürk Lübeck. Annemarie soll 1948 von Tilsit nach Litauen gegangen sein.

 

Ukta, Kreis Sensburg: Walter Werner, geb. 23.08.1933. Adolf Werner, geb. 1936 und Leo Werner, geb. 1939 in Freimarkt, von ihrer Tante Josefa Dreyser, geborene Werner, geb. 17.08.1919. Die Brüder Werner sind im März oder April 1945 mit ihrer Mutter auf der Halbinsel Hela gesehen worden.

 

Wehlau (Ostpreußen): Karl-Heinz Woelky, geb. 14.03.1940 in Wehlau, von seiner Mutter Marie Woelky, geborene Schulz, geb. 23.03. 1916. Karl-Heinz Woelky ist 1947 in Litauen gesehen worden.

 

Groß-Engelau, Kreis Wehlau: Die Geschwister Fritz Lemke, geb. 14.03.1936, und Liesbeth Lemke, geb. 12.04. 1937, geb. in Groß-Engelau, von ihrem Vater Fritz Lemke, geb. 05.06.1897 in Gr. Engelau.

 

Groß-Engelau, Kreis Wehlau: Sieglinde Kampf, geb. im September 1942, von ihrer Tante Johanna Seidler, geb. 08.09.1905 in Groß-Engelau. Sieglinde Kampf wurde zuletzt Im Sommer 1945 auf dem Bahnhof in Osterode (Ostpreußen) mit einer Frau Hertha Masuch gesehen.

 

Groß-Engelau, Kreis Wehlau: Heinz Robitzki, geb. 08.10.1934 in Groß-Engelau, von Kurt Robitzki, geb. 02.06.1930. Heinz Robitzki wird seit Oktober 1947 aus Paterswalde (Ostpreußen) vermisst.

 

Grünlinde, Kreis Wehlau: Helmuth Dietrichkeit, geb. 26.09.1935 in Preislauken, Kreis Wehlau, und Erwin Dietrichkeit, geb. 12.07.1941 in Grünlinde (Ostpreußen), von ihrem Vater Franz Dietrichkeit, geb. 11.09.1900.

 

Gumbinnen, Frommelstraße 11, bei Frau Minna Müller: Gerda Podschun, geb. 22.01.1939 in Bismarckhöh, Kreis Gumbinnen, von der Schwester Gertrud Kesselring, geborene Müller, geb. 22.03.1929 in Dauginten, Kreis Gumbinnen.

 

Guttstadt, Glottauer Vorstadt 42: Ewald Riediger, geb. 22.08.1935, von seiner Mutter Maria Riediger, geborene Baxmann, geb. 10.01.1908.

 

Guttstadt, Kreis Heilsberg, frühere Straße der SA 17: Lotte Neuhoff, geb. 01.01.1935 oder 1936 in Guttstadt, von ihrem Vater Kurt Neuhoff, geb. 22.08.1906 in Gumbinnen.

 

Habichtswalde, Kreis Labiau, Manfred Gennat, geb. im Februar 1939, von seiner Tante Luise Hasler, geborene Gennat, geb. 27.06.1912 in Wilhelmsheide. Manfred Gennat soll im Herbst 1947 mit seiner Großmutter Amalie Runge, geborene Flügel nach Litauen geflüchtet sein.

 

Haffwerder, Kreis Labiau: die Geschwister Gustav Jeschkeit, geb. 18.12.1933, (kein weiteres Kind angegeben)von ihren Eltern Gustav Jeschkeit, geb. 11.02.1907, und Lisbeth Jeschkeit, geborene Jodeit, geb. 02.05.1910. Gustav Jeschkeit war bis Mai 1947 im Lager Schlossberg (Ostpreußen).

 

Königsberg-Schönfließ, Behehlfskrankenhaus: Anita Frei, geb. 22.11.1942 in Danzig von ihrer Mutter Elisabeth Frei. Das Kind wurde am 02.10.1945 in das Behelfskrankenhaus, Isolierstation, Königsberg-Schönfließ mit einer Lungenentzündung und Typhus eingeliefert. Wer hat das Mädchen im Behelfskrankenhaus betreut und kann über den weiteren Verbleib Auskunft geben?

 

Königsberg (Preußen), Barbarastr. 122: Harry Monien, geb. 09.02.1934 und Hildegard Monien, geb. 17.04.1936 in Königsberg- (Preußen), von ihrer Schwester Anneliese Monien, geb. 30.09.1931 in Königsberg (Preußen).

 

Königsberg (Preußen), Gluckstr. 4: Dieter Kathens, geb. 14.09.1933 in Königsberg, von seiner Tante Anni Schenkel, geborene Reimann, geb. 31.08.1908 in Königsberg. Dieter Kathens wird mit seinen Eltern Karl Kathens und Else Kathens, geborene Reimann, seit März 1945 in Königsberg vermisst.

 

Königsberg (Preußen), Knochenstr. 40/41, später Scheffnerstr. 11: Ruth Schneidereit, geb. 11.05.1934 in Königsberg (Preußen), von ihrer Mutter Charlotte Schneidereit, geborene Fischer, geb. 20.09.1910. Ruth Schneidereit wird seit Ende Februar 1945 in Schönwalde (Ostpreußen) vermisst.

 

Königsberg (Preußen), Magisterstraße 37/38: Magritta Wottke, geb. 05.05.1940 in Königsberg (Preußen), Von ihrem Vater Günter Wottke, geb. 02.01.1913 in Düsseldorf. Das Kind Magritta Wottke wurde im April 1947 in das Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg eingeliefert.

 

Königsberg (Preußen), Schleiermacherstr. 50: Adolf Hoffmann, geb. 01.05.1938 in Königsberg, von seinem Vater Ernst Hoffmann. Das Kind Adolf Hoffmann befand sich im März 1945 in Pillau (Ostpreußen).

 

Memel, Weidendammstraße 2: Klaus Günther Balsis, geboren 01.06.1941, von Barbara Beermann, geborene Ivoneit, geboren 30.05.1908 in Memel.

 

Liebenberg, Kreis Ortelsburg: Waldemar Gritzan, geboren 26.10.1942, von seinem Vater Erich Gritzan und seinem Bruder Dieter Gritzan. Der Knabe Waldemar Gritzan befand sich 1945 mit seiner Mutter in Danzig-Neufahrwasser.

 

Rastenburg, Kinderheim: der Knabe Manfred Sierke, geb. 11.07.1941, von seinem Großvater Josef Sierke, geb. 28.10.1893. Über den Verbleib des Knaben soll eventuell eine Frau Ella Becker, früher wohnhaft in Kersten, Kreis Sensburg, Auskunft geben können.

 

Rauschen, Kreis Samland, Krankenhaus: Sophie Thiel, geb. 03.11.1939, Heimatanschrift: Klein Rautenberg, Kreis Braunsberg (Ostpreußen), von ihrer Mutter Pauline Thiel. Das Mädchen hat braune Augen und blondes Haar. Es wurde auf der Flucht 1945 im Krankenhaus in Rauschen, Kreis Samland, abgegeben, weil es an Scharlach erkrankt war.

 

Reichenberg, Kreis Heilsberg: Heinz Strehl, geb. 1940, und sein Bruder Ernst Strehl, geb. 1939, von ihrer Großmutter Elisabeth Strehl. Die Knaben haben im November 1945 zusammen mit ihrer Mutter Margarete Strehl, geborene Schmidt, und mit dem großen Bruder Alfred Strehl, Reichenberg, Kreis Heilsberg, verlassen. Bei Ihnen befand sich die Tante Hedwig Schmidt.

 

Reußen, Kreis Allenstein: Karl-Heinz Blauscha, geb. 16.02.1944 in Allenstein, von seiner Mutter Martha Böhland, geborene Blauscha. Ebenfalls wird Fräulein Erna Dransch, die sich des Jungen annahm und zuletzt in Königsberg (Preußen), Unterhaberberg 22, wohnhaft war, gesucht.

 

Rossitten, Kurische Nehrung, Kreis Preußisch-Eylau: Werner Borchert, geb. 26.02.1940, von Erika Stache, geborene Gerwien, geb. 05.04.1928.

 

Hohensalzburg, Kreis Tilsit-Ragnit: Inge Rieser, geb. 08.05.1936 in Hohensalzburg, Hildegard Rieser, geb. 18.06.1937 in Titschken bei Kauschen, und Erika Rieser, geb. 03.01.1939 in Kauschen, von ihrem Vater Ernst Rieser, geb. 06.10.1913 in Ackmenischken, Kreis Insterburg. Die Kinder Rieser sollen sich mit ihrer Mutter bis Juli 1947 in Lichtenstein (Ostpreußen) aufgehalten haben.

 

Jägertal, Kreis Insterburg, bei Familie Gerlach: Heinz Hoffmann, geb. 28.12.1937 in Dannenberg, Kreis Elchniederung, von seiner Mutter Erna Klüss, verwitwete Hoffmann, geb. 07.06.1921 in Girreningken, Kreis Memel.

 

Kallehnen, Kreis Tilsit-Ragnit: Ida Aschmann, geb. 12.12.1934 in Pucknen, von ihrem Vater Albert Aschmann, geb. 22.02.1893.

 

Kobbern, Kreis Bartenstein: Leanda Rotraut Rieck, geb. 26.07.1939 in Kobbern, von ihrer Mutter Frieda Matzkies, geborene Rieck, geb. 19.03.1915 in Frisching.

 

Königsberg (Preußen), Hans-Sagan-Straße 96: Günther Zachrau, geb. 01.09.1936 in Königsberg, von seiner Mutter Martha Zachrau, geborene Kaschub, geb. 06.01.1908. Günther Zachrau ging zusammen mit dem Kind Vera Beyer nach Litauen. Er wurde zuletzt im Herbst 1947 in Schaulen (Litauen) gesehen.

 

Königsberg (Preußen), Selkestr. 13: Hans-Joachim Federmann, geb. 18.01.1935 in Königsberg, von seinem Vater Hans Albert Federmann, geb. 29.09.1890 in Nalegau, Kreis Wehlau.

 

Königsberg-Kohlhof (Preußen), Straße 1050: Irene Walli Eggert, geb. im Oktober 1942 in Königsberg, von ihrer Tante Elma Eggert, geborene Jandreizik, geb. 02.04.1909 in Pilwe, Kreis Angerburg. Irene Walli Eggert befand sich mit ihrer Mutter Else Eggert 1947 noch in Königsberg.

 

Königsberg-Quednau (Preußen), Wehrmacht-Siedlung 29: Herbert Lehmann, geb. 18.05.1937 in Königsberg, von seinem Bruder Horst Lehmann, geb. 27.07.1927.

 

Dem Kinderheim in Braunsberg: Die Geschwister Arthur Hopp, geb. 1939, und Elfriede-Irmgard Hopp, geb. etwa 1933, von ihrem Bruder Helmut Hopp, geb. 15.06.1936. Die Geschwister Hopp stammen aus Lindenau, Kreis Braunsberg.

 

Lyck, Erziehungsheim: Horst Klein, geb. 25.03.1936 in Königsberg, von seiner Mutter Liesbeth Zimmermann, geborene Klein, geb. 04.11.1914 in Königsberg.

 

Maraunen, Kreis Rastenburg: Die Geschwister Waldemar Kösling, geb. 06.01.1939 und Roswitha Kösling, geb. 17.01.1940, von ihrer Tante Martha Kaffke, geb. 25.07.1924.

 

Preußisch-Eylau, Bärenwinkelweg 7, bei Frau Todtenhaupt: Rolf-Dietrich Rogeé, geb. 24.02.1936 in Balzen, Kreis Osterode (Ostpreußen), von seinem Vater Werner Rogeé, geb. 20.02.1902 in Königsberg (Preußen), Wolf-Dietrich Rogeé ist 1947 nach Litauen gefahren.

 

Roggen, Kreis Neidenburg: Die Geschwister Elfriede Dembek, geb. etwa 1939, Wilhelm Dembek, geb. etwa 1941, und Heinz Helmut Dembek, geb. etwa 1943 in Roggen, von ihrem Onkel Heinrich Dembek, geb. 17.01.1914.

 

Russ, Kreis Heydekrug: Waltraud Buttgereit, geb. 11.06.1933 in Russ, von Ruth Krüger, geborene Buttgereit, geb. 03.01.1920 in Russ.

 

Saalfeld, Kreis Mohrungen, Klosterstr. 19: Siegfried Bolz, geb. etwa 1935 in Saalfeld, und Waltraut Bolz, geb. etwa 1941 in Saalfeld, von ihrer Großmutter Maria Bolz und ihrem Onkel Hans Saretzki.

 

Soldau, Kreis Neidenburg: Mariechen Giesbrecht, geb. 21.07.1937, Tina oder Katherina Giesbrecht, geb. 19.01.1939, und Johann Giesbrecht, geb. 11.01.1941, von ihrer Großmutter Tina Giesbrecht.

 

Sophiental, Kreis Osterode: Gerhard Kluschkewitz, geb. 17.11.1939 in Sophiental, von seinem Vater Gustav Kluschkewitz, geb. 30.04.1908 in Elgenau. Gerhard Kluschkewitz soll von einer Lehrersfrau aus Liebemühl, Kreis Osterode (Ostpreußen), aufgenommen worden sein.

 

Schiewenau, Kreis Wehlau: Christel Höpfner, geb. 1940, und Elsbeth Höpfner, geb. 1934, von ihrem Vater Friedrich Höpfner, geb. 01.12.1901 in Schiewenau.

 

Schirwindt, Kreis Schloßberg: Elfriede Neumann, geb. 25.09.1936 in Schirwindt, von Ida Schwitzer, geborene Kairat, geb. 09.05.1910 in Stallupönen.

 

Stadtfelde, Kreis Ebenrode: Erika Wolski, geb. 23.12.1937 in Stadtfelde, von ihrem Vater Otto Wolski, geb. 15.07.1909.

 

Studczeniec, Gde. Berkow, Kreis Sichelberg: Bruno Erdmann, geb. 05.07.1935, und Helmut Erdmann, geb. 06.10.1940, von ihrem Bruder Alfred Erdmann, geb. 27.03.1924.

 

Thalheim, Kreis Neidenburg: Kurt Kaminski, geb. 12.04.1940, von seiner Mutter Emma Kaminski. Kurt kam mit seiner Tante Emilie Kaminski, auf der Flucht am 22. Januar 1945 in den Kreis Osterode. Sie befanden sich auf einem Treckwagen, der ihnen fortgenommen wurde. Die Tante Emilie Kaminski blieb bei dem Jungen und seitdem werden sie vermisst. Kurt Kaminski hat dunkelbraune Augen und dunkelblondes Haar. Er hat unter dem rechten Auge eine kleine Narbe. Er könnte sich an Tante Mila und Tante Julchen erinnern, ebenfalls aber auch an Opa und an das Mädchen Olla.

 

Waldburg, Kreis Samland: Herta Post, geb. 17.06.1936 in Kerschitten, und Jürgen Post, geb. 23.08.1939 in Stein, Kreis Preußisch-Holland, von iher Großmutter Wilhelmine Buchholz. Die Geschwister Herta und Jürgen Post sind im Januar 1945 aus Waldburg mit dem Treck über das Frische Haff geflüchtet und seitdem vermisst.

 

Wiesenhausen, Kreis Angerapp: Werner Baldschun, geb. 12.01.1936 in Wiesenhausen, von seinen Tanten Helene Thieler, geb. 19.02.1895, und Lina Schmidtke, geborene Kuhn, geb. 15.12.1891. Werner Baldschun ist Anfang November 1948 nach Litauen gefahren.

 

Zimmerbude, Kreis Samland: Werner Grunenberg, geb. 28.09.1943, von seinem Vater Alois Grunenberg. Bis März 1945 lebte der Junge mit seiner Mutter Erna Grunenberg, geborene Kohlhaw, geb. 17.10.1918, zusammen. Nach dem Tode der Mutter nahm eine Frau aus Zimmerbude, deren Namen nicht bekannt ist, das Kind Werner Grunenberg mit auf die Flucht.

 

 

Seite 13   Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a. zu richten.

 

Gesucht werden:

 

die Angehörigen des Johann Switzky oder Switke, geb. etwa 1905.

 

aus Neudorf Mühle: die Angehörigen des Karl Krüger, geb. etwa 1879, Beruf: Landwirt.

 

dem Kreis Ortelsburg: die Angehörigen von Heinz Berger, geb. etwa 1925/1926 im Kreis Ortelsburg, Schüler, Gefreiter und Reserveoffiziers Bewerber bei der 119. Jäger-Division, A 7328.

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Matzke, Gefreiter bei der Jagdpanzer-Kompanie 1121 der 121. Infanterie-Division, B 5478.

 

Herr Schuhmann, aus Allenstein, Schubertstr. 32, für Philipp Schuhmann, geb. 28.11.1910.

 

Anna Schwenk, aus Alrüdnitz bei Königsberg, für Erich Schwenk, geb. 21.02.???? in Alrüdnitz.

 

Ellen Schwill, aus Barten, Kreis Rastenburg, für Erich Schwill, geb. 27.10.1918.

 

Familie Schulz, aus Böhsau, Kreis Rössel, Post Rotfließ, für Günther Schulz, geb. 15.12.1915 in Neuhof.

 

Johann Uspinski, aus Borken, Kreis Lyck, für Johann Uspinski, geb. 26.11.1925 in Borken.

 

Richard Wähner, aus Diebau 17, Kreis Wehlau, für Gerhard Wähner, geb. 22.04.1921 in Diebau.

 

Emma Wähner, aus Diebau, Kreis Wehlau, Lonkstr. 31 für Erwin Wähner, geb. 01.11.1925 in Diebau.

 

Maria Pitzer, aus Ebenrode, Jungstr. 22, für Willi Pitzer, geb. 26.02.1920 in Wickenfelde.

 

Helene Elisabeth Schulz, aus Goldbach, für Gustav Schulz, geb. 01.01.1908.

 

Sofie Warstat, aus Gumbinnen, Brunnenstr. 9, für Albert Warstat, geb. 25.05.1911 in Krebschen.

 

Frau Schulz aus Heilsberg, für Franz Schulz, geb. 04. 02.1905 in Regersel.

 

Auguste Walinowski, aus Johannisburg, Lupkerstr. 10, für Walter Walinowski, geb. 02.03.1923 in Korschany.

 

Familie Walter, aus Königsberg, Steindamm 54, für Heinz Walter, geb. 07.01.1906 in Königsberg.

 

Anna Hollantz, aus Mohrungen, Preußische Holländerstr. 46, für Ernst Schulz, geb. 24.09.1925 in Skolwitten.

 

Marie Witkowski, aus Plowenz bei Strasburg, für Alexander Witkowski, geb. 06.11.1922 in Plowenz.

 

Familie Volk, aus Schmuditten, Kreis Preußisch-Eylau, für Helmut Volk, geb. 28.02.1913 in Freiburg.

 

Lyk oder Gegend der ostpreußischen Seen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Feuerwanker, Schulrat, Major bei der Infanterie, B 7282.

 

 

Seite 13   Vermisstenkartei wird aktualisiert.

Mitteilungen von Vermisstenangehörigen und Rückfragen des Suchdienstes des DRK bei den Angehörigen haben immer wieder gezeigt, dass es erforderlich ist, die Vermisstenunterlagen, welche auf Grund der staatlichen Registrierung im März 1950 zusammengestellt worden sind, generell auf ihre Aktualität zu prüfen. Diese unbedingte Notwendigkeit rückte umso mehr in den Vordergrund, als der Suchdienst sich darüber klar war, dass die Nachforschung nur dann intensiviert werden kann, wenn eine neue Auflage bebilderter Vermisstenlisten mit weitgehendsten Angaben zur Person des Vermissten alle seither gewonnenen Neuerkenntnisse einschließt.

 

Aus dieser Überlegung heraus wurden im Laufe des Jahres 1955 die sogenannten „Aktualisierungskarten an die Angehörigen gesandt. Diese wurden damit gebeten, in die Aktualisierungskarten alle Neuerkenntnisse, die inzwischen über ihren Angehörigen bekannt geworden sind, einzutragen.

 

Es hat sich erwiesen, wie notwendig diese Aktualisierung für die Erstellung der Vermisstenbildlisten gewesen ist. Bei einer Überprüfung eines ansehnlichen Prozentsatzes der bereits wieder eingegangenen Aktualisierungskarten wurden 25,5 Prozent Veränderungsmeldungen zur Person des Vermissten und der Anschrift der Angehörigen festgestellt. Darüber hinaus wurden in 6,5 Prozent der Fälle dem Suchdienst Neuerkenntnisse mitgeteilt, die dazu führen, entweder das Schicksal des Vermissten als geklärt anzusehen oder neue Ansatzpunkte für weitere Nachforschungen zu geben.

 

Worauf ist nun der hohe Prozentsatz an Veränderungsmeldungen und Neuerkenntnissen zurückzuführen?

 

Die staatliche Registrierung aller Kriegsgefangenen und Vermissten im März 1950, welche die Grundlage für die Nachforschungen bildet, konnte sich praktisch auf keine Erfahrungen stützen und barg somit diese und jene Unvollkommenheit in sich. Die vorangegangene staatliche Registrierung im Jahre 1947 konnte nur sehr beschränkt als Anhaltspunkt dienen. Häufig sind auch die ungenauen Angaben auf der Registrierkarte auf Hör- und Schreibfehler oder auf undeutliche Schrift zurückzuführen. Dazu kam, dass die Vermisstenangehörigen aus der Sorge um das Schicksal der Gesuchten heraus verschiedentlich eigene Nachforschungen durchzuführen suchten, ohne daran zu denken, dem Suchdienst ihre daraus gewonnenen Erkenntnisse mitzuteilen. Die Änderungen der Anschriften der Anmeldenden sind in den letzten Jahren vornehmlich auf die fortschreitende Konsolidierung unseres gesamten Öffentlichen Lebens und damit auch des Wohnungsproblems zurückzuführen (Heimatvertriebene, Umsiedler).

 

Welcher Art waren die Veränderungsmeldungen und Neuerkenntnisse?

 

90 Prozent der Veränderungsmeldungen sind Änderungen der Personalien des Vermissten, der Einheiten, des Ortes bzw. Datums der letzten Nachricht. Z. B.: Bei der staatlichen Registrierung wurde als Name des Vermissten Kenlau gelesen und übertragen, während aus der Aktualisierungskarte der wirkliche Name in Kerzlau verbessert werden musste.

 

Bei der staatlichen Registrierung wurde die Feldpost-Nr. 95404 angegeben, auf der Aktualisierungskarte wurde sie in 59404 berichtigt.

 

Bei 10 Prozent handelt es sich um Wohnsitzänderungen des Anmeldenden.

 

Leider hat sich auch ergeben, dass eine erhebliche Anzahl der Veränderungen dahingehend notwendig wird, dass dem DRK-Suchdienst erst jetzt, entgegen der ursprünglichen Vermisstenmeldung durch den Angehörigen, eine Mitteilung über seine Gefangennahme bekannt wird. Im Falle einer Sofortmeldung hätte die Bearbeitung des Nachforschungsfalles bereits in dieser Richtung angesetzt werden können.

 

Ein gewisser Prozentsatz der Neuerkenntnisse enthält sogar Angaben, die auf eine Klärung des Vermisstenschicksals hinweisen.

 

Eindeutig ist also aus dieser Darstellung der bisher feststellbaren Ergebnisse der Aktualisierung zu entnehmen, wie entscheidend wichtig diese Bereinigung der zentralen Unterlagen über Vermisste und verschollene Kriegsgefangene ist, die als Grundlage für die Bildlisten dienen werden. Der Suchdienst des DRK richtet daher die Bitte an die Angehörigen, auch in Zukunft Neuerkenntnisse so bald wie möglich dem Suchdienst mitzuteilen, damit die Nachforschungsgrundlagen in jedem Falle schnellstens auf den jeweiligen Stand der Erkenntnisse abgestellt werden können. Nur dann ist es möglich, eine klare und zweckmäßige Nachforschungsarbeit zu betreiben.    

 

 

Seite 14   Foto: Rittergut Lindicken im Kreise Pillkallen: Ansicht eines Stallgebäudes.

 

 

Seite 14   Heraus aus der gesellschaftlichen und politischen Isolierung der Heimatvertriebenen.

Dieses Leitwort stand über der Arbeitstagung des VdL, die die zahlreichen Amtsträger der landsmannschaftlichen Untergruppen aus dem Regierungsbezirk Nordbaden, Federführung durch Herrn Fischer, in Heidelberg vereinigte. Neben den Richtlinien, die für die Arbeit des Jahres festgelegt wurde, befasste man sich besonders mit der Stellung des Verbandes zu den bevorstehenden Landtagswahlen. Eine Resolution an den Süddeutschen Rundfunk bekräftigte die Bitte, Sendungen, die sich mit mittel- und ostdeutschen Fragen befassen, auf günstigere Sendezeiten zu verlegen und zu prüfen, welche Gebiete in Mittel- und Ostdeutschland am besten von den Sendern des Bundesgebietes erreicht würden. Landsleute, die kürzlich aus der SBZ nach dem Westen kamen und heute aktiv in den landsmannschaftlichen Gruppen mitarbeiten, berichteten über das große Interesse, das in der Mittelzone und den Heimatgebieten an der Arbeit der Lmn besteht. Deshalb schließt die Resolution mit der Forderung, die westdeutschen Sender mögen eingehender über das landsmannschaftliche Leben berichten.

 

Die Bedeutung der landsmannschaftlichen Arbeit in Nordbaden und des VdL, wurde in der gut besuchten Arbeitstagung auch durch die anwesenden Gäste deutlich: Landtagspräsident und Oberbürgermeister Dr. Neinhaus, Landrat Steinbrenner, der Leiter des Flüchtlingsamtes, der Leiter der Volkshochschule und der Vorsitzende des Westdeutschen Heimatbundes „Odenwaldklub", nahmen teil. Der VdL-Landesvorsitzende Herr Fritsche appellierte an die Notwendigkeit, ständig an der Vertiefung des gesamtdeutschen Ostbewusstseins zu arbeiten. Landtagspräsident Dr. Neinhaus betonte, dass die Mitarbeit der Lmn und damit der Heimatvertriebenen in den Parteien und Körperschaften den Stachel der Unruhe nach dem Unrecht, das ganz Deutschland im Osten traf, in der Öffentlichkeit nicht zur Ruhe kommen lassen dürfe.

 

Landeskulturwart Dr. Rudert sprach über Aufgaben der Lmn in Gemeinschaft mit der einheimischen Bevölkerung. Bundesorganisationsreferent von Randow gab einen eingehenden Bericht über die Arbeit des VdL und der Lmn auf Bundesebene und erinnerte an das große Erbe der Heimat, für welches wir in der ständigen Arbeit angetreten sind und gab Richtlinien für die Weiterentwicklung der Landsmannschaftsgruppen und deren Zusammenarbeit in den VdL-Kreisgruppen, deren Ausbau die Versammlung beschloss.

 

 

Seite 14   Sowjetzone: In- oder Ausland?

Ein Gerichtsurteil und eine Bürgermeisterwahl in Südwestdeutschland haben die Frage aufgeworfen, ob die Sowjetzone noch zu Deutschland gehört oder als Ausland gelten muss. Die Bundesregierung hat bekanntlich wiederholt erklärt, dass sie im Namen ganz Deutschlands spreche. Ebenso kennt das Grundgesetz nur Deutsche — nicht etwa „West- und Sowjetzonendeutsche".

 

Das Landgericht Aurich hat jetzt demgegenüber in einem Prozess gegen ein Elternpaar in der Sowjetzone festgestellt, dass zwar „der Fortbestand des Deutschen Reiches als staatsrechtliche Einheit sowohl von der Bundesrepublik wie der DDR anerkannt" werde, die Rechtseinheit jedoch weitgehend verloren gegangen sei. In dem Prozess war zu klären, ob ein west-deutsches oder ein sowjetzonales Gericht die Einweisung eines Mädchens, dessen Adoptiveltern in der Sowjetzone wohnen, in die Fürsorgeerziehung bestimmen sollte. Wegen der grundlegenden Rechtsunterschiede auf diesem Gebiet erkannte das Landgericht die Sowjetzone nicht mehr als „Inland".

 

Genau entgegengesetzt liegt der Fall bei einer bevorstehenden Bürgermeisterwahl in dem südwestdeutschen Städtchen Ettenheim, unter deren Kandidaten sich auch ein Stellmacher, wohnhaft in Magdeburg, in Mitteldeutschland, befindet. Durch das Grundgesetz stehen der Bewerbung dieses Magdeburgers nach einer Erklärung des Regierungspräsidiums in Freiburg keine Hindernisse entgegen, sofern er die übrigen Voraussetzungen für die Wählbarkeit erfüllt. Lediglich, technische Schwierigkeiten können auftreten, wenn etwa ein Wahlprüfungsausschuss an Ort und Stelle — also in Magdeburg — sich über eventuell vorhandene Wahlhinderungsgründe orientieren muss. Ebenso ist ein Leumundszeugnis bzw. ein Strafregisterauszug einzuholen.

 

Die Einheit Deutschlands wurde auch in einem anderen bemerkenswerten Urteil in Westberlin unterstrichen. Das Arbeitsgericht Westberlin verurteilte die Postdirektion, einen Handwerker wieder einzustellen, der wegen Wechsel seines Wohnsitzes nach der Sowjetzone fristlos entlassen worden war. Das Arbeitsgericht verwies dabei auf Art. 11 der Verfassung Berlins, der jedermann die freie Wahl seines Wohnsitzes garantiert und dabei keinerlei Ausnahme im Hinblick auf die Sowjetzone macht. H. K.

 

 

Seite 14   Zur Gesamterhebung.

Der Verband der Landsmannschaften hat im Rahmen der Gesamterhebung durch das Bundesvertriebenenministerium den Auftrag erhalten, die Soll-Liste zu erstellen. Dieser Auftrag wird zentral durch die Bundeslandsmannschaften durchgeführt. Daneben hat der VdL dem Bundesvertriebenenministerium und dem DRK seine Mitarbeit zugesichert, die z. Zt. laufende Fragebogenaktion des DRK zu unterstützen. Diese Mithilfe wird sich bis in die letzte Ortsgruppe auf westregionaler Ebene abspielen. Die Untergruppen der Landsmannschaften sollen dabei das DRK bei der Verteilung der Fragebogen unterstützen und den Landsleuten Ausfüllhilfe leisten.

 

 

Eine ostdeutsche Theaterausstellung, die aus dem Archiv der Künstlergilde Eßlingen entwickelt wurde, soll in diesem Jahre in München, Darmstadt, Hamburg und Berlin gezeigt werden.

 

 

Seite 14   Sammlung - Erhaltung - Vertiefung des Erbes. Erster Tätigkeitsbericht der Forschungsstelle für ostdeutsche Landeskunde.

Hannover. Auf Anregung von Vertriebenenminister Erich Schellhaus hat Prof. Dr. Karpa im Jahre 1954 eine „Forschungsstelle für ostdeutsche Landes- und Volkskunde In Niedersachsen'' ins Leben gerufen, in der unter seiner Leitung interessierte Fachleute und Wissenschaftler ehrenamtlich mitarbeiten. Die Forschungsstelle wird vom Niedersächsischen Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte finanziell gestützt. Sie veröffentlichte nunmehr ihren ersten Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 01.10.1954 bis 30.09.1955.

 

Der Bericht gibt einen umfassenden Überblick über die vielseitigen Aufgaben und Leistungen der Forschungsstelle, die sich zum Ziel gesetzt hat, alles zu sammeln, was an kulturellen Werten in Wort, Schrift und Kunstwerk bei den Vertriebenen und Flüchtlingen lebendig ist, um es auszuwerten und für die Erhaltung und Vertiefung eines deutschen Ostbewusstseins einzusetzen.

 

Der Forschungsstelle die sich in die Abteilungen Kunst und Kulturgut, Volkskunde, Geschichte, Schrifttum, Rundfunk, Film und Bild gliedert , haben sich zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt.

 

Wissenschaftliche Fundierung der Arbeit ermöglicht die Niedersächsische Landesbibliothek mit ihren reichhaltigen alten und neu-erworbenen Beständen an ost- und mitteldeutscher Literatur. Auch die Ergenisse der in den Schulen durchgeführten „Ostdeutschen Wochen“ und Wettbewerbe, sowie die Aufnahmen ostkundlicher Überlieferungen und Mundarten auf Tonbänder haben wesentlich zur Erweiterung des Archivs bei der Forschungsstelle beigetragen.

 

Im August v. Js. Veranstaltete die Forschungsstelle gemeinsam mit dem Regierungspräsidenten in Aurich erstmalig eine größere Arbeitstagung in Leer, die Fragen der Sammlung, Auswertung und Vertiefung ostdeutschen Kulturgutes behandelte. Eine zweite Tagung wurde vom 28. bis 30. November gemeinsam mit dem Verwaltungspräsidenten in Oldenburg und der Ostdeutschen Akademie in Oldenburg mit gutem Erfolg durchgeführt. Weitere Tagungen in den anderen Regierungsbezirken sollen so bald wie möglich folgen.

 

Die Forschungsstelle steht in ständiger Verbindung mit den Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie mit allen Landes- und Bundesdienststellen, die für die Fragen Ost- und Mitteldeutschlands zuständig sind.

 

 

Seite 14   Man müsste die Landsmannschaften erfinden …

Wenn über deutsche Ostpolitik und öffentliche Meinung gesprochen wird, ist noch ein Wort über die Vertriebenenverbände zu sagen, vor allem über die Landsmannschaften. Die Abwege, auf die der ursprünglich bedeutsame Gedanke, mit der sozialen Vertriebenenfrage auch das ostdeutsche Problem durch eine Partei auf die parlamentarische Ebene zu tragen, nunmehr geraten ist, lassen die Landsmannschaften als das einzig wirkliche Potential einer ostpolitischen Meinungsbildung erscheinen. Immerhin ist die Zahl derer, die sich in verschiedener Form zu ihnen bekennen, größer als die irgendeiner anderen politischen Gruppe. Wenn ihr Einfluss auf die allgemeine öffentliche Meinung Deutschlands bisher in einem beachtlichen Missverhältnis zu ihrer zahlenmäßigen Stärke gestanden hat, so ist das auf gewisse Fehlentwicklungen zurückzuführen, die zum Teil in manchen sie konstituierenden Faktoren selbst, zum anderen Teil in personellen Fehlbesetzungen ihren Ursprung haben.

 

Aus dem Bedürfnis der Vertriebenen, das heimatliche Gefüge, die einst überschaubare Heimatwelt in der neuen, zunächst als Fremde wirkenden Umwelt wieder im Abglanz erscheinen zu sehen, sind sie zumeist aus kleinheimatlichen Bezügen in konzentrischen Kreisen bis etwa zur Stammesgröße gewachsen. Dabei lag bei den Vertriebenen von vornherein die Erschütterung durch erlebtes Unrecht vor dem Heimatgefühl: sie erwarteten von ihren Landsmannschaften, dass sie ihnen nicht nur durch die organisierte Nähe der Landsleute einen Ersatz für das gestörte Gefühl sozialer Geltung in der neuen Umwelt schafften, sondern auch gleichzeitig das jedem persönlich — und in Wirklichkeit doch allen als Deutschen! — angetane Unrecht wiedergutmachen sollten. Nicht durch Entschädigung — diese wurde dem Staat übertragen —, sondern durch das Versprechen, für Heimatrestitution im ideellen nicht nur, sondern auch im materiellen Sinne zu sorgen. Das erste konnten die Verbände ihren Mitgliedern gewähren — beim zweiten waren sie überfordert. Ihre Fehlleistung nun liegt überall da, wo ihre Funktionäre, um des Zusammenhalts willen, diese Überforderung nicht zugaben oder gar, als Selbstinteressenten, den Willen kundgaben, der mal einst bedingungslos auch das nichtwiederherstellbare wiederherstellen zu wollen: nach Ostland zu reiten und den Hausschlüssel gleich mitzunehmen.

 

Diese Tendenzen sind es vor allem, die die Positionen der Vertriebenenverbände — und damit in begreiflicher, wenn auch unzutreffender Gleichsetzung — die Berechtigung ihrer ostdeutschen Forderungen vor Teilen der deutschen Öffentlichkeit erschüttert haben. Wie denn „öffentliche Meinung" auch dazu neigt, das Störende deutlicher zu sehen als das Gemäße. Wer also die Dinge gerecht zu sehen vermag, wird angesichts der großen Zahl von Menschen mit gediegener und vorurteilsfreier Osterfahrung, über die die Landsmannschaften gleichfalls verfügen, in Abwandlung eines bekannten Wortes feststellen müssen, dass, wenn es die Landsmannschaften nicht gäbe, man sie erfinden müsste.

 

Dieser Auszug ist dem „Ostbrief" — Mitteilungen der Ostdeutschen Akademie Lüneburg, Januar 1956, entnommen.

 

 

Seite 14   Turnerfamilie Danzig, Ost- und Westpreußen

Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

 

Allen im Faschingsmonat geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern besonders herzliche Wünsche für eine frohgestimmte Geburtstagsfeier und ein fröhliches, gesundes neues Lebensjahr! Ein volles Jahrzehnt vollenden

 

am 06.02.1956: Werner Struck, Tilsit (30 Jahre) und

 

am 18.02.1956: Heinz Krolitzki, Ortelsburg (30 Jahre),

 

am 06.02.1956:  Werner Einbrodt - KMTV Königsberg, (40 Jahre)

 

am 18.02.1956:  Luise Lieder – Lyck (40 Jahre) und

 

am 20.02.1956: Gerda Scherzer, Tgm. Danzig (40 Jahre),

 

am 09.02.1956: Erwin Petri, (50 Jahre) KMTV Königsberg und Fritz Willenberg - Lyck (50 Jahre) und

 

am 19.02.1956: Bruno Karasch - Lyck (50 Jahre).

 

Ein Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes findet vom 17. bis 19.08.1956 in Heilbronn statt. Die gegenteilige Mitteilung in dem Weihnachtsrundbrief 1955 ist darauf zurückzuführen, dass bei der Drucklegung des Briefes nach einer Äußerung aus berufenem Munde damals tatsächlich eine Absage von Heilbronn vorlag. Erneute Verhandlungen haben dann doch noch die Ausschreibung des Treffens möglich gemacht. Trotz unseres 14 Tage später in Espelkamp-Mittwald stattfindenden Wiedersehenstreffens rechne ich mit einer beträchtlichen Schar aus unserer Turnerfamilie beim Alterstreffen in Heilbronn. In einem für uns sicherzustellenden Standquartier hoffe ich auf einen recht besinnlichen, aber auch recht fröhlichen Heimatabend.

 

 

Für das neunte Wiedersehenstreffen in Espelkamp-Mittwald (Kreis Lübbecke/Westf.) bitte ich um unverbindliche Anforderung der über die Vorarbeiten kostenlos zum Versand kommenden Rundschreiben. Nach den bisher vorliegenden Anfragen ist mit einem erfreulich starken Besuch des Treffens zu rechnen. Die Unterbringungsmöglichkeiten, die Versammlungsräume, die Turn- und Sportanlagen, die landschaftliche Lage und die herrliche Umgebung, nicht zuletzt der örtliche Mitarbeiterstab gewährleisten eine alle Erwartungen erfüllende Durchführung.

 

Zugänge in der Kartei:

 

Ernst Sellnau (Garnsee, Kreis Marienwerder),

 

Herbert Uthke (Grunau, Kreis Marienburg/Westpreußen),

 

Otto Pallentin (KMTV Pbg.),

 

Eva Kloß (Fr. T. V. Königsberg),

 

Alfred Miethe,

 

Werner Penner, Weißenberg (Marienburg/Westpreußen),

 

Carl Draheim,

 

Karl Kunterding,

 

Max Mansfeld,

 

Karl Otto,

 

Hildegard Schmidt (Marienwerder),

 

Rudolf Klug (Lyck),

 

Willi Voß (Memel).

Onkel Wilhelm

 

 

Der Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Schütz, richtet an alle aus Ost- und Mitteldeutschland stammenden Erzieher die Bitte, sich zwecks Aufnahme in eine ostdeutsche Erzieher-Kartei bei der Ostdeutschen Forschungsstelle zu melden, die an der Pädagogischen Akademie in Dortmund gegründet wurde.

 

 

In der Vertriebenensiedlung Espelkamp in Westfalen fand eine Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft für deutsche Ostkunde statt, die in Verbindung mit dem Westfälischen Heimatbund und dessen Arbeitskreis Erziehung und Unterricht veranstaltet wurde. Die nächsten Zusammenkünfte der Bundesarbeitsgemeinschaft für deutsche Ostkunde sind vom 15. bis 18.02. in der Ostdeutschen Akademie Lüneburg und am 30. und 31. Mai in Düsseldorf vorgesehen.

 

 

Warnung vor Besuchsreisen in die Sowjetzone. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen teilt mit, dass in letzter Zeit mehrere Personen, die die Sowjetzone ohne polizeiliche Abmeldung verlassen und jetzt ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik haben, bei Verwandtenbesuchen in der Sowjetzone oder bei sonstigen Interzonenreisen von sowjetzonalen Stellen verhaftet worden sind. Es wird deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass jedem, der die Sowjetzone ohne ordnungsgemäße Anmeldung verlassen hat, aus Gründen seiner persönlichen Sicherheit dringend von einer Besuchsreise in die Sowjetzone abzuraten ist.

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Die Ortsgruppe Berlin des Königsberger Männer-Turnvereins v. 1842 hat durch den Tod am 17.01.1956 unsere Vereinsschwester Margarete Newger, geb. Zemborska im 61. Lebensjahr verloren. Mit dem Gatten Max Newger, dem sie als echte Turnerfrau in Leid und Freud ein aufrechter und treuer Lebenskamerad war, beklagt die gesamte Turnerfamilie den Verlust. Erst nachträglich sind noch eine Reihe von Todesfällen aus dem Jahre 1955 bekanntgeworden. Es starben Gustav Bentien vom Turnverein Angerapp (Darkehmen), 78 Jahre alt. Paul Krause vom Männerturnverein Tilsit, 78 Jahre alt. Walter Raxeldorf vom Königsberger Turnclub. Karl Stölk vom Zoppoter Turnverein, 67 Jahre alt. Willy Zwillus vom Männer-Turnverein Insterburg. Ihnen allen gilt unser Dank für die Treue, die sie bis zuletzt dem deutschen Turnertum und ihrer Heimat gehalten haben. Turnerfamilie Ostpreußen — Danzig — Westpreußen. Fritz Babbel. Wilhelm Alm

 

Am 18. Februar 1956 jährt sich der Tag zum zehnten Male, an dem mein geliebter guter Mann, der

Bankkassierer Walter Biallas im Krankenhaus der Barmherzigkeit, Königsberg, seine Augen für immer schloss. In treuem Gedenken Anny Biallas, geb. Koll. Früher Königsberg, Preußen, Stägemannstraße 70. Jetzt Schriesheim/Bergstr., Schauinslandweg 11

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib des Georg Juschus aus Alt-Stremehnen, Kreis Heidekrug, geboren 12.10.1896. Letzter Aufenthalt in Mülhennau bei Liebenfelde, Ostpreußen, vermisst seit Januar 1945. Nachr. erb. an A. Schloßna, (24b) Süderau b. Glückstadt.

 

Suche einen Herrn Ernst Wilde, Alter jetzt gegen 40 Jahre, Heimatanschrift unbekannt. Herr W. war Feldwebel bei der ehemaligen Wehrmacht, zul. wahrscheinlich in Nordfrankreich gewesen, evtl. Belgien, zuvor in Polen und hatte angeblich eine Schwester in Berlin. Nähere Angaben erb. Elfriede Hannak, Gelsenkirchen, Gewerkenstraße 13.

 

Gesucht wird Hans Günther, geb. 17.03.1917, von Beruf Fleischer, früher wohnhaft in Königsberg/Ostpreußen, Samlandweg 31. Panzer-Jäger 521, war bei der 6. Armee unter General Paulus als Stabsgefreiter, Fernsprecher, beim 14. Panzerkorps der 60. mot. Infanterie angeschlossen und seit dem 12.0.1943 vermisst. Seine Feldpostnummer war 25 749. Letzte Nachricht vom großen Donbogen bei Stalingrad am 07.01.1943. Welcher Kamerad kann Auskunft geben? Wie ist die jetzige Anschrift von General Paulus? Wir wohnen jetzt in Braubach/Rh., Sonnengasse 31, Hugo und Herta Günther. Wer weiß etwas über Landwirt Paul Karpa, Karwen bei Sensburg/Ostpreußen? Wer weiß etwas über Familie Carus, Marienwerder? Wer weiß etwas über Landwirtschaftslehrling Günther Czinczel?

 

Gesucht wird Frau Meta Behrendt geb. Schakat, geboren 01.12.1907 in Paguhlbinnen, Kreis Tilsit (Ostpreußen). Nachr. erbeten an Max Behrendt, Berlin-Neukölln, Flughafenstr. 62.

 

Von Bruno Knoblauch, früher Seefeld, Kreis Braunsberg, Ostpreußen, jetzt: (23) Ahlhorn, West-Oldenburg, werden gesucht: Anton Wölki, geboren 12.10.1893 aus Sonnwalde, Kreis Braunsberg, Ostpreußen. Kurt Rosengart, aus Gr.-Dexen, Kreis Preußisch-Eylau, Ostpreußen, Feldpostnummer 34817.

 

 

Seite 16   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch Immer ihre Rinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären

 

Allenburg, Kreis Wehlau, Wehlauer-Tor-Straße 168: Helmut Braunsberg, geboren 01.10.1934 in Allenburg, von seinem Bruder Richard Braunsberg, geboren 12.09.926 in Allenburg. Helmut war mit seinen Eltern, Max Braunsberg, geboren 17.02.1886 und Charlotte Braunsberg, geborene Braunschweig, geboren 02.09.1896. Die letzte Nachricht war vom April 1945 aus der Nähe von Danzig.

 

Böttchersdorf, Kreis Bartenstein: Inge Kranich, geboren 10.08.1935 in Sophienberg, von ihrer Mutter Frieda Kranich, geboren 30.04.1911 in Sophienberg.

 

Friedland, Kreis Bartenstein, Preußenstraße: Helga Tilwick, geboren 17.02.1936 und Udo Tillwick, geboren 01.04.1943, von ihrem Vater Walter Tillwick

 

Gilgenau, Kreis Osterode, Ostpreußen: Edith Grabowski, geboren 24.07.1939, von ihrem Vater Otto Grabowski, geboren 12.01.1908.

 

Königsberg, Preußen, Bismarckstraße 14, bei Familie Czesning: Eberhard Röhl, geboren 21.07.1914. Eberhard Röhl befand sich mit seiner Mutter Eva Röhl noch in Königsberg. Die Mutter verstarb 1946 im Krankenhaus der Barmherzigkeit. Eberhard soll dann Bekannten übergeben worden sein. Es besteht vielleicht die Möglichkeit, dass Angehörige einer verstorbenen Schwester Anna Böltz aus Königsberg sich des Knaben angenommen haben.

 

Königsberg, Neuer Markt 9/10: Joachim Hans Georg Liß, geboren 22.12.1940, von seinem Vater Friedrich Liß. Beim Kind befand sich die Mutter Christel Liß, geborene Windt.

 

Steckbrief mit Foto:

Name: Hoyer

Vorname: Peter

Geboren: 10.12.1942

Augen: blau

Haar: braun.

Das Kind stammt aus einem Säuglingsheim in Königsberg, Ostpreußen. Es wurde von einer NSV-Pflegerin aus Mädewald bei Tilsit 1944 nach Galsdon-Jonesiten, Kreis Heydekrug, in Pflege gegeben und sucht seine Eltern. Bild Nr. 980

 

Königsberg, Vorstädtische Langgasse 34: Heinz Kozalla, geboren 03.09.1933 in Bischofsburg, von seinen Eltern: Helene Kozalla, geborene Krogull, geb. 11.05.1906 und Bernhard Kozalla, geb. 28.12.1900. Heinz Kozalla wurde am 05.02.1945 in Zinten, Ostpreußen, von seiner Mutter getrennt.

 

Königsberg (Preußen), Zintener Str. 73: Elvira Klein, geb. 01.07.1936 in Jesau (Ostpreußen), von ihrer Mutter Marianne Klein, geb. 25.05.1913 in Königberg. Am 08.05.1945 wurde Elvira Klein in Königsberg (Preußen) von ihrer Mutter getrennt.

 

Königsberg (Preußen), Spandienen 2, Straße 1757, Haus Nummer 21: Dieter Gestigkeit, geb. 27.12.1935 in Ernstwalde, von seinem Vater Robert Gestigkeit, geb. 17.09.1904 in Essen. Dieter wird seit Juli 1947 in Nordkitten (Ostpreußen) vermisst.

 

Lauterhagen, Kreis Heilsberg: die Geschwister Helga Murawski, geb. 24.02.1940 und Günter Murawski, geb. 13.04.1941, von ihrer Mutter Helene Murawski, geb. 24.06.1912. Beide Kinder sind im März 1945 in Lauterhagen abhandengekommen. Helga Murawski war bei dem Verlust wie folgt bekleidet: rotkarierter Mantel mit gelbem Seidenfutter, dunkelblaues Wollkleid, geblümt, hohe schwarze neue Schuhe. Der Bruder Günter trug einen Anzug aus dem Stoff einer Wehrmachtsuniform, einen grauen Mantel und ebenfalls neue Schuhe. Jedes der Kinder hatte noch eine neue dicke Jacke mit einem grünen Kragen an.

 

Memel, Otto-Böttcher-Str. 20: Irmtraut Brigitte Schimkat, geb. 22.03.1933 in Königsberg (Preußen), von ihrer Mutter Grete Schimkat, geb. 26.04.1914 in Königsberg. Irmtraut Brigitte Schimkat kam im August 1944 ins Krankenhaus in Danzig.

 

Podleiken, Kreis Osterode (Ostpreußen): die Geschwister Winfried Görz, geb. 25.12.1941 in Berlin-Friedenau und Hartmut Görz, geb. 01.03.1944 in Allenstein, von ihrem Vater Werner Görz und ihrem Großvater Otto Ziemann. Die Mutter der Kinder: Else Görz, geborene Ziemann, geb. 15.10.1913, in Berlin-Lichterfelde, ist ebenfalls noch vermisst.

 

Postnicken, Kreis Samland: die Geschwister Dieter Turk, geb. 03.11.1933, Irmgard Türk, geb. 24.03.1935 und Franz Turk, geb. 17.07.1936, von ihrem Vater Ewald Turk, geb. 27.02.1911 in Postnicken.

 

Preußisch Holland, Markt 33: Johannes Stürmer, geb. 26.10.1943, von seiner Großmutter Elfriede Stürmer. Das Kind Johannes Stürmer lebte mit seiner Mutter Margarete Stürmer und der Großmutter Alma Brombach, Lehrerswitwe, in Preußisch Holland, Markt 33. Vermutlich sind dieselben 1945 nach Gotenhafen geflohen.

 

Roßlinde, Kreis Gumbinnen: Waldemar Schumacher, geb. 25.01.1939, von Lina Schumacher, geborene Harpain, geb. 07.01.1911 in Gumbinnen.

 

Tapiau, Kreis Wehlau, Bergstraße 2: bei Frau Auguste Wolff: Lothar Dehn, geb. 27.06.1936 in Berlin, von seiner Mutter Helene Dehn, geb. 22.06.1915.

 

Gut Triebel bei Bellienen, Kreis Bartenstein. Konrad Zellien, geb. 1939. Gerhard Klaudát, geb. 26.09.1935, von ihrer Mutter Frieda Zellien, geborene Klaudát. Die Kinder flohen Ende Januar 1945 mit den Großeltern Christoph Klaudát und Johanna Klaudát vom Gut Triebel. Bei dem Treck befanden sich auch eine Familie Will und eine Familie Hartwig oder Hartung. Konrad Zellien wurde Konni gerufen und hat braune Augen und goldblondes Haar. Er hat eine kleine Narbe an einer Nasenseite.

 

Waldburg, Kreis Samland: Herta Post, geb. 17.06.1936 in Kerschitten und Jürgen Post, geb. 23.08.1939 in Stein, Kreis Preußisch Holland, von ihrer Großmutter Wilhelmine Buchholz. Die Geschwister Herta Post und Jürgen Post sind im Januar 1945 aus Waldburg mit dem Treck über das Frische Haff geflüchtet und seitdem vermisst.

 

Zimmerbude, Kreis Samland: Werner Grunenberg, geb. 28.09.1943, von seinem Vater Alois Grunenberg. Bis März 1945 lebte der Junge mit seiner Mutter Erna Grunenberg, geborene Kohlhaw, geb. 17.10.1918 zusammen. Nach dem Tode der Mutter nahm eine Frau aus Zimmerbude, deren Namen nicht bekannt ist, das Kind Werner Grunenberg mit auf die Flucht.

 

 

Seite 16   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen. Nachrichten an die Auskunftsstelle für Wehrmachtvermisste, München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Gesucht werden aus:

 

Vermutlich aus Allenstein: die Angehörige, von Vorname unbekannt Schneidereit, zuletzt bei der 121. Inf.-Division, A 5996

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Paul Pflantz, geb. etwa 1926/1927, ledig, Gefreiter oder Unteroffizier, B 5253

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Werner Romba, geb. in Ostpreußen, ledig, SS-Sturmmann bei der 1. SS-Panzer-Division 12 Hitlerjugend, Feldpostnummer 58497 B, B 5320

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Roßlahn, geb. etwa 1926/1927, ledig, Gefreiter oder Unteroffizier, B 5323

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Schlegel, geb. etwa 1926/1927, ledig, Gefreiter oder Unteroffizier. B 5663

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Vannselow, geb. etwa 1926/1927 in Ostpreußen, ledig, Obergefreiter oder Unteroffizier, A 5760

 

 

Seite 16   Zwillinge vor dem Gesetz nicht gleich. Das traurige Nachspiel des frohen Wiedersehens der „Doppelten Lottchen" von Rönne.

Lüneburg. Als sich vor fast zwei Jahren in dem Dörfchen Rönne vor den Toren Hamburgs zwei kleine Mädchen wortlos vor Glück in den Armen lagen, glaubte jeder, dass die nicht alltägliche Geschichte der Zwillinge Rosemarie Sausmikat und Christa Sausmikat mit einem Happy-end ausgehen würde, wie Erich Kästners Film von den „Doppelten Lottchen“. Aber im Bundesvertriebenengesetz ist die Möglichkeit dafür nicht vorgesehen.

 

Dieser echte Film vom „Doppelten Lottchen" begann schon 1942. Und das Leben selbst führte Regie. Als damals die Eltern Sausmikat im ostpreußischen Insterburg kurz nacheinander umkamen und ihr Zwillingspaar bei guten Leuten in Pflege gegeben werden musste, waren Rosemarie und Christa sechs Wochen alt. Die große Flucht trennte sie. Endgültig, so schien es.

 

Erst als 1947 beide Mädchen zur Schule kamen, erfuhren sie bei der Anmeldung, dass jede noch irgendwo eine Zwillingsschwester haben müsse. Aber aus Christa war inzwischen in Weimar ein „ostzonales" Lottchen geworden, Schwester Rosemarie jedoch im westzonalen Rönne. Es dauerte noch weitere fünf Jahre, bis in Rönne der erste Brief aus Weimar in steiler Kinderhandschrift Glückstränen auslöste. Die Liebe der Zwillinge, die einander noch nie bewusst gesehen hatten, überwand den Eisernen Vorhang und alle bürokratischen Hürden.

 

Seit Januar 1954 leben sie zusammen in Rönne. Aber in zwei verschiedenen Familien. Rosemarie wie immer schon im Hause eines gutsituierten Handwerkers, Christa bei ihrer Pflegemutti, die sie aus Weimar mitgebracht hatte. Sie spielen zusammen, sitzen zusammen auf der Schulbank und halten zusammen wie Kästners „Doppelte Lottchen".

 

So weit ging alles glatt wie im Film. Doch die befriedigende Schlusspointe - ist ausgeblieben. Das Bundesvertriebenengesetz ist schuld. Und besonders der Stichtag: 31. Dezember 1952. Rosemarie kam vor dieser Zeit nach Westen, sie ist infolgedessen auch amtlich anerkannte „Heimatvertriebene". Christa dagegen kam später, und da sie nicht nach den Vorschriften des Gesetzes durch eine „Zwangslage" von Ost nach West kam, gilt sie nicht als Vertriebene. Die im Gesetz vorgesehene Ausnahme „Familienzusammenführung“ trifft nicht zu, da die Pflegeeltern der Waisen nicht verwandt sind.

 

Für den Fall, dass die große Liebe der Zwillingsschwestern Rosemarie und Christa den Eisernen Vorhang durchbricht, dafür ist im Bundesvertriebenengesetz kein Paragraph vorgesehen. So kommt es, dass Vater Staat Rosemarie die Vergünstigungen für Heimatvertriebene zahlt, während Christa mit ihrer Pflegemutter auf die karge Wohlfahrtunterstützung angewiesen ist. Am gleichen Tage von der gleichen Mutter in Ostpreußen geboren, durch blinden Zufall ohne eigene Schuld voneinander getrennt, sich ähnelnd wie ein Ei dem anderen, werden die „Doppelten Lottchen“ von Rönne heute doch mit zweierlei Maß gemessen. Nicht nur am Stullenpaket in der Schulpause und an der Kleidung ist abzulesen: Kein Schicksalsfaden ist so glücklich geknüpft, dass er nicht durch einen Paragraphen wieder zu einem unentwirrbaren Knäuel werden könnte.

 

 

Seite 16   „Warum helfen die Landsmannschaften nicht den deutschen Saarparteien?

Der „Ostdeutsche Heimatbote", Bielefeld, Nr. 1/1956, veröffentlichte unter der obigen Überschrift einen Artikel, in dem versucht wird, den Nachweis zu erbringen, die Landsmannschaften wären zur Abtretung eines Teiles deutschen Gebietes bereit gewesen. Das Blatt glaubt dann folgendes feststellen zu müssen:

 

1. Die deutschen Parteien an der Saar konnten sich nicht auf die Zustimmung und Hilfestellung der Landsmannschaften der Heimatvertriebenen verlassen.

 

2. Die Sprecher der Landsmannschaften haben durch parteitaktisches Verhalten das Heimatrecht der Saardeutschen missachtet.

 

3. Die Sprecher der Landsmannschaften haben einen Kompromiss mit dem Heimatrecht geschlossen und waren zur Abtretung eines Teiles deutschen Gebietes bereit. Deshalb können sich die Sprecher der Landsmannschaften heute kaum noch als die wahren Sprecher zum Heimatrecht der Deutschen an der Saar und damit aller Deutschen hinstellen“. Nach der Saarabstimmung benötigte dieses Blatt drei Monate Zeit, um die Landsmannschaften vermeintlich zu verunglimpfen, sich selbst aber stolz zu bescheinigen: „Gegen das inzwischen abgelehnte Saarstatut haben geschlossen die Sozialdemokraten im Bundestag gestimmt“. Dieses Eigenlob beweist jedoch nur, dass der Schreiber des Artikels heute noch nicht erkannt hat, dass nur auf der Basis des Saarstatuts, das Frankreich bekanntlich mit den Pariser Verträgen gekoppelt hatte, die Saarabstimmung überhaupt erst ermöglicht wurde. Hätte sich im Bundestag keine Mehrheit gefunden, dann wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch heute im Saargebiet die alten Verhältnisse mit Hoffmann an der Spitze. Der jetzige Ministerpräsident heißt aber Dr. Hubert Ney, der in seiner Regierungserklärung betonte, dass die Saar zu Gesamtdeutschland zurücktreten werde, das zur Zeit durch die Bundesrepublik repräsentiert werde. Die Landsmannschaften aber sind gegen alle Vorwürfe, das Heimatrecht zu verletzen, immun.

 

Bundestag zweimal in Berlin.

 

Der amtierende Regierende Bürgermeister Franz Amrehn teilte mit, dass der Bundestag künftig zweimal im Jahr in Berlin tagen wird. Die Sitzungen sollen jeweils Mitte April und Ende September stattfinden, da zu dieser Zeit der als Tagungsstätte vorgesehene große Physiksaal der Technischen Universität frei ist. In diesem Saal hatte auch die erste Berliner Plenarsitzung des Bundestages im Oktober 1955 stattgefunden.

 

 

Seite 16   Modellausstellung ostdeutscher Bauwerke.

Der große Saal der Goslarer Kaiserpfalz ist um eine Modellausstellung repräsentativer ostdeutscher Bauwerke bereichert worden, die vor Jahren für eine Wanderausstellung „Unvergessene deutsche Heimat im Osten" geschaffen worden war. Die Modelle zeigen die Burg Tie?nau bei Marienwerder, die Marienburg, ein Kapitel der Marienburg mit Schild, Speer, Schwert und Lanzen, die Hanse-Kogge „Adler von Lübeck", die Danziger Marienkirche, das Breslauer Rathaus und den Schrein der Heiligen Cordula in Demmin (Pommem).

 

 

Seite 16   Staatl. Hufenoberlyzeum Königsberg.

Oberstudiendirektor Walsdorff hat für die ehemaligen Schülerinnen des Staatl. Hufenoberlyzeums die Geschichte der alten Schule geschrieben. Diese Schulgeschichte kann mit 10 Bildern bei Oberschullehrerin H. Schmidt, 21b, Soest (Westf.), Wilhelm-Morgner-Weg 16, bestellt werden. Die Schulgeschichte kostet 5,50 DM. Bilder 2 DM, mit Nachnahme und Auslagen zusammen 8,80 DM.

 

Berchtesgaden

Die Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern in Berchtesgaden führte am 15. Januar ihre Jahreshauptversammlung durch, die sich eines sehr starken Besuches erfreute. Die Reihe der Berichte der einzelnen Vorstandsmitglieder eröffnete der Vorsitzende mit einem ausführlichen Referat über die Situation Deutschlands zu Beginn des neuen Jahres. Das Jahr 1955 habe keinen Fortschritt sondern nur eine Versteifung bestehender Zustände gebracht. Die Abstimmung im Saargebiet und die Rückführung der Gefangenen aus Russland seien die einzigen Lichtblicke auf außenpolitischem Gebiet. Auf innenpolitischem Gebiet werde das Jahr 1956 gleich zu Beginn die Gemeinderatswahlen bringen. Es wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass nicht die Vertreter von Gruppen- und Vereinsinteressen geschickt werden, sondern wirklich solche Männer und Frauen, die das Gemeinwohl höher als engstirnige Sonderinteressen zu schätzen wissen.

 

Der Bericht der Schriftführerin Hildegard Loeffel gab das Bild einer eifrigen und vielseitigen vielseitigen Tätigkeit von Vorstandschaft und Vereinigung, der des Kassenwarts Vogel dasjenige einer guten Geschäftsführung. Auf Antrag des Kassenprüfers H. Oberinspektor Stender wurde dem Kassierer Entlastung erteilt. Bei der Vorstandswahl wurde der Vorsitzende H. Hepke einstimmig wiedergewählt. Ferner brachte die Wahl der Vorstandschaft folgende Ergebnisse: Stellvertreter: H. Wolff, Kassierer: H. Sturmhoefel, stellv. Kassierer: H. Tümmler, Schriftführerin: Fräulein Loeffel, Kulturwart: Fräulein Neiss, Jugendwart: Frau Hinterbrandner, als Beisitzer: H. Leppert und H. Stender (gleichzeitig Kassenprüfer). Beschlossen wurde, die nächste Zusammenkunft am 12. Februar in Form eines Kappenfestes durchzuführen. Einladungen für die Faschingsveranstaltungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft in den Bahnhofsgaststätten und der Schlesier im Hotel „Vier Jahreszeiten" wurden bekanntgegeben. Der Verlauf der Sitzung war ein Beweis für den guten Kameradschaftsgeist, der in der Vereinigung herrscht.

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