Ostpreußen-Warte, Folge 01 vom Januar 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 01 vom Januar 1956

 

Seite 1   Keine Pause in der Wiedervereinigungspolitik. Vom Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser.

Wir beginnen an dieser Jahreswende das zweite Jahrzehnt der deutschen Teilung. Es kann an diesem Zeitpunkt keinen Deutschen geben, der seine Gedanken nicht wenigstens einen Augenblick zurückwendet auf das, was hinter uns liegt: Nach Not und Kummer sondergleichen ein rascher Wiederaufstieg in einem Teile unseres Landes. In Westdeutschland. Ein Aufstieg allerdings, von dem sicherlich nicht alle Stände und Schichten in gleicher Weise betroffen sind. Weite Kreise von Heimatvertriebenen, von Flüchtlingen und Kriegsgeschädigten, von Heimkehrern und Rentnern haben noch immer ein Stück harter Not zu tragen. Aber auch sie atmen zumindest in Freiheit und ohne Furcht für Leib und Leben.

 

Nach dem Aufbau der Bundesrepublik hat Westdeutschland in den letzten Jahren durch die Mühe, Arbeit und Disziplin seiner Menschen einen erheblichen Teil der Not zu überwinden vermocht. Man braucht nur durch die erleuchteten Straßen unserer Städte und Dörfer zu gehen, um das Ausmaß dessen, was erreicht wurde, zu erkennen.

 

Aber durch diese Straßen gehen auch tagtäglich Männer, Frauen und Jugendliche, denen das Dasein in Mitteldeutschland unerträglich wurde. Diese Flüchtlinge sind die Künder dessen, was heute noch im anderen Teile Deutschlands geschieht. Und wer durch die Säulen des Brandenburger Tors ins östliche Berlin schaut, oder wer am Schlagbaum in Helmstedt steht, oder wer von der Feste Coburg auf den Thüringer Wald schaut — dem wird bewusst —, wie tief das Dunkel eines fremden Systems in das Herz von Deutschland hineinreicht.

 

Für Mitteldeutschland ist nicht nur kein Aufstieg zu verzeichnen, über seinen 17 Millionen liegt auch nach wie vor die Unfreiheit. Seelische und materielle Not ist immer noch ihr Schicksal. Es kann keinen Deutschen geben, der sich dieser Tatsache — gerade an dieser Jahreswende — am Beginn des zweiten Nachkriegsjahrzehnts — nicht bewusst würde. Es kann keinen Deutschen geben, der das neue Jahrzehnt nicht mit einem wachen Gewissen beginnt.

 

 Im Jahr 1955, das nun zu Ende ging, ist zweimal der Versuch gemacht worden, der deutschen Frage auf den Leib zu rücken. Zweimal haben die vier Mächte an den Ufern des Genfer Sees nach echter Entspannung in der Welt gesucht. Sie haben nach der Lösung der deutschen Frage gesucht, die — solange ihre Lösung nicht erfolgt ist — jeder wirklichen Entspannung entgegensteht. Gewiss ist trotz allem, was an Gegensätzen zwischen den großen Mächten erneut hervorgetreten ist, die Gefahr des Krieges in den Hintergrund getreten. Das scheint uns immerhin ein bemerkenswertes Ergebnis der Politik dieses Jahres zu sein. Denn niemand würde von einem erneuten Krieg härter betroffen als Deutschland.

 

Aber die Lösung der deutschen Frage ist uns auch dieses Jahr schuldig geblieben. Mehr noch als das. Es sieht aus, als würde nach den vergeblichen Konferenzgesprächen nunmehr eine Pause in den Verhandlungen um Deutschland eintreten. Wir wissen, wieviel Niedergeschlagenheit sich der 17 Millionen gerade an dieser Jahreswende bemächtigt hat. Wir wissen, was es für sie bedeutet, dass das fremde System, das ihnen auferlegt wurde, glaubt, neue Trümpfe ausspielen zu können. Denn die Vertreter des Systems fühlen sich offensichtlich gestärkt durch die Härte der Erklärungen, mit denen die Sowjetunion ihre ablehnende Haltung gegenüber einer baldigen Selbstbestimmung unseres Volkes kundtat.

 

Suchen wir allen, die zu weihnachtlicher Besinnung oder zur Jahreswende aus der Zone zu uns herüberkommen, denen wir in Berlin oder in der Zone selbst begegnen, diese Niedergeschlagenheit zu nehmen. Jeder einzelne aus der Zone muss bei seinen Begegnungen mit uns erkennen, dass es keinen Deutschen gibt, der sich nicht der Unnatur unseres geteilten Vaterlandes bewusst ist. Jeder einzelne muss die Gewissheit mit nach Mitteldeutschland zurücknehmen, dass kein Deutscher bereit ist, das System anzuerkennen, das 17 Millionen fernhält von der Gemeinschaft eines freien deutschen Staates. Jeder einzelne muss erkennen, dass wir uns weder durch Suggestion noch durch Infiltration zur Anerkennung sogenannter „sozialer Errungenschaften" bekehren lassen, die sich vor einer freien Willensäußerung der 17 Millionen in Schall und Rauch auflösen würden.

 

Und was hat es denn mit der Konferenzpause auf sich, die nach Genf offensichtlich zunächst erst einmal eingetreten ist? Nun, Konferenzen und öffentliche Reden sind wahrhaftig nicht der einzige Weg, umso schwieriger Probleme — wie es die deutsche Frage ist — Herr zu werden. Es gibt schließlich eine Diplomatie, die klären, erläutern und vorbereiten kann.

 

Dieser Weg der Diplomatie ist der deutschen Politik in Verbindung mit der freien Welt für die Pause bis zur nächsten Deutschlandkonferenz vorgeschrieben. Bei Licht besehen gibt es also keine Pause in der Wiedervereinigungspolitik. Im Gegenteil: Die deutsche Politik kann nur ein pausenloses Bemühen um die Wiedervereinigung unseres Landes sein. Konferenzpausen können für uns Deutsche nichts anderes bedeuten, als eine Fortsetzung der Wiedervereinigungspolitik mit andern friedlichen Mitteln.

 

Zu den friedlichen Mitteln gehört aber nicht nur das Gespräch der Politiker und der Diplomaten. Es gibt vor allem auch die Haltung und die Stimme des Volkes. Zweimal in der Politik dieses Jahres ist die Zähigkeit und Zielstrebigkeit eines Volkes bzw. eines Volksteils mit Erfolg gekrönt worden. Österreich hat seine Unabhängigkeit und Freiheit wiedergewonnen, um die es sich mit vereinten Kräften bemüht hat; nach zehn Jahren vergeblicher Mühen stand Österreich fast von heute auf morgen vor der Wende seines Schicksals.

 

Ebenso hat der zähe Wille der deutschen Bevölkerung an der Saar bewirkt, dass sich die Situation vollkommen änderte. Jahrelang war kein Weg zu sehen, wie sich Freiheit und echte Demokratie an der Saar durchsetzen könnten. Es war die aufrechte und entschiedene Haltung der friedliebenden Deutschen an der Saar, die schließlich den Weg zur Wende eröffnet hat.

 

Wir können und wir wollen den 17 Millionen in der Zone an der Schwelle des beginnenden zweiten Jahrzehntes ihres Wartens weniger denn je billige Worte der Vertröstung sagen. Aber wir dürfen sie auf diese Tatsachen der politischen Entwicklung hinweisen, die für uns alle ermutigend sind. Vorausgesetzt, dass wir im Willem zur Wiedervereinigung nicht müde werden. Auf jeden einzelnen Deutschen kommt es an, zäh und entschlossen unsere Forderung auf Selbstbestimmung des gesamten deutschen Volkes wachzuhalten und zu verfechten. Die Bevölkerung der Zone muss immer wieder die Gewissheit erhalten, dass das geschieht. Sie braucht diese Gewissheit — damit sie die Niedergeschlagenheit überwindet, mit der die Fehlschläge der hinter uns liegenden Jahre sie erfüllt haben. Neue Zuversicht soll und muss sie an der Wende zum zweiten Nachkriegsjahrzehnt erfüllen.

 

 

Seite 1   Skeptische Betrachtung zur Jahreswende.

„Das Erreichte sollte uns trotz seiner Größe nicht beruhigen; vielmehr muss uns der noch lange nicht geheilte soziale Massenabstieg der Vertriebenen, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigten, Evakuierten und Spätheimkehrer mit Sorge erfüllen und zu neuen Anstrengungen treiben“. Dieser Satz steht in der Einleitung zu dem erschienenen Jahresbericht 1955 des Bundesvertriebenenministeriums von Bundesminister Prof. Dr. Oberländer.

 

Die Zahlen zeigen, dass manch optimistisch gefärbter Erfolgsbericht den Tatsachen nicht völlig gerecht wird. Die Zahl der Vertriebenen hat, sich bis Anfang Oktober 1955 auf rund 8,7 Millionen und die der Sowjetzonenflüchtlinge auf 2,53 Millionen erhöht, so dass zum theoretischen Betreuungsbereich des Vertriebenenministeriums außer kleineren Gruppen von heimatlosen Ausländern, Spätheimkehrern usw. demnach rund 11,2 Millionen Menschen gehören. Heimatlose Ausländer gibt es zurzeit 224328, wovon über 29 000 noch in Lagern leben.

 

Im Januar betrug der Anteil der heimatvertriebenen männlichen Arbeitslosen an der Gesamtzahl der männlichen Arbeitslosen 26,8 v. H.; von da an hat sich dieses Verhältnis, wenn auch langsam, so doch immerhin bis auf 27,1 v. H. im Oktober verschlechtert, so dass die Arbeitslosenzahl unter den Heimatvertriebenen mit 1,5 v. H. beinahe doppelt so hoch war wie die der einheimischen Arbeitslosen, bezogen auf die Gesamtzahl der Einheimischen, wo sie bei nur 0,8 v. H. lag. Noch viel ungünstiger wird das Bild, wenn man die Flüchtlingsländer Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein herausschält und die Arbeitslosenziffern der Vertriebenen denen der Einheimischen gegenüberstellt. Hier nämlich sind bereits 32,4 v. H. aller Arbeitslosen Heimatvertriebene, und bei den Männern allein beträgt dieser Anteil sogar 35,2 v. H.

 

Dass die Eingliederung noch lange nicht abgeschlossen ist und auch weiterhin erhebliche Anstrengungen notwendig sein werden, um ein Gleichziehen der sozialen und beruflichen Verhältnisse zwischen den zugewanderten Vertriebenen und der bodenständigen Bevölkerung zu erreichen, zeigen auch die Zahlen der wirtschaftlich selbständigen Schichten.

 

In der Heimat waren rund 35 v. H. der in der Bundesrepublik wohnenden Vertriebenen selbständige Unternehmer oder mithelfende Familienmitglieder: hier, in der Bundesrepublik, sind es nur noch sieben v. H. Dazu kommt, dass von diesen noch rund ein Viertel fremdberuflich und ein noch wesentlich höherer Prozentsatz in Berufsgruppen mit niedrigsten Löhnen eingesetzt ist. Hier bietet sich noch ein Feld für intensive und individuelle Umsiedlungsplanung, wie sie das zuständige Referat des Bundesvertriebenenministeriums wohl auch durchführen möchte, wenn es auf eine entsprechende Mithilfe der Länder rechnen könnte.

 

Statt der bis Ende 1955 zu erreichenden Gesamtsumme von 915 000 Umsiedlungen waren bis Oktober nur 781 000 durchgeführt.

 

 

Seite 1   Botschafter a. D. von Dirksen gestorben.

Nach langer, schwerer Krankheit verstarb in einer Münchener Klinik Botschafter a. D. Dr. Herbert von Dirksen. Der Verstorbene, der einer seit Ende des 17. Jahrhunderts in Danzig ansässigen Familie holländischer Herkunft entstammte, wurde 1882 in Berlin geboren. Nach dem Studium der Rechte in Heidelberg und Berlin sowie nach langjähriger Tätigkeit in der preußischen Verwaltung trat er 1917 in den diplomatischen Dienst über, in dem er sich insbesondere ostpolitischen Aufgaben widmete. Er war u. a. Geschäftsträger in Warschau (1920), Generalkonsul in Danzig (1923) und Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amts (1925). Im November 1928 wurde er zum Deutschen Botschafter in Moskau ernannt, wo er bis 1933 tätig war. Anschließend übernahm er die Leitung der Botschaft in Tokio. In den letzten Jahren vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges war er Deutscher Botschafter in London. Über seine Tätigkeit im diplomatischen Dienst legte er 1950 ein Buch: „Moskau-Tokio-London" (Englische Ausgabe 1951, amerikanische Ausgabe 1952) vor. Seit Ausbruch des Krieges lebte er als Privatmann auf seiner schlesischen Besitzung Gröditzburg. — Nach der Vertreibung aus seiner schlesischen Heimat trat Dr. von Dirksen in zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen für das Recht auf die deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße ein und leitete eine Zeitlang einen heimatpolitischen Arbeitsausschuss.

 

 

Seite 1   Haben wir keine Geschichte?

Vor uns liegt eine Buchliste, die von den „Vereinigten Jugendschriften-Ausschüssen" zum letzten Weihnachtsfest herausgebracht worden ist. Wie notwendig und verdienstvoll eine solche Liste bei der Hilflosigkeit vieler Eltern gegenüber dem Lesebedürfnis ihrer Kinder ist, wissen alle Jugenderzieher! Man braucht darüber nicht viel Worte zu verlieren, so wenig wie über die Tatsache, dass unter 600 Buchtiteln sich natürlich einige befinden, die man selber nicht gewählt hätte, während man einige andere vermisst. Nun, das wird immer so sein. Worüber man aber reden muss, ja sogar sehr laut und deutlich reden muss, das ist jener Abschnitt in der Liste, der die Überschrift trägt: „Aus der Geschichte".

 

Genau 15 — in Worten: fünfzehn — Titel sind unter dieser Überschrift aufgeführt. Das sind wenig genug; dies wenige schmilzt aber noch weiter zusammen, wenn wir uns den Inhalt der Bücher näher ansehen.

 

Drei Bücher erzählen von Feuerjägern, Erzbauern und Wildpferden in fernen vorgeschichtlichen Zeiten. In sechs Büchern wird von der Entdeckung und Besiedlung Amerikas berichtet. Ein Buch führt ins alte Rom zur Zeit der Grachen, ein zweites ins Heilige Land während der Kreuzzüge, ein Drittel auf die Burg Dürenstein, wo Richard Löwenherz gefangen gehalten wird. Deutsche Geschichte wird nur in den drei restlichen Büchern behandelt, wobei wir das Buch von Annedore Leber: „Das Gewissen steht auf" für jugendliche Leser, die nicht mehr von der Geschichte des eigenen Volkes wissen, doch ziemlich problematisch halten.

 

Von 15 Büchern — drei Bücher! 1000 Jahre Größe und Herrlichkeit, 1000 Jahre Schuld, Not, Mühsal, Leid, Tragik, wie weniger Völker sie erlebt haben — unsere Jungen und Mädchen hören und lesen nichts davon, es sei denn in einigen Unterrichtsstunden, die nur selten Phantasie und Miterleben zu wecken vermögen. Das ist, wir sprechen es grob und unumwunden aus, eine Schande!

 

Vielleicht wendet man ein, dass es nicht genug gute und den geänderten Verhältnissen und Anschauungen angepasste Bücher gäbe. Nun, es zeugt von keinem sehr gefestigten Geschichtsbewusstsein, wenn dessen Zeugnisse alle zwölf Jahre umgeschrieben werden müssen. Im Übrigen machen wir uns anheischig, in kürzester Zeit eine ansehnliche Liste geschichtlicher Erzählungen zusammenzustellen, die vor jedem Gleichschaltungstribunal bestehen könnte. Oder sind Wilhelm Raabe, Gustav Freitag, Willibald Alexis, Achim von Arnim, Felix Dahn, Conrad Ferdinand Meyer, Agnes Miegel, Paul Ernst, Wilhelm Schäfer, Hans Franck, Heinrich Zillich, Grimmelshausen, Karl Springenschmid auch schon irgendwelchen Gesinnungsschnüfflern verdächtig?

 

Freilich zu den Neusten gehören die meisten der genannten Autoren nicht. Wo es aber daran fehlt, sollte man getrost nach bewährten älteren Werken greifen. Auch sind wir überzeugt, dass ein Aufruf der „Vereinigten Jugendschriften-Ausschüsse" an Verleger und Schriftsteller: „Gebt uns für unsere Jugend gute geschichtliche Erzählungen!" nicht ohne Erfolg bleiben würde.

 

Die Angelegenheit ist wichtig genug. Eine Jugend, die im geschichtslosen Raume heranwächst, wird sich, zum politischen Handeln berufen, unfähig erweisen, diesen Raum auszufüllen. Wer heute aus vertrackten parteipolitischen Komplexen und Verkrampfungen von Otto dem Großen, von der Ostkolonisation, von der Hanse Herrschaft und der preußischen Leistung, von tapferen Soldaten und fleißigen Bürgern nicht reden will, wird morgen gezwungen werden, den Ruhm Peters des Großen, Alexander Newski's oder der russischen Sibirieneroberer auf offenem Markte zu verkünden. Auch werden junge Menschen, die man in einem von Bildern und Vorbildern leerem Raum geistig verkümmern lässt oder vor deren Augen man gar die Bilder und Vorbilder zertrümmert, sich niemals wieder für eine Sache bis zur Selbstaufopferung begeistern können. Ein Volk ohne Geschichtsbewusstsein versinkt im Fellachentum, das, wie einst Graeculi, von stärkeren, geschichtsträchtigen Völkern als Reservoir für Spezialisten, Schulmeister und Hofnarren gebraucht wird. Dr. A. K.

 

 

Seite 2   Heimgekehrt!

Mit einem der letzten Heimkehrertransporte traf in Friedland auch der Generalvikariatsrat von Ermland Parschau ein.

 

 

Seite 2   Zum 80. Geburtstag des Bundeskanzlers

Vor zehn Jahren hatte sich kaum jemand vorstellen können, dass einem deutschen Kanzler so viele menschliche und politische Würdigungen und Anerkennungen an seinem Ehrentage zuteilwerden, wie es beim 80. Geburtstage Konrad Adenauers der Fall war. Man hat Konrad Adenauer oft mit Churchill, Bismarck und dem Freiherrn vom Stein verglichen. Wenn solche Vergleiche auch immer hinken, eines ist diesen Namen zweifellos gemeinsam: Das große Verdienst um ihr Vaterland. Auch die Gegner Dr. Adenauers müssen zugeben, dass dieser Staatsmann sich um das deutsche Vaterland unendlich verdient gemacht hat. Die Aufnahme des freien Deutschland in die Gemeinschalt der freien Völker und der schnelle wirtschaftliche Wiederaufstieg der Bundesrepublik, nicht zuletzt aber das Vertrauen, das Deutschland heute in der westlichen Welt wieder besitzt, sind mit dem Namen Konrad Adenauers untrennbar verknüpft. Selten ist es einem Staatsmann gelungen, sich bei Freund und Feind so viel Achtung und Autorität zu verschaffen. Die Liste der Verdienste Dr. Adenauers ist sehr lang, und es ist unmöglich, sie an dieser Stelle aufzuzählen.

 

Möge es dem 80-jährigen Staatsmann, der in der Vergangenheit mit so unendlich viel Fleiß, Geschick und Klugheit das deutsche Staatsschiff gelenkt hat, vergönnt sein, das Ruder noch lange in der Hand zu behalten. Möge ihm auch noch die Krönung seiner staatsmännischen Tätigkeit, die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und die endgültige Lösung des Vertriebenenproblems zuteilwerden.

 

 

Empfang beim Bundeskanzler.

Die Landsmannschaft Schlesien überreichte anlässlich seines Geburtstages dem Bundeskanzler durch zwei Trachtengruppen unter Führung ihres Sprechers, Minister Schellhaus, eine Kristallschale aus der Josephinenhütte mit dem eingeschnittenen schlesischen Adler sowie eine Decke der Schönwälder Seidenstickerei. Der Sprecher der Landsmannschaft Schlesien wünschte dem Kanzler Gottes Segen und die Kraft, weiter zum Heile des deutschen Volkes zu wirken.

 

Der Vorsitzende des Verbandes der Landsmannschaften, Dr. Baron ManteutfeI, fasste seine Wünsche dahingehend zusammen, dass Gott uns den Kanzler mit seiner Geduld und Zähigkeit noch lange erhalten möge. Die gleiche Geduld und Zähigkeit wollen auch wir Vertriebenen zur Erreichung des gemeinsamen Zieles beweisen. Im gleichen Sinne sprach der Vorsitzende der Vereinigten Landsmannschaften der Sowjetzone, Reichsminister a. D. von Keudell.

 

In seiner Erwiderung sagte der Kanzler, dass wir Geduld und Zähigkeit aufbringen müssten und wies dabei auf das französische Volk hin, das jahrzehntelang die Hoffnung und den Willen auf die Rückgewinnung von Elsaß-Lothringen nicht aufgegeben habe. Er richtete dann Fragen an die Trachtengruppe, die sein lebhaftes Interesse für das Vertriebenenschicksal zum Ausdruck brachten.

 

 

Seite 2   Sowjetische Militärs werden entpolonisiert.

Frühjahr 1955 bereits begann eine Aktion, in deren Rahmen die bei den polnischen Streitkräften stationierten russischen Offiziere nach der Sowjetunion zur weiteren Ausbildung und zur „Entpolonisierung" zurückberufen werden. Kürzlich sind die ersten von ihnen, etwa 30 Generale und Obersten, wieder zurückgekehrt. Das Stockholmer Blatt „Svenska Dagbladet“ berichtet hierüber:

 

„Insgesamt sind heute etwa 7000 bis 8000 russische Offiziere bei den polnischen Streitkräften stationiert. Dies heißt mit anderen Worten, dass die russischen Offiziere ein Drittel aller Offiziere im polnischen Heer ausmachen. An der Spitze der militärischen Führung sind zwischen 300 und 350 Russen eingesetzt.

 

Den Befehl zur Reise in die Sowjetunion erhielt jeder der Offiziere im Frühling einzeln zugeschickt. Das ganze geschah in einer Form, dass der Betreffende zu der Annahme kommen musste, der Befehl gelte ihm ganz allein. Man bezweckte mit dieser Maßnahme, einer eventuellen Panik vorzubeugen, ihre Familien mit nach Hause zu nehmen. Dagegen werden Junggesellen fast nie von Russland nach Polen versetzt. Russische Offiziere, die zu viel Umgang mit Polen haben und die zu oft in Damengesellschaft gesehen werden, schickt man oft kurzerhand in die Sowjetunion zurück.

 

Im Allgemeinen dauerte der Aufenthalt in der Sowjetunion für die Zurückbeorderten fünf bis sechs Monate. Während dieser Zeit erhielten sie Kommandostellen innerhalb der sowjetrussischen Streitkräfte, die ungefähr ihrem früheren Posten in Polen entsprachen. Ehe sie diese Posten antraten, bekamen sie eine allgemeine Orientierung über die Veränderung, die in der Zeit ihrer Abwesenheit von der russischen Wehrmacht geplant war bzw. schon durchgeführt wurde.

 

Diese Veränderungen scheinen nun so auszusehen, dass die Streitkräfte bereits im Jahre 1957 auf Kriegsstärke sein werden. Auch der Mobilisierungsplan wurde in diesem Zusammenhang abgeändert. An Stelle der drei Stufen, nämlich der Mobilisierung, dem Abmarsch zum Konzentrationsgebiet und dem Ausrücken ins Feld, übergeht man jetzt das zweite Stadium völlig. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass die Streitkräfte schon in Friedenszeiten nach kriegsmäßigen Verbänden aufgestellt sind. Auch Armeegruppen, Armeen und Armeekorps sollen sofort nach der durchgeführten Mobilisation bereit sein, ins Feld abzurücken. Diese Umorganisation ist in der Sowjetunion selbst schon beinahe völlig durchgeführt. Nun soll sie auch in Polen genauso wie in den Armeen der anderen Satellitenstaaten vorbereitet werden.

 

Allerdings ist diese Zusatzausbildung nicht der alleinige Zweck, zu dem die sowjetrussischen Militärs von Polen nach der Sowjetunion zurückgerufen werden. Diese Maßnahme gilt auch der schnelleren Entpolonisierung. Ist die Polonisierung zu tief gegangen, dürfte der Befehl zur ständigen Rücksiedlung nach der Sowjetunion wie eine kalte Dusche wirken. Es werden deshalb auch nicht alle Offiziere auf ihre früheren Posten bei den polnischen Streitkräften zurückkehren. Einer der zurückgekommenen Polen, General Rodkiewicz, spricht nach seinem Russlandaufenthalt nicht mehr polnisch und kennt auch seine bisherigen Freunde in Polen kaum mehr“.

 

 

Seite 2   Koordinierung der Kulturarbeit im Werden.

Die Entwicklung der Vertriebenen-Kulturarbeit hat in den letzten Jahren unter anderem die vier regionalen Kulturwerke entstehen lassen: das Nordostdeutsche Kulturwerk mit dem Sitz in Lüneburg, das Kulturwerk Schlesien in Neumarkt (Oberpfalz), den Adalbert-Stifter-Verein für den sudetendeutschen Bereich und das Südostdeutsche Kulturwerk; die letzten beiden mit dem Sitz in München.

 

Die Kulturwerke sind unabhängig voneinander entstanden und in Aufbau und Arbeitsweise recht verschieden. Sie gleichen sich aber in ihrer Aufgabe, jedes für sich ein kulturelles Zentrum für die Vertriebenen aus je einem der vier großen Räume zu sein, deren Angehörige — unbeschadet landsmannschaftlicher Differenziertheit — ihre besondere stammesmäßige und geistesgeschichtliche Prägung haben. Diese Vierteilung entspricht der bekannten Einteilung der Landsmannschaften in vier Gruppen innerhalb des VdL, ohne dass diese Parallelität absichtlich herbeigeführt worden wäre: ein richtiges Gefühl für innere Zusammengehörigkeit hat hier wie dort die gleiche Gruppierung herbeigeführt. Und dieser lebendige Sinn hüben und drüben für Heimatgebundenheit und organisch Gewachsenes macht es verständlich, dass zum Teil dieselben Personen in den Führungsgremien der Landsmannschaften und der Kulturwerke anzutreffen sind.

 

Dieser gleiche Sinn für Zusammengehörigkeit und diese teilweise Personengleichheit zeigen die Möglichkeit einer natürlichen Weiterentwicklung an: in Richtung auf eine noch engere Verbindung zwischen den Kulturwerken und der jeweiligen Landsmannschaftengruppe, wie sie übrigens im südostdeutschen Bereich bereits weitgehend verwirklicht ist. Eine solche engere Verbindung braucht und soll die selbständige Initiative und Vielfalt der Kräfte nicht lähmen; sie kann aber Kräftezersplitterung vermeiden und zur Verwirklichung der Arbeitskoordinierung führen, wie sie auf der Konferenz am 29. Oktober dieses Jahres in Nürnberg u. a. von den Kulturwerken und den Landsmannschaften einhellig beschlossen wurde.

 

Auch der Ostdeutsche Kulturrat als anerkannter Repräsentant der kulturellen Kräfte aus dem gesamten deutschen Osten hat die Verbindung zu der ihm entsprechenden Organisation, dem VdL, in letzter Zeit noch enger geknüpft. Auf der letzten Sitzung des VdL in München ist der Präsident des Ostdeutschen Kulturrates gebeten worden, zur Vereinheitlichung der Kulturarbeit und zur Verstärkung des Gewichts der kulturellen Gremien, z. B. der ständigen Konferenz der Kultusminister gegenüber, Vorschläge für eine engere Verbindung zwischen den Kulturwerken und dem Ostdeutschen Kulturrat zu machen. Es dürfte im Interesse einer organischen Entwicklung liegen, dass die Kulturwerke ihrerseits solche Verbindungen, soweit noch nicht vorhanden, mit der ihnen entsprechenden landsmannschaftlichen Gruppe eingehen.

 

 

Seite 2   Fristablauf für Feststellungsanträge. Nach dem 31. Januar 1956 nur noch Anträge in Sonderfällen.

Wie wir bereits berichteten, läuft am 31. Januar 1956 die Frist für die Einbringung von Feststellungsanträgen für alle diejenigen Personen ab, die auf Grund des vierten Änderungsgesetzes zum Lastenausgleichs- und Feststellungsgesetzes vom 12. Juli 1955 antragsberechtigt wurden.

 

Insbesondere handelt es sich hierbei um Personen mit Vertreibungs- und Ostschäden, die ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik oder in Berlin (West) am 31.12.1952 gehabt oder in diesen Gebieten nach Schadenseintritt ein Jahr gelebt haben und danach ins Ausland ausgewandert sind. Ferner sind als Erben eines vor dem 1. April 1952 verstorbenen Geschädigten jetzt auch Ehegatten von Nachkommen antragsberechtigt. Außerdem sind Erleichterungen für die Feststellung von Vertreibungs- und Ostschäden an Geldkonten allgemein sowie an Geldkonten und Gesellschaftsanteilen im Zusammenhang mit der Oder-Neiße-Linie geschaffen worden. Als Kriegssachschaden gilt nunmehr auch ein Schaden an evakuiertem Hausrat, der aus kriegsbedingten Gründen aus dem Gebiet der Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) evakuiert worden war, soweit der Eigentümer seinen ständigen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) behalten hat oder als Evakuierter dorthin zurückgekehrt ist.

 

Die Feststellungsanträge sind in zweifacher Ausfertigung beim Ausgleichsamt am Wohnort einzureichen. Befindet sich der Antragsteller im Ausland, ist für die Einreichung bei Vertreibungs- und Ostschäden das Ausgleichsamt des letzten ständigen Aufenthalts, bei Kriegssachschaden das Ausgleichsamt des Schadensorts zuständig. Soweit Beweisunterlagen zu den Anträgen bis zum Fristablauf nicht beschafft werden können, können diese auch nachgereicht werden.

 

Nach Ablauf des 31. Januar 1956 können Feststellungsanträge für die genannten Fälle nur noch gestellt werden, wenn die fristgemäße Einreichung des Antrags nachweislich ohne Verschulden unterblieben ist und unverzüglich nachgeholt wird.

 

Für Spätvertriebene, militärische und zivile Heimkehrer und Personen, die Im Wege der Familienzusammenführung ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder Berlin (West) genommen haben, läuft die Antragsfrist jeweils sechs Monate nach Ablauf des Monats ab, in dem sie den ständigen Aufenthalt in diesen Gebieten genommen haben.

 

 

Seite 2   Wichtig für Ostversicherte.

Durch die zweite Verordnung über die Lebens- und Rentenversicherungen aus Anlass der Neuordnung des Geldwesens vom 27. Juli 1948 waren diejenigen Ostversicherten, die nach dem 20. Juni 1948 in die Westzone gezogen sind, von der Geltendmachung ihrer Ansprüche aus Lebens- und Rentenversicherungen ausgeschlossen. Das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenversicherungen vom 5. August 1955 (veröffentlicht im BGBl. [I], Nr. 25 vom 6. August 1955) sieht eine Neuordnung für die vor der Währungsreform abgeschlossenen Lebens- und Rentenversicherungen unter Berücksichtigung der sich aus der Teilung Deutschlands ergebenden Probleme vor und bringt gegenüber dem bisherigen Rechtszustand eine Reihe wesentlicher Verbesserungen.

 

Nach dem Gesetz können jetzt alle Versicherten der SBZ und der deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt bis zum 31. Dezember 1952 im Bundesgebiet oder Berlin (West), im Saargebiet oder einem anerkannten ausländischen Staat genommen haben, nach Maßgabe der Umstellungsgesetzgebung und des inzwischen verkündeten Gesetzes Ansprüche aus ihren alten RM-Versicherungen geltend machen, die im Währungsgebiet am 21. Juni 1948 ihren Sitz oder eine Hauptniederlassung hatten. Dabei werden auch die sog. „Anschlussversicherungen" in die gesetzliche Regelung einbezogen, soweit die Versicherungssummen nicht bei Monopolanstalten der sowjetischen Besatzungszone fortgesetzt worden sind.

 

Darüber hinaus können gesetzlich anerkannte Heimkehrer, Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge und solche Personen, die im Wege der Zusammenführung der Familien ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder Berlin (West) genommen haben oder in Zukunft noch nehmen, ohne Rücksicht auf den Standpunkt ihrer Niederlassung solche Ansprüche geltend machen. Soweit die nunmehr umgestellten Versicherungsverträge die Voraussetzungen einer Altsparanlage erfüllen, also eine Prämienreserve am 1. Januar 1940 vorhanden war und diese bis zum 21. Juni 1948 durchgehalten worden ist, steht dem Berechtigten außerdem ein Anspruch auf Altsparerentschädigung zu.

 

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Ansprüche von den Berechtigten bei ihren zuständigen Lebensversicherungsunternehmen des Bundesgebietes oder Berlin (West) unter Vorlage der Versicherungsunterlagen jetzt geltend gemacht werden können. Damit haben die Bemühungen auf eine Wiederherstellung der wohlbegründeten Ansprüche der Lebens- und Rentenversicherungen aus ihren alten Versicherungsverträgen endlich zu einem Erfolg geführt.

 

 

 

Seite 2   Ost-Frau kann gegen West-Mann vollstrecken.

Eine geschiedene Frau hinter dem Eisernen Vorhang hatte gegen ihren Ehemann in Westdeutschland einen vollstreckbaren Titel eines ostzonalen Gerichts erwirkt, der den Mann zur Zahlung von Unterhalt in DM-Ost an die geschiedene Frau und die drei ehelichen Kinder verpflichtet. Es tauchte nun die Frage auf, ob unter diesen Umständen gegen den Mann überhaupt vollstreckt werden könne.

 

Das Oberlandesgericht Celle (8 W 287/54) hatte über dieses leider recht aktuelle Problem zu entscheiden. Es hält eine Vollstreckung aus dem ostzonalen Titel für zulässig und möglich: Im vorliegenden Falle läge kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Titel in der Ostzone durch Rechtsbeugung zustande gekommen sei. Es sei zwar fast ausgeschlossen, einen Transfer von DM-West zum Wohnsitz der Geschiedenen vorzunehmen; dennoch gebe es drei denkbare Arten, des zunächst auf ein Sperrkonto einzuzahlenden DM-West-Betrags habhaft zu werden, nämlich entweder Auszahlung an einen westdeutschen Beauftragten der Frau, der dafür Waren einkaufen und sie den Gläubigern übersenden könne, oder Einreise der Frau in das Bundesgebiet und Verbrauch des Guthabens im Westen oder Verrechnung mit Forderungen westdeutscher Gläubiger gegen ostzonale Schuldner, wozu jedoch die Zustimmung der ostzonalen Behörden erforderlich sei.

 

Die Richter führen weiter aus die DM-Ost sei zwar keine ausländische Währung, jedoch eine andere Währung. Deswegen könne in der Bundesrepublik gegenwärtig in DM-West nur nach dem jeweiligen Wechselstubenkurs vollstreckt werden, der sich zurzeit im Verhältnis fünf Ostmark zu einer DM-West bewege. Dieser Kurs sei augenblicklich in der Bundesrepublik als legal anzusehen. Die Richter bringen damit zum Ausdruck, dass ein ostzonaler Titel, der z. B. auf 500 DM-Ost lautet, in der Bundesrepublik nur zu einer Zwangsvollstreckung bis zur Höhe von 100 DM-West berechtigt.

 

 

Seite 2   Mehr Mittel für Landsiedlungen.

Bis Ende 1955 rund 80 000 vertriebene landwirtschaftliche Familien angesiedelt. Der Einzelplan des Bundesfinanzministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Bundeshaushalt 1956 enthält Ausgabenposten in Höhe von insgesamt 154,62 Mill. DM für die ländliche Siedlung. Das bedeutet eine Erhöhung der Ansätze vom Rechnungsjahr 1955 um 60 Mill. DM, damit der damals erfolgte Vorgriff in dieser Höhe abgedeckt werden kann. Die Länder sollen sich wie bisher an der Aufbringung der Finanzierungsmittel beteiligen, so dass in der Tat noch ein erheblich höherer Betrag für die Siedlung zur Verfügung stehen dürfte. Im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes sind zwei Drittel der für die Neusiedlung bereitgestellten Beträge für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge bestimmt. Im Einzelnen soll ein Etatposten in Höhe von 100,77 Mill. DM in Form von Siedlungsdarlehen ausgeschüttet werden. Der zweite Etatposten in Höhe von 53,85 Mill. DM dient zur Gewährung von Beihilfen für die Neusiedlung, für die Übernahme bestehender landwirtschaftlicher Betriebe, für die Ansetzung auf Moor, Ödland und Rodungsflächen sowie für Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Eingliederung und für Pächterentschädigung.

 

Wie Bundesminister Prof. Dr. Oberländer im Bundestagsausschuss für Heimatvertriebene mitteilte, sind in der Zeit vom 1. Juli 1949 bis zum 30. Juni 1955 insgesamt 63 295 Siedlerstellen (Neusiedlungen, Kauf und Pacht) an Heimatvertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge gegangen. Zu diesen kommen noch 8 836 Stellen, die bis Ende 1954 außerhalb des Flüchtlingssiedlungsgesetzes und des Bundesvertriebenengesetzes von Vertriebenen übernommen wurden. Bis Mitte 1955 waren demnach insgesamt 72 131 vertriebene und geflüchtete landwirtschaftliche Familien angesiedelt, eine Zahl, die sich bis Ende des Jahres 1955 schätzungsweise auf rund 80 000 erhöht haben dürfte. Einheimische Bewerber erhielten bis Ende 1954 weitere 19 807 Stellen. Unterstellt man für das Jahr 1955 das Ergebnis des Vorjahres, so war am 1. Januar 1956 in der Nachkriegssiedlung der Bundesrepublik insgesamt die 100 000 er-Grenze bereits überschritten.

 

 

Seite 3   Ein Salzburger Schmied rodet in der Rominter Heide. Gründung des Erbfreigutes Klingenberg, Kreis Stallupönen / Geschiche der Familie und sonstigen einwandfreien Unterlagen von Alfred Dohnke.

 

Foto: Einsegnungsfeier zu Klingerberg 1905 (erste Reihe unten, von links nach rechts: Franz Neubacher, dessen Frau Rosalie, geb. Laabs) die anderen Anwesenden wurden namentlich nicht aufgeführt.

 

Foto: Erbfreigut Klingersberg. Von dem Wohnhaus ist nur ein Teil des Giebels zu sehen.

 

Motto: Menschen achte ich vor den größten Reichthum. König Friedrich Wilhelm I.

 

Unter den 17 000 Salzburgern, die Fürsterzbischof Firmian im Jahre 1732 ihres evangelischen Glaubens wegen des Landes verwies und die der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. in die im Jahre 1709 durch die Pest stark verödete Provinz Ostpreußen aufnahm, befand sich auch eine Witwe Klinger, deren Sohn Siemon Klinger in dem Dorf Schackummen, Amtsbezirk Tollmingkehmen, das Schmiedehandwerk betrieb. Er muss durch Fleiß und Sparsamkeit bald zu Geld gekommen sein, denn er trug sich mit dem Gedanken, Bauer zu werden, den er dreißig Jahre später in die Tat umsetzte.

 

Der auf der benachbarten Försterei Schwentischken ebenfalls am Rande der Rominter Heide gelegen, stationierte Unterförster Druggies klagte ihm sein Leid darüber, dass er eine zu seinem Dienstland gehörende, aber zu weit abliegende Parzelle von 17 Morgen nicht rentabel bewirtschaften könne und sie aufgeben wolle.

 

Klinger wandte sich darauf an die Regierung in Gumbinnen, die damals noch die Bezeichnung „Kriegs- und Domainenkammer" führte und die sich schließlich bereit erklärte, ihm das Ackerstück zu überlassen.

 

Ich lasse nun die Erb-Verschreibung im Originaltext folgen, wie sie der Schackummer Lehrer und Heimatforscher Carl Joseph Steiner aus den Akten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin entnommen und in einem ähnlichen Artikel, auf welchen ich mich bei dieser Abhandlung stütze, im Jahre 1932 niedergelegt hat:

 

„Nachdem der Köllmische Schmied Siemon Klinger aus Schackummen Amts Tollmingkehmen Ansuchung gethan, dass ihm die 17 Morgen Oletzkoisch von dem Dienst-Lande des Unterförsters Druggies, welche derselbe wegen ihrer Entlegenheit von seinem übrigen Acker nicht gehörig nützen könne, und noch überdem 4 Morgen 255 Ruthen von dem daranbelegenen wüsten Forst-Lande, also zusammen 21 Morgen Oletzkoisch oder 1 Hube 14 Morgen 115 Ruthen Magdeburgisch ¹): erblich überlassen werden möchten, wogegen er erböthig wäre, dem Druggies in Stelle der 17 Morgen Oletzkoisch eben so viel an Wald-Land auszurohden, dieser intendierte Tausch, auch mittels Rescript des Hochpreuß Forst-Departements vom 16. Janurar a. c. approbiret, und die Concession in Ansehung des Wald-Landes ertheilet, es ist dem Siemon Klinger darüber folgende Erb-Verschreibung ertheilet worden:

 

1. Es überlasset nähmlich die Preuß. Litth. Kriegs- und Domainenkammer gedachten Siemon Klinger vorerwähnte 21 Morgen 255 Ruth: Oletzkoisch oder 1 Hube 14 Morgen 115 Ruth: Magdeburg: zu freien Rechten erb und eigenthümlich also und dergestalt, dass er sowohl als seine Erben und Nachkommen damit nach Gefallen zu schalten und zu walten befugt sein sollen.

 

2. Aequirent machet sich anheischig, die 21 Morgen 255 Ruthen Oletzkoisch a 30 Gr. p. Morgen mit 7 Thl. 25 Gr. 9 Pfg. an das Forstamt Warnen jährlich und zwar von Trinitatis 1773 ab zu verzinsen, auf dem Lande quest: 1 Familie zu etabliren, und die erforderliche Gebäude ex propriis ohne alle Frey Jahre zu erbauen, dem Unterförster Druggies aber in Stelle die ihm von seinem Dienst-Lande abgetretenen 17 Morgen von dem anstoßenden Wald Lande wiederum 17 Morgen auszurohden.

 

3. Aequirent erhält die 21 Morgen 255 R. Oletzkoisch zwar frei von allen Schaarwerke- und Burg-Diensten, kann sich aber nicht entbehren bei der höchsten Anwesenheit Sr. Königl. Majestät den Vorspann zu gestellen, die Kirche und Schul prästanda nach Orts Gebrauch zu entrichten. Wege und Stege binnen seinen Grenzen zu unterhalten zur Wolfsjagd zu concuriren, auch die Fourage vor die Cavallerie vom Lande quest: zu liefern, und an den ihm bestimmten Ort zu bringen.

 

4. Bei vorkommenden Unglücksfällen bekommt derselbe eine Vergütung, wenn aber allgemeine Landes-Calamitaeten vorfallen sollten, so muss er mit dem zufrieden sein, was Sr. Königlichen Majestät auf den Fall dero Unterthanen allergnädigst bewilligen werden.

 

Dagegen soll derselbe, wenn er sich den Inhalt dieser Erb-Verschreibung gemäß bezeigen, und den stipulirten jährl. Zins prompt entrichten wird, bei dem Eigenthum der ihm bewilligten 21 M. 255 R: Oltzk: geschützet werden, auch seine Erben und Nachfolger auch die künftige Besitzer sich eines gleichen beneficii zu erfreuen haben.

 

Urkundlich ist diese Erb-Verschreibung von der Preuß. Litth. Krieges- und Domainen Kammer und dem Aequirenten Siemon Klinger unterschrieben, und soll die Königl. allerhöchste Confirmation darüber erbeten werden.

 

So geschehen Gumbinnen, 7. April 1777. (L.S.)

Königl. Preuß. Litth. Krieges und Domainen Kammer

Domhardt, Schimmelfin, v. Mengede, Brauchitsch, v. Burgsdorff, Esser, Cöler, Reichardt, Rohenlelds, Jacobi.

concondare cum originali testor

Unterschrift gez.: Siemon Klinger, gez. Geelhaar.

Erb-Verschreibung

für den Köllmischen Schmidt Siemon Klinger zu Schackumen über 21 Morgen 255 Ruth. (¹ Eine Hufe hatte immer 30 Morgen, doch wir der preußische Magdeburgische) Morgen = 180 Quadrat-Ruthen á 144 Quadrat-Fuß = 25,533 ar, der kulmische (Oletzkoische) Morgen = 300 Quadrat-Ruthen á 225 Quadrat-Fuß 63,191 ar.).

 

Seine Königliche Majestät von Preußen, Unser allergnädigster Herr ratihibiren und bestätigen die hierneben geheftete Erb-Verschreibung vermittelst welcher dem Köllmischen Schmidt Siemon Klinger aus Schackummen Amts Tollmingkehmen von der Warnenschen Forst Eine Hube 14 Morgen 115 Ruthen Magdeburgisch Waldland erb- und eigentümlich übergeben, und verliehen werden. Kraft dieses in allen ihren Punkten und Klauseln, befehlen auch zugleich dero Litth. Kammer hierdurch in Gnaden; den Klinger, In sofern er seine übernommenen Verbindlichkeiten im Genüge leistet, und den stipulirten Zins jährlich prompt und gehörigen Orts entrichtet, sowohl, als seine jedesmalige rechtmäßige Nachfolger und Erbnehmer bei allen ihren compotirenden Rechten und Gerechtsamen in allen Fällen kräftigst zu schützen und zu erhalten.

Signatum, Berlin, den 2. August 1777. (L. S.)

 

Auf Sr. Königl. Majestät allergnädigsten Spezialbefehl.

Schulenburg.

 

Confirmation

der Erbverschreibung, für den Köllmischen Schmidt Simon Klinger zu Schackummen Amts Tollmingkehmen, über 1 Hube 14 Morgen 115 Ruthen Magdeburgisch Waldland an der Warnenschen Forst.

 

Klinger hatte an dieser Erwerbung nicht genug. An der Grenze seines neuen Besitztums lag eine Anhöhe, welche felsig war und wie ein großer Steinblock anmutete. Am Fuße dieser Anhöhe lag ein „Moosbruch"; Anhöhe und Moosbruch waren zusammen über 13 Morgen groß und wurden, ihres geringen Wertes wegen, nicht genutzt. Klinger aber erschien der Erwerb dieses Geländes vorteilhaft und er trachtete darnach, es billig zu erhalten.

 

Im Jahre 1795 bat er darum die Regierung, ihm etwa 75 Morgen Waldland, das die „versteinerte Anhöhe" umschloss, pachtweise zu überlassen und sein Antrag hatte Erfolg. Die Regierung in Gumbinnen wurde durch „Königliches Rescipt vom 18. November 1795" angewiesen, mit Klinger einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, der am 14. Dezember 1795 zustande kam, und als Anfang folgenden Wortlaut hatte:

 

„Kund und zu wissen sei hiermit! Demnach der Schmidt Simon Klinger aus Schackummen Amts Tollmingkehmen, Ansuchung gethan, dass ihm in dem Warnenschen Forst Beritt und zwar 2 Huben 6 Morgen 36 Ruthen Magdeb. Wald Landes gegen 30 Gr. pro Morgen Magdeb. nebst der darin befindlichen versteinerten Anhöhe und unnützen Moosbrüchen von 13 Morgen 50 Ruthen Magdeb. gegen 6 Gr. jährlichen Zins für den Morgen Magdeburgisch, erbpachtsweise überlassen werde, solches auch durch allerhöchste Rescript d. d. Berlin, den 18. November 1795 genehmigt und in der Art den Kontrakt auszufertigen anbefohlen worden: so ist darüber nachstehender Erbpachtskontrakt von der Königl. Preuß. Lithauischen Krieges- und Domainen-Kammer einerseits und dem Erbpächter Siemon Klinger aus Schackumen andrerseits verabredet und geschlossen worden“.

 

Carl Joseph Steiner hatte sich darauf beschränkt, nur den Anfang des Kontraktes anzugeben, weil der Kontrakt sehr ausführliche und umständliche Paragraphen enthielt und der Anfang den wesentlichen Inhalt wiedergab.

 

Siemon Klinger erhielt diese Flächen (nach Steiner) nicht nur für seine Person in Erbpacht, sondern er konnte sie vererben und sogar mit Einwilligung der Regierung verkaufen, wobei die Regierung sich allerdings das Recht des Vorkaufs vorbehielt. Der von ihm jährlich ab Trinitatis 1795 an das Forstamt in Warnen zu zahlende Erbpachtzins betrug 22 Taler 85 Groschen und 12 Pfennig. Ein Nachlass war nur bei „Krieg, Pest oder sonstiger allgemeiner Landesverheerung, wo dem Pächter dieselbe Königl. Gnade angedeihen wird, welche Anderen seines Gleichen widerfährt" gegeben. Außer dem Pachtzins waren nur zu leisten „Fourage-Lieferung, Vestungs-Baubeitrag, Kirchen-, Schul- und Mühlenabgaben, die dazu erforderlichen Bau-Hülfs-Fuhren, Gestellung von Leuten zu den Wolfs-Jagden und Beitritt zur Domainen-Feuersozietät".

 

Der Vertrag wurde von König Friedrich Wilhelm II am 13. März 1796 konfirmiert. Klinger hatte jetzt was er wollte, vor allem aber aus der „unnützen" versteinerten Anhöhe mehr Baumaterial, als er selbst brauchte und aus dem Torfbruch billiges Brennmaterial. Er war, wie wir sehen, ein gut rechnender Wirt und seine Nachfahren hatten hieraus noch Nutzen, denn auch sie konnten aus dem Verkauf und der Abfuhr der Steine noch nach 100 Jahren einen schönen Gewinn erzielen.

 

Siemon Klinger hatte somit den Grundstock für einen Hof gelegt, der den Namen „Waldhaus Klinger" führte und den sein Sohn Simon 1831 noch erweiterte. Dieser Simon Klinger war mit einer ebenfalls von Salzburgern abstammenden Barbara Neubacher verheiratet und beide schlossen am 12. November 1831 als „Erbfreie Waldhaus Klinger'sche Eheleute zu Klingersberg“ mit der Gumbinner Regierung auf Grund einer am 17. April 1831 erfolgten Vorverhandlung einen Kauf- und Tauschvertrag. Nach diesem (nach Steiner) 14 Paragraphen umfassenden Vertrage verkaufte die Regierung zu Gumbinnen dem Simon Klinger ein Forstgrundstück von dem Schackummer Revier — Jagen 178 und 184 — in der Größe von 45 Morgen 147 Ruthen preußisch zum freien Eigentum und jeder beliebigen Benutzung für 218 Taler 26 Sgr. 8 Pfg. Außer dem Grundsteueranteil musste Klinger noch die vorgeschriebenen Kreis-, Sozietäts- und Kommunalabgaben leisten. Es verblieb dem Forstfiskus aber der gesamte Holzbestand mit der Auflage, ihn innerhalb eines Jahres abzuholen und abzufahren.

 

Wenngleich in dem Vertrag von einem „Erbfreigut" gesprochen wurde, so hieß es aber doch im § 2 „Von dieser Veräußerung bleibt die Ritterguts und Adliche, sowie jede andere, denselben gleich zu achtende Qualität, mit allen daraus folgenden gutsherrlichen Rechten, insbesondere auch das Recht zur Jagd, und die den Grundstücken nach seiner bisherigen Qualität etwa sonst zugestandenen Benefizien und Berechtigungen aller Art ausdrücklich ausgeschlossen“.

 

Klinger musste allerdings eine Wiese von über zehn Morgen, die aus dem Vertrage von 1796 stammte, an den Forstfiskus zurückgeben, wofür er zwar 45 Taler 1 Sgr. 8 Pfg. auf den Kaufpreis angerechnet erhielt, was ihn andererseits aber nicht gefreut haben wird, da er auf Vermehrung seines Grundbesitzes bedacht war.

 

Simon und Barbara Klinger's Ehe war kinderlos. Als Erbin wurde die am 02.02.1826 in Gr.-Schwentischken geborene Rosalie Klinger, vermutlich die Tochter eines Bruders von Simon Klinger, bestimmt, welche 1842, also im Alter von 16 Jahren, ihrem Vetter Gottlieb Neubacher, geboren am 15.02.1821, heiratete. Aus dieser Ehe gingen 13 Kinder hervor, von denen der am 13. November 1845 zu Klingersberg geborene Sohn Franz, Hoferbe wurde. Dieser heiratete am 10. Oktober 1879 die von einem pommerschen Vater und einer hugenottischen Mutter abstammende, am 8. Februar 1851 geborene Rosalie Laabs. Hier vermischt sich nun das bisher rein salzburgisch gewesene Blut der Klingers und Neubachers mit ostdeutschem und französischem Blut und ich lasse zur näheren Erklärung jetzt den Abstammungsnachweis des am 19.07.1880 zu Klingersberg geborenen ältesten Sohnes Albert Neubacher folgen, den ich nach den mir vorliegenden Urkunden aufgestellt habe:

 

Meine Bemerkung: Da ich die Tabelle nicht einfügen kann, hier mein Versuch es verständlich zu erklären:

 

Albert Neubacher geb. 19.07.1880 zu Klingersberg

Darunter stehen die Eltern:

Links die Mutter: Rosalie Laabs, geboren am 08.02.1851 zu Kl.-Gaudischkehmen, gestorben am 31.05.1910 zu Klingersberg.

 

Rechts der Vater: Franz Neubacher, geboren a 13.11.1845 zu Klingersberg, gestorben am 17.06.1928 zu Trakehnen. Geheiratet haben Rosalie Laabs und Franz Neubacher am 10.10.1879

 

Die Eltern von Rosalie Laabs:

Links steht die Mutter: Karoline du Maire, geboren am 26.06.1823 zu Rosenfelde. Gestorben am 17.06.1900 zu Kl.-Gaudischkehemen.

 

Rechts steht der Vater: Ferdinand Laabs, geboren am 25.05.1826 zu Vockenhagen, Kreis Greifswald. Gestorben am 04.03.1894 zu Klein-Gaudischkehemen. Geheiratet haben Karoline du Maire und Ferdinand Laabs am 23.11.1849 zu Rosenfelde.

 

Die Eltern von Franz Neubacher.

Links steht die Mutter: Rosine Klinger, geboren am 22.01.1826 zu Gr.-Schwentischken, gestorben am 23.08.1898 zu Klingersberg.

 

Rechts steht der Vater:

Gottlieb Neubacher, geboren am 15.02.1821 zu Kl.-Schwentischken. Gestorben am 16.04.1891 zu Klingersberg. Geheiratet haben Rosine Klinger und Gottlieb Neunacher 1842.

 

Die Eltern von Karoline du Maire:

Links steht die Mutter: Catharina Albat, geboren am 05.11.1793 zu Tarpuczen. Gestorben am 26.06.1865 zu Rosenfelde.

 

Links steht der Vater: Daniel du Maire, geboren am 01.01.1794 zu Rosenfelde. Gestorben am 25.08.1870 zu Karklienen. Geheiratet haben Catharina Albat und Daniel du Maire am 17.11.1817 zu Rosenfelde.

 

Die Eltern von Ferdinand Laabs:

Links steht die Mutter: Maria Koehn, geboren 1784 zu Voigtshagen, Kreis Treptow. Gestorben am 28.12.1847 zu Vockenhagen, Kreis Greifswald.

 

Rechts steht der Vater: Hans Laabs, geboren am 10.05.1775 zu Vockenhagen. Gestorben am 03.07.1860 zu Vockenhagen, Kreis Greifswald. Wann geheiratet: Kein Eintrag.

 

Die Eltern von Rosine Klinger.

(Bei dem Russeneinfall 1914 sind die Kirchbücher pp. verloren gegangen, so dass die weitere Abstammung nicht angegeben werden kann)

 

Die Eltern von Gottlieb Neubacher:

Links steht die Mutter: Martha Herzog, geboren 1774 zu Schackummen. Gestorben am 02.05.1860 zu Kl.-Schwentischken.

 

Rechts steht der Vater: Michael Neubacher, geboren 1756 zu Kl.-Schwentischken. Gestorben am 21.05.1826 zu Kl.-Schwentischken.

 

Weitere Nachweise nicht vorhanden!

 

Klingersberg blieb bis zu der im Jahre 1891 eingeführten Landgemeindeordnung ein selbständiges Gut. Als dann die Eingemeindung zum Dorfe Schwentischken verfügt wurde, setzte sich Franz Neubacher zur Wehr und führte mit der Regierung zu Gumbinnen um die Erhaltung seiner Selbständigkeit einen harten Kampf, in dem er aber nach zehn Jahre dauerndem Streit — wir sehen hier die Zähigkeit, mit der Neubacher sein Recht verfocht - unterlag. Die Eingemeindung Klingersberg's erfolgte allerdings nicht zum Dorfe Schwentischken, sondern zum Forstgutbezirk Warnen.

 

Der seiner Selbständigkeit dadurch beraubte Hof Klingersberg blieb bis zum Jahre 1920 im Besitze der Familie Neubacher, die ihn dann aber aus Krankheitsgründen und weil die Ehe des letzten Besitzers, der der zweite Sohn des vorerwähnten Franz Neubachers war und ebenfalls Franz hieß, kinderlos war, veräußerte.

 

Ob Klingersberg noch besteht, ist nicht bekannt; das Ende des Krieges wird den Hof wohl auch in Asche gelegt und damit ein Stück ostpreußischer Kolonisationsgeschichte ausgelöscht haben.

 

Albert Neubacher aber, dessen Abstammungsnachweis ich vorstehend brachte, lebt in Warendorf und geht, trotz seines vorgeschrittenen Alters, noch immer seinem Beruf als Abteilungsleiter bei der Arbeitsgemeinschaft deutscher Pferdezüchter nach. Er verkörpert die Ruhe und Besonnenheit, die den Salzburgern eigen ist und zeigt den Fleiß, von dem ich schon bei Siemon Klinger gesprochen habe. Mögen ihm und seiner Gattin, "deren beider Hochzeit ich am 1. November 1917 bin Ostpreußen teilnehmen durfte, und mit denen ich manche frohe Stunde auf dem "elterlichen Hof Klingersberg verlobte, noch weitere Jahre bester Gesundheit beschieden sein.  

 

 

Seite 4, 10, 11   „Grenzen der Sowjetmacht“. Von Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Starlinger – Königsberg. VI. Fortsetzung.

 

Die weltpolitischen Perspektiven

Es wurde versucht, darzutun, dass die Sowjetunion ihre innen- und wirtschaftspolitische Krise nur meistern kann, wenn der außenpolitische Druck ermäßigt wird und eine langfristige garantierte Friedensperiode unter gleichzeitiger Vorcierung des Außenhandels, nötigenfalls unter Zuhilfenahme des Golthortes zu erreichen ist. Schon aus diesem Grunde wäre es falsch, die schon zu Stalins Zeit begonnene „Friedensbewegung in der ganzen Welt“ nur als Deklamation und maskierte Propaganda aufzufassen und demgemäß zu werten, wenngleich die politische Ausnützung der Theorie des trojanischen Pferdes selbstverständlich ein mitentscheidender Beweggrund dieser Aktion war und zweifellos bleiben wird, solange entsprechende Möglichkeiten in der unsicheren innerpolitischen Struktur gewisser westlicher Länder solchem Ziel sich geradezu anbieten. Man wird auch kaum annehmen dürfen, dass die Sowjetunion ihren großimperialen Traum („vom Pazifik bis zum Atlantik“), sei es unter der Flagge der Weltrevolution, sie es im Zeichne des großrussischen Messianismus, aufgegeben hat, ja überhaupt im Grundsatz je gegeben hat, ja überhaupt im Grundsatz je aufgeben könnte. Sie wird – wenn es möglich ist – immer wieder diesen Traum zu verwirklichen suchen, den zu träumen sie gar aufhören kann. Denn man darf nicht vergessen, dass die Geschichte dieses interkontinentalen Riesenraumes erst in ihrem Beginne steht!

 

Aber, ein Traum ist eines und seine Verwirklichung ist ein anderes. Es spricht vieles dafür, dass die heutige Sowjetunion noch zu Stalins Herrschaft in der kritischen Periode zwischen 1949 („Luftbrücke Berlin“) und dem ersten Misserfolg in Korea (vor Chinas Eintritt in den Krieg) ihre gesamte militärische Lage überprüfte und (nicht nur im Hinblick auf die damals erst anlaufende eigene Atomrüstung) fand, dass sie weder militärisch noch wirtschaftlich imstande wäre, einem unter militärischer und politischer Führung Amerikas geeintem Westen im Endergebnis, ungeachtet aller örtlichen Anfangserfolge, erfolgreich zu widerstehen, geschweige ihn niederzuringen. In allen Gesprächen der damaligen Zeit inner- wie außerhalb des Lagers war man sich bewusst, dass unabhängig von allen waffendiktierten Überlegungen, auch im Falle der echten Erfüllbarkeit des laufenden Fünfjahresplanes an seinem Ende immer nur bestenfalls 50 Millionen Tonnen Stahl, 60 Millionen Tonnen Öl und 500 Millionen Tonnen Kohle stehen würden – eine Potenz, über deren „Unrealität“ gegenüber der vereinten Macht der westlichen Welt kein Zweifel bestehe konnte. Es war in dieser Zeit sehr interessant, namentlich in der Provinzpresse unmittelbar neben einem säbelrasselnden Artikel einen scheinbar unabsichtlichen (aber unübersehbaren) Hinweis auf die Notwendigkeit der genügenden zurzeit noch nicht genügenden wirtschaftlichen Ebenbürtigkeit gegenüber dem Westen immer wieder zu finden. Diese auf die breite Masse berechnete Dämpfung und Anstachelung zugleich wurde vielleicht nicht von dieser genügend verstanden, von der „Intelligenz“ aber sehr wohl beachtet und entsprechend kommentiert. Als „Testobjekte“ wurden allgemein einerseits die Situation um Berlin, anderseits der koreanische Krieg angesehen. In beiden Fällen handelte es sich um eine höchst bewusste Provokation der Entschluss- wie Handlungsfähigkeit der beiden großen angelsächsischen Mächte. Hätte Amerika vor allem im Falle Korea nur etwas gezaudert, wäre England nich mitgegangen, hätte man nicht nur Korea in wenigen Wochen überrollt (ohne hierzu Chinas Hilfe zu benötigen!), sondern wahrscheinlich unter gleichen Voraussetzungen wenige Zeit später den „Test Berlin“ wiederholt und im gelungenen Falle bald darauf dasselbe am Kieler Kanal und vielleicht sogar an den Dardanellen versucht. Auf den allgemeinen Krieg hätte man es im Falle eines unerwartet starken Widerstandes ja nicht ankommen lassen müssen, denn das damalige Manövriervermögen des Stalinschen Apparates war groß genug, um augenblicklich vor der Drohung zur allgemeinen Kriegsausweitung zurückweichen zu können. Im erfolgreichen Falle aber hätte man ohne Krieg durch die Einbeziehung der Ostsee und des Schwarzen Meeres nicht nur eine entscheidende Sicherheit des militärischen Vorfeldes (einschließlich der Flankendeckung des Industriegebietes von Leningrad und des Donbas), sondern auch kaum überschätzbare politische Einflussnahme auf den skandinavischen und Nahostraum erreicht. Alle diese „Theorien“ standen damals im Überschwange der Diskussion der Lager, und es mag außerhalb der Palisaden nicht anders gewesen sein, wie es ja dann von später Zukommenden auch bestätigt wurde. Die „Aggression Amerikas“ in Korea wurde von keinem Denkenden ernst genommen, sondern als „selbstverständlicher Akt der geistigen Kriegsführung“ aufgefasst – aber auch akzeptiert. Dass Amerika blitzschnell handelte und England mitriss, hat damals das Abendland vor unabsehbaren Folgen, vielleicht sogar die „Freie Welt“ überhaupt gerettet, in Russland aber tiefsten Eindruck erzielt. Denn nach dem Siege Chinas und dem scheinbaren Zurückweichen Amerikas in Ostasien hatte man ohne Zweifel mit einer solchen Entschlusskraft des Westens nicht mehr gerechnet, war sich aber nun klargeworden, dass die Träume auch im Westen zur Zeit noch nicht reif zur Verwirklichung wären. Man war damals wohl auch des Glaubens, dass noch genügend Zeit wäre, später einmal „das kleine Europa" einzuheimsen, wenn nur erst das Pulverfass Deutschland zur Explosion reif wäre. Denn mit einer zunächst wirtschaftlichen und hernach sogar politischen Wiedergeburt des deutschen Restraumes hatte damals noch niemand in Russland gerechnet, sondern jeder mit Sicherheit erwartet, dass die unvermeidliche wirtschaftliche Verelendung der Massen Westdeutschland reif für den Umsturz machen würde, in den rechtzeitig einzugreifen dann wohl Möglichkeiten genug bestünden. Zu diesem Zweck wurde damals das Glacis von der Elbe über die Donau bis zum Schwarzen Meer als potentielle Offensivbasis aufgebaut, die es auch heute noch zu sein scheint, aber wahrscheinlich nicht mehr ist.

 

 

Umwälzungen im Fernen Osten.

Denn inzwischen haben sich umwälzende Geschehnisse im Fernen Osten vollzogen, welche die ganze militärische Position der Sowjetunion gegenüber dem Westen früher oder später verändern müssen. Es soll zuerst nur von den weniger wichtigen, wenn auch augenscheinlicheren aktuellen Ereignissen gesprochen werden. Sicher ist, dass China in seinem „Großen Vaterländischen" Krieg besser gekämpft und schneller gesiegt hatte als es die Sowjets selbst erwarten konnten (sowie dass dieser fast elementare Ablauf ihnen weniger lieb war als sie im öffentlichen Überschwang des „weltverwandelnden Sieges" zugaben). Man kann ruhig sagen — und konnte es im Lager immer wieder verfolgen, wie kluge und erfahrene Kritiker diesen in seiner Art damals fast atemraubenden Siegeszug mit Beklemmung verfolgten, zumal es immer bekannter wurde, dass die „Bruderhilfe" wesentlich weniger ausschlaggebend und die Selbständigkeit des „Befreiten" ein gut Stück größer war, als „man" zunächst geglaubt hatte. Offenkundig wurde dann die Veränderung des Schwergewichts im Koreakrieg. Man kann heute ohne Schematisierung sagen, dass dieser Krieg wohl von der Sowjetunion (besser von „Russland") begonnen, aber von China beendet wurde. Und an diesem Ende stand zwar ein Remis zwischen Russland und Amerika, aber ein klarer Sieg Chinas, über beide, eines China, das nicht nur in die Reihe der erwiesenen souveränen Weltmächte eintrat, sondern sich Nordkorea und Tibet integrierte und damit auch die Wiedereinverleibung der Mandschurei endgültig sicherte! Wohl soll 1950 ein geheimer Beschluss Maos und seines Kreises die Kolchosierung auch in China festgelegt haben, aber davon wurde erst nach Jahren gesprochen und zunächst nichts in diesem Sinne getan. Wenn China die Kolchosierung später noch durchführen sollte, wird das andere Gründe haben, von denen noch zu sprechen sein wird. Bisher aber ruhte Maos Macht auf dem von ihm befreiten Bauerntum (und der wenigstens proklamierten Befriedigung seines an sich unstillbaren Landhungers). Man bedenke, dass um der gleichen Frage willen der Bruch mit Tito vollzogen wurde, der gleiche Bruch gegenüber China aber nicht einmal gedacht werden konnte. Wohl kann kein Zweifel sein, dass Mao (und ein Teil seines Führungskreises) dem dogmatischen Marxismus genauso anhing wie ursprünglich Stalin, vielleicht auch heute noch anhängt, in der Wirklichkeit aber steht er vor seinem Volk im Lichte einer dreifachen Sendung: als Befreier des Vaterlandes von den Fremden, als Befreier des Volkes von der Korruption der Kuomintang und als Befreier des Bauerntums von der bis dahin realen Leibeigenfron der feudalen Latifundien.

 

Wohl ist „die Partia" allmächtig, aber diese Partei hat das Vaterland erobert, vereint und mit längst verlorengegebenen Randgebieten gemehrt, sie hat das Vaterland in wenigen Jahren aus einem halbkolonialen Gebiet fremder Interessensphären zu einer der großen Mächte in der Welt gemacht und sie ist im Begriffe, das innere Gefüge lebensfähig zu gestalten. Ist es da nicht klar, dass jeder fühlende und denkende, insbesondere junge Chinese an einer solchen Aufgabe mitarbeiten will, auch wenn er den dogmatischen Kommunismus ablehnt, oder vielleicht gerade, weil er ihn ablehnt. Ist es nicht erstaunlich, dass die Hörerschaft der von Amerika gebauten, wunderbar ausgestatteten Universitäten (die bereits zwei Generationen „erzogen" hatten, denen aber Tausende älterer und junger Chinesen alles verdankten), zum Teil schon vor, in ihrer Masse aber „wie ein Mann" während des Großen Vaterländischen Krieges zu Mao übergingen? Niemand kann heute sagen, wie die Entwicklung in China im Ganzen weitergehen wird, aber zwei Voraussagen wird man wagen dürfen: 1. Diese Entwicklung wird im Innern wie nach außen eine zunehmend selbständige wie eigenständige werden. 2. Niemals wird es eine Restauration der alten Kuomintang geben.

 

Trotzdem steht China vor ungeheuren Schwierigkeiten, und diese Schwierigkeiten begründen die vorläufige Sicherheit der Sowjetunion. Denn China muss rüsten und muss seinen Massen Brot geben (welches das Bauerntum allein nicht ausreichend geben kann), und dazu muss es industrialisieren, aber es ist — vorläufig — dazu trotz seines potentiellen Reichtums aus eigenem zu schwach und zu unentwickelt. Darum braucht es heute noch die Hilfe der Sowjets sowohl materiell wie personell, solange es auf sie allein angewiesen ist. Dieses wissen die Sowjets und darum ist ihre „Bruderhilfe" gerade so groß, dass China erste Schritte zum Industrieland machen kann, aber nicht groß genug, um es wirklich auf die Beine zu bringen — ganz abgesehen davon, dass die Sowjetunion, selbst wenn sie es wollte, wirklich ausreichende Hilfe weder materiell noch personell gewähren kann. Hierzu ist nur eine einzige Macht imstande, Amerika im Verein mit dem freien Westen. Aber Amerika sperrt sich, vielleicht nicht zuletzt aus emotionellen Gründen der Massenmeinungsbildung, und solange es sich sperrt, bleiben die Sowjets in China unentbehrlich, kann sich das chinesische Eigengewicht nicht frei durchsetzen, behält die Sowjetunion den freien Rücken in Fernost und die abwartende Entschlussfreiheit gegenüber dem Westen. — Wenn China noch längere Zeit auf die Sowjetunion angewiesen bleibt und keine Aussicht erhält, mit Amerika zu akkordieren, wird es gezwungen sein, „sich alleine groß zu hungern", d. h. es wird auf dem Rücken der Bauern industrialisieren müssen, und dieses bedeutet: kolchosieren auch in China. In diesem Sinne wird man den alten Beschluss von 1950 auffassen, aber auch trotz allen Aufschubs mit seiner nachträglichen Vollziehung rechnen müssen. Kommt es zu diesem Vollzug, so wird man schließen müssen, dass das neue China auf einen Akkord mit Amerika in absehbarer Zeit nicht mehr hoffen kann und daraus ernste Forderungen zu ziehen gewillt ist.

 

Dieser äußere Vorgang des chinesischen Aufstiegs, der einem elementarischen Phänomen ähnelt, obwohl er erst begonnen hat, wäre aber noch nicht von entscheidendem Einfluss und brauchte das außenpolitische Weltbild der Sowjetunion noch nicht grundlegend zu ändern, wenn sich nicht heute schon ein biologischer Vorgang abzeichnete, der für den weit, blickenden Beobachter, der geschichtlich zu denken gelernt hat, alles überschattet, was in den nächsten Jahrzehnten geschehen kann, der daher schon heute auch dem denkenden Russen große Sorge bereitet und von der sowjetischen Staatsführung bereits wohl berücksichtigt wird.

 

Der Berichterstatter möchte mit einer kleinen Anekdote beginnen, deren Vorgang Herbst 1949 von ihm miterlebt wurde. Es war die Zeit des Überschwanges nach dem triumphalen Endsieg Maos über Tschiang. In einem kleineren Kreise gebildeter und kritischer Lagerhäftlinge wurden die Ereignisse diskutiert und kommentiert, im Endergebnis als bisher größter Sieg Russlands gewertet und dementsprechend auch vom Gefühl her begrüßt. In der Runde befand sich ein alter General, der sich aus vielen Gründen allgemeiner Wertschätzung erfreute und dessen Urteil als richtunggebend galt, obwohl er damit am liebsten zurückhielt. Auch diesmal schwieg er unentwegt. Als er sich schließlich wiederholtem Drängen, doch seine Meinung über den Triumph in China zu sagen, nicht mehr verschließen konnte, geschah folgendes: er stand auf und sagte: „Ja, ja, eine halbe Milliarde Menschen und bald mehr — aber was kommt danach?" und ging hinaus. Allgemeines Schweigen folgte, das Gespräch kam nicht mehr in Gang. — Der General hat viele Jahre im Femen Osten gestanden.

 

 

Eine halbe Milliarde Chinesen.

Dieses ungeheure biologische Elementarphänomen, welches sich schon in den nächsten Jahrzehnten zunehmend auswirken muss und bald seine Schatten voraus werfen wird, ist durch folgende Tatsachen gekennzeichnet: 1. Das integrierte China zählt heute schon mehr als eine halbe Milliarde Menschen. 2. Es besteht in seiner überwältigenden Masse aus Bauern, deren Familie eine der kinderreichsten der Welt ist. 3. Trotzdem dieser Kinderreichtum heute noch durch übergroße Kindersterblichkeit, durch Elend, Hunger, Krieg und Seuchen immer wieder begrenzt wird, schätzt man schon jetzt den jährlichen Geburtenüberschuss auf sicher mehr als 12, wahrscheinlich nicht viel weniger als 15 Millionen. 4. Wenn in einigen Jahren der allgemeine, wenigstens äußere Ordnungsstaat endgültig durchgesetzt sein wird und die mörderischen Auswirkungen einer mehr als dreißigjährigen kriegerischen Revolution zunehmend paralysiert werden können — was im ganzen nicht bezweifelt werden kann —, dann mag dieser Geburtenüberschuss in absehbarer Zeit 20 Millionen erreichen und überschreiten. Das aber bedeutet, dass die jährliche Volkszunahme dem Ausmaß einer mittleren Nation entspricht! 5. Der chinesischen Raum, so groß er ist, reicht in seinen heutigen Grenzen schon nicht mehr aus, um den alles beherrschenden Landhunger des Bauerntums zu stillen, er wird von Jahr zu Jahr weniger reichen — und was soll werden, wenn in wenigen Jahren ein Volk von 700 Millionen unter Raumdruck steht? Wie sehr auch Mao seine Industrialisierung vorantreiben mag, niemals kann er mit ihrer Hilfe allein den Volkszuwachs auffangen. 6. Wohl versucht das chinesische Menschentum seit langen, nach Süden auszuweichen, und es wird diesen Weg ohne Zweifel auch in Zukunft zu gehen suchen. Aber wie groß seine bisherigen Erfolge auf dem Wege der Einsickerung (einerseits des unterwandernden Kulis, anderseits des überwandernden Kaufmanns) auch waren, wie sehr diese Erfolge bei nun möglicher machtpolitischer Unterstützung durch ein geeintes Vaterland von zunehmendem Weltgewicht noch auszuweiten sein mögen, niemals werden sie im großen dem entgegenstehenden biologischen Druck des Südraumes überwinden können, der seinerseits bereits so groß geworden ist, dass seine Stoßkraft die afrikanische Ostküste überschritten hat und trotz aller Einwanderungsverbote früher oder später endgültig brechen wird. Der leere Raum Australiens aber ist weit und unerreichbar.

 

Was also kann mir geschehen? Seit es Menschengeschichte gibt, ist es auf Dauer niemals gelungen, ein rasch zunehmendes biologisches Druckgefälle bei reziprokem Raumverhältnis zu stabilisieren. Daran können auch die besten Absichten derzeitiger Regierungen nichts ändern, auch wenn sie unter dem ursprünglichen Primat verwandter Ideologien zu Beginn ihres gemeinsamen Eintritts in die Geschichte die gleiche Fahne hissten und auch heute noch wechselseitig grüßen. — Dieses aber bedeutet, dass China unter den gegebenen unabänderlichen Bedingungen seines Daseins nur nach Nord und Nordwest ausweichen kann und dieses, zumal im Überschwange seiner Neuwerdung wie Gefühl der bereits errungenen Siege, genauso tun wird, wie schon geschah, als das chinesische Bauerntum, damals noch anonym und ohne Rückendeckung durch einen eigenen Machtstaat gegen eine Weltmacht — das damalige Japan — still und zäh antrat und dessen Herrschaftsbereich der Mandschurei in einem Menschenalter mit aber Millionen unterwanderte. Was gestern in der Mandschurei geschah und dieses Land, welches ein halbes Jahrhundert der Zankapfel allein zwischen Russland und Japan schien, nun fast ohne Schwertstreich am Ende doch China in den Schoß spielte (und durch die Leistung dieses Schoßes!), das kann morgen zuerst in der Mongolei, später am Amur und zuletzt im ganzen transbaikalischen Raum geschehen: Friedlich, wenn Russland weicht (wie es aus Sinkiang, aus der Mandschurei wich, wie es Nordkorea und Tibet aufgab), sonst aber, wenn Russland hart bleibt, früher oder später im Kampf — in der letzten Auseinandersetzung des Blutes um des Bodens willen.

 

 

Das Verhältnis Russland – China.

Man spreche mit ostsibirischen Bauern oder Offizieren, die lange im Fernen Osten standen. Sie berichten merkwürdige Dinge von den Lebensbedingungen an der Grenze und der dort herrschenden Stimmung. Sie verstehen die hermetische Grenzsperre der Union auch gegenüber China, sie verstehen die forcierte Ansiedlung neuen Bauerntums unter Bedingungen, die in westwärts gelegenen Kolchosen undenkbar wären, mit ausgesuchten Menschen, im ganzen nach Art des uralten Wehrbauerngedankens an gefährdeter Grenze.

 

Aus dieser Entwicklung, die früher oder später ohne Rücksicht auf eine scheinbar gleiche Ideologie China und Russland gegeneinander stellen, schon sehr bald aus der bisherigen Gemeinschaft aber mindestens herausführen muss, wird sich eine totale Veränderung der großpolitischen Weltlage ergeben, die gleichzeitig das Verhältnis China/Russland und Russland/Amerika (England, Europa) in den Grundlagen verändern muss.

 

Und diese Voraussicht ist neben dem innenpolitischen und wirtschaftlichen Krisenzwang, neben dem heute noch bestehenden militärisch-wirtschaftlichen Übergewicht Amerikas und seines Verbandssystems der dritte und der entscheidende Grund, warum der Friedenswunsch der Sowjetunion und das heißt Russlands gegenüber der westlichen elt schon heute echt ist und in naher Zukunft immer dringender werden wird, je stärker Chinas innerer und äußerer Aufbau in Erscheinung tritt, je schneller und mächtiger seine Volkszahl wächst, je mehr sich sein Druck nach Norden und Nordwesten verstärkt. Es wird für die Sowjetunion bald nicht mehr die Frage sein, wann einmal sie ohne zu großes Risiko Europa überrollen kann, sondern wie sie es anstellen muss, um im Abendland selbst die Rückendeckung zu finden, die allein sie vor einer drohenden Überrollung von Osten her zu schützen vermag.

 

In der aktuellen Politik wird die nächste Entwicklung von dem Verhältnis zwischen Amerika und China abhängen, welches am schwersten belastet erscheint und in der einen oder anderen Richtung zur Entscheidung drängt. Denn Amerika wird sich bald entschließen müssen, ob es mit dem neuen China akkordieren oder mit ihm kämpfen will, um die in Ostasien vor sich gehende Integration mit Hilfe eines Restaurationsversuches zu stören. Amerika muss sich aber auch klar sein, dass es auf solchem Wege den elementar vor sich gehenden Vorgang der ostasiatischen Einigung nur stören, niemals aber aufhalten kann. Doch selbst diese Freiheit des Entschlusses wird nur mehr kurze Zeit bestehen. Denn die Kampfkraft der Formosa-Armee Tschiangs kann trotz bester Ausrüstung nicht mehr lange erhalten bleiben, ihr Nachwuchs fehlt, die Überalterung beginnt. Zudem man braucht nicht Stratege zu sein, um zu verstehen, dass eine Eroberung Chinas von Formosa nie gelingen kann, mit Kräften, die zum Gegner bestenfalls im Verhältnis 1 : 10 stehen mögen, wenn wenige Jahre zuvor das China der Kuomintang bei einem damals umgekehrten Kräfteverhältnis nicht nur nicht gehalten werden konnte, sondern buchstäblich hinweggefegt wurde. Und schließlich: wenn je hat die Geschichte der Welt eine echte, haltbare Restauration von Weggejagten verzeichnet? Und gleiches gilt von den Divisionen Südkoreas. Sie mögen als Platzhalter wertvoll sein, einen erfolgreichen Angriffskrieg gegen China aber von ihnen zu erwarten, kann nur als Illusion erscheinen. 

 

Amerika müsste also letzten Endes allein mit China kämpfen und würde doch am Ende nach unermesslichen eigenem Opfern und schwerer eigener Gefährdung wieder am Anfang stehen. Denn in Unterwerfung halten und auf Dauer besetzen kann man kein Land und Volk von Chinas Größe und Macht, man müsste es denn ausrotten und veraschen.

 

Darum wird Amerika nicht kämpfen, es wird früher oder später, vielleicht früher, als viele denken, mit China akkordieren, also Tschiang und Formosa aufgeben (sofern nicht doch noch eine Eingliederung der Restkuomintang in das neue China gelingt, was nach den Erfahrungen der jüngeren chinesischen Geschichte durchaus nicht ausgeschlossen ist), es muss auch Südkorea und Indochina neutralisieren, d. h. früher oder später der chinesischen Integration überlassen. Als Gegenwert erhielte es eine Ablösung Chinas von Russland in beschleunigtem Tempo und zuletzt den Wiederanschluss an den potentiell größten Konsumraum der Welt. Im Westen aber bekäme Amerika, mit ihm Europa und nicht zuletzt Deutschland den zunehmenden Wunsch der Sowjets nach greifbarer Rückendeckung zu spüren, dessen Realisierung nach Abgabe der Pfänder zu erörtern wäre. Das englische Commonwealth würde zwar durch die größere Nähe des chinesischen Riesen gegenüber Malaya und Burma belastet, es müsste früher oder später Hongkong geben, gewänne aber größere Sicherheit gegenüber dem sowjetischen Druck auf den Nahen und Mittleren Osten und könne erfolgreich an der wirtschaftlichen Erschließung Chinas teilhaben.

 

Wenn sich Amerika entschließt, im pazifischen Raum nicht zu kämpfen, sondern zwecks seiner Erhaltung lieber mit China zu akkordieren, wird es noch weniger kämpfen, um im Rahmen einer überholten Kreuzzugsidee die Sowjetunion militärisch zu zerschlagen — um am Ende eines selbst siegreichen und nicht allzu opfervollen Waffenganges vor der gleichen Problematik zu stehen, die es in Russland ebenso wenig wie in China anders als durch Veraschung und Ausrottung lösen könnte. Darum wird Amerika auch gegen die Sowjetunion nur kämpfen, wenn es selbst von dieser angegriffen wird, es wird auch mit Russland ebenso wie mit China früher oder später einen Weg zur echten Verständigung suchen. Es wird dieses schon aus dem Grunde tun müssen, um Russlands Stellung gegenüber China zu festigen. Dieses scheint paradox. Aber es ist klar, dass Amerika, ebenso wenig ??? auf die Dauer dulden darf, dass Russland China überschattet, auch nicht wünschen kann, dass Chinas Macht sich in Asiens Norden erhebt und zuletzt Russland in seine Gefolgschaft zwingt.

 

Es könnte also in absehbarer Zeit bereits dahin kommen, dass sich zwischen drei Riesenmächten, die sich als allein entscheidende Weltmächte allzu bald herausstellen werden (wobei das Commonwealth seiner Natur wie Struktur nach nur in der Einheit mit Amerika gesehen werden kann), ein gewisses Gleichgewichtssystem, ein neues Konzert der Mächte herausbildet, innerhalb dessen jede Macht versuchen wird, sich gleichzeitig bei den beiden andern rück zu versichern, wobei allerdings der gefährdetste und darum empfindlichste Ort der Raum am Amur bleiben würde. Gerade deshalb müsste dann die Position der Sowjetunion innerhalb dieses Gleichgewichts die schwächste sein, und diese bleibende Schwäche würde Deutschlands und Europas größte Chance bilden.

 

Die ersten Folgen solcher Auswirkung müssten sich bald nach einem Akkord zwischen Amerika und China zeigen. Wie groß dann Deutschlands Aussichten auf Erfüllung seiner Lebenswünsche sein werden, muss von zwei Voraussetzungen abhängig erscheinen: 1. und wie immer von der eigenen Bündnisfähigkeit und damit dem Bündniswert für den Partner, 2. von der absoluten eigenen Bündnistreue gegenüber diesem Partner — Amerika allein! Nur wenn dann dieses Amerika als stärkste und nicht auf uns allein angewiesene Macht der Welt überzeugt ist, dass unsere Bündnistreue unbedingt (wenn auch nicht bedingungslos) ist, nur wenn Russland diese Allianz als unbrechbar und endgültig ansieht — nur dann wird Amerika unsere Grundforderungen gegenüber Russland zu seinen eigenen machen können und wird Russland diese akzeptieren.

 

Bis dahin aber wird Russland sein militärisches Vorgelände mit allen Mitteln zu halten suchen, nicht mehr als Ausfallbasis gegenüber Deutschland und Europa, sondern zunächst als Verteidigungsbasis und später als Pfänderschatz! Erst wenn die echte Verständigung von beiden Seiten, Amerikas wie Russlands, gesucht und angestrebt wird, erst dann kann und wird Russland seine Pfänder geben, Stück für Stück, so langsam als nötig und so teuer als möglich. Denn Russland gibt nur, wenn es muss (wie jedes andere Land schließlich auch), und es ist im Fordern wie Nachgeben hartnäckiger als jedes andere Land, weil das Misstrauen gegen jedes wie alles zu seiner zweiten Natur geworden ist. Jetzt und sofort mit Russland zu sprechen, solange es den Rücken gegenüber China noch frei hat, ist ohne Sinn und Zweck. Zu erwarten, irgendeine Teillösung jenseits der Elbe oder gar der Oder oder im Wiener Becken erreichen zu können, solange nicht der Akkord über den Pazifik hinweg zustande gekommen ist, scheint hoffnungslos. Wenn dies aber geschehen ist und der abgezeichnete Entwicklungsgang begonnen hat, dann ist die Zeit reif dafür, dass Amerika zusammen mit uns (und Europa) gegenüber Russland ernsthaft zu sprechen beginnt. Und es wird dann nicht nur über die heutige sowjetische Zone in Mitteldeutschland, sondern auch über die Lösung der deutschen Ostfragen sprechen können und Antwort erhalten. Es wird sich dann auch zeigen, dass die heutigen Machthaber Mitteldeutschlands über Nacht in einer Ecke des Moskauer Apparates abgestellt werden können, um abzuwarten, ob man sie noch einmal braucht, ebenso wie sie früher viele Jahre in bescheidenen Stübchen des Kominformbüros ein kaum beachtetes Dasein fristeten, solange für Moskau noch die geringste Aussicht bestand, mit dem kämpfenden Deutschland zu einer tragbaren Einigung zu kommen. Würde Deutschland jetzt allein, ohne Amerika oder gegen seinen Willen, zur Verhandlung mit Russland antreten, solange dieses im Fernen Osten noch seiner sicher ist und eine eigene deutsche Machtbasis noch nicht besteht, könnte es die sowjetische „Partnerschaft" nur in Form der eigenen Unterwerfung erhalten und müsste gleichzeitig das Vertrauen wie die Unterstützung Amerikas für immer verlieren. Das aber bedeutete für ein Land, welches nur von der Einfuhrmöglichkeit seiner unzureichenden Rohstoffe und der Ausfuhrfähigkeit seiner Wertarbeit leben kann und daher buchstäblich vom guten Willen der großen Seemächte abhängig bleibt, den Wirtschaftstod mit nacktem Hunger in jeder Form, das Verspielen allen politischen Eigenwerts für weite Zukunft, zuletzt den Aufstand der verelendeten Massen und ein Ende im Chaos.

 

Deutschland - Russlands Nachbar.

Die unbedingte (wenn auch nicht bedingungslose) Bündnistreue gegenüber Amerika und — wenn nötig — allein gegenüber diesem, muss das Grundgesetz der deutschen Politik sein und bleiben. An diesem Grundgesetz müssen sich alle übrigen Planungen der deutschen Außenpolitik orientieren. Will z. B. Amerika die Einrichtung einer EVG, dann muss Deutschland ehrlich und ohne Zögern alles tun, um sie zu verwirklichen (was ja auch geschah), wollte aber Amerika an Stelle der EVG, weil deren Verwirklichung nicht mehr zustande gebracht werden kann, die offene Allianz, dann mag Deutschland auch diese Lösung begrüßen und wird sie nicht bereuen. Entscheidend ist für keine dieser Fragen, wie groß die eigene militärische Kraft zunächst bemessen werden soll, sondern nur, in welchem Maße diese als potentieller Bündnisfaktor von Amerika geschätzt und von Russland gefürchtet wird. Die deutsche Stärke wird also nicht nur eine Frage der möglichen Divisionen, sondern vor allem eine Frage der Herzen und ihrer Härte sein. Solange die Aufstellung einer eigenen Waffenmacht nicht allein von der Außenpolitik, sondern auch von der Innenpolitik abhängt, solange in der Erwägung auch des einzelnen nicht Deutschland an erster Stelle, sondern eine Partei steht, solange allerdings wird unsere Bündnisfähigkeit weder im Westen noch im Osten hoch bewertet werden. Denn durch tausendfache Geschichte ist als Gesetz erhärtet, dass die Stärke und Formkraft einer Nation und ihrer Zukunft allein daran zu messen ist, ob in der Führung die äußere oder die innere Politik den Vorrang einnimmt.

 

Und niemand sollte sich im Unklaren darüber sein, dass nirgendwo dieses Maß der Bewertung Deutschlands und seiner künftigen Stellung in der Welt schärfer gesehen und strenger angelegt wird als in Russland. Jede innerpolitische Störung, vor allem aber jedes Schielen nach Osten wird nur als Zeichen der Schwäche angesehen, welches den (an sich als unvermeidlich angesehenen) Wiedereintritt Deutschlands in die politische Geschichte der Welt verzögern kann und daher mit allen Mitteln unterstützt werden muss. Russland weiß, dass einmal der Tag kommen wird, wo es mit dem wirklichen Deutschland und seiner verantwortlichen Führung über die kommende gemeinsame Zukunft sprechen und auch zur Verständigung kommen muss, aber es will diesen Tag solange als möglich hinausschieben — und man wird dieses verstehen können. Denn Russland fühlt heute schon, dass genauso wie China im Osten, wieder einmal Deutschland im Westen sein nächster Nachbar sein wird, und es hat erfahren, dass es Deutschland auf Dauer niemals integrieren kann, genau so wenig wie China, auch dann nicht, wenn ihm vorübergehend eine auf militärischer Macht beruhende Sowjetisierung selbst Gesamtdeutschlands gelungen wäre oder wider Erwarten noch gelingen würde. Ebenso wie Russland alles getan hat und weiter tun wird, um die Auferstehung Deutschlands so lange wie möglich hinauszuschieben, ebenso wird es mit einem in sich gefestigten Deutschland einmal akkordieren, wenn es endgültig überzeugt ist, dass diese Festigung nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Dieser Akkord aber kann nur vereinbart werden zwischen den verantwortlichen Trägern der Macht. Nur mit einem deutschen Kanzler wird einmal Russland ein echtes Gespräch führen. Und wenn es diesen Kanzler heute noch mit allem Hass der öffentlichen Deklamation verfolgt, morgen schon kann das Gegenteil eingetreten sein, wenn die Zeit zur Verhandlung und Vereinbarung reif geworden ist. Ein totales System geht immer auf das Ganze, es treibt immer Strategie und benutzt Taktik nur zur Erkundung und Maskierung. Darum wird jeder deutsche Privatmann, jede deutsche Delegation, solange sie nicht im Auftrag der deutschen Staatsführung abgesandt werden, nur gegen die eigene Staatsführung wirken können, ob sie es wollen oder nicht. Russland wird sie aushören, abtasten, wenn möglich erpressen mit jedem geeigneten Mittel, Russland wird sie zwar nie als wirkliche Abgesandte Deutschlands ernst nehmen, aber es wird sie loben und preisen, wird ihnen auch vielleicht einmal einen kleinen Wunsch erfüllen, damit sie damit groß tun können. Und es wird mit einem ernsten Gespräch noch länger zurückhalten, eben weil es unernste und billige führen kann.

 

Man möge es verstehen, wenn der Berichterstatter in diesem Zusammenhang auch auf die brennende Frage der noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen und Verschleppten eingeht. Und man wird es ihm glauben, dass ihm wie jedem, der selbst viele Jahre drüben war, kaum eine Frage schwerer auf dem Herzen lastet als die nach ihrer Heimkehr. Aber man möge ihm glauben, dass diejenigen, die heute noch drüben sind, in ihrer überwältigenden Mehrheit ihr Heil und die Erfüllung ihrer Sehnsucht nach der Heimkehr nur von einem harten Deutschland erhoffen. Sie wissen genau, dass sie als Pfänder zurückgehalten werden. Sie wissen wohl, dass einzelne Gruppen zwischendurch im Rahmen taktischer Schachzüge (Vorbereitung psychologischer Verhandlungen usw.) die Freigabe überraschend winken kann, wie es ja auch schon geschehen ist. Sie wissen aber, 1. dass selbst diese „Vorausgruppen" ihre Freigabe letzten Endes nur dem Umstände verdanken, dass schon jetzt ein nicht mehr übersehbares wirkliches Deutschland im Hintergrunde steht, und 2. dass die Freigabe aller erst vollzogen wird, wenn sie von einem deutschen Kanzler in starker, unangefochtener Machtstellung verlangt werden kann.

 

Damit soll nichts dagegen gesagt sein, dass etwa eine Delegation des Deutschen Roten Kreuzes Vorverhandlungen aufnimmt, aber sie wird nur wirkliche Ergebnisse erzielen, wenn hinter ihr die deutsche Staatsführung steht und mit dieser der Beginn eines politischen Akkords für Russland möglich erscheint. Wer nicht versteht, dass mit Russland nur politisch verhandelt werden kann, gleichgültig um welches Thema es auch gehen mag, wer nicht weiß, wie in Russland jede Verhandlung vorbereitet, wie genau die große Linie, aber wie genau auch jede kleinste Möglichkeit sich etwa ergebender Nebendiskussionen von vornherein bedacht, abgeschätzt und festgelegt wird, so dass der Delegation selbst keinerlei eigene Abweichung möglich ist, wer glaubt, dass im Rahmen einer solchen Verhandlung durch Argumente, Gefühlsprägungen oder taktische Geschicklichkeit irgendetwas erreichbar wäre, was nicht längst vor der Verhandlung politisch nach kalter Rechnung vorbestimmt ist, der sollte nicht zu solchen Verhandlungen gehen, vor allem aber nicht erwarten, dass am Ende etwas anderes steht als die eigene Testung durch den Verhandlungspartner, der in Wirklichkeit nicht nur zur Verhandlung, sondern auf Kundschaft ging.

 

Alle bisherige Darlegung steht und fällt mit der Hoffnung, dass Amerika so bald als möglich mit China in irgendeiner Weise akkordiert, in einem Akkord, der den Pazifik befriedet und den Atlantik freihält, um das Abendland gegen Osten zu sichern und im Innern zu einen. Aber es darf darum dieses werdende Abendland nicht als Kleineuropa verstanden, sondern muss als „atlantisches Reich" unter Einschluss  Amerikas erhofft und erstrebt werden. Nur denn kann einmal innerhalb dieses Reiches Europa und in ihm Deutschland gegenüber Amerika selbst eine Stellung finden und halten, die der entspricht, welche einmal Byzanz gegenüber Rom in dem von diesem integrierten antiken Raum einnahm. So unbedingt aber auch die Stellung Deutschlands an der Seite Amerikas festgehalten werden muss, so unbedingt Deutschland jede Sonderverhandlung mit Moskau ohne Amerika ablehnen und jeden Anschein einer schaukelnden, unsicheren, weichen Politik vermeiden muss, so unnachgiebig Deutschland bei jeder kommenden echten Verhandlung mit Moskau die gerechte Regelung der deutschen Ostfrage an der Seite Amerikas und Europas nicht nur für sich selbst, sondern auch für Amerika und Europa zugleich durchsetzen muss — ebenso unbedingt muss Deutschland sich darüber klar sein: 1: dass Russland immer sein größter, mächtigster und nächstgelegener Nachbar bleiben wird, 2. dass zwischen einem kommenden Russland, welches Deutschland nicht nur freigibt und es leben lässt, sondern es zur eigenen Rückendeckung einmal brauchen wird, nicht nur kein einziger tiefer Gegensatz zu bleiben braucht, sondern eine sichere und gute Gemeinschaft erstehen kann. Was im Kriege und Nachkrieg geschah, was immer auch beide Völker sich am Schwerem und Schwersten wechselseitig zufügten, es muss und kann vergessen werden, wenn es um die gemeinsame Zukunft und ihren Aufbau geht. Denn es könnte sein, dass einmal auch Russland auf der westlichen Seite der Barrikade steht, wenn in vielleicht nicht zu ferner Zukunft die großen, alles beherrschenden, weil biologischen Potentialkämpfe im nordasiatischen Raum und im Pazifik zunehmend drohen oder gar zum Austrag kommen. Deutschland mit Europa wird dann gegenüber Russland und Amerika vielleicht zunächst das Glück der zweiten Linie haben, aber es wird sich auch in dieser bewähren müssen, und auf jeden Fall wird Wert für beide großen Partner schon vorher im Aufnehmen sein. So könnte es wohl dahin kommen, dass Deutschland (mit Europa) zwar an der Seite Amerikas bleibt, aber vielleicht früher auch an der Seite Russlands stehen wird, als beide es heute schon für möglich halten.

 

 

Wiederherstellung des Vertrauens.

Aber hierzu ist nicht nur die aktuell-politische Bereinigung der Pfänder nötig, sondern die Herstellung eines Vertrauens, welches vor allem andern von einer Voraussetzung abhängt: Dass Deutschland gegenüber Russland glaubhaft machen kann und selbst als eigene unwandelbare Überzeugung in seinem Herzen verankert, dass es niemals mehr gegen fremdes Ostland reiten wird — und dass Russland diesen Glauben sich zu eigen macht und ihm vertraut. Dieses Vertrauen einmal herzustellen wird sehr schwer sein, umso unzweideutiger und überzeugender müssen seine Voraussetzungen geschaffen werden. Heute steht dieser „Ritt gegen Ostland" noch mit aller Schärfe und Wirkung im Zentrum jeder östlichen Propaganda gegen Deutschland und wird wachgehalten durch die bittere Erinnerung der damit verbundenen „Gefährdung des russischen Vaterlandes" und „Diffamierung des russischen Menschen". Diese Propaganda, die sich auf vergangene Tatsachen stützen kann, ist heute nicht weniger wirksam denn je, man kann sagen, das Ansprechen auf sie liegt dem Russen im Blut, aber die Wurzel dieses Misstrauens (dessen Rechtfertigung für jeden Russen der letzte Krieg und seine Führung endgültig erbracht zu haben scheint) geht zurück auf den Berliner Kongress Bismarcks. Immer wieder kann der Deutsche von russischen Freunden hören: „Wir haben Euch und vor allem Bismarck vertraut, wir sind immer zu Preußen gestanden, und doch haben Preußen und Bismarck uns preisgegeben und verraten!" — Sie sagten: „Wenn der Nationalsozialismus gegen die Sowjetunion angetreten wäre, um das kommunistische System zu brechen und Russland wiederherzustellen, er hätte den Widerhall im ganzen Volk gefunden und hätte gesiegt, aber — er wollte dieses nur zum Schein, er wollte ja unser Land nehmen und uns verknechten!" — Der Berichterstatter ist der Überzeugung, dass auch heute noch alle Russen an die „ewige deutsche Gefahr" glauben und ihr Wiederkommen fürchten.

 

Der Berichterstatter kann nicht verhehlen, dass es ihm schwer fiel, solche Meinungen durch eine Diskussion der Vergangenheit und ihrer andern Möglichkelten zu überwinden. Er hat auch darauf verzichtet, etwa eine Gegenrechnung darüber aufzumachen, was umgekehrt Russland Deutschland und Preußen gegenüber getan und verschuldet hat. Aber er hat versucht, seinen Partnern im Gespräch all seine Überzeugung folgendes klarzumachen und ist dabei auf Verständnis gestoßen. Er sagte: Fest steht als Gesetz der geschichtlichen Biologie wie biologischen Geschichte, dass eine militante Eroberung militärisch nicht gehalten werden kann, wenn sie gegen ein biologisches Volkstumsgefälle geschieht und sich trotzdem auf Dauer durchsetzen will. Denn selbst im Falle eines totalen militärischen Sieges hat der das Land besetzende und raubende Sieger nur eine dreifache politisch-biologische Wahl: 1. Er kann ein militär-politisches „Herrentum" einsetzen und damit auf kurze Zeit eine dünne Überwanderung des beherrschten Raumes einleiten. 2. Er kann auf die Einsetzung einer solchen blutsmäßig abgegrenzten Herrenschicht verzichten und eine breite Verschmelzung mit dem unterworfenen Volkstum eingehen. Dasselbe aber mit den biologisch weit überlegenen Völkern des heutigen russischen Ostraumes zu versuchen, würde allenfalls ein Großreußentum erstehen lassen. Dieses aber wäre niemals ein Ziel, welches ein Volk verlocken könne, selbst wenn es sein Gesetz nur auf Macht und nicht auf Recht stellen wollte. 3. Eine „echte und dauerhafte Landnahme" lässt sich nur auf dem Wege der Ausrottung des unterworfenen Volkes herstellen. Wo immer solches geschah, bleibt der Ausgleich für später offen und wird einmal vollzogen. Niemals wird Deutschland einen solchen Gang gehen wollen und darum auch niemals wieder die Voraussetzungen eines solchen schaffen. — Der Berichterstatter fügte hinzu, dass der Nationalsozialismus deshalb stürzte und stürzen musste, weil er das eigene Gesetz, nach dem er ursprünglich angetreten war, nicht erfüllte, das Gesetz: das gleiche Maß von Freiheit, Recht und Ehre, das man für das eigene Volk verlangen und um jeden Preis erkämpfen muss, auch jedem andern, nicht nur dem russischen Volk zu geben! Weil er das Gesetz in sein Gegenteil verkehrte, darum musste er fallen und hätte dem russischen Volk auch ohne Landnahme und im Falle seines militärischen Sieges die Freiheit nicht gebracht. Obwohl das deutsche Volk an dieser Verzerrung und Stürzung des Gesetzes, an dessen Wahrheit und Erfüllung es ursprünglich glauben durfte, nur mittelbar Schuld trägt, hat es durch den schwersten Opfergang der Geschichte gebüßt, was gebüßt werden kann, und wird seinen Fehlgang niemals wiederholen. — Und darum darf und kann Russland glauben, dass niemals mehr ein Ritt nach Ostland geschehen wird.

 

Was der Berichterstatter mit dieser Parenthese, zeigen wollte, ist nur dieses, dass man mit allen Mitteln versuchen muss, russischen Menschen klarzumachen, dass Deutschland gegen Russland nie mehr kämpfen wird, wenn es dieses nicht zur eigenen Verteidigung muss, dass es niemals mehr im Osten Land begehren wird, weil es weiß, dass jeder derartige Versuch sich in sein Gegenteil verkehren würde, und dass es dieser Überzeugung mit dem Herzen wie dem Verstand ohne Vorbehalt treu bleiben will. Dass es aber auch niemals verzichten kann und auf sein eigenes Recht und seine eigene Freiheit und ihre Wiederherstellung in einer echten Grenze gegen Osten, die dann wirklich eine „Friedensgrenze" sein und bleiben soll.

 

Man kann natürlich gegen alle diese Überlegungen einwenden, dass sie „in zu weitem Felde" lägen, und dass es Deutschlands Aufgabe sei, taktische Aktualpolitik und nicht politische Strategie auf lange Sicht zu treiben. Man kann aber auch der Auffassung sein, dass ein Großvolk solcher in der Geschichte bewiesener Potenz und Leistung wie das Deutsche auf eine Planung in Jahrzehnten nicht verzichten kann, wenn es sich nicht damit abfinden will, endgültig ein Objekt der Geschichte zu werden. Man kann wohl der Überzeugung sein, dass Deutschland trotz seiner Katastrophe und augenblicklichen Schwäche keinen Grund hat, zu resignieren, es sei denn den Willen zum Verzicht darauf, einmal wieder das Subjekt seiner Geschichte zu sein. Der Berichterstatter bekannt sich zum Glauben, dass Deutschland dieses Ziel noch einmal gewinnen kann, wenn es hart bleibt und seine Zukunft nicht an die Gegenwart verkauft, und dass sein Menschentum noch nicht alt genug ist, um seinen Auftrag für erfüllt halten zu dürfen.

 

 

Seite 5   Aus den Landsmannschaften.

Vereinigung „Ordensland“ in Tuttlingen.

Im Herbst 1955 eröffnete die „Landsmannschaft Vereinigung Ordensland der Danziger, Ost- und Westpreußen in Stadt und Kreis Tuttlingen“ eine besonders reiche Tätigkeit. Auf dem Monatstreffen im September sprach Dr. Konrad Hoffmann von seiner Studienzeit und seinen Semesterferien in Ostpreußen. Seine Plauderei unter dem Titel „Wie ich als Schwabe Ostpreußen erlebte“ schilderte Ostpreußen als Land der Weite, „wo der Himmel die halbe Landschaft sei“, und als Brücke zum Osten. Mehr Liebe als Kritik brachte der Redner dem deutschen Nordosten entgegen und erregte bei heimatvertriebenen wie einheimischen Zuhörern das Bestreben, der wachsenden Verständigung der deutschen Stämme untereinander zu dienen.

 

Am 17. September wurde die vom Ordensland gemeinsam mit der Volkshochschule Tuttlingen veranstaltete „Ostdeutsche Reihe – drei Abende ostdeutschen Kulturschaffens“ mit der literarisch-musikalischen Hörfolge „Land der dunklen Wälder“ eingeleitet. Willy Rosenau, ihr geistiger Urheber und Konzert- und Rundfunksänger, aus Ostpreußen stammend, sang ostpreußische Kunst- und Volkslieder, begleitet von dem bekannten Stuttgarter Pianisten Gotthold Heinz Weber am Flügel, und Martin Winkler von den Städtischen Bühnen Augsburg rezitierte mit gleicher Meisterschaft ostpreußische Dichtung. Mit 340 Besuchern aus Stadt und Land, Einheimischen wie Heimatvertriebenen, war der große Saal des Evangelischen Vereinshauses fast voll besetzt, der stürmische Beifall am Schluss nötigte den Künstlern einige Zugaben ab. Anwesend war auch der Landesvorsitzende der Westpreußen, Senator a. D. Erwin Hasbach.

 

Am 8. Oktober traf sich die Vereinigung „Ordensland“ in Tunigen, einer Gemeinde des Tuttlinger Kreises, mit der Schwenninger „Nordostdeutschen Landsmannschaft“; gemeinsam mit dem Tuninger BVD-Ortsverband führten sie eine Feierstunde zur Erinnerung an die Heimat durch und anschließend, während die Mitglieder sich beim Tanz vergnügten, ein Rundgespräch der Vorstände über die zu leistende Arbeit an Jung und Alt. Den zweiten Abend der „Ostdeutschen Reihe“ in Tuttlingen bestritt außer der künstlerisch vollendeten Umrahmung mit Beethoven und Schubert durch die sudetendeutsche Pianistin Hedi Kieß-Thyssen der Königsberger Meisterphotograph Otto Stork. Seine sensible Kamera hatte das Gebiet „Zwischen Weichsel und Memel“ abgetastet; was er zu bieten hatte an Farbaufnahmen, war von solch künstlerischer Gediegenheit geprägt, von so viel Atmosphäre überhaucht, dass niemand sich diesem Anruf des Schönen und Zeitlosen zu entziehen vermochte. Das Wellenspiel auf der Fläche des Kurischen Haffs, die wechselnde Wolkenlandschaft am Ostseehimmel, Otto Stork fängt sie ebenso einmalig reizvoll ein wie die alten Ordensbauten, oder den Blick über das Dächermeer der Danziger Altstadt. So wurde er verdientermaßen nach seinem Vortrag mit herzlichem Beifallf. Der gleiche Vortrag, von Ordensland mit dem dortigen Volksbildungswerk am Vorabend in Trossingen organisiert, hatte vor allem gebürtige Ostpreußen angelockt. In Tuttlingen war ihm ein Rekordbesuch von rund 500 Zuschauern beschieden, von denen 140 etwa aus den Kreisgemeinden in Omnibussen herbeigeholt werden konnten. 240 Schüler erlebten die gleiche Bilderschau mit Vortrag außerdem am Vormittag im Lichtspielhaus „Zentral-Theater“.

 

Als Ergänzung zu den Danzig- und Ostpreußenbildern Otto Storks zeigte der Ordensland-Vorsitzende auf dem Monatstreffen des 15. November etwa 50 Schwarzweißaufnahmen von den architektonischen Leistungen der Ordensritter und Mönchsbrüder im westpreußischen Weichseltal. Es wurde deutlich, wie in erster Linie sie den Ufern der unteren Weichsel das kulturelle Gesicht geliehen haben. Das Treffen wurde vervollständigt durch geschäftliche Mitteilungen, Bekanntgabe der nächsten Veranstaltungen und gemeinsamen Gesang aus den neu angeschafften Volksliederbüchern „Singendes Ostpreußen". — Ebenbürtig den beiden ersten Abenden der „Ostdeutschen Reihe" folgte am 26. November ihr letzter unter dem Titel: „Dichterwort und Flötenspiel, ein Abend zum Preise der Kräfte der Heimat". Absichtlich wurde der Bereich des Gebotenen diesmal erheblich weiter gesteckt: von der Ostsee bis zum Riesengebirge. Roswitha Durach, Dozentin der Sprechkunst in Stuttgart, sprach die ostdeutsche Dichtung nach sorgfältiger Einfühlung ohne Effekthascherei, gesammelt, vergeistigt. Bekannte Dichter vernahm man ebenso wie Neues, noch nicht Gehörtes, aus dem starken Erlebnisband „Aber das Herz hängt daran" des Brentano-Verlages in Stuttgart. Zu der unwiderstehlichen Eindrucksgewalt der Dichtungen trat intermezzoartig die Weihe Bach'scher Sonatenklänge, von Rose Albikker-Lutz auf der Konzertflöte und Musikdirektor Alfons Kade auf dem Flügel in reifer Beseeltheit, dargeboten; Rezitation und Spiel zusammen wurden zu einer heute selten erlebten Wanderung in die unverfälschte Tiefe des Gemüts.

 

Die Gesamtreihe „Ostdeutsche Heimat“ bewirkte einen Durchbruch der Erkenntnis in der breiteren Öffentlichkeit, dass die Heimatvertriebenen im Osten ein Stück Deutschland verlassen mussten, das ebenbürtig und unabdingbar zu dem lebendigen Organismus des gemeinsamen Vaterlandes gehört. — „Ordensland" ließ die Veranstaltungen des Jahres 1955 und dieses selbst ausklingen in einem Adventsnachmittag am 11. Dezember. Lichtbilder zur Weihnachtsgeschichte nach den Gemälden alter und neuer Meister, abgelöst dann und wann von weihnachtlichen Landschaftsaufnahmen, wurden vorgeführt und gedeutet, nachdem Frau Charlotte Metzger den Zuhörern an den kerzen- und tannenzweiggeschmückten Kaffeetischen kunstvoll und geschult mehrere Weihnachtslieder von Cornelius u. a. vorgetragen hatte. Zwei besinnliche Stunden bei denen die Ältesten der Ordensland-Vereinigung als Gäste bewirtet wurden, vergingen erfüllt von erwartungsvoller Adventsstimmung und zugleich dem erstarkenden Gemeinschaftsbewusstsein, dem die großen neuen Wappen der drei Landsmannschaften wie die beiden neuen Fahnen mit den Initialen „L V O" im weißen Wappenfeld schon während der öffentlichen Herbstveranstaltungen Ausdruck verliehen hatten. Die Vorstandsmitglieder dankten ihrem Ordensland-Vorsitzenden bei dieser Gelegenheit für seine unermüdliche Initiative durch Überreichen eines Buchgeschenkes.

 

Die „Landsmannschaftliche Vereinigung Ordensland in Stadt und Kreis Tuttlingen" hat die Ziele, die sie sich zunächst für 1955 gesteckt hatte, zweifellos erreicht. Auf der Jahreshauptversammlung am 14. Januar 1956 wird der Vorstand einen Überblick vermitteln und Rechenschaft ablegen über das Geleistete und einen Ausblick geben auf die Planung für das anbrechende Jahr. Ein „Bunter Abend" am 28. Januar soll dann der Unterhaltung und dem Tanz, also einmal der uneingeschränkten Fröhlichkeit dienen.

 

 

Seite 5   Gumbinner Jugend erlebt ihre Freizeit in der Patenstadt Bielefeld.

Es war ein Versuch in der heimatkundlichen Jugendpflege: Kreisvertreter Hans Kuntze hatte 56 Gumbinner Jungen und Mädel zu einer Freizeit nach Bielefeld eingeladen. Unter den Teilnehmern waren vertreten die Altersstufen von 16 bis 25 Jahren, einige noch älter, bei den Jungen / Schüler, Arbeiter, Handwerker und Studenten, bei den Mädeln Schülerinnen, Haustöchter, Bürogehilfinnen, eine Imkerin und ein Schreinerlehrling. Sie kamen aus allen Gegenden der Bundesrepublik: Aus Berlin waren zwei, aus Stuttgart fünf, aus Schleswig-Holstein acht Teilnehmer gekommen. Am 11. November waren in dem Tagungsraum der Jugendherberge Sieker bei Bielefeld alle Freizeitteilnehmer zur Begrüßung versammelt. Die alte Heimat überbrückte alle Fremdheit. Viele kannten sich noch von der Schule, doch elf Jahre hatte man sich nicht gesehen. Man war in verschiedenen Schulen der Bundesrepublik groß geworden. Die Erzählungen der Eltern über die Heimat hatten die Erinnerungen nicht vergessen lassen — so war man in der Freizeit gleich zu Hause. Oberbürgermeister von Bielefeld, Herr Ladebeck begrüßte die Freizeitteilnehmer. Seine warmen Worte mahnten, die Heimat Ostpreußen nicht zu vergessen, wachen Geistes zu sein, sich Wissen und handwerkliches Können anzueignen, um später wieder die alte Heimat aufbauen zu können. In Begleitung des Herrn Oberbürgermeisters waren Dr. Niemeyer, der Dezernent für die Patenschaft, Stadtamtsleiter Fuchs und mehrere Ratsherren erschienen. Herr Fuchs übermittelte im Plauderton ein sehr eindrucksvolles Bild von der Geschichte Bielefelds und ihrem Wirken und Schaffen. Kreisvertreter Kuntze berichtete über „Patenschaft und Heimat" und gab einen Überblick über die heimatpolitischen Aufgaben der Landsmannschaft. Die Kultur- und Jugendreferentin der LM Ostpreußen, Fräulein Hanna Wangerin, führte uns in die heimatkundliche Arbeit der ostpreußischen Jugendgruppen und der DJO ein. Am Nachmittag Es war ein Versuch in der heimatkundlichen Jugendpflege: Kreisvertreter Hans Kuntze hatte 56 Gumbinner Jungen und Mädel zu einer Freizeit nach Bielefeld eingeladen. Unter den Teilnehmern waren vertreten die Altersstufen von 16 bis 25 Jahren, einige noch älter, bei den Jungen Schüler, Arbeiter, Handwerker und Studenten, bei den Mädeln Schülerinnen, Haustöchter, Bürogehilfinnen, eine Imkerin und ein Schreinerlehrling. Sie kamen aus allen Gegenden der Bundesrepublik: Aus Berlin waren zwei, aus Stuttgart fünf, aus Schleswig-Holstein acht Teilnehmer gekommen. Am 11. November waren in dem Tagungsraum der Jugendherberge Sieker bei Bielefeld alle Freizeitteilnehmer zur Begrüßung versammelt. Die alte Heimat überbrückte alle Fremdheit. Viele kannten sich noch von der Schule, doch elf Jahre hatte man sich nicht gesehen. Man war in verschiedenen Schulen der Bundesrepublik groß geworden. Die Erzählungen der Eltern über die Heimat hatten die Erinnerungen nicht vergessen lassen — so war man in der Freizeit gleich zu Hause.

 

Oberbürgermeister von Bielefeld, Herr Ladebeck begrüßte die Freizeitteilnehmer. Seine warmen Worte mahnten, die Heimat Ostpreußen nicht zu vergessen, wachen Geistes zu sein, sich Wissen und handwerkliches Können anzueignen, um später wieder die alte Heimat aufbauen zu können. In Begleitung des Herrn Oberbürgermeisters waren Dr. Niemeyer, der Dezernent für die Patenschaft, Stadtamtsleiter Fuchs und mehrere Ratsherren erschienen. Herr Fuchs übermittelte im Plauderton ein sehr eindrucksvolles Bild von der Geschichte Bielefelds und ihrem Wirken und Schaffen. Kreisvertreter Kuntze berichtete über „Patenschaft und Heimat" und gab einen Überblick über die heimatpolitischen Aufgaben der Landsmannschaft. Die Kultur- und Jugendreferentin der LM Ostpreußen, Fräulein Hanna Wangerin, führte uns in die heimatkundliche Arbeit der ostpreußischen Jugendgruppen und der DJO ein. Am Nachmittag machten die Teilnehmer einen Spaziergang zur Sparrenburg, dem Wahrzeichen der Stadt Bielefeld. Von dem hohen Turm hatten sie einen schönen Blick auf die Stadt. Herr Fuchs war bei der Besichtigung ein fachkundiger Führer. Am Abend wurde durch Herrn Schulz-Heising ein mit Puppenspielen und Geschichten ausgeschmückter Heimabend gestaltet. Der Sonntag wurde mit einem Gottesdienst von Pfarrer Schibilsky, Bielefeld (früher Lötzen) eingeleitet. Anschließend wurden gemeinsam Heimatlieder gesungen. Für den Nachmittag hatte die Stadt Bielefeld einen Omnibus zur Verfügung gestellt zu einer Fahrt zum „Haus der deutschen Jugend des Ostens“.

 

In Wald und Heide ist hier durch die Bielefelder Landsmannschaften – auf die Initiative von Herrn Schulz (Königsberg), der selbst Erklärungen gab – für die ostdeutsche Jugend ein Heim geschaffen worden, in dem sie Wochenend- und auch längere Freizeiten abhalten kann. Später ging die Fahrt zur Jugendsiedlung Augustdorf (Heidehaus) weiter; hier ist im Wald ein Werk entstanden, das wohl einzig dasteht. Heimatlose Jugendliche haben aus eigener Kraft ein Dorf geschaffen, das ihnen Unterkunft und Arbeit gibt. Am Abend zeigte Herr Gebauer Lichtbilder der alten Heimat, die die Schönheit der Stadt Gumbinnen verdeutlichen. Dass diese erste Freizeit für alle Teilnehmer viel Freude mit sich brachte, ist der Patenstadt Bielefeld zu danken, die durch geldliche Unterstützung vielen die Teilnahme an der Freiheit ermöglichte. Im Mai und September 1956 sind weitere Freizeiten geplant. An dieser Stelle sei auch den Herbergseltern, Herrn und Frau Zielonka, für ihre Mühe Dank gesagt. Einen eindrucksvollen Abschluss der Freizeit brachte der Besuch der Anstalten von Bethel. Auf Wunsch einer alten ostpreußischen Schwester, für sich und ihre Pflegebefohlenen das Ostpreußenlied zu singen, erklang zum Abschied von Bielefeld „Land der dunklen Wälder …“

 

 

Seite 5   Gespräch am „Runden Tisch“ in Lübbecke/W.

Die Ostpreußische Landsmannschaft in Lübbecke/Westf. war kürzlich zu einem Gespräch am runden Tisch über die Forderungen der Ostvertriebenen bei einer doch einmal kommenden Wiedervereinigung zusammengekommen.

 

Nach dem Gesange des Ostpreußenliedes erinnerte der Sprecher, Herr Hardt, an den Geburtstag des Bundeskanzlers und erörterte dann die Aufstellung der Wehrmacht. Hierauf begann eine lebhafte Aussprache, nachdem der Vorsitzende kurz die Absichten von Moskau und Pankow dargelegt hatte. Am Schlusse der anregenden Ausführungen der einzelnen Teilnehmer erfolgte eine Zusammenfassung der Forderungen.

 

1. Wir wollen wieder ein Preußen, nicht eine neue Anzahl von Bundesländern.

 

2. Freie Wahlen müssen durchgeführt werden.

 

3. Die Vopo ist durchzuprüfen, ehe sie eingegliedert werden kann.

 

4. Die dortigen Gesetze, insbesondere Strafgesetzbuch und Bürgerliches Recht sind unseren Rechtsnormen anzugleichen, die dort gefällten Urteile sind nachzuprüfen, Konzentrationslager und Arbeitslager sind aufzulösen.

 

5. Der freien Wirtschaft ist Raum zu geben, die volkseigenen Betriebe sind ihren früheren Besitzern wiederzugeben, die Lebensmittelversorgung ist auf den westdeutschen Stand zu bringen, ebenso die Währung.

 

6. Die Arbeiterschaft muss ihre Freiheit wiederbekommen.

 

7. Die Neubauern sind von dem ihnen auferlegten Soll zu befreien, dafür aber zu einer Rentenzahlung heranzuziehen, die vertriebenen Besitzer sind zu entschädigen, oder auf den Staatsgütern und Kolchosen anzusetzen, soweit sie ihren alten Besitz nicht wiedererhalten können.

 

8. Die Schulen sind auf ihre deutschen Aufgaben zurückzuführen, deutsche Literatur und deutsche Geschichte treten an die Stelle der russischen, die Lehrerschaft ist dazu umzuschulen.

 

9. Den Kirchen ist für ihre Entwicklung freier Raum zu geben.

 

10. Die Freiheit der Presse ist wieder herzustellen.

 

11. Für die Neuordnung und Übernahme der Verwaltung stehen die Landsmannschaften und die Landesversammlungen der Ostvertriebenen zur Verfügung, die sich meistens bis zu den Dörfern hinunter ihre Vertrauensleute geschaffen haben, für Beamtenstellen werden Amts- und Postenjäger abgelehnt, ebenso undurchsichtige Elemente.

 

12. Wir unterstreichen, was der verstorbene Bundestagspräsident Dr. Ehlers am 18. Januar 1953 in einer Studentenkundgebung ausgeführt hat. Er sagte: „Ob das Reich noch einmal von Preußen her Gestalt gewinnt, mag der Zukunft überlassen bleiben. Dass es, wenn es denn seine Funktion in diesem Raum der Deutschen noch einmal erfüllen sollte, nicht ohne zahlreiche der preußischen Staatstugenden aufkommen wird, die es mit gebildet und getragen haben, ist sicher.

 

Jedenfalls aber, wie die Geschichte auch laufen mag, werden wir auch das preußische Selbstbestimmungsrecht so ernst zu nehmen haben, dass den Menschen des Landes, das einst Preußen war, insbesondere im deutschen Osten, die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen Form sie leben wollen, ausschließlich vorbehalten bleiben muss.

 

Niemand kann diesen Menschen diese Entscheidung abnehmen, keiner darf sie ihnen, aus welchen Gründen auch immer, präjudizieren. Die einzigen legitimen Richter über das preußische Land um Magdeburg und in der Mark, in Pommern, Schlesien und Preußen sind die Menschen, die ein Recht auf ihre Heimat haben“.

 

 

Seesen am Harz

Im Mittelpunkt der Adventsstunde der Ost- und Westpreußen am 17. Dezember wird ein Märchenspiel stehen, mit dessen Einstudierung Kulturleiterin Lieselotte Donnermann begonnen hat. Auch die beliebte Verlosung von Königsberger Randmarzipan steht wieder auf dem Programm. Der Heimatchor unter Leitung von Hilfsschullehrer Fenske rüstet sich zu dieser Feier mit Chorproben, die jeweils am Mittwoch um 20 Uhr stattfinden. Am Sonntag, 18. Dezember, werden 110 Kinder der Mitglieder um 16 Uhr im „Ratskeller" eine Vorweihnachtsfeier mit freudebringenden Überraschungen erleben. „Knecht Ruprecht" erscheint persönlich!

 

 

Lustige Stunden mit Dr. Lau

Dr. Alfred Lau, der Verfasser der ostpreußischen Gedichtbändchen „Schabbelbohnen" und „Plidder-Pladder", erschienen im Verlag Gräfe & Unzer, hat sich bereit erklärt, anlässlich von landsmannschaftlichen Veranstaltungen der Kreis- und Ortsgruppen im Bundesgebiet Rezitationen aus seinen humorvollen Arbeiten in ostpreußischer Mundart und Platt vorzutragen. Eventuelle Anforderungen bitten wir direkt an Herrn Dr. Alfred Lau, Bad Grund (Harz), Hübichweg 16, zu richten. Da Herr Dr. Lau beruflich tätig ist, kommt nur das Wochenende in Frage. Honorar wird nicht beansprucht, nur die tatsächlich anfallenden Unkosten bittet Herr Dr. Lau, ihm zu vergüten.

 

 

Bezirksverband Unterfranken der LM Ostpreußen

In Würzburg trafen sich die Delegierten von sieben Kreisgruppen (Aschaffenburg, Bad Kissingen, Kitzingen, Lohr, Marktheidenfelde, Miltenburg und Würzburg). Die Vorbereitung für dieses Treffen hatte die Kreisgruppe Würzburg übernommen. Landsmann Fischer, der erste Vorsitzende der Kreisgruppe Würzburg, wies nachdrücklich auf die Notwendigkeit der Gründung eines Bezirksverbandes für Unterfranken hin. Es wurde einstimmig beschlossen, den Bezirksverband Unterfranken mit der Geschäftsstelle in Würzburg, Scheffelstraße 1, zu gründen und eine Satzung festzulegen. In den geschäftsführenden Vorstand wurden als erster Vorsitzender Landsmann Fischer, Würzburg, als zweiter Vorsitzender und Schriftführer Landsmann Mascharek gewählt. Den Bezirksgruppen Hammelburg, Karlstadt und Schweinfurt wurden Sitzungsprotokoll und Satzung zusammen mit einer Einladung zum Beitritt in die Bezirksgruppe übersandt. — Der Bezirksverband Unterfranken wird im Dezember an der Landesdelegiertenversammlung der Landesgruppe Bayern, die voraussichtlich in Nürnberg stattfinden wird, teilnehmen. — Im Frühjahr kommenden Jahres sollen in Lohr am Main eine erste Delegiertenversammlung und ein Heimattreffen stattfinden.

 

 

Bez.-Gruppe Essen-Rüttenscheid

Als Abschluss der Jahresarbeit 1955 veranstaltete die Bezirksgruppe der Ost- und Westpreußen Essen-Rüttenscheid im Dezember 1955 im Kaffee Reppekus eine sehr gut besuchte und stimmungsvolle Adventsfeier, bei der die alten Weihnachtslieder gemeinsam gesungen, Gedichte und die Weihnachtsgeschichte von Kindern und Weihnachtslieder von der Jugendgruppe vorgetragen wurden. An Kinder unter 14 Jahren und Mitglieder von 70 Jahren und darüber wurden bunte Tüten verteilt.

 

Im letzten Vierteljahr 1955 wurden besonders wertvolle und sehr gut besuchte Veranstaltungen durchgeführt. So im Oktober ein Tonfilmabend über Masuren und Nikolaus Kopernikus. Dazu kam ein Werbefilm „Die Zauberin im Haushalt".

 

Eine Veranstaltung im November war gewidmet dem Gedenken an den Heimatdichter Walter Scheffler aus Königsberg.

 

Bedauerlich ist nur, dass viele der in Essen wohnenden Ost- und Westpreußen noch nicht oder nicht regelmäßig den Weg zu den Veranstaltungen der Bezirksgruppen finden. Es würde allen Mitarbeitenden noch mehr Freude machen, wenn die mit Zeit und Mühe vorbereiteten heimatlichen Abende immer durch regen und regsten Besuch unserer Landsleute Anerkennung und Unterstützung finden würden. Einmal im Monat sollten alle Landsleute das Bedürfnis haben, sich zu treffen, um in Gedanken an die Heimat und im Kampf um die Heimat beisammen zu sein.

 

Die nächste Versammlung der Bezirksgruppe Rüttenscheid findet als Jahreshauptversammlung am 27. Januar 1956, 20 Uhr im Kaffee Reppekus, Rüttenscheider Str. 77/79 statt.

 

 

Warendorf (Westf.)

In der Hauptversammlung der Kreisgruppe Warendorf, die aus Anlass ihres vierjährigen Bestehens abgehalten wurde, berichtete der Vorsitzende, Gestütoberrentmeister Dohnke, über die Arbeit, die in landsmannschaftlicher Hinsicht im Kreise Warendorf geleistet worden ist. Er schilderte das gute Einvernehmen mit den übrigen Landsmannschaften und wies darauf hin, dass alle Landsmannschaften dem Kreisverband des BVD angehören und so zusammen die Belange der Ostvertriebenen auf allen Gebieten fördern und vertreten.

 

Dr. Thuleweit, Königsberg, der als Justitiar bei der Aufbaugemeinschaft Espelkamp tätig ist, sprach über das Entstehen der Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittwald, die innerhalb von fünf Jahren aus Gebäuderesten der „Muna" entstanden und zu einem Gemeinwesen geworden ist, das jetzt schon über 7000 Einwohner zählt. Ein Film führte die geleistete Arbeit bildlich vor und erweckte Erstaunen und Beifall. Dieser Vortrag kann allen Kreisgruppen empfohlen werden. Anfragen sind an die „Aufbaugemeinschaft Espelkamp-Mittwald, Kreis Lübbecke i. W." zu richten. A. D.

 

 

Seite 5   Flensburg

Wie alljährlich hatte die Landsmannschaft Ostpreußen auch im Dezember zu einem Alten-Kaffee geladen. Nach Begrüßung der Erschienenen durch die Frauenreferentin — Frau Hiller — sprach Herr Sup. Handtmann herzliche Worte an die alten ostpreußischen Schicksalsgefährten. Er erinnerte in seiner Rede an die Wiege des Preußentums, insbesondere an Ostpreußen, wo immer ein guter Menschenschlag aufrichtig, treu und opferbereit lebte. Beweis wäre dabei das hohe Alter vieler Ostpreußen. Schulrat a. D. Babbel, der 1. Vorsitzende der Landsmannschaft, begrüßte seine lieben „Mitalten" und dankte ihnen, dass sie in Treue und Anhänglichkeit in den langen Jahren zur Landsmannschaft und damit auch zu ihrer alten Heimat gestanden haben. Wie üblich wurden die Altersjahrgänge aufgerufen und die Ältesten durch Überreichung eines Bernsteinabzeichens geehrt. Bei einer reichlich gedeckten Kaffeetafel, bei der auch Zigarren und Süßigkeiten nicht fehlten, wurden frohe Stunden verlebt. Es wirkte eine Kindergruppe mit, ferner Frau Kursch mit einer eigenen Erzählung über die Bedeutung der Adventsfeier und der Ostpreußen/Pommern-Chor unter Leitung von Herrn Riedel. Des Weiteren erfreute Fräulein Murawski die ostpreußischen Alten mit feinsinnigen Liedern.

 

Abschließend wurden die alten Landsleute durch das Spiel „Aus der Jugendzeit" an vergangene, frohere Zeiten erinnert. Dankbar und froh schieden die Alten, um von diesen schönen Stunden wieder einmal lange Monate zu zehren.

 

 

Seite 6   Eine Ordenskirche in den Dolomiten.

Foto: Innenfenster der Kapelle Aufn.: H. Nimz

Foto: Deutschordenskapelle St. Anna

Kaum eine Epoche in der Geschichte unserer Heimat war für diese so bedeutungsvoll, wandelte sie so tiefgehend um und prägte sie wie die rund zwei Jahrhunderte der Herrschaft des Deutschen Ritterordens. Dieses Bewusstsein wurde noch über fünf Jahrhunderte hinweg lebendig erhalten, wurde sichtbar gemacht durch die Bauten, die Mauern, die aus jener fernen Zeit herüberragten in unsere Gegenwart trotzig und unzerstört allen schweren Kriegen und Drangsalen und Zerstörungen zum Trutz, die über dieses Land hinweggebraust waren. Es blühten die Städte, die der Orden gegründet, es ragten die Burgen, die der Orden gebaut und die den Städten ihren Namen gegeben hatten. Und allenthalben im Land standen noch die schönen gotischen Kirchen mit den herrlichen Gewölben, die der Orden hinterlassen hatte.

 

Für die meisten von uns sind diese Ordenskirchen ein Begriff, untrennbar von dem Gesamtbild unserer Heimat — die meisten von uns haben in diesen alten Kirchen gestanden und staunend die riesigen dicken Mauern bewundert, die klaren Linien der gotischen Decken — so erhaben in ihrer strengen Gliederung, so wohltuend in ihrem ruhigen Gleichmaß. — Wie ein Wahrzeichen für Festigkeit und Unverwüstlichkeit, für Beständigkeit und Treue stehen die Bilder unserer alten Ordenskirchen vor unserer Seele, sind ein Stück unserer Kindheit, ein wertvoller Teil des Bildes unserer verlorenen Heimat, um die ewig unser Sehnen kreist ---

 

Auch in Urlaubstagen — und in Urlaubstagen erst recht! — Mag sie übertäubt werden, die Sehnsucht, in der Hast und Arbeit und allen Anforderungen, die der Alltag an uns stellt — mögen die Bilder unserer unvergessenen Heimat überdeckt werden von neuen Eindrücken — in der Muße der Ferientage steigen Erinnerungen, steigen alle alten Bilder wieder auf! In Träumen geht man die geliebten alten Wege der Heimat, lebt die unbeschwerten frohen Ferientage in den weiten heiteren Gefilden der Jugend noch einmal durch. — Und beim Erwachen fühlt man sich fremd, einsam und fremd hier in diesem gelobten Lande, in dem die Felsen düster in den Himmel ragen und den Blick versperren zur Sonne, den freien Blick zum Himmel — so dass es nötig ist, gewaltsam die Seelen zum Himmel zu weisen: Allenthalben, an allen Wegen, auf allen Plätzen ragen Marterin auf, fordern Kapellchen ein Gebet.

 

Als Fremdling in einem fremden Land fühlt man sich vor diesen steinernen Häusern mit den kleinen, von außen unerreichbar hoch eingebauten Fenstern, die noch mit dicken Eisenstäben vergittert sind — vor diesen Höfen, deren Gebäude eng zusammengebaut sind wie Miniaturfestungen, deren Tore misstrauisch und feindselig verschlossen sind und an denen Schilder warnen: „Attenti al cane!" und „Cane cattivo!" (Achtung, bissige Hunde). Und unversehens ist sie wieder da und wird riesengroß, die Sehnsucht nach den offenen Weiten unserer Heimat, wo der Blick in unendliche Fernen wandern konnte über freundliche Bauernhöfe, die breit und gastlich in der Sonne lagen, eingebettet in Apfelblüten und blühende Fliederhecken um die Pfingstzeit — wo gab es Höfe in unserem gastlichen Lande, die sich finster verschlossen und Besuch abschreckten durch Drohungen mit bissigen Hunden?—

 

Es ist ein ander Ding, ob man in früheren Zeiten in andere Landschaften reiste, um neue Eindrücke zu sammeln und dann um so lieber und froher in die Heimat zurückzukehren, oder ob man zur Erholung und Genesungssuche fremde Landschaften aufsuchen muss, weil man in die liebvertrauten der alten Heimat nicht mehr reisen kann. ------

 

Und plötzlich in solch wehmütiges Sinnen hinein steht da am Wege eine Kapelle, anders als die anderen dieses Landes, die merkwürdig anzieht und anheimelt. — In ungläubigem Staunen blickt man auf das Tor — man traut seinen Sinnen kaum noch und fürchtet, dass die ebenso heiße Sehnsucht ein trautes Trugbild vor die Seele zaubert: Das ist doch ein Tor, wie es die alten Ordenskirchen unserer Heimat, wie es u. a. die uralte große Kirche in Labiaz hatte, durch das man so oft als Kind an der Hand der Tante eintrat und mit gelindem Gruseln nach dem eingemauerten Arm (angeblich eines lebendig eingemauerten Unglücklichen) hoch oben in der Wand spähte. Und darüber ein Kreuz, das doch unzweifelhaft das des Deutschen Ritterordens ist? — Man tritt ein: Drinnen Wappen und weitere Wappenkreuze des Ordens — die klaren schönen Linien einer gotischen Decke, wie man sie aus unsern alten Ordenskirchen kennt —? — Natürlich! — man erinnert sich: In der Blütezeit des Ordens erstreckte sich seine Herrschaft auch bis in dieses Land und noch darüber hinaus — baute er Burgen und Kirchen noch bis Sizilien hinein, und vielleicht findet man auch dort noch irgendwo vergessene Kapellen wie diese hier aus dem 14. Jahrhundert. Aber so angerührt, mit so viel wehmütiger Rührung angeschaut wie diese kann kaum eine werden: Wie ein inniger Gruß der fernen verlorenen Heimat, über 200 Meilen hinweg grad in eine besonders sehnsüchtige Stimmung hinein wirkte auf uns diese kleine alte Ordenskapelle in den Dolomiten. Wanda Wendlandt

 

 

Seite 6   Das lachende Ostpreußen

Ostpreußen verlorene, lachende Heimat im Osten Deutschlands. Harte Menschen mit einem nie versiegenden Humor so sind die Ostpreußen.

 

Kennen sie schon die berühmten Pillkaller Ballgespräche? Ja, bei einer Tanzgesellschaft kam unweigerlich die berühmte Frage: „Freilein, tanzen Sie Jazz? — Nein, später“. So wie dieser Witz in Ostpreußen erfunden oder wahrscheinlich passiert ist, machte sich der Pillkaller und überhaupt der Ostpreuße in unzähligen Anekdoten, die auch jetzt in der neuen Heimat noch von Mund zu Mund gehen, über seine geistige und körperliche Schwerfälligkeit, über seinen breiten Dialekt und vor allem über die Gerissenheit und Pfiffigkeit seiner Bauern in gutmütiger, manchmal sehr drastischer Weise lustig.

 

Ein zweiter, weniger bekannter Dialektwitz ist der vom Camembert. Wenn man in Tapiau in einer Kneipe fragte: „Haben Sie Camembert?" so antwortete der Kellner prompt: „Nei, nur Insterburger Beer“.

 

Die Wortkargheit des Ostpreußen verlässt ihn selbst nicht, wenn er eine Reise tut. Auch da mag er nicht viel erzählen. Ein Landwirt kam von einer Geschäftsreise aus Berlin zurück und wird von seinem Nachbarn gefragt: „Na, wie ist eigentlich Berlin?" — „Ja, was soll ich da sagen? Kennst du Labiau?" — „Jau, ich kenn Labiau natierlich“. — „Also, gegen Labiau ist nix zu sagen, aber gegen Berlin ist es ein Stück Schiet“. Schluss.

 

Nicht nur in der Politik hielt der Ostpreuße an seinen Gewohnheiten fest. Im alten „trautsten" Seebad Neukuhren war es strikte Gewohnheit der Königsberger Stammgäste zur bestimmten Stunde auf den Seesteg zu wandeln. Auch die Kinder wurden mitgeschleppt. Ein Junge, der viel lieber sein Abendbrot statt des Abendrots haben möchte, atmet erleichtert auf, als endlich der Sonnenball ins Meer getunkt ist. Doch wie er sich mit den Eltern zum Nachhause gehen wendet, steigt vor ihm der rote Vollmond empor — die Familie stockt —, und ihm entringt sich der Seufzer: „Erbarmung, da is se all wieder!"

 

Typisch ostpreußisch ist der folgende Witz: „Ein alter vornehmer Herr liebt es, sich schlecht anzuziehen, zum Missfallen seiner Freunde, so dass ihn schließlich einer fragt: „Sag' mal, wer trägt deine Anzüge eigentlich, wenn sie neu sind?" — Mir sind in Ostpreußen wie sonst nirgends viele solche wirklich gediegenen vornehmen Herren bekannt, auf die der Witz passen würde. Auch heute noch.

 

Dem Ostpreußen sind allzu höfliche und liebenswürdige Leute zuwider. So kündigte ein Gutsbesitzer seinem Inspektor „in aller Freundschaft", weil er zu liebenswürdig war. Der Inspektor versucht noch einmal in verbindlichster Form seinen Herrn zu überzeugen, dass man auch mit Liebenswürdigkeit ein Gut verwalten könne. Nischt to moake! Da schlägt der höfliche Inspektor mit der Faust auf den Tisch und bedient sich des Spruches des Götz von Berlichingen. „Nei, nei, mein Gutster, jazz is zu spät. Jazz wollen Sie sich einschmeicheln, was? —

 

Bei den Landwirten war es immer die sogenannte „Kyritzer Stimmung", die sich dann aber fast immer in gemütlichen Witzen über das Finanzamt auflöste. Zum leitenden Regierungsrat kam ein Landwirt auf das Finanzamt in G. und bat um Urlaub. „Aber Sie sind doch nicht beim Finanzamt angestellt?" — „Das nicht", meint der Gutsbesitzer, „aber ich arbeite doch nur für das Finanzamt“.

 

Ebenso sind die Agrarier schlecht weggekommen. Immer waren sie die Zielscheibe des Witzes. Vor einem Restaurant schippten Arbeitslose in einer Kreisstadt Schnee weg. Gerade verließen mehrere Landwirte, meist wohlbeleibt, das Restaurant. „Kiek mal, Korl, den vollgefrätenen Ograrier!" — „Jau, Minsch, aber där da is doch ganz dinn." — „Wat, Koarl, ick segg di, där is to fuul tom Fräten“.

 

Dass die Jugend in der neuen Heimat auch schon den Humor der Väter in seiner offensten und gröbsten Form huldigt, kennzeichnet wohl die Unterhaltung eines Onkels mit einem Dreikäsehoch, dem es schwerfällt, das „Schw" auszusprechen. In Flensburg hörte ich es kürzlich. Onkel: „Günterche sag mal Schwein!" — Günterche: „Zu wem?"

 

Damals wollte ein nach Ostpreußen versetzter Beamter wieder zurück ins „Reich", weil ihm die ostpreußische Landschaft nicht recht behagte. Der Präsident der Handwerkskammer tröstete den Unzufriedenen: „Aber, mein Bester, seien Sie doch zufrieden. Aus dieser Stadt können Sie nie strafversetzt werden“.

 

Pillauer Humor in seiner drastischen Art zeigte sich bei der Ankunft von Schiffen der Kriegsmarine oder Handelsflotte im Pillauer Hafen. Die Matrosen waren als Draufgänger bekannt. Mutter zu ihrer Tochter jeden Alters: „Marjalche, zieh de Blachbüx (Blechhose) an, de Mariners kimme!" Doch die Kultur und guter deutscher Sinn waren in Ostpreußen keineswegs im Rückstande geblieben. Auch als der Ostpreuße seine geliebte Heimat verlassen musste und später, tröstete ihn sein eigener Humor, der nie versiegte und stets weiterleben wird. Lehrer Martin Meißner

 

 

8,65 Millionen Vertriebene

Im Bundesgebiet leben nach den neuesten Angaben des Statistischen Bundesamtes 8,656 Mill. Vertriebene und 2,473 Mill. Zugewanderte. Die diesjährige Einwohnerzahl hat vor kurzem die 50-Millionen-Grenze überschritten.

 

 

Seite 6   Eltern holen ihr Kind aus der Heimat.

Was in unserer turbulenten Zeit kaum für möglich gehalten wird, wurde zu einer erfreulichen Tatsache. Ein ostpreußisches Ehepaar bekam die Erlaubnis, nach Ostpreußen zu fahren, um dort sein richtiges Kind zu besuchen. Das Ehepaar konnte einen der wirklich seltenen Höhepunkte der Menschlichkeit erleben und das einzige Kind mit sich nach Westdeutschland nehmen.

 

Der Ehemann Rubin Neumann und seine Frau Hanna hatten sich nach allem Leid der Vertreibung und der Gefangenschaft erst vor fünf Jahren gefunden. Am Silvesterabend 1949 konnte der im April 1949 aus russischer Gefangenschaft entlassene Rubin Neumann seine Frau in die Anne schließen, die im März 1945 von den Russen in den Ural verschleppt worden war. Ihren einzigen Sohn Lothar hatten sie bei seinen Großeltern in Rastenburg zurücklassen müssen.

 

Im Juni des vergangenen Jahres hörten sie im Rundfunk, dass Reisen in die ehemaligen deutschen Ostgebiete erlaubt seien. Sie schrieben an die Polnische Militärmission in Berlin. Es dauerte drei Monate, dann hatten sie die gewünschte Erlaubnis. Am 24. Oktober saßen sie in Berlin in dem Zug nach Posen. Von Posen ging es nach Rastenburg. Ein polnischer Major, der von Mitreisenden gehört hatte, dass das Elternpaar sein Kind suchte, bot seine Hilfe an. Die Eheleute konnten in sein Militärfahrzeug einsteigen und wurden in die Stadt mitgenommen. Zwei auf der Straße spielende Kinder wurden nach der Wohnung der Familie S. gefragt. Einer der Jungen fragte erstaunt: „Zu wem wollen Sie denn da? Dort wohne ich ja auch“.

 

Als die Eltern sich den 12-jährigen Jungen anschauten, glaubten sie ihren Augen nicht zu trauen: Es war ihr Sohn Lothar. Auf dem Trittbrett fuhr er mit ihnen zu den Großeltern. Vater Neumann ließ es jetzt keine Ruhe. Bereits am zweiten Tage machte er sich auf den Weg nach Warschau, um dort die Ministerien um die Erlaubnis zur Mitnahme seines Sohnes zu bitten. Die erste Fahrt verlief ergebnislos. An der zweiten Fahrt nahm seine Frau teil. Diesmal glückte es, sie erhielten die erbetene Erlaubnis, da sich ein gutmütiger polnischer Beamter gefunden hatte, der die benötigten Papiere ausstellte.

 

Als der Urlaub zu Ende war, fuhr eine glückliche Familie ohne alle Schwierigkeiten nach Oldenburg, der jetzigen Heimat, zurück. Das Weihnachtsfest wurde gemeinsam in aller Freude begangen. Unter dem Christbaum lagen für Lothar u. a. deutsche Bilderbücher und ein Polnisch-Deutsches Wörterbuch, denn der Junge muss erst wieder die deutsche Sprache erlernen.

 

 

Seite 7   Heimkehr / Von Gerhard Kamin.  

Die Baronin saß am Kamin, schob die Scheite ins Feuer, sah in die Glut. Drüben am Fenster, in das das Licht der Dämmerung fiel, sah man den Schatten einer Frau über das Strickzeug gebeugt, das sie in den Händen hielt. Die alte Perkuhn war es, die Erzieherin der Baronkinder, die einzige, die von allen übriggeblieben war, seitdem Besitztum und Heimat seit über zehn Jahren für sie verloren war und der Baron drei Jahre schon hier in der Erde der Fremde lag.

 

Es war ein kalter, stürmischer Tag gewesen. Der dritte, nachdem die Baronin von der Grenze zurückgekommen war. Zum sechsten Male... Ohne Erfolg, ohne Nachricht, ohne Hoffnung.

 

Der Kutscher, der sie gefahren hatte, war diesmal schweigsam geblieben, als man ihn fragte. Vielleicht hatte die Baronin es ihm befohlen, vielleicht war etwas geschehen, das es ihm gebot. Ein Mädchen trat herein, erkundigte sich wie an allen Abenden, ob die Frau Baronin unten bei ihren Verwandten oder hier oben auf ihrem Zimmer zu essen wünsche. Dieselbe Frage, dieselbe Antwort. Seit über einem Monat.

 

Die Perkuhn begann den Tisch zu ordnen. Alles, was sie tat, geschah mit fast verhärteter Ruhe, wie aus einer Treue, die Jahrzehnte hindurch selbstverständlich und nun beinahe der Ausdruck für etwas Sinnloses geworden war.

 

Das Essen wurde gebracht, das elektrische Licht angezündet. Wie immer wurde dann der Rundfunkapparat angestellt, für eine halbe Stunde gewöhnlich, bis zum Ende der Nachrichten.

 

Zu sprechen hatten die beiden wenig miteinander. Ihre Schicksale und Erlebnisse lagen hinter ihnen, schmerzliche Erlebnisse, über die man schwieg, wenn das Haar so weiß geworden war wie der Schnee draußen vor dem Fernster.

 

Was in diesem Raum und zu dieser Stunde geschah, war nichts Besonderes. Stumm saßen sie bei Tisch, reichten einander die Speisen zu, sahen aneinander vorbei oder auf ihren Teller. Als säßen die Toten bei ihnen, der Baron, die zwei gefallenen Söhne, und der dritte auch, der Vermisste, von dem keine Nachricht mehr gekommen war.

 

Die Musik im Rundfunkapparat hörte auf. Die Nachrichten begannen. Die Baronin saß unbeweglich, sie sah nicht, wie die Lippen der alten Perkuhn unruhig zuckten.

 

.... in drei Tagen spätestens ist mit einem Großtransport neuer Heimkehrer zu rechnen, wahrscheinliche Ankunft..."

 

Sie hörten bis zu Ende. In einem Augenblick des Schweigens sagte die Perkuhn leise: „Der siebente". So, dass die Baronin es mehr ahnte, als hörte.

 

„Sagen Sie dem Kutscher, dass er sich bereithält. Vielleicht müssen wir morgen schon fahren“.

 

Die Perkuhn seufzte leise. Sie widersprach nicht.

 

Langsam ging sie zum Apparat hinüber und schaltete ihn aus. Wie die Baronin es wünschte.

 

Als der Transport gekommen war, hatte es stark geregnet. Vielleicht war es gut gewesen. Im Regen waren Tränen weniger zu sehen, im Regen mussten die Empfangschöre sich mit einer Strophe ihrer Lieder begnügen. Im Regen verbot sich das Hin- und Herlaufen vor dem Zuge selbst, und lange Umarmungen sparte man für später auf.

 

Drei Stunden nach Ankunft des Zuges und nach der Registrierung der Heimkehrer verlässt Martin Brunk, ehemals Student der Rechte, dann Soldat der großen Armee, dann jahrelang Gefangener, das Lager. Er geht, ohne sich nach jemand umzusehen, die Zeltplane über Kopf und Rucksack, auf die Hauptstraße zu, von dort ohne Ziel nach Westen. Ein Mann, dessen Gesicht niemand unter dem Zeltuch sieht, ein Mann, der nicht nach links und rechts blickt. Der nur geht, langsam, Schritt vor Schritt bedächtig auf das Pflaster setzend, wie einer, der in einem Gefühl der Beruhigung bemerkt, dass er es nicht verlernt hat.

 

Als nach ungefähr einer halben Stunde ihn ein Kutschwagen überholt, hat er es kaum bemerkt. So viele Fahrzeuge sind unterwegs, so viele Autos. Sechshundert sind gekommen, da kann es anders nicht sein.

 

Fünfzig Schritte vor ihm hat der Wagen gehalten. Ein Kutscher in richtiger Livree, wie er sie vor zwanzig Jahren in seiner Heimat gesehen hat, ruft ihm vom Bock zu, er möchte einsteigen. Der Wagenschlag ist geöffnet, aber der Mann macht eine abwehrende Bewegung mit der Hand, zeigt zum Kutscherbock hinauf, auf dem reichlich für ihn Platz ist.

 

„Bitte kommen Sie herein!" sagt eine Stimme aus dem Innern des Wagens, als er am Schlag vorbeigeht. Eine schwarzgekleidete alte Frau sieht ihn aus großen, weitgeöffneten Augen an.

 

„Wie ich bin?" sagt er hart. „Das ist unmöglich. Sehen Sie nicht, wo ich herkomme?"

 

Sie bittet noch einmal, es ist nutzlos. Da gibt sie es auf, glaubt zu verstehen und wartet, bis er auf dem Kutscherbock Platz genommen hat.

 

Sie fahren weiter, immer im Regen. Sie sieht seinen hohen, schmalen Rücken neben dem breiten des Kutschers. Und sie horcht hinauf, ob es ein Gespräch zwischen ihnen gibt.

 

Nein, sie sprechen nicht. Der Kutscher hat ein paarmal gefragt, sie hat es genau gehört. Aber der andere gibt keine Antwort. Eine ganze Stunde fahren sie so, immer im Regen.

 

Dann hört sie plötzlich seine Stimme. Wo der nächste Bahnhof sei, fragt er. Der Kutscher: „Haben Sie keine Verwandten mehr?" Eine Zeitlang Schweigen. Dann der Mann, ruhig und fest: „Nein, keine. Meine Eltern sind mit einem Flüchtlingsschiff untergegangen. Vor zehn Jahren. Man schrieb es mir, als ich vor drei Jahren anfragte. Ich bin aus dem Osten. Im Westen hatten wir niemand“.

 

Als sie den Weg zum Gut einbiegen, springt der Mann an der Kreuzung vom Bock herunter.

 

Die Baronin lässt halten, öffnet den Schlag, steigt aus. Sie sieht ihn fortgehen, ruft ihm nach. So streng und so laut, wie sie kann.

 

Er wendet sich um, kommt zurück.

 

„Ich bitte Sie, mitzukommen", sagt sie leise, als er vor ihr steht. „Die Arbeit läuft Ihnen nicht fort. Wenn Sie mir eine Freude machen wollen: bitte, kommen Sie!"

 

Eine Frau mit einem Gesicht voller Falten, alt, ernst, müde, sehr blass. Augen, wie er sie Jahre hindurch nicht gesehen hat.

 

„Für eine Nacht ... bis der Regen vorbei ist", sagt er tonlos.

 

Sie nickt ihm zu, steigt ein und wartet, bis er auf dem Kutscherbock ist.

 

Erst am späten Abend wagt sie, ihn aus dem Zimmer unten bei ihren Verwandten heraufzubitten.

 

Es ist dritter Advent. Sie ist allein, die Perkuhn schon vor einer halben Stunde gegangen. Sie hat den Adventskranz angezündet, drei rote Lichter. Vor ihnen stehen die Bilder ihrer drei Söhne, das des Vermissten in der Mitte. Der Schein der Kerzen fällt auf ihre Gesichter.

 

Als er kommt, steht sie neben dem Tisch, auf dem die Kerzen brennen. Er beugt sich über ihre Hand, küsst sie, sagt ‚Guten Abend'. Fremd ist das alles, ihm nicht mehr gehörig, die Erinnerung an ein Leben, das in ihm ausgelöscht ist.

 

Dann sieht er die Bilder. Nicht die Gesichter, ihre Umrisse nur, die Uniformstücke, den Tannenzweig über ihren Rahmen. Und dann erschrickt er und tritt zurück. Die Baronin bemerkt es, sieht ihn aufmerksam an.

 

„Ihre Söhne?" fragt er. Seine Stimme ist fest, fast streng.

 

Sie nickt. „Zwei gefallen, der in der Mitte vermisst", sagt sie leise.

 

Er sieht einen Augenblick zu ihr hinüber, so lange, wie er braucht, um zu begreifen.

 

„Nicht vermisst", sagt er ruhig. „Gefallen. Vor ... zwölf Jahren .. in Woronesch. Er war Leutnant, führte die Kompanie, ich war ihm als Fähnrich zugeteilt. Wir waren eingeschlossen, suchten einen Ausweg für das Bataillon. Zwei Stunden war ich mit ihm im Vorfeld herumgeirrt, als es ihn traf. Wir waren in eine Vorpostenkette geraten, ein paar Schüsse waren gefallen. Er blutete aus der Brust, an Wegkommen war nicht zu denken. Als die Russen uns fanden, lag er im Sterben. Er hatte mir von Ihnen erzählt, aus Ihren Briefen vorgelesen. Wir waren Freunde, zwei Monate lang ... wir hießen beide Martin ... Als er starb, schrie er laut in die Nacht. „Mutter", schrie er, immerzu: „Mutter ..." Er war noch so jung damals“.

 

Die Baronin ist auf den Stuhl gesunken, sie sitzt gebückt da und weint leise vor sich hin. Ohne Tränen. Das bittere, unerlöste Weinen alter Menschen, für das es keinen Trost gibt.

 

Der Heimkehrer steht ihr gegenüber an der Tür und sieht ihr zu. Er hat in zehn Jahren Gefangenschaft und fünf Jahren Krieg so viel erlebt, dass der Grund seiner Seele gefroren ist, starres, verkrustetes Eis. Er hätte schweigen sollen, denkt er, warum musste er sprechen? Andere zu quälen hatte er auch dort nicht gelernt.

 

Der Schein der Kerzen, die Bilder der Gefallenen, das Gesicht der Mutter, ihr trockenes Schluchzen ... Zu still ist es im Raum, schreien musste man, laut schreien, wie er ...

 

Die Baronin richtet sich langsam auf, irrt mit den Blicken durch den Raum, sieht ihn an? Er

steht gegen die Tür gelehnt, die Hände nach hinten gestreckt, wie einer, der Halt sucht oder fliehen möchte. Sein Gesicht ist blass und krank, blasser als das der Baronin.

 

Sie steht auf, geht an den Lichtern vorbei, kommt langsam, Schritt für Schritt, auf ihn zu. Er möchte die Tür aufreißen, presst die Hände krampfhaft gegen sie, drückt... Die Baronin sieht es, legt ihre zitternden Finger darauf, streichelt einmal darüber, schiebt ihre Handflächen zwischen seine und das Holz der Tür und hebt sie langsam empor an ihre Lippen.

 

„Du mein Kind", sagt sie leise, „mein liebes Kind“.

 

Ihre Stimme zerbricht, die Stille hat alle Laute verschluckt. Sie weiß nicht, was jetzt geschehen wird. Sie hält seine Hände, sie sieht sein starres Gesicht.

 

Einen Augenblick lang, die Ewigkeit eines Augenblickes.

 

Er erzittert unter ihrem Blick, er schwankt. Ein Blitz fährt durch ihn, schlägt ihn zu Boden. Er kniet vor ihr, lange schon, den Kopf in ihren Schoß gepresst, kein Soldat, kein Heimkehrer ... ein Kind, nichts als ein Kind.

 

Er weint anders als die Baronin, sein Körper bebt wie der eines Kranken. Lange... sehr lange ...

 

„Mutter", flüstert er, „Mutter, Mutter..."

 

Ruhig flackern die Kerzen im Raum, ihr Licht ist überall, bei den Toten wie bei den Lebenden. Ein warmes Licht, unter dem auch das Eis von zehn Jahren Folterung zerschmilzt.

 

 

Seite 7   Dokumentarbericht in Bild und Ton

Die Landesgruppe Baden-Württemberg der LM Ostpreußen hat von der 700-Jahrfeier von Königsberg in Duisburg einen Dokumentarbericht in Bild, Wort und Ton herstellen lassen. Die Landesgruppe ist bereit, dieses Dokumentarwerk zur Vorführung auf Heimatabenden auch anderen Gruppen der LM Ostpreußen zu überlassen. Auskünfte über die entstehenden Kosten erteilen der Landesvorstand oder Landsmann Otto Stork, Stuttgart-S, Sonnenbergstraße 8

 

 

Seite 7   Unsere Buchbesprechung.

„Verlorene Siege“.

Erich von Manstein, Generalfeldmarschall „Verlorene Siege“, S. 664 Ln. 22,-- DM. Athenäum-Verlag Bonn.

Wir Heimatvertriebenen haben alle Ursache, uns mit der Literatur vertraut zu machen, die sich bemüht, die Hintergründe zu erleuchten, die zu der Katastrophe von 1945 hinführten, die uns ganz besonders hart getroffen hat, weil sie uns neben der Existenz auch der Heimat beraubte. Dies umso mehr, als heute zehn Jahre danach die Bundesrepublik daran geht, sich in einer neuen Wehrmacht ein defensives Instrument zum Schutze ihrer und damit unserer Freiheit zu schaffen. Deshalb wird man es sehr begrüßen, dass einer der verantwortlichen Heerführer des zweiten Weltkrieges, Generalfeldmarschall Erich v. Manstein in seinem Memoirenwerk „Verlorene Siege" in sachlicher und menschlich vornehmer Weise die Entwicklung unserer militärischen Situation aus seiner Sicht und Einstellung heraus als eines Soldaten nach Tradition, Geburt, Erziehung und Veranlagung dargestellt hat.

 

Wenn heute Tendenzen bestehen sollten, den Oberbefehl über die Wehrmacht in die Hand des jeweiligen Bundeskanzlers zu legen, dann ist dieses Buch eine einzige Warnung davor. Immer wieder weist der Autor nach, wie verhängnisvoll es von Hitler war, dass er aIs Politiker und Diktator den Oberbefehl über die deutsche Wehrmacht usurpierte. Seine Maßnahmen wurden nicht von militärischen Notwendigkeiten, sondern nur davon diktiert, wie sie sein politisches Prestige mehren, bzw. mindestens wahren konnten und wie sie dazu beitrugen, seine politischen Ziele zu erreichen. Dabei musste es zwangsläufig zu der Katastrophe kommen, die nach Mansteins Auffassung zu verhüten gewesen wäre, wenn Hitler rechtzeitig den Oberbefehl abgegeben hätte.

 

Andererseits ist dieses Buch eine ebenso eindringliche Warnung vor den politisierenden Generälen. Manstein hält den 20. Juli 1944 unvereinbar mit seiner Auffassung von Soldatentum, und Eid. So heißt es auf S. 318: Im Rahmen dieser Schilderung meines Kriegserlebnisses genügt es zu sagen, dass ich als verantwortlicher Oberbefehlshaber an der Front den Gedanken an einen Staatsstreich im Kriege nicht in Erwägung ziehen zu dürfen geglaubt habe, weil er meines Erachtens zum alsbaldigen Zusammenbruch der Front und wahrscheinlich zum Chaos in Deutschland geführt haben würde. Von der Frage des Eides, wie von der Zulässigkeit des Mordes aus politischen Gründen ganz abgesehen. Wie ich in meinem Prozess gesagt habe:

 

„Man kann nicht als hoher militärischer Führer Jahre hindurch von seinen Soldaten die Hingabe des Lebens für den Sieg fordern, um dann mit eigener Hand die Niederlage herbeizuführen. Im Übrigen war schon damals klar, dass auch ein Staatsstreich an der Forderung der Alliierten auf Deutschlands bedingungsloser Kapitulation nichts geändert haben würde". Nach Manstein hat der Politiker allein zu bestimmen, wann ein Krieg begonnen und beendet werden muss. Er allein trägt dafür die Verantwortung. Allein Sache der Militärs dagegen ist, diesen Krieg so zu führen, dass er mit einem Sieg endet. Dabei hat ihnen wiederum der Politiker nicht hineinzureden. Die Nichtbeachtung dieser beiden fundamentalen Grundsätze jeder Kriegsführung haben dann nach Meinung des Autors zur Katastrophe geführt.

 

Ein zweites Verhängnis war offenbar, dass die deutsche Generalität das Wesen des Diktators Hitler nicht durchschaute. Ihre ewigen Zweifel, die durch die tatsächlichen Erfolge widerlegt wurden, ließen in Hitler die Einstellung aufkommen, dass die deutschen Generale entweder Nichtskönner oder Saboteure seien. Dass sie dann aber geduldig sein unqualifiziertes Verhalten ihnen gegenüber hinnahmen, steigerte sein krankhaftes Selbstbewusstsein ins Maßlose. Im Zusammenraffen der politischen und militärischen Staatsführung, umgeben von Speichelleckern, die wie Göring einen fanatischen Hass gegen die Offiziere der alten Schule hatten, mit den einmaligen Erfolgen des Polen-, des West- und der ersten beiden Jahre des Ostfeldzuges verlor Hitler die Fähigkeit, die Grenzen des Möglichen zu erkennen, wie es bis 1942 noch der Fall gewesen ist. Die tatsächliche grandiose Leistung unserer Soldaten wie unserer Rüstungsindustrie ließ ihn die zahlenmäßige Stärke der Gegenseite und ihres Kriegspotentials in höchst gefährlicher Weise verkennen, so dass es nicht mehr zu dem Remis kam, das nach Manstein auch nach Stalingrad noch möglich gewesen wäre, wenn eine bewegliche operative Kriegführung die sowjetische Wehrkraft allmählich abgenützt hätte. Die Schuld an Stalingrad trifft nach Manstein Hitler, der aus Prestigegründen an dieser Festung festhielt, als es schon damals sinnlos war. Sie trifft aber mittelbar auch den Armeebefehlshaber Paulus, der dem Ausbruchbefehl seines Heeresgruppenoberbefehlshaber Manstein nicht Folge leistete, obgleich Manstein ausdrücklich betont hatte, dass er dafür die gesamte Verantwortung übernahm. Manstein kannte Hitler so gut, dass er wusste, dass dieser nachträglich Maßnahmen billigte, die er zuvor kategorisch abgelehnt hatte, wenn man ihre Notwendigkeit mit Mut und Festigkeit und unter Gefahr, den eigenen Kopf zu riskieren, darlegte. Man musste Hitler eben vor vollendete Tatsachen stellen. Dass Paulus dieses Risiko nicht auf sich nahm, hat ihm zwar das Leben gerettet, hunderttausenden aber seiner Soldaten den Tod gebracht, Soldaten, die Manstein so dringend brauchte, um die Südfront nicht nur zu halten, sondern wieder beweglich zu gestalten. Dass er diese Soldaten nicht rechtzeitig erhielt, brachte die Notwendigkeit mit sich, dass die in Stalingrad eingekesselten deutschen Soldaten wenigstens so viele sowjetische Armeen banden, dass nicht die ganze Südfront von den Russen aufgerollt und vernichtet werden konnte. Insofern hat dann der Befehl Hitler, Stalingrad bis zum letzten Mann zu verteidigen, hunderttausenden das Leben gekostet, einer vielfachen Mehrzahl das Leben gerettet. Und insofern ist der Befehl Hitlers vom rein militärischen und soldatischen Standpunkt nach dem verpassten Augenblick, wo ein Ausbruch noch möglich und sinnvoll gewesen wäre, richtig gewesen, was natürlich nichts an der Tatsache ändert, dass bei rechtzeitiger Aufgabe von Stalingrad dieses hohe Blutopfer völlig unnötig gewesen wäre.

 

Wenn man dies Buch aus der Hand legt, dann ist man erschüttert, dass eine solche Fülle von Möglichkeiten zum Siege unnütz vertan worden ist, weil zwischen Hitler und der deutschen Generalität des Heeres eine unüberbrückbare Kluft bestand, wobei interessant ist, dass Hitler nur sehr ungern an die Planung einer Invasion Englands heranging, die vom militärischen Standpunkt eine eiserne Konsequenz darstellte, wollte Deutschland nicht wieder in einen Zweifrontenkrieg hineinschliddern, da keiner an die Aufrichtigkeit des deutsch-sowjetischen Bündnisses glaubte. Und immer wieder hoffte Hitler, dass England mit Deutschland Frieden schließen würde. Vielleicht hätte die Triple-Allianz England, Frankreich, Deutschland einen wahren Frieden in Europa gebracht, da Hitler keine Ambitionen im Westen hatte, sondern Raum im Osten suchte, wobei er Russlands Aufgabe in Asien sah. Doch Manstein erliegt nicht der Gefahr der Darstellung solcher Möglichkeiten, sondern er beschränkt sich ausdrücklich auf die Vorgänge, an denen er selbst handelnd beteiligt gewesen ist.

 

Der Politiker wie die Heerführer einer neuen deutschen Wehrmacht, ja, wir alle können aus diesem Buch nur lernen, dass nur ein auf einem anständigen lauteren Charakter beruhender Mut zur Selbstverantwortung des Handelns Deutschland vor neuen Katastrophen bewahren kann. Herbert Schlobies.

 

 

Seite 7   Deutsche Soldatenkalender 1956 (Viertes Jahrbuch) Schild Verlag GmbH, München 8, broschiert 2,80 DM.

 

Zum vierten Male ist nun dieser wertvolle und reichhaltige Kalender erschienen, der für alle Soldaten und soldatisch empfindenden Menschen bestimmt ist. Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine, alle kommen in den zahlreichen Beiträgen zu ihrem Recht, die von berufenen Männern geschrieben sind. Vielseitig und interessant die Themen: Neben den Lebensbildern großer Soldaten und wehrpolitischen Aufsätzen stehen Erzählungen aus dem Soldatenleben und Erinnerungen aus harten Kriegszeiten. Vom Partisanenkampf in Jugoslawien wird berichtet, von Douaumont und Günther Prien, von der Eroberung Kretas aus der Luft und der Schlacht von Kiew, von der Waffen-SS in Narwa und vom Unternehmen „Iltis", von Hanna Reitsch und den Flammenwerfern. So geht es in buntem Wechsel Seite für Seite weiter, von zahlreichen ausgezeichneten Fotos und Buntbildern belebt, wie es sich für ein gutes Soldatenbuch gehört. Den Abschluss bildet eine fast lückenlose Zusammenstellung der Verbände und Organisationen ehemaliger Soldaten mit genauen Anschriften einschließlich der Traditionsverbände, der Heimkehrer- und Hilfsorganisationen und der Waffenbrüder von einst. So können wir diesen kurzen Bericht mit den Worten schließen, die der heimgekehrte Generalfeldmarschall Georg v. Küchler dem Büchlein in seinem Geleitwort mit auf den Weg gab: „Möge dieser Kalender den alten Kameraden wiederum Erbauung und Freude bringen!" L.

 

 

Seite 8   „Von unse Kompanie“ / Luise Kalweit

Ein Nachtgespräch war der Anfang. An einem hellen Mittsommerabend hielt mich um ¼ 10 Uhr an der Straßenkreuzung, wo das Cranzer Postamt lag, eine flehende Frauenstimme an: „Keepe Se, Madamke, keepe Se! Föftig Fännig dat Pundke. Et sönd de lätzte Flundre, oawer ganz frösch. Keepe Se, Madamke! Keepe Se!“ – Ein Blick auf das rotverbrannte Gesicht, die verarbeiteten Hände und den krummen Rücken, - und die Flundern gingen in meinen Besitz über.

 

Diese erste Bekanntschaft mit einem Glied der eingesessenen Cranzer Fischerbevölkerung wuchs sich bald zur Vertrautheit aus. Der Herbst und Winter sahen mich oft während der Abendstunden in den alten Fischerhäusern mit den meerblau gestrichenen Türen und Fensterladen. Die Männer strickten Netze oder flickten sie, die Frauen strickten Strümpfe oder flickten Kleider, oder sie spannen. Die Männer rauchten schweigend oder schoben den Priem von einer Backe in die andere, die Frauen schwatzten. Rauch, Fisch- und Teergeruch durchwehten anheimelnd den Raum.

 

Vorsichtig forschte ich nach alten Liedern und „Spoaßkes“. Das „Treckerlied“ … „Wo de Haffeswelle trecken an den Strand …“ tauchten nur bruchstückweise auf. Wir fügten die Teile zusammen, lernten und sangen es. Da stimmte ein junger Fischer sein Lieblingslied an: „O seht, wie strahlet schön der Morgen! Macht, Brüder, euch zum Fischfang auf" ... Hörte ich recht? Die Melodie stammte ja aus der „Stummen von Portio" ...

 

Das Leben der Fischer rollte sich in knappen Geschichten vor mir ab. Frau Brück, in jeder Beziehung die gewaltigste unter den Frauen, massig in der Fülle ihrer Glieder, verkündigte strahlend: „Frölenke, öck sie met kleene Dorschkes grot getoage. Des Morgens gekoakt, des Medaggs gebroade, des Oawends gereekert" ... Und Herr Brück schob für ein Weilchen den Priem in die äußerste Mundecke: „Nu mott öck wat to roade opgäwe": „Woater brukt nich, Zucker kann, Rum mott!“ „Wat ös dat?" Jeder wusste die Lösung dieses Rätsels und schmunzelte. Und nun flogen die ostpreußischen Witze wie Blitze hin und her und schlugen ein. „Schrecht de Kuckuck vär Jehann odder noah Jehann? He schrecht „Kuckuck".

 

Und schließlich tanzten wir: „Lott ös dot" und „wenn hier so'n Pott met Bohne steiht on doa so'n Pott met Brie" ... Aber am meisten wurde gekreischt, — und da machten sogar die Männer mit, wenn „Schüddel de Büx" den Schluss bildete. Auf dem Heimweg hörte ich es noch lange nachhallen: „Schüddel de, schüddel de, schüddel de Büx, nich zu langsam, nich zu fix! Lüd, Lüd, wo geiht dat an! Doarum freut söck Fru on Mann!" ...

 

Es entwickelte sich weiter. Ich verfasste ein Spiel, der „Heimatabend der Cranzer Fischer", in dem Gesänge und Tänze, Ernstes und Spaßiges, Sitte und Brauch, urwüchsiges Volkserleben einen Platz fanden. Ich spielte natürlich mit. Zuerst freute sich die Cranzer Bevölkerung an uns, dann liehen wir uns von der Schule eine Bühnenkulisse, die von einer Darstellung der „Frauen von Nidden" stammte, rollten sie auf Stangen und fuhren, als der Frühling nahte, an Sonntagen mit Lastautos in die Dörfer des Samlandes. Überall sangen und tanzten die Cranzer Fischer und „verteilten" ihre Spoaskes.

 

Meine Tantieme bestand darin, dass Frau Brück anerkennend meinte, als das letzte Gastspiel die Zuschauer hell aufjauchzen ließ und beim Beifalltrampeln ein morsches Brett des Fußbodens zerbrach, so dass der Beifallswütige in den Kellerräumen verschwand: „Frölenke, et ös, wie wenn Se met ons ön eenem Boot gefischt hebbe. Se sönd „von unse Kompanie".

 

Der Höhepunkt des Sommers, der Korso nahte. „Wi moake met", erklärten die Frauen. „Oawer wi motte e ‚Tracht' hebbe“. Und sie bekamen eine „Tracht". Ballen gestreiften und einfarbigen Stoffes wurden gekauft. Eine Lehrersfrau nähte 32 Jacken, ich nähte 32 Röcke. Im Festzug saß ich in dem Wagen, den die Fischer ganz für sich allein hatten, Herr Brück auf dem Vordersitz. Er saß da mit wehendem Bart und bronziertem Dreizack als Neptun. Hinter ihm räucherte Frau Brück auf dem Flundreherd, der aus Steinen erbaut war, mit wirklichem Rauch wirkliche Flundern. Die andern Fischer und Fischersfrauen folgten. Ich durfte, als zur „Kompanie" gehörig, mit ihnen marschieren. Auf dem freien Platz vor dem „Schloss am Meer" tanzten wir „Schüddel de Büx" und wurden gefilmt. Die Wogenkämme der Ostsee bildeten den Hintergrund. Der Film reiste weit durchs deutsche Land, denn damals gab es noch keine Oder-Neiße-Linie, sondern nur einen Korridor.

 

Im Winter, der auf diesen Sommer folgte, feierte die Königsberger Polizei ihr Jahresfest und die Cranzer Fischer sollten es verschönen. Bald hätte eine Konkurrenz zwischen den Fischern in West-Cranz, — das waren meine Fischer, — und denen von Ost-Cranz den Triumph vereitelt. Denn die Fischer von Ost-Cranz setzten ehrgeizig ihre Südwester auf, zogen ihr Ölzeug an und behaupteten, auch ein Recht zum Auftreten zu haben. „Oawer de Ost-Cranzer Föschersfrues hebbe keine Tracht! Wi sönd de ächten!" trumpften die West-Cranzer auf. Und sie siegten und fuhren allein nach Königsberg. Leider stellte ein starrköpfiger junger Fischer mit harten blauen Augen das ganze Unternehmen in Frage, als uns bereits die Stadthalle aufgenommen hatte. Eifersucht packte ihn, als seine Liebste den Rivalen zu freundlich anlächelte. Er, der Caruso unserer Truppe, drohte, seinen strahlenden Tenor aus dem -Treckerlied herauszuziehen und war nur mit höchster diplomatischer Kunst zum Singen zu bewegen.

 

Und es drang die Kunde von den Cranzer Fischern zu einem Königsberger Professor, der viel für Volkskunde übrig hatte. Der kam mit seinen Studenten, darunter ein Inder eigens zu einer Vorführung nach Cranz. Und es sprach der Professor Worte der Würdigung, es sprachen die Studenten, und der Inder sprach. Er wollte in seiner Heimat im Fernen Osten berichten, welcher Heimatliebe er im fernen Westen begegnet war.

 

Das war noch nicht alles. Ich verreiste für mehrere Wochen. Da rief mir nach meiner Rückkehr Frau Brück schon von weitem auf der Straße zu: (Und diesmal sprach sie hochdeutsch, um ihre Bildung zu beweisen, denn sie war weit hinein ins Reich gereist), „Fräulein, denken Sie, wir wurden nach Berlin eingeladen und haben im Rundfunk gesungen. Aber vier Tage mussten wir vorher probieren. Und neue Trachten haben wir jetzt, mit seidnen Tüchern, und der Herr vom Rundfunk hat gesagt, unsre Lieder gehen in kurzen Wellen bis nach Afrika und Australien und wer weiß wohin" ...

 

Das Schicksal führte mich von Cranz nach Rauschen. Da erschien bei mir eines Tages eine Abordnung der Cranzer Fischerfrauen. Sie wollten Rat wegen was „Neuem", da sie vor einem hohen Herrn von der Regierung ihre Künste zeigen sollten. „Wie schade!" dachte ich, sang ihnen aber doch noch das Cranzer Lied vor und übte es mit ihnen ein:

 

„Öck weet anne Ostsee een trutste Ort, —

Cranz, du mien Cranz!

Doa wohn' öck, doa bliew öck, do goah öck nich fort, — Cranz, du mien Cranz!

Doa leep öck von kleen an op Feetkes so bloß,

doa leeg öck de geele Dün' önnem Schoß, —

Cranz, läwet Cranz!

De Flundre, de sönd doa so spickefett, —

Cranz, du mien Cranz!

On Mäkes, de gewt et ganz wundernett,

Cranz, du mien Cranz!

Doa ös so veel Scheenet, ach, kickt ju bloß rum,

doa bute de Wohld, hier dat Didel-dideldidel-dum! Cranz, läwet Cranz!

Drum boadt ju gesund ön dem trutste Ort, —

Cranz, du mien Cranz!

Bliwt hier, ok wenn't pladdert on goaht nich gliek fort, —

Cranz, du mien Cranz!

Vertellt önne Näh' on vertellt önne Fern,

wi hebbe dit Cranz on de Cranzer so geern, —

Cranz, läwet Cranz!

 

Beim Abschied sagten die Frauen: „Frölenke, dat weer doch 'ne scheene Tied, als Se noch von unse „Kompanie" weere.

 

 

Seite 8   Luise Kalweit 75 Jahre alt. Foto.

Am 22. Januar 1956 wird Luise Kalweit 75 Jahre. Den Lesern der Ostpreußenwarte ist sie aus Beiträgen bekannt. Was sie schreibt, ist der Spiegel ihres Lebens.

 

Daher hat es nicht viel zu bedeuten, wenn man registrieren wollte: Luise Kaiweit ist am 22. Januar 1881 in Darkehmen (Angerapp) Ostpreußen, geboren. Sie besuchte Schulen, Seminar, Universität, studierte Deutsch, Englisch, Philosophie, unterrichtete an Bildungsanstalten von der einklassigen Landschule im Siedlerdorf bis zum Gymnasium, der Frauenschule und dem Lehrerinnen-Seminar in der Großstadt. Sie machte Reisen im In- und Ausland und fand nach dem Verlassen der ostpreußischen Heimat im Jahre 1945 Zuflucht und neue Heimstätte in Flensburg (Schleswig-Holstein).

 

In den engen Rahmen, einiger kargen Daten, kann Lebensfülle nicht eingespannt werden. Daher sei nur das Fazit gezogen: Das Leitmotiv des Lebens von Luise Kalweit ist: „Sei dir selber treu!" Ihr Wirken: Dienst am Leben. Ihr Lohn: Lebensfreude.

 

 

Seite 8   „… und um uns der Tod!“ Von Heinrich Gutowski.

Von Ostpreußen bis Pommern hatte unser Flüchtlingstransport keine größeren Hindernisse zu überwinden, aber kurz vor unserem Ziel überraschte uns der Russe.

 

Drei eiskalte Januartage und -nächte waren bereits vergangen und unser nur aus offenen Loren bestehender Güterzug stand immer noch kurz vor Kolberg. Die russischen Armeen hatten uns den Zugang zur Hafenstadt versperrt. Es gab nur noch eins: Warten und ausharren, bis es vielleicht den deutschen Truppen doch noch gelänge, den Russen zurückzudrängen und aufzuhalten.

 

Während dieser zweiundsiebzig Stunden spielten sich erschütternde Szenen auf unserem Transport ab. Menschen, die es in der östlichsten Provinz Deutschlands durch harte Arbeit und Gottvertrauen zu Wohlstand gebracht hatten, wurden nun auf grausame Art gestraft. Viele dieser unschuldigen Menschen verloren in diesen Stunden den Glauben an Gott. Bereits am ersten Tage unseres unfreiwilligen Aufenthaltes starben und erfroren den Müttern die Kinder in den Armen. Es gab dort nicht einmal Möglichkeiten, einen auch noch so primitiven Sarg zu bauen. Die Leichen wurden in Pappkartons gesteckt und, wenn die nicht vorhanden waren, einfach in einen neben dem Bahndamm gebauten Graben gelegt und mit harten Erdstücken zugedeckt. Keine Seele hatte mit uns armen Menschen Erbarmen.

 

Mit zunehmender Dunkelheit verstärkte sich noch der Frost. Der unaufhörliche Geschützdonner wurde uns allmählich zum gewohnten Geräusch, und die Mündungsfeuer der Waffen erleuchteten den südwestlichen Horizont.

 

Während der Dunkelheit wurden Minuten zu Stunden — und Menschen zu Hyänen. Grausame Tierinstinkte wurden in ihnen wach. Jeder hielt es für seine Pflicht, sein eigenes Leben zu schützen und dem anderen, koste es was es wolle, wärmende Kleidungsstücke abzunehmen. Diebstahl und brutale Handlungsweisen waren hier keine Seltenheit. Sogar die Leichen wurden halb ausgezogen und beraubt.

 

Ich werde nie den Eindruck vergessen, den mein damals noch junges Leben in sein Bewusstsein aufnehmen musste. Ein altes Mütterchen hing nur noch am Eisenbahnwaggon und war in Gefahr herunterzufallen. Es hatte nicht mehr die Kraft, sich selber zu helfen. Als meine Mutter die Angehörigen der alten Frau aufforderte, sie doch wieder hochzuziehen, bekamen wir zur Antwort: „Lasst sie doch hängen! Soll sie doch selber sehen, wie sie wieder hochkommt!" Wir zogen dann die nur noch langsam atmende alte Frau hoch und liehen ihr eine Wolldecke. Den Dank dieser Frau konnten wir nur noch in ihren Augen lesen; denn sie hatte bereits die Sprache verloren.

 

In den beiden darauffolgenden Tagen und Nächten stiegen die Todesfälle erschreckend. Man wusste nicht mehr, ob der Nebenmann noch lebte oder ob er schon eine hartgefrorene Leiche war.

 

Wir konnten noch von Glück sagen, dass uns die gefürchteten russischen Jagdflieger nicht entdeckten, sonst wären wir ein gutes Ziel und eine willkommene Beute der Iwans geworden, öfters hörten wir pfeifende Granaten über unsere Köpfe fliegen, die aber zum Glück nicht für uns bestimmt waren und auch nicht in unserer Nähe zerbarsten.

 

Endlich, nachdem wir über eine halbe Woche ausgeharrt hatten und der Tod seine Früchte getragen hatte, setzte sich der Schreckenszug langsam in Bewegung. Unser Ziel war es, den „Kotberger Hafen" zu erreichen, um von dort aus mit dem Schiff bis Swinemünde zu kommen.

 

Die meisten Einwohner hatten bereits ihre Stadt verlassen. In der Hafenstadt standen und lagen zahlreiche herrenlose Gegenstände herum, die den Menschen gehörten, die bereits den Sprung über die Ostsee gewagt hatten. Viele von ihnen sind durchgekommen, aber für eine nicht zu übersehende Anzahl Flüchtlinge war es die letzte Seefahrt.

 

Wir warteten schon zwei Tage auf ein Schiff. Es sammelten sich immer mehr Menschen im Hafen an. Die See war genauso unruhig wie unsere Lebensweise.

 

Am frühen Morgen des dritten Tages unserer Wartezeit legte ein kleines Frachtschiff an, das imstande war, eine größere Anzahl Personen mitzunehmen. Es wollten aber fünfmal so viel Personen mit. Wir befanden uns auch unter den Glücklichen, nur mussten wir die Hälfte unseres Gepäcks zurücklassen.

 

Die Ostsee zeigte sich von ihrer schlechtesten Seite. Es mussten sämtliche Luken geschlossen werden, denn die Wellen schlugen öfters über unser Schiff. Die Seekrankheit wurde vielen zum Verhängnis, und die ausgelaugten Heringe, die wir während unserer Wartezeit in leerstehenden Häusern gefunden und gegessen hatten, erblickten nun auf ungewollte Weise wieder das Licht der Welt.

 

Der Weg unseres Schiffes führte an vielen auf Grund liegender Schiffe vorbei, von denen nur noch die Mastspitzen aus dem Wasser herausragten. Jedem wurde bei ihrem Anblick bewusst, dass hier viele Menschen hatten ins Jenseits scheiden müssen, und die Mastspitzen waren ungeschmückte Kreuze dieser Massengräber.

 

Nach etwa zehn Stunden landeten wir erschöpft, aber doch glücklich in Swinemünde. Hier empfingen uns hilfsbereite Menschen und stillten unseren Durst und unseren Hunger. Anschließend wurden wir wieder auf einen Güterzug verladen. Es war aber ein anderer Güterzug, es war ein Güterzug, auf dem keine Toten lagen, und nun ging es weiter in Richtung Westen.

 

 

Seite 8   Das aktuelle Lexikon.

512 Seiten, über 1000 Abbildungen im Text und auf 32 mehrfarbigen Tafeln, dazu eine mehrfarbige Chronik der Jahre 1945-1955, 2800 Stichwörter. Leinen mit vierfarbigem Schutzumschlag 14,80 DM. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh

 

Täglich prägen zahllose Ereignisse das Gesicht unserer Zeit. Eine technische Erfindung jagt die andere, jedes Jahr bringt neue Weltrekorde, auf der Leinwand tauchen neue, junge Filmgesichter auf und alte Stars feiern ihr „come back". Der Mensch unserer Tage interessiert sich für seine Welt bis in die kleinste Verästelung, denn alles greift ineinander und gehört zum großen Ganzen: Technik — Verkehr — Politik — Film und Funk – Sport, Kunst, Literatur usw. Überall gibt es Fragen. Und wer antwortet? Die großen Nachschlagewerke können darüber nur begrenzt Auskunft geben. Ihr Gebiet umfasst die Jahrtausende. Darum wurde als ideale Ergänzung zu jedem Lexikon ebenso wie als selbständiges Werk „Das aktuelle Lexikon" geschaffen. Verarbeitung der neuesten Kenntnisse und Erkenntnisse! absolute Zuverlässigkeit, Präzision des Ausdrucks waren die Richtlinien bei seiner Zusammenstellung. Unbeschwert von der Fülle! des traditionellen Wissens in mehrbändigen Lexika vermittelt dieses Buch einen Überblick über die wichtigsten Persönlichkeiten, Begebenheiten, Neuerungen und Erfindungen der letzten Jahre; interessante Übersichten, Schaubilder und Tabellen regen zum Blättern und Lesen an. Das Neueste in Wort und Bild über Atomphysik, Autotechnik, Film, Flugzeugbau, Mode, Kunst, Literatur, Medizin, Politik, Sport und viele andere Gebiete verbindet sich zu einem lebendigen Spiegel des bewegten Zeitgeschehens unserer Gegenwart, wobei besonders die Entwicklung seit Ende des 2. Weltkrieges berücksichtigt wurde.

 

Rund 2800 Artikel, lebendig und leicht lesbar geschrieben, werden durch über 1000 Abbildungen im Text und auf 32 mehrfarbigen Bildtafeln veranschaulicht. Die Fotos des Werkes sind keine trockenen Abbilder der verschiedenen Dinge und Personen, sondern Fotografen haben die jeweils kennzeichnende Umgebung der Umwelt in stärkstem Ausmaß mit zum Ausdruck gebracht. Eine farbige Deutschlandkarte und eine mehrfarbige synchronistische Chronik der Jahre 1945 - 1955 bereichern das sorgfältig ausgestattete und modern aufgemachte Buch.

 

Obwohl dieses Werk von der Wissenschaftlich geschulten und bewährten Redaktion eines „Normallexikons" geschaffen wurde, war für die Auswahl der Stichworte und der Bebilderung ein Schuss echter Zeitverbundenheit und journalistischer Aufgeschlossenheit maßgebend. Dass es der Bertelsmann Lexikon-Redaktion gelungen ist, angesichts der überaus großen Materialfülle auf den behandelten Lebensgebieten alle jene Fragen und Probleme übersichtlich und klar darzustellen, auf die man im täglichen Leben immer wieder stößt, zeigt schon ein oberflächliches Durchblättern des Werkes. Auch Ereignisse der jüngsten Vergangenheit konnten noch berücksichtigt werden: Adenauers Moskaubesuch zum Beispiel, der ebenso wie alle wichtigen Einzelheiten über die künftige deutsche Wehrmacht in Wort und Bild behandelt wird.

 

Besonders hervorzuheben sind die auch drucktechnisch meisterhaft gelungenen Farbtafeln. Die Tafeln „Atombombenversuche“, „Farbfotografie", „Höhlenmalerei", „Theater“ und „Werbekunst" seien hier stellvertretend für viele genannt.

 

Man möchte das „Aktuelle Lexikon" allen empfehlen, die dem vielfältigen Geschehen der Gegenwart aufgeschlossen gegenüberstehen. Als sinnvolle Ergänzung zu jedem anderen Nachschlagewerk wird es dazu beitragen, die Übersicht zu behalten über unsere Zeit.

 

 

Seite 8   Das heutige Danzig.

Ein Bild- und Reisebericht mit 68 ganzseitigen Bildtafeln. Bearbeitet von Hans-Karl Gspann. Aufstieg-Verlag-München 23

 

Für alle Danziger und für viele andere, die diese schöne deutsche Stadt kennen und lieben, hat der Aufstieg-Verlag-München mit diesem von Hans-Karl Gspann bearbeiteten Buch ein Erinnerungswerk von bleibendem Wert geschaffen. Die ganz ausgezeichneten Aufnahmen führen den Betrachter durch die Hauptstraßen, vorbei an den weltbekannten Kulturdenkmälern, und hinaus nach Langfuhr, Oliva und Zoppot. Sie zeigen ihm, wie Danzig heute aussieht, mit allen Narben und Wunden, die das Kriegsgeschehen der alten Stadt geschlagen hat. Bilder aus glücklichen Tagen ergänzen diese Übersicht und geben die Möglichkeit zum erschütternden, aber auch hoffnungsfrohen Vergleich. Ein kurzer Bericht „So sah ich Danzig 1955" von Willi Michael Beutel - Berlin, der nach Danzig gefahren war, um zahlreiche Bilder für dieses Buch anzufertigen, schildert mit ergreifenden Sätzen das, Danzig von heute. Der Sinn dieses Buches? Der Vorsitzende des Bundes der Danziger, Dr. Rudolf Könnemann - Lübeck, umreißt ihn in einer Vorrede mit folgenden Worten: „Der vorliegende Bildband hat sich eine Aufgabe gesetzt, für die die deutschen Danziger dankbar sein müssen. Die Gegenüberstellung des Einst und Jetzt dokumentiert dreierlei: den deutschen Charakter Danzigs, das Ausmaß der grauenhaften Zerstörung dieser einmaligen Stadt und den hoffnungslosen Versuch der Fremden, gleichzeitig die alten Bauwerke zu kopieren, und, nachdem Geschichte, Wissenschaft und Dasein seiner Bewohner vom 700-jährigen Deutschtum Danzigs gezeugt haben, es nun über Nacht, plötzlich und abrupt zu verfälschen und abzuleugnen“. — So möge und wird es mithelfen im Kampf um das große Ziel, Lüge wieder Wahrheit und Unrecht wieder Recht werden zu lassen. L.

 

 

Seite 9   Allerlei vom ostpreußischen Bäckerhandwerk. Von Hermann Bink.

Es war in der Zeit vor dem 1. Weltkriege. Dem damaligen Direktor des Königsberger Stadttheaters, Hofrat Varena, der auf dem Mitteltragheim wohnte, wurden alle Morgen für seinen Haushalt die frischen Brötchen von einem Lehrjungen gebracht. Eines Morgens nahm diese Frühstücksgabe der Hofrat persönlich in Empfang und fragte den höflich grüßenden Bäckerjungen nach seinem Namen. „Richard Wagner!" lautete die Antwort. „Oh, das ist ja ein sehr bekannter Name", entgegnete der Hofrat. Darauf warf sich das kleine Bürschlein in die Brust und meinte: „Na ja, ich trage ja auch all anderthalb Jahre die Brötchen in dieser Gegend aus. „Weißt Du auch, was dein großer Namensvetter vom Bäckerhandwerk sagt?" fragte der Herr Direktor. „Nei", klang es in heimatlicher Mundart, ich will es Dir verraten: „Hungersnot! Hungersnot! Das ist ein gräßlich Leiden! Gäb Euch der Bäcker kein täglich Brot, müsst alle Welt verscheiden!" — „Das stimmt je auch", meinte der Junge. „Bist Du auch schon einmal im Stadttheater gewesen?" — „Doch, zum Weihnachtsmärchen: Hänsel und Gretel auf der Bullerloge. Der Meister meinte, ich sollte besonders auf das Knusperhäuschen von der Hexe aufpassen, damit ich einmal ein solches von Pfefferkuchen backen könnte!" — „Das ist recht so! Aber Sonntag hast Du doch sicherlich am Abend frei?" — „Ja!" — „Dann geh einmal zur Theaterkasse und bestelle der Frau Souchon von mir einen schönen Gruß und lass Dir eine Freikarte geben. Wir geben nämlich gerade die Meistersinger von Richard Wagner. Dein Namenskollege ist ein großer, großer Mann, und damit Du Dir das für alle Zeiten auch merkst: die Mutter dieses großen Mannes war die Tochter des Bäckermeisters Gottlieb Johann Pätz aus Weißenfels an der Saale. Handwerk und Kunst stehen eng zusammen!" Der glückliche Lehrling bedankte sich und erlebte den gewaltigen Erfolg der Meistersinger.

 

Das Königsberger Bäckerhandwerk hatte Tradition. Im Mittelalter schenkten die Bäcker zum Dreikönigstage den Fleischhauern eine große Stritzel oder Wecken. Im Jahre 1583 stifteten die Bäcker sogar fünf. Um diese Riesenstritzel zu backen, hat man „auf dem Schlosse" (wie die Chronik berichtet) extra zwei große Backöfen gebaut, mitten hinein ein Loch gebrochen, dann die Öfen geheizt und den Teig durch das Loch eingeschoben, so dass die Stritzel in beiden gleichzeitig gebacken wurden.

 

Im Jahre 1601 trugen am Dreikönigstage die Kuchenbäcker acht große Stritzel — der größte davon war 4 ¾  Ellen lang — und sechs große, runde Kringel durch die Stadt. Auf den Stritzeln waren aus Pfefferkuchenteig vergoldete Löwenköpfe, Kronen, Sterne und das Wappen der Kuchenbäckergesellen befestigt. Im altstädtischen Gemeingarten wurde dann das Backwerk zusammen mit den Fleischern bei einem Umtrunke verzehrt.

 

Der ostpreußische Bäcker Rudolf Gennies aus Kunikehlen ging — wie es früher Sitte war — nach Beendigung seiner Königsberger Lehrzeit auf Wanderschaft. Und da er sich etwas zutraute, wagte er sogar den Sprung übers Wasser — nach Amerika. Da warb eines Tages die Regierung der Vereinigten Staaten Soldaten für eine Schutztruppe an, die gegen die räuberischen Überfälle aufständischer Indianer eingesetzt werden sollte. Gennies meldete sich kurz entschlossen und brachte es, nachdem seine Umsicht und Tapferkeit offenbar geworden waren, schnell zum Major. Als die Indianer dann nach schweren Kämpfen niedergeschlagen worden waren, verabschiedete die Regierung Rudolf Gennies mit dem Rang eines Obersten und einer entsprechenden Geldabfindung. Im Jahre 1897 kam Gennies noch einmal in seine ostpreußische Heimat zurück, um seine greise Mutter zu besuchen. Dabei brachte er als Kuriosum einen Goldklumpen mit, den er einst als Goldgräber gefunden hatte und der nicht weniger als 5 kg wog.

 

Im „Historisch-literarischen Anekdoten- und Exempelbuch" von 1824 wird erzählt: Als die Franzosen im Jahre 1812 den Rückzug über die Beresina gemacht hatten, wurden sie von den Russen verfolgt, wobei insbesondere die Kosaken stets vorn dran waren. — Ein kleiner Trupp von ihnen kam auch in das vor Königsberg gelegene Kreuzburg, das die flüchtenden Franzosen am Abend zuvor verlassen hatten. Ein Kosak ritt an einem Bäckerladen vorbei gerade in dem Augenblick, als der Bäcker seine frischgebackene Ware zur Schau auslegte, und der Anblick der schönen braunen Semmeln machte seinen Appetit rege. Er packte so viele von ihnen auf, als er überhaupt fortbringen konnte, warf dem Bäcker ein Fünffrankstück hin, was im Wert einem Taler und 6 Groschen „Kourant" entsprach, und ritt davon. — Plötzlich hörte er sich mit Namen „Kosak! Kosak!" rufen, und hält sein Pferd an. Es war der Bäcker, der keuchend hinter ihm her eilte, um ihm 20 Groschen herauszugeben. Der Kosak, der sich wohl erinnern mochte, dass mancher seiner Landsleute gar oft Semmeln ohne Geld zu „kaufen" verstanden hatte, war über die Ehrlichkeit des Bäckers überrascht und bedeutete diesem, er solle das Geld nur auf Abschlag behalten, falls einer oder der andere seiner Kameraden die Bezahlung schuldig bleiben möchte. Doch der Bäcker wollte sich darauf nicht einlassen, sondern drückte dem Kosaken das Geld in die Hand und wollte sich entfernen. „Halt, halt!" rief ihm dieser nach, „warte ein wenig!" Und nachdem er das Geld eingesteckt hatte, griff er in seine Hosentasche, brachte ein erbeutetes französisches Ehrenlegions-Kreuz heraus und heftete es dem Meister mit den Worten an: „Bist braver Kerl, musst Orden haben!"

 

Aus der Franzosenzeit sollen auch die in ganz Ostpreußen bekannten „Franzbrote" stammen, die Semmel in der eigenartigen Form. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die „Butterfranzbrote". Was hatten wir nicht für verschiedenes Gebäck: Königsberger Lebkuchen und Schnecken, Glumsfladen, Purzel und Raderkuschen, nicht zu vergessen den „Storchenkranz" aus der Fastnachtszeit und den „Mohnkuchen". Fastnacht ist immer der Dienstag, bei uns war es aber stets der „Mohntag". Der Streuselkuchen war ebenso beliebt wie in Schlesien. Und dann das schmackhafte Brot aus ostpreußischem Roggen, voran das aus der Hoffmannschen Bäckerei mit dem Gütezeichen der „Kalger Mühle". Auch goldgelbes und blankes Gerstenbrot stellten einige Bäckereien her, welches einen großen Kundenstamm zählte.

 

Erfreulich war es, dass der 75-jährige Königsberger Bäckermeister Tobias, jetzt in Travemünde ohne Betrieb, mit seinen Erzeugnissen auf der Bäckerausstellung in Berlin 1954 erschien und das heimische Handwerk vertrat. Leider ist ein beträchtlicher Teil des Bäckerhandwerks mit der ostpreußischen Hauptstadt untergegangen und ein nicht geringer Teil muss in der Fremde ohne eigenen Betrieb vegetieren.

 

 

Rentenstreit um Hungertod.

Am 3. März 1946 war der Ehemann der Anna Reh in Königsberg (Ostpreußen) an Entkräftung gestorben. Also verhungert! Man braucht nur die tausendfältigen Berichte aus jener Zeit nachzulesen, um zu wissen, wie es damals Deutschen in Ostpreußen erging. Wer nicht verhungerte, durfte erfrieren, wenn er nicht schon vorher verschleppt oder erschossen worden war.

 

Die Frau Anna Reh, die jetzt bei Karlsruhe wohnt, bekam nach ihrer Übersiedlung in den Westen eine Witwenrente. Was recht und billig war. Das Landessozialgericht strich die Rente mit der Begründung, die Lebensmittelnot in Ostpreußen sei nicht anders gewesen als im übrigen Deutschland. Das Gericht hätte sich leicht bei den ostpreußischen Vertriebenen auch mancherlei Zutreffenderes erzählen lassen können, denn es ist nicht anzunehmen, dass der Richter so exakt über die Leidenszeit der Ostpreußen (aus eigener Unkenntnis?) orientiert ist. Das Bundessozialgericht in Kassel hob dieses Urteil auf. Die Vorinstanz solle prüfen, ob die Verhältnisse in Königsberg schwieriger waren als im übrigen Deutschland. Gleichzeitig gab es dem Landessozialgericht eine bittere Pille zu schlucken, seine Auffassung sei recht bedenklich.

 

Der Kampf um die Rente der Witwe geht also weiter. Paragraphen sind eine wunderschöne Sache — aber manchmal auch überflüssig. Hätte man hier nach den Gesetzen der Menschlichkeit entschieden, dann hätte die Frau ihre Rente behalten.

 

Noch ein anderer sonderlicher Gedanke kam uns: Der Prozess wandert nun mit vielen Kosten vor- und rückwärts. Wenn man die Summen, die man bisher zur Klärung der Frage: „War es möglich, nach Kriegsende in Königsberg zu verhungern?" nicht von Gerichts wegen ausgegeben hätte, hätte man der Frau von diesen gesparten Geldern eine ganz anständige Rente zahlen können . . . Aber warum soll man Gelder sparen, die man zur „grundsätzlichen" Klärung nutzloser ausgeben kann.

 

 

Tagung des Norddeutschen Rates

In Bonn fand eine Tagung des Nordostdeutschen Rates statt. Alle in diesem Rat zusammengefassten Landsmannschaften waren vertreten: Die Deutsch-Baltische Landsmannschaft, die Landsmannschaften der Litauendeutschen, der Ostpreußen, der Westpreußen, der Bund der Danziger, die Pommersche Landsmannschaft sowie die Landsmannschaften Weichsel-Warthe und Berlin-Mark Brandenburg.

 

Zum 1. Vorsitzenden des Nordostdeutschen Rates wurde einstimmig Dr. Baron Manteuffel-Szoege wiedergewählt. Ebenfalls einstimmig wurde der Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft, Dr. Eggert, zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Die Nordostdeutsche Gruppe wird damit im Präsidium des VDL durch Baron Manteuffel und Dr. Eggert vertreten.

 

 

Seite 9   Otto Braun gestorben.

In Ascona bei Locarno in der Schweiz ist am 14. Dezember 1955 der ehemalige preußische Ministerpräsident Otto Braun nach schwerer Krankheit im 84. Lebensjahr gestorben. Er wurde am 28. Januar 1872 in Königsberg geboren und war von 1920 bis 1932 (mit zwei kurzen Unterbrechungen) preußischer Ministerpräsident. Gestützt auf die Koalition Zentrum-Sozialdemokratische und Demokratische Partei sorgte er für eine gradlinige Politik in Preußen. 1933 übersiedelte er in die Schweiz, nachdem ihm die Kanzlei Hindenburg mitteilte, dass für sein Leben keine Gewähr mehr gegeben werden könne.

 

 

Kirchliche Nachrichten.

Die evangelischen Deutschen in Danzig können nur selten Predigten in deutscher Sprache hören. Deutsche Lektoren sind nicht zugelassen, und der Pfarrer, der sich um die deutsche Gemeinde bemüht, gehört der polnischen Kirche an. Auch in Stettin darf die deutsche Sprache im Gottesdienst nur mit besonderer Erlaubnis gebraucht werden. In Elbing hat bisher, ebenfalls in polnischer Sprache, ein Optiker aus Pr. Holland gepredigt. Einem neu gewählten Gemeindekirchenrat gehören drei Deutsche, drei Polen und ein tschechischer Ingenieur an. — Der Kirchendienst Ost bedauert, dass es der Berliner Kirchenleitung der Evangelischen Union noch nicht ermöglicht worden sei, über gelegentliche persönliche Kontakte hinaus, mit der Warschauer Kirchenleitung über die Betreuung der deutschen Restgemeinden und zerstreuten Gemeindeglieder zu verhandeln.

 

 

Seite 9   Wir gratulieren.

Rektor a. D. Walther Hardt in der Bergstadt Lübbecke/Westf., Andreasstraße 30, früher Königsberg-Heiligenbeil, wird am 22. Januar 1956, 82 Jahre alt. Er beteiligt sich noch sehr stark am politischen Leben, ist Kreistagsabgeordneter und Mitglied verschiedener Verbände und Organisationen, wo er als Redner sehr geschätzt ist. Er bekleidet das Amt des Vorsitzenden der Ortsgruppe der ostpreußischen Landsmannschaft, sowie das des Kreisverbandes, auch ist er Mitglied des Amtlichen Kreisvertriebenenbeirates. Neben seiner sonstigen Tätigkeit hat er in seinem vergangenen Lebensjahre noch folgende Werkchen geschrieben: „Kommentar zur Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen", „Kommentar zur Landkreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen" und einen Novellenband „Im Wandel der Tage". Und bei Schulfeierstunden hat er noch in einigen Lehranstalten über seine Heimat sprechen können.

 

 

Seite 9   Trautste ostpreußische Ortsnamen.

Spullen, Spucken, Tutschen, Tullen,

Burbeln, Wirbeln und Didszullen,

Rudszen, Rucken, Tippeln, Zappeln,

Kuddern, Buddern, Szuggern, Pabbeln,

Stumbragirren, Papuschienen,

Sussemilken, Kraxtepellen,

Battatron, Kuhdiebs, Bokellen,

Ginkelsmittel, Altkraulzidszen,

Antmirehlen, Bildeweitschen,

Wicknaweitschen, Adonheiken,

Tollitzkehmen, Pogarblauken,

Kackschen, Pitken, Mullunuppen,

Schillupischken, Dirwonubben,

Kartzanupchen und Kotzlauken,

Lolidimmen, Schmackerlauken,

Pupkum, Popelken, Schmulkehlen,

Schnecken, Schniepseln, Schöckstupönen,

Sporgeln, Titschken, Laukopönen,

Guttawutschen und Willpischen,

Liskaschaaken, Schunkern, Kischen,

Lepalothen, Pojerstiten,

Kumpchen, Dummeln, Perkuiken,

Szabojeden und Lengkupchen,

Schuttchen, Kiddeln und Jodupchen

Samelucken, Kannapinne,

Liegetrocken und Pendrinnen

Waldaukadel, Tilsewischken,

Rososchatzken, Adamischken,

Schunkern, Zuckeln und Puplauken,

Wannagupchen, Groß-Strunzlauken,

Gusken, Pilzen, Knobloch, Wicken,

Nuskern, Kackscheiten, Willschicken,

Paradies und Himmelforth.

 

Ach, so gibts noch manchen Ort gleichen Wohllauts in Ostpreußen. Ob sie wohl noch heut so heißen?

 

 

Seite 9   Königsberger fanden im Helwegkreis eine neue Heimat. Fünf Generationen unterm Weihnachtsbaum.

In Kamen (Westf.) feierten in einem der neuen von der Ruhrwohnungsbau-AG. errichteten Häuser an der Bogenstraße fünf Generationen einer Familie den Heiligen Abend 1955. Die Ur-Ur-Oma zählt 85 Jahre. Die Ur-Oma ist 64, die Oma 45, der Vater 23 Jahre und der kleine Ralf sechs Wochen alt.

 

Als die Ur-Ur-Oma Auguste Sabottke am 12. März 1870 als Spross einer alten Königsberger Familie in Ostpreußens Hauptstadt geboren wurde, war Otto von Bismarck noch nicht deutscher Reichskanzler, sondern preußischer Ministerpräsident. Es gab noch kein Deutsches Reich. Zehn Monate war die kleine Auguste alt, da wurde in Versailles das Deutsche Kaiserreich proklamiert.

 

 

1870 bis 1955

Welche Fülle von Ereignissen liegt zwischen dem 12. März 1870 und dem 11. November 1955, dem Geburtstag ihres Ur-Ur-Enkels Ralf! Diese Jahrzehnte brachten den Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871, der ausbrach, als die Ur-Ur-Ahne des Jahres 1955 vier Monate alt war, den Weltkrieg 1914/1918, dem ein Sohn Sabottke zum Opfer fiel, und den Weltkrieg 1939/1945, der Frau Sabottke und ihren Nachkommen großes Leid zufügte. Mit roher Gewalt wurde die Familie auseinandergerissen.

 

Klein-Ralf weiß noch nichts von alledem. Er wurde in einem Deutschland geboren, das wieder ein souveräner Staat ist und dessen Wirtschaft einen Aufschwung genommen hat, wie man ihn nach der Katastrophe von 1945 für unmöglich gehalten hatte. Der Staat aber, der seine Heimat ist, umfasst nur einen Teil jenes Deutschlands, in dem seine Eltern geboren wurden. Ein Stück des früheren Deutschen Reiches ist heute ein eigener Staat, und ein anderer Teil wurde völlig abgetrennt. Königsberg, die über 900 Kilometer Luftlinie von Kamen entfernte Heimatstadt seiner Vorfahren, nennen die Russen jetzt Kaliningrad.

 

Vor zehn Jahren.

Am Heiligen Abend 1955 gingen in dem Haus an der Kamener Bogenstraße die Gedanken zurück an die Weihnachtstage vor zehn Jahren. Ur-Oma Frieda Hering, eines der acht Kinder, denen Frau Sabottke das Leben geschenkt hatte, war im Februar 1945 als Vierundfünfzigjährige von den Russen in Richtung Osten verschleppt worden und fristete ihr Leben unter primitivsten Verhältnissen in einem ostpreußischen Dorf. Sie wusste nichts von ihrem Mann, sie war ohne Nachricht von ihrer Mutter und hatte keine Ahnung, wo wohl ihre Tochter mit den Jungen lebte.

 

Erst später erfuhr Frau Frieda Hering, dass ihr am 7. Februar 1945 von den Russen aus Cranz abtransportierter Ehemann nicht mehr unter den Lebenden weilte. 1947 wurde Frau Hering dann von Ostpreußen in Richtung Westen deportiert. Am Heiligen Abend des Jahres 1947 erreichte sie in Erfurt das Telegramm aus Kamen, dass die Erlaubnis übermittelte, in die Sesekestadt zu ziehen. Allerdings erklärte die Kamener Stadtverwaltung, dass mit der Genehmigung „keine Zuweisung von Wohnraum und keinerlei Ansprüche auf Unterstützungszahlungen verbunden" seien.

 

Sachsen und Schleswig-Holstein.

Frau Herta Neumann, die im Jahre 1910 geborene Vertreterin der dritten Generation, musste mit ihren beiden Jungen (Jahrgänge 1932 und 1936) Anfang 1945 auf Anweisung der deutschen Behörden Ostpreußen verlassen. In Königsberg ausgebombt, aus der kleinen ostpreußischen Kreisstadt Zinten nach Sachsen evakuiert, dort von den Russen überrannt: wie viel Kummer und Sorge liegen in diesen wenigen Worten!

 

Königsberger und Kamenerin.

Aus Sachsen ging es dann mit den beiden Jungen „schwarz" über die Zonengrenze in das Gebiet der späteren Bundesrepublik. Aus dem Soldaten Neumann, ihrem Ehemann, der in Königsberg den Einberufungsbefehl erhalten hatte, war ein schleswig-holsteinischer Bürger geworden. In der Nähe von Rendsburg fand die Familie Neumann eine vorläufige Bleibe. Schleswig-Holstein aber, das vor dem Krieg nicht einmal 1,6 Millionen Einwohner zählte, durch den Flüchtlingsstrom aber auf 2,7 Millionen Köpfe gewachsen, und in dem Zehntausende von Menschen noch in primitiven Barackenlagern untergebracht waren, bot keine Arbeitsmöglichkeiten. So zog Familie Neumann im Jahre 1949 aus dem Land zwischen Nordsee und Ostsee nach Kamen.

 

Sohn Klaus widmete sich dem Bergbau, wurde Hauer und besucht heute die Bergvorschule. Er fand aber in der Sesekestadt nicht nur Arbeit, sondern auch seine Lebensgefährtin, eine Kamenerin, die heute vor 43 Tagen die Mutter des kleinen Ralf wurde. Königsberger und Kamener Blut fließt in Ralfs Adern.

 

Wodurch wurde nun Kamen Sammelpunkt der durch den Krieg auseinandergerissenen Familie? In der Stadt mit dem schiefen Turm weilte die Ur-Ur-Oma, damals allerdings „nur" Ur-Oma, vorübergehend — wie sie glaubte — bei einer anderen Tochter zu Besuch. Ja, diese Tochter wohnte bereits früher in Kamen. Zu ihr reiste Frau Sabottke im August 1944. Als aber dann Bomben Ur-Ur-Omas Wohnung in Königsberg zerstörten, schrieb Tochter Frieda aus Ostpreußen: „Bleibe bis zum Kriegsschluss in Kamen!" Dass Ur-Ur-Oma nie wieder nach Ostpreußen zurückkehren sollte, nie wieder die Steilküste des Samlandes sehen, die ostpreußischen Kiefernwälder und Seen schauen sollte, — daran allerdings hatte sie damals nicht gedacht

 

 

Seite 11   Zwei Fotos: Pillkallen: Häusergruppe an der Tilsiter Straße und am Markt.

 

 

Seite 11   Berechtigte Empörung in Bad Bramstedt. Heimatpolitische Entgleisung des parlamentarischen Vertreters des Kultusministeriums von Schleswig-Holstein.

Bei den „Gesamtdeutschen Tagen" der Schülermitverwaltung der Jürgen-Fuhlendorf-Schule in Bad Bramstedt sollte Dr. Gerlich, MdL, parlamentarischer Vertreter des Kultusministeriums über das Thema sprechen: „Die Aufgaben der Schulen bei der Bildung eines gesamtdeutschen Bewusstseins". Der Redner, im bürgerlichen Leben Oberstudienrat in Neumünster, befasste sich nicht mit dem Problem der Wiedervereinigung mit der sowjetisch besetzten Zone, um das es der Schülermitverwaltung zu tun war, sondern lenkte den Blick in das Gebiet hinter der Oder-Neiße-Linie, das auch in die Wiedervereinigung einzubeziehen sei. Umso erstaunter waren die jungen Zuhörer, als Dr. Gerlich sich allen Ernstes zum Propagandisten des Kondominats (Gesamtherrschaft mehrerer Staaten über ein Land oder einen Landesteil) machte. Ein Kondominium von Ostpreußen, Westpreußen, Pommern angefangen bis hinunter nach Österreich mit einer „internationalen Überspitze" würde auch vom Ausland akzeptiert werden.

 

Dr Gerlich betonte ausdrücklich, dass er als „Parlamentarier und Historiker" spreche, dass er Sudetendeutscher sei und sich mit dem ostdeutschen Problem intensiv beschäftigt habe. Er führte weiter aus, dass eine staatsrechtliche Basis für die deutschen Wünsche gefunden werden müsse. In der westdeutschen Republik würde ein Modellfall vorexerziert: „Käme man zu einer echten föderalistischen Auffassung, so hätten wir ein Rezept, das uns auch in der öffentlichen Meinung des Auslandes abgenommen wird. Ich weiß, dass die Dinge, die ich sage, nicht populär sind, weil sie nicht in die Druckfahnen der deutschen Schulbücher passen", sagte Dr. Gerlich wörtlich.

 

Vom Föderalismus, zu dem sich der Redner ausdrücklich bekannte, kam Dr. Gerlich auf „Großpreußen" zu sprechen. Die westdeutsche Republik sei von der öffentlichen Meinung des Auslandes abhängig, und es müsse daher alles vermieden werden, was wie der Begriff „Preußen" provokatorisch wirken könne.

 

In der Diskussion stand ein Primaner auf und wandte sich gegen die Bildung eines Kondominiums im deutschen Osten. Die Abtrennung sei durch nichts gerechtfertigt. Die Oder-Neiße-Linie sei ein sowjetischer Betrug, da ursprünglich die östliche Neiße (Glatzer Neiße) als Grenze zwischen den polnisch verwalteten Gebieten des Deutschen Reiches und der sowjetischen Besatzungszone gemeint gewesen sei und nicht die Görlitzer Neiße.

 

Ein anderer Schüler gab zu bedenken, dass Polen in seiner Geschichte noch nie bewiesen habe, sich längere Zeit selber regieren zu können. Dr. Gerlich entgegnete, dasselbe könne man auch von Deutschland behaupten. Alles, was die Schüler sonst noch zum Problem der Wiedervereinigung vorbrachten, lehnte Dr. Gerlich als „aus dem 19. Jahrhundert stammende Thesen vom Nationalstaat" ab. Einigen Primanern warf er „engstirnigen nationalen Chauvinismus" vor. Mit „nationalstaatlicher Denkkategorie" könne man heute im Ausland nicht mehr auftreten.

 

Dr. Gerlich sagte, dass jeder von deutscher Seite geäußerte Satz, der die Rechtsansprüche auf das Gebiet jenseits der Oder-Neiße-Linie anmelde, „bereits vorbelastet sei vom Nazismus und Nationalismus". Diese Erkenntnisse habe er kürzlich in England sammeln können. Wörtlich fragte er dann die Schüler: „Wenn wir die Grenze von 1937 auf den Weihnachtstisch bekämen, was wollen Sie, die Sie erklären, ein Kondominium sei nicht gerechtfertigt, mit den Millionen (polnischer) Frauen und Kinder tun, die jetzt in den Ostgebieten wohnen und geglaubt haben, dort vor dem Bolschewismus sicher zu sein? Wollen Sie diese Menschen mit Sonderfahrkarten ausstatten und wieder ostwärts schicken, wie man uns 1945 nach dem Westen geschickt hat?"

 

Alle weiteren Auslassungen der Schüler bezeichnete der Redner als „bequemes Ausweichen in eine geschichtliche Romantik, in ein Schloss der Träume". Es war nicht ein Schüler da, der sich zu den Auffassungen des Oberstudienrates aus Neumünster bekannte. Auch der Bramstedter Studienreferendar Dr. Jenkins stellte sich gegen den Redner. Im Schlusssatz bedauerte Dr. Gerlich, dass er gezwungen gewesen sei, in den Wein der Freude Wasser hineinzugießen.

 

Die in gemilderter Form gebrachten Ausführungen des Oberstudienrates Dr. Gerlich haben in der Bevölkerung des Kreises Segeberg eine ungeheure Erregung hervorgerufen. Es erscheint völlig unverständlich, dass ein deutscher Oberstudienrat Äußerungen dieser Art vor der Jugend machen konnte. Man erwartet von dem Innen- und Kultusminister die sofortige Einleitung eines Verfahrens gegen den Redner. Umso erfreulicher ist die Haltung der Schüler, die diesen Parlamentarier buchstäblich zur Strecke brachten.

 

 

Seite 11   Der kostbare Ring

Vor kurzem kehrte Frau Frieda Scheiba, Frau des Archäologen Dr. Scheiba, aus zehnjähriger Gefangenschaft in den Lagern Sibiriens zurück. Sie war todkrank, als sie in der Nähe von Harburg bei ihrer Schwester Zuflucht fand, und erlag trotz sorgfältigster Pflege den Strapazen, die sie während ihrer Gefangenschaft hatte erdulden müssen. Kurz vor ihrem Tode vermachte sie einen unansehnlichen, klobigen Ring, den sie stets am Finger getragen und der sie auch in den schwersten Zeiten nicht verlassen hatte, denn die Russen hatten ihn für wertlos gehalten, dem Samländischen Museum in Pinneberg. Pinneberg ist die Patenstadt von Fischhausen im Samland, und das Museum ist vorerst noch notdürftig im Keller einer Villa untergebracht. Der Ring der Frieda Scheiba ist eines der kostbarsten Stücke aus der Sammlung des Fischhausener Schulrats und Altertumsforschers Dr. Scheiba. Seine Frau trug ihn, während die Sammlung den Russen bei der Besetzung Ostpreußens in die Hände fiel. Der mattbraune, glanzlose und etwas narbige Ring wurde im Jahre 1920 von Dr. Scheiba in einem großen Gräberfeld bei Tenkitten an der Ostseeküste nördlich von Pillau gefunden. Er lag dort, wo 997 n. Chr. Bischof Adalbert von Prag als Missionar von den heidnischen Preußen erschlagen worden war. Der Ring mag einem gotischen oder preußischen Krieger gehört haben oder auch einem Bürger, der hier begraben wurde. Er trägt die üblichen Verzierungen wie sie bei Goten und Preußen im Ostseeraum gebräuchlich waren.

 

Nun hat der Ring auf seiner tausendjährigen Wanderung eine vorläufige Ruhestätte in Pinneberg gefunden, gemeinsam mit wertvollen Dokumenten und unersetzlichem Material, das Museumsleiter Sommer auf abenteuerliche Weise dem Zugriff der Roten Armee entreißen konnte. Da ist ein tausend Jahre altes Wikingerschwert, der kunstvoll geschmiedete Stadtschlüssel von Königsberg, das Maurerwerkzeug der preußischen Könige für Grundsteinlegungen und strategische Zeichnungen des jungen Hauptmanns Paul von Hindenburg.

 

Alle diese Zeichen reden eine deutliche und unmissverständliche Sprache, sie sind nimmer schweigende Zeugen eines immer deutschen Landes. — Nur der Ring aus dem Osten schweigt. Er bewahrt das geheimnisvolle Schicksal seines ersten Besitzers ebenso wie die furchtbaren Erlebnisse seiner letzten Trägerin in den Lagern am Polarkreis. H. B.

 

Seite 11   Wer kennt die Angehörigen?

Bericht Nr. 1607: Unbekannter Unteroffizier aus Ostpreußen. Personalien: geb. 1912/1913, etwa 1,70 m groß, dunkles Haar, von Beruf Lehrer. Verstorben: März 1943 im Lager Dubowka.

 

Bericht Nr. 1589: Unbekannter Bahnangestellter aus Ostpreußen, war vermutlich in Wismar angestellt, Angehörige in Casparshöfen, Kreis Fischhausen (Ostpreußen). Verstorben: November 1945 im Lager Insterburg.

 

 

Seite 11   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb) Gotenstraße 33.

Herzliche Glückwünsche zum Geburtstage allen Januarkindern und unter ihnen ganz besonders

 

am 10.01.1956: Hanns-Jürgen Hanke — Marienwerder (20 Jahre),

 

am 18.01.1956: Dr. Gerhard Knoblauch — KTC Königsberg (50 Jahre) und

 

am 24.01.1956: Bernhard Zube — Pr. Holland (50 Jahre),

 

am 24.01.1956: Erich Dahlhoff — KMTV Königsberg (60 Jahre),

 

am 01.01.1956: Martha Adler — ETG Elbing (70 Jahre) und

 

am 26.01.1956: Max Buchthal — Zoppot (70 Jahre) und Paul Thomsen (70 Jahre) — Marienburg

 

am 21.01.1956: Fritz Babbel —KMTV Königsberg (76 Jahre),

 

am 24.01.1956: Otto Beutner — KMTV Königsberg (77 Jahre) und

 

am 03.01.1956: August Quandel — Insterburg (95 Jahre).

 

Mit fröhlichem Gut Heil hinein ins neue Lebensjahr!

 

Der Weihnachtsrundbrief 1955 ist im Dezember an alle bisher bekannten Anschriften versandt worden. Turner und Turnerinnen aus nordostdeutschen Vereinen, die ihn nicht bekommen haben, werden gebeten, ihn unter Angabe ihrer jetzigen Postanschrift und ihrer früheren Vereinszugehörigkeit anzufordern. Versand unentgeltlich und portofrei. Das neunte Wiedersehenstreffen ist auf den 31.08. bis 03.09.1956 in der Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittwald (Kreis Lübbecke/Westf.) festgelegt worden. Näheres s. Weihnachtsrundbrief 1955. Wer weiterhin über die Vorarbeiten und Teilnahmebedingungen unterrichtet werden will, teile dies bitte bis zum 01.02.1956 an Wilhelm Alm in Oldenburg (Oldb) mit. Zur Beschränkung der Druck- und Portokosten für die weiteren Festnachrichten ist diese Mitteilung sehr wichtig. Als eine Teilnehmermeldung gilt sie nicht.

 

Unbekannt verzogen sind nach Postvermerken

 

Gertraut Aspodin und Helmut Milewski — KMTV Königsberg, sowie

 

Alfred Schilling - Palmnicken.

 

Wer kennt die heutigen Anschriften?

 

Zugänge in der Kartei nach Abschluss des II. Nachtrages zur Anschriftensammlung: Otto Damerau und Herta Schmidt, TV Marienwerder. Traute Kunert, geb. Knaps. Brigitte Lompe. Gertrud Lompe und Christa Schmid, geb. Lompe, MTV Lyck.

 

Auskünfte nach der Kartei werden gern erteilt.

 

Ein gesegnetes, frohes und glückliches neues Jahr wünsche ich allen Turnerinnen und Turnern unserer Turnerfamilie sowie ihren Angehörigen. Recht viele hoffe ich in diesem Jahr in Espelkamp-Mittwald wiederzusehen in Gesundheit frohgemut und hoffnungsfreudig. Und allezeit möge uns unser Losungswort für 1956 vor Augen stehen:

 

Frisch und frei im Handeln,

fröhlich und fromm im Wandeln!

 

 

Die Schriftleitung der „Ostpreußen-Warte" hat schon wie in den früheren Jahren so auch in allen Nummern des Jahrgangs 1955 bereitwilligst Nachrichten aus unserer Turnerfamilie und eine Reihe von Berichten aus dem Vereinsleben mit Bildern gebracht. Ein Teil der Klischees dieser Bilder wurden für „Onkel Wilhelms Weihnachtsbrief 1955" zur Verfügung gestellt und erfreuen somit nochmals die vielen Leser der Ostpreußen-Warte aus unseren Reihen. Mit herzlichem Dank hierfür verbinden wir die besten Wünsche für weiteres Anwachsen der Bezieherzahl und Blühen und Gedeihen der Zeitung. Onkel Wilhelm

 

 

Seite 11   Bundesbahn führt Familientarife ein.

Vom 15. März 1956 an werden die Kinder bis 19 Jahre aus Familien mit drei und mehr Kindern unter 19 Jahren auf den Eisenbahnen nur den halben Fahrpreis zahlen. Bisher war diese Ermäßigung auf alle Kinder von vier bis zehn Jahren beschränkt. Die Fahrpreisermäßigung gilt nicht nur für Fahrten in der Familiengemeinschaft, sondern auch für Einzelfahrten der Kinder. Der Ausfall von 25 Millionen DM im Jahre, von dem 3 Millionen DM auf die nichtbundeseigenen Bahnen entfallen, soll zum größten Teil vom Bund getragen werden. Weiter hat die Bundesbahn den Familienminister die Einrichtung von Abteilen für Mütter mit Kindern zugesagt, und zwar spätestens mit dem neuen Sommerfahrplan.

 

 

Seite 12   Nachrichten aus der Heimat.

Die Insterburger Läuse.

Gegenwärtig ist die Einwanderung weiterer Russen nach Nord-Ostpreußen ernstlich in Frage gestellt. Kürzlich nämlich brannte die große Insterburger Entlausungs-Anstalt völlig ab. In diesem aus Holz erbautem Gebäude, wo gleichzeitig bis zu 250 Personen von dem Ungeziefer befreit werden konnten, brach wegen Nachlässigkeit ein Brand aus, der das Haus einäscherte und einigen Leuten des Personals das Leben kostete.

 

Zurzeit wird fieberhaft versucht, in Gumbinnen eine neue Provinz-Entlausungsanstalt zu bauen. Es dürfen nämlich nur solche Zivilisten nach Nord-Ostpreußen einwandern, die in einer solchen Anstalt gründlich entlaust worden sind. Da das zurzeit wegen des Brandes in Insterburg nicht möglich ist, stauen sich in Ebenrode, Gumbinnen und Insterburg mehrere Transporte mit Neusiedlern aus Innerrussland.

 

Die sowjetische Armee hat sich im Übrigen geweigert, ihre in Eydtkau, Tilsit und Heydekrug gelegenen heereseigenen Anstalten zeitweise zur Verfügung zu stellen und damit den Einwanderer-Stau aufzulösen. Nun sucht die Bürokratie verzweifelt nach einem Ausweg, um die Einwanderer aus den Wartelagern heraus zu bekommen. Dies erscheint vor allem deswegen dringlich, weil man festgestellt hat, dass nicht wenige der ob solcher Umstände verärgerten Ankömmlinge die Rückreise nach Russland angetreten haben.

 

 

„Seeburg" wieder flott.

Das frühere deutsche Motorschiff „Seeburg" ist von den Polen wieder in Dienst gestellt worden. Der 13 750 Tonnen große Dampfer war 1944 unweit der Halbinsel Hela auf der Fahrt von Ostpreußen ins Reich durch Minentreffer versenkt worden. Polnische Bergungsschiffe hoben in über zweijähriger Arbeit die „Seeburg" und schleppten das Wrack in den Hafen von Gdingen. Anfangs hatten die Sowjets darauf bestanden, die Polen sollten das Wrack verschrotten und das gewonnene Metall der UdSSR übergeben. Polnische Schiffsbauer überzeugten die Russen jedoch davon, dass die „Seeburg" immer noch verwendungsfähig sei. In Gdingen wurde das Schiff auf der Werft „Pariser Kommune" in achtzehn Monaten repariert. Nun soll die „Seeburg", die die Polen in „Feliks Dzierzynski" umbenannten, einige Probefahrten unternehmen und danach eine neue Inneneinrichtung erhalten. Ab Sommer 1956 soll sie auf der China-Route der polnischen Handelsmarine eingesetzt werden.

 

 

Kapriolen in Stuhm.

Nachdem die ostpreußische Kreisstadt Stuhm schon unter polnischer Verwaltung durch ein hier eingerichtetes Entziehungsheim für alkoholsüchtige Funktionäre unrühmlich bekannt geworden ist, wurde nun in Stuhm ein „Dom Pracy Przymusowej (Arbeitshaus) gegründet. Die Polizeibehörden sollen in das Arbeitshaus verwahrloste Jugendliche, die zu Hunderten hier herumstromern, und sonstige Vagabunden einweisen. Alle Insassen des Arbeitshauses sind für den landwirtschaftlichen Einsatz auf den Kolchosen in Richtung auf Heinrode und zum Dreiländereck vorgesehen. Die Staatsgüter hatten dankend abgelehnt...

 

 

Grippewelle

Im Memeland und dem nordöstlichen Ostpreußen grassiert zurzeit eine große Grippewelle. Wie aus Briefen — die von Orten am Kurischen Haff kamen — hervorgeht, ist vor allem die Jugend von der Infektionskrankheit betroffen. Da einige Schulen und andere Lehranstalten zu spät geschlossen wurden, konnte sich die Epidemie verhältnismäßig leicht ausbreiten. Inzwischen haben die Behörden Anweisung gegeben, dass bis auf weiteres in den meisten Landstrichen die Schulen geschlossen bleiben. Auch verschiedene Ausbildungslager der vormilitärischen Organisation DOSAFF in diesem Bezirk wurden aufgelöst. Besondere Hilfsmaßnahmen wie Bereitstellung von Medikamenten und Hilfskrankenhäusern wurden jedoch nicht ergriffen.

 

 

Betrüger neuen Typus.

In Allenstein herrscht über eine Betrugsaktion führender polnischer Kommunisten große Empörung. Um Anreiz für bessere Arbeitsleistungen zu schaffen, hatten die Parteifunktionäre im Dezember 1955 erklärt, die Angehörigen aller zur Zufriedenheit arbeitenden Betriebe würden in Kürze Bohnenkaffee, echten Tee und Zitrusfrüchte erhalten. Den misstrauischen Bürgern, die sich nach der Herkunft dieser sonst nie auf den Markt kommenden Waren erkundigten, wurde erklärt, dass diese Artikel aus Frankreich kommen würden. Dabei verwies man auf den zwischen Paris und Warschau am 27.11.1955 abgeschlossenen Handelsvertrag, dessen Laufzeit vom 01.12.1955 bis zum 30.12.1956 begrenzt wurde und aufgrund dessen Genussmittel und andere Versorgungsgüter aus Frankreich nach Polen geliefert werden sollen. Die Allensteiner KP-Beamten erklärten, auch nach Ostpreußen würden diese Waren kommen.

 

Tatsächlich kam gegen Ende 1955 auch ein Waggon mit Säcken voller Bohnenkaffee, Kisten mit Zitronen und Tee-Säckchen nach Allenstein. Seine Ankunft verbreitete sich mit Windeseile, obwohl die Funktionäre den Eisenbahnern strengstes Stillschweigen auferlegt hatten. Tausende von Käufern bestürmten die Läden mit Fragen, wann der Verkauf beginne. Dort wusste man jedoch von nichts. Darauf richteten die Belegschaften Anfragen an die Betriebsleitungen, ob denn nun wenigstens die Zuteilungen, wie versprochen, an die ohne Verlust arbeitenden Unternehmen, ausgegeben würden.

 

Doch auch sie warteten vergebens. Es wurde lediglich bekanntgegeben, dass der Inhalt des ersten Waggons nicht für die Allgemeinheit bestimmt sei. Im Übrigen könnten nur solche Industriearbeiter und Landarbeiter mit Zuteilungen rechnen, die das ganze Jahr 1956 hindurch „hundertprozentige Arbeitsleistungen vollbringen". Kurz nach dieser provozierenden Erklärung sah man Ehefrauen bekannter Allensteiner Kommunisten auf dem Schwarzmarkt der Stadt einige der begehrten Artikel verkaufen oder gegen andere Waren eintauschen. In den Parteiorganisationen wird seitdem heftig über diese Vorfälle debattiert. Die Bevölkerung spricht allgemein nur noch von den „Betrügern neuen Typus" — in Anlehnung an kommunistische Bezeichnungen für die Partei.

 

Geheimpolizei in der Hufenallee.

In mehrere Gebäude der Königsberger Hufenallee sind Abteilungen des sowjetischen „Ministerstwo gossudarstwennoi besopassnosti" (MGB = Ministerium für Staatssicherheit) eingezogen. Wie es heißt, soll die Überwachung der Grenzen des unter sowjetischer Verwaltung stehenden Nord-Ostpreußen im Jahre 1956 weiter erheblich verstärkt werden. Zentralen dieser Überwachungs-Maßnahmen sind außer Königsberg noch Gumbinnen, Tilsit und Gerdauen.

 

Auch in der ostpreußischen Hauptstadt Königsberg erwartet man in Kürze verschiedene neue Sicherheitsvorkehrungen, die mit der neuen Moskauer Politik in Zusammenhang gebracht werden. Auch militärische Umgruppierungen im nördlichen Ostpreußen sowie Rüstungsfragen für die örtliche Industrie in Königsberg und anderen Städten werden als Gründe genannt.

 

Wie schon in einigen anderen Straßen, in denen Überwachungsbehörden in Königsberg untergebracht worden sind, hat man jetzt auch besondere Sicherheitsvorkehrungen für die Hufenallee vorgenommen. Es handelt sich dabei in erster Linie um Verkehrsbeschränkungen. Nach Einzug der MGB-Dienststellen darf der die Allee durchfahrende O-Bus hier nicht mehr halten. Weiter ist das Stehenbleiben vor bestimmten Häusern verboten worden. Die Bevölkerung rechnet damit, dass in Kürze derartige Maßnahmen auch noch für andere Stadtviertel bzw. Straßen ergriffen werden.

 

Termingemäßes Absetzen.

Nach Beendigung der Erntearbeiten haben 107 Kolchosleiter und Direktoren von Staatsgütern im Bezirk Danzig und in Westpreußen ihre Posten aufgegeben. Mit ihnen verließen mehr als zweihundert Buchhalter die staatlichen landwirtschaftlichen Betriebe. Dieses Aufgeben von Posten bei den Angestellten wiederholt sich jedes Jahr einige Zeit nach Auszahlung der Ernte-Prämien. Nur ein geringer Teil dieses Personenkreises verlässt seine Stellungen jedoch auf Grund von Kündigungen.

 

Die Mehrzahl geht aus eigenem Entschluss, um irgendwo anders unter besseren Bedingungen Arbeit für das neue Jahr annehmen zu können. Viele haben Stellungen auf anderen Kolchosen angenommen, weil man ihnen dort Verbesserungen hinsichtlich Gehalt und Naturalzuteilung bietet. Der Personalwechsel bei den Produktions-Genossenschaften und den staatlichen Gütern ist in hohem Maße für die Bewirtschaftung und die Unrentabilität dieser Betriebe verantwortlich. Kolchosniken und Gutsarbeitern ist dagegen die Aufgabe des Arbeitsplatzes fast unmöglich.

 

Preiserhöhungen.

Polnische Zeitungen berichten, dass in der ostpreußischen Kreisstadt Ortelsburg auf den Bauernmärkten von den Kolchosen überhöhte Preise gefordert werden. Unter anderem heißt es: Butter koste jetzt dort je kg 85 Zloty (offizieller Preis 60 Zloty): ein Pfund Mehl müsse mit 5 Zloty bezahlt werden (offiziell 1,5 bis 2 Zloty); für Schweineschmalz verlangten die Kolchosen 75 Zloty je kg (offiziell 30 Zloty) und Kartoffeln würden um das Dreifache als erlaubt teurer verkauft.  

 

 

Seite 12   Ostpreußen-Kalender 1956.

Gräfe und Unzer Verlag, München (früher Königsberg). — Im 18. Jahrgang erschien dieser Abreißkalender mit 24 Fotopostkarten auf feinem Kunstdruckkarton und Beiträgen ostpreußischer Autoren. Preis 3,50 DM

 

 

Seite 12   Wortgefecht

Ich traf anne Milltonn auf nichternem Magen Zwei Weiber, die hädden sich schwer inne Woll. Se kreischden und brillden, die Bestien, dis wilden. Und was ich da heerd, das war doller wie doll; ,Du schielaugsche Saddrach, du zoddrige Zippel“. ''Du prachrige Schlorr, du, du alte Krabuttl" Und denn foorts de andre: „Du brastige Kachel," „Du schlampige Flirr, du, du dusslige Schutt!" Und wieder de erste: „Du mieriges Kodder“, „Verbeilte Kastroll du, halt bloß deine Lipp!" Und wieder de zweite: „Du Stobbenkoppsche“, „Du jachrige Koss du, du schlunzige Zibb!" Noch einmal de erste: „Du doowe Zachudel“, „Du schosslige Kobbel, du o'beinsche Null!" De zweite: „Du Dranktonn, du mieße Fijuchel“, „Du mannsdolle Fludder, verlauste Rachull!" Nu mengd ich mir zwischen, mir war von das Keifen Warraftig vor Augen all blau nu und grien. Da zwitscherd de eine: „Wir tun ja bloß ieben!" De andre: „Wir haben am Freitag Termin!" Dr. Lau

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (30)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nun sind wir mittem Wuppdich innes neie Jahr reingehoppst und lauern, was es uns bringen wird. Manche können es gar nich frieh genug erfahren und lassen sich deshalb wahrsagen. Es soll doch ieberall Menschen geben, wo inne Zukunft kicken können. Die einen riehren im Kaffeegrund rum und de andere mang e Sterne. Aber richtig rausgekriegt hat es doch noch keiner. De Emma, was meine Frau is, schwört ja auf Treime. Aber es muss Neimond sein, sonst gehn se nich in Erfillung. Inne Neijahrsnacht hat ihr nu getreimt, dass se auf e Figglien spield, und um ihr rum waren viele kleine Kinder und e ganzer Bienenschwarm burrd ihr ummern Kopp. Neijahrsmorgen wiehld se nu foorts ihrem ägiptischen Traumbuch auße Schieblad raus. Das is all vor dausend Jahr gedruckt, und zwar in Tilsit, und hat zwei Mark vierzig gekost. Und weil es so e wertvoller Gegenstand is, hat se das Buch aufe Flucht mitgenommen und gerettet. Zusammen mit eine zweidausend Jahre alte Rose von Jericho, wo immer lebt und de Fliegen vernichtet und dem Husten benimmt. Es is bloß gut, dass das Traumbuch nich in Ostpreißen geblieben is, sonst konnd de Emma nich nachkicken und denn hädd se bestimmt das ganze Jahr gegnurrt und gemault, und ich hädd de Last von gehabt. Nu war se glicklich und selig, dass se Gewissheit kriegd. Das Figglienspielen bedeitet Schkandal, wo einer mit zu tun kriegt. Die kleine Kinder sind Ärger, und die Bienchens bedeiten nich Honig, sondern Feier. Und nu is jedem Morgen, wenn se aufwacht, das erste Wort: „Pass auf, heite kommt es, heite giebt es bestimmt Streit und Zank mittem Bauerochs!" Das is natierlich nuscht Besonderes, es passiert nämlich öfters, aber wenn er ihr jetz mal anblaffen wird wegen irgend einem Dreck, denn wird se ganz bestimmt sagen: „Siehst, der Traum hädd doch recht, denn er is in Erfülung gegangen!" Und wenn ich morgens dem Ofen ansteck oder mir Benzin aufs Feierzeig gieß, denn is se vor Aufregung rein auße Fassong: „Päser nicht immer rum, Du wirst bestimmt so lang maddern, bis es wirklich brennt“. Aber am dollsten war Silvesterabend. Se hädd inne Zeitung gelesen, dass einer sich bei eine amerikanische Grundsticksgesellschaff e Stickche Land aufem Mond kaufen kann. Nu hat se all wochenlang geporrt, dass ich mal schreiben solld. „Wenn es hier aufe Erd nich mehr auszuhalten is", meind se, „denn weiß einer doch wenigstens, wo einer denn bleiben kann. Das Stickche brauch ja doch nich groß sein, bloß dass einer sich e Hausche bauen kann. Wenn es nach Dir ging", sagd se Heiligabend, „denn wird wieder gelauert bis zuletzt, bis der ganze Mond aufgeteilt is. Und denn stehst und kickst inne Röhr, wenn die krätsche Wasserstoffbomben zerplatzen und de ganze Luft verpesten“. Da hab ich mitten Finger anne Stirn getippt und, sehn Se, das hädd ich nich solld machen. Denn nu ging se hoch wie e Fahrstuhl und bestand dadrauf, dass se das Schicksal befragen wolld, ob ich wegen die Mondparzell anfragen solld oder nich. De ganze Feiertage hat se mir damit verrujeniert, bis ich kreizlahm wurd und nachgab. Silvester war nu der geeignete Monument dafier, sagd se. Ich missd die Tier zuschitzen, dass ihr keiner bei die feierliche Schicksalsbefragung steeren konnd. Denn hat se sich dem Weckert gestellt, dass se nich womeeglich de Zeit verschlief, und wir haben uns Gliehwein gekocht und aufem Sofa gehuckt und gelauert wie de Kinderchens aufem Weihnachtsmann. Und de Emma hat geredt wie e junger Pfarrer bei die Probepredigt: „Der Weltuntergang kann gar nich mehr weit weg sein, einer sieht es ja annes Wetter. Is das nu Winterwetter? Das is ieberhaupt kein Wetter nich mehr“. Und dabei hat se immer dem alten, zerfranselten Pareezke gestreichelt, mit dem se um zwölf das Schicksal befragen wolld. Aber mit eins fiel ihr die Unterlipp runter, und de Augendeckel klappden zu, und de Emma schlief wie e Babie und schnarchd laut wie e Ratz. Ich war auch e bißche eingenippt, weil der Gliehwein aller geworden war. Mit eins klingert es, der Wecker stand auf e umgestilptem Teller und magd ganz geheerig Schkandal. Da hoppsd de Emma hoch, kriegd ihrem Pampusch zu fassen, legd sich lang aufe Erd mittem Kopp nache Tier, stilpd dem Scliorr ieberm Fuß und zähld eins, zwei drei ... Da heerd der Weckert vor Schreck auf zu klingern, und de Emma schmiss dem Pareezke mittem Fuß ieberm Kopp nache Tier. Aber weil se lang keine Leibesiebungen mehr gemacht hädd, kriegd se das Bein noch gerad hoch, aber nich wieder runter. Es stand mit eins kerzengerad inne Luft, und de brilld wie am Spieß, indem dass se sich wahrscheinlich was verrenkt und dem Hexenschuss gekriegt hädd. Das kommt davon, wenn alte Weiber Schicksalsgymnastik treiben. Nu missd ich wieder ran und das Bein zurecht machen. Das war aber gar nich so einfach, denn wenn unten runterdrickd, ging de, Emma oben hoch, und so schaukeld ich ihr e halbe Stunde aufe Dielen, dass der Gliehwein mir direkt aus alle Knopflöcher sibbern tat. Mit eins gab e lautem Knacks, dass ich rein dachd, der Hiftgirtel war zerrissen, wo se fier zwölf Gulden zu Weihnachten gekriegt hädd. Aber es war man de Emma ihr Kreiz, wo nu endlich wieder in seinem Stall zurickgefunden hädd. Rietz, war se auch all hoch und beim Schlorr. Und da griend se mit eins wie das Gras auf die Wiese, denn de Spitz vom Wusch zeigd nach draußen. Da schmiss se sich mächtig inne Brust, verkrempeld de Augen und sagd mit Gefiehl und Betonung: „Das Schicksal hat gesprochen, der Brief wegen dem Mond muss raus“. Und ich dußliger Hund hädd Zeit genug gehabt, dem Schlorr umzukehren, wie ich ihrem verbogenen Kreiz zurechtstuksd. Das hädd se in die Aufregung bestimmt nich bemorken. Nu wolld ich auch noch dem Schlorr einrenken, hold tief Luft und sagd mit e frommen Augenaufschlag: „Liebe Emma" — ich sagd wirklidi liebe Emma, schon wegen die greeßere Wirkung — „ich muss Dir leider entteischen. Der Pampusch lag mitte Spitz nach innen. Bei das Abmaracheln mit Dein verrenktes Kreiz hab ich ihm angestoßen und umgedreht“. Aber se war nicht zu ieberzeigen. „Das is nicht wahr, und wenn es wirklich wahr ist, denn hat Dir das Schicksal als Werkzeig benutzt, und Dir fehlt einfach das Gefiehl fier e heeherem Fingerzeig. Der Brief wird geschrieben und fertig!" Was wollen Se dagegen sagen? Da sind Se machtlos! Hädd ich mir bloß nicht auf die Schicksalsbefragung eingelassen. Die Frauens sind ja so raffiniert, se wussd ganz genau, dass se das schon irgendwie hingefingert kriegd. Sicherheitshalber hädd se vorher nuscht mit mir abgemacht, und wenn die Spitz nach innen gezeigt hädd, denn hädd se bestimmt gesagt: „Siehst, das is all de Antwort aus Amerika, de Glicksbotschaft kommt innes Haus“. Ich war jedenfalls so verärgert wegen dem dammligen Brief, dass ich meinem letzten Trumpf ausspield: „Gut ich schreib dem Brief, aber dafier wird der Kuigel geschlacht!" Nu dachd ich, se fängt an zu jammern von die treiherzige Augen und so, aber nei, se meind genau so treiherzig, das is ihr de Mondparzell allemal wert, und se hädd sowieso all beschlossen, dem Pochel abzumurksen. Nu war ich das zweite Mal reingefallen, das war fierem Anfang vonnes neie Jahr doch e bißche reichlich. Schuld hädd bloß der Landsmann Hellmut Gronen aus Celle, der hädd ihr das Maul wässrig gemacht die scheene ostpreißische Wurschtsupp, wo einer hier gar nich kriegt. Hier is bloß Wasser mit e bißche Salz und drei Fettaugen, und zu Haus missden minstens drei Wirste platzen, und das Fett missd einem vonnes Kinn runtertröpfeln, wie wenn einer zu Martini Leite mieten ging. Und dem Rest gab ihr e scheener Brief vonne Frau Margarete Fischer aus Bad Ems, wo mir schrieb: „Lassen Se sich mittem dicken Pochel und Ihre Emma abfotografieren und hängen Se das Bild zum Andenken iebers Bett, und denn nuscht wie — Kopp aff, Zoagel önne Lischke!" Denn schreib ich aber noch runter: Das bin ich, das is de Emma, und das is der Pochel, sonst werden wir noch von fremde Leite verwechselt, wo dem Pochel bei Lebzeiten nich gekannt haben. Nu hab ich bloß noch eine Sorg, dass es mir nämlich nich geht wie zu Haus dem Peischan. Dem schickt seine Frau nach Insterburg zwei Schinkenbeitels kaufen, und wie er zurickkam, hädden se ihm zwei Schlipfer eingepackt. Nu missd er noch emal los. Wutentbrannt knalld er de Schlipfers dem Freilein innes Geschäft aufem Tisch und brilld: öck wöll Schinkebiedels häbbe, de Schlipfers könne Se seck sölwest äwerm Noarsch tehne!" Ja, der Peischan war e Grobjahn, wenn ihm was ärgern tat, denn war er mit seine Wörters nich wählerisch. Ich muss mir nu langsam auf dem Brief nach Amerika präparieren. Das is je e reine Verricktheit, e Stick außm Dollhaus, und ich versteh gar nich, warum de Emma so gieprig darauf is, aufem Mond auszuwandern. Emmend denkt se, in e paar Jahre is das so bequem wie mitte Kleinbahn von Karalene nach Dwarischken. Se wird sich wundern. Ich trau dem Frieden nich, wahrscheinlich sind das wieder Betriegers in Amerika, wo de Leite de Dittchens abnehmen. Aber Vorschuss oder Anzahlung giebt bei mir nich, sondern bloß: Hier is der Mond und hier is das Geld. Hoffentlich giebt es auch e bissche Zuschuss außen Lastenausgleich, sonst scheitert es sowieso an die finanzielle Pracherei, wo einer sich ständig drin befindet. Womit ich mir nu man erst dem neien Jahr zuwenden will, was Ihnen allen viel Glick und Segen bringen soll. Wir Ostpreißen waren bis jetz nich dotzukriegen und wir werden auch 1956 auf beide Beine stehen bleiben, heechstens dass einem der Hexenschuss bedrickt wie die Emma am Silvetserabend, aber denn is das ja auch man voriebergehend.

 

Viele herzliche Grieße, auch vom Juljus, wo noch nuscht von die menschliche Schlechtigkeit, ahnt. Ihr Landbriefträger z. A. Ernst Trostmann

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Gesucht werden aus:

 

Allenstein: Lothar Mollenhauer, geboren 09.11.1942 in Allenstein, von Horst Korn, geboren 21.01.1925.

 

Allenstein, Roonstraße 30: Margarete Grimm, geboren 19.05.1933 in Allenstein, von ihrer Schwester, Anni Grimm, geboren 21.06.1929.

 

Almental, Kreis Angerapp: Siegfried Markowski, geboren 03.11.1935 in Otteberg und Irmgard Markowski, geboren 14.08.1938 in Kleineschingen, von ihrer Tante, Maria Jodeleit, geborene Markowski, geboren am 12.08.1909

 

Bärholz bei Thierenberg, Kreis Samland: Siegfried Numert, geboren 28.01.1938 und Erika Schulz, geboren 25.11.1939 in Bärholz, von ihrem Vater, Bruno Schulz, geboren am 26.10.1908

 

Bartenstein, Lindenweg 4: Klaus Großmann, geboren 26.07.1936 in Königsberg, von seiner Großmutter, Wilhelmine Prill, geborene Groß, geboren 24.10.1887

 

Bischofstein, Kreis Rössel: Georg-Paul Fox, geboren 07.02.1944, von seiner Tante, Maria Scheiba, geboren 20.02.1910. Der Junge befand sich am 28.01.1945 auf der Flucht in Bischofstein, Kreis Rössel, während eines feindlichen Beschusses auf einem Flüchtlingswagen. Der Kutscher dieses Wagens war ein Franzose Andreas, der Besitzer war ein Bauer aus der Nähe von Lyck oder Lötzen.

 

Braunsberg: Gisela Bierstedt, geboren im Februar 1943 in Königsberg, von Elisabeth Schlegel, geborene Thiele, geboren 26.06.1918

 

Drengfurt bei Angerburg, Waisenhaus: Klaus-Siegfried Redetzki, geboren 31.07.1935, von seiner Mutter: Frieda Redetzki, geboren am 26.02.1909

 

Ebenrode, Bezirk Gumbinnen: Peter-Jürgen Saunus, geboren 07.02.1934 und Harald Saunus, geboren 20.09.1940, von ihrem Vater: Walter Saunus, geboren 13.10.1903. Beide Kinder fuhren im Februar oder März 1947 mit einem Herrn Wowerat von Insterburg nach Litauen und waren auf dem Bahnhof Wirballen noch mit Herrn Wowerat zusammen. Vermutlich haben sie einen Zug bestiegen, der in Richtung Wilkowischken-Kowno weiterfuhr.

 

Groß-Blumenau, Kreis Samland: Rudolf Petrikat, geboren 04.02.1934 in Groß-Blumenau, von seinen Geschwistern: Maria Petrikat und Fritz Petrikat

 

Großwarnau, Kreis Lötzen: Roswitha Bembenek, geboren 14.10.1944 in Lötzen, von Otto Krüger

 

Grünlinde, Kreis Wehlau: Kurt Zelius, geboren 21.12.1941 in Grünlinde, von seiner Großmutter, Elisabeth Zelius, geboren 30.09.1889

 

Grunenberg, Kreis Braunsberg: Ewald Festag, geboren im März 1941 in Grunenberg, von seiner Tante: Hedwig Kutzki, geborene Dehn, geboren 21.10.1910

 

Gumbinnen, Tilsiter Tor, Städtische Wohnbaracke 1: Werner Buttler, geboren 16.02.1941 in Insterburg, von seiner Tante: Helene Wicht, geborene Bussat

 

Hermsdorf, Kreis Heiligenbeil: Christel Heinrich, geboren 26.09.1934, von ihrem Vater: Fritz Heinrich, geboren 24.09.1908. Nach dem Tod der Mutter im Februar 1947 ist Christel Heinrich mit Frau Emilie Thal nach Litauen gegangen. Zwischen Kaunas und Schaulen ging Christel Heinrich verloren.

 

Memel-Schmelz: Eine Frau Burkowsky oder Burkowitz, die 1945 den Knaben Harald-Jürgen Pippiers, geboren 02.05.1943, in Pflege hatte.

 

Diese Anzeige ist fehlerhaft. Pellen, Kreis Heiligenbeil: Dieter Sauder, geboren 21.07.1941 in Pellen, von Otto Sauder, geb. Reinhold, geboren 1943, von seiner Tante, Kall-Karl, und Liesbeth Morwinsky, geb. 26.11.1907

 

Preußenhof, Post Weidenau, Kreis Tilsit: Reinhold Naujoks, geboren 1943, von seiner Tante, Hedwig Kallnischikes. Reinhold und seine Mutter, Ella Naujoks, geborene Böttcher, kamen auf der Flucht mit der Mutter und Großmutter Frau Szaguhn aus Pakamonen, Kreis Heydekrug, bis Friedrichstein, Kreis Samland. Bis November 1945 soll Frau Naujoks noch in Friedrichstein gewesen sein. Sie wurde dort von einem Mädchen entbunden.

 

Pustnik, Kreis Sensburg: Rosemarie Sobotka, geboren 30.09.1941 in Pustnik, von Elisabeth Sobotka, geboren 19.11.1912

 

Schippenbeil, Kreis Bartenstein, Kirchenhinterstraße 1: Gerhard Morwinsky, geboren 25.09.1940 in Schippenbeil, von seinen Eltern: Karl Morwinsky und Liesbeth Morwinsky, geboren 26.11.1907

 

Schölen, Kreis Heiligenbeil: Die Geschwister Helmut Hoppe, geboren 22.03.1936, Dora Hoppe, geboren 06.10.1937, Klaus Hoppe, geboren 17.10.1940 und Karin Hoppe, geboren 23.01.1942, von den Eltern: Frieda Hoppe und Albert Hoppe. Die Geschwister Hoppe waren am 14.04.1945 auf einem Schiff zwischen Pillau und Hela, das verunglückte. Man vermutet, dass Matrosen die Kinder auf einem Schlepper zu sich nahmen. Klaus Hoppe hat eine Operationsnarbe unter dem rechten Schulterblatt.

 

Stenken, Kreis Labiau: Marlinek Chelkowski, geboren 1942 und Karl Chelkowski, geboren 07.04.1944 von ihrer Tante: Gertrud Chelkowski

 

Allenstein, Pfeiferstraße 3, bei Kuhlmann: Waltraud Wagner, geboren 24.10.1934 in Allenstein, von ihrer Mutter: Hedwig Wagner, geboren 26.05.1912

 

Battatron, Kreis Heilsberg: Die Geschwister Anna Kather, geboren 05.04.1935 in Wengaithen; Ursula Kather, geboren 30.11.1937 in Schönwiese und Hugo Kather, geboren 27.03.1939 in Battatron, von ihren Eltern, Franz Kather, geboren 21.09.1909 und Katharina Kather, geborene Szaffrinski, geboren 22.03.1904.

 

Fichtenfließ, Kreis Tilsit: Hilda Tummuscheit, geboren 16.02.1938 in Fichtenfließ, von ihrem Vater: Paul Tummuscheit, geboren 17.06.1911

 

Fischhausen, Kreis Samland: Hannelore Steinbiß, geboren 01.03.1940 in Berlin-Wilmersdorf, von Gustav Steinbiß, geboren 10.09.1909

 

Gallinden, Post Brückendorf, Kreis Osterode: Gerhard Hoffmann, geboren 18.01.1938 in Gallinden, von seinem Vater: Karl Hoffmann, geboren 22.06.1896

 

Groß-Barthen, Kreis Samland: Dieter Raffael, geboren 0903.1934 in Königsberg, von seinem Bruder, Hans Raffael, geboren 29.06.1922. Dieter kam im März 1946 ins Waisenhaus Königsberg.

 

Groß-Kuhren, Kreis Samland: Die Geschwister Hans Luick, geboren 04.03.1936; Rudi Luick, geboren 08.03.1939 und Manfred Luick, geboren 06.08.1941, von ihrem Vater: Emil Luick, geboren 15.03.1902

 

Julienhöfen, Kreis Sensburg: Bernhard Sielke, geboren 04.09.1933 in Julienhöfen, von seinem Vater: Leonhard Sielke, geboren 08.01.1911

 

Klein-Bartelsdorf, Kreis Allenstein: Josef Koszecsza, geboren 08.12.1936 in Klein-Bartelsdorf, von Klara Peter, geborene Gotzheim, geboren 31.10.1918

 

Königsberg, Krankenhaus der Barmherzigkeit: Hartmut Dagott, geboren 15.05.1945 in Goldschmiede, von Sigrid Töpfer. Hartmut wurde im Frühjahr 1946 wegen schwerer Erkrankung in das Krankenhaus Barmherzigkeit eingeliefert.

 

Königsberg-Quednau: Günther Seidler, geboren 1936 in Königsberg; Traute-Charlotte Seidler, geboren 19.06.1942 in Königsberg-Quednau, von ihrer Mutter: Charlotte Seidler, geborene Mollenhauer.

 

Königsberg, Altroßgärtner Kirchenstraße 10 – 11: Sabine Krause, geboren 24.09.1941 in Königsberg, von ihrem Vater: Franz Krause.

 

Königsberg, Unterhaberberg 17: Helga Skambraks, geboren 15.05.1937 in Königsberg, von ihrer Tante, Emmy Skambraks, geboren 23.11.1900 und von ihrem Vater, Albert Skambraks, geboren 23.08.1893. Helga befand sich seit 1943 in der Erziehungsanstalt in Rastenburg und ist mit dem Heim nach Bartenstein geflüchtet.

 

Maldeuten, Gemeinde Freiwalde, Kreis Mohrungen: Christa Schmidt, geboren 27.07.1941 in Berlin, von Maria Schmidt

 

Pronitten, Kreis Labiau: Die Geschwister Helmut Zander, geboren 09.03.1937; Heinz Zander, geboren 09.03.1937 (meine Bemerkung: Zwillinge?) und Helga Zander, geboren 31.07.1939, von ihrem Vater: Willi Zander, geboren 03.09.1900

 

Sollecken, Kreis Heiligenbeil: Martin-Peter Fischer, geboren 05.11.1939 in Königsberg, von seinem Vater: Oskar Fischer, geboren 16.01.1898. Martin-Peter Fischer wurde Ende Juni 1945 in schwerkrankem Zustand sehr wahrscheinlich in ein Krankenhaus in Königsberg eingewiesen.

 

Schloßberg bei Königsberg: Roswitha Classen, geboren 14.08.1944 in Seligenfelde, von Klara Classen, geborene Figuth, geboren 24.08.1890

 

Schmauch, Kreis Preußisch-Holland: Grete Weihrauch, geboren 09.05.1936, von ihrer Mutter: Frieda Weihrauch, geborene Plebanski, geboren 01.07.1903

 

Stablack, Kreis Preußisch-Eylau, Albrechtstraße 3: Vera Lorenz, geboren 25.09.1939 in Stablack und Brigitte Lorenz, geboren 20.02.1940 in Ortelsburg, von ihrem Vater: Reinhold Lorenz, geboren 04.04.1914

 

Waldburg, Kreis Ortelsburg: Hildegard Bischoff, geboren 16.10.1938 in Waldburg, von Wanda Bischoff

 

Wusen, Kreis Braunsberg: Klara König, geboren 27.01.1935 in Wusen und Luzia König, geboren 08.09.1943, von ihrem Bruder, Johann König, geboren 26.02.1925

 

Allenburg, Kreis Wehlau, Herrenstraße 182, bei Schiemann: Eckhard Foth, geboren 15.08.1937 und Ingrid Foth, geboren 19.06.1939, von ihrem Vater: Werner Foth, geboren 20.02.1915

 

Allenstein, Dorotheenhaus (Waisenhaus): Horst Wohlgemuth, geboren 11.08.1939 und Günter Wohlgemuth, geboren 01.08.1940, von der Großmutter: Maria Scheidler, geboren 24.08.1875

 

Allenstein, Mozartstaße 5: Harry Krenz, geboren 02.10.1933, von seinem Vater: Willi Krenz, geboren 06.05.1911

 

Altenberg, bei Königsberg (Ostpreußen): Erika Neumann, geboren 08.06.1937 in Altenberg, von ihrer Mutter: Gertrud Becker, geschiedene Neumann, geboren 16.10.1913. Erika Neumann ist 1947 nach Litauen gefahren.

 

Angerhöh, Kreis Angerapp: Gerhard Podschun, geboren 01.11.1934 in Wildort, Kreis Angerapp, von der Halbschwester, Gertrud Kesselring, geborene Müller, geboren 22.03.1929

 

Aulenbach, früher Aulowöhnen, Kreis Insterburg: Heinz Fierus, geboren 09.02.1941; Christel Fierus, geboren 22.09.1939; Waltraut Fierus, geboren 10.12.1934 und Fritz Fierus, geboren 08.08.1933, von ihrem Vater, Assaf Fierus

 

Blumstein, Kreis Preußisch Eylau: Lieselotte Bernstein, geboren 22.12.1937 in Bernstein und Manfred Bernstein, geboren 12.05.1942 in Bernstein, von ihrem Vater: Gustav Bernstein, geboren 17.06.1903

 

Böttchersdorf, Kreis Bartenstein: Christel Nitsch, geboren 24.06.1936 in Groß-Schönau und Frieda Nitsch, geboren 23.07.1933, von Otto Nitsch, geboren 02.04.1887

 

Buchhof, Kreis Insterburg: Dorothea Knitsch, geboren 09.10.1943 in Insterburg, von ihrer Mutter, Ursula Paul, geborene Knitsch

 

Budwethen, Kreis Tilsit: Brigitte Baumgart, geboren 09.08.1937 in Insterburg und Doris Meyer, geboren 10.09.1940 in Tilsit, von ihrer Mutter: Eva Maier, geborene Baumgart, geboren 19.11.1913

 

Dachsrode bei Moptau, Kreis Wehlau: Gitta Dittkrist, geboren 10.09.1942 und Harry Dittkrist, geboren 10.06.1934 in Obscherningken, von ihrer Tante, Agnes Dittkrist, geboren 16.09.1906

 

Freienfelde, Kreis Tilsit-Ragnit: Gerhard Rübensaat, geboren 27.04.1937 in Freienfelde, von seinem Vater: Emil Rübensaat, geboren 06.03.1911. Gerhard Rübensaat war im Oktober 1944 mit seinen Großeltern nach Rogehnen, Kreis Preußisch-Holland (Ostpreußen) geflüchtet.

 

Gamsau bei Legden, Kreis Samland: Günther Bierkandt, geboren 03.03.1940 in Gamsau und Erika Bierkandt, geboren 02.01.1935 in Gamsau, von ihrer Tante, Margarete Padlowski, geborene Bierkandt, geboren 14.11.1916

 

Gerkiehnen, Kreis Gerdauen: Horst Bieling, geboren 01.07.1938 und Erika Bieling, geboren 05.03.1940, von ihrer Schwester, Frieda Bieling, geboren 18.03.1937

 

Gilgenburg, Kreis Osterode, Markt 10: Fredi Jesussek, geboren 20.02.1943 und Heinz Jesussek, geboren 05.03.1938. Sie werden gesucht von ihrem Vater: Fritz Jesussek, geboren 24.02.1912

 

Allenau, über Friedland, Kreis Bartenstein: Erna Nitsch und Ella Nitsch, geboren 21.09.1935 in Allenau, von ihrem Vater: Otto Nitsch, geboren 21.09.1903

 

Bäslak, Kreis Rastenburg: Irmgard Hoffmann, geboren 24.12.1937, von ihrer Tante, Elisabeth Trzinka

 

Geidau, Kreis Samland: Willi Hoffmann, geboren 07.08.1938, von seinen Schwestern, Frieda Hoffmann, geboren 16.03.1926 und Herta Hoffmann, geboren 14.09.1927

 

Kahlholz, Kreis Heiligenbeil: Die Geschwister Günter Skielo, geboren 1935; Rudi Skielo, geboren 1937; Inge Skielo, geboren 1939 und Wolfgang Skielo, geboren 1941, von ihrem Vater: Karl Skielo, geboren 14.04.1910

 

Königsberg: Margot Bressau, geboren 13.06.1934 und Renate Bressau, geboren 12.06.1941, von ihrer Schwester, Eva Bressau, geboren 22.02.1936

 

Königsberg, Bismarckstraße 4: Erika Schulz, geboren 1939, von ihrem Onkel, Walter Schulz, geboren 17.12.1913

 

Königsberg, Blumenstraße 8: Erika Stein, geboren 05.03.1937, von ihrem Vater: Willi Stein, geboren 30.08.1909

 

Königsberg, Dreysestraße 55: Die Geschwister Inge Feldmann, geboren 11.03.1938; Werner Feldmann, geboren 17.08.1941 und Manfred Feldmann, geboren 11.09.1943, von ihrem Onkel, Alfred Feldmann, geboren 11.12.1896

 

Königsberg, Klingershof 5: Werner Miltkau, geboren 24.08.1938, von seiner Mutter, Berta Miltkau, geboren 10.05.1895

 

Königsberg, Robert-Koch-Straße 12: Christel Urmoneit, geboren 01.12.1941, von ihrem Vater, Franz Urmoneit.

 

Königsberg-Ponarth, Pnarther Straße 62: Die Geschwister Max-Dieter Wölk, geboren 09.05.1937; Heinz-Günter Wölk, geboren 07.06.1939; Marga-Gisela Wölk, geboren 05.10.1941 und Jürgen-Lothar Wölk, geboren 28.12.1942, von ihrer Schwester, Hildegard-Traute Wölk, geboren 03.10.1929

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste.

Wer kennt die Angehörigen?

Nachrichten an die Auskunftsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7 a.

 

Gesucht werden aus:

 

Königsberg: Die Angehörigen von Alois Eicker, geboren 01.12.1923, Gefreiter bei der 2. Kompanie Pionier-Batl. 1561, B 4531

 

Königsberg: Die Angehörigen von Rudolf Jekel, geb. 03.04.1903 in Lodz, ledig, Beruf: vermutlich Landwirt, Obergefr. bei der Heeres-Küsten-Artillerie 829, Feldpostnummer 40368 D, B 7946.

 

Königsberg, Auf den Hufen: Die Angehörigen von Eberhard Hupart, geb. etwa 1927, Schüler, C 1367.

 

Königsberg: Die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Rutkowski oder Kutkowski, geb. etwa 1905 in Königsberg, vermutlich Berufssoldat, Stabsfeldwebel beim Festungs-Inf.-Batl. 1441, Feldpostnummer 02077, B 5333.

 

Königsberg: Die Angehörigen von Leonhard Senser, geb. etwa 1901/1902, A 11292.

 

Der Gegend von Königsberg: die Angehörigen von Paul Wisch, geb. etwa 1924, ledig, Sturmmann bei der 17. SS-Division, A 16373.

 

Langheide, Kreis Lyck: Die Angehörigen von Gustav Borries, geb. etwa 1894/1898, D 780.

 

Vermutlich aus Tilsit: Die Angehörigen von Hans Kieselbach, geb. in Tilsit, zuletzt bei der 3. Komp. schwere Panzerjäger-Abteilung 664, A 5068.

 

Vermutlich aus Ostpreußen: Die Angehörigen von Kurt Gischas, geb. 1919, ledig, Obergefreiter bei der 5. Komp. Inf.-Regt. 3 der Inf.-Div., B 5987.

 

Ostpreußen: Die Angehörigen von Willi Hornischke, geb. etwa 1917, Beruf: Schweizer, Oberwachtmeister, D 815.

 

 

Seite 13   Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a. zu richten.

 

Gesucht werden:

 

Karl Urban, aus Burgfelde, Kreis Goldap, für Arnold Urban, geb. 11.02.1915 in Watlinge.

 

Maria Endt, aus Buschin 8, Kreis Hohenstadt, für Rudolf Ulrich, geboren 16.10.1926 in Buschin.

 

Emilie Wachholz, aus Geisecke, für Ernst Wachholz, geboren 18.07.1907 in Geisecke.

 

Familie Warmter, aus Hindenburg, für August Warmter, geboren 21.03.1892 in Hindenburg.

 

Anna Wauschkun, aus Insterburg, Fliegerhorst, Heizwerk II, für Fritz Wauschkun, geboren 05.08.1893 in Insterburg.

 

Frieda Wegner, aus Königsberg, Stagemannstraße 52, für Fritz Wegner, geboren 30.03.1901

 

Anna Vogt, aus Langenweiher, für Fritz Vogt, geboren 17.05.1900 in Langenweiher.

 

Berta Wechsenlechner, aus Lilienfeldl, Dörfl 72, für Josef Wechsenlechner, geb. 30.11.1902

 

Friedrich Wilhelm Wackermann, aus Lyck, für Klaus Wackermann, geb. 17.10.1925 in Rosenberg.

 

Zezila Vetter, bei Herrn Bonsack, aus Marienburg, Hinterwaldstrau 1, für Eugen Vetter, geb. 27.04.1912 in Georgental.

 

Michael Veidt, aus Memel-Schmelz, Haffstraße 5a, für Max Veidt, geb. 29.03.1920 in Memel-Schmelz

 

Johanna Tschagran, aus Negau, Post Hansdorf, für Josef Tschagran, geb. 14.02.1914 in Pfefferberg

 

Franz Waschelewski, aus Przellenk, Kreis Neidenburg, für Franz Waschelewski, geb. 15.03.1926 in Grodtken.

 

Familie Wegner, aus Ragnit, Yorkstraße 3, für Reinhold Wegner, geb. 11.02.1920 in Ragnit

 

Wilhelm Prochnow, aus Reetz, Kreis Arenswalde, für Walter Ufke, geboren 06.01.1912 in Reetz.

 

August Warda, aus Rhein, Kreis Lötzen, Schmidtstraße 11, für Heinz Warda, geboren 29.09.1924 in Gemst.

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Zivilgefangene.

Wir veröffentlichen nachfolgend Namen von in die UdSSR Verschleppten, die dort noch zurückgehalten werden, bzw. dort verstorben sind. Der Suchdienst Hamburg ist bemüht, die Anschriften der Angehörigen zu ermitteln, um sie benachrichtigen zu können. Sollten Sie die Namen und Anschriften von Angehörigen kennen, schreiben Sie an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II (Zivilvermisste), Hamburg-Altona, Allee 131.

 

Gesucht werden aus:

 

Königsberg: die Angehörigen der Lena Lehmann, geb. etwa 1925.

 

Heidekrug: die Angehörigen der Brigitte Lüdecke, geb. etwa 1934.

 

Der Gegend Königsberg: die Angehörigen des Schlossers Helmut Nagel, geb. etwa 1918.

 

Königsberg: die Angehörigen der Postangestellten Anna Rott oder Rodding, geborene May, geb. etwa 1908.

 

Kussen, Kr. Schloßberg: die Angehörigen der Ursula Kuwal,

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Bärbel Röscher.

 

Memel: die Angehörigen des Gouverneurs Dr. Nevakas, geb. etwa 1896.

 

Allenstein: die Angehörigen eines Ernst Schmidt, geb. etwa 1897.

 

Ebenrode: die Angehörigen einer Lisbeth Sprung, geb. etwa 1909.

 

Eiseln, Kreis Samland: die Angehörigen eines Horst Holz, geb. 27.05.1930.

 

Elchniederung: die Angehörigen einer Hedwig Lörksties, geb. etwa 1920.

 

Friedland: die Angehörigen einer, Vorname vermutlich Elisabeth, Frau oder Fräulein Tohmke, geb. 1912.

 

Gegend Goldap: die Angehörigen einer Erna Schymsntzik, geb. zirka 1920.

 

Königsberg: die Angehörigen einer Gertrud Graf, geb. etwa 1925.

 

Königsberg: die Angehörigen der Schneiderin, Maria Grönert, Königsberg.

 

Die Angehörigen eines Herbert Horst, geb. etwa 1931.

 

Königsberg: die Angehörigen einer Magda Leppen, geb. etwa 1910.

 

Königsberg-Juditten: die Angehörigen einer Margarete Mertens.

 

Königsberg: die Angehörigen des Werftarbeiters Erwin Walter, geb. 1926.

 

Laptau bei Cranz: die Angehörigen einer Edith Riemann, geb. etwa 1926.

 

Palmnicken: die Angehörigen einer Elfriede Wandke, geb. etwa 1918.

 

Pogegen bei Tilsit: die Angehörigen eines Johann Schäfer, geb. etwa 1920.

 

Tawer: die Angehörigen des Fischers, David Grasheit, geb. etwa 1900.

 

Zinten: die Angehörigen des Verkäufers Hermann Gruschalk, geb. etwa 1919.

 

Ostpreußen: die Angehörigen eines Gerlach, Günter, geb. 1931.

 

Ostpreußen: die Angehörigen eines Oskar Rüttels, geb. etwa 1897.

 

Ostpreußen: die Angehörigen eines Heinz Schlappat, geb. etwa 1925.

 

Allenstein: die Angehörigen des Franz Dabrowski, geb. etwa 1900, Beruf Melker.

 

Fromberg: die Angehörigen der Hanni Renschel, geb. etwa 1912.

 

 

 

Seite 13   Fortsetzung von Eltern suchen ihre Kinder

 

Königsberg, Rudauer Weg 2: Cäcilia Sumionka, geboren 12.02.1939 und  Marianne Sumionka, geboren 15.11.1940, von ihrem Vater: Alfred Sumionka.

 

Königsberg-Kohlhof, Straße 1064, Nr. 10: Wolfgang Herzberg, geboren 12.03.1943, von seiner Tante: Hildegard Otto, geborene Herzberg, geboren 22.11.1910

 

Königsberg, Abbau-Lauth, Lehmannsche Siedlung: Brigitte-Ursula Romeyke, geboren 14.01.1938, von ihrem Vater: Erwin Romeyke, geboren 02.01.1907

 

Memel: Gisela Renate Schmidt, geboren 1944, von Johanna Karl. Die Mutter, Hertha Schmidt, soll sich 1945 vorübergehend in Danzig-Langfuhr aufgehalten haben.

 

Postnicken, Kreis Samland: Gerhard Becker, geboren 27.09.1941, von seinem Vater, Erwin Becker. Die Großmutter, Marie Unruh, geboren 1880, wird auch noch gesucht.

 

Raudingen, Kreis Gerdauen: Hans-Georg Starginski, geboren 20.01.1939 und Dietrich Starginski, geboren 14.12.1939, von ihrem Vater, Walter Starginski, geboren 22.02.1913

 

Sackeln, Kreis Tilsit-Ragnit: Erwin Urbschat, geboren 09.06.1934, von seinem Onkel, Ernst Kieselbach, geboren 21.11.1914

 

Sasonie, Kreis Plöhnen: Albert Plitt, geboren 01.01.1937, von Helene Burgstaller.

 

Sensburg, Bergstraße 1: Hartmut Todzi, geboren 24.09.1939, von seinem Bruder, Reinhold Todzi, geboren 15.10.1925

 

Königsberg, Steinmetzstraße, bei Frau Kirschning: Dietlinde von Huhn, geboren 08.09.1938 in Silberbach, von ihrer Tante

 

Hohenstein, Kreis Osterode: Die Angehörigen des Kurt Peters, geboren 25.03.1923

 

Gerdauen: Die Angehörigen des Schülers, Franz Pazekeitis, geboren etwa 1925

 

Königsberg: Die Angehörigen der Jutta Betkus, etwa 1918, früher vermutlich Arbeitsdienstführerin

 

Königsberg: Die Angehörigen der Else Buchwald, geboren etwa 1920

 

Königsberg  oder Umgebung: Die Angehörigen der Anna Brittner, geboren etwa 1895

 

Ostpreußen: Die Angehörigen des Alfons Bandereikus, geboren etwa 1925

 

Altkirch über Guttstadt, Kreis Heilsberg: Die Geschwister Eva-Marie Kretschmann, geboren 01.04.1937; Friedel Kretschmann, geboren 23.04.1939; Manfred-Heinrich Kretschmann, geboren 30.03.1941 und Elsa-Luise Kretschmann, geboren 21.08.1944, von ihrem Vater, Willy Kretschmann

 

Almenhausen Nr. 1, Kreis Preußisch Eylau: Gerhard Buchhorn, geboren 03.08.1937, von seinem Vater, Albert Buchhorn, geboren 26.08.1891

 

Angemünde, Kreis Elchniederung: Die Geschwister Horst Conrad, geboren 15.03.1934; Heinz Conrad, geboren 13.02.1935; Veronika Conrad, geboren 20.03.1940, von ihrem Vater, Paul Conrad, geboren am 02.12.1900. Die Kinder sollen nach dem Tod der Mutter, im Herbst 1946, nach Litauen gekommen sein.

 

Bartenstein: Mockerau 7: Kurt Gottschalk, geboren 01.07.1936 in Bartenstein, von seinem Vater, Fritz Gottschalk, geboren am 06.03.1907. Kurt befand sich im Juli 1947 in Widuckeln in Litauen.

 

Brandenburg, Kreis Elchniederung: Heidemarie Berlinke, geboren 11.11.1945 in Brandenburg, von Hildegard Berlinke, geboren 12.01.1932

 

Döhrings bei Prassen, Kreis Rastenburg: Irene Scheffler, geboren 07.05.1935 und Hans Scheffler, geboren 15.09.1937, von ihrem Bruder, Rudi Sahm, geboren 19.01.1929

 

Gomingen, Kreis Gerdauen: Hubert Schwark, geboren 13.10.1938, von seiner Mutter: Marie Schwark, geborene Schirmacher, geboren 04.10.1908

 

Groß-Lindenau, Kreis Samland, Wärterhaus 139: Die Geschwister Helmut Balk, geboren etwa 1933; Hildegard Balk, geboren etwa 1934; Ursula Balk, geboren im August 1935 und Hans Balk, geboren 1943, von ihrem Vater, Otto Balk, geboren 07.08.1897

 

Heydekrug, Kreis Memel, Fischstraße 5: Grete Gurgdies, geboren 15.04.1939 in Heydekrug, von ihrem Vater, Otto Gurgdies

 

Insterburg, Gerichtstraße 8: Ingrid Grzybowski, geboren 30.04.1938 in Insterburg, von ihrer Schwester, Erna Grzybowski, geboren 10.07.1922 und von ihrem Bruder, Ewald Grzybowsky, geboren 02.03.1919

 

Königsberg, Kohlhof, Straße 1064, Nr. 4: Karl-Heinz Schönfeld, geboren 19.11.1936 und Dietrich Schönfeld, geboren am 29.06.1938, von ihrem Vater, Ernst Schönfeld, geboren 01.01.1911

 

Landsberg, Kreis Preußisch-Eylau, Heilsbergstraße 208: Hildegard Bartel, geboren 10.01.1937 und Gerhard Bartel, geboren am 23.01.1939, von ihrem Vater, Max Bartel. Hildegard und Gerhard befanden sich im Februar 1945, in Neukuhren, Kreis Samland

 

 

Seite 14   Foto: Goldap, Arbeiterwohnhaus in Bodschwingken

 

 

Seite 14   Aus den Landsmannschaften.

Celle

Die Landsmannschaft Ostpreußen in Celle hatte die Kinder mit ihren Angehörigen zu einer weihnachtlichen Feierstunde in den großen Saal der Union geladen, welcher die Teilnehmer kaum fassen konnte. Die Akkordeongruppe Gronau leitete die Veranstaltung mit einer weihnachtlichen Komposition ein und anschließend nahm der Leiter der Landsmannschaft, Assessor Novak, das Wort. Er gedachte unserer in Treue zur Heimat noch dort verbliebenen Landsleute und der noch nicht Heimgekehrten, mit denen wir uns gerade zur Weihnachtszeit eng verbunden fühlen. Er sprach von den nunmehr elf Jahren unserer andauernden Vertreibung und ermahnte Eltern wie Kinder, den Ruf nach Rückkehr in die alte Heimat nicht verstummen zu lassen. Von der heute schon vielfach erwähnten Eingliederung der Vertriebenen kann aber erst dann gesprochen werden, wenn auch der letzte Vertriebene wieder eine Tätigkeit gefunden hat, die seiner in der alten Heimat ausgeübten entspricht. Sodann brachte Margarete Bourry weihnachtliche Lieder von Humperdinck und Franz Allgermissen sehr wirksam zu Gehör. Eine Laiengruppe ostpreußischer Kinder bot ein Weihnachtsmärchenspiel, einstudiert von Margarete Bourry und musikalisch von der Akkordeongruppe untermalt. Der Weihnachtsmann beschenkte mehr als 300 Kinder unter dem Tannenbaum, die mit glückstrahlenden Augen und kräftigem Beifall ihre Anerkennung zollten.

 

 

Seesen a. H.

Zur Adventsfeier der Landsmannschaft Ostpreußen-Danzig-Westpreußen am 17. Dezember füllten die sehr zahlreich erschienenen Mitglieder sämtliche Festräume des Ratskellers bis zu letzten Platz, als Obmann Papendick eine heimatpolitische Adventsansprache hielt und anschließend einige neue Mitglieder einführte. Gemeinsame Lieder, Deklamationen und Chorgesänge leiteten zu dem reizenden Märchenspiel „Knecht Ruprechts Schlaf" über, das unter Regie von Lieselotte Donnermann mit Assistenz von Frieda Jung und Dora Steinhof eine vollendete Darstellung erlebte. Viel Freude bereiteten auch die 160 Gewinne einer Rand-Marzipan-Verlosung. Beim geselligen Ausklang sorgten Lina Fahlke, Willi Blaesner und Werner Pasenau für gediegene Unterhaltung.

 

Am 18. Dezember wurden 120 Kinder zwischen 2 bis 14 Jahre an festlichen Tafeln mit Kakao und Kuchen bewirtet und nach einer vorweihnachtlichen Feierstunde, in deren Mittelpunkt wieder das schon erwähnte Märchenspiel stand, vom Knecht Ruprecht mit einem schönen Gabenbeutel und von unserem Königsberger Fleischermeister Kussat mit je ein Paar Würstchen beschenkt. Der so große Erfolg beider Veranstaltungen ist nicht zuletzt auch das Verdienst der Landsleute Bruno Scharmach, Heinrich Schröder, Max Wilbudies und Alfred Fenske, die für Organisation, Bühnenbild und Chorleitung verantwortlich zeichneten.

 

Im Mittelpunkt der gut besuchten Jahreshauptversammlung der landsmannschaftlichen Gruppe der Ostpreußen, Danziger und Westpreußen stand der eindrucksvolle Lichtbildervortrag von Hilfsschullehrer Fenske über „Das schöne Westpreußen". Der geschäftsführende Vorstand wurde wie folgt ergänzt: Papendick (Vorsitzender, Schrift- und Geschäftsführer), Frau Donnermann (Laienspiel- und Kulturleiterin), Scharmach (Hauptkassierer) und Wilbudies (stellv. Vorsitzender und Lastenausgleichsfragen). Als Sprecher der Landsmannschaft wurden Hilfsschullehrer Fenske und Reg.-Rat z. Wv. Augustin besonders herausgestellt. Sie übernahmen außerdem die Referate „Volkstum Brauchtum, Lichtbildwesen" bzw. „Heimatrecht und Heimatpolitik" sowie Ausflugsorganisation. Die Landsleute Dziersk (Saal- und Festordner) und Schröder (Sparte Landwirtschaft und Vertreter der Westpreußen), wurden in ihren Funktionen bestätigt. Beim gemütlichen Ausklang brachten die Landsleute Pasenau, Blaesner und Frau Demmler den Sketsch „Schimkat ist der Ansicht". Außerdem erfreute Frau Lina Fahlke ihre dankbaren Zuhörer wieder durch „Humor der Heimat". — Der „Bunte Abend" am 4. Februar wird im Zeichen heimatlichen Fastnachtsbrauchtums stehen.

 

Rotenburg/Hann.

Etwa 250 Mitglieder füllten den Saal des „Rotenburger Hofs" bei der Weihnachtsfeier der Landsmannschaft Ostpreußen. Der helle Schein, der auf den mit viel Liebe geschmückten Tischen, durch die entzündeten Kerzen fiel, brachte die Anwesenden gleich in eine festliche Weihnachtsstimmung. Die Dekoration der Bühne, mit reichhaltigem Tannengrün und zahlreichen Geweihen geschmückt, trug ganz den Charakter des Landes der dunklen Wälder. Die Vorsitzende der Landsmannschaft, Frau Holweck, begrüßte die Anwesenden und freute sich darüber, dass auch der Bürgermeister sowie Vertreter der Behörden usw. erschienen waren und damit ihre Verbundenheit mit den Vertriebenen bekundeten. U. a. sagte die Vorsitzende dann, dass in diesen Tagen unsere Gedanken mehr denn je in unsere Heimat wandern und auch bei den Brüdern und Schwestern weilen, die noch in Gefangenschaft sind oder in unserer ostpreußischen Heimat sind. Sie sprach den Wunsch aus, dass das neue Jahr uns ein geeintes Deutschland und die Zusammenführung aller noch getrennten Familien bringen möge. Lichtsprüche, Chorgesang und gemeinsam gesungene Lieder wechselten im übrigen Teil des Abends ab.

 

An 12 der ältesten Mitglieder unserer Landsmannschaft konnten kleine Engel Gaben verteilen. Eine gemeinsame Kaffeetafel, bei der die Mitglieder gemeinsame Erinnerungen austauschten, folgte. Zum Ausklang dieses Abends gaben einige Mitglieder musikalische Vorträge zu Gehör.

 

Auf den am Sonnabend, den 11.02.1956 stattfindenden gemütlichen Abend wurde hingewiesen.

 

 

Lübbecke/Westf.

Die hiesige Landsmannschaft kam zu ihrer Adventsfeier zusammen. Die Festansprache des Vorsitzenden, Herrn Hardt, war von Rezitationen, Lesungen und gemeinsam gesungenen Liedern umrahmt. Daran schloss sich eine gemeinsame Kaffeetafel. Auch fand eine kleine Verlosung statt. Mitwirkende waren die Damen Hapla, Pieper, Lojewski, Nowozin und die Herren Kullick und Kerwath. Besondere Freude bereitete das Geschwisterpaar Schadow mit Musikvorträgen für Geige und Klavier. Der Geigenspieler Wilfried, 14 Jahre alt, hatte im Oktober dieses Jahres an dem Preisviolinspielen für Jugendliche in Siegburg bei Bonn teilgenommen. Von 53 Teilnehmern aus der ganzen Bundesrepublik erhielt er den ersten Preis, welcher aus einer Konzertgeige im Werte von 1000 DM bestand.

 

 

Warendorf (Westf.).

Die Ostpreußen des Kreises Warendorf feierten im Saale Höner bei Kerzenlicht und weihnachtlich geschmückten Tischen ihr traditionelles Adventsfest. Wenn die Zahl der Teilnehmer diesmal auch nur gering war, so war die Feier umso familiärer. Pfarrer Lackner, Sassenberg, hielt die Festansprache; er verwies auch auf die Verhältnisse in der Heimat, über welche das Ostpreußenblatt wiederholt Bildberichte brachte. Oberrentmeister Dohnke gedachte der Brüder und Schwestern, die heute noch in Ostpreußen leben, und bat, ständig, und besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit, ihrer zu gedenken. Dem Ehepaar Symanzik, Ludgeristraße, das kürzlich den goldenen Hochzeitstag begehen konnte, wurden Glückwünsche ausgesprochen. Fräulein Dohnke bestritt zu den heimatlichen Adventsliedern den Klavierpart. Die Feier endete mit dem gemeinsamen Liede „Nun, Brüder, eine gute Nacht; der Herr im hohen Himmel wacht. In seiner Güte, uns zu behüten, ist er bedacht"? sie war für alle Teilnehmer ein frohes, vorweihnachtliches Erlebnis. A. D.

 

 

Seite 14   Lengerich und Herne. Frohe Abende mit Dr. Lau.

Zu einem frohen und heiteren Abend gestaltete sich die Veranstaltung der Landsmannschaft in Herne am 7. Januar. Nach den Begrüßungsworten durch den Vorsitzenden Dr. Schröder und gemeinsam gesungenen Liedern erfreute Dr. Lau mit seinen humoristischen Vorträgen die zahlreich erschienenen Landsleute. Reicher Beifall dankte ihm immer wieder für seine mundartlichen Darbietungen. Ein Tanzorchester sorgte dann für den weiteren Teil des Abends.

 

Auch in Lengerich in Westf. wurde die Veranstaltung der Landsmannschaft im Januar zu einem außerordentlich gelungenen Abend. Auch hier hatten sich sehr viele Landsleute eingefunden, um sich an den mit Humor und Heimatwürze vorgetragenen mundartlichen Vorträgen von Dr. Lau zu erfreuen. Die Veranstaltung wurde von dem Vorsitzenden Schimmelpfennig eröffnet. Alle Landsleute freuen sich schon heute auf den nächsten Abend mit Dr. Lau.

 

 

Seite 14   Zum Tode des Grafen Sponeck

Wieder ist ein großer Pferdemann gestorben. Nachdem Oberlandstallmeister Rau vor einem Jahre von uns Abschied nahm und eine große Lücke in der hippologischen Welt hinterließ, folgte ihm jetzt im Alter von 83 Jahren der frühere Preußische Oberstallmeister Graf Kurt von Sponeck, der nach seinem im Jahre 1927 erfolgten Ausscheiden aus dem Staatsdienst die Leitung des Vollblutgestüts Schlenderhan übernahm, welche der Gestütsherr, Baron von Oppenheim, ihm anbot.

 

Graf Sponeck war aktiver Offizier bei den Ziethen-Husaren in Rathenow und als einer der bedeutendsten Rennreiter seiner Zeit bekannt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Heere trat er in den Dienst der Preußischen Gestütsverwaltung, welche ihm die Leitung des Landgestüts in Warendorf übertrug. Hier war Graf Sponeck vom 01.07.1899 bis zum 30.11.1901 tätig, um dann das ostpreußischen Landgestüt Braunsberg zu übernehmen. Dann führte sein Weg ihn über Gudwallen nach Trakehnen, wo er von 1912 bis 1922 als Oberstallmeister wirkte und wohl seine in jeder Hinsicht glücklichste Zeit verlebte. Von jeher, ein Freund des Vollbluts, wurde ihm dann Leitung des Vollblutgestüts Altefeld in Hessen übertragen, wo er in der von ihm gewohnten Weise züchterisch ebenso erfolgreich tätig war. Als letzte Epoche folgte nun Schlenderhan, das unter seiner Leitung sieben Derbysieger stellte, von welchem der 1936 geborene braune Hengst „Wehr Dich" in den Jahren 1952 und 1953 als Beschäler im Landgestüt Warendorf stand.

 

Graf Sponeck ist nicht mehr. Wir, die ihn kannten und mit ihm arbeiten durften, schätzten ihn nicht nur als einen der größten Pferdezüchter, sondern als einen Menschen, dem bis zu seinem Tode in Treue ergeben waren. Wir trauern mit seiner Witwe, die eine Tochter des einstmals in Trakehnen als Landstallmeister tätig gewesenen Herrn von Oettinger ist und die gleich ihrem nun verstorbenen Gatten ihr Herz der Zucht des edlen Pferdes verschrieben hat. Alfred Dohnke.

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Ihre Vermählung geben bekannt: Malcolm L Lemay, Electronics Engineer, Freising/Obb. Boston, USA, Karin LeMay, geborene Schwerduth, früher: Königsberg, Hinter-Tragheim 61. 17. Dezember 1955

 

Silvester 1955 entschlief mein lieber Mann, mein guter Vater, Bruder, Schwiegervater, unser Opa

Professor Dr. med. Paul Zander, nach einem langen schweren Leiden im 72. Lebensjahre. Sein Leben stand unter dem Worte Meister Ekkehards: „Hingabe überwindet alles Sie gehet nimmer fehl"

Magdalene Zander, geb. Oertling. Dr. Hans Zander. Ilse Regel, geb. Zander. Dr. med. Helmut Regel und vier Enkelkinder. Bad König, den 31. Dezember 1955. Die Beerdigung fand am Dienstag, dem 3. Januar 1956 um 13.30 Uhr auf dem Friedhof in Bad König statt. — Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen.

 

Wiederum hat der Tod eine schmerzliche Lücke in unsere Reihen gerissen. Am 14.12.1955 verstarb in Dillenburg nach langem schwerem Leiden im 62. Lebensjahr, Frau Margarete Kätelhön geb. Weise.

In herzlicher Anteilnahme an dem Schmerz des Gatten, unseres langjährigen 1. Ordners, Dr. Ernst Kätelhön und seiner Kinder mit ihren Familien beklagen wir aufrichtig den Verlust dieser stets frohgestimmten Vereinsschwester und werden ihr ein allzeit ehrendes Andenken bewahren. Königsberger Männer-Turnverein von 1842. Wilhelm Alm

 

Für die vielen Wünsche zu meinem 75. Geburtstag kann ich mich nur auf diesem Wege herzlichst bedanken. Gleichzeitig wünsche ich allen ehemaligen KWS-Angehörlgen ein gutes, neues Jahr.

Direktor Georg Sonne. Wildemann/Harz.

 

Ein frohes und erfolgreiches Neues Jahr 1956, all' meinen Freunden und Bekannten. Willy Marquardt, Steuerberater Vereid. Bücherrevisor (früher Königsberg Ostpreußen)

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Otto Lehmann oder Angehörige, aus Angerburg gesucht Meldung an die Ostpreußen-Warte.

 

Von Bruno Knoblauch, früher Seefeld, Kreis Braunsberg, Ostpreußen, jetzt: (23) Ahlhorn, West-Oldenburg, werden gesucht: Anton Wölki, geb. 12.10.1993 aus Sonnwalde, Kreis Braunsberg (Ostpreußen), Kurt Rosengart aus Gr.-Dexen, Kreis Pr. Eylau (Ostpreußen), Feldpostnr. 34817 B.

 

Gesucht wird Frau Meta Behrendt geb. Schakat, geboren 01.12.1907 in Paguhlbinnen, Kreis Tilsit (Ostpreußen). Nachr. erbeten an Max Behrendt, Berlin-Neukölln, Flughafenstr. 62.

 

 

Seite 16   Foto: Pilkallen, Haus Manleitner am Markt

 

 

Seite 16   Kindersuchdienst

Lompönen, Kr. Pogegen, bei Bauer Endrikas, Gailus: Heinz Ruppenstein, geb. 26.04.1934 in Lompönen, von seinem Vater, Emil Ruppenstein, geb. 09.08.1898.

 

Memel, Landwehr 13: Erika Dexel, geb. 01.02.1935 in Insterburg und Helga Dexel, geb. 09.04.1936 in Tilsit, von ihrer Tante, Elisabeth Metschies, geborene Schulz, geb. 04.07.1906. Erika und Helga befanden sich im Dezember 1944 in Braunsberg.

 

Moditten über Königsberg: Werner Neumann, geboren im November 1937 in Moditten, von seinem Onkel, Franz Neumann, geb. 13.06.1913. Werner wurde zuletzt in Wehlau gesehen. Er soll nach dem Tode der Mutter ins Waisenhaus Wehlau gekommen sein.

 

 

Seite 16   Wir gratulieren!

In Flensburg begehen im Januar folgende Landsleute ihren Geburtstag:

 

Helene Zenthöfer, Lager Schützenheim, früher Schönheide, Kreis Goldap, geboren am 07.01.1878, 78 Jahre alt;

 

Bruno Porr, Südergraben 73, früher Lötzen, geboren am 05.01.1876, 80 Jahre alt.

 

Amalie Lange, Norderstr. 24, früher Urfelde, Stallupönen, geboren am 07.01.1873, 83 Jahre alt.

 

Rudolf Falkowski, , Mühlenholz 25, früher Königsberg/Pr., geboren am 01.01.1884, 72 Jahre alt.

 

Emma Harnack, Martinstift, früher Heydekrug, geboren am 01.01.1879, 77 Jahre alt.

 

Johanne Schmidtke, Friesische Straße 111, früher: Königsberg, geboren am 01. 01.1879 Jahre alt.

 

Albert Paulat, Schulze-Deletsch-Straße 18, früher: Tilsit, geboren am 08.01.1882, 74 Jahre alt.

 

Maxemilian Zorn, Pregelstieg 2, früher: Königsberg, geboren am 09.01.1881, 75 Jahre alt.

 

August Görke, Gerhart-Hauptmann-Straße 42, früher: Schmalenken, geboren am 20.01.1883, 73 Jahre alt.

 

Meta Liebe, Paulsgabe, Post Jörl, früher: Soldau, geboren am 21.01.1881, 75 Jahre alt.

 

Fr. D. Eva Wiedwald, Holm 22/24, früher: Insterburg, geboren am 21.01.1892, 64 Jahre alt.

 

Fritz Babbel, Stuhrsallee 15, früher: Königsberg/Pr., geboren am 21.01.1880, 76 Jahre alt.

 

Luise Kallweit, Friesische Straße 29, früher: Königsberg/Pr., geboren am 22.01.1881, 75 Jahre alt.

 

Marta Langheit, Kloster z. Heil. Geist, früher: Sensburg, geboren am 25.01.1882, 74 Jahre alt.

 

Gerda Miller, Marienhölzungsweg 26, früher: Löwenhagen bei Königsberg, geboren am 28.01.1885, 71 Jahre alt.

 

Wilhelmine Streich, Hafermarkt 19, früher: Schippenbeil, geboren am 29.01.1879, 77 Jahre alt.

 

Elisabeth Smaka, Schreiberstr. 24, früher: Königsberg, geboren am 01.01.1899, 57 Jahre alt.

 

Frau Johanna Spitz, aus Fischhausen, Samland begeht am 30.01.1956 ihren 78. Geburtstag. Frau Spitz, die noch recht rüstig ist, wohnt jetzt bei ihrem Sohn in Bremerhaven, Schillerstraße 32.  

 

Ihren 71. Geburtstag beging am 17.12.1955, Frau Auguste Nehls in Tönnig/Eider, Neuweg 33. Außer ihrem ältesten Sohn, Herrn Erich Nehls, aus Königsberg, der jetzt in München 9, Schwanseestraße 46/o wohnt, hat Frau Nehls noch weitere verheiratete Kinder und Enkelkinder in Heilbronn/Neckar, Herne Westf. und in Gelsenkirchen-Buer. Wir wünschen der Jubilarin noch nachträglich alles Gute und einen gesegneten Lebensabend.  

 

Die Fleischermeisterwitwe Anna Kussat, aus Königsberg, Rhesastr. 12/13, jetzt bei ihrem Sohn Schlachterobermeister Reinhold K. in Seesen a. H., Lange Straße 3, wohnhaft, vollendet am 29.01.1956 bei bester Gesundheit ihr 79. Lebensjahr.

 

Am 14.02.1956 wird der Photograph Ernst Gebhardi, aus Insterburg, jetzt Seesen a. H. Poststraße 14, sein 83. Lebensjahr vollenden. Mit erstaunlicher Rüstigkeit dehnt er seine tätlichen Spaziergänge bis zu den Vorbergen des Harzes aus.

 

 

Dr. Carl Brinkhaus-Hohenheide verstorben.

Die ostpreußische Pferdezucht hat einen ihrer größten Förderer verloren.

 

Am 21. Dezember 1955 verstarb plötzlich Dr. Carl Brinkhaus, der in Hohenheide bei Warendorf i. Westf. mit dem Georgenburger Hengst Julmond und zehn ostpreußischen Stuten eine intensive Pferdezucht betrieb.

 

Dr. Brinkhaus war Augenarzt und besaß in Kiel eine Augenklinik. Im Jahre 1951 zog er sich von seiner Praxis zurück und siedelte sich in Hohenheide an, wo er ostpreußische Stuten aufstallte, die er, warmherzig wie er war, ihres edlen Blutes wegen überall dort erwarb, wo er sie gerade fand.

 

In enger Verbindung mit dem Trakehner Verband begann er zu züchten und brachte es zu beachtlichen Erfolgen. Neben Julmond benutzte Dr. Brinkhaus noch den Vollbluthengst Gedymin.

 

Leider war die Abstammung der meisten Stuten nicht bekannt. Lediglich die Elchschaufel und das unverkennbare Exterieur bewiesen, dass sie aus Ostpreußen stammten.

 

Das Gestüt soll, wie wir hören, durch die Tochter des Verstorbenen im kleineren Rahmen weitergeführt werden. E. D.

 

 

Seite 16   Kulturabend der Ostpreußen in Düsseldorf.

Im Kinosaal der „Brücke" lasen auf einer Veranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen Fritz Kudnig und Margarete Kudnig (früher Königsberg) vor zahlreichen Gästen aus ihren Werken. Die Lyrik von Fritz Kudnig, der das Zwiespältige und Abgründige des Menschen nicht fremd ist, wird getragen von dem Glauben: „Das Licht stirbt nie“. Vielfach und tröstlich offenbart sich Gott in seinem Gedichtbändchen „Gottes Lautenbuch".

 

 

„Grenzen der Sowjetmacht" von Prof. Starlinger.

Die November-Ausgabe von US-News & World Report" veröffentlicht auf 16 Seiten einen Auszug aus dem oben genannten Buch von Prof. Starlinger. Erfreulich ist, dass nicht nur in verschiedenen Vorbemerkungen und Randglossen der deutsche Standpunkt zum Ostproblem voll zur Geltung kommt. Vielmehr dürfte auch die gekürzte Darlegung der Ereignisse in Königsberg und die abschließende Zusammenfassung der Meinung des Autors zum amerikanisch-deutschen und deutsch-russischen Verhältnis gewichtig sein. Durch die Veröffentlichung gerade in dieser Zeitschrift, auf deren Titelblatt fast ganzseitig demonstrativ auf diesen Beitrag hingewiesen wird — „Exclusive — My 6 Years with Russia‘s Political Prisoners“ by Dr. Wilhelm Starlinger — werden einflussreiche Kreise in den USA und die Weltöffentlichkeit überhaupt erreicht.

 

Unsere Buchbesprechung Wind, Sand und Meer

Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung Der Gelehrte und Reisende Wilhelm von Humboldt hat einmal gesagt: „Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebenso gut wie Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll“. Der ganze Zauber dieser einzigartigen Landschaft und das eigenartige und schwere Leben ihrer Bewohner sind hier durch sorgfältige und liebevolle Auswahl von Bildern und Texten anschaulich gemacht.

 

Die bekanntesten ostpreußischen Autoren sind im Textteil, der den 52 großformatigen Aufnahmen vorangeht, vertreten. Viele der hier zusammengetragenen Gedichte und Prosabeiträge waren bisher noch nicht veröffentlicht, darunter der eigens für dieses Buch geschriebene hochinteressante Rossitten-Aufsatz von Prof. Dr. Ernst Schüz, dem letzten Leiter der Vogelwarte Rossitten, jetzt Radolfszell und Stuttgart.

 

„Wind, Sand und Wasser", eine Monographie und Anthologie zugleich, ist das einzige umfassende Werk über die Kurische Nehrung. Es soll dazu beitragen, dass diese wunderbare Landschaft nicht in Vergessenheit gerät und wird nicht nur alle Ostpreußen begeistern, sondern auch alle jene tief beeindrucken, die die Nehrung bisher wenig oder gar nicht kannten.

 

Format 20 X 26 cm, 108 Seiten, davon 52 Seiten Kunstdruck, Leinen DM 11,50, Halbleder mit Karton DM 15,-; erschienen im Gräfe und Unzer Verlag München, gegr. 1722 in Königsberg/Pr.

 

 

„Der Deutsche Wald", ein Bildwerk, eingeleitet von Friedrich Schnack.

50 ausgewählte Fotos. Textzusammenstellung von Julius Kühn. Auf Kunstdruckpapier und Bütten. Preis brosch. 8,80 DM, Leinen 10,80 DM. — Athenäum-Verlag, Bonn.

 

In einer Zeit, da es große Mode ist, ins Ausland zu reisen, weil es als gebildet gilt, hat der Athenäum-Verlag eine geradezu vaterländische Tat vollführt, dass er diesen Bildband über den deutschen Wald herausgebracht hat, der uns die ganze Schönheit unserer deutschen Heimat so recht offenbart. In meisterhaften Großfotos werden uns in immer wieder neuen Motiven die Reize des deutschen Waldes vor Augen gezaubert, des deutschen Waldes im Hochgebirge und im Tiefland. Da sieht man die Könige und Herrscher des Waldes, die Hirsche, und ein märchenhaftes Idyll, eine säugende Ricke mit drei Kälbchen. Man erlebt den Wald im Frühling und im Herbst, im Sommergewitter und im Herbststurm, man kann sich an der Pracht des winterlichen Waldes erfreuen. Kurz, wer seinen Verwandten und Bekannten ein wirkliches Weihnachtsgeschenk machen will, der lege ihnen diesen Bildband unter den Weihnachtsbaum. Vielleicht regt er dazu an, statt durch Italiens Olivenhaine durch den deutschen Eichen-, Tannen- und Buchenwald zu wandern. Die Verse und Sprüche über das, was über unseren deutschen Wald unsere größten Dichter und Denker auszusagen hatten, vertiefen noch das Bilderlebnis. Mir will scheinen, dass man eine solche Besprechung mit den Worten von Agnes Miegel schließen sollte:

 

„Es war der schönste Wald, den ich gekannt

mit einem fremden, reichen Märchenleben,

Mohnblüten brannten rot an seinem Rand

und Rehe tranken abends aus den Gräben.

 

Nur ein paar kurze Sommerstunden sah

ich kinderglücklich jene alten Buchen —

und doch, ich weiß es: ist mein Sterben nah,

werd ich im Traum noch nach dem Walde suchen“.

 

„Fluchtburg" Gerhard Pohl: Fluchtburg. Roman, 456 Seiten Lettner-Verlag Berlin. Ganzleinen 15,80 DM.

Mit seinem neuen großen Roman legt Gerhard Pohl uns ein Zeitgemälde vor, in dem aus christlich-menschlicher Schau Abrechnung mit den „Dämonen" gehalten wird, deren Wirken eine schwere seelische Erkrankung der menschlichen Gemeinschaft zugrunde liegt. So weitet der Dichter den Rahmen über das jüngste politische Geschehen hinaus zu einem allgemein gültigen Bekenntnis, das Gott und „sein genaues Ebenbild" umfasst.

 

Die „Fluchtburg" ist ein Haus in den schlesischen Bergen, in dem der Besitzer, ein Maler und Holzschnitzer, allen Bedrängten und Verfolgten Zuflucht und Hilfe gewährt. Eine Fülle von lebenswarmen Gestalten zieht an uns vorbei, und ihre wechselvollen, sich überschneidenden Schicksale verbinden sich zu einem einheitlichen, von echter Dramatik beseelten Ganzen. Meisterhaft erzählt, fesselt uns das Geschehen von der ersten Zeile an und entlässt uns erst aus seinem Bann, wenn die Fluten der großen Austreibung alles hinwegspülen, was einmal war. Zurück bleibt die Erinnerung an den „magischen Schatten der Gnade", in dem die Fluchtburg lag — und weiter liegen wird, solange Menschen den Sinn des Lebens nicht mit dem Verstande zu erfassen sich bemühen, sondern mit der Seele und mit dem Herzen.

 

 

Bertelsmanns Bildkalender 1956

Wochen-Wandkalender. Umfang 54 Blatt, zweiseitig bedruckt. 18 Sechsfarbtafeln, 36 Schwarzweißtafeln. Offsetdruck. 4,80 DM. Format 20 X 28 cm.

Einen ungewöhnlich preisgünstigen, großformatigen Bildkalender für das Jahr 1956 legt der Bertelsmann Verlag in Gütersloh vor. Fein abgewogen sind Stimmungsgehalt und künstlerischer Anspruch der 54 Bildtafeln: Landschaften, Jahreszeiten, Sport, Tiere, Gemälde, Kinderaufnahmen sind die Themen der Wochentafeln, von denen 18 im Sechsfarbendruck wiedergegeben werden. Die Rückseite jedes Blattes enthält einen sorgsam redigierten Textteil. Kurzgeschichten und Anekdoten. Gedicht und Sinnspruch, Beiträge aus Geschichte und Naturwissenschaften und viele praktische Ratschläge vom Kochrezept bis zum Haushaltstipp, durch Zeichnungen aufgelockert, bereichern diesen modernen, in Offsetdruck hergestellten Kalender.

 

 

Ursula Bruns: „Ponies", Ein Bildband mit 73 Großfotos auf Kunstdruckpapier und erklärendem Text auf Bütten. Brosch. 8,00, Leinen 10,50 DM. — Athenäum-Verlag, Bonn.

Die „Wunder der Technik" überschatten unser Dasein. Ihrem Fortschritt und ihren Errungenschaften vermag sich keiner mehr zu entziehen. Wir entfernen uns immer mehr von der Natur, die wir nur noch im Campingbetrieb zu erleben verstehen. Umso mehr muss man die Bemühungen des Athenäum-Verlages begrüßen, uns durch prachtvolle Bildwerke wieder an die Natur heranzuführen, die auch durch die vollkommenste Technik nicht entthront werden kann. Der Bildband „Ponies" hat nicht nur dem Pferdezüchter und Tierfreund etwas zu sagen, nein, er entzückt jeden, der noch einen offenen Sinn für alles Schöne sich bewahrt hat. Gerade uns Ostpreußen, die wir doch alle mehr oder weniger mit Pferden auf du und du standen, hat dieses Bildwerk viel zu erzählen, zumal wir erfahren, dass in einer Ponyzucht das Blut ostpreußischer Stuten strömt, der Seegalendorfer. Und so lernen wir, dass Pony nicht gleich Pony ist, sondern dass es unzählige Ponyrassen gibt. Wir begleiten das Leben eines solchen Ponys von seinen ersten Stunden an bis zum voll ausgewachsenen Reit-, Kutsch- und Gebrauchspferd. Auch dieser Bildband ist ein hübsches Weihnachtsgeschenk. hschl.

 

 

G. Williams, Fröhliche Tierkinder.

Unzerreißbares Bilderbuch. 24 Seiten. Lackierter Pappband, 4,80 DM. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

Sehr lustig geht es in diesem neuen Bilderbuch zu. Auf vierundzwanzig unzerreißbaren Seiten treiben alle kleinen Haustiere ihr munteres Wesen. Das Kind wird durch das Betrachten der vierfarbigen Bilder spielend in Eigenart und Welt unserer Hausgenossen eingeführt. Ein kurzer lockerer Text vertieft den Eindruck des Büchleins.

 

 

Paul Ernst: „Die Liebesprobe". Komödiantengeschichten. Das Kleine Buch Nr. 78. 80 Seiten. Gebunden 2,20 DM. — C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

In diesen Geschichten aus der Welt der kleinen Komödianten stehen noch einmal die typischen Figuren des altitalienischen Volkstheaters auf der Bühne: Pierrot, Pantalon, die Violetta; Notar, Doktor, Apotheker usw. Die Künstler selbst haben sich in ihre immer gleiche Rolle so eingelebt, dass sie schließlich nur noch sich selber spielen, sogar vor den Kolleginnen und Kollegen hinter dem zerschlissenen Vorhang ihres kümmerlichen Alltags. Wie es dabei, je nach Temperament und Lebensauffassung der Beteiligten, bald zu heiteren Szenen, bald zu tragischen Konflikten kommt, ist der Inhalt all dieser Geschichten, die hinter Schminke und Maske das wahre Gesicht des Menschen offenbaren. Auch die Auswahl dieses Bändchens zeigt Paul Ernst als den Meister jener echten Novellenkunst, die heute so selten geworden ist.

 

 

„Memelland"

Nach längerer Vorarbeit ist zu Anfang des laufenden Jahres mit dem Erscheinen der „Bibliographie des Memellandes" in der Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises zu rechnen. Mit etwa zweitausend nach Fach- und Sachgebieten geordneten Titeln wird die Bibliographie das gesamte ortsgebundene Schrifttum des nordöstlichen Ostpreußen (einschließlich der Kreise Elchniederung, Tilsit-Stadt und Tilsit-Ragnit) umfassen und gleichzeitig einen Standortnachweis für diejenigen Werke bringen, die sich zurzeit in westdeutschen Bibliotheken befinden. Wie von dem Bearbeiter der Bibliographie, Rektor a. D. Szameitat - Neumünster mitgeteilt wird, ist trotz des unersetzlichen Verlustes unserer heimischen Bibliotheken und Archive der größte und wichtigste Teil des für die vorliegende Bibliographie in Frage kommenden Schrift- und Kulturgutes erhalten geblieben. — Ein besonderer Teil des Werkes ist für die ortsgebundene schöngeistige Literatur (Romane, Erzählungen usw.) dieses Gebietes vorgesehen. In der Dichtung hat das Memelland eine nicht unwichtige Rolle gespielt. Der Anhang bringt Verzeichnisse noch vorhandener Landkarten und Stadtpläne sowie ein Verfasserverzeichnis.

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