Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1954

Ostpreußen-Warte

Folge 02 vom Februar 1954

 

Seite 1   Westmächte: Weg von Potsdam! Die Welt blickt auf die Viererkonferenz / Starke Gegensätze zwischen Ost und West

Die ganze Welt blickt mit großer Spannung auf Berlin und hat seine Abgesandten als Mitwirkende oder Beobachter zum Berliner Kongress aufgeboten, denn letztendlich geht es bei den Verhandlungen um die die ganze Menschheit bewegende Frage: wird der Friede endlich in der Welt wiederhergestellt oder kommt es in der letzten Konsequenz wieder zu einer Welt-Katastrophe!? Dabei spielt die Deutschlandfrage und das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands die wesentliche Rolle, von deren Klärung das Gelingen oder Scheitern der Berliner Konferenz abhängt.

 

Der Berliner Kongress ist zwar eröffnet, aber er hat noch nicht richtig begonnen. Zunächst ist und wird vieles „zum Fenster hinaus" gesprochen, denn bisher hat man sich darauf beschränkt, die vorbereitenden grundsätzlichen Auffassungen gegenseitig vorzulesen. Der Berliner Kongress wird dann interessant werden, wenn das Schwergewicht der eigentlichen Verhandlungen in das private Gespräch und in die Ausschüsse verlagert werden wird. Die Öffentlichkeit darf inzwischen nicht zum Opfer ihrer eigenen Erwartungen werden und das Interesse verlieren. Jetzt, wo gleichsam erst die Fronten abgesteckt werden, ist das Interesse weniger am Platze als dann, wenn es sich zwischen den Fronten regt, und wenn diese Fronten selber in Bewegung geraten sollten. Wir sollten uns deshalb mit derselben Geduld wappnen wie die einzelnen Delegationen, die sich dort gegenübersitzen. Es kommt nicht darauf an, so lange nach Berlin zu sehen, bis einem die Augen müde werden. Es kommt darauf an, im richtigen Augenblick hinzusehen. Dieser Augenblick ist noch nicht gekommen.

 

Das war das Ergebnis des ersten Tages: Die alten Gegensätze zwischen Ost und West bestehen weiter. Im Lager der Westmächte und auch auf westdeutscher Seite war man von Molotows Haltung enttäuscht. Der französische und der britische Außenminister hatten in ihren Reden gefordert, das Deutschland- und das Österreich-Problem müssten im Mittelpunkt der Konferenz stehen. Molotow dagegen verlangte, dass man sich zunächst über „Maßnahmen zur Minderung der Spannung in den internationalen Beziehungen" und über die Einberufung einer Fünfmächte-Konferenz unter Einschluss Chinas unterhalte. Die deutsche Frage sollte erst an zweiter Stelle stehen und als drittes Problem der Österreich-Vertrag diskutiert werden.

 

Stark beachtet wurde in Berlin, dass Molotow als ersten der westlichen Außenminister seinen französischen Kollegen Bidault zu einem Essen in die russische Botschaft eingeladen hatte. Andererseits war Molotow Gast des britischen Außenministers Eden. Man hofft in Berlin, dass die Begegnungen dazu beitragen werden, die herrschende Spannung zu mildern.

 

Im Konferenzsaal des früheren Gebäudes des Alliierten Kontrollrats begann der französische Außenminister Bidault als erster mit der Erörterung der weltpolitischen Fragen. „Möge diese Konferenz", so erklärte Bidault, „die erste Etappe einer dauerhaften Besserung der Beziehungen zwischen unseren Ländern darstellen und den Weg zu einer Gesamtregelung frei machen, die die Spaltung der Welt beendet."

 

Bidault wandte sich dagegen, dass man die asiatischen und die europäischen Probleme koppele „Wir haben nicht die Absicht, auf dieser Konferenz unserem sowjetischen Partner einen „politischen Prozess zu machen“, erklärte Bidault. Aber es ist unerlässlich, von vornherein festzulegen, dass unsere Verteidigungsbemühungen kein Verhandlungsobjekt darstellen. Wir sind jedoch bereit, den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der anderen Partner Rechnung zu tragen“.

 

Mit beachtenswertem Nachdruck setzte sich Bidault für die Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen und die Bildung einer gesamtdeutschen Regierung ein. Er lehnte die sowjetische Forderung ab, erst eine deutsche Regierung zu bilden und dann zu wählen. Die Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Deutschland sollten dann schnellstens beginnen.

 

„Dieser Friedensvertrag", so betonte Bidault, „dürfe nicht nur den Konsequenzen des Krieges Rechnung tragen, er müsse auch alle neuen Konfliktstoffe ausschalten. Der Friede könne kein Friede der Vergeltung und kein aufgezwungener Friede sein."

 

Bidault lehnte die Potsdamer Verträge ab, an deren Ausarbeitung Frankreich nicht teilgenommen habe. Es komme heute darauf an, Deutschland im Herzen des Kontinents nicht zu isolieren. Es gebe nur zwei Möglichkeiten eine Wiedergeburt des Militarismus zu verhindern, die der zwangsweisen Kontrolle und die des Bündnisses. Eine Zwangskontrolle lehne Frankreich ab, da sie zum Aufleben des Nationalismus beitragen würde. Frankreich versuche deshalb, Deutschland zum Eintritt in eine Gemeinschaft rein defensiven Charakters zu veranlassen. Bidault meinte damit die EVG.

 

„Es kommt darauf an, zu der gemeinsamen Überzeugung zu gelangen, dass keine unserer Regierungen bestrebt ist, die deutsche Gefahr in Europa wiedererstehen zu lassen", erklärte Bidault. Es sei nicht beabsichtigt, Deutschland als Werkzeug einer Machtpolitik oder, auf längere Sicht, als Instrument für eine innere Umwälzung in anderen Staaten zu benutzen.

 

Eden: Sicherheitsgarantien

Außenminister Eden bezeichnete es als wichtigstes Ziel der Konferenz, die Barrieren innerhalb Europas einzureißen. Das nächste Ziel sei die Schaffung vertrauensvoller Beziehungen zwischen den Nationen des Westens und der Sowjetunion. Man sollte nicht versuchen, alle Weltprobleme auf einmal zu lösen, sondern man müsse systematisch vorgehen. Im Vordergrund der Diskussionen sollten daher zunächst Deutschland und Österreich stehen.

 

Eden wies darauf hin, dass England noch immer einen auf viele Jahre laufenden Vertrag (Bündnisvertrag vom 26. Mai 1942) mit der Sowjetunion habe und erklärte: „An dieser Verpflichtung halten wir unerschütterlich fest. Sie gibt die Sicherheit, dass wir niemals an einem Aggressionsakt teilnehmen und niemals die Sicherheit der Sowjetunion bedrohen können“. Wenn aber die Sowjetunion trotz dieser Garantien das Bedürfnis zu weiteren Versicherungen habe, so seien die Westmächte bereit, das Problem mit ihr zu diskutieren.

 

Eden bezeichnete es als ein gefährliches Experiment, anzunehmen, dass das deutsche Volk auf die Dauer getrennt sein könne. Es sei ein Hohn, wenn man glaube, die deutsche Wiedervereinigung ohne freie Wahlen und Zustimmung des deutschen Volkes durchführen zu können. Er gab bekannt, dass die Westmächte bereits Pläne für die deutsche Wiedervereinigung ausgearbeitet hätten. Die erste Aufgabe einer aus freien Wahlen hervorgehenden gesamtdeutschen Nationalversammlung müsse die Ausarbeitung einer Verfassung sein. Die Verwaltungen in der Bundesrepublik und Ostdeutschland müssten so lange bestehen bleiben, bis die gesamtdeutsche Regierung gebildet worden sei.

 

Molotow drängt auf Fünferkonferenz

Dann sprach Molotow. Er stellte eingangs fest, dass man die deutsche Frage nicht isoliert behandeln dürfe, denn sie hänge eng mit der Gewährleistung der Sicherheit in Europa zusammen. Molotow forderte die Westmächte auf, die Abkommen von Potsdam und Jalta, die sie unterzeichnet hätten, als Basis für die weiteren Verhandlungen zu nehmen. Damit wäre den Interessen des Friedens am besten gedient. Wenn man über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft dem deutschen Militarismus den Weg für seine Wiedergeburt frei mache, dann wäre die Gefahr eines neuen Weltkrieges unvermeidlich.

 

Dann forderte der russische Außenminister eine Fünfmächte-Konferenz unter Einschluss Chinas. Sie könne „in einer gewissen Zeit nach der Berliner Konferenz" stattfinden. Die Einberufung einer solchen Konferenz würde viel zur Minderung internationaler Spannungen und zur Festigung des allgemeinen Friedens beitragen.

 

Molotow wandte sich dann scharf gegen den Ausbau der militärischen Stützpunkte der Amerikaner. Es sei klar, dass die Errichtung dieser Stützpunkte in allen Teilen der Welt mit Verteidigungszielen nichts gemein hätten, erklärte er. Man müsse sich über das Verbot der Atom- und Wasserstoffbombe und anderer Waffen der Massenvernichtung und über die Errichtung einer wirksamen internationalen Kontrolle unterhalten und verständigen.

 

Dulles stimmt Molotows Vorschlag zu.

Die drei Westmächte nahmen überraschend den Vorschlag des sowjetischen Außenministers Molotow für die Tagesordnung des Berliner Kongresses an. Das bedeutet, dass die Außenminister zuerst Maßnahmen zur Entspannung der internationalen Lage und über die Vorbereitung einer Fünfmächtekonferenz mit China beraten werden. Danach werden sie erst über die deutsche Frage, über die Sicherheit in Europa und über den österreichischen Staatsvertrag sprechen. Dulles begründete die Entscheidung der Westmächte mit den Worten, dass die Westmächte mit der Arbeit vorankommen wollen und nicht wochenlang vergeblich sich um eine Tagesordnung bemühen wollten.

 

Gleichzeitig ließ Dulles jedoch in seiner Antwort auf die Rede Molotows keinen Zweifel daran, dass die von Molotow umrissenen Vorstellungen von einer Verständigung zwischen Ost und West keine geeignete Grundlage für eine Übereinkunft sind.

 

„Deutschland“, so sagte Dulles, „ist ein Faktor, der uns hier in erster Linie angeht, und je schneller wir an diesen Punkt herangehen, desto besser. Dulles beschuldigte den sowjetischen Außenminister, in Bezug auf Deutschland den Geist der Rache und des Hasses beschworen zu haben. Es ist traurig, dass neun Jahre nach dem Waffenstillstand einer der Teilnehmerstaaten der Jalta-Konferenz versucht, die Bitterkeit und den Hass jener Tage wiederzubeleben. Man kann eine große Nation nicht dadurch ungefährlich machen, dass man ihr Diskriminierungen auferlegt".

 

 

Seite 1   Der Fall Dr. Ernst

Der frühere französische Minister Frenay hat gegen die Wiederverhaftung von Dr. Ernst durch die französischen Behörden protestiert. Frenay ist der Präsident der Union der europäischen Föderalisten. Franzosen und Deutsche, die sich für Europa einsetzen, geraten leicht in den Verdacht, Schwächlinge zu sein, obwohl vielleicht mehr dazu gehört, den großen Gedanken eines geeinten Europa zu fördern, als ein nationalistischer Posaunenbläser zu sein.

 

Frenay steht schon durch seine Laufbahn außerhalb jeden Verdachts der Schwächlichkeit. Er war Schüler von St. Cyr, Berufsoffizier, im zweiten Weltkriege ein Führer der nationalen Befreiungsbewegung und einer der ersten Organisatoren der geheimen Armee während der Besatzungszeit.

 

Es handelt sich um einen kleinen Fall in einem großen geschichtlichen Geschehen. Wenn man von einem „kleinen Fall" spricht so kann man sich auf Dr. Ernst selbst berufen.

 

Als deutscher Elsässer weiß er besser als viele andere um das Tragische der Entzweiung von Deutschen und Franzosen. Er hat selbst den Wunsch ausgesprochen, dass seine Wiederverhaftung nicht zu einer Verstimmung zwischen Deutschland und Frankreich führe; das große Werk der Errettung Europas, so sagte er, dürfe nicht durch ein belangloses Einzelschicksal gestört werden.

 

Man kann trotzdem nicht schweigen. Das Schicksal des Dr. Ernst ist so außerordentlich, dass es nicht einfach in den Hintergrund gerückt werden kann. Selbst in England erkennt man das Gefährliche dieses Falles. Die „Times" hat es nicht verschmäht, im Schatten der großen weltpolitischen Ereignisse die Franzosen zu einer schnellen Erledigung zu ermahnen.

 

Acht Jahre hat es gedauert, bis die Staatsangehörigkeit von Dr. Ernst von französischen Gerichten festgestellt wurde. Das ist eine sehr lange Zeit, in der Dr. Ernst ständig in Untersuchungshaft gehalten wurde. Das einfachste Gebot der Menschlichkeit verlangt, ihn nun auf freien Fuß zu setzen.

 

Einem Manne, der sein eigenes Schicksal dem größeren Gedanken eines deutsch-französischen Ausgleichs unterordnet, darf man zutrauen, dass er sich für Gerichtsverhandlungen, wenn solche überhaupt noch für nötig befunden werden sollten, selbst stellt.

 

Das Menschliche spricht die Herzen der Menschen oft mehr an als das Politische. Deshalb sollte der Fall so schnell wie möglich erledigt werden.

 

 

Seite 1   Gemeinsame Entschließung der Vertriebenen – Verbände

Die Präsidien des Verbandes der Landsmannschaften (VdL) und des Zentralverbandes vertriebener Deutscher (ZvD) haben auf ihrer gemeinsamen Sitzung in Bonn folgende Entschließung gefasst:

 

Die Vertriebenen haben den sehnlichsten Wunsch, dass die Berliner Konferenz zu einer Wiedervereinigung der vier Besatzungszonen in Freiheit führen möge. Sie teilen den Standpunkt der Bundesregierung und der Westmächte, dass die Regelung ihres Anspruches auf die Heimat dem Friedensvertrag vorbehalten bleiben muss, der nur unter Beteiligung einer auf Grund von freien Wahlen gebildeten gesamtdeutschen Regierung zustande kommen kann.

 

Dieser Anspruch hat seine unbestreitbare Grundlage in dem Recht der Völker sowie in den internationalen Verträgen und Erklärungen, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen und den alliierten Vereinbarungen vom 5. Juni 1945. Er kann von denen nicht angezweifelt werden, die sich zum Selbstbestimmungsrecht der Völker und zur demokratischen Ordnung bekennen. Die deutschen Vertriebenen nehmen diese Grundsätze nicht nur für sich in Anspruch, sie wünschen ihre Anwendung auch auf alle Völker Ost-Mitteleuropas im Sinne einer gesamteuropäischen Lösung.

 

 

Seite 2   Kurt Knuth: „Iwan, der Schreckliche“. Das Porträt eines Schuftes – Ein Verbrecher gegen die Menschlichkeit! – Knuth muss sofort inhaftiert werden! Wir fordern gerechte Sühne für seine Untaten.

Das Porträt eines Schuftes - Ein Verbrecher gegen die Menschlichkeit! - Knuth muss sofort inhaftiert werden! Wir fordern gerechte Sühne für seine Untaten.

 

Das Auftauchen des ehemaligen ostpreußischen Kreisleiters Kurt Knuth mit seinen Begleitumständen hat in allen Kreisen der Vertriebenen berechtigtes Aufsehen erregt. Es gibt wohl außer Erich Koch und Dargel keinen Menschen, den die Ostpreußen so hassen, wie den „Organisator der ostpreußischen Verteidigung und Gaustabschef des ostpreußischen Volkssturms" Kurt Knuth! Dieser Mann ist verantwortlich für das sinnlose Hinsterben Tausender von Jünglingen, Männern und Greisen! Er ist aber auch der Anstifter jener Morde, die von ungesetzlichen Standgerichten an hunderten ostpreußischer Männer ausgeübt wurden, weil sie sich beim Volkssturm unbeliebt gemacht hatten.

 

Wir hatten geglaubt, dass dieser Spitzbube Knuth, wenn er schon nicht den Mut aufbringen konnte, sein sinnloses und auch verwirktes Leben wegzuwerfen, wenigstens bescheiden zurückstehen würde. Aber nein, dieser Großbetrüger und — wir sagen es ganz offen — Massenmörder hatte die Stirn, in das politische Leben der Bundesrepublik einzutreten, und es ist tatsächlich nur einem Zufall zu verdanken, dass dies Subjekt nicht in den jetzigen Bundestag gewählt wurde!! Da Herrn Knuth die Politik natürlich nur aus geschäftlichen Gründen interessiert, verschaffte sich der Herr Kreistagsabgeordnete Riesenkredite. Die Höhe der ihm gewährten Kredite beläuft sich auf 212 000 DM (nicht 150 000 DM, wie wir zunächst meldeten). Und zwar erhielt Knuth-Quedenfeld folgende Darlehen:

 

1. Kredit der Niedersächsischen Heimstätte 12000 DM,

2. Kredit aus Landesmitteln 60 000 .DM,

3. Bundesdarlehen Vertriebenen-Bank Bonn 40 000 DM und

4. Kredit der Lastenausgleichsbank Godesberg 100 000 DM.

 

Wir möchten nun einmal in Knuths Vergangenheit Umschau halten, um seine Straftaten in das richtige Licht zu stellen, und um auch die für die Kredithergabe an Knuth-Quedenfeld Verantwortlichen zu einer offenen Stellungnahme zu veranlassen! Wir möchten nämlich gar zu gern wissen, wie es z. B. möglich ist, dass dieser Knuth erst im Januar 1954 sein Kreistagsmandat niederlegen musste, obwohl maßgebende Stellen des BHE zumindest seit September vorigen Jahres darüber informiert waren, wer jener so kreditbegünstigte Likörfabrikant Kurt Quedenfeldt aus Krukum, Kreis Melle (Osnabrück) in Wahrheit war!

 

Herr Knuth möge entschuldigen, wenn wir im Folgenden einmal in der Reihenfolge unserer Schilderung einen kleinen Fehler begehen sollten. Wir müssen also um Entschuldigung bitten, weil hier nicht alles Wesentliche über Knuth festgehalten werden konnte. Wir bitten aber zu bedenken, dass wir unsere Unterlagen über diesen Herrn leider in Ostpreußen zurücklassen mussten, weil wir unsere beiden Hände befehlsgemäß in den ostpreußischen Heimatboden krallen mussten, während die Knuth und Konsorten falsche Papiere und 100 000e RM in den Taschen hatten, um rechtzeitig und mit größter Sicherheit verduften und untertauchen zu können. Wir wussten damals auch nicht, wo unsere Angehörigen geblieben waren, weil wir sie nicht wie z. B. Dargel und Knuth unter falschen Namen nach Westen schicken konnten. Wir brauchten auch keine falschen Namen, aber wir sorgten uns um unsere Eltern, Frauen und Kinder!  

 

In unser Blickfeld trat Herr Knuth, als er in einem Dorf des Kreises Heiligenbeil mit seinem Textilgeschäft Konkurs machte. Man hörte damals, dass es nicht die erste Knuth'sche Pleite wäre, und dass es sowohl bei dieser als auch bei der vorhergehenden nicht so ganz mit rechten Dingen zugegangen sein sollte. Wir werden später sehen, dass der Glücksritter Knuth immer einen anderen Stein im Brett hat, wenn er auf einer Stelle falliert. So auch jetzt! Pleite-Knuth wird Kreisleiter von Heiligenbeil! Der erste Schritt in die Politik und damit auch zum Likörfabrikanten in Krukum und Kreistagsabgeordneten ist getan. Bis es soweit ist, wird uns „Iwan der Schreckliche" noch einiges zu berichten geben.

 

1938 ist Knuth Gauwart der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude". Hier ist Geld zu verdienen, und Knuth wirft sich mit aller Energie ins Geschäft!! Er baut mit den widerlichsten Antreibe-Methoden, deren sich noch alle ostpreußischen Handwerker erinnern werden, zum Gaujubiläum die riesenhafte KDF-Halle in Königsberg. Er holt aus allen Kabaretts, Varietees und Bühnen die bekanntesten Künstler! Für den Bau der KDF-Halle bekommt Knuth das goldene Ehrenzeichen. Das bedeutet dem Knuth aber nicht viel, er freut sich, dass er während des Baues der Halle mehrfacher Hausbesitzer in der Pregelstadt geworden ist.

 

Als der Krieg ausbricht, wird Knuth mit sicher sehr gemischten Gefühlen Soldat. Wenig später wird er von einem Kriegsgericht wegen Feigheit vor dem Feinde zum Tode verurteilt! Diesmal ist es wohl Ley, der ihm über Rudolf Heß seine Begnadigung erwirkt. Er kommt erneut an die Front, macht einen parteiamtlichen EK-Kursus mit und erscheint nach einem Jahr strahlend und mit dem ihm gewiss nicht zukommenden Eisernen Kreuz an der Brust wieder in Ostpreußen! Es hat auch dieses Mal geklappt!

 

Als die deutschen Truppen die Ukraine freigekämpft haben, zieht Knuth die braune Uniform wieder an und geht mit Koch und Dargel zur Ausbeutung der russischen Völker ans Schwarze Meer. Jetzt ist er erst in das richtige Fahrwasser gekommen! Hier ist ein Betätigungsfeld für „Iwan den Schrecklichen", wie der unersättliche Knuth bald heißt, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen niemals vorgestellt hat. Ukrainer, Juden, Tataren, Polen und Russen sind ihm und seinen Schergen gnadenlos ausgeliefert! Er beutet sie bis auf die Haut aus, und scheut wohl auch hier schon nicht davor zurück, den brutalen Mord vollziehen zu lassen, wenn er anders nicht zum Ziel kommen kann!! — Als die Russen wieder Herren der Ukraine sind, ist Knuth ein saturierter Mann. Was er nur erraffen konnte, hat er mitgeschleppt, wenn auch ein paar Hundert verwundete Soldaten weniger vor der rachelüsternen russischen Soldateska gerettet werden konnten! Jetzt heißt es für Knuth nur noch: Sichere Dein Diebesgut!

 

Ja, die Furcht das Gestohlene zu verlieren, hat von Knuth Besitz ergriffen! Gemeinsam mit seinem Komplicen und Freund Paul Dargel ersinnt er den Volkssturm! Deutsche Männer, die von der Wehrmacht als untauglich ausgemustert wurden, Kinder von 14 oder 15 Jahren und schwächliche Greise sollen jetzt helfen, das in Russland Zusammengestohlene zu retten! Als die sowjetischen Panzer bis zur Memel vorstoßen, verkündet Himmler als Reichsinnenminister in Bartenstein die Gründung des Volkssturms. Ein großes Fest mit viel Fahnen und noch mehr Schnaps!

 

Die Ostpreußen sollen die ersten sein, die das Schandinstrument Volkssturm am eigenen Leibe zu spüren bekommen! Fast waffenlos treiben Dargel und Knuth die kampfunfähigen Männer, Greise und Kinder den Russen entgegen! Sie fallen sinn- und zwecklos, werden bei Gefangennahme als Nichtkombattanten füsiliert! Wehe, aber denen, die sich womöglich retten können! Wenn Knuth sie erwischt, lässt er sie erschießen oder als Feiglinge sogar hängen! Der Dieb Knuth ist zum Mörder geworden!

 

Mit dem falschen Pass in der Tasche, wissend, dass ihre Frauen gleichfalls mit falschen Papieren das Weite gesucht haben, verurteilen Dargel und Knuth Hunderte von Greisen und Kindern zum Tode! Bald sind in Königsberg keine Laternenpfähle mehr frei, um die Verurteilten zu hängen! Bald fahren die Flüchtlingstrecks an den mit ostpreußischen Bauern behangenen Chausseebäumen vorbei! Mord und Terror verbreitet der Schuft Knuth über das noch feindfreie Stückchen Ostpreußen!

 

Tatsächlich, der Blutsäufer steht auf dem Höhepunkt seiner Macht, wenn er auch anscheinend zu fühlen beginnt, dass ihm diese Macht unter den blutbeschmierten Händen zu schwinden beginnt! Doch die falschen Papiere und die echten Banknoten in der Tasche, das Wissen, dass auch die Ehefrau wertbeständige Sächelchen retten konnte, beruhigen ihn sichtlich. Er glaubt sicher zu sein, dass er auch aus dem Konkurs des Tausendjährigen Reiches mit einigem Plus herauskommen wird!

 

Als er in Schleswig-Holstein landet, heißt Herr Knuth nunmehr Quedenfeld. Er ist nicht in der Partei gewesen! Er braucht nicht in die Konzentrationslager der Besatzer! Westdeutschland steht ihm offen! Und ein Knuth weiß so eine günstige Situation auszunutzen! Wenn man auch Quedenfeld heißt, man ist doch das Schwein Knuth geblieben!

 

Und jetzt vollendet der Kurt Quedenfeldt das, was der Kurt Knuth begonnen. Ließ der Knuth die ostpreußischen Kinder, Männer und Greise sich verbluten, hängte er sie als „Defätisten" an die Chausseebäume, so beraubt der Quedenfeldt jetzt die Hinterbliebenen! Jene Witwe, deren Mann und Sohn als Volkssturmleute zu Ehren von Knuth und Dargel fallen mussten, wartet vergeblich auf ihre Hausratshilfe, weil diese Mittel für Herrn Quedenfeldt-Knuth benötigt wurden. Die alte Mutter, deren kaum 15 Jahre alten Söhne als Volkssturm-Flüchtlinge an die Laternen kamen, erduldet das gleiche Schicksal, da man ja das Geld für den Quedenfeldt-Knuth brauchte. Was schiert es den Abgeordneten und Likörfabrikanten, wenn diese Frauen das Nötigste entbehren oder immer noch auf Stroh schlafen müssen! Her mit dem Geld, wir können es brauchen! Ein Kreistagsabgeordneter kann schließlich Anspruch auf anständige Kredite erheben!! Deshalb fließen Knuth auch die Mittel zu, mit denen der alte Handwerksmeister sich eine Existenz aufbauen wollte.

 

Genug! Wir wollen zum Schluss kommen. Uns scheint über den Burschen Knuth fürs erste genug gesagt. Seine Bürgermeistertätigkeit in Angerburg z. B. mögen andere beschreiben. Wir möchten nur noch darauf hinweisen, dass Knuth keinesfalls, wie er jetzt angibt, 10 Jahre Bürgermeister in Angerburg war, falls er daran denken sollte, hieraus etwa Ansprüche aus Artikel 131 herzuleiten. Nein, Herr Quedenfeldt-Knuth, aus dieser letzten Pleite sollen Sie nicht wieder auf einen grünen Zweig kommen! Wir wünschen das nicht! Und wir werden unser Ziel, Sie ein für alle Mal aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen, auch zu erreichen wissen!!

 

Deshalb fordern wir:

1. Die sofortige Inhaftierung des Knuth, da immerhin die Möglichkeit besteht, dass er in einer bei ihm allerdings unwahrscheinlichen Anwandlung von Scham sich der irdischen Gerechtigkeit entzieht!

 

2. Verurteilung des Knuth wegen gewissenloser Ausbeutung der Bewohner der Ukraine!

 

3. Verurteilung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit! Begangen als Gaus?abschef des ostpreußischen Volkssturms. Evtl. auch Anklage wegen Mord!

 

4. Exemplarische Bestrafung wegen Kreditschwindel, betrügerischen Bankrotts und Diebstahl am Vermögen des Lastenausgleichs! Begangen als Quedenfeldt in Krukum!

 

Wir erwarten: dass die Voruntersuchung gegen Knuth sofort aufgenommen wird, und dass besonders seine Straftaten aus dem Jahre 1945 und danach in aller Öffentlichkeit und mit der größten Gewissenhaftigkeit untersucht werden! Wir hoffen: dass dieser gewissenlose Bursche dann nicht mehr Gelegenheit finden wird, seine Mitmenschen weiterhin zu betrügen und in den Tod zu treiben! Die Tore eines festen Hauses mögen sich für immer hinter dem Abgeordneten und Likörfabrikanten Knuth genannt Quedenfeldt schließen.

 

 

Unsere Leser schreiben zum Fall Knuth:

Reif für den Staatsanwalt!

In Ihrem letzten Blatt finde ich die Nachricht über den Kreisleiter Knuth. — Es ist, wie Sie auch sagen, dringend notwendig, dass solchen Subjekten wie Knuth endlich mal das Handwerk gelegt wird. Er hat schon in Ostpreußen — in Angerburg und Heiligenbeil, später bei der KDF-Halle in Königsberg, genügend Betrügereien begangen. Aber, dass er jetzt auch noch, trotzdem die Beantrager von Flüchtlingskrediten doch genau geprüft werden sollten — solche Betrügereien mit solchen Summen, macht, schädigt nicht nur das Ansehen der Flüchtlinge, sondern man empört sich auch, dass ein solcher Kerl die Steuergroschen der Flüchtlinge schluckt, die mühsam wieder arbeiten, um leben zu können.

 

Wir waren Einwohner des Kreises Angerburg — ich hatte die Pachtung S.. und das Gut R.. im selben Kreise. — Ich hatte Knuth schon bei einer seiner sehr üblen Reden vor 33 gehört (in Schönbaum) und war erschüttert, dass man diesen Kerl, der in Heiligenbeil schon betrügerische Pleite machte, nun nach 33 in Angerburg als Kreisleiter einsetzte. Er war es vorher schon in Heiligenbeil. Dort hatten die kleinen Leute — Sie wissen ja wie so etwas zustande kam — für ein Auto für die Parteileitung gesammelt. Dies Auto nahm Knuth nach Angerburg mit, und erklärte — als der Kreis Heiligenbeil es zurückforderte: Das haben mir die Leute für meinen Einsatz in der Partei geschenkt". Seine ankommenden Möbel waren gepfändet und mussten von Angerburger Kaufleuten ausgelöst werden, sonst konnten sie nicht ausgeladen werden. — In dem Gästeheim in Jägerhöh machte er an einem Abend eine Zeche von über 600 Mk., indem er finnische Boxer einlud und mit diesen soff. Die Rechnung musste die Stadt bezahlen! — Als diese sich sträubte, griff auch wieder Koch ein! und die Stadt musste doch bezahlen! In Jägerhöh, wo er fast täglich war, bewog er Herrn Heinrich, der damals das Gästehaus Jägerhöh gepachtet hatte, (vom Kreise) ihm eine Unterschrift für ein Königsberger Weingeschäft zu geben. Mit dieser Unterschrift, die eigentlich nur die Adresse enthielt, fuhr er dorthin, lud sich mehrere Weinkisten (auf den Name Heinrich auf) und fuhr damit zu einer — ich glaube mich zu entsinnen — Sensburger Kradabteilung, in der er Offizier werden wollte. Obgleich er im Polenfeldzug wegen Fahnenflucht vor dem Feinde verurteilt werden sollte und vor einem Kriegsgericht stand, wurde er durch Drohungen von Koch freigegeben — und erreichte es tatsächlich, dann zum Offizier ernannt zu werden. Knuth bezog weiter — als er schon längst in der Ukraine war, das Gehalt des Bürgermeisters und des Kreisleiters dieser, an Glücksgütern nicht sehr reichen Stadt, die ja außerdem einen diensttuenden Bürgermeister haben musste. Auch seine Wohnung — die des Bürgermeisters, behielt er! Sein öfteres Eintreffen zu den Festtagen oder auch so — in Angerburg, war Stadtgespräch, da er sich stets das ganze Auto voll der teuersten Lebensmittel mitbrachte!

 

Ich glaube, man müsste Angerburger bitten, weiteres über Knuth auszusagen, damit solch ein Kerl daran gehindert wird, nach wie vor hier den Flüchtlingen zu schaden — an Ansehen, und an Geldmitteln aus dem Lastenausgleichsfond. — Wie kommt es, dass die meisten Landwirte, wenn sie eben nicht das Glück haben, siedeln zu können, keinen Pfennig vom Lastenausgleich erhalten, es sei denn, sie hätten 60 Punkte, wären also nicht mehr arbeitsfähig. Und solchem Kerl gelingt es über Freunde, die er sich vermutlich durch seinen Schnaps machte, unter falschem Namen, sogar beinahe BHE-Bundestagsabgeordneter zu werden!

 

Dies zum Falle Knuth - ganz abgesehen davon, dass er jetzt wohl endlich reif für den Staatsanwalt ist! k.. "

 

 

Seite 2   Wer stand Pate?

Neben anderen Artikeln erscheint es mir angebracht, auf Ihre Glosse „Skandal um Kreisleiter Knuth“ näher einzugehen. Jeder Ostpreußen, vielmehr jeder Flüchtling hat ein Recht darauf, zu wissen, wer dem Kreisleiter bei der Beschaffung des Flüchtlingskredites behilflich war. Unserem wenigstens gut funktionierenden Amtsschimmel mit zahlreichen Fragebogen und immer wieder zitierten Zeugen wird es sehr leicht fallen, nachzuweisen, wer bei diesem „Repräsentanten“ Ostpreußens Pate gestanden hat.

 

Man darf doch erwarten, dass Sie es nicht versäumen werden, wenn es zu einem Verfahren kommen sollte, einen entsprechenden Bericht zu erstatten. Ich hatte ohnehin anlässlich einiger Herren, die sich in den Vordergrund drängen, einiges Unbehagen. Wenn man im Kreise der Landsleute sitzt und dann beginnen die Reden und dann wird immer wieder die „Hilfe Gottes“ zitiert etc. Blättere ich ein wenig zurück, dann steht derselbe Mann als maßgeblicher NS-Mann in der Provinz. Von Gott – ganz gleich welcher Fassung – keine Spur.

 

Ist es da nicht verständlich, dass ich wohl die Literatur der Nachkriegszeit meiner Heimat erstehe, dass ich die Heimatzeitungen lese und genau verfolge, dass ich Gelegenheit hatte inkl. Seminar der spanischen Diplomatenschule in Madrid, in Frankreich, Italien, Marokko unter anderem immer wieder von den Sorgen und Nöten der Heimatvertriebenen zu sprechen. Ich sehe den Menschen der ostdeutschen Provinzen in seiner Not verbunden mit dem sehnlichen Wunsch auf Heimkehr in die geliebte Heimat.

 

Dies kann aber nicht zur Folge haben, dass man sich mit Männern an einen Tisch setzten kann, die Gott, je nach der Regierung im Munde führen, die eine leichte Brise beliebig hin und her weht. Eine Mitarbeit wird dann sehr schwer, sie wird unmöglich für gerade und saubere Charaktere. Wenn dann ein Blatt aus eigenen Reihen die unsauberen Figuren herausstrickt, dann kann man Ihren Artikel nur begrüßen.

 

Was ein Mann des genannten Schlages wieder einmal verdirbt, das kann durch eine Unzahl von Heimatvertriebenen in aufopferungsvoller Arbeit nur im Schneckentempo wieder gutgemacht werden. Deswegen begrüße ich Ihren Artikel.

 

Wer an der Spitze einer NS-Organisation in der Provinz stand, sollte von der Übernahme einer Kreisvertretung, eines Mandates, doch Abstand nehmen. Es könnte doch einmal eine Überraschung geben.

Dr. S., Hamburg

 

 

Seite 2   BHE: Keine Nazischnüffelei!

Der Gesamtdeutsche Block - BHE, Landesverband Niedersachsen schreibt uns:

 

 „In der Nummer 1 des Jahrganges 1954 Ihrer Zeitung veröffentlichten Sie einen Kommentar zu dem Falle Knuth und berichteten dabei, dass „führende Kreise des BHE von der Existenz des Knuth und vom Erhalt des 150 000,-- DM-Flüchtlingskredites gewusst haben." Es sei daher nach Ihrer Meinung dringend erforderlich, dass diese Angelegenheit in aller Offenheit geklärt wird.

 

Der Gesamtdeutsche Block-BHE, Landesverband Niedersachsen ist sich dessen bewusst, dass die ostpreußischen Landsleute des Herrn Knuth an einer Klärung dieser Angelegenheit ein positives Interesse haben müssen. Daher erklärt der Landesverband, dass der in Frage stehende Kredit nicht Herrn Knuth, sondern Herrn Quedenfeld gewährt wurde. Die bei dieser Kreditgewährung beteiligten Instanzen der Verwaltung trifft somit kein Verschulden. Herr Knuth — Quedenfeld hat politisch die Konsequenzen bereits gezogen. Er hat sein Mandat als Kreistagsabgeordneter niedergelegt.

 

Es ist keiner Partei nach 1945 möglich, die Vergangenheit ihrer Mitglieder bis in das Detail aufzuhellen. Sie müssen sich auf die bei der Aufnahmeerklärung gemachten Angaben verlassen. Der Gesamtdeutsche Block hat sich bisher immer von jeder Art Nazischnüffelei distanziert, wobei er jedoch immer betonte, dass er kriminelle Vergehen und Vergehen gegen die Menschlichkeit nie decken werde."

 

Dazu meinen wir, dass der Skandal um Knuth nichts mit Nazischnüffelei zu tun hat und auch nicht in den Bereich jener nach 1945 so oft geübten und für uns Deutsche so beschämenden Methoden fällt. Knuth ist ein Verbrecher und das ist das Entscheidende! Es wäre für alle Beteiligten und vor allem für die Kreditgewährenden ein Leichtes gewesen, seine Identität mit Hilfe der landsmannschaftlichen Verbände schnellstens feststellen zu können. — Im Übrigen stammt Knuth überhaupt nicht aus Ostpreußen, sondern ist ein Berliner Findelkind.

 

 

Seite 3   Vor 150 Jahren starb der Baumeister der deutschen Philosophie: Kant

Foto: Die alte Grabstätte Kants, die Stoa Kantiana, an der Südseite des Domes zu Königsberg.

2 Fotos: Immanuel Kants Grab im neuen Mausoleum zu Königsberg – Inneres von Kants Grabstätte am Dom. Aufn.: Hoffotograf Alfred Kühlewindt

 

Unsere Zeit hat eine eigene, unmittelbare Zusage zu Kant gefunden, der seltsamerweise nicht auf Wegen des Denkens erschlossen wurde. Er tat sich vielmehr auf Wegen des Erlebens und der direkten Existenzsorge auf. Darum wurde er auch vielen leichter begreiflich: wir meinen das Erlebnis des radikalen Bösen in der menschlichen Natur, das wir während der letzten anderthalb Jahrzehnte in Führern und Völkern, in Krieg und Nachkrieg sich oft grausig genug enthüllen sahen. Als Kant mit diesem radikalen Bösen den Anfang der Schrift über „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" einleitete, grollte ihm Goethe und meinte, er wolle sich Liebkind bei Kirche und Theologie machen. Der Dichter und Augenmensch hat dem Denker aus Wesensgründen oft nur per Distanz zugesehen, er hat ihn dennoch „unsern alten Lehrer" genannt, ähnlich wie Herder stolz auf ihn war, zu dessen Füßen er gesessen, und Hölderlin ihn als den „Moses unserer Nation" rühmte, „der sie aus der ägyptischen Erschlaffung in die freie einsame Wüste seiner Spekulation führte und das energische Gesetz vom heiligen Berge bringt."

 

Kants Lebensluft ist die klare reine Höhenluft des 18. Jahrhunderts, das noch nicht von Irrationalismus und emotionalen Verdunklungen des Geistes befallen war. Und unter den klaren Geistern jener Zeit ist er der größte, dessen Leistung eine Umwälzung des Denkens herbeiführte und von neueren Betrachtern der eines Heraklit, Platon und Augustin gleichgestellt wird. Kants äußeres Leben enthält nichts Aufregendes. Sohn eines Sattlers in Königsberg, mit 16 Jahren auf der Universität, mit 31 Privatdozent, mit 46 ordentlicher Professor der Philosophie bei 400 Thalern Jahresgehalt, hat er Königsberg bis auf Ausflüge in seine Umgebung zeitlebens nicht verlassen. Er hat kein Weltmeer und keinen großen Strom, kein Gebirge und kein südliches Land gesehen und dennoch in seinem liebsten Kolleg, der physischen Geographie, überdeutliche Schilderungen fremder Länder gegeben. Ein Engländer, der ihn hörte, staunte über Kants Beschreibung der Themse-Brücke und meinte nicht anders, der Professor müsse sie selbst erbaut haben. Zur Philosophie gehörte damals auch die Astronomie und die Völkerkunde, ja er las sogar über Festungsbau und Feuerwerkskunst. Kants „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels", die Laplace bestätigte, ist ein Produkt der Frühzeit, seiner naturwissenschaftlichen Periode. Der Professor blieb Junggeselle, er lebte mit größter Regelmäßigkeit, sah gern Tischgäste bei sich und bezauberte diese als heiterer und lebhafter Unterhalter. Nach der Pünktlichkeit seiner Spaziergänge vermochten die Königsberger ihre Uhren zu stellen. Von weither kamen Gelehrte und Studenten gereist, um ihn zu sehen und zu hören, der Friedrichs des Großen Zeitalter der Aufklärung zum Gipfel zu führen schien und von dessen kleingeistigen Nachfolgern er sich eine Maßregelung gefallen lassen musste. Dem Menschen Kant fehlen alle dämonischen und tragischen Züge. Wie er als Jüngling sich vorgesetzt hatte, die vorgezeichnete Bahn seines Lebens zu gehen, so ging er sie, und wie er forderte, dass ein Mensch heiter sollte sterben können, so starb er.

 

Das halbe Jahrhundert seines Denkens schließt die Errichtung des Systems der kritischen Philosophie ein, gegen jenes des Dogmatismus, das voraufgegangen war. Kant erstrebte keine starre, in sich fertige Philosophie, vielmehr wollte er lehren, zu philosophieren, das heißt selbständig und weiter zu denken. Was als Aufklärung begann, endete als ihre Überwindung, indem er die menschliche Erkenntnisfähigkeit auf die Grenzen der sinnlichen Erfahrungswelt einschränkte. Nur in der Erfahrung sei Wahrheit, das ist sein Realismus. „Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind." Gleich Sokrates zwang er die hoffärtig gewordene Philosophie zum Geständnis des Nichtwissens. Seine drei Kritiken, der reinen, der praktischen Vernunft und der Urteilskraft, umschreiben die Gesetze des Erkennens, des Handelns und des Geschmacks.

 

Dem Erkennen setzte er Grenzen aus Demut, weil das Übersinnliche, das Absolute, das Ding an sich, weil Gott kein Gegenstand der Vernunftwissenschaft sein könnte. Damit gewährte er dem echten Glauben freien Raum. Das Handeln stellte er auf das Gesetz der Pflicht, auf das Sittengesetz oder den kategorischen Imperativ: jeder habe sein Tun so einzurichten, dass die Maxime seines Handelns zum allgemeinen Gesetz erhoben werden könne. Er setzte drei Postulate, Forderungen der praktischen Vernunft, ohne die sie keinen Sinn hätte: Freiheit des Willens, Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes. Ins Moralische gewendet lautete der Imperativ aber: Handle so, dass du jederzeit den Menschen als Selbstzweck und nicht als Mittel zum Zweck betrachtest. Das war die sittliche Begründung der Humanität eines Lessing und Herder, Goethe und Schiller, wie sie sich noch heute in ungebrochenem Glänze als ewige Forderung an den Menschen stellt.

 

Aus ihr ergaben sich grundlegende Folgerungen für die Auffassung von Geschichte und Politik. In der Verwirklichung reinen Menschentums erkannte er den Sinn der Geschichte, wiewohl er zunächst noch Selbstsucht und Niedertracht ihr Wesen treiben sah, klarer als Hegel, der das Geschichtswirkliche schon vernünftig nannte. Kant begrüßte daher die Französische Revolution. Er wollte in Frieden hinfahren, nachdem er diese Tage des Heils gesehen. In Freiheit, Gleichheit und Volkssouveränität sah er, einschließlich der Lehre von der Trennung der Gewalten im Staate, die Grundlagen der Republik. Selbst den aufgeklärten Absolutismus empfand er im Grunde als Despotie und Beleidigung der Menschenwürde. Ein friedlich freies Bündnis freier Staaten sollte als ewiger Friede die Entwicklung des Völkerrechts krönen. So fand das Weltbürgertum der Klassiker in ihm seine vernunftgemäße Begründung. Ohne Erreichung einer allgemein das Recht verwaltenden bürgerlichen Gesellschaft würde die Geschichte ihren Sinn für ihn verloren haben.

 

Kant erhob den Menschen auf die Höhe des „reifen Sohns der Zeit", der mit Stolz auf seines Jahrhunderts Neige blicken zu können vermeinte. Er begründete jenen deutschen Idealismus, dessen Zusammenbruch inzwischen tausendmal verkündet und angeblich nachgewiesen worden und der doch aus der Geschichte des Denkens nicht wegzudenken ist, gleichwie zu jedem Punkt in Kants System eine Hochflut von Büchern der Kritik, der Ablehnung und der Weiterführung geschrieben wurde, als sollte damit Schillers Wort bestätigt werden über „Kant und seine Ausleger":

 

Wie doch ein einziger Reicher so viele Bettler in Nahrung setzt!

 

Wenn die Könige baun, haben die Kärrner zu tun.

Herbert M. Schönfeld.

 

 

Seite 3   Philosophische Lektrüre

Der Geheime Finanzrat Wölner kam nach Königsberg, um die Bücher und Geschäfte der Staatsbank zu revidieren. Als er die Bank verließ und sich in sein Hotel begeben wollte, begegnete ihm Immanuel Kant, mit dem er vor vierzig Jahren auf der Schulbank gesessen hatte.

 

Die Freude war groß und Kant fragte: „Hast du Geschäftsmensch wohl auch einmal Lust, meine Bücher zu lesen?"

„O ja", entgegnete Wölmer, „ich würde es auch noch öfter tun, wenn mir nicht die Finger dazu fehlten."

 

Kant war erstaunt: „Die Finger fehlen? Wie soll ich das verstehen?"

Und Wölner, der Finanzmann, erklärte dem verwunderten Philosophen: „Deine Schreibart ist so kompliziert, so reich an Klammern und Einschaltungen, die sich kaum im Auge behalten lassen. Was soll man tun? Ich setze erst einen Finger auf ein Wort, dann den zweiten, den dritten, den vierten und so fort, aber ehe ich die Seite umschlage, sind meine Finger alle."

 

Dass Kant, der Große Philosoph, im eigentlichen Sinne das gewesen wäre, was man „witzig" nennt, kann niemand behaupten. Aber er machte gelegentlich Bemerkungen von einer so trockenen Treffsicherheit, dass sie ein sehr geeignetes Material wären, um gerade an ihnen das Wesen des wahren Humors zu studieren.

 

So wurde dem Philosophen als Kuriosität einmal eine Schrift vorgelegt, die einen anderen Professor zum Verfasser hatte, und in der das blödsinnige Thema allen Ernstes abgehandelt wurde, ob es wohl möglich wäre, ohne Kopf zu denken. Der Verfasser wies darauf hin, dass ein soeben geköpfter Hahn ja auch noch in die Luft emporfliege, und er hatte auch noch andere Beispiele ins Treffen zu führen.

 

Kant sah sich nur den Titel an, verzog keine Miene dazu und sagte nur trocken: „Das wenigstens ist dem Verfasser geglückt zu beweisen, dass man ohne Kopf eine Abhandlung schreiben kann.

 

 

Seite 4   Die Flucht aus Wehlau. Erlebnisbericht von Eva Kuckuck (Aus der Dokumentation der Vertriebenen Band I/1

 

Am 20. Januar 1945 fuhr ich mit dem fahrplanmäßigen Zuge von Königsberg Pr. nach Allenburg, Kreis Wehlau, um nach dem Hause meiner Eltern zu sehen und unsere dortige Einquartierung zu versorgen, da meine betagten Eltern sich bereits seit Ende Oktober bei meiner Schwester in Berlin befanden. Zum Sonntag, den 21. Januar 1945, hatte ich eine Einladung nach dem Gut Gr. Plauen angenommen und wurde von einem Fuhrwerk bereits zum Mittagessen abgeholt. Ich hatte gebeten, spätestens um 17 Uhr wieder in Allenburg sein zu dürfen, da ich noch Flüchtlingsgut für meine Eltern packen wollte, welches Einwohner unseres Hauses mitnehmen wollten. Es hieß, dass am Dienstag, dem 23. Januar, bestimmt ein oder mehrere Räumungszüge die Bevölkerung des Kreises Wehlau in Sicherheit bringen sollten. Es kam jedoch anders.

 

Herr v. W. auf Gr. Plauen, der gleichzeitig Bürgermeister der Gemeinde Plauen war, stand dauernd mit dem Landrat und der Kreisleitung Wehlau in Verbindung, um den Treckbefehl zu erreichen. Alle seine Vorstellungen, dass es bald zu spät wäre, fanden kein Gehör, der Landrat v. E. sagte einmal sogar: „Der Kreis Wehlau dürfe sich nicht auch noch auf die Landstraße begeben, an einer Stelle müsse ja schließlich damit Schluss gemacht werden“. Dies war etwa um 15 Uhr. Ich hatte zur gleichen Zeit Gelegenheit, mich mit einer Sekretärin des Postamtes Wehlau telefonisch zu unterhalten, die mir bestätigte, dass unweit von Wehlau die ersten Russen gesehen worden wären und dass ein etwa 8 km von Wehlau entfernt gelegenes Gehöft von diesen in Brand gesteckt worden wäre.

 

Ich war um 17 Uhr dann wieder in Allenburg. Es mag eine Stunde vergangen sein, während der ich packte, als eine junge Frau zu mir kam und mich davon unterrichtete, dass soeben vom Bürgermeister der Befehl an die Bevölkerung gegeben sei, dass Allenburg bis 19 Uhr geräumt werden müsste. Ein Zug fuhr nicht, andere Fahrgelegenheit war nur schnell für die Ältesten bereitgestellt, alle anderen sollten zu Fuß nach Friedland wandern und sehen, ob und wie sie von dort weiterkämen.

 

Sofort begab ich mich ans Telefon — die Post blieb noch auf ihrem Posten — und berichtete Herrn v. W. die neueste Lage in Allenburg. Ihm war nichts von einem Räumungsbefehl bekannt. Er setzte sich sofort wieder mit dem Landrat in Verbindung und erreichte endlich wenigstens den Befehl: „Alles zum Treck bereithalten"! Getreckt werden durfte immer noch nicht!

 

Ich bat Herrn v. W. mit den Plauern trecken zu dürfen, und wurde am Sonntagabend noch einmal mit Fuhrwerk abgeholt. Wir packten dort noch die ganze Nacht, versahen uns für alle Fälle mit „Zyankali", um den Russen nicht in die Hände zu fallen, und warteten auf den Treckbefehl. Am 22. Januar 1945 um 9 Uhr war es dann endlich so weit, dass die Gemeinde Gr. Plauen - mit einigen Ausnahmen, der sich nachts schon eigenmächtig aus dem Staube gemachten Leute — geschlossen treckte. Auf dem vorgeschriebenen Wege war nicht mehr durchzukommen — wir mussten Nebenwege einschlagen. Infolge des Tauwetters kamen wir nur schrittweise vorwärts. Wir brauchten elf Stunden, um einen Weg von zirka 10 km zurückzulegen. Wir übernachteten in Kl. Schönau in einem Gasthof, wo wir abwechselnd zu zweien mal auf einem Stuhl sitzen konnten. Beim Morgengrauen setzten wir unsern Weg fort. Soweit das Auge reicht, war jede Straße mit Flüchtlingswagen, wandernden Menschen, frei herum laufenden Tieren übersät, ein trostloses Bild einer „Völkervertreibung". Immer wieder sah man in einen Graben gekippte Wagen, das Flüchtlingsgut verstreut, die Menschen, den Blick auf ihre letzte Habe noch einmal wendend, zu Fuß weiterwandernd.

 

Den ganzen Weg begleitete uns das Böllern der Artillerie — ob es die feindliche oder unsere war, vermochte ich nicht zu unterscheiden. Die engste Berührung mit den feindlichen Truppen blieb uns gottlob erspart, auch Tiefflieger griffen uns nicht an.

 

Die zweite Nacht verbrachten wir in Lisettenfeld, Kreis Bartenstein. Wir lagen zu 40 Menschen auf der Erde in einem winzigen Raum, eingepfercht wie Sardinen in der Büchse, und waren trotzdem dankbar, dass wir uns etwas Warmes zu essen machen durften und uns einmal ausstrecken konnten.

 

Noch in der Nacht wurden wir davon unterrichtet, dass russische Panzerspitzen bis Elbing vorgedrungen seien, und uns der Rat erteilt, den Treck aufzugeben. Herr v. W. entschloss sich nach Lage der Dinge sofort dazu, holte seine Leute zusammen und erklärte ihnen, dass Pferde, Wagen und Flüchtlingsgut bis auf Handgepäck und notwendige Essensvorräte der Wehrmacht übergeben würden und alle mit von der Wehrmacht zur Verfügung gestellten Lastwagen, die in Richtung Heiligenbeil-Zinten führen, mitfahren könnten. Zunächst waren die Plauer Leute und Siedlerfrauen damit einverstanden, aber etwa um 5 Uhr morgens erschien der Kämmerer und bat Herrn v. W. weitertrecken zu dürfen. Nur nach langem Zögern gabb Herr v. W. seine Einwilligung, da sich die Mehrzahl der Siedlerfrauen mit dem größeren Teil der Plauer Leute dazu entschlossen hatten. Wer nicht weitertrecken wollte, fuhr mit uns mit den Wehrmacht-Wagen bis Königsberg oder in den Raum von Heiligenbeil-Zinten. Der Lastwagen, in dem ich fuhr, war so dicht besetzt, dass ich nur knapp auf einem Fuß stehen konnte. Entsetzlich war es, sehen zu müssen, wie kleinste Kinder erdrückt wurden oder erfroren und ihre Leichen von ihren Müttern einfach aus den Wagen geworfen werden mussten, da zum Aussteigen und Begraben keine Zeit blieb.

 

Das Schicksal des Trecks, dem es nicht mehr gelang durchzukommen, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben.

 

Das Ehepaar v. W. sowie ihre Begleitung nahm ich in Königsberg zu mir und brachte sie in meiner Wohnung und den z. T. bereits verlassenen Wohnungen des Hauses unter.

 

Erwähnen möchte ich noch, dass die Wagen des ganzen Trecks entweder von Siedlerfrauen oder von Polen geführt wurden, die umsichtig, hilfsbereit und fleißig waren. Auch die Polenfrauen kamen mit — es wollte keiner unter die Russen kommen. In Plauen blieb nur ein einziger Pole zurück, der im äußersten Falle das Vieh herauslassen sollte, das er so lange wie möglich zu betreuen hatte, und dem ein Fahrrad zur Verfügung stand, mit dem er sich dann selbst absetzen konnte.

 

Der Ring um Königsberg wurde immer enger, der Kanonendonner täglich deutlicher hörbar. Herrn v. W. gelang es mit größter Mühe, einen Dampfer ausfindig zu machen, der uns mitnehmen wollte. Es war der 900 t schwere, sehr alte Handelsdampfer „Consul Cords" aus Rostock, der zur Reparatur in der Schichau-Werft lag. Nachts um 2 Uhr waren wir auf dem Dampfer „Consul Cords", fuhren bald darauf nach dem Hafenbecken I, um dort Flüchtlinge aufzunehmen. Bis mittags waren bereits zirka 1200 Flüchtlinge an Bord — wahllos, teils mit Berechtigungsschein der NSV, zum größten Teil aber ohne. Der Kapitän hatte den Befehl bekommen, mit Flüchtlingen auszulaufen, obgleich der Dampfer noch nicht völlig repariert war. Seine Einwendungen wurden nicht anerkannt und so lehnte er jede Verantwortung ab. Vielleicht war dieses der Grund, dass sich auf dem Dampfer keine Führung der NSV, oder der Partei befand, kein Arzt, keine Krankenschwester. Der Kapitän war ratlos und wandte sich mit der Bitte an Herrn v. W., sich der Flüchtlingsbetreuung  anzunehmen. Er sagte selbstverständlich zu, ohne zunächst zu wissen, wie sich diese Betreuung auswirken solle. Nachts waren wir in Pillau. Wir lagen im Kohlenbunker auf Stroh, nur in einer Ecke brannte eine winzige Petroleum-Laterne. Wir kamen uns vor wie im schlimmsten Gefängnis. Der Dampfer fuhr im Schneckentempo. In der Mittagszeit des nächsten Tages bat der Kapitän Herrn v. W. zu sich. Er eröffnete ihm, dass der Dampfer sich nur noch etwa 1 - 2 Stunden über Wasser halten würde, da die Maschine einen nicht unbeträchtlichen Schaden aufweise. Alle SOS-Rufe nach Gotenhafen blieben unbeantwortet. Außer uns wenigen, wusste gottlob niemand, in welch großer Gefahr wir uns befanden. Da kam Herr v. W. auf den Gedanken, auf Hela zuzusteuern. Befragt antwortete der Kapitän, dass er vielleicht Hela noch schaffen könnte. Herr v. W. fuhr mit dem Steuermann zum Kommandanten nach Hela — ein Lotse holte sie nach erfolgter Funk-Verständigung ab — und bat um Aufnähme für alle an Bord befindlichen Flüchtlinge. Der Kommandant sagte sofort zu, und mit Gottes Hilfe kamen wir glücklich noch bis Hela unter Wind und wurden dort von der Marine vorbildlich untergebracht und verpflegt. Vier Tage waren wir Gast des dortigen Kommandanten, dann war unser Dampfer wieder flott, nachdem die besten Ingenieure, Techniker, Schiffsbauer usw. allen Schaden repariert hatten.

 

Am 30. Januar mittags bestiegen wir dann wieder unsern alten Dampfer „Consul Cords" und nahmen Kurs auf Kolberg. Die Fahrt ging glatt, und in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar gelangten wir in Kolberg an. Viele von uns bezogen in Kolberg Quartier, der größere Teil setzte sich weiter nach Westen ab. Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass Behörden und Bevölkerung in Kolberg uns sehr nett aufnahmen und sich bei jeder Gelegenheit hilfsbereit zeigten.

 

Wie unendlich froh waren wir, als wir endlich wieder in einem Bett schlafen konnten, und im Stillen schworen wir uns, wenn es nötig sein sollte, Pommern auch zu verlassen, nicht wieder auf einem Dampfer zu fahren.

 

Wir verlebten in Kolberg 17 ruhige Tage, nur zweimal Fliegeralarm, jedoch keinen Luftangriff. Bedrohlich und immer bedrohlicher allerdings war der tägliche Wehrmachtsbericht. Wir beschlossen dann doch, unsere Fahrt fortzusetzen, aber es gelang uns nicht, mit dem Zuge, einem Auto oder Flugzeug fortzukommen, und da wir Verbindung mit dem Kapitän des „Consul Cords" gehalten hatten und dieser uns eines Abends erzählte, dass er Befehl hätte, nach Warnemünde zu fahren, entschlossen wir uns nach mancher Überlegung doch, mit ihm zu fahren.

 

Der Dampfer fuhr nun nicht mehr als eigentlicher „Flüchtlingsdampfer", sondern hatte Flugzeugmotoren und Getreide geladen. Es sollten etwa 45 Personen außer der Besatzung mitgenommen werden, als es dann aber nach tagelangem Warten endlich losging, waren 285 Personen an Bord.

 

Mir bleibt bis heute noch unerklärlich, warum der Befehl zum Auslaufen des Dampfers gerade an dem Tage kam — es war der 17. Februar —, nachdem in der Nacht zuvor auf der Strecke Kolberg—Warnemünde von den Engländern Minen gelegt worden waren. Es hieß: die genau vorgeschriebene Wasserstraße wäre minenfrei. Bei mildem Wetter und ruhiger See ging die Fahrt zunächst sehr gut vonstatten. In der Nacht zum 18. und 19. Februar gab uns ein Feuerschiff Befehl, zu stoppen und auf ein Geleit zu warten. Da unser Dampfer nur noch sehr wenig Kohlen hatte, bat unser Kapitän, auf dem vorgeschriebenen Seeweg auch ohne Geleit weiterfahren zu dürfen, was ihm aus triftigen Gründen gestattet wurde. Zwei Stunden vor dem Ziel, um 12 Uhr mittags am 19. Februar 1945, ereignete sich dann das schreckliche Unglück. Der Dampfer war auf eine Treibmine gelaufen und sank innerhalb acht Minuten. Bei der Explosion wurde die Notglocke ausgelöst, die weithin über das Meer erschallte.

 

Ich befand mich im Augenblick der Explosion in der kleinen Kajüte der Bordflak. Da wir noch eine Fahrzeit von zwei Stunden vor uns hatten, mit der ich so recht nichts anzufangen wusste, legte ich mich in eine mir zur Verfügung gestellte Koje, um ein Mittagsschläfchen zu halten. Plötzlich schien mit einem unheimlichen Krach alles über und neben mir zusammenzubrechen. Ich hörte nur eine laute Stimme, die mir zurief: „Schnell raus!" Ich sprang auf, sah mich blitzschnell um nach meiner Handtasche, die ich neben mir auf den Boden gestellt hatte, aber nichts war zu finden, der Boden unter meinen Füßen war wie zermahlen — ich wagte kaum aufzutreten, weil ich fürchten musste, in die Tiefe zu sinken. Etwa zwei Meter von mir entfernt war von dem Aufenthaltsraum der Flak nichts mehr zu erkennen, es stand nur noch links von mir ein Stück Bretterwand. Rechts unter mir sah ich in den Trümmern einen Fallschirmjäger, seine Arme aus den Trümmern hervorstrecken und sich — wie mir schien — erfolglos bemühen, emporzuklettern. Ich suchte einen Halt an dem stehengebliebenen Teil der Bretterwand zu gewinnen, legte mich lang daneben und konnte eine Hand des Feldwebels noch gerade erreichen und ihm helfen, aus seiner äußerst gefährlichen Lage herauszubekommen. Etwa einen Meter tiefer erblickte ich – bis an den Hals in den Trümmern – einen Heizer des Dampfers, den ich bei allem guten Willen leider nicht aus seiner furchtbaren Lage befreien konnte.

 

So schnell wie möglich eilte ich nach der Kajüte des Kapitäns, wo sich zu der Zeit der Explosion das Ehepaar v. W., ihre Wirtin mit achtjährigem Töchterchen und meine Hausgehilfin aufhielten. Aber ich konnte sie nicht mehr finden. Nie vergesse ich das Bild, das sich mir bot, als ich an der schon genannten Bretterwand vorübereilte und an diese gelehnt eine Dame aus Insterburg sah, eine blutende Wunde an der Stirn, stumm und starr blickend auf die See, regungslos. Ich kannte sie gut und ging doch an ihr vorüber, ohne ein Wort zu sprechen — so erschüttert war ich. Ihre Tochter — eine Musikstudentin — hatte als Schwimmerin sich retten können.

 

Die Verbindungsbrücke des Dampfers war abgerissen, und ich watete auf Strümpfen durch das hereinflutende Wasser und schwamm dann zuerst auf ein noch mit einem Seil an den Dampfer gebundenes Rettungsboot, schwang mich auf die Kante und sah, dass es leck war und einige tote Fische darin schwammen. Ein starker Ruck, und das Boot schlug, um. Immer wieder versuchte ich vergebens, an die Oberfläche zu gelangen, jedoch stieß ich immer wieder mit dem Kopf an das Boot und sah ganz deutlich meinen Tod vor mir. Aber — welch ein Wunder: als ich doch noch einmal Mut fasste, nach oben zu schwimmen, hatte ich plötzlich den blauen Himmel über mir und erblickte nicht allzu weit entfernt ein Gummifloß, auf welches ich zu schwamm. An dieses hatte sich bereits ein schwerverwundeter Feldwebel, der Fallschirmjäger geklammert. Er hatte noch die Kraft, sich auf das Floß zu schwingen, was mir nicht mehr gelang. Ihm war der glühende eiserne Ofen in der Bordflak-Unterkunft bei der Explosion an den Kopf geschleudert worden. Er blutete entsetzlich, aber die Schlagader war nicht getroffen. Außer uns beiden hing sich an das Floß noch eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Jungen, der immerfort vor sich hin weinte. Endlich hatte ich Zeit, das ganze Elend um mich zu betrachten. Etwa 200 Meter von mir entfernt sah ich das Ehepaar v. W. sich gegenüberstehen in der See — so sah es jedenfalls aus — und wie ich später von ihrer Wirtin hörte, hielten sich beide an einer Tonne fest. Für mich waren sie unerreichbar, da die herumschwimmenden Trümmer, Kisten, Bretter, Koffer, Kleider, usw. mich von ihnen trennten. Links von mir sah ich in einiger Entfernung einen großen Dampfer — „Margarethe" — der Schiffbrüchige aufnahm. Auch zu diesem war der Weg für mich versperrt. Meine kleine Haustochter konnte ich nicht erblicken; sie war, trotzdem sie nicht schwimmen konnte, als eine der Ersten von der Rettungsmannschaft der „Margarete" geborgen worden, wurde dann aber einige Wochen später doch ein Opfer der Katastrophe. Sie starb in der Rostocker Chirurgischen Klinik an Sepsis, nachdem ihr noch ein Bein amputiert war.

 

Das Ehepaar v. W., nach dem ich immer wieder blicken musste, zuletzt mit einer entsetzlichen Angst, sie könnten nicht durchhalten, fand dann auch den nassen Tod, und die Wirtin von ihnen verlor ihr achtjähriges Töchterchen in den Fluten.

 

Eine halbe Stunde war vergangen, und ich spürte zum ersten Mal, dass ich den linken Arm nicht mehr so recht heben konnte, da erspähten wir ein auf unsere Gruppe zukommendes Rettungsboot. Einen Moment kamen mir Zweifel, ob mein Herz noch so lange schlagen würde, aber trotzdem sprach ich meiner Umgebung Mut und Hoffnung zu und zeigte ihnen das nahende Boot.

 

Dann wusste ich plötzlich nichts mehr und erwachte erst vier Stunden später auf einem Vorpostenboot in Warnemünde. Nie vergesse ich diesen Augenblick: Als ich meine Augen aufschlug, beugte sich ein Matrose zu mir herunter und sagte immer wieder: „Sie sind gerettet" — „Sie sind gerettet!" und schien sich unglaublich über den Erfolg der ärztlichen Bemühungen, bei denen er geholfen hatte, zu freuen. Da man mir alle Kleider vom Leib geschnitten hatte, stellte er mir eine weiße Leinenhose und blauen Sweater zur Verfügung. So angezogen, barfuß und in eine Decke gehüllt, brachte uns Schiffsbrüchige ein Autobus in die Turnhalle einer Schule, wo wir trockene Kleidung bekamen und aus einem Haufen nasser Kleider unser Eigentum heraussuchen konnten.

 

Wie man mir sagte, war ich 40 Minuten am 19. Februar 1945 in der Ostsee gewesen. Von den zirka 285 Personen (mit Besatzung) waren nur zirka 30 übrig geblieben, von welchen auch noch einige an den Folgen der Schiffskatastrophe gestorben sind. Unter den Toten befanden sich auch der Kapitän, der Steuermann, der Bordfunker sowie zwei blutjunge Leute der Bordflak.

 

 

Seite 4   Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa.

In Verbindung mit Adolf Diestelkamp, Rudolf Laun, Peter Rassow und Hans Rothfels bearbeitet von Theodor Schieder. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße. Band I/1 und I/2. Herausgegeben vom Bundesministerium für Vertriebene.

 

Es ist wahr geworden, was Lichtenberg einst dumpf ahnte und an Kant schrieb, Asien ist über seine westlichen Grenzen getreten. Es hat keine Patrioten mehr gegeben, die diesen Einbruch zu verhindern vermochten. Und doch bekommt für uns Heutige der Inhalt dieser beiden großen Bände, die uns das Vertriebenen-Ministerium durch Th. Schieder und seine Freunde geschenkt hat, nur einen Sinn, wenn man ihn vom Boden des christlichen Glaubens zu begreifen sucht. Die Hölle hat sich geöffnet, das Böse ist Fleisch geworden. Alles, was ein Krieg an Schrecklichem im Gefolge haben kann, ist in diese Bände gebannt. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Volkes, Zwangsverschleppung bis nach Sibirien und Turkmenien, Misshandlung von Frauen und Kindern, Gewalttaten der Soldaten, Zwangsarbeit verschiedenster Art, fürchterliche Zustände in den Lagern, Einführung fremdartiger Verwaltungsmethoden und Wirtschaftsprinzipien, Enteignung und Entrechtung, Banditenunwesen, zwangsweise Maßnahmen zur Herbeiführung der Option für Polen, Folter, Mord, — all dies und vieles mehr findet sich hier. Ein ganzer Katalog menschlicher Verhaltungsweisen erscheint aufgestellt. Man fragt sich, ob hier noch Menschen am Werke sind. Aber eine noch viel bangere Frage taucht auf. Das ist die nach der Ursache dieser Vorgänge. Die Frage nach der Schuld an all dem unendlichen Leid, das oft mit unerhörter Tapferkeit ertragen worden ist, drängt sich mit unerbittlicher Härte auf, die Frage nach der unmittelbaren und mittelbaren Schuld. Sie ist christlichem Bewusstsein nur beantwortbar, das da besagt: wer unter uns ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. —

 

Die bisher geläufigen Maßstäbe der europäischen Geschichte lassen bei der Beurteilung der Vertreibung der Deutschen im Stich, die vorliegende Veröffentlichung geschieht bei vollem Bewusstsein der vorläufig gegebenen Unzulänglichkeiten der wissenschaftlichen Behandlung, sie geschieht aus der Sorge, „die abschreckenden und aufrüttelnden Erfahrungen aus dieser europäischen Katastrophe können für die Staatsmänner und Politiker, denen ein glückliches Europa zu schaffen aufgetragen ist, verloren gehen."

 

Das vorliegende Material ist kein „amtliches", sondern es sind Erlebnisberichte der Betroffenen. Sie gilt es zu sammeln und in „objektiv gesicherte Zusammenhänge" einzuordnen. „Damit musste ein zweifellos wissenschaftliches Neuland betreten werden. Denn das Material war neuartig und es mussten neue Methoden für den Nachweis des geschichtlich Wahren erdacht werden. Es ist das große Verdienst des Vertriebenenministeriums, dass es diese menschlich wie politisch bedeutsame Aufgabe zu der seinen machte und eine Kommission von Wissenschaftlern mit der Durchführung dieser einzigartigen Aufgabe betreut hat.

 

Es handelt sich bei diesem Werk darum, den „Gesamtvorgang der Vertreibung in historischer Treue zu erfassen". Aus der überwältigenden Fülle der Berichte ist eine Auswahl getroffen, die „als repräsentativ für alle Landschaften, Bevölkerungsgruppen, Vorgänge und Schicksale gelten konnte“. Nicht nur dieses ist gelungen, sondern auch eine Anordnung der Berichte, welche „die Hauptphasen des Vertreibungsprozesses in der Abfolge der Berichte als geschlossene Abschnitte“ hervortreten lassen.

 

Das Werk, das eine Reihe weiterer Publikationen zum Ereignis der Austreibung der ostpreußischen Bevölkerung eröffnet, will weit über die eigentliche Aufgabe der Dokumentation hinausgreifen, indem es sich in den Dienst des Problems „des Zusammenwohnens der Völker in Ostmitteleuropa in der Vergangenheit“ stellt, aber auch im Hinblick auf „Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft“. Es ist ein streng wissenschaftliches Buch, das die Herausgeber vorlegen, trotz aller Schwierigkeiten. Nur eine Konzession machen sie gewissermaßen an außerhalb der Wissenschaft liegende Grundsätze. Das ist die ständig wachgehaltene Besinnung auf die Charta der deutschen Heimatvertriebenen und den in ihr ausgesprochenen Verzicht auf Rache und Vergeltung. Wenn Europa noch Bestand haben will, so müssen Vorgänge, wie sie der Inhalt dieses Werkes darstellt, unmöglich sein für alle Zeiten. Das ist der letzte Sinn der vorliegenden Arbeit.

 

Das Buch will und muss als Einheit betrachtet werden, als eine Gesamtdarstellung der Austreibung, in welche die vielen Einzelberichte als unaufhebbare Elemente sich organisch eingliedern. Darstellung, Dokument und Anmerkung fügen sich so zu eindrucksvollstem Ganzen. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Tätigkeit der Herausgeber gestanden. Es gilt nur der hohen Bewunderung Ausdruck zu geben, mit welcher bis ins Einzelne gehenden Sorgfalt hier schwierigste Arbeit geleistet wurde. Das gilt auch für die ausführliche Einleitung, welche den historischen Gehalt des ganzen Werkes in vorbildlicher Weise erfasst, und eine Hinführung zu dem eigentlichen Material bedeutet, ohne das Lesen der Dokumente zu beeinträchtigen. Es ist dabei historisch vollkommen richtig gesehen, dass dieser Prozess der Austreibung sich nicht nur auf den Vorgang als solchen beschränken kann, sondern auch die Flucht vor der roten Armee, die russisch-polnische Herrschaft in Ostdeutschland nach der Okkupation und die Ausweisungspraxis mit in sich begreift. Die Dreiteilung bestimmt daher auch den Aufbau des ersten Bandes in seinen beiden Teilen, den Nachweis dieser Zusammenhänge bildet zudem das Hauptanliegen der vorzüglich klaren und eindringlichen Einleitung, wenn diese auch nicht, wie betont wird, eine abschließende Darstellung sein will und es auch naturgemäß nicht sein kann, denn der Gegenstand des Buches muss sich zunächst auf die Zustände in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie beschränken. Weder das Problem der Vertreibung als solches, noch die historisch-politische Verflechtung des behandelten Vorganges konnte dargestellt werden, wenn diese Hintergründe auch nicht unberücksichtigt blieben.

 

Viele, viele Menschen haben zum Gelingen dieses grundlegenden Werkes zur jüngsten Geschichte unserer ostdeutschen Heimatgebiete beigetragen. Angehörige aller ostdeutschen Landsmannschaften trugen ihr Scherflein bei, um dies imponierende Buch entstehen zu lassen. Sie alle konnten voller Vertrauen der wissenschaftlichen Kommission ihr Leid überantworten, sie sind nicht enttäuscht worden, ihre Not ist unter den Händen dieser Männer zum Baustein einer neuen Zukunft unseres Volkes geworden.

Prof. G. v. Selle

 

 

Seite 5   Anna Siegfried / Ein ostpreußischer Mensch

Wie kommt es, dass heute noch nach Jahren, aus der Summe ostpreußischer Menschen, die ich in der großen landwirtschaftlichen Ausbildungsstätte kennen lernte, einer besonders hervorleuchtet, der weder an Geist noch an Körper überragend war, und sein Leben innerhalb der Menge still für sich hinführte?

 

Für solche, deren Schönstes es ist, mit vielen anderen weiblichen Wesen „wirtschaftlich zu plätschern", wie wir es nannten, war sie eine Zielscheibe vieler Witzeleien, die sogenannte „alte Frau" — nämlich die Gartenbaulehrerin Anna Siegfried.

 

„Alt war sie wohl nicht, nur krumm und verhutzelt durch jahrelange körperliche Arbeit in freier Luft und bei jedem Wetter — in unzähligen Gärten, deren Böden sie abgerungen hatte, was der Mensch zum Leben braucht, gesunde Ernährung und freudebringenden Blumenschmuck. Wie schwer das innerhalb der kurzen Wachstumsperiode Ostpreußens ist, ahnt der Westdeutsche nicht. Eine zu frühe Bestellung ist nur schädlich — trotzdem muss die Frucht vor den frühen scharfen Herbstfrösten zur Entwicklung gebracht werden und wieder aus der Erde sein. Und in den langen Wintern der Schutz der Gewächshäuser und Mistbeete gegen Kälte und Schneelasten, wie sie im Westen gar nicht vorkommen — zerbrochene Scheiben, einfrierende Wasserleitungen, die Gefahr des Verfaulens der Pflanzen bei zu starker Abdichtung — und das alles versehen mit Hilfe von jedes neuen, ahnungslosen und spottlustigen Jugendlichen!

 

Nein, Anna Siegfrieds Beruf war kein leichter. Mit der ganzen Zähigkeit der guten, bürgerlichen Landfamilien Ostpreußens, von denen sie abstammte, setzte sie ihn durch. Sie liebte Erde, Himmel und Pflanze. Ihr Äußeres wurde ihr dabei gleichgültig, wenn auch das graublonde Haarknötchen glatt, das schwarze Feierabendkleid von unbestimmbarer Mode tadellos war. Ihre Haut wurde vom Wind, Sonne und Feuchtigkeit rötlich und rissig — ihre Hände verarbeitet vom Greifen in nasse Erde und Hantieren mit schwerem Gerät. Eine unerkennbare Melodie brummend, wanderte sie in ihren großen Stiefeln zwischen den arbeitenden Gruppen — und humoristisch zuckte es über ihr Gesicht, wenn wir uns eifrig, aber „dammlich" anstellten.

 

Von Methodik hielt sie nicht viel. Die sorgfältige Entwicklung eines Themas „unter denkender Mitarbeit des Schülers", wie sie uns Seminaristinnen als Grundlage allen Unterrichtens einexerziert wurde — war diesem geraden, knorrigen Menschen viel zu umständlich. Sie ließ uns einfach auswendig lernen, was wir wissen mussten, und fragte es einfach ab — wie die strammen alten Dorfschulmeister — gesegnet sei ihr Andenken — bei denen unsere Landjugend so rechnen und richtig schreiben lernte, wie es der Lehrling zum Fortkommen nötig hat — wenn auch die „Staatsbürgerkunde" manchmal etwas im Argen blieb. Und wenn wir alles genannt hatten, — beispielsweise: was das Wachstum der Kohlpflanzen gefährden kann, und worauf wir bei der Heranzucht dieses nützlichen Gemüses zu achten hätten — ließ Anna Siegfried ihre klaren blauen Augen hintereinander über unsere Gesichter wandern und sagte bekräftigend und abschließend: „Dieses sind die Kohlschädlinge! Daran halten sie fest!!"

 

Und siehe, wenn ich später in meinem eigenen, großen Gutsgarten mit dem Gärtner über Schädlingsbekämpfung als das A und O aller Bewirtschaftung sprach, dann hätte ich manchmal fast begonnen: „— die Kohlhernie, der Kohlgallenrüßler, der Kohlweißling —". Ja, noch heute, wenn ich alleine in meinem winzigen Flüchtlingsgärtchen arbeite, kommt es mir manchmal in den Sinn: ,,— Daran halten Sie fest!!"

 

Ausgesprochene Menschen haben immer ihre Eigenarten. So aß Anna Siegfried gerne drei Teller Suppe. Es war aber Hausordnung, dass die jungen Mädchen des „Tischamtes" die Suppenterrinen nach Austeilen des zweiten Tellers herauszutragen hatten. Dann schimpfte sie regelrecht auf gut ostpreußisch, und hielt die Terrine einfach fest — ob Hausordnung oder nicht! Das „Tischamt" verzog sich kichernd.

 

Und ihre Stube! Während die anderen Lehrerinnen ihre Wohnzimmer teilweise mit eigenen Möbeln sehr gemütlich eingerichtet hatten, war bei ihr gewissermaßen „nichts drin" — das

heißt, es wurde vollkommen beherrscht von einer riesigen Zimmerlinde, unter deren Wirkung die anderen Blattpflanzen und blühenden Gewächse samt einem etwas kahlen Schreibtisch völlig zurücktraten. Unvergesslich ist mir der Eindruck dieses von blasser Wintersonne durchfluteten Raumes an einem Sonntagmorgen: Die gewaltige Pflanze auf dem Fußboden mit den zartgrünen Trieben, davor die kleine Gestalt in Schwarz, das gute, verwitterte Gesicht und das Aufleuchten der freundlichen, blauen Augen bei meinen bewundernden Worten. „Ja — nicht wahr?" sagte sie in ihrer kargen Art, „das habe ich selbst aus einem winzigen Steckling gezogen!"

 

Und dann empfing ich als besondere Auszeichnung leihweise ein Töpfchen mit Maiblumenkeimen, deren leuchtende Spitzchen gerade aus der schwarzen Erde herauskamen, mit der Mahnung: „Pflegen Sie es aber auch! Dann wird es!"

 

Liebe Anna Siegfried — Du hast in uns die Verbundenheit mit Gottes Natur gepflegt, und die macht den Menschen innerlich reich. Du warst selbst ein wurzelechtes und wetterfestes Gewächs Deiner großzügigen, weiten, heimatlichen Landschaft.

 

Mit ihrem Bilde wird auch der Eindruck Deiner Persönlichkeit in uns weiter leben als der eines echten ostpreußischen Menschen.

Carla v. Bassewitz

 

 

Kant-Gedächtnisfeier auf Schloss Burg Univ.-Professor Dr. Eduard Baumgarten, der letzte Inhaber des Lehrstuhles von Immanuel Kant an der Universität Königsberg, wird am 14. Februar auf der Feier, die das Kulturwerk der vertriebenen Deutschen anlässlich des 150. Todestages des Philosophen auf Schloss Burg an der Wupper veranstaltet, die Gedenkrede halten. Professor Baumgarten gründete und leitet zusammen mit Professor Bergstraeßer das George-Washington-Institut für vergleichende Soziologie an der Technischen Hochschule in Stuttgart.

 

 

Erzählungen um Kant

Der Weise von Königsberg ging einmal durch einen Laubengang. Plötzlich stürzte ein wahnsinnig gewordener Metzger mit einem Messer auf ihn zu. Kant blieb furchtlos stehen und fragte: „He, lieber Freund, ist denn heute Schlachttag? Ich denke, erst morgen!" Der Metzger stutzte, schlug sich vor den Kopf und rannte davon.

 

Immanuel Kant hatte in Königsberg seine Wohnung in der Nähe des sogenannten Ochsenmarktes. Einst lärmten seine Zuhörer vor dem Anfang der Vorlesung in dem Auditorium so sehr, dass Kant sich genötigt sah, ihnen mit folgenden Worten Ruhe gebieten zu lassen: „Sie sollten sich ruhiger verhalten, damit man nicht merke, dass Kant am Ochsenmarkt wohne“.

 

Immanuel Kant war einst Brautführer bei einem sehr ungleichen Paar: der Bräutigam zählte fünfundsiebzig Jahre, die Braut dagegen nur einundzwanzig. Eine Dame von den Hochzeitsgästen fragte den Philosophen: „Sollten wohl aus dieser Ehe noch Kinder zu hoffen sein, Herr Professor?" Kant antwortete mit sehr ernstem Gesicht: „Zu hoffen nicht, aber zu fürchten!"

 

Ostdeutsches Schularchiv ruft alle Erzieher

Das Ostdeutsche Schularchiv der Deutschen Pestalozzi-Gesellschaft sammelt alle ostdeutschen Zeitschriften, Bücher, Veröffentlichungen, Aufsätze, Beiträge und Berichte ostdeutscher Erzieher über ihre Schularbeit in Ostdeutschland, sowie Bilder, Karten ostdeutscher Schulen und ihrer Lehrkräfte und Schüler,

 

erstellt die Geschichte des Ostdeutschen Erziehungs- und Bildungswesens, der Ostdeutschen Lehrervereine, Schulschutzverbände, Schulvereine usw., die Geschichte der pädagogischen Forschung im deutschen Osten, der Erziehungsstätten und Schulen, die Darstellung des Lebens und Wirkens ostdeutscher Pädagogen, Erzieher und Forscher, leitet die Durchführung einer ostdeutschen Schulstatistik und Erstellung einer Bibliographie des ostdeutschen pädagogischen Schrifttums.

 

Der Grundstein für eine Archiv- und Stoffsammlung des ostdeutschen Erziehungs- und Bildungswesens der ostdeutschen Heimat und der ostdeutschen Schulgeschichte ist gelegt.

 

Alle Erzieher und Lehrer, alle ostdeutschen Kollegen aller Schularten werden darum herzlichst zur Mitarbeit am

 

Ostdeutschen Schularchiv

 

aufgerufen und gebeten, folgendes Material zu sammeln und einzusenden:

 

Alle Jahrgänge ostdeutscher Lehrerzeitungen, alte Fachzeitschriften mit Berichten aus Ostdeutschland, Jahresberichte ostdeutscher Schulen, Jubiläumsausgaben der Schulen, Prüfungsordnungen, Amtsblätter ostdeutscher Schulverwaltungen, Lehrer- und Schulkalender, Lehrerschematismen, Fachzeitschriften des Ostens, Bilder, Berichte über Schulen, Lehrer und Schulprobleme des Ostens, Manuskripte und Veröffentlichungen schulwissenschaftlicher Art usw.

 

Jeder ostdeutsche Lehrer und Schüler möge dem Ostdeutschen Schularchiv mitteilen:

 

wer Beiträge für eine ostdeutsche Schulgeschichte geben kann,

 

welche Lehrer oder Schüler die Geschichte ihrer Schule in der Heimat schreiben, welche Bibliotheken schulwissenschaftliche Arbeiten des Ostens besitzen,

 

wer hat in seiner Privatbücherei schulwissenschaftliche Werke des Ostens, wo Aufsätze ostdeutscher Pädagogen zu finden sind, wer Bilder einer Schule, Bücher, Zeitschriften, Lehrer- und Schulkalender, die er zur Verfügung stellen kann.

 

Alle ostdeutschen Lehrerpensionäre werden gebeten, alles niederzuschreiben, was sie als wertvolles Gut aus ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit an den Schulen Ostdeutschlands für wert erachten, der jüngeren Lehrergeneration als kostbares Erbe zu hinterlassen. In manchen Bücherschränken der einheimischen Lehrer, auf den Schulböden und in den Schulschränken ruhen vergessen altes Schrifttum über den deutschen Osten, Zeitschriften, Karten, Bilder, Bücher des deutschen Ostens! Für das Ostdeutsche Schularchiv wären es kostbare Schätze und darum bitten wir vor allem alle heimischen Lehrer, Lehrerpensionäre und Lehrerwitwen aller Schularten, dieses wertvolle Material für das ostdeutsche Schularchiv zur Verfügung zu stellen.

 

Alle Erzieher, vom Kindergarten bis zur Hochschule, werden gebeten, die für das Ostdeutsche Schularchiv wertvollen Buchspenden ostdeutschen, schulwissenschaftlichen, pädagogischen und volkskundlichen Schrifttums, alle Hinweise, Nachrichten und Anfragen an den Leiter des Ostdeutschen Schularchivs Dipl.-Ing. Dr. Otto Mather, Studienrat in Düren, Gürzenicher Straße 49, oder an die Geschäftsstelle der Deutschen Pestalozzi-Gesellschaft in Kattenes -Mosel zu senden.

 

Das deutsche Erziehungs- und Bildungswesen des deutschen Ostens hat in den Jahrhunderten seines Wirkens verdient, als kostbares Kulturgut gepflegt und gehütet zu werden. Wir rufen daher alle Erzieher zur Mitarbeit am Ostdeutschen Schularchiv auf!

 

Der Vorstand: Univ.-Prof. Dr. K. Bittner, Vorsitzender.  Dipl.-Ing. Dr. O. Mather, Leiter des Ostdeutschen Schularchivs.  Bernd Jahns, Geschäftsführer.

 

Seite 5   Das Edikt / Eine Kant-Anekdote

Wenn Immanuel Kant nach Tisch seinen täglichen Spaziergang machte, immer den gleichen Weg hin und zurück, ob draußen Schmutz oder schönes Wetter war, musste sein Diener hinter ihm her gehen, sonst aber durfte ihn niemand begleiten, weil er nicht sprechen wollte.

 

An jenem windigen Oktobertage des Jahres 1794 freilich hätte er einen Zuhörer für seine Gedanken brauchen können; denn am Morgen war ihm das Religions-Edikt des Ministers Wöllner mit einem königlichen Handschreiben zugestellt worden, dass er sich fortab in seinen Reden und Schriften jeglicher Behandlung der Religion zu enthalten habe!

 

Immanuel Kant war siebzigjährig, als ihm von der Regierung in Berlin diese Schmach angetan wurde, und jeder Königsberger, der das putzige Männchen mühsam gegen den Wind stapfen sah, wusste, dass es eine europäische Berühmtheit war. Man will der Wahrheit in Preußen den Mund verbieten! hatte sein Schüler und Tischgenosse Hasse am Mittag gesagt, und ihm selber schien es unabwendbar, dass er seinen Lehrstuhl verlassen müsse. Wenn ich nicht mehr sagen darf, was ich für wahr halte, wie kann ich länger lehren? begehrte er auf und beklagte die schlimme Zeit, die nach dem Tode des großen Königs über Preußen gekommen war: Auch vor dem Spötter in Sanssouci hat meine europäische Berühmtheit wenig gegolten; aber die Vernunft war gesichert, die unter seinem unköniglichen Neffen ein Prügelknabe der Bigotterie geworden ist!

 

Während Immanuel Kant das von dem Prügelknaben dachte, drang ihm ein mörderliches Geschrei in die Ohren, und als er aufsah aus seinen trüben Gedanken, stand der betrunkene Schuhmacher Zerweck da und verprügelte mit dem Knieriemen seinen Knaben, der ihm offenbar noch entrinnen gewollt hatte und an der Ecke erwischt worden war, wo die schmale Gasse seiner Werkstatt in die Straße einmündete. Vorbei zu gehen vermochte Kant nicht; so trat er mit seinem spanischen Rohr abwinkend herzu, von dem Zornigen sogleich erkannt und respektiert; denn er ließ sein Opfer entwischen.

 

War das Sein Sohn? fragte Kant, obwohl er den Knaben kannte, der ihm mehrmals die Schuhe gebracht hatte; aber er wollte nach seiner Art die Grundlage des Gesprächs gesichert haben.

 

Der Herr Professor wolle sich gnädigst erinnern, dass ich der Vater von diesem Schlingel bin! sagte der Schuhmacher, immer noch schnaufend, und strich seine Schürze glatt. Und warum schlägt Er ihn so? setzte Kant sein Verhör fort, der vor dem grobschlächtigen Mann stand, als ob David vor Goliath getreten wäre. Dem schien es nicht unlieb, seinen Zorn auch noch anders als durch seinen Knieriemen loswerden zu können: Weil er meinem Haus Schande gemacht hat durch sein ungewaschenes Maul! heulte seine Betrunkenheit los.

 

So hat er Widerworte gegeben oder gelogen? fragte Kant weiter und musste über die Antwort des Schumachers staunen, der wieder zornig geworden war und den Borstenkopf schüttelte: Nein, er hat die Wahrheit gesagt. Eben darum, weil es wahr ist, habe ich ihn verhauen!

 

Da wollte Kant natürlich wissen, was für eine Wahrheit es war, um derentwillen ein Knabe von seinem Vater so unmäßig Prügel bekam. Aber nun war der Schuhmacher nicht mehr so rasch mit der Antwort zur Hand, und es ging über den Umweg mehrerer Fragen, bis der peinliche Sachverhalt zu Tage kam, dass seine Tochter ein Kind und keinen Vater dazu hatte.

 

Soso, dass also hat er gesagt! Nicht mehr brachte Immanuel Kant heraus und bohrte sein spanisches Rohr in den Boden, dem Fall nachzusinnen, ehe er höflich an seinen Dreispitz fasste und seines Weges weiter ging, den Schuhmacher seinem Elend überlassend.

 

An diesem Oktober-Nachmittag bekam der gewohnte Spaziergang Immanuel Kants einige hundert Schritte zugelegt, und der Diener staunte, dass sein sonst so peinlicher Herr sich auf die leere Bank vor einem fremden Hause setzte, über den goldenen Knopf seines spanischen Rohres hinweg auf den Boden zu denken; bis er ihn mahnte, bei dem windigen Wetter nicht so im Freien dazusitzen: Man holt sich eine Verkühlung leichter, als man sie wieder los wird! orakelte er, aber Immanuel Kant war zu tief in Gedanken, um auf seine Dienerweisheit zu hören.

 

Der Schuhmacher ist kein Minister und ich bin nicht sein geprügelter Knabe! stellte er spöttisch fest: Das Beispiel ist schief, wie alle Beispiele schief sind. Wie aber diesem Vater die Wahrheit seines Sohnes eine Schande ist, so mag es dem Minister eine Schande scheinen, was die Vernunft von der Religion sagt. Seitdem die Bigotterie in Preußen die Aufklärung abgelöst hat, wird die Vernunft zur Religion eine Weile schweigen müssen. Ich bin kein Professor der Theologie: also brauche ich mich nicht in die Familien-Angelegenheit der Bigotterie zu mischen. Über solchen Gedanken, die Immanuel Kant auf der Bank vor dem fremden Hause dachte, ließ der Verdruss immer mehr von ihm ab. Als er aufstand und heimging, weil ihn der besorgte Diener zum dritten Mal mahnte, hatte er nicht nur den Wind der Straße im Rücken. Zu Hause holte er nach seiner Gewohnheit einen Zettel heraus, seinen Einfall darauf zu notieren: Wenn schon alles wahr sein muss, was ich sage, so brauche ich doch nicht alles zu sagen, was wahr ist! schrieb er mit seiner flüssigen Schrift und lächelte pfiffig zu dem Edikt des Ministers Wöllner hinüber, das ihm nichts mehr anhaben konnte.

Gerhard Sabottka

 

 

Seite 6   Luise von Preußen. Königin – Heimatvertriebene – Deutsche

Foto: Pastellbild der Königin aus dem Besitz des Fürsten zu Dohna Schlobitten.

Foto: Königin Luise – Bildnis – Geschenk der Königin an Gräfin Dönhoff-Hohendorf.

Foto: Königin Luise-Denkmal im Stadtpark zu Tilsit

 

Ihr Leben als Heimatvertriebene ist mit Königsberg und Ostpreußen eng verknüpft. Dass sie, die geborene Mecklenburgerin, eine sehr gute Preußin wurde, auch in den Unglückszeiten Preußens dem König eine liebende und ausgezeichnete Gemahlin, ihren vielen Kindern eine rührende Mutter, in ihrem Familienleben allen Preußen ein Vorbild war, gibt uns Veranlassung, ihrer zu gedenken.

 

Am 10. März 1776 kam die Prinzessin als sechstes Kind — des Herzogs Karl von Mecklenburg-Strelitz in Hannover zur Welt. Dieser Fürst war nicht nur der erste Agnat der regierenden Linie von Mecklenburg, sondern auch Generalleutnant und Gouverneur in Hannover in englischen Diensten. Die Taufe der Prinzessin fand in der Garnisonkirche in Hannover statt. Alle Taufpaten trugen Veilchensträußchen, das Taufbecken war mit Veilchen geschmückt, das Taufkind auf Veilchen gebettet. Es erhielt die Namen Luise Auguste Viktoria Amelie. Ihren Rufnamen erhielt die kleine Prinzessin nach der hessischen Großmutter. Die Mutter Luise‘s starb, als diese im sechsten Jahre stand; eine Stiefmutter starb auch bald, so dass die Großmutter die ganze Erziehung der Enkelin in die Hand nehmen musste. Der Vorzug bestand darin, dass es der ausgewählten Erzieherin, einer Pfarrerstochter aus dem damaligen noch preußischen Neuchatel, einer Salomé de Gélieu auftragsgemäß gelang, das frische natürliche unbefangene und offenherzige Wesen, das sie von der Natur verliehen bekommen hatte, zu erhalten. Die Erzieherin hat später dem Kronprinzen von Preußen Friedrich Wilhelm voller Stolz geschrieben, dass es ihr gelungen sei, das glückliche Naturell Luisens nicht verdorben zu haben“. Diese hat bekannt, dass ihre Erzieherin sie gelehrt hat, „das Gute zu lieben und auch zu tun“.

 

Die Grundlage der Erziehung war Französisch, wie dies ja die Umgangssprache der höheren Kreise jener Zeit war. Die Unterhaltung außerhalb der Schulstunden wurde aber häufig deutsch und zwar im rheinischen Dialekt geführt. Der größte Bildhauer Berlins, Schadow, hat später gesagt …..  „Am Mainstrom erzogen, war ihr die angenehmste der deutschen Mundarten zuteil geworden“. Von den Ergebnissen ihres Schulunterrichts wird uns berichtet, dass sie herzlich schlecht gewesen sind. Hierzu hat die Prinzessin selbst ein eigenartiges Bekenntnis hinterlassen. In einem ihrer Hefte steht  .. . „Inhalt „geschmiert", den 22. April, 13 Jahre alt. Schand über alle Schande, 1789." Eine Tatsache wird jedoch erwähnt, dass die Schülerin ihre Antworten knapp und klar zum Ausdruck zu bringen vermochte. Eine Frage ihres Religionslehrers, wie sie es verstehe, „dass Gott ewig ist", beantwortete sie . . . „Das Gott ewig ist, verstehe ich so: Er hat nie einen Anfang genommen und wird auch nie ein Ende nehmen." So — in großen Zügen angedeutet — sah das Fürstenkind aus, das den Weg des Kronprinzen von Preußen kreuzen sollte.

 

 

Wickelte sich die Jugend Luises in Hannover, Herrnhausen, Hildburghausen und Darmstadt ab, so hat sie, „hoffähig geworden, auf Schlössern in der Nähe Frankfurts a. M., an Festlichkeiten usw. teilgenommen und 1787 zum ersten Mal preußische Truppen und zwar das berühmte Zieten-Husaren-Regiment gesehen. Dieses wurde der Landgräfin und ihren Enkelinnen in Parade vorgeführt. Bald darauf durfte Luise mit ihren Geschwistern an der 1790 in Frankfurt stattfindenden Krönung des Kaisers Leopold I, teilnehmen. Sie wurde dazu mit den Geschwistern bei Frau Rat Goethe Frankfurt, untergebracht.

 

 Preußische Truppen befanden sich auf dem Kriegsmarsch nach Frankreich. Friedrich Wilhelm II., in seinem Gefolge der Kronprinz Friedrich Wilhelm und sein Bruder Louis, hatte sein Hauptquartier in Frankfurt aufgeschlagen. Am 15. März trafen die Großmutter mit den beiden Enkelinnen Luise und Friderike in Frankfurt ein, besuchten am selben Abend das Komödienhaus, treffen mit dem preußischen König und den beiden Söhnen zusammen. Nun überstürzen sich die Ereignisse: am nächsten Tage stehen sich Luise und der Kronprinz gegenüber. Am 18. warb der König für seine beiden Söhne um die Hand der beiden entzückenden Schwestern, die dann am nächsten Tage die persönliche Werbung der beiden Brüder entgegen nahmen.

 

Zum Abschluss dieser Rückblicke sollen noch die Worte wiedergegeben werden, die der verwitwete König Friedrich Wilhelm III. später von diesen Begegnungen gesagt hat. „Habe über diese wunderbare wechselseitige Sympathie etwas sehr Schönes in Schillers Werken gelesen, wo treffend bezeichnet ist, wie mir und meiner seligen Luise zu Mute war, wie wir uns zum ersten Mal sahen. Es war keine verliebte Sentimentalität, sondern ein bestimmtes klares Bewusstsein, das gleichzeitig ihr und mein Auge mit einer Freudenträne füllte“. —

 

Am 24.12., also an dem Weihnachtsheiligenabend des Jahres 1793 fand die Trauung des Prinzenpaares in Berlin statt. Der Kronprinz war kaum vierundzwanzig, die Kronprinzessin kaum achtzehn Jahre alt. Unsere junge Kronprinzessin hatte wenige Tage vor ihrer Hochzeit an ihren Verlobten geschrieben: „. . . ein wenig Nachsicht auf beiden Seiten und alles wird gut gehen, ich habe meine Fehler. Sie kennen mich noch recht wenig, deshalb bitte ich Sie im Voraus, haben Sie viel Nachsicht mit mir, verlangen Sie nicht zu viel von mir, ich bin sehr unvollkommen, sehr jung, ich kann mich oft irren, aber wir werden sehr glücklich sein“.

 

Der Kronprinz und König ist seiner Luise, Führer und Halt gewesen. Die spätere Königin hat den ob all der Ereignisse nach Jena und Auerstedt und den Folgeerscheinungen dem kleinmütigen und gehemmten König mit ihrer großen Seele den Halt und die Stärke geschenkt, die ihm selbst vom Schicksal versagt worden war.

 

Die junge Ehe der beiden Fürstlichkeiten zu verfolgen, führt zu weit. Sie waren sehr glücklich. Besonders war das dann der Fall, wenn der Kronprinz seine Frau mit „Du" anreden konnte, nicht wie es üblich und vorgeschrieben war, mit dem höfischen zeremoniellen „Sie". Er wollte in Schlichtheit und Einfachheit „seine Frau" nicht immer als die „Frau Kronprinzessin" sehen und behandeln müssen. Die Kronprinzessin hat es in ihren ersten Ehejahren nicht immer leicht gehabt. Man muss sich bei Beurteilung der Verhältnisse am Königshofe zurzeit Friedrich Wilhelm II. vor Augen halten, dass er mannigfachen Tadel verdiente. Der schon genannte Berliner Schadow hat folgenden Vergleich angestellt: „Zur Zeit Friedrich Wilhelm II. herrschte die größte Liederlichkeit. — — — Man kann sich gar nicht vorstellen, wie wohltuend auf solche Üppigkeit das Beispiel Friedrich Wilhelms III. wirkte, seine stille Häuslichkeit und die Schönheit und Bravheit der Königin." Und ein Dichter jener Zeit schrieb prophetisch über dieselbe: „Ihr Beispiel wird einzig wirken. Die glücklichen Ehen werden immer häufiger und die Häuslichkeit immer mehr Mode werden. Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter, sollte das Bild der Königin in ihrem Wohnzimmer haben. Wer den ewigen Frieden jetzt sehen will, der Reise nach Berlin und sehe die Königin“.

 

Preußens Unglücksjahre begannen. Der Krieg mit Frankreich führte zu den Schlachten von Jena und Auerstedt und zur Flucht der Königsfamilie nach dem entfernten Osten, nach unserer Heimat. Der König hatte in seiner unbedingten Friedensbereitschaft wohl zu lange gezögert. Man muss sich sein immer wieder betontes Bekenntnis vor Augen halten: „Alle Welt weiß, dass ich den Krieg verabscheue und dass ich kein größeres Gut der Erde kenne, als Erhaltung von Frieden und Ruhe, als das einzige für das Glück des Menschengeschlechts geeignete Mittel“.

 

Ob der Prinz Luis Ferdinand die Dinge um Krieg und Frieden besser als der König hätte meistern können, ist von der Geschichte auch nicht restlos geklärt worden. Sein Draufgängertum führte zu seinem Heldentod.

 

Wie sich die Flucht der Königsfamilie nach unserer Heimat in Einzelheiten abspielte, zu schildern, fehlt der Raum. König und Königin befanden sich vom 3. bis 16. November in Graudenz. Die Königin war dann zuerst vom 9. Dezember 1806 bis zum 5. Januar 1807 in Königsberg, von wo aus sie dann die Fahrt über die Kurische Nehrung machte und in Memel am 8. Januar eintraf. Diese Reise in Schnee und Eis in einem offenen Wagen in Begleitung ihres Hofarztes Dr. Hufeland, ist auf einem großen Gemälde aus dem Besitz des Kreises Fischhausen durch Professor Otto Heichert dargestellt worden. Die Fahrt begann von Cranzbeeck bei Cranz, woselbst die Königin der Legende nach bei dem Oberförster Wendt übernachtete. Ihr Gesundheitszustand ist immer ein zarter gewesen, die vielen Geburten hatten ihren Körper stark in Anspruch genommen und sie ist in schwerkrankem Zustande auf der Flucht gewesen. Station wurde in Nidden bei dem Posthalter Kuwert gemacht. In Memel wohnte die Königliche Familie in dem Consentius-Argelanderschen Hause.

 

Unmittelbar nach der Schlacht von Jena und Auerstedt wurden die Kinder der Familie, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, Wilhelm, die Prinzessin Charlotte, der Prinz Karl und die kleine Alexandriene über Schwedt-Küstrin nach Königsberg in Marsch gesetzt. Vorsorglicher Weise wurden drei Kahnladungen mit Kostbarkeiten und Wertgegenständen aus den Schlössern gleichfalls nach Königsberg verladen. Ein Leutnant von Plogwisch mit einem Unteroffizier, einem Tambour und einen Zug des I. Garde-Regiments zu Fuß sicherte den geretteten Besitz nach Ostpreußen, so dass die Königin alle die Andenken an diejenigen Landsleute verschenken konnte, die die Flüchtlinge freundlich aufgenommen hatten.

 

Die ganze Familie hat dann in Memel, Piktupönen und in Königsberg gewohnt. In der Hauptstadt der Provinz hat die Königin und der König nicht in dem alten Schloss, sondern in dem sogenannten „Luisenhäuschen" auf den Hufen gewohnt. — Hier in dem „miserablen Chateau", wie es der Kaiser Napoleon genannt hat, hat Luise auch ihre Schulkenntnisse zu erweitern gesucht.

 

Eine der übelsten Zumutungen jener Flüchtlingszeiten brachte der 6. Juli 1807, an dem die Königin von dem Pfarrhaus von Piktupönen aus zu der Begegnung mit dem Kaiser Napoleon nach Tilsit musste. Diese Episode ist von Eckart von Naso erschütternd geschildert worden. — Auch diese der Königin auferlegte Erniedrigung konnte das Geschick ihres Volkes und Landes nicht ändern. — Was Preußen damals auferlegt wurde, ist bekannt. Dass die treu zum König stehende Frau gerade in den dem Friedensschluss folgenden Zeiten entsetzlich gelitten hat, bedarf keiner Erläuterung. Dass das kleine Häuschen auf den Hufen in Königsberg, der schöne Park Luisenwahl dem Königspaar lieb und Wert wurde, dass beide ihren inneren Frieden gerade in unserer Heimat fanden, haben in jenen so schweren Zeiten das Herrscherhaus mit dem ostpreußischen Volk eng zusammengeführt. Die kleine Prinzessin Luise, die spätere Gemahlin des Prinzen Friedrich der Niederlande, wurde das Patenkind der Provinz Ostpreußen. Das darüber im Provinzialarchiv befindliche Aktenstück ist in dem Verlust der Heimat einbegriffen. Die Königskinder erhielten in Memel und Königsberg ihren Unterricht. Dispositionen des Professors Hagen der dem Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Vorlesungen über Physik gehalten hat, hatten sich bis in die Tage der jüngsten Vergangenheit in der Familie Hagen erhalten. Die beiden ältesten Prinzen wohnten in dem sogenannten Königshaus in der nach demselben genannten Königstraße. Der Kaiser Wilhelm der I. hat im Andenken an die in Königsberg verlebte Jugendzeit die einfach-schöne Marmor-Büste seiner geliebten Mutter der Stadt Königsberg im Jahre 1874 geschenkt. Die halb runde Pergola im Park Luisenwahl wird vielen Königsbergern noch im Gedächtnis sein.

 

Sechs Monate hatte der König mit seiner Familie in Memel geweilt, dann siedelte er am 15. Januar 1808 nach dem franzosenfreien Königsberg über. Am Ende des Jahres wurde auch Berlin der Franzosen ledig, aber der König blieb noch bis zum Ende des nächsten Jahres in Königsberg.

 

Erst am 23. Dezember 1809 kehrte die Königliche Familie nach mehr als dreijähriger Abwesenheit und dem Aufenthalt in unserer Heimat nach Berlin zurück. Die Königin weinte bei dem Einzug, da sie wohl daran dachte, dass sie vor sechzehn Jahren als glückliche Braut in Berlin ihren Einzug gehalten hatte. Das Wesen und die Eigenart der Luise von Preußen kommen bei einigen ihrer Worte treffend zum Ausdruck.

 

„Es darf nicht geschwärmet sein.

In der wirklichen Welt müssen wir bleiben

und uns durcharbeiten ---

so will es das Schicksal.

(In ihrem Tagebuch als junges Mädchen im Jahre 1799)

 

Für das mütterliche Empfinden der Königin sprechen die Ausführungen eines ihrer Briefe an ihren ältesten Sohn, den späteren Friedrich Wilhelm IV.

 

Potsdam, den 26. April 1810.

„Höre meine mütterliche Stimme, mein lieber Fritz, bedenke das wohl, was ich Dir zärtlich so oft wiederhole. Zähme Deine Laune, in der Du alles, was Du möchtest, haben willst, und für alles, was Du Dir denkst, gleich die Mittel zur Verwirklichung verlangst. Wer Dir vorredet, dass dies Charakter, dass dies wahre Freiheit sei, ist ein Narr oder falscher Freund. Wirkliche Freiheit besteht nicht darin, dass man alles tut, was man kann, sondern dass man das Gute tut und was man als solches erkennt. Nur durch Überlegung wirst Du zur Erkenntnis kommen, was gut oder böse ist, nur durch die Bändigung Deines Willens wirst Du zur Ausführung des Guten kommen, selbst wenn es mit Deinen Neigungen, Deinem Geschmack, Deiner Bequemlichkeit in Widerspruch steht. Und Charakter haben, heißt, nach reiflichster Prüfung des Guten oder Bösen, das ins Werk setzen, was man ah das Gute erkannt hat und alle Willenskraft daran setzen, um sich nicht durch die Leidenschaften abwenden lassen, die der höchsten Wahrheit des Guten widerstehen könnten — Luise“.

 

Die Königin war bei Abfassung dieses Briefes 34 Jahre alt. Sie hat ihn also kurz vor ihrem frühen Tode an den damals fünfzehnjährigen Sohn geschrieben. — Briefe pflegen Ausdruck des inneren Lebens zu sein, so spricht auch dieser Brief für das Seelenleben der Königin und Mutter, die die Ahnfrau aller noch lebenden norddeutschen Hohenzollern gewesen ist.

 

Ein Bekenntnis zu Deutschland mag diese Ausführungen beschließen.

 

„Deutschland ist mir das Heiligste, das ich kenne. Deutschland ist meine Seele, mein Halt! Mein alles ist Deutschland!

 

Es ist, was ich bin, und haben muss, um glücklich zu sein! Das Schöne in den Augen der Kinder ist doch Deutschland, es ist die Treue, die Ehrlichkeit, der Fleiß der stillen Tat. Die Anständigkeit, der Ruhepunkt im ziellosen Herumsuchen — Deutschland ist das, was mich gut macht.

 

Die alten verträumten Schlösser, die hoch giebeligen Städte, unser Hausrat, die Spinnwickel, der Christbaum, der Pfeilerkuchen, das Fest — dies alles ist Deutschland!

 

Unsere Liebe ist deutsch. Unser Zusammenhalten müssen, unser Aneinander gebunden sein! -  Wnn Deutschland stirbt, so sterbe auch ich!

 

Am 19. Juli 1810 tat die Königin ihren letzten Atemzug.

 

Es sind nicht nur Legenden, die in Preußen-Deutschland und in unserer Heimat diese Königin und ihre mannigfachen Bilder und Andenken an sie verehrten …

 

Clemens Brentano hat in seiner Cantate auf den Tod der Königin gesagt … „Über den Toten ruhet ein Traum“.

 

In Königsberg wurde ihr Andenken durch die Luisenallee, die Luisenkirche und die Luisenschule aufrechterhalten. Die Luisenbrücke in Tilsit überspannt den breiten Memelstrom, ihr Denkmal stand in den Stadtparkanlagen. Das Nationaldenkmal in Memel hielt das Andenken an den Wiederaufbau des Staates Preußen aufrecht. Schön aber war das Gedenken, dass diese Diademträgerin im Herzen des Volkes sich erworben hatte. Sie hat ein Vorbild für die preußische und deutsche Frau, Mutter und Landesmutter geschaffen, das wohl heute in den Hintergrund getreten ist, doch um der Pflicht der Gegenwart wegen nicht in Vergessenheit kommen sollte.

Erich Reichelt.

 

 

Seite 6   Vertriebene in der Automobilindustrie

Von den 19 000 Angestellten und Arbeitern der „Volkswagen"-Werke in Wolfsburg (Niedersachsen) sind ungefähr 80 Prozent Heimatvertriebene aus den Ländern jenseits der Oder-Neiße-Linie. Ein Teil der übrigen sind frühere Bewohner der Sowjet-Zone. Die Stadt Wolfsburg, die diesen Flüchtlingen zur neuen Heimat wurde, hat sich im Laufe dieser letzten Jahre rasch entwickelt und darf zu den modernsten Siedlungen Deutschlands gezählt werden.

 

 

Seite 7   Wir gratulieren

Am 25.02.1954, feiert Frau Henriette Becker aus Schmauch, Kr. Königsberg ihren 74. Geburtstag. Sie wohnt jetzt in Sattenhausen bei Göttingen.

 

Frau Elisabeth Fuß aus Labiau begeht am 05.02.1954, ihren 70. Geburtstag. Sie wohnt jetzt in Elliehausen bei Göttingen.

 

Am 10.02.1954 begeht der frühere Landwirt August Strauß aus Horn, Kr. Mohrungen in alter Frische seinen 84. Geburtstag, Er lebt jetzt in Elliehausen, Kreis Göttingen.

 

Herr Eugen Kühlewindt, fr. Königsberg, jetzt in Ansbach/Mittellfranken, Schlakhauserstraße 76 wohnhaft, beging am 10. Januar 1954, seinen 60. Geburtstag. Wir wünschen dem Jubilar von Herzen alles Gute!

 

Der Marinearsenalverwalter Ernst Fahlke, aus Pillau/Ostpr., jetzt in Seesen, Reinbühlstraße 903 wohnhaft, vollendet am 26. Januar 1954, sein 70. Lebensjahr.

 

Die Beamtenwitwe Clara Dahms, aus Rastenburg/Ostpr., jetzt wohnhaft in Bornhausen 95 über Seesen am Harz, wird am 12. Februar 1954, 70 Jahre alt.

 

Photograph Ernst Gebhardi, aus Insterburg (Ostpr.), noch berufstätig in Seesen am Harz, Poststraße 14, begeht am 14. Februar 1954, seinen 81. Geburtstag.

 

Frau Emilie Schramke begeht am 21. Februar 1954 ihren 90. Geburtstag. Sie hat ihre alte Heimat Ostpreußen nicht verlassen und lebt heute noch mit ihrer Tochter in Rechenberg (jetzt Kosewo) in Masuren. Sie hofft, dass es ihr noch vergönnt sein möge, mit ihren in Deutschland lebenden Angehörigen zusammengeführt zu werden.

 

 

Seite 7   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.) Gotenstraße 33.

 

Ein schwerer Verlust hat die Turnerfamilie betroffen. Am 29. Dezember 1953 starb in Göttingen Frau Charlotte Kairat, geb. Marquardt. Aus Königsberg kam sie nach dem ersten Weltkriege als Turnlehrerin an die Cecilienschule in Gumbinnen, wo sie sofort dem Männer-Turnverein beitrat. Durch ihr hervorragendes Können, ihre Liebenswürdigkeit und ihr feines erzieherisches Talent brachte sie die Frauenabteilung des Vereins bald zu großer Blüte. Auch ihren Gatten erwählte sie aus den Reihen der Turner. In Göttingen, dem Zufluchtsort nach 1945, begann für sie, eine schwere Leidenszelt. Oft wochenlang an das Krankenlager gefesselt, konnte sie im letzten Jahr überhaupt nicht mehr aufstehen. In tiefer Trauer werden besonders die Gumbinner Turnerinnen und Turner dankbar der schönen Zeit gedenken, da sie als junger, fröhlicher Mensch uns so viel gegeben hat.

 

In unseren Herzen wird sie unvergessen bleiben!

 

Im Februar 1954 vollenden

 

am 01.02.1954, Turnburder Karl Baering, Allenstein, in Flensburg. Ritterstraße 4, das 60. Lebensjahr.

 

am 26.02.1954, Turnbruder Gustav Gorontzki, KMTV 1842, in Osnabrück. Iburger Straße 67. das 50. Lebensjahr.

 

am 05.02.1954, Turnschwester Annemarie Kubawitz-Rudack, Tgm. Danzig, in Mülheim (Ruhr), Hermannstraße 30, 40. Lebensjahr

 

am 27.02.1954, Turnschwester Edith Neumann-Hannmann, Tgm. Danzig, in Basel (Schweiz) Im Lilienhof 6, das 40. Lebensjahr.

 

(Kein Datum angegeben, vielleicht auch der 27.02.1954) und Turnbruder Heinz Thiede, TuF Danzig, in Köln. Sprengelstraße 14, das 30. Lebensjahr.

 

Den Genannten unsere besten Wünsche und Grüße!

 

Nutze die Zeit!

Schon in gut sechs Monaten findet das 8. Wiedersehenstreffen der ost- und westpreußischen Turnerinnen und Turner beim Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes in Hameln vom 19. bis 23. August 1954 statt. Fangt alle rechtzeitig an zu sparen! Die Reisesparkasse ist das wichtigste, woran wir das ganze Jahr über, denken müssen, wenn wir ein frohes Jahresereignis als freudvolle Erholung und sorglose Entspannung miterleben wollen. Denkt an unsere Jahreslosung: Nutze die Zeit!

 

Wer kennt die heutige Anschrift von:

 

Otto Döhring. Zoppot;

 

Alfred Ebinger. Dzg-Nfw.;

 

Hartwig Elten, TuF Dzg.;

 

Heinz Friedrich. KTC;

 

Hans-Joachim Guschall. Zoppot;

 

Georg Hannmann, Tgm. Dzg.;

 

Rüdiger Hegner, Tgm. Dzg.;

 

Margarete Herr. Zoppot;

 

Martin Hinz, TuF Dzg.;

 

Marie Hoffmann, Dzg.-Lgf.;

 

Rosa Hoog-Krüger, Tgm. Dzg.;

 

Martin Imme, Sorgenau;

 

Irmgard Jäger, Rastenburg;

 

Gerda Kanthack-Bonczkowski. Zoppot;

 

Margarete Kaselowski, Labiau;

 

Inge Kaul, Zoppot;

 

Ernst Klein, Tgm. Dzg.;

 

Marianne Körner. Kbg.;

 

Hannelore u. Gertrud Kollecker, Gumblnnen;

 

Hubert Kray, Hohenstein-Dzg.;

 

Paul Kray, desgl.; Gertrud Kreuzahler. Dzg.;

 

Wolfgang Lehmann-Dackau, TuF Dzg.;

 

Charlotte Löll, Kbg.;

 

Franz Markowski. KTC Kbg.;

 

Fanny Matthis, Zoppot;

 

Ernst May, Marienburg;

 

Klaus Meißner, Zoppot;

 

Hedwig Minde, Tgm. Dzg.;

 

Erna Möller Wichmann, Tgm. Dzg.;

 

Ruth Pareik-Kannenberg, Danzig;

 

Adolf Pelz, KTC Kbg.;

 

Adalbert Perrey, KMTV;

 

Alfred Pischke, Zoppot;

 

Wilhelm Podlich. TuF Dzg.;

 

Peter Rode, TuF. Dzg.;

 

Margarete Rogall. Tilsit.

Onkel Wilhelm

 

Unsere Turnschwester Gretel Bending, geb. Romba (KMTV 1842 Kbg.) ist Anfang Januar 1954 nach neunjähriger Trennung aus russischer Gefangenschaft zu ihrem Gatten, unserm Turnbruder Georg Bending nach Gading über Neumünster Kummerfelderstraße 26, heimgekehrt.

 

 

Seite 7   Aus den Landsmannschaften

Heimatfest Heidelberg 1954.

Der Bund der vertriebenen Deutschen veranstaltet am 1. und 2. Mai 1954 ein großes Treffen aller Heimatvertriebenen in Heidelberg. Im Rahmen dieses „Heimatfestes Heidelberg" ist eine „Ostdeutsche Kultur- und Kunstausstellung" Küntlerbilde Eßlingen, Institut für Auslandsbeziehungen, (Pestalozzi-Gesellschaft), die Ausstellung „Heimatvertriebene bauen", Sondertreffen der Landsmannschaften und Heimatgruppen, ein Trachtenfestzug, Sing- und Spielwettstreite der DJO, Führungen durch Heidelberg sowie die sehenswerte Festbeleuchtung des Heidelberger Schlosses vorgesehen. In mehr als 200 Orten des Landes sind heute schon Reiseleiter benannt, welche die Betreuung der Festbesucher nach, in und von Heidelberg ausüben. Niedrigste Fahrtkosten in Sonderzügen aus allen Teilen des Landes. Auskünfte und Anmeldungen bei allen BvD-Geschäftsstellen und den Amtsträgern des Verbandes.

 

Gunzenhausen.

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Danziger und Pommern hielt ihre Generalversammlung ab, die sich trotz der starken Schneefälle auch von auswärts eines guten Besuches erfreuen konnte. Die Vorsitzende, Frau Heumann, erstattete nach der Begrüßung den Jahresbericht. Diesem war eine rege Tätigkeit vor allem auf dem Gebiet der Geselligkeit und der Betreuung der Jugendlichen und bedürftigen Mitglieder zu entnehmen.

 

Durch den Tod verlor die Landsmannschaft Frau Kunze und Frau Heydebruck, zu deren Gedenken sich die Anwesenden von den Sitzen erhoben.

 

Zur Konfirmation wurden acht Jugendbücher überreicht, um bei der Jugend die Erinnerung an die alte Heimat wach zu halten.

 

An der Gunzenhäuser Kirchweih beteiligte sich die Landsmannschaft mit einem Festwagen, der den ersten Preis erhielt. Sehr großen Anklang fand auch die Adventsfeier. Aus der Neuwahl der Vorstandschaft ging die bisherige Vorstandschaft, an der Spitze Frau Heumann, einstimmig wieder hervor. Kassierer Büchler wurde für seine mustergültige Kassenführung Entlastung erteilt.

 

Lübbecke Westf.

Die hiesige Ostpreußische Landsmannschaft hielt ihre Januar-Monatsversammlung ab. Zunächst- gedachte man der Tage zwischen den Zwölften in Ostpreußen, worauf Frau Pieper eine Geschichte las, die das Fest der Heiligen Drei Könige als Abschluss der Weihnachtszeit schilderte. Der Sprecher, Rektor a. D. Hardt, gab eine Übersicht über das abgelaufene Jahr und dann eine Vorschau auf die kommende Berliner Viererkonferenz, welche ja von größter Bedeutung gerade für uns Ostpreußen sein wird. Die zahlreich erschienenen Landsleute erfreuten sich dann an den heimatlich gefärbten humorvollen Vorträgen des Herrn Kizo.

 

Flensburg

So begann es in Ostpreußen vor neun Jahren, so lautete das Thema eines Vortrages, den der erste Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen in Flensburg auf der letzten Monatsversammlung hielt. Schulrat Babbel stellte an den Anfang seiner Ausführungen die Frage: „Wie konnte damals das Unheil unserer Vertreibung so schnell über uns hereinbrechen?" Durch eine Schilderung der militärischen Lageentwicklung in Ostpreußen aus jenen Monaten vor dem Zusammenbruch gab er dann eine Teilantwort. Der Redner ging dabei davon aus, dass in unserer Heimat — wie meist überall in Deutschland — auch sehr viel ernsthaft denkende Menschen bis Mitte Januar 1945 an eine günstige Wende des Krieges glaubten. „Wunderwaffen" und „zum Einsatz kommende, bereitstehende frische Armeen", diese Propagandathese verfehlte damals ihre Wirkung nicht, obwohl im mittleren Ostpreußen ab August 1944 Flüchtlinge aus den östlichsten Kreisen des Landes aufgenommen wurden.

 

An den Versammelten zog noch einmal, ihre nicht rechtzeitig erfolgte Evakuierung und die schreckliche Tragödie der unter grauenhaften Umständen erfolgten Flucht aus der Heimat vorüber. In kurzen interessanten Ausführungen schilderte der Redner die militärische Tragödie bis zu ihrem bitteren Ende. Auch jener letzte Abschnitt der Flucht, der Weg über das Haff, wurde vor uns wieder lebendig. Kurz und bewegt schilderte eine Landsmännin die Vorgänge bei dem Aufbruch aus Wormditt. Schulrat Babbel ging zum Schluss seiner von großer Sachkenntnis getragenen Ausführungen auf das Schicksal der Festung Königsberg ein. Sie sei nur deshalb so lange in deutschen Händen geblieben, weil die Russen wegen erheblicher Überschätzung der Wiederstandskraft der „Festung“ und der Stärke ihrer Besatzung nicht anzugreifen wagten.

 

 

Seesen/Harz.

Eine feierliche heimatpolitische Kundgebung zur „Jahreswende nach neun Jahren Vertriebenenschicksal" gab den Auftakt zur Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen im Januar. Dem Tätigkeitsbericht für 1953 war zu entnehmen, dass die Liebe zur ostdeutschen Stammheimat durch die kulturelle und heimatpolitische Arbeit bei 16 Veranstaltungen in Seesen, Gandersheim und Bornhausen und durch eine eindrucksreiche Fahrt durch die neue Harzheimat wachgehalten wurde. Für die „Bruderhilfe Ostpreußen" wurden 1131,32 DM in bar und 28 Zentner Sachspenden aufgebracht. Der bisherige Vorstand unter Leitung von Schulrat a. D. Papendick wurde einstimmig für ein weiteres Jahr bestätigt.

 

 

Seite 7   Königsberger gedachten Johann Gottlieb Herders

Die Gruppe der Königsberger in Flensburg hatte kürzlich ihre Mitglieder zu einem ersten Heimatabend in den neuen Räumen des KvD vereint. Im Mittelpunkt der Zusammenkunft stand ein Vortrag von Fräulein Hennig über den ostpreußischen Dichter und Theologen Johann Gottlieb Herder, dessen 150. Todestag kürzlich gedacht wurde und über dessen Lebensweg und besonderen Beziehungen zum alten Königsberg nun hier interessante Ausführungen gemacht wurden. Gemeinsame Lieder sowie andere musikalische und humorvolle Darbietungen vereinten froh die Königsberger. Bei der satzungsmäßig erfolgenden Neuwahl wurden Herr Bocian als Leiter und Frau Dzeik als Beisitzer wiedergewählt. Als weiterer Beisitzer nimmt Herr Drengk seine Arbeit neu auf.

 

 

Seite 7   Unsere Buchbesprechung

Zwischen Tannenberg und Thorn

Klaus Eberhard Murawski, zwischen Tannenberg und Thorn. Die Geschichte des Deutschen Ordens unter dem Hochmeister Konrad von Erlichshausen 1441 - 1449. (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft Heft 10/11). Verlag Musterschmidt, Göttingen 1953.

 

Die Arbeit füllt eine empfindliche Lücke aus, indem aus der Zeit des Abstieges der Ordensmacht am Vorabend der großen ständischen Revolution die Persönlichkeit des Hochmeisters Konrad von Erlichshausen als besonderer Repräsentant dieser Periode herausgestellt wird, um in der Form der Biographie alle jene Elemente des Strukturwandels in der Geschichte des Ordens aufzuweisen. Da ist nun ein Buch entstanden von nahezu 500 Seiten, in dem der unendlichen Verflochtenheit einer der aufregendsten Zeiten der Ordensgeschichte bis ins Einzelne nachgegangen wird. Verf. hat eine vorbildliche Arbeit in der Verwertung des erstaunlich reich vorhandenen Aktenmaterials geleistet. Niemals ist er diesem Material verfallen, sondern stets hat er den dramatischen Verlauf dieses Lebensschicksals vor Augen, er arbeitet aus gründlichster Kenntnis und souveräner Beherrschung der Akten; seine Technik ist, wir scheuen uns nicht, es zu sagen, vorbildlich.

 

Indes auch die Darstellung selbst ist ausgezeichnet. Sie erfüllt die Anforderung, die man an den Historiker zu stellen hat. Das Buch ist erzählt, und es ist gut erzählt. Die Geschehnisse der großen Politik sind mit den Vorgängen in Preußen geschickt in Beziehung gesetzt, ein Umstand, der M.'s Buch fühlbar über die Darstellung von Johannes Voigt heraushebt. Murawski schreibt nicht nur für den Gelehrten, sondern man kann sein Buch jedem, der an preußischer Geschichte interessiert ist, in die Hand geben. Er wird es gern lesen und seine Freude haben. Die politische Entwicklung des Ordens steht im Vordergrund, entsprechend der ungeheuren Überladenheit an innen- und außenpolitischen Möglichkeiten, in denen Konrad von Erlichshausen die Rolle des ehrlichen Maklers zu spielen sich bemühte. Zwischen der Hanse und den nordischen Staaten, zwischen England, Holland, Litauen und Polen, aber auch zwischen den Ständen und dem Hochmeister selbst schwankt die politische Entscheidung. An der Absicht, dem Orden eine gesunde Zukunft zu schaffen, ist Konrad gescheitert. Er starb, als er glaubte, aus dem Orden und den anderen geistlichen Herrschaften bis hinauf nach Narwa einen Staat schaffen zu können. Man hat ihn viel getadelt, aber alle haben ihm seinen Friedenswillen bestätigt. Dabei fühlte er sich den alten Regeln seines Ordens verpflichtet und hoffte ihn zu reformieren. Auch an diesem Bemühen ist er gescheitert. Die Zeit war über diese Probleme dahingeschritten. Was blieb, war eine große Unsicherheit, die zur Katastrophe führen musste. Der Anfang dieser Entwicklung fällt zu einem erheblichen Teil in die Regierungszeit Konrads.

 

Wohl erkannte er in manchem die Anzeichen der Zeit, aber er wurde ihrer nicht Herr. So wandte man sich unmittelbar nach seinem Tod einem neuen Kurs zu, der indes nur Unheil mit sich geführt hat. Konrad von Erlichshausen steht in der Geschichte des Ordens wie ein weiser Prophet, dem es versagt blieb, seinen Willen in die Wirklichkeit umzusetzen.

G. v. Selle

 

 

Friedrich der Große

Gerhard Ritter, Friedrich der Große. Ein historisches Profil. Quelle und Meyer, Heldelberg, 3. Auflage, 9. - 12. Tausend, 1954. Orig. Einbd. 12,-- DM.

 

Dieses Buch ist in kurzer Zeit, wie auch des Verfassers Buch über Luther, in die Reihe der klassischen Bücher der deutschen Geschichtsschreibung eingerückt. Den Beweis für diese Feststellung kann man mit darin erblicken, dass der Verfasser die Darstellung durch die Auflagen hindurch so gut wie nicht ändern brauchte, trotz der großen politischen Umwälzungen seit dem Jahre 1936. Dabei verzichtet das Buch keinesfalls auf eine politische Wirkung, wie es jeder gesunden Geschichtsschreibung zusteht. Denn die Geschichte wird stets den Beruf eines Lehrmeisters nicht aufgeben, ohne sich selbst nicht aufzuheben, mag dies auch ein hartes und undankbares Amt sein. So will Gerhard Ritter sein Friedrich-Buch auch als Anruf verstanden wissen, als Anruf zu jener nüchternen, politisch-historischen Selbstbesinnung, die wir Deutschen heute weniger als je entbehren können.

 

Die Frage: Was Friedrich für unsere eigene Zeit bedeutet, hat aber ihren berechtigten Sinn. Gewiss, der „seelenlose Mechanismus" dieses preußischen Regierungssystems hatte schon die Reformer nach 1806 zum heftigsten Widerspruch aufgerufen. Aber was ewig blieb, war die imponierende Geschlossenheit dieses Staates, dessen Haupt ohne jegliches Vorurteil nur auf die Ausbildung eines Staatsbewusstseins aus war, mochten die Mittel zur Erwirkung dieses Zieles auch allmählich als schwere Last empfunden werden. Eine andere Zeit verlangte den Ausgleich der Stände, für den Friedrich keinen Sinn hatte, gar nicht haben konnte, den Bismarck wohl empfand, aber nicht lösen konnte. Er ist auch heute noch nicht gelöst. Man darf nun nicht in den Fehler verfallen, Friedrich mit den Notwendigkeiten späterer Zeitalter zu messen, der Verfasser weist dies grundlegend nach. Es ist aber festzuhalten, dass Friedrich den alten Reichsgedanken zu bewahren suchte, im Gegensatz zu Österreich, das nur seine Hausmacht stärken wollte, wenn auch Friedrich stets als König von Preußen dachte und als solcher eine norddeutsche Militärmacht errichtete. „Ohne echte militärische Kraftentfaltung gibt es nun einmal keine gesicherte Freiheit, am wenigsten in Deutschland“.

 

Freilich kann dieser Gedanke niemals im Dienst einer durch Deutschland zu errichtenden Weltmacht gelten. Was in unserer Zeit unter fälschlicher Berufung auf Friedrich geschehen ist, haben wir heute täglich zu spüren. So verteidigt der Verfasser den König mit Recht gegen den Vorwurf des Militarismus und bedenkenloser Machtpolitik, den zu erheben man sich in Deutschland nach 1945 gern gefiel. Vielmehr weist er mit Recht darauf hin, dass in den Männern des 20. Juli 1944 „viel von altpreußischer Staatsgesinnung" fortlebte, welche es dem einzelnen Untertanen nicht nur ermöglichte, sondern zur sittlichen Pflicht macht, zur Führung in Opposition zu treten, wenn diese in Gefahr steht, in ein System absoluter Sklaverei auszuarten. In einem letzten Satz seines schönen Buches meint G. Ritter, dass es sich verlohen, oft darüber nachzudenken, was der Wegfall der altpreußischen starken Militärmacht an der östlichen Grenze des „Abendlandes" für dessen Gegenwart in Zukunft bedeuten mag!

G. von Selle

 

 

Was die Sonnenstrahlen erzählten ….

Ostpreußische Märchen. Herbert Meinhard und Sanderein Mühlpfordt: „Was die Sonnenstrahlen erzählten", München 38: I. & S. Federmann Verlag, 102 S., Halbl. DM 4,40.

 

Auf einzigartige Weise versteht es Herbert Meinhard Mühlpfordt, uns in das Land der goldenen Wunschbilder zu führen und dazu noch in unsere ostpreußische Heimat. So lässt er den hartherzigen Bernsteinvogt von der Samlandküste vor uns lebendig werden, dessen Ruf man bei Sturmwind und Nebel noch heute hören soll. Oder er führt uns zur Mole von Pillau und lässt uns deren überaus schwierigen Bau noch einmal miterleben, der mit Hilfe des Teufels schließlich doch fertig wird. Wie so oft, wird auch hier der Böse um seinen Lohn geprellt. — Von welcher feinsinnigen Lyrik aber ist das Märchen durchzogen „Was die Sonnenstrahlen erzählten!“ Die zauberhafte Anmut seiner Märchen ist gepaart mit so viel menschlicher Wärme und Innigkeit, dass sie jeden ansprechen müssen, in dem auch nur ein Funken menschlichen Fühlens und Denkens glimmt. Dieselbe Gabe, die uns H. M. Mühlpfordt zeigt, hat sich auch auf sein neunjähriges Töchterchen Sanderein übertragen, die nicht nur dem Vater manche Anregung gab, sondern uns sogar mit einem eigenen Märchen überrascht, das ihr recht gut gelungen ist.

H. R.

 

 

Jochen Schmauch: „Ost- und Westpreußischer Märchen- und Sagenborn", München 15: „Volk und Heimat", 68 S., bunt bebildert, Halbl. DM. 3,90.

Aus dem reichen Schatz ostdeutscher Märchen und Sagen hat Jochen Schmauch 25 ausgewählt, die er uns in seinem „Sagenborn" in solch lebendiger Sprache wiedererzählt, die dieses Buch sehr geeignet zum Vorlesen macht sowohl im Familienkreis, wie auch in jeder Jugendgruppe. Es ist mehr als ein bloßes Sagenbuch; es ist gleichsam ein Mittler zwischen jener verlorengegangenen Heimat und der, die wir in uns tragen. Manche Erinnerung wird es im Erwachsenen lebendig werden lassen, während es helfen wird, im Kinde die Liebe zur Heimat zu erwecken und zu erhalten. Unverlierbar hat Schmauch die Eigenart Ostpreußens in seiner Weite, seiner Einsamkeit eingefangen und es verstanden, sie nicht nur für den Vertriebenen zu bewahren, sondern sie auch jenen Menschen lebendig werden zu lassen, die dieses Land nie gesehen haben. — Zahlreiche Zeichnungen von H. Blömer illustrieren das Buch in geschmackvoller Weise.

 

 

 

Seite 8   Rastenburg war Eishockey-Hochburg.

Fotos: Winterbilder aus Allenstein Blick auf das Bahnhofsgebäude und das beliebte Ausflugslokal Neu-Jakobsberg. Aufnahmen:  H. Groß

 

Rastenburg, „das schöne, alte Nest" wie der Heimatdichter Arno Holz seine Heimatstadt nannte, soll heute als sportfreudige Kleinstadt Ostpreußens gewürdigt werden. Die alten ostpreußischen Sportler erinnern sich, dass die 1. Fußballmannschaft des Rastenburger Sportvereins zu den stärksten der Provinz zählte, dass der Militärsportverein „Hindenburg" Rastenburg über eine sehr erfolgreiche Handballmannschaft verfügte, aber auch im Ausland kannte man Rastenburg als Eishockeystadt.

 

Nun, wie in fast allen ostpreußischen Städten während der Wintermonate — oft von Dezember bis März einschließlich — war das Fußballspielen wegen des Frostes oder hohen Schnees nur selten möglich und überall huldigte die Jugend dem Eissport, meist dem Schlittschuhlaufen. Die Rastenburger Jugend war durch die günstige Lage des Oberteiches eigentlich in jeder freien Minute auf dem Eis und gutes, sicheres Eislaufen war für jeden jungen Menschen eine Selbstverständlichkeit. Vor nunmehr guten 30 Jahren begann man mit dem Eishockeyspielen, das heißt, die Jungens spielten mit allen möglichen Knüppeln und Spazierstöcken ohne jede Anleitung auf zwei Tore, die durch Mützen oder Schulranzen markiert waren. Die Voraussetzung für Eishockey, das gute Eislaufen, war bei der Jugend also vorhanden und Wilhelm Pianka vom VfL Rastenburg, ein Verwandter der ehemaligen deutschen Eissegelmeister, der Lötzener Erich Schulz und Hans Pianka, nahm sich dieser spielfreudigen Jugend an, sorgte für Schläger und weitere Spielausrüstung, einen vorschriftsmäßigen Eishockeyplatz und stand noch im vorgeschrittenen Lebensalter einige Jahre selbst im Tor der ersten Mannschaft. Nach einigen Jahren waren diese Jungen so weit, dass die VfL-Mannschaft den Königsberger Mannschaften VfB und VfK sowie Tilsit gefährlich wurde und dann auch diesen Vereinen den Rang ablaufen konnte. Der schnelle Aufstieg dieser VfL-Jungen war allein das Verdienst des Seniors, Begründers, Förderers und Mitspielers Wilhelm Pianka, der diese Jugend durch Kameradschaft und Freundschaft zu diesen beachtlichen Erfolgen zusammengeschweißt hatte. Nun war man so weit, dass trotz der erheblichen finanziellen Schwierigkeiten alles, was für die Ausrüstung und das Eishockeyfeld notwendig war, geschaffen werden konnte. Nach erfolgreichen Kämpfen um die Ostpreußenmeisterschaft ging es zu den Deutschen Meisterschaften.

 

1933 wurde der VfL Rastenburg in den Rastenburger Sportverein eingegliedert und so war von jetzt ab der Rastenburger Sportverein die führende Eishockeymannschaft in Ostpreußen. Die Gegner waren nun auch die mehrmaligen Deutschen Meistermannschaften Berliner Schlittschuhclub, Rißerseee, dann Düsseldorf, Füssen, die Berliner Mannschaften Brandenburg, Rot-Weiß und Zehlendorf sowie Wien. Mehrmals gehörte die Rastenburger Mannschaft, in die immer mehr junge Talente hineinwuchsen, zu den letzten vier der Deutschen Meisterschaft, aber zum höchsten deutschen Titel langte es nicht, da der Berliner Schlittschuhclub und Rißersee im internationalen Eishockey ganz erfahrene Mannschaften waren und auch über hervorragende Ausländer in ihren Reihen sowie über bewährte Trainer verfügten. Und dennoch: 1935 wäre beinahe der Enderfolg geglückt, als Rastenburg in Garmisch-Partenkirchen im Endspiel gegen den Bayernmeister stand, das Spiel 0:0 endete und der 1:0-Sieg von Rißersee erst nach zweimaliger Spielverlängerung gelang.

 

Neben Dittzschun, der zwar nur einmal in der Nationalmannschaft stand, war es Herbert Schibukat, der von nun an zum festen Stamm der Nationalmannschaft gehörte und auch bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen als Stürmer mit bestem Erfolg für Deutschland spielte. Schibukat, dieser überragende Rastenburger Spieler, hatte so das Glück, gegen fast alle Eishockeynationen anzutreten und auch erlebnisreiche Auslandsreisen zu machen. Selbst gegen Japan wirkte er anlässlich der Olympischen Spiele mit. 1938, als Rastenburg ein Eishockeystadion für etwa 4000 Zuschauer sein Eigen nannte, war Kanada, der oftmalige Olympiasieger und Weltmeister, bei einer Deutschlandreise auch Gegner der Rastenburger, Zuerst in Berlin unterlagen die Ostpreußen, erstmals wieder im ungewohnten Sportpalast zwar hoch 0:7, aber dann das zweite Spiel in Rastenburg wurde nur ganz knapp 2:3 verloren, während das letzte Spiel nach hervorragendem Einsatz und Spielverlauf unentschieden 3:3 endete. Das war wohl der größte Eishockeytriumpf, den Rastenburg erlebt hat und die Spieler der damaligen Mannschaft werden sich an diesen mitreißenden Kampf besonders gern erinnern. Dass dann ab 1939 durch den Krieg der Vorwärtsentwicklung auch in Rastenburg Einhalt geboten wurde, ist nur zu selbstverständlich. Aber der Titel eines „Ostpreußenmeisters" blieb auch bis zum Schluss 1944 in dieser Kleinstadt, dem Eingangstor Masurens.

 

Der Winter 1945, das Jahr der Vertreibung aus der Heimat, sah die Rastenburger Eishockeyspieler, soweit sie aus dem Kriege zurückkehrten, in alle Winde verstreut, aber allmählich tauchten die noch vorhandenen Spieler doch meist dort auf, wo Eishockey hoch im Kurs stand, so wohl besonders in Bad Nauheim und Krefeld, der heutigen Eishockeymetropole mit zwei hervorragenden Mannschaften: Preußen Krefeld und Krefelder Eislaufverein. Rastenburger Nachwuchsspieler wie Schmolinga, Bock, Gutowski, Nieß und andere stehen heute wieder in deutschen Spitzenmannschaften und selbst der Internationale und Spieler der Nationalmannschaft und Teilnehmer auch bei den Olympischen Spielen 1952 in Oslo, Herbert Schibukat, wirkt heute noch als beinahe 40-jähriger bei Preußen Krefeld, dem Deutschen Meister 1951 mit. Dieser hervorragende Sportsmann aus der Rastenburger Eishockeyschule hat 67 Mal für Deutschland gespielt!

 

Wenn man heute mit Rastenburgs Spieler Nr. 1, Herbert Schibukat, der alle Welt eishockeyspielend bereist hat, fragt, welches seine schönsten Erinnerungen sind, dann sind es vor allem der Anfang zum großen Erfolg auf dem Oberteich in Rastemburq als Schuljunge und dann die großen Spiele gegen Kanada in Rastenburg 1938 sowie das 1935 verlorene 0:1-Spiel in Garmisch-Partenkirchen. — Im letzten Jahr hat Schibukat der jüngeren Generation in der Nationalmannschaft Platz gemacht, aber wenn jetzt die Altinternationalen der Schweiz und Deutschland ihre Kräfte messen werden, dann wird dieser zähe Ostpreuße wieder einer der besten Spieler der Mannschaft sein, und wie einst im Mai in diesem schnellsten und rassigsten aller Kampfspiele über die Eisfläche stürmen. Und den Rastenburger Nachwuchskräften wünschen wir, dass sie recht bald wieder in der Heimat ihr Spielkönnen zeigen können und Rastenburg dann wieder die alte ostpreußische Eishockeyhochburg wird, erneut mit den besten deutschen Mannschaften um die Deutsche Meisterschaft kämpft und auch international wie nunmehr schon vor 15 Jahren Rastenburg als deutsche Eishockeystadt Weltgeltung verschafft. W. G.

 

 

Die Heimat ruft …

Was blickst du, Kind, so sorgenschwer?

Meine Augen können nicht weinen.

Des Nachts sehe ich das Sternenheer,

Des Tags die Sonne scheinen.

 

Sie schauen hinunter auf mein Land

Und können es mir nicht zeigen,

Bin weit gewandert, wie verbannt,

Muss all mein Leid verschweigen.

 

Ob ich am Himmel die Sonne frag,

Den Mond und alle Sterne —

Es bleibt dasselbe, Nacht und Tag,

Meine Heimat, der ich am Herzen lag,

Meine Heimat ruft in der Ferne.

E. v. Olfers-Batocki

 

 

Seite 8   Die Glaubitter Erbse war die beste

Zu der Frage: „Wer baut graue Erbsen an?" gehen mir allerlei runde Gedanken durch meinen alten Kopf. Entsinne ich mich doch nicht mehr des uralten „Erbsenschmeckerliedes", weiß aber, dass die Schippenbeiler „Erbsenschmecker" genannt wurden, von denen die Sage erzählt, dass ein Bauer aus Polkitten mit einem ganzen hohen Fuder voller Säcke, angefüllt mit grauen Erbsen, einst nach Schippenbeil fuhr. Aber die Kaufleute wollten nicht den Preis zahlen, den der Bauer forderte. Darüber ärgerlich, rief er mit lockender Stimme auf Markt und in Straßen aus: „Frues! Grue Arfte! Umsunst to schmecke!" Da liefen alle Weiber aus den Häusern um Erbsen geschenkt zu bekommen und bald war der ganze Wagen leer. Der Bauer schimpfte in sich hinein, aber als er wieder mit Erbsen zum Städtchen kam, seine Ware ausbot, da zahlten ihm die Frauen mehr Geld für einen Scheffel oder eine Metz voll, als die Kaufleute geboten hatten und der Bauer lachte sich ins Fäustchen. Diese Geschichte erzählte gern unser alter Gutsinspektor, wenn er bei uns „graue Erbsen mit Speck" aß — natürlich mussten es lange „Handspirkel" sein. Und weiter sprachen wir über die Erbsen die unser aller Leibgericht waren, manchmal mit sauersüßer Sauce. Da gab es die ganz kleine „Peluschke", die man in Weichwasser (ja nicht aus der Pumpe!) kochen musste. Den Rest tat man in fetten Teig und briet ihn zum Abend auf der Flinsenpfanne. Dann gab es die große Felderbse, von der es hieß, sie müsse so hoch und dicht um die Haferhalme herumwachsen, dass eine Katze hinüberlaufen könne ohne in dies Geflecht einzusinken. Mit solchen gequollenen Erbsen wurden auch Gänse genudelt.

 

Das schönste war aber die Seltenheit, die nur der Stolz weniger Güter war: die Glaubitter Erbse! Diese war Privilegium der Familie Boehm und glücklich war, wer eine Handvoll „Glaubittscher Arfte" als seltenes Saatgut geschenkt bekam. Da unsere Nachbarin, die ganz alte Frau von Kalkstein, aus einem der Häuser Boehm stammte, war auch die Glaubitter Erbse mitgewandert und meine Mutter hatte ein Eierbecherchen voll aus Wogan geschenkt erhalten. Von Jahr zu Jahr wurden nun die Woganer-Glaubitter Riesenerbsen bei uns vermehrt. Nach einigen Jahren waren schon so viele, dass wir Kinder es uns zur lieben Pflicht machten, alle besten Saaterbsen auszulesen, um sie im Frühjahr dem Gärtner zu geben. An hohem Strauch rankten sie empor, mit jedem Sommer wurden die Beete länger, es war eine Freude, die helldunkel gefärbten Blüten zu sehen. Und wenn der „Woganer", schon jüngerer Generation, bei uns an der jagdlichen Tafel saß, sorgte meine Mutter stets dafür, dass in einem Teller kräftiger Brühe ein Paar „Wogan-Glaubitter Erbsen“ schwammen, von denen es hieß, sie schmeckten wie echte Kastanien!

Erminia v. Olfers aus Tharau

 

 

Seite 8   Humor aus der Heimat

Während meiner Kindheit weilte längere Zeit die bekannte Malerin D. in meinem Elternhaus, die die unerschöpflichen Reize meiner Heimat mit ihrem Pinsel einzufangen suchte. Die nicht mehr junge Malerin war groß und sehr schlank — damals war die „schlanke Linie" noch nicht große Mode und auch noch nicht von der Not der Zeit diktiert, wie leider in den jüngst verflossenen Jahren — und fiel also ihre Hagerkeit zwischen den gewöhnlich rundlichen Formen unserer Landfrauen ziemlich auf.

 

Eines Tages steht mein Vater im Gespräch mit einem Bekannten, als die Malerin mit ihrem Malgerät zu ihren täglichen Exkursionen auszieht. Der Bekannte fragt meinen Vater, welcher Richtung die Malerin eigentlich angehöre, worauf er antwortet: „Dem Jugendstil." Darauf lässt der alte Michel, unser altes Faktotum, sich vernehmen: „Na, vonne Jugend ös man nuscht mehr to spiere, man bloß de Stehl ös noch äwrig jebleewe!"

 

Der alte J. fährt mit Getreide „oppe Mähl" in die Stadt, auf welchen Fahrten ja allgemein die Einkäufe und Besorgungen fürs Haus und die Nachbarschaft erledigt wurden. Naohwersche bittet darum, ihr doch einen neuen Schinkenbeutel mitzubringen, da die alten schon so löcherich seien, dass die „krätsche Fleeje" doch durchkriechen. „Ach, fär ons kannst denn jliek ook eenem mötbringen" erinnert sich Frau J. So wandert denn J., nachdem er auf der Mühle fertig ist und über den Marktplatz fährt, in das „Kurz-, Weiß- und Manufakturwaren-Geschäft und verlangt: „Jäwe Se mi doch twee Schinkenbüdels." Darauf das junge Lehrmädchen schnippisch-überlegen: „Aber Mannchen, bei uns heißt sowas Schlüpfer!"  

 

Im Königsberger Tiergarten steht ein etwa vierjähriger kleiner Butzer an der Hand seines Onkels vor der „Jenny", dem großen Elefanten. Offensichtlich ist er vom Lande und zum ersten Mal im Tiergarten. Staunend sieht er, wie Jenny mit dem Rüssel die gespendeten Zuckerstückchen aufnimmt: „Nu kick doch bloß — de frätt jao motte Zaogel!"

 

Die Sonne brütet über den Feldern und „die Eisenbahn" zockelt gemächlich und bimmelnd mit schläfrigem Ratata-ratata durch die Gegend. Am offenen Fenster eines Abteils schläft ein altes Tantchen geruhsam ihren Mittagsschlaf ihr gegenüber sitzt ein junges Mädchen in ein Buch vertieft. Eben ruckelt der Zug an einem Feld entlang, auf dem frischer Mist gestreut ist, und der penetrante Duft des Goldes der Landwirtschaft füllt das Abteil. Die junge Dame  sucht aus ihrem Handtäschlein ein Riechflakon und hält es unter die Nase. In diesem Moment schnifft auch das Tantchen unbehaglich, erwacht, und ihr erster Blick fällt auf ihr Gegenüber — voller Entrüstung und Empörung: „Aber Fräulein, so machen Sie doch das Dingsda zu, der Gestank is ja nich mehr zum Aushalten!"

 

Der Herr Landrat ist im Gemeindeamt zu wichtigen Besprechungen. Immer neue Fragen tauchen auf, die durchgesprochen werden müssen, Stunde um Stunde verrinnt und mittlerweile wird es Mittag. Dem Schulzen knurrt der Magen und er erlaubt sich, den hohen Herrn zum Mittagessen einzuladen. Die Frau Schulzin deckt mit ihrem feinsten Leinen, stellt das gute Porzellan aus dem Glasschrank auf, das sonst nur zu Hochzeiten und Begräbnissen hervorgeholt wird, und tischt auf das Appetitlichste auf, was Küche und Keller hergeben. Der hohe Gast reibt mit vergnügtem Schmunzeln die Hände, als er sich an der fertiggedeckten Tafel niederlässt, entfaltet die schneeweiße Serviette und stellt dabei fest: „Aber liebe Frau Sch., Sie haben ja für Ihren Mann die Serviette vergessen!" Darauf die Frau Schulzin mit überlegen-lächelndem Kopfschütteln: „Hei bekleckert söck nich!"

 

 

Ottochen, fünf Jahre alt, ist wie die meisten Männer ein großer Egoist. Dabei schaut er mit seinem blonden Lockenkopf und den blitzblauen Augen so reizend aus, dass er wieder und wieder von Fremden Obst und Näschereien geschenkt bekommt, von denen er aber sehr ungern etwas an sein etwas älteres Schwesterchen abgibt. Immer wieder dazu von der Mutter ermahnt und angehalten, hält er ihr einmal, als er zwei Äpfel geschenkt bekommen hat, den kleineren und etwas vermurkelten hin, der dann auch bald verschwunden ist zwischen ihren weißen Zähnchen. Entrüstet wendet er sich zur Mtter und klagt: „Eck docht, se wull bej man bloß wat awbiete, aower dao frätt se fortzig dem ganze Äppel opp!“

Wanda Wendlandt

 

 

 

Seite 9   Der Kneiphöfische Markt und die Brudermordkeule in Königsberg. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

Foto: Das Kneiphöfische Rathaus – Haupteingang

Foto: Am Hundegatt (Aufn.: E. Blume)

Erstaunt wird sich selbst mancher alte Königsberger an die Stirn fassen: der Kneiphöfsche Markt? Wo war denn der?

 

Märkte hatten wir genug: da war der älteste von allen: der Altstädtische. Er ist der einzige der Märkte der mittelalterlichen Stadt, der sich erhalten hat; dann die Märkte der alten Vorstädte und Freiheiten: der Roßgärter Markt, der Neue Markt, der Lindenmarkt (einst Ochsenmarkt genannt), der Judenmarkt an der Kaiserstraße, der Viehmarkt. Di« Vorstadt der Altstadt, der Steindamm, hatten gleich drei Märkte: den Pferdemarkt (später Steindammer Markt), den Strohmarkt, der in den letzten Jahrzehnten wieder seinen alten Namen Büttelplatz trug. Der Büttel war der Henker, und dort stand das Altstädtische Hochgericht und der Heumarkt, früher „An den drei Galgen" genannt, denn auch dort waltete der Henker, bis später das Hochgericht auf den Veilchenberg verlegt wurde. Und zuletzt, aber wahrlich nicht an geringster Stelle nenne ich den Fischmarkt, die unsterbliche „Fischbrücke", wo die braven Fischweiber sich und den Königsbergern wie die homerischen Helden die herrlichsten Grobheiten an den Kopf warfen! Wer wäre von uns nicht voll innigstem Vergnügen über ihn geschritten! Um bei der jungen Generation keinen Irrtum aufkommen zu lassen, den ich bereits einmal gedruckt las —: mit der Schmiedebrücke hatte der Fischmarkt nichts zu tun — sein Platz war der Kai zwischen Krämer- und Schmiedebrücke, denn im Mittelalter nannte man den Kai (frz. Quai) „die Brücke". (Noch heute heißt der Kai in Bergen in Norwegen, wo die deutschen Hansekauffahrteischiffe anlegten, die „Tyske Brücke").

 

Also Märkte, von denen sich viel erzählen lässt, hatte Königsberg reichlich — aber der Kneiphöfische Markt? Wo war der?

 

Du brauchet dich nicht schämen, lieber Leser, dass du es nicht weißt — er existiert seit der Erbauung unseres vornehm-schönen Kneiphöfischen Rathauses im Jahre 1697 nicht mehr. Das Gebäude des mittelalterlichen Kneiphöfischen Rathauses war ein Komplex von mehreren schmalen Häusern mit gotischen Giebeln, wie es in unserer Zeit noch der Frankfurter Römer zeigt, und nahm einen viel geringeren Raum ein, als der Neubau, sodass die Brotbänkenstraße hier sich zu einem Platz erweiterte. Auf diesem stand, schräg vor dem Rathause, die Kneiphöfische Marktwaage, wie es der Plan Berings von 1613 noch deutlich zeigt.

 

Das also war der Kneiphöfische Markt.

 

Jahrhunderte diente er meist friedlichen Zwecken, aber einmal erlebte er eine furchtbare Tragödie: die Hinrichtung der drei Herzoglichen Oberräte des greisen Herzogs Albrecht am 28. Oktober 1566. Die Opfer waren der Hofprediger Magister Funk und die Räte Horst und Dr. Schnell.

 

Es war eine finstere und traurige Geschichte um diese drei Anhänger der Glaubenslehre des längst gestorbenen Andreas Osiander, des gewaltigen Predigers und Reformators und Freundes Luthers, den Herzog Albrecht nach seiner Vertreibung aus Nürnberg mit offenen Armen aufgenommen und zum Prediger der Altstädtischen Kirche, Professor an der Universität und Präsidenten des Samländischen Bistums gemacht hatte.

 

Es war ein grauenhafter dreifacher Justizmord, der an diesen drei gänzlich belanglosen Männern vollzogen wurde — sie waren schuldig der Misswirtschaft, der Bestechlichkeit, des Klüngelwesens in einer verrotteten Staatsführung — aber nie und nimmer waren sie des Todes schuldig. Sie starben, weil man des wirklich Schuldigen — des Hochstaplers Skalichius — nicht habhaft werden konnte und weil wieder einmal die in religiösem Fanatismus aufgestachelte Volkswut ihr Opfer haben musste. Die Drahtzieher dieses schmählichen Prozesses saßen im Umkreis der polnischen Krone, die sich hier die Gelegenheit nicht entgehen ließ, dem eigenwilligen Preußenherzog ihre Macht fühlen zu lassen, indem sie sich schamlos an seinen Räten vergriff.

 

Wochenlang vorher waren die drei Opfer bereits von Verhör zu Verhör geschleppt worden. Am 28. Oktober um die zehnte Stunde wurde das Urteil gefällt. Eine Stunde später war es bereits vollstreckt:

 

Vor dem Sandhaufen und dem Block standen zitternd und bebend die drei Verbrecher und hörten, aschgrau im Gesicht ihr Urteil an, das ihnen der Schöppenmeister (oberster Richter) des Kneiphöfischen Gerichtes, Dominikus Perbandt, verlas:

 

„Weil diese drei gegenwärtigen Personen, Horst, Funk und Schnell von E. E. Landschafft als Missethäter und publicae tranquillitatis perturbatores beschuldigt und angeklagt seyn werden; und aber sie vor gehegter Banck, auf freyen Füßen, ungefangen und ungebunden, ihre Urgicht ( = Aussage im Prozess) und Bekenntniß, welche zu Schaden und Verderb dieser Land und Leute gereichet, öffentlich zugestanden haben, so soll doch ihr eigen Bekenntniß ihre Überwindung seyn, und sollen es verwetten und verbüßen vom Leben zum Tode vermöge der üblichen Rechte. Was Recht ist von Rechts wegen zeugt ein gehegt Ding d. 28. Octobris 1566“. —

 

Zuerst wurde Dr. Schnell, der vor Todesangst fast wie erstorben war, zum Block geführt, mechanisch kniet er auf dem Sandhaufen nieder; ohne einen Laut, mit einem Blick wie ein irres Tier legte er den Kopf auf den Block; in den Strahlen der blassen Herbstsonne blitzend fuhr das Richtschwert des Henkers Adam Prange sausend durch die Luft — ein Pfeifen, ein knirschendes Krachen, ein gurgelnder Laut, der nichts Irdisches mehr hatte — und das Haupt des in weitem Bogen das Blut verspritzenden Leichnams, der vorher der Fürstliche Rat Dr. Hans Schnell gewesen, rollte in den Sand —.

 

Dann brachte man Funk, der mit stieren Augen dem entsetzlichen Schauspiel gefolgt war, an den blutüberströmten Richtblock; er zitterte und jammerte wie ein Kind und bat alle kleinmütig um Verzeihung, bekennend, „er habe übel getan, dass er sich aus seinem Beruf begeben und dem Fürsten mehr, als Gott gedienet".

 

Doch als der Henker das zweite der drei Richtschwerter ergriff, sagte er etwas gefasster zu dem Nachrichter: „Fahr' nun fort!"

 

Die Menge, die schweigend und mit bleichen Mienen der Hinrichtung zugesehen hatte, fing an zu singen: „Nun bitten wir den Heiligen Geist" — derweilen schwang der Scharfrichter das Schwert — es pfiff durch die Luft — und auch Johann Funks blutiges Haupt fiel wie ein Ball zur Erde.

 

Matthias Horst, dessen Hochzeitstag sich heute jährte, hatte mit weitaufgerissenen Augen auch dieser zweiten Hinrichtung zugesehen, mit erbärmlichem Blick schaute er auf die kopflosen Leichen, dann fasste er sich ein Herz und sagte Aufschub heischend zum Henker: „Halt, lass mich zuvor beten!" Er fiel auf die Knie und las ein Gebet aus einem Büchlein, das er in den Händen hielt.

 

Dann trat er an den Block und sagte zum Scharfrichter: „Tue nun, was dir befohlen ist!"

 

Indes das Volk sang: „Du wertes Licht, gib uns deinen Schein", ward auch ihm das Haupt abgeschlagen. —

 

Die Leichen der drei Gerichteten wurden auf dem Neuen, erst vier Jahre zuvor gegründeten, Haberberger Kirche, in eine Kuhle geworfen und verscharrt. Die Richtschwerter, mit denen die Hinrichtung vollzogen worden war, wurden noch im Jahre der Vereinigung der dem Kneiphöfischen Rathause aufbewahrt.

 

Über dem Grabe aber erhielten die drei Opfer einer schamlos hörigen Justiz ein gemeinsames Epitaph mit der Inschrift, die der alte Chronist Christoph Hartknoch mitteilt:

 

„Christlicher Leser, wer du bist,

Merck' auf, wer hier begraben ist!

Es waren drey Männer wohlgelehrt,

Die gerichtet worden mit dem Schwerdt,

Der erste Jan Funk, Magister,

Ein predikant und ein Priester,

Der andre Mathis Horst gemeldt,

Ein beredter und Irischer Held,

Der dritte hieß Johannes Schnell

In Rechten ein ertahr'ner G'sell,

War'n Fürstliche Räthe alle drey.

Den‘n Gott der Herr barmherzig sey!

Woll ihnen und uns allen geben,

Nach dieser Zeit das ewig Leben!

 

Als dann das schöne Barockrathaus, das uns allen noch goldleuchtend in der Bestrahlung elektrischer Scheinwerfer in Erinnerung ist, 1695 bis 1697 erbaut wurde, schmälerte die weitausladende wunderschöne Freitreppe mit den beiden Bären als Wappentieren des Kneiphofes einen guten Teil des Marktes.

 

In der Schreckensnacht des 29./30. August 1944 aber sanken unter tausenden englischen Phosphorbomben das schöne Rathaus sowie die ganze alte Stadt Königsberg in Schutt und Asche. Merkwürdigerweise aber blieb diese Freitreppe völlig verschont.

 

Als ich, selbst obdachlos geworden, in den nächsten Tagen dennoch meine geliebte, geschändete Vaterstadt durchstreifte, um zu sehen, was noch übrig war von den reichen Kunst- und Kulturwerten in ihr, da fand ich in der rechten Ecke des Mittelbaues der Treppe noch das Halseisen des ehemaligen Prangers, der ja auf keinem mittelalterlichen Markte fehlte, wohlbehalten angeschmiedet. Und in der linken Ecke hing noch unversehrt die sog. Brudermordkeule, oder, wie sie richtiger heißen müsste, Muttermordkeule.

 

Auch um sie rankt sich eine dunkle Geschichte, die der „Bädeker" Königsbergs, der Chronist Caspar Stein, in seinem lateinisch geschriebenen „Peregrinator" von 1644 uns genau erzählt. Der alte Arnold Charisius in der Roßgärter Passage, der ja mehr ein stiller Privatgelehrter als Buchhändler war, hat das Buch 1910 ins Deutsche übersetzt.

 

Am Dienstag nach dem hlg. Dreikönigkeitstage 1550 erschlug Johann Wegner mit dieser kurzen eisernen Keule seinen Stiefvater, dann wandte er sich gegen seine leibliche Mutter und erschlug auch diese.

 

Über das Motiv der entsetzlichen Tat schweigt Caspar Stein. Johann Wegner muss aber wohl ein besonderes Scheusal gewesen sein, denn er hatte, offenbar ohne Gewissensbisse, die Ruhe, die vom Blut einer Mutter triefende Keule zu vergraben, alle Spuren möglichst zu verwischen und sich harmlos in den Kreis seiner Freunde zu mischen, um für alle Fälle ein Alibi zu haben.

 

Aber dennoch brachte die Sonne auch dieses Verbrechen an den Tag: wenige Tage nach dem furchtbaren Doppelmord, als die drei Städte Königsbergs voll waren von der Tat, suchte der Mörder einen Schuhmacher auf und brachte ihm seine vom Blut der Mutter besudelten Schuhe zur Ausbesserung. Der Meister sah die Flecke, schöpfte Verdacht und brachte die Schuhe, kaum, dass der Mörder ihm den Rücken gewandt, zum Kneiphöfischen Rat, der sofort in aller Heimlichkeit Ermittlungen anstellte, die schnell zur Verhaftung Wegners führten.

 

Er wurde vom Kneiphöfischen Gericht, damals noch unangekränkelt war von schwächlichen Humanität der Jetztzeit, zum Tode verurteilt; das Herzogliche Hofgericht bestätigte das Urteil und alsbald ward es vollstreckt: Johann Wegner musste, verkehrt auf einem Esel sitzend, den Schandumritt durch die drei Städte machen, wobei er von der johlenden Menge verhöhnt, angespien und mit molschen Äpfeln und faulen Eiern beworfen wurde. Alsdann wurde er auf dem Kneiphöfischen Hochgericht mittels riesiger glühender Zangen zerrissen und schließlich gerädert.

 

 

Seite 10   Landsleute bitte herhören!

Am 1. Februar 1954 konnte der Suchdienst der Anschriftensammelstelle auf eine 7-jährige ehrenamtliche Tätigkeit zurückblicken. Namens der Suchenden möchten wir an dieser Stelle allen genannten und ungenannten Berichterstattern nochmals danken. Wie viele Schicksale sind noch zu klären und wir bitten alle Landsleute, sich an unseren ehrenamtlichen Suchdienst zu beteiligen. Auch der kleinste Fingerzeig kann zum Erfolg führen.

 

Für die Berichterstattung im vergangenen Monat danken wir:

 

Kollegen Richard Lau,

 

Anna Wommel,

 

Erna Tulpe,

 

Herbert Groß,

 

Max Stein,

 

Liesbeth Roode,

 

Kath. Jans.

 

Wir suchen und wer berichtet:

 

R.-O.-Insp. Seemann (gestorben?),

 

St.-O.-Insp. Sarakewitz und Frau Elfriede;

 

St.-Insp. Karl Sellner;

 

Frau Spandök (St.-A. 49);

 

Obergärtner Erich Sprung,

 

St.-O.-Insp. Otto Skibitzki,

 

Brückenwärter Richard Seikowski,

 

Lehrer Saretzki,

 

St.Insp. Otto Sahm,

 

Kammermusiker Kurt Sachs und Frau Else,

 

Arbeiter Sabrowski (Hafen),

 

Lehrer Bruno Singer,

 

Lehrer Walter Sand,

 

St.Sekr. Oskar Salomon,

 

Verw.-Lehrling Gerhard Sobotzki,

 

St.-O.-Insp. Schimmelpfenning,

 

St.Revisor Schmidt,

 

St.-Sekr. Hermann Schwarz,

 

Speichermeister Karl Schirmacher,

 

Angest. Schwenteck,

 

Garteninspektor Schäfer,

 

Verw.Gehilfe Gustav Schwarzrock (Wi.-A.),

 

Brückenwärter Heinrich Schrade,

 

Angest. Ellen Schultz,

 

St.-Insp. Alfred Schusterius (gestorben?),

 

Kranführer Schlemminger,

 

Heizungskontr. Horst Schwarz,

 

St.-O.-Insp. Schimke,

 

Telegr.-Insp. i. R. Paul Schmolski, Antonie Schmolski;

 

die Hafenangestellten Schwibbe, Schmischke, Schöttke und Schirmacher;

 

Wilhelm und Arthur Schmidt (Pumpwerk Rathof),

 

St.-Insp. Kurt Schröder,

 

Mag.-Schulrat Max Schimkat,

 

Helene Schmidtke (Wi.-Amt),

 

Betr.-Ing. Herbert Schneider (Masch.Amt),

 

Straßenaufseher Hermann Schlemminger,

 

Lehrerin Frieda Schlemminger (Volksschule Krausallee),

 

Lehrerin Frieda Schneider,

 

Angest. Schäfer (Wi.-Amt),

 

Meister d. Feuerschutzpolizei Schink,

 

Arbeiter Gustav Sahm,

 

Gartenarbeiter Kurt Schenk,

 

Fritz Stange (Druckerei),

 

Stenotypistin Stolzenberg geb. Lofski,

 

Witwe Lotte Steffenhagen,

 

Otto Steinke,

 

Angest. Maria Steinbacher (Wi.-Amt),

 

Arbeiter Steinhöfer (Hafen),

 

Steindorf,

 

Fürsorgerin Stockel (Ges.-Amt),

 

Sparkassen-Angest. Hans Stallbaum,

 

Kutscher Gust. Stiemer,

 

St.-Insp. Steiner (Bauamt),

 

Techn. Waldemar Steiner (Hochb.-Amt).

 

Bei Anfragen bitte Rückporto beifügen.

 

Am 12. Februar 1954, feiert unser lieber Kollege St -O.-Sekr. Julius Keller, wohnhaft (14b), Reutlingen, Kruppstraße 16, seinen 82. Geburtstag. Wir gratulieren ihm an dieser Stelle und wünschen ihm einen langen Lebensabend.

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten u. –Arbeiter: (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1

 

 

Seite 10   König Friedrich Wilhelm III.

Es ist erfreulich festzustellen, wie gut doch die Königsberger ihre Vaterstadt kennen! Dies geht aus zahlreichen Zuschriften hervor, die wir zu der Veröffentlichung des Bildes von dem Denkmal auf dem Paradeplatz erhielten, das wir in der Januarausgabe brachten. Der preußische König, den das Denkmal darstellt, ist natürlich König Friedrich III.

 

Rechtsanwalt und Notar Günter Rausch aus Hameln schreibt uns dazu:

 

Ihr Druckfehler in der Januarausgabe 1954 der Ostpreußen-Warte rief mir folgende heitere Episode in die Erinnerung, deren unfreiwilliger Zeuge ich war:

 

Als ich noch in Königsberg studierte, begab ich mich an einem schönen Sommertage — es muss im Jahre 1926 oder 1927 gewesen sein ins Kolleg, um Römisches Recht zu hören. Als ich den Paradeplatz — von der älteren Generation noch immer „Königs-Garten" genannt überquerte, standen etwa drei oder vier Schulmädchen vor dem Denkmal Friedrich-Wilhelms III. In ihrer Begleitung befand sich eine Lehrerin, die eines der Kinder fragte: „Na, wer ist denn das auf dem Denkmal?" Zunächst herrschte langes Schweigen. Schließlich hellte sich das Gesicht der Kleinen auf und im schönsten keenigsbargsch erklärte sie: „Ei, ich weiß das ist der Mann von der Königin Luise, “Der Dritte!"

 

Im Übrigen handelt es sich bei dem anderen Bild, das wir in der Januarausgabe veröffentlichten, nicht um die Grüne Brücke, sondern selbstverständlich um die Krämerbrücke, Die Grüne Brücke lag bekanntlich an der Börse.

 

 

700-jähriges Stadtjubiläum 1955

Im Jahre 1255 gründete der Deutsche Ritterorden die Stadt Königsberg in Preußen, In fast 700-jähriger stetiger Entwicklung wurde diese deutsche Stadt im Preußenland zu einem bedeutenden Geistes- und Wirtschaftszentrum des deutschen Ostens. Das grausame Schicksal der Vertreibung zwingt die überlebenden Bürger Königsbergs, die 700-Jahr-Feier ihrer Stadt fern der alten Heimat zu begehen. Es kann kein Fest der Freude sein; doch soll die Treue zur unvergessenen Heimat aufs Neue besiegelt werden.

 

Die Stadt Duisburg, Patenstadt für Königsberg, fühlt sich berufen den vertriebenen Königsbergern ihre 700-Jahr-Feier auszurichten. Dieses Fest der Rückerinnerung an vergangene Jahrhunderte will alle Gedanken der Gegenwart hineintragen: die Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes mit seinen heimatvertriebenen Brüdern und die Verbundenheit der Patenstadt Duisburg mit Königsberg und seinen Bürgern.

 

Die 700-Jahr-Feier der Stadt Königsberg, verbunden mit einem großen Heimattreffen der Königsberger, soll im Sommer 1955 in Duisburg stattfinden. Die festliche Gestaltung wird in einem neuen Schauspiel des Dramatikers Hans Rehberg zum Ausdruck kommen, das als Freilichtvorstellung vor dem Duisburger Rathaus aufgeführt werden soll. Das große gemeinsame Treffen aller Königsberger wird im Freien sein müssen, da nach den Erfahrungen des letzten Heimattreffens keine vorhandene Halle und kein Zelt dafür genügend Raum bieten würde. Am Rande des Heimattreffens werden in den Sälen der Stadt kulturelle und unterhaltende Veranstaltungen sowie die besonderen Wiedersehensfeiern der Königsberger Vereine, Betriebsgemeinschaften und Schulen stattfinden. Mit besonderer Aufmerksamkeit soll ein Königsberger Suchdienst durchgeführt werden.

 

Wenn die Stadt Duisburg mit ihrer Ankündigung schon jetzt an die Öffentlichkeit herantritt, so geschieht das, um die Königsberger zur Einsendung von Vorschlägen und Anregungen für die Durchführung der 700-Jahr-Feier aufzurufen. Beim Königsberger Treffen 1952 konnten leider nicht alle wohlgemeinten Anregungen berücksichtigt werden, weil sie zu spät gegeben wurden. Vor allem werden die Königsberger Vereine, insbesondere die Sportvereine, die Betriebsgemeinschaften, Schulen usw. gebeten, Näheres über ihre geplanten Sonderveranstaltungen und Wiedersehensfeiern mitzuteilen. Die Stadt Duisburg möchte rechtzeitig und zuverlässig die benötigten Räume vermitteln.

 

Die Patenstadt regt darüber hinaus an, die verlagerten Königsberger Firmen mögen in Duisburg eine geschlossene kleine „Leistungsschau der Königsberger Wirtschaft" durchführen. Die daran interessierten Königsberger Firmen werden gebeten, Anmeldungen und Vorschläge einzusenden.

Stadt Duisburg, Patenstadt für Königsberg (Pr.)

 

 

Seite 10   Eine tapfere Ostpreußen-Frau. Die Russenherrschaft in der Provinzhauptstadt erlebt von Margarete Raabe. (2. Fortsetzung)

 

Ende Oktober 1945 wurden fast alle Deutschen aus unserer Straße auf Lastwagen aufs Land nach Uderwangen gebracht; wir wurden davon verschont. Die Deutschen waren dann aber nur noch ganz vereinzelt in unserer Straße und bald zogen immer mehr Russen ein. Da plante man einen Überfall auf uns. Ich wartete am 9. November abends mit Frl. W. auf die Heimkehr meiner Schwester — Evemarie war ihr bereits entgegengegangen —, da hörten wir vor unserem Hause Stimmengewirr. Bald darauf wurde an unsere Haustür, die nur notdürftig aus Brettern zusammengeschlagen war, wüst geschlagen. Um die Tür nicht kaputt machen zu lassen, blieb uns nichts übrig als zu öffnen. Eine Menge Russen, Männer und Frauen, drängten hinein, ergriffen uns und stießen uns mit Faustschlägen auf die Straße. Dort stellte man uns an den Zaun, und vor einem jeden von uns stellte sich ein Russe mit einer Maschinenpistole. Nach vielem Geschrei trieb man uns vorwärts. Es ging kreuz und quer durch alle möglichen Straßen, bis wir vor einem großen Hause landeten. Man trieb uns dort in einen Keller, woselbst man uns in einem kleinen Abteil einsperrte. Doch nach nicht allzu langer Zeit holte man uns heraus und brachte uns in einen erleuchteten Raum, in dem an einem großen Tisch ein hoher Offizier saß. Wir wurden einzeln durch eine Dolmetscherin vernommen, es wurde uns gesagt, unser Haus brenne und wir hätten das Feuer angelegt. Nachdem wir jeder ein Schriftstück unterschrieben hatten, mussten wir warten. Nach längerer Zeit erneutes Verhör vor 5 Offizieren, doch wir konnten nichts anderes sagen, als dass wir weder Feuer angelegt, noch gesehen hatten.

 

Nachdem wir wieder ein Protokoll unterschrieben hatten, sagte man uns, wir könnten nach Hause gehen. Da wir nicht wussten, wo wir waren und wie wir in der Dunkelheit nach Hause finden sollten, weigerten wir uns. Man ließ uns warten, bis die Wache abgelöst wurde und schickte uns mit dieser nach Hause. Dort angelangt, erwartete uns meine Schwester mit ihrer Tochter. Man hatte tatsächlich zum größten Teil unser Zimmer ausgeraubt, selbst die auf dem Balkon zum Trocknen aufgehängte Wäsche hatte man nicht vergessen. Nur mein Bett, auf das die Schranktür gefallen war, und einige Kissen, die in einer Ecke hinter der Türe lagen, zudem mein Rucksack, der auch in einer Ecke lag und auf den zufällig etwas gefallen war, waren übrig geblieben. Aber der Rucksack von meiner Schwester und von Frl. W., dazu deren Betten, unsere Mäntel — man hatte uns ohne Mantel mit Küchenschürze auf Hausschuhen hinausgetrieben, — waren weg. Als man uns aus dem Hause trieb, lauerte man meiner Schwester und Evemarie auf und trieb sie wahllos durch die Straßen und durch Trümmer. Meine Schwester sah mit großer Angst, was der Soldat mit Evemarie vorhatte, da wurde plötzlich noch eine junge Frau zu den beiden getrieben, und meine Schwester und Evemarie wurden mit Flüchen davongejagt. Am anderen Morgen bekamen wir den Befehl, unser Zimmer sofort zu räumen, die Russen belästigten uns und wollten uns unsere Geräte wie z. B. die Besen stehlen.

 

Bei der Vernehmung am Abend vorher war ein Major anwesend, der im Hause neben uns wohnte. Er hatte uns gesagt, wir dürften zu ihm kommen, wenn wir in Not seien. Viele Male an diesem Tage mussten wir hilferufend zu ihm laufen. Am anderen morgen früh, als die Russen noch schliefen, montierten wir unsern Herd ab, meine Schwester und Frl. W. hatten ihn aus einem ausgebrannten Hause geholt und in der Küche angeschlossen. Wir zogen damit nach Boyenstraße 81, wo wir ein Dachzimmer ohne Heizung und Kochgelegenheit zugewiesen bekommen hatten. In diesem Zimmer verbrachten wir den Winter. In den anderen Räumen wohnten russische Frauen, die tagsüber ihrer Bürobeschäftigung nachgingen. Meine Schwester und Frl. W. gingen früh zur Arbeit und kamen am Abend nach Hause. Ich hatte, abgezehrt, wie ich war, immer noch ein ärztl. Attest und konnte daher nicht zur Arbeit getrieben werden. Tagsüber waren Evemarie und ich meistens allein im Hause. Wir beschäftigten uns mit Stricken und sonstigen Handarbeiten für die Russen, oft wurde uns auch Arbeit, teils das Saubermachen von Zimmern, teils Kochen, übertragen. Wir freuten uns darüber, konnten wir doch dadurch unseren Küchenzettel etwas verbessern.

 

Meine Schwester, die in der Walzmühle arbeitete und mit Mehl in Berührung kam, brachte täglich etwas davon mit. Trotz strenger Aufsicht und Kontrolle wagte sie es immer wieder, denn wie hätte sie sonst ihre Tochter ernähren und uns anderen einen Zuschuss geben können! Das Mehl tat sie in kleine Päckchen und verstaute diese an allen möglichen Körperstellen. In Ermangelung des Haarknotens — das Haar hatten wir alle bis auf einen kleinen Rest verloren — tat sie auch auf den Kopf einen kleinen Mehlbeutel. Außerdem fand sie Gelegenheit, sich hin und wieder einen leeren Mehlsack um den Körper zu binden, aus dem wir uns die nötigsten Kleidungsstücke fertigten. Eine Jacke für mich, ich besaß ja keinen Mantel mehr, wurde aus einer Decke genäht. Nun konnte ich auch wieder mit Evemarie zusammen aus dem Hause gehen, denn bis dahin gab sie mir ihren Mantel.

 

Seit einiger Zeit bemerkten wir, außer bei meiner Schwester starkes Jucken am Körper. Dieses Jucken steigerte sich und wurde so qualvoll, dass man meinte, von einem krampfartigen Anfall, der sich leider zu schnell wiederholte, befallen zu sein. Wir konnten nachts schlecht schlafen, wir rissen unsere Körper wund und blutig, es entstanden eitrige Beulen, die Beine, besonders meine, waren stark geschwollen. Wir suchten Hilfe in der Poliklinik. Dort waren die Warteräume überfüllt, hauptsächlich mit Menschen, die an derselben Krankheit litten. Die uns dort zuteilwerdende Behandlung schaffte keine Erleichterung. Etwas Erleichterung hatten wir nur durch die allabendliche Abwaschung mit Essigwasser.

 

So kam das erste Weihnachtsfest in russischer Gefangenschaft. Wir waren übereingekommen, möglichst nicht daran zu denken, waren wir doch fest davon überzeugt, dass es unter diesen Verhältnissen nur einmal durchlebt zu werden brauchte und dass wir das nächste Mal längst im deutschen Reich sein würden. Aber wir hatten doch Gelegenheit, dem Weihnachtsgottesdienst beizuwohnen. In einem Hause, das nur teilweise zerstört war, hatte man 2 kleine Zimmer als behelfsmäßige Kapelle eingerichtet. Vormittags wurde katholischer, nachmittags evangelischer Gottesdienst abgehalten. Neben einem schön hergerichteten Altartisch stand in einer Ecke die Schutzmantelmadonna aus unserer Kirche. Unsere Kirche war sehr zerstört, alles war kaputt, aber außer der unbeschädigten Schutzmantelmadonna hing über dem Altarraum das Kruzifix, unbeschädigt. Es war an einer Metallschnur befestigt, und der Wind bewegte es hin und her.

 

Am 31.12.1945, dem letzten Tage des ereignisreichen schweren Jahres, holte ein in der Nähe wohnendes russisches Ehepaar, das zur Silvesterfeier gehen wollte, Frl. W. und mich zur Bewachung ihrer Wohnung. Die Wohnung selbst war aber abgeschlossen, wir durften uns nur in der kalten Küche aufhalten. Neben unseren Sitzplätzen standen 4 große Steintöpfe voll Fleisch, Gänse- und Schweinefleisch. Traurig schauten wir hin, wie gern hätten wir nur ein winziges Stückchen gehabt. Wir mussten wachen und frieren bis ungefähr 3 Uhr morgens. Als Entgelt dafür bekamen wir nach einiger Zeit auf unsere Bitte einen Topf voll Fleischbrühe.

 

Am 18. Mai früh wurde uns durch eine harte Männerstimme befohlen, nicht das Haus zu verlassen, sondern unsere Sachen zu packen und uns bereit zu halten für den Abtransport mit einer Maschine. Unser Entsetzen war groß; uns überfiel Ratlosigkeit, ob wir uns verstecken oder uns vom Schicksal treiben lassen sollten. Wir taten das Letztere. Die Maschine kam jedoch erst am 20. Mai früh. Wir mussten unsere Sachen aufladen und fuhren zusammen mit anderen Leidensgenossen zur Stadt hinaus. Wir landeten in einem Dorfe mit ausgebrannten Häusern bei Uderwangen. Wir suchten uns zusammen mit einem Ehepaar eine Wohngelegenheit in einem Hause, das nicht gar so sehr zertrümmert schien. Zuerst wurde eine Kochgelegenheit hergerichtet, die Fenster vernagelt usw. Am andern Morgen kamen schon die Russen uns zur Arbeit holen. Es mussten Kartoffeln aufgeladen, aufs Feld gefahren und gepflanzt werden. Meine Schwester Martha, des „Organisierens" kundig, verstand es, Kartoffeln für unser Mittagessen zu besorgen. Dasselbe tat Frl. W., und ich versuchte mich auch in der, bei den Russen unbedingt notwendigen Beschäftigung, d. h. ich versuchte zu organisieren. Fünf Tage arbeiteten wir bereits, aber Brot oder sonstige Verpflegung gab man uns nicht. Dabei wurde scharf aufgepasst, dass wir keine Kartoffeln nahmen, beim Mittagkochen wurden die Kochtöpfe kontrolliert. Wir sahen ein, dass wir hier verhungern mussten, auch wenn die versprochene Verpflegung geliefert werden würde. Zudem erzählte man uns, dass die im Vorjahre hingebrachten deutschen Arbeiter im Laufe des Winters alle bis auf zwei junge Mädchen, die von russischen Soldaten ernährt wurden, an Hunger gestorben waren. Meine Schwester packte ihren Rucksack und machte sich mit Evemarie auf, um zu Fuß nach Königsberg zu gehen und den Versuch zu machen, wieder in der Walzmühle zu arbeiten. Das Ehepaar, mit dem wir unseren Wohnraum teilten, flüchtete nach einigen Tagen. In der ersten Nacht in der Fräulein W. und ich allein waren, drangen mehrere Russen in das Nachbarzimmer ein, würgten die jungen Frauen und raubten die Kleidungsstücke, die sie fanden. Durch das laute Schreiben der Frauen und Kinder erweckt, liefen wir beide hinaus; ich sah einen Russen vor dem Hause stehen und lief laut schreiend zur anderen Seite hinaus. Am anderen Tage zogen Frl. W. und ich in einen anderen Raum. Wir waren dort sieben Personen zusammen, im Zimmer nebenbei wohnte eine Russin, und wir versprachen uns dadurch Schutz. Nach einiger Zeit hatten Frl. W. und ich Gelegenheit, mit einer „Maschine" (Lastwagen) zu flüchten. Durch die Russen, die uns mit der Maschine mitnahmen, bekamen wir zusammen mit drei weiteren Flüchtlingen einen Raum zum Wohnen. Wir mussten sofort wieder arbeiten, und zwar waren es Aufräumungsarbeiten, die man verlangte; wir mussten Eisenteile, Steine, Mörtel usw. wegtragen. Da wurde Frl. W. eines Tages gefragt, ob sie aufs Land gehen und im Haushalt arbeiten würde. Sie würde Milch zu trinken und auch satt zu essen bekommen, und ich könnte mitgehen und mich auf dieselbe Weise betätigen. Nun, wir hatten nichts zu verlieren, ich litt unter der einseitigen, nicht ausreichenden Ernährung, das Gesicht zeigte Schwellungen, auch die Beine waren geschwollen. Dann litt ich sehr unter Müdigkeit. Eines Abends nahm uns wieder eine Maschine mit unseren noch vorhandenen Habseligkeiten auf und fuhr uns ins Ungewisse. Mir war bange zu Mute. Die mit uns fahrenden Russen sangen laut und nach meinem Empfinden schrecklich. Es dunkelte stark, als wir in Norkitten bei Insterburg landeten. Zwei Russenfrauen kamen an unseren Wagen und begrüßten uns mit einer langen Rede, von der wir kein Wort verstanden. Wir bekamen zu essen, Milch und Brot. Frl. W. blieb im ersten Hause; ich wurde ins Nachbarhaus gebracht und konnte mich schlafen legen. Am andern Morgen begann die Tätigkeit, mir wurden Arbeiten zugeteilt, wie sie eben in einem einfachen ländlichen Haushalt vorkommen. Auch Gartenarbeiten musste ich machen, wie Unkraut jäten, Kartoffeln behäufeln, Kirschen pflücken usw.

 

Anfangs machte mir das Wasserschöpfen viel Sorgen. Ziemlich ratlos stand ich vor einem Brunnenloch, in dessen Tiefe ich den Wasserspiegel sah. Behutsam ließ ich den Eimer an einem langen Strick hinunter und mühte mich; mit Schwenken und allen möglichen Bewegungen den Eimer zu füllen. Der Eimer machte wohl allerhand Sprünge, aber Wasser aufnehmen tat er nicht. Mein vergebliches Bemühen sah eine Russenfrau, sie kam und nahm mir den Eimer aus der Hand, um ihn mit Schwung und Geschicklichkeit ins Wasser zu werfen und ihn gefüllt nach oben zu ziehen. Diese Russenfrau -— sie konnte etwas deutsch sprechen, denn sie hatte 2 ½ Jahre für deutsche Soldaten gearbeitet – war in der Folgezeit immer freundlich und hilfsbereit zu mir, sie unterstütze mich und half mir, wo und wie sie konnte. Zum Wasserschöpfen jedoch brauchte ich bald keine Hilfe mehr, ich beherrschte diese Kunst bald ebenso wie die Russenfrauen.

 

In den ersten Tagen war das Essen einigermaßen ausreichend, Kartoffeln gab es gar nicht, aber dann wurde es weniger und weniger; mein Teller war eine Untertasse, mich quälte dauernd der Hunger. Nur die Kirschen, die ich während des Pflückens in großen Mengen aß, halfen mir. Anfangs wurde ich auch einigermaßen gut behandelt, aber dann wurde es immer schlechter mit der Behandlung, ich konnte es kaum noch ertragen; dass man mich beobachtete und umlauerte, merkte ich nicht.

(Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 11   Sommer im Bernsteinland. Von Alexis. 9. Fortsetzung.

Foto: Bernsteinfischen an der Samlandküste. (Aufn.: F. Wiemers)

Foto: Tagesabbau der Bernsteinerde in Palmnicken

9. Fortsetzung

 

Vielfach war die Verwendung des Bernsteins zu medizinischen Zwecken. Schon Galenus hat ihn im grauen Altertum seinen Patienten verschrieben. In der Zeit, wo die Homöopathie solchen Anklang fand, dass ein Entenpürzel gegen die Beschwerden des Darms helfen sollte, kann es nicht Wunder nehmen, wenn Herzog Albrecht dem befreundeten Luther einige Körner des seltenen weißen Bernsteins schickt, damit er durch ihr Auflegen von seinen Steinschmerzen geheilt werde. Oft nahm er die Gelegenheit wahr, evangelischen Fürsten im Reich solche Arznei zu schicken, wie sie allein in Preußen gefunden wurde. Er pflegte seinen Samlandstrand gern mit den Goldgruben Ungarns und den Silberminen des Erzgebirges zu vergleichen.

 

Johann von Sachsen hat er auf diese Weise einmal das Leben gerettet. Als er während seiner Reise auf dem Schloss in Altenburg zusammenbrach, konnte er gerade noch den Befehl erteilen, aus seiner Apotheke das wunderbare Bernsteinpulver abzubrennen, dessen Aroma ihn wieder zu sich kommen ließ.

 

Phantasievoll erscheint das Rezept, bei Augenkrankheiten zwei Bernsteinkugeln gleich Rückstrahlern am Hinterkopf zu befestigen. Handelt es sich darum, den Glanz der Augen wiederzugewinnen, genügt ein Aufguss von Bernstein und Honig. Bernstein in Rosenwasser gekocht, zusätzlich eines Quentchens Zimt, milderte den Zahnschmerz, heißer Bernsteinwein das Ohrensausen. Bernsteinpastillen sollten den Männern zur Kräftigung dienen und Bernsteinpflaster fand bei der Wundbehandlung Anwendung. Es sollte „wärmen, reifen, trocknen und heilen", eine Anpreisung, so geschickt, dass sich selbst die heutige pharmazeutische Industrie ein Beispiel daran nehmen könnte.

 

Noch die Doktordissertationen des 17. Jahrhunderts nennen ihn ein Universalheilmittel, das beim Kommis immerhin Jod und Rizinus war. Einer der jungen Doktoranden will sogar wissen, dass im mittelalterlichen Königsberg Bernstein mit Erfolg gegen die Pest angewendet worden sei, indem er nicht nur Erkrankte zur Genesung geführt, sondern auch Gesunde vor der Ansteckung bewahrt habe. Wie dem auch sei - Dreck reinigt den Magen und ich würde Bernsteinpulver ebenso gut schlucken, wie alles andere, das Du mir zur Aufsäftung neben die Teetasse stelltest.

 

Dass Bernsteinwein auch eine bittere Medizin sein kann, mussten bisweilen die altpreußischen Schönen erfahren, sofern man dem berühmten Renaissancearzt Matthioli Glauben schenken kann. In seinem fleißigen Kommentar zu den Büchern des Dioscrides erwähnt er das peinliche Gericht etwas umständlich. Im Jahr 1600 hat es Andreas Libau in seinem großen naturwissenschaftlichen Werk, das als erstes eine vollständige Kulturgeschichte des Bernsteins bringt, verständlicher so gefasst: „Matthiolus et Albertus testantur, in Borussia probari virgines albo succino. Nam dari solet ex vino ienuis. Quae protinus mingit, pudicitae esse prostitutae narratur, quae non, salve“. Arme kleine Marjell! Lass dir nur nicht bange machen!

 

Die Herkunft des Bernsteins aus der Tiefe der See im sagenhaften Norden und seine magnetischen Eigenschaften machten ihn in den Augen der alten Völker zum Wunderding. Die griechische Bezeichnung Elektron hat aber mit Elektrizität nichts zu tun. Vielmehr scheint das Wort Schutzstein zu bedeuten, was umso wahrscheinlicher wird, als ihn Athleten und Gladiatoren zu tragen pflegten, um unbesiegbar zu sein. Die Römer nannten ihn wegen seiner glasartigen Beschaffenheit „glaesum“. Das deutsche „Bernstein" wird von bernen, brennen, abgeleitet; die veraltete Form „Agtstein“, richtiger „Achatstein“, wird uns klar, wenn wir ein buntfarbiges Stück in der Hand halten.

 

Während die Natur des Bernsteins als erhärtetes Baumharz bereits von Aristotoles richtig erkannt wurde, entfernte man sich in seinen Vermutungen später immer mehr von der Wahrheit, im selben Maße, wie die Wissenschaft mit dem Untergang des genialen Volks der Griechen verflachte. Tierische Ausscheidungen, Honig, verdichteter Sonnenäther, erhärteter Schweiß des Meeres — all das wollte man in ihm erblicken. Wo die Erkenntnis nicht ausreichte, war es die göttliche Weltordnung, die ein solches Wunder geschaffen hatte, so wie es als Gnade angesehen wurde dass der Bernstein nur in Preußen zu finden war. Immer wieder treten uns solche Gedankengänge in den Widmungen der älteren Bernsteinschriften an ihre Leser entgegen.

 

Der evangelische Bischof Wigand aus Liebemühl entwirft in seiner 1583 erschienenen Schrift „vera historia de succino, de alce, de herbis borussicis“ ein großartiges Natur- und Schöpfungsbild, in dem alle Erscheinungen dem Menschen zur Freude, zum Spiel dienen. Dazu gehört auch der Bernstein mit seinen Einschlüssen, die wie die Versteinerungen seiner Thüringer Heimat von Gott im Überschwang des Gestaltungswillens geschaffen worden sind.

 

Heute haben Untersuchungen und Vergleiche von Einschlüssen aus dem Tier- und Pflanzenreich unser Wissen über das organische Leben in der Frühzeit der Erdgeschichte bedeutend erweitert. Zahlreiche Koniferen, wie sie ähnlich geartet noch jetzt in Japan zu finden sind, Eichen, Farne, Lorbeer und Erika, ja selbst die Palme wuchsen in unseren Wäldern, die in der Ostsee begraben liegen. Gewaltige Mengen von Harz müssen diese Bernsteinfichten ausgesondert haben, wenn sie verwundet wurden. Klumpen bis 14 Pfund Schwere hat man aus dem Boden geborgen. Für die Art dieser Ausflüsse gibt es verschiedene Bezeichnungen. „Tropfen“ von Hühnereigröße fielen zur Erde oder das am Stamm herabsickernde Harz bildete „Schlauben“, mit dem es Tiere, die daran gesessen hatten, überraschte, festleimte und in einem schnelleren Tod als an der Fliegentüte in einen durchsichtigen Sarg hüllte. Insekten wurden am häufigsten eingeschlossen, was bei ihrer Unzahl nicht Wunder nimmt. Aber selbst die hurtige Eidechse konnte dem klebrigen Saft nicht entrinnen.

 

Jedermann bestaunt diese Geschöpfe, vor deren Alter die eigene Lebensspanne zur Bedeutungslosigkeit herabsinkt, wenn er sie in Museen findet oder auch nur Abbildungen zu Gesicht bekommt. Die Bernsteinwerke in Königsberg haben mehrere Serien solcher Lichtbilder herausgebracht. Mit unserer natürlichen Neugierde hat aber schon der Leipziger Verleger Gleditsch, ein Ullstein des 18. Jahrhunderts, gerechnet, der für Standardwerke, wie sie jeder Gebildete gern kaufte, eine feine Nase hatte. 1742 erschien bei ihm ein von dem Elbinger Arzt N. Sendel bearbeitetes Werk in Folio, das mit schönen Kupfertafeln geziert über die Bernsteineinschlüsse des Grünen Gewölbes in Dresden berichtete. Daneben beschreibt er auch Steine, in denen die Phantasie irgendetwas Bildliches erblicken konnte. Leute, die gern Blei gießen, werden ihm hier am besten folgen können. Noch hübscher aber als diese Bernsteinplastik sind Malereien, die man in buntfarbigem Bernstein — Klecksographien ähnlich — entdeckt und in Rahmen gefasst hatte: Eine „hügelige Landschaft mit Wolken“ und „zwei Leuchttürme im brandenden Meer" waren die Glanzstücke der Dresdner Sammlung.

 

Man wusste in den Bernsteinkabinetten dem Beschauer die Dinge eben noch schmackhaft zu machen. Die Kataloge wiesen unter anderem folgende Nummern auf:

 

Bernsteintraube; Bernstein wie Zitronen und Pomeranzen von der Natur gebildet; Bernstein wie Pflaumen und Birnen, wie Spillen, wie eine Erdbeere; Bernstein wie Semmel, wie Konfekt; Bernstein wie kleine Zwiebacken; Bernstein, tropfförmig auf der einen Seite zugespitzt; Bernstein wie ein Vogel, wie ein Delphinkopf; Bernstein wie ein menschliches Brustbild; Von der Natur durchbohrte und polierte Stücke; Ein gelb glänzend Metallblättchen aus Bernstein; Weinklarer Bernstein an Fichtenholz; Seeiche mit Bernsteinstück zusammengeklebt; Auf Bernstein ästig gewachsenes Meermoos; Ungeziefer im Bernstein, teils ohne Füße, teils ohne Flügel; Ein kleines Muschelchen; Eine weiße Raupe mit rotem Kopf; Raupengrüppchen; Kleine Eierschalen; Wasserwürmer; Eine eierlegende Ameise; Ameisenkrieg; Eine Filzlaus; Ohrwürmer; Spinnen mit langen Beinen; Schlachtfelder von Spinnen; Ein Spinnenduell; Würmerhochzeit im Bernstein; Fliegenhochzeit — Fliegenmahlzeit; Fliegen im Brüten; Fliegenschlafzimmer; Mistende Fliegen; Goldfliege im goldklaren Bernstein; Fliegenscharmützel; Stinkfliegen, Uferaas, fliegende Ameisen, Bremsen; Eine wilde Erdbiene.

 

Selbstverständlich fehlten die künstlich hergestellten Einschlüsse nicht, die Frösche, ja selbst Fische zeigten, womit die Fabel, dass der Bernstein aus einer weichen Masse im Seewasser erhärte, genährt wurde. Geschickte Leute höhlten zwei Stücke aus, fügten sie wieder zusammen und umspannten die Schnittfläche mit einem Ring, um die Täuschung vollkommen zu machen.

 

Der preußische Dichter Daniel Hermann, der 1543 in Angerburg geboren wurde, hat zwei Bernsteineinschlüssen ein Denkmal gesetzt das davon zeugt, wie sehr sie den Betrachtenden zum Nachdenken anregten Es ist lateinisch geschrieben und möchte in deutscher Übersetzung ungefähr lauten:

 

Den Quakfrosch und das Eidechslein, die sich im Bernstein fingen und darin eingeschlossen sind, treibt es mich zu besingen.

 

Das unversehrte Fröschlein hat an Aussehn nicht verloren, selbst seine Farbe ist so grün, als sei es grad geboren.

 

Plumpfüßig sitz es da und glotzt, um schleunig fort zu hüpfen.

 

Behindert durch das zähe Harz in Freiheit zu entschlüpfen.

 

Und dort das flinke Eidechslein in einem andern Steine.

 

Vergebens ringelt es den Schwanz und streckt die kleinen Beine.

 

Die Schuppen, winzig anzusehn, erscheinen auf dem Rücken.

 

Ja selbst die Krallchen an den Zehn; die kann man noch erblicken.

 

Das Züngelmäulchen ward in Tod unförmig aufgetrieben.

 

Vom Blut sind manche Spuren rot lebendig nachgeblieben.

 

Apelles Pinsel konnte nicht den Eindruck besser fassen,

 

Als Farbe und Lebendigkeit ihn uns hier hinterlassen.

 

Aber schon anderthalb Jahrtausende zuvor wurde ein Bernsteineinschluss Veranlassung zu einem Epigramm von Martial:

 

Als im Zeitalter der großen Entdeckungen das Silber in Europa wohlfeil wurde, sank der Wert des Bernsteins auf ein Geringes, wovon er sich jedoch bald wieder erholte. Während des Siebenjährigen Krieges schickten die Russen, die Ostpreußen damals besetzt hielten, den Bernstein nach Petersburg. Gerade zu dieser Zeit waren für seine Gewinnung ergiebige Jahre. Ihre Prachtliebe hatte den Schmuck schon immer bevorzugt. Vielleicht waren sie auch durch das einzige, völlig in Bernstein gehaltene Zimmer im Schloss von Zarskoje Sjelo auf den Geschmack gekommen. Friedrich Wilhelm I. hatte es dem Zaren zum Geschenk gemacht. Auch der große russische Gelehrte Lomonossow hat sich um die Bernsteinforschung verdient gemacht.

 

Auf Grund sorgfältig geführter Verzeichnisse können wir sehen, dass die Menge des aufgefundenen Bernsteins immer annähernd die gleiche geblieben ist. Immer hat der Strand zwischen Neuhäuser und Brüsterort die vorzüglichste Ausbeute gegeben, während sie auf der Frischen Nehrung und längs der Nordküste gering war. Unerschöpflich scheint der Vorrat, der auf dem Grund der See ruht, die nach wie vor, besonders bei Nordweststurm, den glänzenden Stein auf den Strand wirft, den wir als eines der großen Wunder der Natur bestaunen, so wie ihn einst das freie Volk der alten Preußen bestaunt haben mag.

 

Die Wanderung längs der samländischen Steilküste von Brüsterort bis Rauschen haben wir zu jeder Jahreszeit unternommen. Am tiefsten erlebten wir sie im frühen Sommer, solang die umbuschten Pfade vom Gesang der Sprosser übertönt waren und satte Farben die Daseinsfreude erhöhten als eine greifbare Welt, in der alles natürlich und körperlich schien.

 

Ausblicke von klassischer Prägung sind so häufig, dass man sich an südliche Gestade versetzt fühlt, solang einem das Land der Griechen als Inbegriff maßvoller Schönheit vorschwebt. So wurde uns das Bild zweier junger Mädchen, die in der Venusschlucht dem Badestrand zu tanzten, zum dithyrambischen Reigen.

 

Die zahlreichen Schluchten, die durch das Niederstürzen von Gewitterbächen geschaffen wurden, sind mit Namen belegt, von denen die altüberlieferten wie „Blaue Rinne“, „Fuchsschlucht“, „Rosenschlucht“ und „Seegrabenschlucht“ am freundlichsten sind.

 

Die stärkste Wirkung übt auf den Beschauer die Wolfsschlucht aus. Wie zur Freilichtbühne geschaffen, baut sich der bewaldete Hang unmittelbar vor der See im Halbrund auf, dem ein Bächlein entspringt. Man vermisst geradezu die Nordmänner, die ihre Drachenschiffe hier auf den Sand ziehen, um von der wilden Küste Besitz zu ergreifen. Ihr unaufhaltsamer Zerfall ist die Ursache mancherlei Bestrebungen zu ihrer Erhaltung gewesen. Man darf freilich nicht übersehen, dass gerade in diesem Zerfall ihr größter Reiz liegt, nicht anders, als im Gebirge, dessen Schönheit wir seiner Verwitterung zu danken haben. Es steht nicht zu erwarten, dass ihre Eigenart durch das Zerstörungswerk beeinträchtigt wird.

 

Die Besitzer der anliegenden Felder allein sind die Leidtragenden, von deren Land unablässig die Erdmassen abbröckeln, selbst wenn man immer wieder versucht hat, ihrem Dahinschwinden durch Bepflanzen der Ränder Einhalt zu gebieten. Das abgestürzte Gestein wird durch die See zerrieben und fortgespült und schnellwüchsige Pflanzen begrünen immer aufs neue die verwüsteten Hänge, unter denen sich der zähe Sanddorn mit seinem weitverzweigten Wurzelwerk, die Eberesche, deren Samen durch Vögel überall hin verschleppt werden und die Schwarzerle am meisten bewährt haben. Harte Gräser und Huflattiche tragen ebenfalls zur Befestigung bei.

 

Nicht die See, die nur bei Sturmfluten über den flachen Uferstreifen bis zur Steilküste emporleckt und obendrein neuerdings durch Buhnen gebändigt wird, sondern das Sickerwasser verwandelt schräge Flächen in Steilhänge, wenn es in tiefere Schichten gelangend sich einen Ausweg sucht. Stellenweise findet man senkrecht abgespaltete Erdmassen, deren völliger Abbruch unmittelbar bevorzustehen scheint. Aber auch der Wind ist eifrig am Werk, sandige Nasen auszunagen.

 

Der Aufbau der Schichten ist vielerorts durch seine Färbung zu erkennen. Dunkle Stellen verraten Braunkohle, rostrote eisenhaltige Schichten. Hier und dort hat das niederstürzende Wasser bläulichen Ton mitgeschwemmt, der sich wie ein Lavastrom fächerförmig über den Strand breitet.

 

Der früher so eigenartig geformte Zipfelberg bei Großkuhren hat in den letzten fünfzig Jahren so viel von seiner Gestalt verloren, dass sein Name schon keine Berechtigung mehr besitzt. Da er für die Bewohner des Dörfchens allzu bequem vor der Tür lag, wenn es galt, feinen Sand zum Scheuern der Stuben herbeizuschaffen, ist er noch schneller in sich zusammengesunken, als wenn seine Abtragung lediglich Wind und Wasser besorgt hätten.

 

Der Wachbudenberg erhebt sich noch einiges über den Küstensaum hinaus. Die Spannung, mit der wir hier zum ersten Mal den Weg zum naheliegenden Brüsterort aufnahmen, wird jeder nachfühlen können, für den das Betreten geographisch wichtiger Punkte ein kleines Ereignis ist.

 

In der hitzeflimmernden Luft schwirrten Tausende von Libellen. Das Laubwerk der Büsche war mit Marienkäferchen übersät, die wie rote Beeren glänzten. Uferschwalben strichen behänd aus ihren Erdhöhlen.

 

Das Wasser der Ostsee hatte eine flaschengrüne Färbung. Bis auf hundert Meter hinaus vermochten wir auf ihrem Grund die gewaltigen Steinpackungen zu verfolgen, dieselben Blöcke, die auch am Ufer allenthalben verstreut liegen und an den estländischen Glint erinnern, mit dem die Küste hier viel Ähnlichkeit hat.

Fortsetzung folgt.

 

 

Seite 12   Alte ostpreußische Fastnachtsbräuche

Daheim bei den großstädtischen Maskenbällen und Kostümfesten dachte man wohl kaum an den tieferen Sinn, der dem Faschingstreiben zugrunde liegt. Auf dem Lande aber hatten sich hier und dort noch alte Fastnachtssitten erhalten, die ihren Ursprung bis in die graue Vorzeit zurückleiten und an die Vorfrühlingsfeiern der alten Germanen mit ihrem Glauben an Winterdämonen und Frühlingsgötter erinnern. —

 

Nach dem Rosenmontag, am Faschingsdienstag, so am frühen Nachmittag, wenn die Dämmerung das Land einhüllte, dann trug der Wind den Duft von kochendem Fett und frisch gebackenen Pfannkuchen in den bald beginnenden Faschingstrubel. In jedem Haus gab es die bekannten Pfannkuchen, auch „Pummelchen“ genannt, aus weißem oder dunklem Mehl, mit Pflaumenmus gefüllte oder nur mit dem Löffel abgestochene, je nach Geschmack und Vermögen, und auch der Ärmste wurde mit Kaffee und „Pummelkuchens“ bedacht.

 

In der Fastnacht, plattdeutsch „Foostnacht" oder auch „Foaßnacht" oder am „Fasteloawend“ war es auf den Gassen und Straßen nicht geheuer. Der „Boar" (Bär) ging um und zog mit seinem Anhang von Haus zu Haus. Da gab es Gelegenheit zu allerhand Schabernack und lustigen Späßen. Ein grausliches Brummen hörte man und die seltsamen Gäste zogen in das bereitwillig geöffnete Haus oder Hofplatz ein. Im Schafspelzwams erschien der Bärenführer, der „Leidebar“, mit seinem Gefangenen an einer langen, schweren Eisenkette. Das war so ein Bursche, meist der größte und stärkste, der, vom Kopf bis zu den Füßen dicht mit Stroh umhüllt, mit braungefärbtem Gesicht, den Bären darstellte. Ein Musikant spielte auf seiner Ziehharmonika den „Boaredanz“, sine flotte Polka. Ein wild aussehender „Zigeuner“ schlug mit zwei blechernen Topfdeckeln den Takt dazu. Der „Boar“ mit seinem dicken Strohpelz sträubte sich zuerst und wälzt sich wütend brummend auf der Erde. Mit Gertenschlägen und scheltenden Zurufen wurde er auf die Beine gebracht, Und nun tanzte er wirklich den „Boaredanz“. Der „Meister", der Bärenführer, rief sein aufmunterndes „Hoho-hoppla“ dazwischen und ließ seine lange Haselrute durch die Luft sausen, bis die Musik mit einem schrillen Akkord abbrach und der seltsame Tänzer keuchend und schwitzend stehen blieb. In des Bärenführers Hut sammelten sich die „Dittchen" der Beifall klatschenden Zuschauer. Auch die dicht vermummte „Prachersche“ war mit dabei und sie kam mit ihrem Henkelkorb nicht zu kurz. Dann trottete die kleine Gruppe hinaus, der „Boar“ wurde auf den Handschlitten verpackt und munter ging es weiter, wohl noch vielen Scherzen und Neckereien ausgesetzt, die aber alle mit zum „Fasteloawend“ dazu gehören. Endlich war der Umzug im Dorf beendet, und die kleine Gruppe ging in das hellerleuchtete, für den „Fasteldanz“ bestimmte Haus. Dort wurde der Abend bei Tanz und Spiel, Essen und Trinken abgeschlossen. Die Kapelle ließ schon die Fiedel, Flöte, Bassgeige hören. Dem „Boar“ wurde die Kette abgenommen, in seinem Strohwams musste er aber noch mit der ihm zugedachten „Boarebrut“ (Bärenbraut) tanzen. Unter den an den Wänden sitzenden „Marjellchens“ war die Bärenbraut nicht. Inmitten des Raumes hockte sie am Boden, durch einen Wust von Röcken und Tüchern dicht verhüllt und unkenntlich gemacht. Misstrauisch stand der stramme „Boar“ vor dem unförmigen Bündel. Es ist schon dagewesen, dass der alte Kuhhirt, der junge Pferdeknecht oder gar eine Strohpuppe aus der Vermummung zum Vorschein kam! Aber wie groß war die Freude, wenn aus den vielen Hüllen die Herzerkorene sich herausschälte! Und nun ging es los zum Bügeltanz, auf Plattdeutsch „Bägeldanz“.

 

Zum Bügeltanz (Fasteldanz wurde wochenlang vorher gespart und dann zusammengelegt (tosammegeschoaßt), damit es nur recht schön wurde. Der „Bügelmeister“ wurde mit allgemeinem Verständnis gewählt. Er musste völlig unbescholten sein, ganz „onbedarft" (unerfahren), schmuck, stattlich und gewandt und durfte noch keine Braut haben. Der Bügel wurde lange vorher in einer Vollmondnacht gefertigt, aus langen Weidenzweigen und zum Kreis gebogen. Eine Woche vor Fastnacht wurde er den „Marjelles“ zum Beputzen überreicht. Mit Tannengrün wurde er umwunden und mit bunten Bändern und Blumen geschmückt. Bei den Fischern auf der Nehrung benutzen die Mädchen noch die blauen Schirmmützen der Burschen, die sie beim Bügeltanz trugen. In der Dämmerstunde des „Fasteloawends“ fanden sich alle jungen Mädchen bei einer Familie oder in einem Saal ein. Hier erwarteten sie den Bügelmeister, um, ihm den Bügel zu überreichen und die jungen Burschen. Der Bügelmeister kam mit der Musik und seiner Gefolgschaft, um sich den Bügel und die „Majelles“ abzuholen. Dem Bügelmeister wurde der Bügel, das Zeichen seiner Würde, mit einigen plattdeutschen Redensarten oder Gedichten oder Liedern überreicht. Nach dem überreichen des Bügels wurde sofort das hübscheste und tugendhafteste Mädchen „gebügelt“. Alle Burschen mussten das betreffende Mädchen einstimmig dafür erklärt haben, dann war sie für den „Fasteloawend“ die Partnerin des Bügelmeisters, d. h. soweit sie frei war. Es war eine Ehre für die jungen Burschen, mit dem gewählten Mädchen tanzen zu dürfen, und da der Bügelmeister recht viele Pflichten hatte, war es so auch weise eingerichtet.

 

An einigen Orten wurde der Bügel von dem ältesten Instmann geflochten und aus dessen Wohnung auch abgeholt. Hier erhielt er auch seine besondere Weihe, indem er vom Bügelmeister unter zeremoniellen Bewegungen und mit einem Bügelspruch über die Frau des Instmannes gehalten wurde, die in einem Winkel des Zimmers auf einem Stuhl saß.

 

In anderen Orten wieder wurde die Partnerin des Bügelmeisters schon vorher gewählt und damit zugleich auch mit der Überreichung des Bügels betraut. Sie erwartete dann auch den Bügelmeister mit seiner Gefolgschaft allein und zog dann nach der Überreichung des Bügels an seiner Seite mit von Haus zu Haus, um der Reihe nach alle jungen Mädchen zum Tanze abzuholen. Dabei spielte lustig die Ziehharmonika, es wurde gesungen, gelacht und gescherzt und so führte der Bügelmeister seine Schar zum nächsten „Krug“ oder Bauernhof zum „Schwofen“.

 

Der Hauswirt stand an der Türe und entbot den Willkomm aus der vollen Flasche „Willkommsschnaps ut de volle Buddel“. Der Bügelmeister war der erste, der so geehrt wurde. Alle übrigen kamen erst eine Weile später an die Reihe. Zuletzt kamen die verkleideten Spaßmacher, welche den Fastelzug begleiteten und belustigten. Nach der Bewillkommstrinkerei ging es, der Hauswirt voran, im Polkaschritt nach dem Saal oder der „großen Stube“ und dann wurde „gescheiwelt, dat et Stroh ut de Mötz köm“.

 

Der Bügeltanz wurde an vielen Orten um Mitternacht getanzt, an manchen aber auch gleich am Anfang des „Fastelowends“. Vor Beginn des Bügelns hielt der Bügelmeister eine Rede, die gereimt sein musste und womit er den tieferen Sinn des ganzen Tages kennzeichnete, der etwa folgender war: Wenn das Mädchen im Kreise des Bügels steht, kommt alles zutage, bleibt es hängen, dann ist es vorbei mit Tanzen und Springen. Zerbricht es gar den Bügel beim Sprunge, dann bekommt es im Leben keinen Mann aus dem Orte; es bleibt dann sogar „auf der Kanzel hängen“ wenn es schon Braut sein wird und das Aufgebot bereits bestellt ist. Kam eine Braut nicht gut aus dem Bügel heraus, so deutete dieses, dass, das Verhältnis zwischen Braut und Bräutigam nicht ganz in Ordnung wäre. Den Mädchen wurde in Gedichten und Liedern anheimgegeben, lieber nicht zu springen, wenn sie fürchten müssten, hängen zu bleiben. An einigen Orten war es so, dass der Bursche eine „Lage“ ausgeben oder einen Taler zahlen musste, wenn sein Mädchen nicht aus dem Bügel springen konnte. Oft war es auch so, dass, nachdem der „Leidebar“ mit dem „Boar“ abgezogen war, die dort verbliebenen Mädchen „gebügelt“ wurden. Bei jedem Sprung, je höher, desto besser, riefen alle den Wunschspruch für das kommende Erntejahr: „So hoch das Gras, so hoch das Korn!“ Zum Schluss bekam der Träger von seiner Tänzerin ein Fünfzigpfennigstück, den „Halbegulden“. Oder vor der Musik stand ein Schüsselchen, in das jedes Mädchen nach dem Tanz ein Geldstück hineinwarf, denn nach alter Sitte wurden die Kosten für die Fastnachtsmusik von den Mädchen alleine bestritten.

 

Das Bügeln selbst war nicht ganz einfach. Der Bügelmeister musste sich hierbei wirklich als Meister zeigen. Er musste den Bügel nach ganz bestimmten Vorschriften halten; er durfte einem Mädchen den Sprung nicht erleichtern und dem anderen erschweren. Er musste sehr gerecht sein! Wehe aber, daher auch, dem Mädchen, das beim Bügelsprung hängen blieb! Es war sozusagen durch ein „Bügelmeisterurteil“ bloßgestellt. Wehe aber auch dem Bügelmeister, der ungerecht war! Der Bügel wurde dann sofort zerbrochen und der ungerechte Bügelmeister vom Bruder oder Bräutigam des betreffenden Mädchens, das zu hoch gebügelt wurde, jämmerlich verdroschen. Aber „sowas“ ist ja nur „alle Jubeljahre“ einmal vorgekommen! Es galt als Schimpf und Schande, einen ungerechten Bügelmeister zu haben.

 

Für junge Frauen war es eine besondere Ehre, gebügelt zu werden. Der Ehemann musste aber „Einen“ dafür ausgeben. Die junge Frau musste dann dreimal hintereinander springen Wenn die Sprünge gelangen, dann waren beide Eheleute froh und glücklich. Gerieten sie aber nicht, dann war es ein böses Omen. Ganz früher wurden die jungen Mädchen mit einem brennenden Licht in der Hand „gebügelt“, Wozu dann das Lied gesungen wurde: „Schweflicht Schweflicht, Wokeseide, Schweflicht, Schweflicht, Flokedanz! Hadd eck keenem Mann jenoame, durft eck nich met Schweflcht goahne. Man könnte annehmen, dass in dieser Form der Bügeltanz mehr für die verheirateten jungen Frauen gewesen sei. Aber diese alte Form war schon fast völlig in Vergessenheit geraten.

 

Auf den Nehrungen und im Samland ging dem Bügeltanz ein Einzug (Aufmarsch) voraus, und dazu wurde gesungen: „Wir kommen hereingetreten, Loop an de Linge, mit Singen und mit Beten, Loop an de Linge. Zucht und Ehr wölle wir bi de Jungfer finde!“

 

Starb der Bügelmeister im Laufe des Jahres, so war es in manchen Gemeinden Brauch, dass er den Bügel als Krone geformt und geflochten mit ins Grab bekam. Die Fastnachtsbraut musste ihm einen Kranz von Perlen auf das Grab legen.

 

So ging es froh und lustig in der Fastnacht zu! Wer nicht recht Lust hatte, dem wurde u. a. folgendes gesagt: „De Domme wo segge, dat dat Bügeln nuscht es, de wöte wat vorn Kattedreck. Foaßnacht ös tom Danze on Springe da, on wea nich mea danze on springe kann, de soll sök schoakele loate“.

 

 

 

Seite 12   Goldmanns Kriminal - Romane, Saxer Bohmer, Gelbe Schatten, John W. Vandercoock: Das Geheimnis der Fidschi-Insel, Thomas Muir; war es Mord? — Verlag Wilhelm Goldmnan München. Kart. 3-- DM, Ln. 4,90 DM.

Man darf eigentlich nicht über Kriminalromane schreiben, es ist gegen die Spielregel, so möchte man fast sagen. Das gilt, wenn es auch heute schon eine Art Literarkritik des Kriminalromans gibt. Nur ist es eben so, dass der Typ dieser Literaturgattung ein für alle Mal feststeht. Was nicht immer ausgemacht ist, das ist der Grad der Annäherung, welchen der jeweilige Autor in diesem Typus gegenüber erreicht. Von den drei neuen Romanen, die kürzlich von dem auf diesem Gebiet besonders rührigen Verlag W. Goldmann herausgebracht, wurden, und auf die hier nachdrücklich hingewiesen sein mag, von diesen drei Büchern ist zu sagen, dass sie in hohem Maße unterschiedslos die Technik des Romans beherrschen. Der Aufbau gleicht in allen einem Spiel, dem zuzuschauen, es mit zu erleben, großen Genuss bedeutet. Die lückenlose Beherrschung des Milieus, — Vandercook legt den Schauplatz in die Südsee, Rohmer ins Chinesenviertel, Muir in die Welt der chemischen Forschung — ausgezeichnet. Es ist erstaunlich welche Kultur diese Darstellungen durchdrungen haben, erstaunlich das Niveau, so dass man fast zögert, die Bücher als Kriminalromane anzusprechen.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (7)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Im Januar is hier e bische viel Schnee vom Himmelche runtergekommen. Was gab das fier e Aufregung! Da hädden de Leite mal so e richtgem ostpreißischem Winter erleben mißd. Die hädden vleicht gekickt! Gerad hab ich e Briefsche inne Hand, wo mir eine ostpreißische Frau Margarethe W. geschrieben hat, so auch frieher inne Insterburger Eck wohnd. So erzählt von Bubainen, Didlacken und Schwägerau, von eiem Besuch bei Oberförsters in Waldhausen, und se schreibt so traust und gemietlich, dass mir de Augen nass wurden. Vom ostpreißischem Winter erzählt se und vom Friehjahrstreck und, was mir am dollsten gefreit hat, von meinem großen starken Briefträger-Kollegen aus Gaiguhnen, wo jeden Tag trei und brav durch Schnee und Matsch marschierd, auch wenn ihm der Dreck von oben inne Stiefel reinsuppd. Er mißd immer dem Lehmweg langgehen, und denn war er hinten bedreckt und bespritzt bis am Puckel. Und denn sagden de Leite: „Da kommt der Lehmnarsch!“, und jeder gab ihm e Schnapsche. Scheenem Dank, Frau W., fier Ihr freindliches Briefche! Haben Se nich auch Lust mal zu schreiben, dass wir uns e bißche näher kennen lernen? Schicken Se einfach anne Redaktion, es kommt schon richtig an, dafier is de Post bekannt und beriehmt, dass se jedem finden tut, auch wenn er bloß e kleiner Flichtling is. Es kann ja nich jeder Briefträger sein, aber es is von mir kein Iebermut nich und keine Ieberheblichkeit, wenn ich stolz bin auf meine friehere Tätigkeit als Landbriefträger z. A. Wir waren doch de Kulturträger! Wir brachden de „Ostdeutsche Volkszeitung“ und das „Ostpreißische Tageblatt“ aufe Dörfer und fier dem Herr Lehrer noch de „Berliner Morgenzeitung“. Er war ja auch e halber Kollege von mir, denn an seinem kleinen Hausche, wo er später pensioniert wohnd, war e blauer Briefkasten, damals waren nich bloß de Briefträgers blau, sondern auch de Briefkästen, später haben se denn aus Ärger ieber die schlechte Zeiten zweimal de Farb gewechselt — und er verkauft Briefmarken und Postanweisungen. Aber das war ja man e untergeordnete Tätigkeit, ohne mir hädden alle Briefmarken nuscht genitzt, de Briefe mechden heite noch innem Kasten liegen, wenn ich ihnen nich abgeholt hädd. Ich war ebend e „Aktivist“, ich stampfd durch Schnee und Modder und ließ mir von meine Pflicht nicht abbringen. Sehn Se, und dadrauf kann ich doch sehr stolz sein. Es geheerd auch Mut dazu, und das werden Se gleich sehen. Im Winter waren meistens alle Wege so zugestiemt, dass kein Durchkommen nich war. Morgens, wenn aufstandst, kriegst von drennen de Tier nich auf. Denn mißd erst dem Fenster auftauen und rausklettern und de mannshohen Schneehaufen wegschaufeln. De Kraupitschker Kleinbahn blieb alle Naslang stecken, weil alles verstiemt war. Statt morgens war se denn erst mittags in Insterburg. Und wenn se denn mit ihre Passaschiere, mit Zeitungen und Briefe wieder zurickfuhr, denn war manchmal wieder alles zu, und se kam und kam nich vorwärts. Ich huckd denn aufe Poststation beim Nucklies und lauerd wie so e Dummer. Und denn kam se endlich im Diestern angeschnauft, als wenn se Astma hädd. Und alles war befroren und bereift, dass aufes Fenster erst e halbe Stund pusten mißd, bis durchkicken konndst. Ja, das war unser ostpreißischer Winter. Manchmal war denn e Dorf tagelang von alle Verbindungen abgeschnitten, denn de Schlitten blieben auch stecken. Bloß der Trostmann kam oder mein Kollege Raudschus oder der Nachtwächter Endrissat. Se wissen ja, der war noch mehr wie ich, nämlich Aushilfsbriefträger z. A. „So geht das nich weiter“, sagd einem Winter der Gastwirt Rinnau in Kamswutschen, „wenn jetz Friehling wird, lass ich mir einem Telefong bauen“. Und richtig, kaum dass der greeßte Dreck vonne Straßen weg war, kamen de Männer vonnes Telegrafenbauamt. Es wurden Löcher gebuddelt und Masten aufgestellt, denn wurd Draht gezogen, und mit eins hädd der Rinnau einem Telefong. Anne Wand hing e Kasten mit e Kurbel, und am Haken war der Heerer aufgehongen. Aller staunden Bauklötze, und der Rinnau schmiss sich inne Brust, dass de Rippen knasterden, und kam sich ganz doll wichtig vor. Aber denn wurd er mit eins ganz klein. Denn wie de Telefongarbeiter weg waren, hold er sich das halbe Dorf zusammen und wolld nu mal richtig mit seinem Klingelkasten angeben. Wie jeder sechs Menschkinnes intus hädd, stand er auf und sagd ganz feierlich: „Jetz weih ich ihm ein!" Denn schaukeld er mit seinem Ieberbauch langsam durche Stub, ging aufem Telefong los und nahm dem Heerer inne Hand. Ehr dass er aber noch de Kurbel anfassen kond, klingerd einer vonne andre Seit. Das haud ihm richtig inne Ohren, dass er dachd, er hat e elektrischem Schlag gekriegt und muss nu seinem Geist aufgeben. Viel Geist hädd er ja nich zum Aufgeben, aber wenn einer dem ganzen Spirtus mitreched, wo ihm mit die Jahre durche Gurgel gegangen war, denn kam doch e ganzer Haufen zusammen. Jedefalls ließ er dem Heerer los, wurd weiß wie Kreid, und rietz lag er lang neben seiem Telefong als Opfer von die Zivilisatzjohn. Denn haben se ihm mit kaltem Wasser, wo se ihm ieberm Kirbis gossen, wieder in die schlechte Welt zurick geholt. Inzwischen war auch seine Altsche zugekommen — hinten so vorne wie rund, zwei Zentner zwanzig Lebendgewicht — und hat ihm denn, wie er seine Schnapsaugen wieder aufmachd, auch noch ganz geheerig besackt, dass er ieberall mit seine unegale Fingers rangeht, dass er dammlicher is wie der Borg im Stall und was weiß ich, was er noch alles zu heeren kriegd. Das war nu im Dorf schnell rum, und wie ich am andern Morgen, es war Sonntag, nach Kamswutschen kam, da kriegd ich es ieberall briehwarm vorgesetzt — und e doppeltem Kornus dazu. Mit leichte Schlagseite erreicht ich denn schließlich dem Krug, wo all wieder aller versammelt waren, weil se de glickliche Rettung vonem Krugwirt ordentlich begießen wollden. Das hädden se zwar schon am Abend vorher gemacht, aber doppelt hält besser, und sone Gelegenheit zum Feiern kam ja nich oft. Da huckden der Dirschus und der Krakuhn, der Passenau und der Riedelsberger, der Schuster Hortian, der Bartoleit und noch e paar weniger bedeitende Perseenlichkeiten, und dazwischen huckd Rinnau und erzähld umständlich, wie es innes Jenseits aussieht, wo er sich nach seine Behauptung am Tag vorher mindestens e halbe Stund aufgehalten hädd. Also ich kam nu rein und mißd mir gleich hinhucken und zuheeren. Mit eins meind derRinnau: „Trostmann, Du bist doch e heeherer Postbeamter. Du musst jetzt dem Postamt in Insterburg anrufen und Dir wegen gestern beschweren“. Sehn Se, und nu kam es auf dem Mut an, wo ich erst sagd. Ich konnd ja genau so eins eläktrisch gegnem Kirbis kriegen wie der Rinnau, und der hädd ja lang und breit erzählt, wie schrecklich und gefährlich das gewesen war. Soll ich, soll ich nich? Es war e sehr schwierige Entscheidung, denn es konnd ja auch noch schlimmer kommen. Damals war de Technik noch lebensgefährlicher wie heite, und mitten eläktrischen Strom war nich zu spaßen. Aber nu nahmen se mir hoch, dass ich Schiss hädd, und wie se mir noch drei Meschkinnes eingeholfen hädden, da nahm ich alle Kraft zusamme, de Lust und auch dem Schmerz, und ging auf dem Kasten los. So muss einem Herero zu Mut sein, wo aufem Stier losgeht — „Torero“, sagt de Emma, wie ich ihr dem Satz vorles. Also was soll ich mir streiten, meinetswegen auch Tornado. Und ich hadd Glick! Wie ich de Kurbel e paarmal gedreht hädd, sagd e reizende Dame: „Amt“. Ich zurick: „Was für Amt? Standesamt oder Finanzamt?“ Da kicherd se und meind: „Welche Nummer wollen Se?“ „Wieso Nummer? Ich will mich beschweren, der Deiwelkasten hat gester bald dem Rinnau umgebracht!“ Nu lachd se los. Das hab ich mir aber verbeten und mir als heeherer Postbeamter vorgestellt wo geradzig Telefong-Kontrolle macht. „Also welche Nummer, bitte?“ „Geben Se mir meinen Freind Schneidereit, wo bei die rundlich Witwe inne Theaterstraß wohnt“.  „Der hat keinem Anschluss, in der Theaterstraße wohnt kein Teilnehmer Schneidereit“. „Der hat mehr Anschluss wie er braucht, er is unverheiratet , und im iebrigen haben die Leite inne Stadt alle e Telefong“. Da fing se an zu lachen, und da mißd ich auch lachen, und den haben wir sich wieder getrennt. Nu war ich natierlich der Held des Tages. Dass ich es wirklich riskerd hädd, mittem leibhaftigen Tod zu sprechen, das war nu in ganz Kamswutschen Tagesgespräch, und ich konnd mir gar nich retten vor Glickwinsche und Bährenfang. Wie weit liegt das nu schon alles zurick! Und wie schnell is de Tächnik marschiert! Damals war das erste Telefong im Dorf e großes Wunder, und heite wollen se ganz ernsthaft aufem Mond fliegen. Womit ich mir fier heite empfehle. Mit herzlichem Heimattgruß! Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a, zu richten.

 

Gesucht wird:

 

Martha Steffen, aus Bartenstein, Heilsberger Str. 14, für Bernhard Steffen, geb. 15.04.1911 in Mehlsack.

 

Bernhard Schwark, aus Birkenau, Kreis Allenstein, für Bernhard Schwark, geb. 18.09.1925 in Groß-Mönsdorf.

 

Familie Stechert, aus Birkenhorst, Post Insterburg-Land 2, für Gerhard Stechert, geb. 04.02.1910 in Tilsit.

 

Hermann Schwark, aus Bloskain, Kr. Rastenburg, für Fritz Schwark, , geb. 26.12.1926 in Landkain.

 

Maria Schulz, , aus Braunsberg, Kolegienstr. 1, für Ernst Schulz, , geb. 27.09.1898 in Brüscherhof.

 

Wilhelm Schulz, aus Brodau. Kr. Neidenburg, für August Schulz, geb. 09.03.1912 in Brodau.

 

Familie Schubert aus Elbing, Bunsenweg 27, für Kurt Schubert, geb. 08.12.1920 in Ochmitz.

 

Käthe Joswig, aus Farienen, Kr. Ortelsburg, für Otto Joswig, geb. 05.08.1914 in Farienen.

 

Lydia Steffen, aus Fürstenau, Kr. Preußisch-Holland, für Wilhelm Steffen, geb. 20.12.1902 in Neubollstädt.

 

Familie Stange, aus Goldap, Lindenstr. 10, für Adolf Stange, geb. 15.11.1887 in Heiligenbeil.

 

Sylvester Schwauna, aus Habigotten, für Bruno Schwauna, geb. 29.07.1926 in Habigotten.

 

Helene Bieberneit, aus Hardteck, Krsei Goldap, für Fritz Bieberneit, geb. 01.07.1902 in Groß Rominten.

 

Karl Schwartz, aus Höhenwerda, Kreis Ortelsburg, für Ernst Schwartz, geb. 30.11.1925 in Höhenwerda.

 

Karl Schwarzinger, aus Hohenau, Feldgasse 234, für Josef Schwarzinger, geb. 08.01.1920 in Hohenau.

 

Frau Stahl, aus Hohenstein, für Otto Stahl, geb. 12.02.1910.

 

Gustav Stadtaus, aus Hindenburg bei Labiau, für Hans Stadtaus, geb. 14.08.1921 in Hindenburg.

 

Wilhelm Schuhmacher, aus Hoverbeck, über Sensburg, für Wolfgang Schuhmacher, geb. 13.01.1922 in Hoverbeck.

 

Maria Schreiber, aus Klarheim, Johannisburg, für Wilhelm Schreiber, geb. 29.10.1900 in Rossengen.

 

Luise Schwarz, aus Klein-Angerapp. Kreis Angerapp, für Emil Schwarz, geb. 02.10.1908 in Milchbude.

 

Familie Stachelek, aus Klein-Kurvin, Kr. Allenstein, für August Stachelek, geb. 02.09.1908 in Seniezio.

 

Familie Stachowitz, aus Königsberg, für Günter Stachowitz, geb. 06.11.1926 in Königsberg.

 

Amanda Schulz, aus Königsberg, Altstädt. Langgasse 9, für Hans Schulz, geb. 02.05.1909 in Königsberg.

 

Familie Schwarz, aus Königsberg Hardenbergstraße 23, für Siegfried Schwarz, geb. 26.04.1926 in Königsberg.

 

Erna Steinbeck, aus Königsberg, Kohlhof, für Kurt Steinbeck, geb. 18.01.1906 in Königsberg.

 

Karl Schwarz, aus Königsberg, Lieperweg 55, für Karl Schwarz, geb. 10.06.1920 in Königsberg.

 

Franz Braun, aus Königsberg, für Manfred Braun, geb. 30.12.1923 in Königsberg.

 

Lisbeth Stahl, aus Königsberg, Quedenau, Wehrmachtssiedlung 60. für Max Stahl, geb. 16.06.1907 in Neudrienen.

 

Maria Steidinger, aus Kulmsee, Kulmer Vorstadt 40b, für Leo Steidinger, geb. 04.10.1912 in Thorn.

 

Berta Schulz, aus Lawa, Kr. Bartenstein, für Heinrich Schulz, geb. 25.05.1905.

 

Hedwig Worm, aus Liebenfelde, für Walter Worm, geb. 30.01.1927 in Wilhelmsburg.

 

Familie Steffen, aus Liewenberg, Kr. Heilsberg, für August Steffen, ,geb. 28.12.1926 in Liewenberg.

 

Anna Stadie, aus Lindendorf, Kreis Wehlau, für Karl Stadie, geb. 26.01.1898 in Abschrutten.

 

Familie Schwiderski, aus Lyssuhnen. Kr. Johannisburg, für Gustav Schwiderski, ,geb. 04.11.1903 in Lyssuhnen.

 

Frau Schweizer, aus Mardefelde, Kreis Schloßberg, für Ernst Schweizer,  geb.  25.11.1917 in Sühlendorf.

 

Emil Steiner, aus Martersdorf, Kreis Osterode, für Helmut Steiner, geb. 11.03.1926 in Martersdorf

 

Martin Stargard, aus Nahausen, Kreis Königsberg, Dorfstr. 127, für Martin Stargard, geb. 10.11.1925 in Reichenfelde.

 

Luise Makowka, aus Ortelsburg, Kreis Ortelsburg, Hindenburgstr. 7, für Gustav Schweda, geb. 24.12.1913 in Muschaken.

 

Familie Schwalkowski, aus Pillkallen, für Fritz Schwalkowski, geb. 01.03.1902.


 


 

Helmut Sinz, aus Poetschwalde, Kreis Gumbinnen, für Horst Stamm, geb. 20.11.1916 in Laukwangen.

 

Martha Stebner, aus Schloß-Schlodien, über Mühlhausen, Kr. Preußisch-Holland., für Erich Stebner, geb. unbekannt.

 

Emma Stanscheit, aus Schönwiese, Kreis Elchniederung, für Kurt Stanscheit, geb. 28.12.1912 in Lindendorf.

 

Frau Jannowitz, aus Seeag, Kreis Neidenburg, für Franz Jannowitz, geb. 08.10.1911 in Grünau.

 

Adolf Schwarz, aus Siemen, Kreis Angerburg, für Kurt Schwarz, geb. 12.02.1917 in Grünwalde.

 

Gustav Stachel, aus Sobrost, Kr. Angerapp, für Willi Stachel, geb. 13.09.1922 in Groß-Sobrost.

 

Margarete Schulzki, aus Sonntag, Kreis Sensburg, für Adolf Schulzki, geb. 15.04.1906.

 

Wilhelm Schulzki, aus Süssnick. Kreis Rastenburg, für Willi Schulzki, geb. 03.03.1926 in Sussnick

 

Elfried Wallup, aus Tilsit. Grünes Tor 1, für Alfred Stascheit, geb. 17.07.1923 in Karnaß.

 

Elisabeth Schulzki, aus Tollnigk, Kreis Heilsberg, für Anton Schulzki, geb. 23.04.1900 in Tollnigk.

 

Frau Stege, aus Waldhausen bei Insterburg, für Max Stege, geb. 22.07.1898 in Draupchen

 

Käthe Steffan, aus Wiesenfeld, Kr. Neidenburg, für Leonhard Steffan, geb. 28.12.1901 in Rauschken.

 

Walter Rudolph, aus Königsberg, Tenketer Straße 13, für Hermann Rudolph, geb. 29.03.1924 in Königsberg.

 

Familie Till, aus Königsberg, Unterhaberberg Nr. 86/88, für Willi Till, geb. 18.06.1913 in Jankendorf.

 

Martha Thimm, aus Königsberg, Weidendamm 43, für Willi Thimm, geb. 17.11.1900 in Königsberg.

 

Anna Thiel, aus Königsberg, Wickbolderstraße 100, für Willi Thiel, geb. 14.12.1906 in Königsberg.

 

Dorthea Stolle, aus Königsberg, Wißmannstraße 6, bei Dr. Weiß, für Georg Stolle, geb. 19.07.1908 in Moskau.

 

Martha Tinz, aus Königsberg, Zeppelinstraße, für Erich Tinz, geb. 15.01.1911 in Königsberg.

 

Heinrich Sauer, aus Kumehnen im Samland, für Otto Sauer, geb. 28.08.1901 in Seefeld.

 

Albert Taube, aus Kunzendorf 86, Post Michelsdorf, für Engelbert Taube, geb. 02.10.1924 in Kunzendorf.

 

Paul Tillwicks, aus Lötzen, Schwarzweg, für Heinz Tillwicks, geb. 11.05.1926 in Lötzen.

 

Auguste Ruddigkeit, aus Lotterbach über Mehlsack, Post Lichtenau, für Walter Ruddigkeit, geb. 13.081919 in Schwirblinen.

 

Fritz Sarge, aus Lyck, Prosker-Vorstadt, für Ernst Sarge, geb. 31.07.1913 in Lyck.

 

Ida Ruddies, aus Marienbruck, Post Seckenburg, Kreis Labiau; für Hermann Ruddies, geb. 09.05.1904 in Schaugsten.

 

Gertrud Sareiko, aus Mohrungen, frühere Ad.-Hitler-Str. 54/8a, für Kurt Franz Sareiko, geb. 04.12.1905 in Königsberg.

 

Friederike Tisarzyk, aus Nehberg, Kreis Sensburg, für Walter Tisarzyk, geb. 21.03.1915 in Nehberg.

 

Erna Thimm, aus Neidenburg, Hindenburgstraße, Abbau, für Gerhard Thimm, geb. 08.12.1925 in Neidenburg.

 

Viktoria Stolla, aus Neudims bei Bischofsburg, Kr. Rössel, für Johann Stolla, geb. 25.07.1902.

 

Familie Thater, aus Noßberg, Kr. Heilsberg, für Josef Thater, geb. 21.10.1922 in Reichenberg.

 

Otto Tautius, aus Pohinbels, Kreis Rastenburg, für Ottomar Tautius, geb. 04.02.1927 in Schwiedern.

 

Frieda Tiedtke, aus Plötnik, Kr. Rastenburg, für Heinrich Tiedtke, geb. 28.05.1906 in Plötnik.

 

Familie Thiele, aus Poppendorf, Kreis Wehlau, für Helmut Thiele, geb. 21.08.1925 in Friedland.

 

Familie Thiel, aus Preußisch-Eylau, Mühlenweg 1, für Fritz Thiel, geb. 05.08.1924 in Bothoswalde.

 

Rudolf Tiedemann, aus Altfelde, Kreis Marienburg, für Friedrich Tiedemann, geb. 22.06.192? in Altfelde.

 

Hedwig Tertel, aus Arys. Lückerstr. 2, von Fritz Tertel, geb. 01.09.1900 in Lyck.

 

Michael Ruddies, aus Bardenen, Kreis Tilsit, für Walter Ruddies, geb. 03.11.1912 in Trakeninken.

 

Elli Störmer, aus Bartenstein, Königsberger Str. 47, für Walter Störmer, geb. 03.07.1901 in Königsberg.

 

Wilhelmine Tillert, aus Blumenthal, Kr. Lyck, für Otto Tillert, geb. 16.10.1919 in Blumenthal.

 

Karl Sawatzki, aus Brennen, Kr. Johannisburg, für Rudolf Sawatzki, geb. 18.04.1916 in Brennen.

 

Luis Stockhaus, aus Cojehen, für Ewald Stockhaus, geb. 01.11.1917 in Bruchort.

 

Paul Stöpke, aus Eisenberg, Kr. Heiligenbeil, für Otto Stöpke, geb. 04.07.1910 in Eisenberg.

 

Ernst Schlabach, aus Friedrichshof bei Hohenfürst über Heiligenbeil, für Willi Thal, geb. 21.12.1913 in Friedrichshof.

 

Wilhelm Teichgräber, aus Friedrichshof bei Kulsow, Kr. Stolp, für Max Teichgräber, geb. 21.11.1919 in Augustfelde.

 

Martha Thimm, aus Gerdauen, früher Erich-Koch-Str. 5, für Rudolf Thimm, geb. 31.12.1910 in Königsberg.

 

Emma Thiel, aus Goyden bei Saalfeld, Kreis Mohrungen, für Erich Thiel, geb. 25.10.1915 in Klein-Stobboy.

 

Fritz Thalmann, aus Groß-Heydekrug, Kapornerstraße, für Willi Thalmann, geb. 26.04.1918 in Groß-Heydekrug.

 

Gustav Tiedtke, aus Heibutten, Kr. Loetzen, für Herbert Tiedtke, geb. 19.02.1921 in Groß-Olchingen.

 

Josef Störmer, aus Jackendorf, Kr. Allenstein, für Johann Störmer, geb. 05.06.1923.

 

Meta Tybussek, aus Jungingen, Kr. Osterode, für Emil Tybussek.

 

Felixa Sargalski, aus Klensgau, Kr. Neidenburg, für Bruno Sargalski, geb. 15.08.1917 in Schreibesdorf.

 

Amalie Stolp, aus Königsberg, für Franz Stolp, geb. 21.02.1894 in Großlüttgenfürst.

 

Elisabeth Tielke, aus Königsberg, für Walter Paul Tielke, geb. 22.01.1899 in Königsberg.

 

Anna Kivhase, aus Königsberg, Deutscher Ordensring 86, für Alfred Tanzik, geb. 07.04.1928 in Geroldswalde.

 

Familie Tilsner, aus Königsberg, Gerlachstr. 94a, für Paul Tilsner, geb. 30.07.1925 in Königsberg.

 

Helene Stolzke, aus Königsberg, Heilsberger Str. 25, für Franz Stolzke, geb. 17.07.1901 in Neuendorf.

 

Familie Störmer, aus Königsberg, ehemalige Hermann-Göring-Str. 73, für Werner Störmer, geb. 20.01.1900 in Berlin.

 

Familie Sauer, aus Königsberg, Oberlauk 27 B, für Fritz Sauer, geb. 31.07.1898 in Groß-Klauen.

 

Margarete Timm, aus Königsberg, Sarkheim Nr. 113/114, für Adolf Timm, geb. 04.11.1899 in Ernsthof.

 

Familie Röhr, aus Königsberg, Sammiterallee Nr. 129, für Röhr (ohne Angabe des Vornamens), geb. 19.01.1909 in Osche.

 

Maria Rösner, aus Rollnau, Kr. Mohrungen, für Friedrich Rösner, geb. 01.11.1896 in Rollnau.

 

Herr G. Roppel, aus Koschen (Ostpr.), Mittelstr. Nr. 9, für Gerhard Roppel, geb. 28.12.1927 in Lütz.


 


 

Franz Rosetta, aus Kraupendorf, Kr. Allenstein, für Anton Rosetta, geb. 25.01.1924 in Neupathauden.

 

Amalie Roch, aus Kumgallen bei Zinten (Ostpreußen), für Fritz Roch, geb. 16.03.1904, Geburtsort unbekannt.

 

Marta Rosigkeit, aus Leibgarben (Ostpr.). Kr. Ebenrode, Schulstr. 10. für Otto Rosigkelt, geb. 25.04.1917 in Leibgarben.

 

Otto Pryzgodda, aus Lindenort (Ostpr.), Kr. Ortelsburg, für Heinrich Rogowski, geb. 10.07.1922 in Liebenberg.

 

Familie Rochna, aus Lötzen (Ostpr.), Memelstraße 3, für Max Rochna, geb. 13.09.1912 in Kruglingen.

 

Herta Rohloff, aus Manchengut (Ostpr.), bei Familie Wolff, für Richard Rosteck, geb. 23.06.1917 in Hahfließ.

 

Gustav Rosengart, aus Marauen (Ostpr.), Kr. Rastenburg, für Paul Rosengart, geb. 08.02.1923 in Merauen.

 

Familie Roskie, aus Mehlsack (Ostpr.), für Reinhold Roskie, geb. 16.10.1927. Geburtsort unbekannt.

 

Friedrich Romahn, aus Mühlhausen (Ostpr.), Kr. Pr.-Eylau, für Willi Romahn, geb. 27.04.1928 in Stockheim.

 

Minna Rinke, aus Palmburg, Kr. Samland (Ostpr.), für Albert Rinke, geb. 14.05.1905 in Abelischken.

 

Josefine Robert, aus Plantzig, Kr. Allenstein (Ostpr.), für Frank Robert, geb. 20.09.1898 in Schillings.

 

Anna Schäfer, aus Riesenburg-Rosenberg, Krauseplatz 3 (Ostpr.), für Eduard Rogge, geb. 30.01.1914 in Riesenburg.

 

Erna Rittius, aus Schwengels bei Zinten, Kr. Heiligenbeil (Ostpr.), für Max Rittius, geb. 04.02.1913 in Kastaunen.

 

Klara Rohloff, aus Seeburg (Ostpr.), für Hans-Joachim Rohloff, geb. 05.03.1917 in Küstrin.

 

August Krause, aus Steinbeck (Ostpr.), Post Gutenfeld, für Erwin Rönke, geb 28.09.1924 in Königsberg.

 

Gustav Rehde, aus Sulimmen, Kr. Johannisburg (Ostpr.), für Werner Rehde, geb. 31.10.1924 in Sulimmen.

 

Josef, Rohn, aus Tellnigk (Ostpr.), für Heinz Rohn, geb. 03.07.1923 in Tellnigk.

 

Emma Rogge, aus Thorbuden bei Gumbinnen (Ostpreußen), für Friedrich Rogge, geb. 04.04.1903 in Charbuben.

 

Auguste Rogowski, aus Wartelsdorf. Kr. Allenstein (Ostpr.) für Paul Rogowski, geb. 24.01.1900, Geburtsort unbekannt.

 

Margarete Rochel, aus Allenstein (Ostpr.), frühere Adolf-Hitler-Str. 28, für Kurt Rochel, geb. 04.09.1920 in Berlin.

 

Frieda Ripka, aus Alt-Keikuth, Kr. Ortelsburg, für Julius Ripka, geb. 06.02.1908 in Alt-Keikuth.

 

Ida Rokos, aus Balzhöfen, Kr. Lötzen (Ostpr.), für Otto Rokos, geb. 10.12.1901 in Rodenthal.

 

Marie Rodowskie, aus Benau, Kr. Neidenburg (Ostpr.), für Emil Rodowski, geb. 23.05.1906 in Grünfließ.

 

Anna Rogowski, Witwe, aus Berken (Ostpr.), für Ernst Rogowski, geb. 14.09.1925 in Berken.

 

Frau Römke, aus Duneiken, Kr. Treuburg, (Ostpr.), für Bruno Römke, geb. 22.02.1903, Geburtsort unbekannt.

 

Emma Rottkowski, aus Finsterdammerau, Kr. Ortelsburg (Ostpr.), für Wilhelm Rottkowski, geb. 21.01.1908 in Umswalde.

 

Ferdinand Sommer, aus Freihausen, Kr. Lötzen (Ostpr.), für Emil Rosinski, geb. 24.02.1900 in Vannoven.

 

Gertrud Rick, aus Friedland (Ostpr.), Gartenvorstadt 55, für Horst Rick, geb. 09.09.1921 in Friedland.

 

Josef Rocek, aus Georgswalde-Wiesental 112 (Ostpr.), für Rudolf Rocek, geb. 01.07.1920 in Wiesental.

 

Albert Rochlitz, aus Göllnitz bei Braunsberg (Ostpr.), für Willi Rochlitz, geb. 13.12.1919 in Ketschendorf.

 

Familie Rucknau, aus Gradtken, Kr. Allenstein (Ostpr.), für Leo Ruchnau, geb. 23.10.1902, Geburtsort unbekannt.

 

Emma Romanenko, aus Groß-Freiendorf, Kr. Goldap (Ostpr.), für Timofei Romanenko, geb. 09.06.1893 in Galenka.

 

Auguste Roppel, aus Heiligenfelde. Kr. Goldap (Ostpr.), für Bruno Roppel, geb. 21.09.1910 in Spielasken.

 

Emil Roczkowski, aus Hilgenau, Kr. Osterode (Ostpr.), für Fritz Roczkowski, geb. 09.10.1926 in Hilgenau.

 

Friedrich Rogalla, aus Jesau bei Königsberg (Ostpr.) für Fritz Rogalla, geb. 18.07.1927 in Vierzighuben.

 

Natalia Rösler, aus Kissitten bei Kreuzburg, Kr. Preußisch-Eylau (Ostpr.), für Leopold Rösler, geb. 25.12.1923 in Krasnoritschka.

 

Franz Rosotta, aus Klaukendorf (Ostpr.), Kr. Allenstein. für Anton Rosotta, geb. 25.01.1924 in Reupataunen.

 

Erna Richter, aus Königsberg (Ostpr.), Am Fliese 35, für Werner Richter, geb. 16.10.1903 in Leipzig.

 

Erna Rohde, aus Königsberg (Ostpr.), Batzkostraße 35, für Walter Rohde, geb. 05.07.1910 in Königsberg.

 

Frau Rosenau, aus Königsberg (Ostpr.), Brahmsstr. 15, für Friedrich-Wilhelm Rosenau, geb. 28.11.1892 in Stettin.

 

Frau Rick, aus Königsberg (Ostpr.), Gerlachstraße 100, für Gerhard Rick, geb. 06.08.1911 in Königsberg.

 

Hedwig Rott, aus Königsberg, Hardenberger Neue Gasse 13, für Willy Rott, geb. 29.07.1914 in Königsberg.

 

Hedwig Roesler, aus Königsberg (Ostpr.), Hagenstraße 61, für Hans Roesler, geb. 06.09.1888 in Heiligenbeil.

 

Elisabeth Rosocha, aus Königsberg, Jerusalemer Straße 37, für Fritz Rosocha, geb. 22.09.1910 in Königsberg.

 

Magdalena Rothkopf, aus Königsberg (Ostpreußen) , Lindenstraße 81, für Michael Rothkopf, geb. 06.08.1900, Geburtsort unbekannt.

 

Minna Riemann, aus Königsberg (Ostpreußen), Luisenallee 54, für Oskar Riemann, geb. 23.03.1925 in Königsberg.

 

Emma Röhrig, Röhrig, aus Königsberg (Ostpreußen) Regentenstraße 41, für Leo Röhrig, geb. 30.06.1901 in Bochum

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen?

Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München. Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Gesucht werden aus:

dem Kreis Angerapp (Ostpreußen) die Angehörigen von: Vorname unbekannt Allies, geb. etwa 1890/1895, Volksschullehrer, Hauptmann und Kompaniechef des 2. Landesschützen-Wachbataillons 1/2 — B/ 4105

 

Bartenstein (Ostpreußen): die Angehörigen von: Vorname unbekannt Borchert, geb. etwa 1900/1905 in Bartenstein, verh., Lagerverwalter, Pionier bei der 1. Komp. Bau-Pionier- und Ausbildungs-Bataillon Dirschau — A/3721

 

Goldap (Ostpreußen) die Angehörigen von Georg Arndt, geb. etwa 1926 in Goldap, ledig, Unteroffizier und Reserve-Offiziersbewerber, Feldpostnummer 66783 — A/4214

 

Gumbinnen: die Angehörigen von Dohnen oder Dehnen, Vorname unbekannt, geb. etwa 1887, Beruf: Oberförster, Major u. Bat.-Kommandeur des Sturm-Bataillons 1067 — A/4338

 

der Gegend von Gumbinnen: die Angehörigen von Otto Freinik, geb. etwa 1910, Molkereiangestellter. Feldwebel, Feldpostnummer 07507 — A/4431

 

der Umgebung von Heilsberg (Ostpreußen): die Angehörigen von Burkhardt, Vorname unbekannt, geb. etwa 1916 in Ostpreußen, verh., aktiver Soldat, Feldwebel beim Stab I. Bataillon Panzer-Regiment Brandenburg, Feldp.-Nr. 13107 — A/4031

 

vermutlich aus Insterburg: die Angehörigen von Karl Brandt, geb. etwa 1915, verh., zuletzt beim Grenadier-Regiment 911, Feldpostnummer 00353 — A/4132

 

vermutlich aus Königsberg: die Angehörigen von Bablitz, Vorname unbekannt, Hauptmann und Kommandeur der II. oder III. Abteilung Art.-Rgt. 96 — B/4053

 

Königsberg: die Angehörigen von Erich Danehl, Unteroffizier bei der I. Abteilung Art. Rgt. 37, Feldpostnummer 23279 A — B/4054

 

vermutlich aus Königsberg: die Angehörigen von Falk, Vorn, unbekannt. Leutnant bei der 11. Komp. Inf.-Rgt. 56, Feldpostnummer 22966 B — A/3863

 

Königsberg: die Angehörigen von Walter Geier, geb. etwa 1894. verh., Oberwachtmeister bei der Schutzpolizei Königsberg — A/4457

 

Königsberg: die Angehörigen von Hans-Georg Gehrmann, SS-Sturmmann, Feldpostnummer 33755 — B/4297  

 

Kukelneese (Elchniederung): die Angehörigen von Paul Eivel, Oberst und Regiments-Kommandeur — B/4243

 

Nidden oder Cranz: die Angehörigen von Albert Detzkeit, geb. etwa 1914, Beruf: Fischer. Matrosen-Hauptgefreiter bei der 3. Artillerie-Flotille, Feldpost-Nr. 49141 — B/4205

 

Rodschani (Ostpreußen): die Angehörigen von Rudolf Gemballa, geb. 1922, zuletzt bei der Marine-Artillerie-Abt. 632 Venedig (Italien) — A/4122

 

Tilsit (Ostpreußen): die Angehörigen von Andreas, Vorname unbekannt, verh., Unteroffizier beim Fliegerhorst Neukuhnen — A/4212

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Maria Bach, geb. 1921, zuletzt bei der Heimatflak Nachrichtenhelferin 226/1 — A/3775

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bantel, Vorn, unbekannt — A/4221

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Heinz Barwich oder Barwig, geb. etwa 1920, verh., Beruf: Seemann, Obermaat bei der Feldpostnummer 31247 — B/4124

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bauer, Vorname unbek., geb. etwa 1904/1908. verh.. Landwirt. Soldat beim Feld-Ersatz-Bataillon 290 der 290. Infanterie-Division — A/4226

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Ernst Becker, geb. etwa 1925, SS-Grenad. bei der Kampfgruppe Joachim — A/4238

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bess, Vorname unbekannt, geb. etwa 1900, verh., Landarbeiter, Obergefreiter bei der 2. Batterie Leichte Flak-Abteilung 733. Feldpost-Nr. L 47242 — A/4259

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bönig oder Böhing, Vorn, unbekannt, geb. etwa 1910/1912, Landwirtssohn. Obergefr. bei der Feldpostnummer 43061 — A/4284

 

vermutlich aus Ostpreußen oder Schlesien: die Angehörigen von Helmuth Bock, , geb. etwa 1922, Unteroffizier beim Jäger-Regiment 24 der 12. Luftwaffen-Felddivision. Feldpostnummer 45220 — A/4278

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Josef Caika, geb. etwa 1919 /1921 in Ostpreußen, Unteroffizier bei der Feldpostnummer 15299 — A/4322

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Chiprowski, Vorname unbek., geb. etwa 1922, Landwirt, zuletzt bei der 16. Kompanie, Grenadier-Sturm-Bataillon Oberrhein — A/4325  

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Erwin Freier, geb. 09.09.1907, Obergefreiter bei der 3. Komp. Jäger-Grenadier-Regiment 2 der 11. Infanterie-Division, Feldpost-Nr. 16650 D — A/4430

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bruno Ganda, geb. etwa 1920/1921, zuletzt bei der 14. Kompanie Grenadier-Rgt. 407. Feldpost-Nr. 14206 — B/4294  

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Gennat, Vorname unbek., geb. etwa 1900, verh., Oberwachtmeister beim Artillerie-Regiment 349, Feldpostnummer 10760 C — A/4459.

 

 Gesucht werden aus der Umgebung von Heilsberg: die Angehörigen von Richard Menzel, geb. etwa 1904, ledig, Landwirt, zuletzt bei der Kraftfahrpark-Kompanie zur besonderen Verwendung 573 — A/6966

 

Königsberg: die Angehörigen von Ganschow, Vorn, unbek., verh., Bankbeamter, Volkssturmmann beim Volkssturm — B1867

 

Königsberg: die Angehörigen von Franz Hirscher, verh., Wehrmachtsbeamter, Oberstabsintendant bei der Nachr.-Ersatz-Abteilung I, Königsberg — A/6681

 

Königsberg: die Angehörigen von Joachim Klein, geb. etwa 1912/1914 in Königsberg, ledig, Beruf: Zimmermann, SS-Unterscharführer bei der 1. Kompanie Kampfgruppe „Reich" — A/597  

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Ernst Carsten, geb. 26.08.1909, Feldwebel bei der Feldpostnummer 17769 — A/155

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Dimmermann, Vorname unbekannt, verh., Stabsgefreiter bei den Bau-Pionieren 5/23 — 3/5992

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Walter Duegsch, geb. 1926 in Ostpreußen, ledig, Gefreiter, Feldpostnummer 24976 B — A/4369

 

Vermutlich aus Ostpreußen oder Pommern: die Angehörigen von Franz Guth oder Gutt, geb. etwa 1926/1927 in Ostpreußen oder Pommern, ledig, Gefreiter bei der 1. Kompanie Panzerjäger-Abteilung der 12. Infanterie-Division, Feldpostnummer 03741 — A/392

 

Elbing: die Angehörigen von Groß, Vorname unbek., geb. etwa 1910/1915 in Elbing, verh., 2 Kinder, Stabsgefreiter beim Feldersatz-Grenadier-Batl. General Müller — B/1883

 

Elbing, Skagerakstraße 9: die Angehörigen von Paul Matheus, zuletzt Meister der Polizei — B/5428

 

Elbing: die Angehörigen von Erwin Domke, geb. etwa 1920/1922 ledig, SS-Oberscharführer bei der 11. Kompanie Ausbildungs-Bataillon Breslau-Lissa — A/4361

 

Vermutlich aus Elbing: die Angehörigen von Eichler, Vorname unbekannt , geb. etwa 1926/1927, vermutlich aus Elbing, ledig, Panzer-Grenadier bei der Aufklärungs-Abteilung der SS-Division Hohenstaufen — B/4238

 

Elbing: die Angehörigen von Max Willer, geb. etwa 1903/1904, verh., Beruf: Elektromonteur. Oberfeldwebel bei der 13 Kompanie Volksgrenadier-Division 550, Feldpostnummer 38207 — A/6869

 

 

Seite 14   Rektor a. D. Hardt 80 Jahre alt (mit Foto)

Rektor a. D. Walther Hardt wurde am 22. Januar 1954, 80 Jahre alt. Er ist ein Kind unserer Heimat, zu Dinglanken im Kreise Angerapp geboren. Er besuchte das Seminar Karalene, und machte nach Ablegung der ersten und zweiten Lehrerprüfung mit 24 Jahren das Mittelschullehrer- und mit 25 Jahren das Rektorenexamen. Mit 26 Jahren wurde er Mittelschulrektor. Später studierte er acht Semester Geschichte, Germanistik, Rechts- und Staatswissenschaften und machte im neunten Semester sein Staatsexamen. In Ostpreußen amtierte er in Berszymen, Milluhnen, Rhein, Kreuzburg, Königsberg und Heiligenbeil.

 

Außerdem führte ihn sein Lebensweg durch Pommern, Brandenburg, Posen und zurück nach Ostpreußen als Rektor an Volksschulen, Mittelschulen, höheren Mädchenschulen und Berufsschulen. Als Erholung nach seiner Berufsarbeit schrieb er über 30 Bücher und Broschüren: Geschichtsbände, Kommentare zur Weimarer Verfassung und Preußischen Verfassung, Strafgesetzbuch und Bürgerlichem Gesetzbuch, Festspiele, Gedichte und Geschichten, auch viele wegweisende Werke für junge Lehrer. Das Hauptwerk seines Lebens ist ein großes deutsches Wörterbuch — 600 Seiten — mit Fremdwörterbuch. Drei Jahre lang war Rektor Hardt Amtsanwalt an einem großen Amtsgericht und hatte im Osten — besonders Ostpreußen — einen guten Ruf als Redner.

 

Der zweite Mobilmachungstag des ersten Weltkrieges sah ihn an der Spitze seiner Landsturmkompanie an der Front. Nach seiner Pensionierung in Kreuzburg zog er nach Königsberg und wurde Lehrer an der Heeresfachschule für Verwaltung und Wirtschaft. Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde er von der Regierung wieder in den aktiven Dienst berufen und an die Mittelschule in Heiligenbeil entsandt. Im August 1944 wurde sein Heim in Königsberg total ausgebombt. Im Februar 1945 trat er den Fluchtweg über das Eis des Frischen Haffs an. Zuerst ein Jahr im Harz wohnend, siedelte er dann nach der Bergstadt Lübbecke am Wiehengebirge um. Sofort setzte er sich in die Flüchtlingsarbeit ein, wurde Vorsitzender des Ostvertriebenenbeirats der Stadt Lübbecke, Vorstandsmitglied im BvD, gründete die Ostpreußische Landsmannschaft und wurde deren Sprecher. Er wurde Abgeordneter im Landtage von Nordrhein-Westfalen zu Düsseldorf, Stadtverordneter, ist heute noch Kreistagsabgeordneter und wird als sachlicher und humorvoller Redner geschätzt.

 

Vor vier Jahren feierte er seine Goldene Hochzeit, an deren kirchlicher Feier auch der Leiter der Westfälischen Kirche, Präses Wilm, teilnahm. Er lebt z. Zt. in Lübbecke, Andreasstraße 30, mit Frau, Tochter und deren Familie zusammen.

 

 

Seite 14   Prof. Dr. Paul Zander 70 Jahre alt (mit Foto)

Professor Dr. Paul Zander beging am 20. Januar 1954 seinen 70. Geburtstag inmitten seines nach dem Zusammenbruch 1945 im ehemaligen Schloss in Bad König neu geschaffenen Wirkungskreises, seiner Chirurgischen Klinik.

 

In Königsberg geboren, studierte Prof. Zander an der dortigen Universität Medizin bei Lexer und Garreé, praktizierte bei Prof. Hilbert am Städtischen Krankenhaus Königsberg, erhielt dann in Marburg seinen ersten Lehrauftrag, war langjähriger Assistent von Prof. Aschoff in Freiburg und Prof. v. Brahmann und Schmieden in Halle, wo er während des ersten Weltkrieges die Chirurgische Klinik leitete. Er hatte auch an den Feldzügen in Russland und Frankreich als Arzt und Chirurg teilgenommen. Nach dem ersten Weltkrieg kam er nach Darmstadt, wo er über 25 Jahre lang die Chirurgische Abteilung des Elisabethenstifts leitete.

 

Durch Kriegsumstände wurde Prof. Dr. Zander gezwungen, die Tätigkeit in Darmstadt aufzugeben. Der rastlose Helfer der Kranken machte darauf in Bad König eine Privatklinik auf, in der zahlreiche Kranke geheilt wurden.

 

Prof. Dr. Zander, der in diesen Jahrzehnten als Chirurg mit sicherer Hand und mitfühlendem Herzen zum Helfer für unzählige leidende Menschen geworden ist, hat seine Arbeit und sein Leben unter die selbstgewählte Devise gestellt „Hingabe überwindet alles!“ Sein hohes Verantwortungsbewusstsein als Arzt spricht am deutlichsten aus seinen eigenen Worten: „Die Chirurgie ist schon ein gefahrenumwitterter Beruf, eine Aufgabe, die das ganze Leben in Anspruch nimmt und ihre Spuren tief einprägt; sie fordert den ganzen Menschen. Da meint man, sie sei eine Sache der Fingerfertigkeit. Diese ist es, die Zuschauer bei einer Operation verblüfft. Und doch sind die Finger bei den großen Eingriffen nur die ausführenden Organe. Erst die Klarheit und Folgerichtigkeit der Gedanken können den Sieg gewinnen.

 

Aber nicht nur an das Wissen wendet sich die Chirurgie, sondern vor allem auch an das Gewissen. Denn eine ungeheure Verantwortung ist in die Hand des Arztes gelegt. Die Ehrfurcht vor dem uns anvertrauten Leben muss stets als Kontrapunkt durch alle Begeisterung hindurchklingen, die die technische Meisterung einer operativen Aufgabe im Herzen des echten Chirurgen erzeugt. Zu unklar liegen oft die Dinge selbst für den Erfahrenen. Das Gefühl muss dann entscheiden und deshalb gilt es, seiner selbst ganz sicher zu sein, frei von den Verlockungen eines reinen Draufgängertums, aber auch frei von Anwandlungen der Bedenklichkeit oder gar der Rücksicht auf Prestige-Gedanken. Nie darf die Verantwortungsfreudigkeit gelähmt werden durch die Scheu vor der Verantwortung“.

 

Zu seinem Geburtstag wurden dem Jubilar zahlreiche Ehrungen zuteil. Auch viele ehemalige Oberärzte und Assistenten waren als Gratulanten erschienen. Der Oberbürgermeister von Darmstadt schickte ein Glückwunschschreiben.

 

 

Seite 14   Suchanzeigen

Suche meine Arbeitskolleginnen und Freundinnen aus Königsberg: Knochenstraße 43 und Mitteltragheim 35. Jetzige Anschrift: Rosa Schikowski, Castrop Rauxel 4, Vinkestraße 6.

 

Achtung! Heimkehrer! Welcher Kamerad kann mir Auskunft geben über meinen Sohn Otto Winkelmann, geb. am 03.08.1922 in Frauendorf. Kr. Heilsberg/Opreußen. Feldp.-Nr. 18040; im Frühjahr 1944 vermisst. Meine Anschrift: Franz Winkelmann. Bornstein b. Gettorf Kreis Eckernförde.

 

Wer weiß etwas über das Schicksal des Uffz. Heinrich Hartmann? Er war in Wehrdamm stationiert und wohnte in Königsberg, Paulstraße 1. Nachr. erb. an Anneliese Engel. Bln.-Zehlendorf Teichstraße 5/6.

 

Wer war mit meiner Mutter, Frau Elisabeth Gramsch, geb. 01.08.1875 in Königsberg (Preußen), im Altersheim Luisenallee und danach im Altersheim Kummerau bis zu ihrem Tode im August 1947 zusammen? Wo ist die Schwester, welche zu dieser Zeit das Altersheim in Kummerau leitete? Nachricht erbeten an Wilhelm Gramsch, (20a) Celle, Waldweg 83, früher Königsberg (Pr.), Lawsker Allee 103.

 

Achtung! Königsberger - Ponarth! Wer kann mir über den Verbleib meines Bruders Horst Birth, geboren am 25.02.1932 in Königsberg (Pr.), wohnh. Ponarth, Brandenburger Straße 39, Auskunft geben. 1948 wurde der Gesuchte in Königsberg gesehen, seitdem fehlt jede Spur, wahrscheinlich soll er sich in Litauen-Schaulen aufhalten. Nachricht erbeten an Bernhard Birth, Bottrop (Westfalen), Jägerstraße 11.

 

Wer weiß etwas über den Verbleib meines Mannes, Dipl.Chemiker Dr. Helmut Jablonowski? Seine letzte Erkennungsmarkenbeschriftung war: 3420 - Stm/Ie. Art.-Ers.Abt. 1. Letzte Mitteilung von Kameraden vom 17.02.1945 aus den Kämpfen südöstl. von Königsberg. Früherer Wohnort: Königsberg/Pr., Gerhardstr. 14. Für jeden kleinen Hinweis wäre ich dankbar. Nachricht erbittet Frau Mathilde Jablonowski, (20a) Gifhorn (Hann.), Birkenkamp 1.

 

Wer kennt die Anschrift der Abwicklungsstelle der früheren Mälzenbräuer Sterbekasse in Königsberg? Nachr. erb. an Otto Wenck, früher Königsberg, jetzt Hannover, Bandelstraße 23.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über Frau Luzia Trinkewitz, geb. Prothmann, geb. 1913, zuletzt wohnhaft in Rothenstein, Reiherweg 7. Nachricht an die Ostpreußen-Warte.

 

Gesucht wird: Frau Else Dreyer (Dreier) aus Königsberg (Pr.). Frau D. war beim Kreiswirtschaftsamt Samland in Königsberg (Pr.), das nach der Ausbombung nach Fischhausen verlegt wurde, beschäftigt. Ende Januar/Anfang Februar war sie noch in Fischhausen. Ihr Ehemann befand sich im Felde. Vielleicht wissen ehem. Kolleginnen oder Kollegen des Kreiswirtsch. Amtes über ihren Verbleib oder können mir sonst einen Hinweis geben.

Ferner wird gesucht: Renate Sonnabend, aus Königsberg (Pr.) Liep, Olmützweg 31, geb. 02. oder 03.09.1927 in Königsberg. Sie war beschäftigt bei der Geschäftsstelle der Ufa in Königsberg (Pr.) und wurde mit dieser im September 1944 nach Heiderode, Kreis Konitz (Westpr.) verlagert. Der Vater, Paul S., Schlossermeister in der städt. Krankenanstalt, wurde von den Russen erschossen. Nachr. erbitt. Bruno Thermann, (14b) Reutlingen, Kruppstraße 16.

 

Gesucht wird: O.-Schütze Franz Naujoks, geb. 14.06.1901, in Gumbinnen (Ostpreußen). Letzte Wohnung: Auerfließ. Kr. Tilsit-Ragnit (Opr.). Letzte Feldp.-Nr. 182031 - H 6, zuletzt gewesen b. Küstrin, die letzte Nachricht: März 1945. Um Nachrich bittet: Frau Ida Naujoks, verwitw. Simoneit, geb. Naujoks, Gr.Zastrow, Kr. Demmin (Mecklbg.)

 

Gesucht wird Kurt Gerull, geb. 19.12.1913 in Tilsit, zuletzt wohnh. in Lötzen. Gerull gilt als vermisst. Seit März 1945 letzte Nachricht aus Ostpr. Gerull war verheiratet und Vater von fünf Kindern, im Krieg war er bei einer Nachrlchteneinh . Feldp.-Nr. 03200 (Leitungsaufs.?). Seine Frau lebt heute noch in Masuren. Nachr. erb. an Frau Ida Klein, Georgenthal, Querweg 4, Kreis Gotha (Thüringen).

 

Gesucht werden: Alfred Rausch oder Willy Rausch, Frieda Rausch oder Ella Rausch, alle waren in den Jahren 1929 - 1943 in Tilsit, Nordstreaße 3, wohnhaft. (Alfred Rausch etwa 37 Jahre alt.)Ferner Kurt Brosseit und Gustav Büttner, aus Tilsit, Deutsche Straße 31 wohnhaft (36 bzw. 35 Jahr alt). Nachricht erbittet Heinz Gruschkus, 197 Cobdenstreet, Larmia, Ontario, Canada.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal von Margarete Burchert, geb. am 21.11.1886, aus Sonnwalde, Krs. Braunsberg? Nachricht wird erbeten an ihre Schwester Frau Gertrud Skoda, Isselburg, Minervastraße 7, oder an Georg Pingler, Siegburg, Frankfurter Straße 7.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meiner Eltern, Margarete Bardusch, geb. 10.05.1888. Hermann Bardusch, geb. 20.09.1877, aus Kallisten, Kreis Mohrungen, Ostpr. Letzter Aufenthalt März 1945 Ratteig bei Zab? noch (Pommern). Vater war zur Zeit erkrankt. Seitdem fehlt jede Spur. Um Nachricht bittet Charlotte Loos, geb. Bardusch, Düsseldorf, Karl-Anton-Straße 7.

 

Gesucht wenden: Rupprecht von Boetticher, geb. 14.11.1921, seit 1944 verheiratet. Die Mutter und Schwester wohnten in Königsberg, Kalthof, Batockistr. ?. Der Vater war Studienrat. R. v. Boetticher wohnte auf dem Lande, seine Frau ist ca. 7 Jahre älter. — Otto Tobias, geb. 28.01.1921 oder 1922, wohnhaft in Königsberg-Kalthof, Hermann-Göringstraße 155, Beruf Schneider, hat im Kriege einen Arm verloren. Seine Mutter und Bruder Herbert lebten noch. Wer kann über die beiden Genannten,  Auskunft geben u. ihre Anschrift mitteilen? Bruno Lange, München 9, Kistlerstraße 1.

 

Gesucht wird: Frau Marie (Mia) Blum, Witwe, geb. 10.03.1909, Ortseebad Rauschen, mit Töchterchen Marlies, ferner Hanna Eva Sudau, geb. 14.10.1925, Ostseebad Rauschen. Wer war mit ihnen zusammen? Am 18.01.1945 gingen die Genannten aus dem Hause. Da die Russen schon bis zum Frischen Haff vorgedrungen waren, besteht die Möglichkeit, dass die drei nicht mehr aus Ostpreußen herausgekommen sind. Wer kann über ihren Verbleib Auskunft geben? Nachr. erb. Frau Elisabeth Sudau, Itzehoe-Tegelhorn, Viertkoppel 20, bei Eisermann.

 

Achtung! Königsberger! Gesucht werden: Frl. Ursula Kraft, Kbg., Steinmetzstr. 42. Frl. Gisela Kopp, Sattlergasse 28, Ingrid Deutschkron, Vogelweide 2, Dorothea Sprengel, Olmützer Str. 36 oder 38. Hilde Wermuth, Friedmannstr. 43 oder 48, Frieda Herbstreit, Steindamm 30, Dora Lang, Ulla Nehrke, Ingeborg Leschik (Nachrichtenabtlg.), Frl. Stenker, Frl. Franga und Frl. Domnich, aus Königsberg und Frl. Hildegard Wenau, aus Gumbinnen, Funkstelle. Nachr. erb. an Frau Gerda Brungs, Salzkotten i. W., Paderborner Straße 21.

 

Suche meinen Mann Josef Höhn, letzte Anschrift Liewenberg, Kreis Heilsberg (Ostpr.), verschleppt im Februar 1945, ferner meinen Bruder Adolf Strehl, letzte Anschrift Arnsdorf. Kr. Heilsberg (Ostpr). Nachr. erb. an Frau Maria Höhn, geb. Strehl, früher Liewenberg (Ostpr.), jetzt Rheudt. Kr. Moers, Kamperstr. 9 (Rheinland).

 

Wer kann mir Auskunft geben über das Schicksal meines Mannes Uffz. Gustav Heydemann, geboren am 25.07.1900, Bau-Pion.-Ausb.- u. Ers.-Batl. I, 4. Ausb.-Kp. Dirscbau (Westpr.), Lützowkai. Letzte Nachricht vom 15.02.1945.Letzter Wohnort Tilsit, Taurogger Straße 13. Welcher Heimkehrer oder Landsmann kann etwas berichten. Für jeden kleinsten Hinweis dankbar. Unkosten werden vergütet. Nachricht erbittet Frau Anna Heydemann, Mylau (Vogtl.) Netzschkauer Straße 41

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Am 21. Dezember 1953 verstarb infolge eines Unglücksfalles unser Mitglied, Dr. jur. Georg Weiner, Hamburg-Rahlstedt. In treuer Anhänglichkeit an unsere ostpreußische Heimat, war er seit Gründung des Verbandes unser Mitglied. Wir werden sein Andenken in Ehren halten. Er wird uns unvergesslich bleiben. Die akad. Vereinigung „Ordensland“ Hamburg. Dr. Clausen. Stahl. Dr. Wienert. Hamburg, im Januar 1954

 

Wenn Liebe könnte Wunder tun, und Tränen Tote wecken, dann würde Dich, geliebtes Töchterchen, nicht kühle Erde decken. Am 17. Februar 1954, jährt sich zum neunten Mal der Todestag unseres einzig inniggeliebten Töchterchens, meiner herzensguten Schwester, Nichte und Cousine, Dorothea Heppner, genannt Doris. Sie starb im Alter von 18 ½ Jahren in Zichenau (Polen) an dem Martyrium der Gefangenschaft. In stillem Gedenken: Anton Heppner und Frau Anna, geb. Samland. Arthur Heppner. Derz, Kreis Allenstein, Ostpreußen. Jetzt: Ascheberg, (Westf.). Kansas City U.S.A.

 

 

Seite 16   Danzig und das Land an der Weichsel.

Foto: Giebel der Firmarie des Ordensschlosses Marienburg.

Foto: Marienwerder: Der Danzker

Ernst Gall, Danzig und das Land an der Weichsel, aufgenommen von Kurt Grimm, 1953, Deutscher Kunstverlag. 158 S. Text, 204 S. Abb., Preis in Leinen geb. 15,80 DM.

 

Der Verfasser des Buches, der frühere Direktor der preußischen Schlösser und Gärten, Prof. Dr. Ernst Gall, ein geborener Danziger, wurde zuerst nach dem Weltkrieg durch ein Werk über die gotischen Kathedralen in Frankreich bekannt. In letzter Zeit gab er das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler von Dehio neu heraus. Das vorliegende Buch ist demnach von berufener Feder geschrieben. Der Verfasser hat sich nach seinen eigenen Worten die Schilderung der künstlerischen Kultur Danzigs und des Weichsellandes, die im Wesentlichen den wichtigsten Baudenkmalen und ihren geschichtlichen Voraussetzungen gilt, zum Ziel gesetzt. Den Text schrieb er bereits 1943 nieder. Nachdem der fast fertige Druck am Ende des Krieges zugrunde gegangen war, gelang es nunmehr, das Buch mit den von Willi Drost, damals in Danzig, zusammengestellten Aufnahmen erscheinen zu lassen. Die Aufnahmen zeigen den Zustand vor der im letzten Krieg erfolgten Zerstörung.

 

In einem einleitenden Abschnitt „Das Gesicht des Weichsellandes“ gibt der Verfasser in großen Zügen eine Übersicht über die Entwicklung der bildenden Kunst dieser Landschaft, so wie sie sich in dem gesamten Gebiet wie in seinen verschiedenen Teilen vollzogen hat. Der sowohl auf friedlichem wie auf kriegerischem Wege erfolgten Verbreitung des Christentums und abendländischer Kultur seit dem 12. Jahrhundert durch einheimische Landesfürsten, Mönche, Ordensritter, deutsche und außerdeutsche Fürsten, durch Bischöfe, Bürger und Bauern folgte nach der großen Wende um 1500 die Zeit, in der der vorher alles beherrschende Ordensstaat als Kulturträger durch die zu ungeahnter Größe emporsteigende Handelsmetropole Danzig abgelöst wurde und fast das ganze Gebiet unter der Oberhoheit Polens stand. Von der mittelalterlichen Kultur des Weichsellandes sagt der Verfasser: „Es gehört zu den erstaunlichen Zeugnissen der vitalen Schöpferkraft des jungen Deutschtums auf kolonialem Boden, dass es fast aus dem Nichts einen eigenen Stil erzeugen konnte, der sein stets bedrohtes Dasein so anschaulich verklärte“. — Auf Danzig, dem seine besondere Neigung gilt, kommt er immer wieder zu sprechen. Nach Aufzeichnung der Zusammenhänge zwischen Danzig und dem Westen, mit dem es in Handelsverbindung stand, besonders mit Flandern, kommt er schließlich zu dem Urteil, dass in der großen Blütezeit Danzigs im 16. und 17. Jahrhundert einzelne Leistungen wie der Danziger Rathausturm und das Zeughaus die westlichen Vorbilder an Schönheit und beschwingtem Ausdruck übertreffen. Kaum anderswo dürfte es im Städtebau eine derartig kühn emporstrebende Bewegung geben wie sie der Blick vom Langen Markt auf die Langgasse und das turmgekrönte Rathaus zeigt.

 

Auf weiteren 120 Seiten werden die einzelnen Kulturgebiete beschrieben, denen die Baudenkmäler des Weichsellandes ihre Entstehung verdanken: Burgen und Klöster, die großen Schlösser (Marienburg und Marienwerder), die Städte Danzig, Thorn und Elbing, die Landstädte und die Dörfer. Die Baudenkmäler von fast 60 Orten werden behandelt. Das Wissenswerteste über Geschichte, Wirtschaft und Kultur wird in knapper und doch anschaulicher Weise mitgeteilt. Die wichtigeren Stätten wie Marienburg, Danzig oder das Kloster Pelplin sind besonders ausführlich behandelt. Zahlreiche Zeichnungen im Text wie Grundrisse und Ansichten von Bauwerken sowie Stadtpläne und -Ansichten ergänzen das geschriebene Wort.

 

Einen Hauptteil des Buches nehmen die vorzüglichen Abbildungen, über 200 an der Zahl, ein, von denen man fast jede als ein kleines Kunstwerk für sich bezeichnen kann. Etwa zwei Drittel stammen von dem Lichtbildner Kurt Grimm, die übrigen von bekannten Lichtbildwerkstätten wie der ehemaligen Staatl. Bildstelle in Berlin, dem Deutschen Kunstverlag, Foto Marburg und Albert Renger-Patsch. Einen besonderen Wert besitzen die Aufnahmen von Bauwerken, die wegen ihrer Abgelegenheit weniger bekannt waren. — Immer noch ragen die Reste der Ordensburgen, unter diesen vor allem eindrucksvoll die wuchtigen Türme, gen Himmel, auch noch als Ruinen oder teilweise erhalten von der gewaltigen Leistung der Ordensritter zeugend. Von den beiden großen Klöstern Oliva und Pelplin wird das letztere besonders eingehend behandelt. Der Grundriss, ein Übersichtsbild aus dem 18. Jahrhundert und 12 Lichtbilder zeigen die umfangreiche, regelmäßige Anlage — die Kirche misst 80 m in der Länge! — und die erhabene Raumwirkung des Gotteshauses. Hier befand sich eine der ältesten, auf Veranlassung von pommerellischen Fürsten ins Leben gerufenen Stätten christlicher Kultur und deutscher Kolonisation. Das Kloster Pelplin gehört in eine Reihe mit den bedeutendsten deutschen Klöstern überhaupt.

 

Der Marienburg ist eine ausführliche Beschreibung gewidmet, die dem geistigen Gehalt des strengen ritterlich-mönchischen Lebens gerecht zu werden versucht und die einzelnen Teile des umfangreichen Bauwerkes mit liebevoller Einfühlung und feinem künstlerischen Empfinden dem Leser vor Augen führt. Eine Reihe ausgesuchter Lichtbilder zeigt die Hauptteile des Schlosses. Der Chor der Schlosskirche St. Marien, von dem 600 Jahre lang das 8 m hohe Standbild der Gottesmutter mit dem Christusbild herabblickte, steht nicht mehr. Ein Lageplan der Gesamtanlage, Grundrisse und andere Textzeichnungen runden das Bild des Schlosses ab. Die großzügige Gesamtplanung, die unter den Schlossanlagen des Mittelalters ihresgleichen nicht findet, hebt der Verfasser rühmend hervor. Von dem großen Remter mit dem auf drei schlanken Säulen ruhenden fächerförmigen Gewölbe heißt es dann: „Es gibt größere Säle aus mittelalterlicher Zeit, aber kein König, kein Fürst und auch nicht der Papst konnten sich rühmen, einen so meisterlich gewölbten Raum voll Pracht und Glanz der architektonischen Formen zu besitzen“. Den Kapitelsaal im Hochschloss und den großen Remter im Mittelschloss nennt der Verfasser „Werke eines begnadeten Künstlers, der diese baulichen Wunder ohne direkte Vorbilder geschaffen hat“. — über die einzigartige Gestaltung des Hochmeisterpalastes sagt er: „An Fülle und Kraft des Ausdrucks übertrifft er alle vergleichbaren westdeutschen Bauten. Die machtvolle Prägnanz und die kühne Entschlossenheit seiner Formen reihen ihn unter die großen schöpferischen Bauwerke; der mittelalterliche Profanbau erreicht hier einen nirgends sonst übertroffenen Gipfel“.

 

Der Verfasser ist dem innersten Wesen der Bauschöpfungen der Marienburg — das Gleiche gilt auch für alle anderen von ihm beschriebenen Bauwerke — bis in seiner tiefsten Wurzeln nachgegangen. Er beherrscht meisterlich die Kunst, dem Leser das eigene tiefe Erlebnis des Kunstwerkes zu vermitteln. Darin dürfte gerade der Hauptwert des Buches bestehen. —

 

Der Stadt Danzig wird gleichfalls ein angemessener Raum gewidmet. Bei den Abbildungen wurde die Marienkirche besonders berücksichtigt. Beim Beschauen der Bilder wünscht man sich unwillkürlich ein größeres Format, weil ihre Wirkung dann noch eindrucksvoller wäre. Dass uns das Bild des alten, noch unzerstörten Danzig, (in so wundervollen Bildern) nicht nur der Kirchen, sondern auch der Straßen mit ihren stolzen Bürgerhäusern und monumentalen Innenräumen in so herrlichen Aufnahmen vor Augen geführt wird, dafür müssen wir dankbar sein. Die Vernichtung ist nahezu vollständig. — Thorn, die älteste Stadt im Weichselland, und Elbing, die nur wenig jüngere Gründung Lübecker Bürger, finden ihren Platz in dem Buche, ebenso wie auch die kleineren Städte und das Land, das mit seinen oft erstaunlich stattlichen und schönen Kirchen und den Vorlaubenhäusern in reichem Fachwerk vertreten ist.

 

Zusammenfassend darf man von dem Buche sagen, dass es auf engstem Raum eine erstaunliche Fülle des Wissenswerten über das zum Ziel genommene Gebiet bringt und dass es diesen Gehalt in meisterhafter Weise dem Leser mitteilt. Die aus räumlichen Gründen notwendige Beschränkung auf knappsten Raum machte eine Vereinfachung auf das Wesentliche notwendig. Das Buch regt dazu an, sich noch näher mit dem vorliegenden Gegenstand durch Hinzuziehung des Bandes „Ordensland Preußen“, des Handbuches von Dehio - Gall oder des Werkes von Clasen über die mittelalterliche Plastik des Ordenslandes oder die Bau- und Kunstdenkmäler Westpreußens zu beschäftigen. Es kann aber auch dazu veranlassen, sich mit der Geschichte, den wirtschaftlichen Verhältnissen und der geistigen Kultur zu beschäftigen. Man kann daher dem Buch eine möglichst weite Verbreitung in Schule und Haus wünschen. Karl Hauke

 

 

Seite 16   Ostpreußens „Gold“ in Worms am Rhein

Zwei Fotos. Arbeiten aus der kunshandwerklichen Goldschmiedewerkstatt Käte Kienast – Bantau in Worms: ein goldgeschmiedeter Anhänger mit Perle und ein handgeschmiedeter Ring mit Bernstein.

Man muss selbst dem Osten unseres Vaterlandes mit Herz, Sinnen und durch Herkunft verbunden sein, um die Freude zu ermessen, die empfunden wird beim Anschauen guter, handwerklicher Kunst, die aus Ostpreußen kommt und das dortige lebensvolle, warme „Gold“, den Bernstein, einem wieder vor Augen führt.

 

Auch die Gold- und Silberschmiede-Kunst ist auf der Suche nach neuen Formen, in denen ihr eigentümlichen Ausdrucksmöglichkeiten, nicht verschont geblieben von Irrwegen, wenn sie auch nicht die Ausmaße annahmen wie in Malerei und Plastik, wo sie zum buchstäblichen Zerhacken der naturnahen Form, zur Kampfansage an jede Überlieferung, selbst in gewandelter oder weiter-entwickelter Idee, wurden.

 

Demgegenüber ist es gerade eine herzerfrischende Lust, die Arbeiten von Frau Kienast-Bantau (Worms/Rhein, Martins-Platz 7) zu betrachten, die weiterbaute an dem, was hochstehende Tradition ihrer geliebten ostpreußischen Heimat ihr als Fundament schenkte. In Königsberg war sie ein Stern aus dem Dreigestirn mit Toni Koy und der verstorbenen Eva Strepkowsky. Ihre Ausbildung erhielt Frau Kienast an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Königsberg, wo sie anfänglich nur die Fächer Graphik und Reklame belegte, bald aber durch die Erkennung ihrer Berufung sich völlig der Gold- und Silberschmiedekunst zuwandte. Professor Arthur Berg er war ihr ein strenger, genialer Führer.

 

Durch die Ausstellung „Die schöpferische Frau“, veranstaltet durch den stets aktiven Direktor der Mannheimer Kunsthalle, Dr. Passarge, wurde sie einem größeren Kreis dieser nordbadischen Industrie-Stadt bekannt, fand in der gesamten Presse die ihr gebührende Kritik. Nur ist hier, in Worms im Lande Rheinland-Pfalz, wo sie eine neue Heimat finden wollte, das Kunstinteresse nicht eben lebendig; so mancher kauft lieber hier Schmuck fertig, zur Auswahl aufgereiht „Von der Stange“. Anderen unter der meist nicht wohlhabenden Werk, standen kaum Mittel zur Verfügung.

 

Mit großer Hingabe widmet Frau Kienast-Bantau jetzt ihre Arbeit dem Bernstein, „Ostpreußens Gold“, unserem wärmsten Edelstein, dessen Bearbeitung behutsame Geschicklichkeit erfordert. Sie bringt ihn in vielerlei Schmuckstücken, in Kästen, Schalen, und einmalig wohl auch bislang als Dekor von Flaschenkorken, der der Wormser berühmten Weingegend willkommen sein dürfte. Heute ist Bernstein, wie wir ihn bei Frau Kienast sehen, mit warmem, goldigen Glanz, seinem Zauber und Einschlüssen von Fliegen, Spinnen, Ameisen, Kiefernadeln, kaum noch zu haben.

Chrysopras, Amethist, Topas, Koralle, Saphir, Perlen, was das schmuckliebende Menschenherz sich nur wünschen kann, findet in diesem Atelier, umrahmt von Silber, Gold, Platin, liebevolle und jeweils dem Material entsprechende, leinsinnige Verarbeitung. Selbst auf die materiell nicht bedeutenden Arbeiten, z. B. all die verschiedenen Nadeln, die fast jede Familie erwerben kann, wird die gleiche Sorgfalt, derselbe Ideenreichtum verwandt. — Sakrale Geräte haben ihr auf Ausstellungen Ruhm eingebracht.

 

Frau Kienast-Bantau arbeitet zusammen mit ihrem Sohn, Johannis Kienast, der auch Goldschmiedemeister ist, in guter Kameradschaft. Eine Bleibe, eine kleine Wohnung und ein romantisches Atelier an der alten, ruhmreichen Stadtmauer erhielt sie durch eine fürsorgliche ostpreußische Landsmännin, Frau Clara Abigt, der bei ihrem Zuzug nach Worms diese Wohngelegenheit zugefallen war. Hanna Rohde.

 

 

Seite 16   Elbinger Heimatbrief

Das 4. Heft des „Elbinger Heimatbriefes“ ist unter dem Titel „Elbinger Heimatfibel“ in besonders reichem Umfang und Inhalt erschienen. Herausgeber ist Herr Bernhard Heister, Berlin-Neukölln, Weserstr. 144 v. III. Dort kann die Heimatfibel auch zum Preise von 1,-- DM bezogen werden. Der tragende Kreis der Elbinger Heimatbriefe besteht hauptsächlich aus Angehörigen der ehemaligen Deutschen Freischar in Elbing. Das uns vorliegende Heft beginnt mit einer von Prof. Dr. Carstenn ausgezeichnet zusammengestellten „Elbingisch-Preußischen Geschichtstafel“, durch die das Heft in den größeren geschichtlichen Zusammenhang gestellt wird. Es folgen dann viele hübsche Skizzen und Erzählungen aus der engeren Elbinger Heimat, z. B. über den Deutschen Ritterorden von B. Heister, ein Abschnitt von Paul Fechters neuem Buche, „Jugend im Osten“, Ritt in die Niederung von Eva Caskel, eine Plauderei über die Haffküste von Agnes Miegel, die Sage vom Tolkemiter Aal von Heinrich Eichen und manches andere. Besonders nett sind die Zeichnungen der neunjährigen Inge Heister. Es schließt sich eine kurze Erläuterung über den Göttinger Arbeitskreis, den Verlag Rautenberg und Möckel, die Künstlergilde und die Jugendzeitschrift „das Lagerfeuer“ an.

 

Es ist ein schönes Heft, das vielen Menschen Freude bereiten wird. G. v. Selle

 

 

Seite 16   Wanderung im dunklen Wind

Hans Lipinski – Gottersdorf, Wanderung im dunklen Wind. Erzählung. Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung Göttingen.

Das ist die Geschichte eines alten oberschlesischen Knechtes, der in seltsamer Zuneigung zu der zehnjährigen Tochter seines Gutsherrn diese nach ihrem Verschwinden in den Wirren des Zusammenbruchs nach unendlichen vergeblichen Wegen auffindet und der Mutter wieder an wunderbaren Zufälligkeiten, aber weit darüber stehend das Wunderbare dieser Erzählungskunst. Es ist ein Werk des Grenzlandes, in dem sich Kräfte erschließen, die, rationalem Begreifen unzugänglich sind. Hier ist ein neuer Dichter für diese Welt entstanden. Man vermag wohl Elementen des Gestaltens zu begegnen, die an E. Wiechert und W. Kramp erinnern. Aber diese Verwandtschaft ist nicht wesentlich. Diese Kunst Hans Lipinski-Gottersdorfs ist völlig original, ganz selbständig in der Tiefe des Begreifens der Vorgänge wie der Menschen. In diesem Erzähler ist ostdeutscher Kunstübung eine neue Kraft zugewachsen, die in ihrem ersten größeren Werk vollkommen fertig und unverwechselbar dasteht. Wenn in Zukunft von ostdeutscher Dichtung, von Grenzlanddichtung die Rede sein wird, so wird dieser begnadete Dichter in vorderer Reihe stehen. Wir wünschen, dass diesem großen Talent noch viele Gaben geschenkt sein möchten.

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