Ostpreußen-Warte, Folge 10 vom Oktober 1951

Seite 1   Einigung – Gesamtdeutsche Aufgabe!

Foto: Königsberg Pr./Herbststimmung am Schlossteich

 Seit geraumer Zeit werden seitens des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen (ZvD) und einigen Landsmannschaften Verhandlungen geführt, die zum Ziele haben, alle heimatvertriebenen Deutschen in einem einzigen Bund der Heimatvertriebenen zusammenzufassen. Das Bestreben geht dahin, auch alle Landsmannschaften in diesen neuen Einheitsverband der Vertriebenen einzugliedern, wobei die Landsmannschaften weiterhin autonom in allen heimatpolitischen und kulturellen Fragen wirken sollen. Die Landsmannschaften der Schlesier, Sudetendeutschen und Brandenburger haben bereits ihr volles Einverständnis für diesen gemeinsamen Bund abgegeben.

 Als unabhängige und überparteiliche Heimatzeitschrift haben wir bewusst zu diesen Einigungsbestrebungen bisher nicht Stellung genommen. In letzter Zeit haben jedoch in einem Teil der Vertriebenenpresse die Erörterungen über die Einigungsverhandlungen Formen angenommen, die bei jedem Heimatvertriebenen nur Unwillen und schärfste Ablehnung finden müssen. Es ist der Sache der Vertriebenen keineswegs gedient, ja im höchsten Grade schädlich, wenn diese Veröffentlichungen Unsachlichkeiten enthalten und führende Persönlichkeiten der Vertriebenenbewegung in aller Öffentlichkeit in wenig schöner Weise verdächtigen und ihr Ansehen bewusst herabsetzen. Es ist nur zu wünschen, dass diese Erörterungen in Zukunft von allen Seiten fair und sachlich geführt werden.

 Nachstehend geben wir eine Stellungnahme des Pressedienstes der Heimatvertriebenen" (Göttinger Arbeitskreis) zu der Frage der Einigung wieder:

 In diesen Tagen hat sich — in München — wiederum gezeigt, welche verpflichtende und bewegende Kraft der landsmannschaftliche Gedanke dm geistigen und politischen Leben Deutschlands darstellt. Man sollte es im Inland vor allem im Auslande deutlich erkennen, was es bedeutet, wenn in Westdeutschland eine einzige Landsmannschaft der deutschen Heimatvertriebenen, die organisatorisch durchaus noch nicht einmal durchgegliedert, sondern vielmehr noch im Aufbau begriffen ist, ohne große Vorbereitungen in kürzester Zeit 150 - 200 000 Menschen in eine Stadt zusammenrufen kann. Menschen, die zum größten Teil zu den ärmsten Bürgern der Republik gehören, denen es ein großes Opfer bedeutet, die Mittel für die oft weite Reise und für einen mehrtägigen Aufenthalt aufzubringen. Menschen dazu, die bis vor kurzem noch aufs tiefste enttäuscht und resigniert waren ob des übergroßen Unglücks, das sie betroffen hat. Sie kamen nach München, um hier ein freudiges Fest des Wiedersehens und eine ernste Feier landsmannschaftlicher Verbundenheit zu begehen und um zugleich vor der Welt für die geraubte Heimat ein Bekenntnis der Treue und Liebe abzulegen und gegen das Unrecht zu protestieren, das man ihnen angetan hat.

 

Und wenn es so gelang, einer der größten Städte Westdeutschlands für einige Tage das Gepräge einer Kongressstadt des Ostdeutschtums zu geben und zu erreichen, dass die Ströme ostdeutscher und süddeutscher kultureller und politischer Tradition zusammenflössen zu einem Bekenntnis zur gesamtdeutschen Verpflichtung, so zeigt dies deutlich, welches Recht wir zu haben hoffen. Zu hoffen auf eine geistige Erneuerung unseres Volkes aus Heimatliebe und gegenseitiger Verbundenheit im Bewusstsein gemeinsamen Schicksals. Zu hoffen, dass aus dem schwersten Unglück, das ein Volk betreffen kann, nicht Stumpfheit und Resignation, sondern Läuterunq und damit neue segenbringende Kräfte erwachsen. Und wenn dies eine einzige Landsmannschaft, die der Schlesier. in dieser eindrucksvollen, ja ergreifenden Weise zum Ausdruck zu bringen vermochte, so sei auch daran gedacht, dass andere Landsmannschaften in diesem Jahre ebenfalls Hunderttausende im gleichen Anliegen der Bekundung der Heimattreue und des Bewusstseins der gesamtdeutschen Verpflichtung zusammenführten.

 Von hier aus sind auch die Fragen zu erörtern, die gegenwärtig auf organisatorischem Felde zur Diskussion stehen:

 Die Gemeinsamkeit der deutschen Vertriebenen ist ein Ziel, das gegenwärtig angestrebt wird.

 Alles Persönliche muss zurückstehen.

 Es ist auch erfreulich, dass die Grundlage der Überparteilichkeit — hinsichtlich der politischen Parteien — überall anerkannt ist und sich hier keine Meinungsunterschiede ergeben. Das Problem ist die Frage der

Sitze und Summen in den zu bildenden Körperschaften. Es erscheint in Anbetracht der großen Aufgabe unwesentlich. Aber Organisationen haben ihr eigenes Schwergewicht und Menschen haben  ihre Bedingtheiten. Es wäre falsch, entsprechende Notwendigkeiten außer Acht lassen zu wollen. Der Weg führt über die Zusammenarbeit aus gemeinsamen Anliegen und über die Zusammenfassung zur Vereinheitlichung und zur Einheit.

 In der ersten gemeinsamen Körperschaft, welche die regionalen Vertriebenenverbände und die Landsmannschaften bilden wollen, sollten beide gleiche Rechte, gleiche Pflichten, die gleiche Anzahl von Sitzen und das gleiche Gewicht der Stimmen haben. Jede andere Regelung würde die Zusammenfügung erschweren. Denn wenn auch eine feste und breite Grundlage gegeben ist, so stoßen sich im politischen Raum doch zuweilen die Sachen, besonders wenn man die Vielfalt der Probleme in den Beziehungen der Volksgruppen zu den Exilgruppen usw. in Betracht zieht. Ein rechtes Maß der „Autonomie“ im Verhältnis zu den Verpflichtungen gegenüber und im Rahmen der Gesamtheit ist leichter zu finden bei gleicher Stimmzahl, als wenn es der Vereinbarung für diesen oder jenen Fall bedarf.

 Man beachte auch, dass es für die neu zu schaffende Organisation gilt, werbend tätig zu sein: Damit sich ihr alle, aber auch alle anschließen können, die bei verschiedenem Stimmverhältnis befürchten, dass ihr eigenes, vor allem aber das Anliegen aller Landsmannschaften neben den drängenden Problemen des Tages — des Lastenausgleichs, der Umsiedlung, der sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung — in die zweite Linie geraten könnte. Die Bedenken mögen unberechtigt sein, aber sie sind vorhanden, und man sollte gerade beim Beginn des Zusammenwirkens lieber zuviel berücksichtigen als zu wenig.

 

Ein anderes Problem ist die Verteilung der Sitze und Stimmen unter den Landsmannschaften selbst. Es erhebt sich die Frage, welche Vertretung diese oder jene Landsmannschaft nach Stärke der von ihr repräsentierten Volksgruppe erhalten soll. Auch dies sind — von den einzelnen Landsmannschaften her betrachtet — wichtige Fragen. Vom Gesamtanliegen her beurteilt, stehen sie jedoch erst in zweiter Linie. Und wenn sie sich als gewichtiger erweisen sollten oder gar als hemmend, so dürfte sich oftmals eine geeignete Lösung in dem Sinn anbieten, dass unter gewissen Umständen Sitze in den Gremien im Turnus wechseln. Dann würde eine Zeitlang eine Landsmannschaft durch eine andere mitvertreten sein und eine Zeitlang würde die erstere wieder die Vertretung der letzteren in den Gremien übernehmen. Dies aber würde bedeutungsvoll sein auch in anderer Hinsicht: Es muss dahin kommen, dass sie alle sich gegenseitig vertreten und gegenseitig nicht nur die allgemeinen, sondern auch die einzelnen und besonderen Anliegen wahrnehmen.

 

Wir alle haben die Aufgabe, aus der Vereinzelung zum Gemeinsamen zu kommen. Das heißt aber, dass es gilt zu lernen, mit den Gedanken des anderen zu denken, sich für den anderen einzusetzen, für ihn zu handeln. Es gilt dies für die einzelnen Menschen ebenso wie für die Landsmannschaften und für alle Organisationen.

 

Das Ziel steht allen klar vor Augen, es gibt darum keine Zweifelsfragen. Aber es gilt, gangbare Wege zu finden, die zu ihm hinführen, trotz der Hindernisse, die hie und da aus diesem oder jenem Grunde vorhanden sind. Es ist leicht zu sagen, dass diese Hindernisse „nicht sein dürften", schwierig aber, sie in tiefer Verantwortung für das Ganze aus dem Wege zu räumen. Manches lässt sich auch umgehen.

Wir haben dieses erörtert in Erkenntnis der Tatsache, dass es besser wäre, wenn derartige Fragen nicht in der Öffentlichkeit behandelt würden. Aber nachdem dies weithin geschehen ist und zwar nicht nur in der Vertriebenenpresse, sondern auch in den Tageszeitungen, erschien es erforderlich, dass auch unser Standpunkt erklärt würde. Denn wenn es auch so scheint, als ginge es nur um Personen und Organisationen: Alles politische Geschehen erfolgt durch Personen und Organisationen. Und die Organisationen der deutschen Heimatvertriebenen sind durch selbstloses und aufopferungsvolles Eintreten von Männern für die Sache ihrer Landsleute und der deutschen Heimatvertriebenen entstanden, ja sie sind mit ihren Namen nicht selten unlösbar verbunden. So erklären sich die Fragen, die heute nicht nur diese bewegen, sondern auch jene, die an der Arbeit und dem Wirken der Organisationen und ihrer Leiter und Sprecher von jeher lebhaften Anteil nahmen.

 

Es ist unser Wunsch, dass das große Werk der Einigung zu einem guten Ende geführt werden möge! Im Dienste an der landsmannschaftlichen Bewegung, an allen Heimatvertriebenen und damit an einer gesamtdeutschen Aufgabe von europäischer Bedeutung.

  

Seite 2   Rathaus von Braunsberg

 Das in Nr. 7 veröffentlichte Titelbild stellt das Rathaus von Braunsberg (nicht Heiligenbeil) dar.



Seite 2   Sieben Ostdeutsche im Bundesverfassungsgericht

 Bonn. Unter den 24 höchsten Richtern der Bundesrepublik, die von den Wahlmännern des Bundestags und dem Plenum des Bundesrats gewählt wurden, befinden sich sieben Ostdeutsche, darunter Landgerichtspräsident Dr. Fröhlich aus Kattowitz, Bundesrichter Dr. Erwin Stein aus Grünberg, Ministerialrat Franz Wessel aus Stüblau bei Danzig, der lange Jahre in Königsberg war, und Prof. Dr. Konrad Zweigert aus Posen. Der Vizepräsident des Gerichts, Dr. Rudolf Katz, stammt aus Falkenburg in Pommern, und die einzige Frau im Bundesverfassungsgericht, Dr. Erna Schettler, ist eine Breslauerin.

 

 

Seite 2   Noch 150 000 Deutsche im polnisch besetzten Ostpreußen?

 Berlin. Anlässlich der Einweihung der wieder aufgebauten St. Jakob-Kirche hl Allenstein durch den Primas von Polen, Kardinal Wyszynski, berichtet die katholische Zeitschrift „Tygodnik Powszechny" über die Verhältnisse im polnisch besetzten Teile Ostpreußens. Nach den Angaben des Blattes leben dort heute 700 000 Katholiken und rd. 100 000 Evangelische. Da die deutsche Bevölkerung Masurens evangelisch war und die polnischen Zuwanderer in der weitaus überwiegenden Anzahl katholisch sind, dürfte sich damit ergeben, dass noch rund 90 - 100 000 Deutsche in Masuren leben. Gleichzeitig weist aber das polnische Kirchenblatt auch darauf hin, dass sich unter den 700 000 Katholiken 50 000 befänden, die zu den früheren Bewohnern zählten. Nach den Angaben des Blattes muss also damit gerechnet werden, dass sich noch 140 - 150 000 Deutsche im polnisch.

  

Seite 3   Unsere Städte im Bild. Insterburg

6 Fotos: an der Inster, die Hindenburgstraße. — Bild oben rechts: Blick auf den alten Markt mit der alles überragenden Lutherkirche im Hintergrund.

— Aufnahmen Mitte: Alt-lnsterburg, von der Angerapp aus gesehen.

                 Blick auf die Schützentaltreppe, die zum alten Markt führt. —

                 Aufnahmen unten: lnsterburger Stadthalle — Idyllische Partie an der Angerapp.

 Insterburg — vom Deutschen Ritterorden als Burg an der Inster angelegt, hatte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer blühenden Stadt entwickelt und stand unter den Provinzstädten des östlichen Teiles Ostpreußens nächst Allenstein und Tilsit der Einwohnerzahl nach an dritter Stelle. — Hier herrschte immer ein sehr reger Verkehr, denn Insterburg hatte Bahnverbindung mit dem nördlichsten Zipfel Ostpreußens über Tilsit und auch über Darkehmen, Goldap und Lyck mit dem südlichen Masuren. — So zog die Stadt einen starken Besuch vom flachen Lande an sich. Geschäfte und Gaststätten blühten auf, in den breiten Straßen pulsierte Leben, die höheren Schulen hatten hohe Schülerzahlen und Insterburg war eine hervorragende Pflegestätte für Turnen und Sport. Seine herrlichen Sport- und Tennisplatzanlagen haben gewiss zu den modernsten und landschaftlich schönsten in unserem ganzen Vaterlande gehört. Einen Ruf in der deutschen Sportwelt hatte sich in den zwanziger Jahren die Schülerschlagballmannschaft erworben. — Ja, und welcher Ostpreuße schickt nicht gerade in diesen. Tagen, da sich das Laub bunt färbt, seine Gedanken hin zu dem so idyllisch an der Angerapp gelegenen Turnierplatz, auf dem alljährlich im Herbst, nachdem tags zuvor das Feld über die Äcker und Koppeln Trakehnens gegangen war, die Elite deutscher Reiter und Pferde sich höchste Leistungen abverlangte, — Im ersten Weltkriege hatte nach dem Einfall der russischen Armeen in unsere Heimatprovinz der russische Oberkommandierende Rennenkampf im „Dessauer Hof“ sein Hauptquartier und später während der Befreiungskämpfe auch Generalfeldmarschall von Hindenburg. — Die schöne ostpreußische Stadt mit ihrem Schloss, dem weit ins Land hinein grüßenden Turm der alten Lutherkirche ist in den Januartagen 1945 von sowjetischen Fliegern stark beschädigt und nach der Einnahme durch die „Rote Armee" weiter zerstört worden.

  

Seite 4   Elbing – 4000jähriger Siedlungsplatz

 Als der Deutsche Orden und die Lübecker Burg 1237, die Stadt Elbing gründeten, fanden sie eine altpreußische Bevölkerung vor, die schon über 600 Jahre hier an der Mündung des Elbing-Flusses in das Frische Haff ansässig war. Uralte Sagen und Überlieferungen wussten von hochgewachsenen, blonden Seefahrern und Handelsmännern zu berichten und doch waren diese keineswegs die ersten Siedler im Elbinger Raum. Reiche Bodenfunde mitten in der Altstadt gaben der Wissenschaft die Gewissheit, dass bereits um 2000 v. Chr. nordische Kulturgruppen der jüngeren Steinzeit auf diesem Platze ansässig


gewesen waren. Mit ihnen hatten sich auch später die ersten germanischen Stämme verschmolzen, die von Pommern her nach Westpreußen kamen und die Elbinger Höhen besiedelten.

 

Vor den Toren Elbings, in Lärchenwalde, wurde ein großes Dorf der Frühgermanen ausgegraben, das von etwa 1200 bis 500 v. Chr. bewohnt gewesen ist. Umfangreiche Gräberfelder bestätigen diese germanischen Bewohner, zu denen sich zu Beginn unserer Zeitrechnung die Stämme der Goten und Gepiden, von Schweden kommend, gesellten, während der größte Teil der Frühgermanen nach Südosteuropa abwanderte, um sich dort neue Wohnsitze zu suchen. Prachtvolle Schmuckstücke aus Gold, Silber und Bronze, die auf dem großen Gotenfriedhof des Neustädterfeldes zutage gefördert wurden, waren auserlesene Zeugnisse germanischen Kunsthandwerks. Zwar wanderte auch ein Teil der Goten nach Süden ab, aber ihre Reste blieben sesshaft, auch als um 600 n. Chr. die altpreußischen Stämme aus dem baltischen Räume bis zum Mündungsgebiet der Weichsel vordrangen und auf dem Boden der späteren Stadt Elbing siedelten. Etwa zur gleichen Zeit kamen die Wikinger als letzte germanische Welle von Norden her ins Land und machten den Boden Elbings zum Mittelpunkt ihrer Kolonisation.

 

Ein erhalten gebliebener Bericht des Wikings Wulfstan von 870 schildert eingehend seine Reise von Schleswig nach Truso, der Handelsstadt am Drausensee. Wikinger-Gräber auf dem Neustädterfeld aus dieser Zeit beweisen, dass dieses Truso im oder dicht bei dem heutigen Elbinger Stadtgebiet als altpreußisch-wikingische Handelsstadt durch mehrere Jahrhunderte in höchster Blüte gestanden hat. Der Handel mit den Ostseeländern und weit in das Hinterland hinein hat die Bewohner von Truso reich gemacht, wovon der Reichtum der Grabausstattungen beredtes Zeugnis ablegt. Truso ist danach die Vorgängerin von Elbing gewesen möglicherweise hat der Deutsche Ritterorden seine Stadtgründung auch im Hinblick auf die alte Truso vollzogen.

 

 

Seite 5   Wie das Anke von Tharau nach Königsberg kam und wieder von dannen reiste. (Anna Neander, geb. 1619 im Pfarrhaus zu Tharau in Preußen)

 
Krieg in den Landen. Pest und Not.

Um den Kirchturm schrien die Raben.

Der Pfarrer zu Tharau, Neander, lag tot

Und die Pfarrfrau war eben begraben.

 

Nun senkte man ihn in die Grube hinein.

Das Herbstlaub fiel von der Linde.

Da stand Klein-Anke, sein Töchterlein,

Und zitterte frierend im Winde.

 

Der Brauherr aus dem Löbenicht

Nahm des Kindes Hand in die seine

Und sah dem Anke ins blasse Gesicht:

„Komm mit mir und werde das Meine.

 

Komm mit in die Stadt, in mein warmes Haus,

Da sonnt sich die Katz auf der Mauer,

Viel Tauben flattern ein und aus.

An den Fässern klopfen die Brauer."

 

Klein-Anke geht noch einmal hinein

In die Pfarre, in der es geboren.

„Ach Mutter, ach Vater, nun bleib ich allein,

Nun hab' ich mein Alles verloren." 

Die Kinder vom Dorfe rufen ihr zu:

„Nich reise — sullst bi uns bliwe,

Wi wille speele, leew Anke du,

Un de Jänskes up Stoppel driwe."

 

Des Brauherrn Waqen stand unten am Krug,

Viel Freibier gab es zu trinken.

Klein-Anke ein leinenes Säcklein trug

Und sah die Gespielen winken:  

„Anke — leew Anke — bliw hi, bliw hi.

Wi wille unst Brot met di dehle,

Un Hilljedags morjes denn beede wi

Far de verstorwene Seele."

 

Der Oheim hebt das Kind übers Rad,

Die Strähnen der Peitsche knallen.

„So, Anke, nun gehts in die bunte Stadt"

Da wird es dir gut gefallen."

 

Sie fahren den lehmigen Weg entlang,

Entgegen den Ostseewinden,

Ganz weit verhallet der Glockenklang,

Ganz fern verschwimmen die Linden. 

Und wie sie traben durchs Pregeltor,

Vierspännig am Dom um die Ecke,

Da steckt das Anke sein Köpfchen hervor

Und lauscht aus dem warmen Verstecke.

 

„Herr Oheim, wisst ihr, wer das ist,

Der so schön kann die Orgel spielen?"

„Das ist Heinrich Albert*), der Organist,

Was schert dich's — Einer von Vielen!"

 

„Herr Oheim, der Kirche ist das viel nütz,

Wo tat er die Noten studieren?"

„Bei seinem Ohm Herrn Heinrich Schütz

Braucht dich nicht interessieren."

 

„Herr Oheim, wer grüßt dort und schaut euch nach

Im Barett mit dem krausen Kragen?"

„Das? Ein Poet, Herr Simon Dach.

Sitz stille, sonst fällst du vom Wagen."

 

Am Brauhaus roch es nach Teer und Werg,

Frau Muhme hieß sie willkommen.

So hat der Brauherr Stolzenberg

Das Waislein ins Haus qenommen.

 

Die Jahre folgten einander nach,

Dann haben die Glocken geklungen,

Und Heinrich Albert und Simon Dach

Haben gereimt und qesungen:

 

„Anke von Tharau is, dee mi jefillt —"

Da stand sie im Rautenkranze

„Se is min Lewe, min God und min Jild —"

Da schritt sie zum Hochzeitstanze.

 

Sie ward mit Johannes Partatius getraut.

Er hielt sie in zärtlichen Armen,

Als fahrend sie aus der Kalesche geschaut,

Hinsummend ihr Hochzeitscarmen:

 

„Käm allet Wedder jlik up uns to schlahn —"

Da sahn sie hinauf in die Sterne.

Wi sinn jesinnt, bi enander to stahn. —"

Und ihr Pfarrhaus winkt in der Ferne.

 Erminia von Olfers-Batocki, aus Tharau, Ostpreußen


 

*) Am 6. Oktober jährt sich der 300. Todestag des Königsberger Domorganisten Heinrich Albert.

 

  

Seite 5   Aus der Turnerfamilie. Unsere Geburtstagskinder im Oktober.

 01.10.1951 Edith Bader (Alienstein), 24a Schwarzenbek, Kollowerstr. 1.

01.10.1851 Gustav Hausen (KMTV 1842), 20a Neu Tramm Post Tannenberg (Elbe).

04.10.1851 Frau Elfriede Bartsch (Kbg Fr TV), 23 Vechta, Bremer Straße 11.

04.10.1851 Frau Käthe Berger (KMTV 1842), 23 Berge Post Emsbüren, Kr. Lingen.

04.10.1851 Walter Naumann (KMTV 1842), 20a Hannover-Kleefeld. Wismarer Straße 9.

04.10.1851 Bruna? Petzke (KMTV 1842), 20a Bückeburg, Petzerstr. 17.

05.10.1851 Frau Lotte Schurig (KTC), 20a Hildesheim, Wilhelm-Raabe-Straße 3.

07.10.1851 Erich Lange (Memel), 23 Oldenburg (Oldb.), Ackerstraße 20.

07.10.1851 Otti Moeck, geb. Grunwald (KTC), 24b Leetzen (Holst.) über Bad Segeberg.

08.10.1851 Paul Hoepfner (Allenstein), 24b Westerhover, Post Garden Land.

08.10.1851 Johann Schindler (KMTV), 24a Hamburg 24, Sievekingallee 98 II.

09.10.1851 Frieda Alm. geb. Reimer (KMTV 5842), 23 Oldenburg (Oldb.). Bioherfeldstraße 20.

10.10.1851 Otto Pallentin (KMTV 1842), 24b Bösdorf, Post Plön.

11.10.1851 Johannes Beutner (KMTV 1842), 22a Hamborn, Duisburger Straße 216.

13.10.1851 Rudolf Papendiek (Tilsit), 20b Göttingen, Pfalz-Grona-Breite 77.

14.10.1851 Hannelore Sachs (Insterburg), 20a Uelzen (Bez. Hann.), Ripdorferstr. 6.

16.10.1851 Wilhelm Freitag (KTC). 24b Kiel, Metzstr. 49.

17.10.1851 Erwin Rauter (KMTV 1842), 20a Faßberg, Kr. Celle, Promenade 181.

18.10.1851 Christel Gutzeit - (Wehlau), 23 Aschendorf (Ems), Huntestr. 2 a.

19.10.1851Paul Kalcher (KMTV 1842), 24b Kiel, Königsweg 78

19.10.1851 Günther Krause (KMTV 1842), 24b Preetz (Holst.), Am Lanker See 17.

20.10.1851 Georg Wegener (KMTV 1842). 20b Nikolausberg 5, über Göttingen.

21.10.1851 Benno Hartmann (KMTV 1842). 20a Lehrte, Otto-Bödecker-Str. 14.

24.10.1851 Kurt Dambrowski (KMTV 1842), 13a Erlangen, Untere Karlstr. 5. .

25.10.1851 Frau Elsa Küßner (KMTV 1842), 24a Otterndorf (Nd. Elbe). Scholienstr. 18.

25.10.1851 Gustav Pätzold (KTC), 24b Flensburg, Schleswiger Str 22

26.10.1851 Hanna Vogel (KMTV 1842), 3b Stralsund, Triebseer Schulstr. 20 II.

27.10.1851 Anni Zielinski, geb. Tiedemann (KTC), 23 Rastede, Palais.

30.10.1851 Walter Krause (Allenstein), 23 Bremen-Neustadt, Mainstr. 6

31.10.1851 Max Kroß (KMTV 1842), 23 Neuhaus, Grafschaft Bentheim

 Allen Geburtstagskindern übermitteln wir herzlichste Glückwünsche, insbesondere zum Beginn eines neuen Jahrzehnts: Christel Gutzeit (30 J.), Otti Moeck (40 J.), Kurt Dambrowski und Max Kroß (50 J.), Gustav Pätzold (60 J.).

 

 

Seite 5   George Baumgarth gestorben


Im Alter von 74 Jahren verstarb unerwartet in Garmisch-Partenkirchen, wo er mit seiner Familie Zuflucht gefunden hatte, der letzte Fechtwart des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft, George Baumgarth. Ein überaus rühriger Turnerführer, bekannt und beliebt in allen ostdeutschen Gauen, insbesondere bei seinen Fechterriegen, ist mit ihm dahingegangen, ein aufrechter Deutscher, den auch das schwere Los als Heimatloser und Vertriebener nicht zu beugen vermochte, der freimütig den Anspruch auf Rückkehr in die Heimat vertrat und treue Kameradschaft pflegte. Als Herausgeber eines Mitteilungsblattes „Das Band" für die Mitglieder des Turn- und Fechtvereins Danzig hat er seine Turnertreue bis zuletzt durch die Tat bewiesen. Sein Name bleibt mit der Geschichte des Turnkreises 1 für immer verbunden.

Die Turnerfamilie Ost- und Westpreußen wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

 

 

Seite 5   Jubiläum

 40jähriges Priesterjubiläum: Pater Johannes Pockart (früher: Mehlsack), feierte am 1. Oktober 1951 in (22c) Kreitz über Neuß sein 40jähriges Priesterjubiläum

 

Sein vierzigjähriges Amtsjubiläum begeht am 22. Oktober 1951 Pfarrer Bernhard Teicke an der Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin-Wilmersdorf. Pfarrer Teicke wurde 1911 in der Schloßkirche in Königsberg ordiniert und war zunächst Vereinsgeistlicher des Ostpr. Provinzialvereins für Innere Mission, danach 10 Jahre Pfarrer in der ermländischen Diasporagemeinde Rößel und von 1928 - 1831 in Tilsit, von wo er nach Berlin-Wilmersdorf berufen wurde. Ihn verbinden bis heute starke Beziehungen zu den Gliedern seiner einstigen Gemeinden in Ostpreußen, denen er mit Rat und Tat nach der Flucht beistehen konnte.

 

Am 1. August 1951 beging die Farben- und Lackgroßhandlung Hermann Wendler, Inhaber Friedrich Roth, das Jubiläum ihres 50jährigen Bestehens. Bis 1945 war diese Firma, die ihren Sitz in Königsberg Pr., Vorstädtische Langgasse 129, hatte, die größte ihrer Art in ganz Ost-und Westpreußen. Hermann Wendler, der Onkel des heutigen Inhabers, war der Begründer des Unternehmens, in das Herr Roth 1908 als Lehrling eintrat. 1930, nach dem Tode Hermann Wendlers, übernahm der heutige Inhaber die Firma. Es ist vor allem sein Verdienst gewesen, dass der Betrieb immer weiter ausgebaut werden konnte und zu einem feststehenden Begriff in Farben- und Lackgroßhandel wurde, weit über die Grenzen unserer alten Heimat hinaus. Mit reichen Fachkenntnissen begabt, umsichtig und gewissenhaft, war und ist Friedrich Roth der Typ des „königlichen" Kaufmanns. Nach dem Verlust seiner Heimat begann Herr Roth Ende 1945 buchstäblich aus dem Nichts in Delmenhorst i. O.seine Firma wieder aufzubauen. Fleiß, Energie und Korrektheit waren die Bausteine für das wiedererstandene Unternehmen, das auch in dem neuen Wirkungskreis bereits einen anerkannten Namen besitzt und auf eine weitere erfolgreiche Entwicklung hoffen darf.

 

 

Seite 5   Wir gratulieren

 Kirchschullehrer und Organist i. R. Max Chmielewski, jetzt wohnhaft (21a) Frohnhausen, Kreis Warburg i. Westf., Schule, beging am 16.08.1951 in voller Rüstigkeit seinen 80. Geburtstag. Mit 44 Dienstjahren, davon zuletzt 30 Jahre im Wallfahrtsorte Heiligelinde, Ermland (Ostpreußen), setzte sich unser Geburtstagskind in den wohlverdienten Ruhestand. 20 Jahre lang wirkte er außerdem in Heiligenlinde als Rendant der Spar- und Darlehnskasse.

Wir vereinen unsere besten Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstage mit dem Wunsch für einen noch recht langen und gesegneten Lebensabend.

 

 

Seite 6   Foto: Ordenskirche Arnau, als Kapelle der heiligen Katharina, vom Deutschen Ritterorden 1250 gebaut, später erweitert. Renoviert unter dem Patron Friedrich von Bassewitz-Fuchshöfen.

 

 

Seite 6   Ostpreußen

 Weites Land der lichten Roggenfelder.

Herber Himmel hoch darüber hängt.

Dunkel raunen rings die Tannenwälder,

Wo sich Wipfel eng an Wipfel drängt.

Unter knorrig-alten Urwaldbäumen

wandelt man wie jenseits Raum und Zeit.

Hügel grüßen. Blaue Seen träumen. 

Heilig, heilig ist die Einsamkeit.  

Und ein Duft, berauschend wie von Linden

und doch wie von einer Sehnsucht schwer,

weht vom Haff herüber mit den Winden

und bestrickt mit jedem Hauche mehr.

Dünen ragen hoch im Himmelsblauen,

immer, immer von der Flut geküsst.

Immer lockt das Meer wie ferne Frauen.

Immer ist's, wie wenn man wandern müsst.

 

Mächtige Burgen, himmelhohe Türme

künden von der Ahnen Rittertum.

Und die oft so wilden, harten Stürme

rauschen laut von Tod und Heldenruhm. —


Land der Not, der Kämpfe, deine Söhne

tragen dich in sich wie heiligen Brand;

und sie singen Hymnen deiner Schöne

auch verbannt aus dir nun, Heimatland!

Fritz Kudnig.

 

 

Seite 6   Heimatlicher Erntedank. Von Carla von Bassewitz

 Eine ostpreußische Bauernregel besagte, dass am 15. September der Roggen fertig gedrillt sein sollte, damit er kräftig genug in den Winter käme, — und am 17. September mit dem Kartoffelgraben begonnen werden musste. Wenn wir dann am Erntedanktag auf den schmalen Holzbänken und in den geschnitzten Ständen unserer alten Ordenskirche saßen und das

,, Seine Güte währet ewiglich!" laut und

energisch .zu den alten Spitzbogen empor klang — — dann fühlte man wohl das leise Aufatmen, das von all den arbeitsgebeugten Gestalten in feierlichem Sonntagsschwarz her durch den altertümlichen Raum wehte. Aber — die Ernte war ja auch dann noch nicht beendet!

 

Mit Roggen, Grummet, Klee, Kartoffeln sind zwar solide Grundlagen gelegt, jedoch die Wirtschaften in der Heimat des „Ostpreußischen Warmbluts — Trakehner Abstammung", die von ihren manchmal nur 4 - 5 eingetragenen Ackerstuten Hengste für die Landgestüte stellten — brauchten Pferdebohnen und Möhren für die kostbaren Fohlen. Die Güter, auf denen Bullen der „Schwarzweißen Ostpreußischen Holländer" gezogen wurden, die Milchviehwirtschaften mit hohem Jahresdurchschnitt — brauchten Futterrüben. Dies alles war noch draußen, und Kraftfutter und Heu sind wohl unerlässlich, aber ohne reichlich Rüben „is nuscht", das wusste „jeder Einzige" in dieser Viehzuchtprovinz.

 

Da zog sich nun der niedrige, wippende Wald dunkelgrüner, seidig glänzender Rübenblätter die „Lägen" hinauf und hinunter. In manchen Wirtschaften wurden der Erdflöhe wegen Bruken dazwischen gedrillt, die man jetzt an ihrem helleren, bläulicheren Blattwerk erkennen konnte.

 

Wie immer waren am besten entwickelt und am geschlossensten diejenigen Schläge, die das ganze Jahr hindurch unzählige Male „durchgefahren" und immer wieder mit der Hand gehackt wurden, trotzdem zu den gleichen Zeiten andere Arbeit genau so drängte — — damit .bloßig" das Rindvieh winterüber satt wurde.

 

Und nun noch bei Regen — wie schwer ist da die Landarbeit, ganz besonders das Rüben fahren! Zeitweise waren die Wege so aufgeweicht, dass kein Durchstechen nach den Seitengräben mehr half. Die Pferde — schon angestrengt durch die Herbstbestellung — machten ganz vergrämte Gesichter, wenn sie sich mit nimmermüder Geduld ins Brustblatt legten. Die langen Schweife und sorgfältig „verzogenen" Mähnen hingen trübselig wie nasse Putzwolle herunter.

 

Ach, und der Mensch — der ist „durchnaß" und gänzlich verärgert. Wer hat schließlich genug Joppen und „Schäften", um immer neue, trockene anzuziehen? So ist die Hälfte der Besatzung erkältet und muss zu Hause „de Fleet breegen" und fehlt bei der Arbeit gerade jetzt, wo schon Frost droht!

 

Gott sei Dank kamen aber stets, wenn es am schlimmsten war, wieder die herrlichen klaren, östlichen Herbsttage, die alles trockneten. Der nickende Blätterwald steckte schließlich in den Silos und säuerte fröhlich, die rötlichen Rüben türmten sich sauber ausgerichtet in langen komischen Mietenbergen, von flachen Gräben umzogen und harrten des Bedeckens. Immerhin war ein Teil am Erntedanktag schon geborgen — der Rest würde folgen, „wenn der liebe Gottchen gibt . . ."

 

Da lagen sie nun am Altar — die rot leuchtende „Ovana", die hellere „Eckendorfer", die gelbliche Bruke — — zwischen hohen, goldenen Roggen- und Hafergarben mit schweren Häuptern und zierlichen Rispen — den unscheinbaren, aber glatten und makellosen Kartoffeln — den Kumstköpfen, Gurken und allen Sorten Äpfeln: Vom großen „Hasenkopf" bis zum winzigen, würzigen „Kurzstielchen".

 

Alles das bekamen nachher die Gemeindearmen. Viele waren nicht vorhanden, so dass auf jeden ein gut Teil entfiel.

 

Wer hätte denn zurücknehmen mögen, was man dem Herrn als Dank dargebracht hatte für seine Hilfe während des ganzen Jahres! Er würde nun auch verzeihen, dass wir manches Mal auch am Sonntag eingefahren hatten es ging ja sowieso immer im Galopp, und „rin musd' es doch!" dafür sind wir ja auch heute alle da — ganz voll ist unsere liebe alte Kirche. Ein breiter Sonnenstreifen fällt durch die bunten


Fenster mit den Wappen der Patrone auf die gemalten Fresken an den Wänden, die Gedenktafeln für die Gefallenen und die Feldfrüchte am Altar . . .

 

Ein kleiner Vogel ist hereingeraten, hat sich mitten auf einen mächtigen gelben Kürbis gesetzt und piepst ungeniert . . .

 

„Ach, nun ist der Herr Pfarrer schon fertig — da bin ich doch foarts e beetke eingedrusselt. Wer möcht jetzt noch schnell nach dem Opa seinem Grab sehen — das konnten wir all lang nich, wegen der Bestellung . . ."

 

Langsam, mit dem schweren Schritt von Menschen, die gewohnt sind, auf lebendigem Acker zu Gehen, schiebt sich die Gemeinde durch das alte Spitzbogentor hinaus in goldene Herbstsonne und raschelnde Lindenblätter — zu neuer Arbeit!

 

Verhallt in den zerstörten Ordenskirchen des Ostens sind die Worte der ehrwürdigen

preußischen Liturgie: - - für dieses Land und alle Gläubigen, die darin wohnen, lasst uns zum Herrn beten um Gesundheit der Luft, Fruchtbarkeit der Erde und friedliche Zeiten - -

 Aber haben sie nicht ihre furchtbare Wucht und Eindringlichkeit behalten - auch heute noch, und auch in diesem Lande, wo noch gesät und geerntet werden darf?

 

 

Seite 8   Das Memelland von 1919 bis 1939. Von Hans Mittelstaedt.

3. Fortsetzung und Schluss

 

Im Jahre 1926 geschah ein politischer Umsturz in Litauen durch einen Militärputsch und Einsetzung eines neuen Staatspräsidenten (Smetona). Zugleich wurden der litauische Landtag und die politischen Parteien aufgelöst, über das Land der Kriegszustand verhängt, mit aktiven Offizieren als „Kriegskommandanten" der Kreise, und in Worny ein politisches Konzentrationslager eingerichtet. An die Stelle der verfassungsmäßigen parlamentarischen Demokratie Litauens trat das Einparteisystem (der Tautininkai = Nationalen) und eine Kabinettsregierung (Ministerpräsident Woldemaras)) mit gesetzgebender und vollziehender Gewalt ohne Volksvertretung, also ein faschistisches System.

 

Das war hauptsächlich eine Angelegenheit Litauens. Litauen benutzte sie jedoch dazu, den Kriegszustand auch über das Memelland zu verhängen, um ein weiteres Machtmittel gegen die Autonomie zu haben. Verfassungsmäßig war die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung hier eine autonome Angelegenheit. Ruhe und Ordnung waren aber niemals gestört und der Kriegszustand daher verfassungswidrig. Den Kriegskommandanten in Memel, Liormonas, hinderte das aber nicht, durch Befehle, Verbote und Strafen tief in die Autonomie einzugreifen. Pressezensur, auch über jedes ausländische Druckerzeugnis, um die kulturelle Verbindung mit Deutschland abzuschnüren, später dazu auch ein Störsender und litauische Geheime Staatspolizei waren weitere Begleiterscheinungen.

 

Alle Versammlungen, selbst Vereinsfestlichkeiten, deren Tagesordnungen bzw. Programme, bedurften der Genehmigung des Kriegskommandanten. Selbst am Totensonntag war den Memeler Vereinen der geschlossene Zug zum Kriegerdenkmal „aus Gründen der Staatssicherheit" vom Kriegskommandanten nicht erlaubt. Die Mitglieder durften sich erst auf dem Friedhof versammeln. Seine Befehle verboten die Zugehörigkeit zu irgendeiner Organisation in Deutschland und stellten „Verächtlichmachung des litauischen Volkes und Staates" unter schwere administrative Strafen, ein Tatbestand, der auf jede Äußerung bezogen werden konnte. — Hohe Visagebühren, Litauisierung der deutschen Personennamen, Weglassung „Bürger des Memelgebiets" in den Pässen, Erteilung oder Verweigerung des Reisevisums durch die litauische Passstelle (Leiter auch einer der Gebrüder Gailius), ganz wie ihr die Haltung des Betreffenden gefiel — Studenten erhielten kein Visum zum Studium, Kranke nicht, um Ärzte oder Heilanstalten in Deutschland aufzusuchen — sollten über den deutschen Charakter des Memellandes täuschen und auch den Verkehr mit Deutschland unterbinden. In den meisten Memeler Schulen versuchte das Landesdirektorium die litauische Unterrichtssprache einzuführen, stieß jedoch auf energische Abwehr durch die Lehrerund Elternschaft und die Gemeindebehörden.

 

Der 1919 von der Stadtverordnetenversammlung gewählte, von der Preuß. Staatsregierung bestätigte Oberbürgermeister Dr. Grabow war gegen Ende seiner Wahlzeit als leitender Bürgermeister von Rostock gewählt worden. Seine kompromisslose deutsche, auch auf den Verband der städtischen Beamten und Angestellten und die Beamtenfraktion gestützte Haltung, hatte litauische Eingriffe in die Stadtverwaltung verhindert und den deutschen Charakter der Stadt gewahrt.

 

In seine Amtszeit fällt besonders der Bau der städtischen Industriebahnen, Erwerb der Memeler Kleinbahn AG. aus der deutschen öffentlichen Hand, Bau eines neuen Elektrizitätswerkes, Erwerb eines großen Waldbesitzes zur Erweiterung der Stadtwaldungen, Gründung der Memeler Stadtbank, Beschaffung einer städtischen Auslandsanleihe zur Stärkung der memelländischen Wirtschaft.

 

Zu seinem Amtsnachfolger wählte die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der Arbeiterpartei, der Beamtenfraktion und einer bürgerlichen Gruppe den Landtagsabgeordneten (Vp.) Rechtsanwalt Dr. Brindlinger gegen den litauischen Kandidaten Simonaitis und den sozialdem. Kandidaten Dr. Treichler. Das Landesdirektorium Otto Böttcher bestätigte den Gewählten gegen den Einspruch des Gouverneurs. Eine schwere politische Korruption enthüllte der Versuch eines Memeler Kaufmanns (Nafthal), mit litauischem Regierungsgeld die Stimmen der Arbeiterpartei zu kaufen.

 

Im Frühjahr 1933 fand die Neuwahl der Stadtverordnetenversammlung statt. Mit der „Christlich sozialen Arbeitsgemeinschaft" (Spitzenkandidat Pfarrer Frhr. von Saß) trat eine neue Partei auf, die zwei Drittel der Sitze erlangte, über das ganze Memelland erstreckte sich die neue Partei „Sozialistische Volksgemeinschaft" (Dr. Neumann).

 

Man suchte neue Wege gegen den litauischen Druck. Ende Juni 1934 stürzte der Gouverneur gewaltsam das Landesdirektorium Dr. Schreiber. Er setzte ein Direktorium litauischer Parteigänger ein, das ohne den Landtag amtierte. Dieses setzte die Leiter aller memelländischen Behörden — Oberbürgermeister Dr. Bindlinger „wegen Nichtbeherrschung der litauischen Sprache" — und die vom Landtag gewählten Mitglieder des Landesverwaltungsgerichts des Memelgebiets ab, ernannte Personen seiner Richtung und politisierte die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, suspendierte oder entließ die meisten der beiden Parteien „als staatsfeindlich" und annullierte die Mandate der christlich-sozialen Stadtverordneten. Beide Parteien waren öffentlich und im Rahmen der Autonomie entstanden und hatten sich darin gehalten. Ohne ein anderes Machtmittel als den Stimmzettel konnten sie den im Besitze aller Mittel der Staatsgewalt und des Totalitarismus befindlichen litauischen Staat nicht gefährden. Litauen war übrigens die Souveränität über das Memelgebiet nur unter den Bedingungen des Autonomie-Statuts übertragen worden, die es nicht erfüllt und vielfach gebrochen hat.

 

In die memelländischen Bankanstalten wurden litauische Aufsichtspersonen eingesetzt, die Einführung der Devisenbewirtschaftung, von Einfuhrlisten und von Arbeitsgenehmigungen für Ausländer als politische Waffe gegen die memelländische Wirtschaft und reichsdeut6che Firmen benutzt.

Als „kommissarischer Oberbürgermeister" erschien im Rathause Herr Simonaitis, der sofort Herrn Mittelstaedt, den erfolgreichen politischen Gegner, beurlaubte und den man später ganz aus Amt und Heimat verdrängte. Litauische Angestellte wurden eingestellt, Umbesetzungen leitender Verwaltungsstellen und die Neubesetzung von Aufsichtsratsposten stadteigener Betriebsgesellschaften vorgenommen, litauische Geschäftsaufschriften in der Stadt angeordnet, die Gehälter der nicht litauisch sprechenden Beamten gekürzt usw. Hiergegen erließ in Sachen Mittelstaedt — Stadt Memel die Zivilkammer des Landgerichts Memel unter dem Vorsitz des Landgerichtspräsidenten Dr. Riffarth eine einstweilige Verfügung und hielt diese Rechtsprechung auch in weiteren Fällen aufrecht.


In einem Schauprozess bekannter Art verurteilte das litauische Kriegsgericht in Kaunas (Kowno — deutsch: Kauen) Mitglieder der beiden neuen Parteien, darunter den Sohn des Präsidenten Otto Böttcher (!), zu langen Zuchthausstrafen, vier zum Tode. Die Vollstreckung der Todesurteile wagte man allerdings nicht.


Abg. Schulrat Meyer, Vizepräsident des Landtages war wegen seiner besonderen persönlichen Gefährdung nach Deutschland gegangen und vertrat von dort die memelländischen Beschwerden beim Völkerbund.


 Durch das abgekartete Spiel der litauischen Regierung, des Gouverneurs und des Kriegskommandanten lag die Autonomie geknebelt ganz in den Händen Litauens, seiner Parteigänger und Mitläufer. Alle Mittel wurden versucht, den Landtag ganz kalt zu stellen. Um ihn beschlussunfähig zu machen, wurden führende Abgeordnete in das Kriegsgerichtsverfahren verwickelt und ihnen vom Kriegskommandanten Freiheitsbeschränkungen auferlegt, andere auf der Reise zu Sitzungen von der litauischen Gestapo festgehalten, Einladungstelegramme an Abgeordnete nicht oder verspätet von der Post bestellt. Protestsitzungen des Landtages gegen die litauische Vergewaltigung unter Vorsitz seines letzten Präsidiumsmitgliedes, Abg. Riechert, kamen trotzdem zustande.

 

1936 musste Litauen sich zur Neuwahl des Gebietslandtages bequemen. Eine raffiniert ausgeklügelte Art der Stimmabgabe, zu der jeder Wähler etwa eine halbe Stunde Zeit brauchte, so dass alle Wähler an dem festgesetzten  einen Wahltag ihre Stimme nicht hätten abgeben können, führte wieder nicht zu der erhofften litauischen Mehrheit. Unter dem Druck der zahlreich vertretenen Auslandspresse musste Litauen die Wahl auch noch am folgenden Tage stattfinden lassen. Das Wahlergebnis war wieder ein großer memellländischer Wahlsieg.

 

Allmählich nahm Litauen seine Eingriffe In die Autonomie teilweise zurück, ohne jedoch verfassungsmäßige Verhältnisse herzustellen. Erst 1938 zu spät für Litauen, entschloss es sich dazu, indem es die Verurteilten des Kriegsgerichtsprozesses in Freiheit setzte, von denen Lehrer Schirrmann infolge Verweigerung rechtzeitiger ärztlicher Hilfe im Zuchthaus gestorben war, und ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte zurückgab, den Kriegs-ustand im Memelland aufhob, einen Memelländer zum Gouverneur ernannte, die parteipolitische Organisation der Memelländer im memelländischen Kulturverband (Dr. Neumann) und einen Selbstschutz, die Führung des Landeswappens in den Siegeln und Stempeln der autonomen Behörden nicht mehr hinderte, auf die Wahlen zum Landtag und die Direktionsbildung keinen Einfluss mehr nahm.

 

Durch Vertrag mit Deutschland gab es im Frühjahr 1939 das Memelland seinem Mutterland zurück. Ein ständiger Gefahrenpunkt der europäischen Politik und Gegenstand der Tagesordnungen des Völkerbundes war beseitigt, eine unnatürliche Zwangsverbindung, die keinem Partner genützt hat, friedlich gelöst.

 

Litauen hat nichts getan, die Memelländer für sich zu gewinnen, sondern nur aus der in Versailles geschaffenen politischen Schwäche Deutschlands ungerechten Nutzen ziehen wollen. Es gehörte nicht zu den Siegern des ersten Weltkrieges. Deutschland hatte es in dem Kriege von viel hundertjähriger drückender Fremdherrschaft befreit. Das Memelland hatte nie zu dem vor mehr als einem halben Jahrtausend untergegangenen Litauischen Staat gehört und sein geschichtlicher Hafen war Polangen gewesen.

 

Von den Personen jener Zeit sind viele nicht mehr am Leben und in Mittel- und Westdeutschland war der 20jährige Kampf eines abgerissenen deutschen Volkssplitters um sein Volkstum und seine legalen unveräußerlichen Rechte kaum bekannt.

 

IV. Die Wiedervereinigung mit Deutschland

 Die von der großen Mehrheit seiner Bevölkerung immer erhoffte Wiedervereinigung des Memellandes mit Deutschland war nach 20-jähriger Fremdherrschaft erfolgt. Mit dem Außerkrafttreten des Autonomie-Status und durch die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung hörten Landtag, Landesdirektorium, die gewählten Kommunalvertretungen und kollegialen Vorstände zu bestehen auf.

 

Die früher bestandenen drei ostpreußischen Kreise Memel-Stadt, Memel-Land und Heydekrug gehörten wieder zur Provinz Ostpreußen, jedoch dem Regierungsbezirk Gumbinnen, früher zu Königsberg i. Pr. Die übrigen deutschen Gesetze wurden gleichfalls eingeführt. An Stelle des litauischen Litas trat die deutsche Reichsmark mit dem für Schuldner vorteilhaften Umrechnungsverhältnis von 2,50 Litas - 1,— RM.

 

Die früheren deutschen Reichsangehörigen erhielten automatisch wieder die deutsche Reichsangehörigkeit. Die Landesbehörden und die litauischen Staatsbehörden im Memelland wurden in die betreffenden deutschen Verwaltungszweige übergeführt, die Landesversicherungsanstalt des Memelgebiets auf die verschiedenen Träger der reichsgesetzlichen Sozialversicherung. Großzügig wurden alle Beamten, auch politische Gegner und diejenigen, welche in dem Kampf um die Autonomie „neutral" oder litauisch gerichtet gewesen waren, mit ihrem Dienstrang übernommen oder sie traten mit der gesetzlichen Pension in den Ruhestand.

 

Die niedrigen litauischen und memelländischen Beamtengehälter, Pensionen und Sozialrenten wurden durch die Einführung der deutschen Gesetze entsprechend erhöht.

 Nun mündete die Geschichte des Memellandes wieder ein in die deutsche Geschichte und das Schicksal Deutschlands.

 

 

Seite 8   Memelländisches Haff- und Fischerlied


Wo de Haffes Welle trecke an den Strand,

wo de Elch und Kronkes aller Welt bekannt,

wo de Möwe schriee grell im Stormgebrus,

doa is miene Heimat, doa bin eck to hus.

 

Welln un Wogen sunge mi dat Weegelied,

un am Haff verlewt eck miene Kindertied,

und dat Haff erweckt in mi son grot Begehr

in die Welt to flege, äwer Haff un Meer.

 

Un mi wart vom Lewe dat Verlang gestöllt

wart mi allet gäwen , wat dat Herz erfööllt.

Is ock dat geschwunde, wat mi quält und drew

hew de Ruh nich funden, denn de Sehnsucht blew.

 

Sehnsucht nach dat kleene koahle Fescherland,

wo de Elch und Kronkes aller Welt bekannt,

wo de Möwkes schriee  grell im Stormgebrus,

doa is miene Heimat, doa bin eck to hus.

 

 

Seite 8   Glocken aus ferner Heimat

 Hannover. Der Glocken-Rückführungsausschuss in Hannover hat dem Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln mitgeteilt, dass noch etwa 700 Glocken katholischer Kirchen aus den deutschen Gemeinden jenseits der Oder-Neiße-Linie westdeutschen Gemeinden zur leihweise Überlassung zur Verfügung stehen.

 

 

Seite 8   Der falsche „Pour le mérite“

 Christian August Lobeck, der berühmte Altphilologe der Albertina, der am 25.08.1860 in Königsberg starb, nachdem er 1814 hier ordentlicher Professor geworden war, hatte einst von Friedrich Wilhelm IV. eine Einladung zu einer Hoffestlichkeit nach Berlin erhalten. Als er die damals nicht geringen Strapazen der Reise glücklich überstanden hatte, fand er noch Zeit, einen befreundeten Kollegen in der preußischen Hauptstadt aufzusuchen. Man sprach auch über das bevorstehende Fest, und der Königsberger Gelehrte fiel aus allen Wolken, als er hörte, dass man bei einer solchen Gelegenheit unbedingt alle Orden anlegen müsse, die man im Laufe der Jahre verliehen bekommen hatte. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht, und er war dem Berliner Kollegen aufrichtig dankbar dafür, dass er ihm aus der Verlegenheit half, indem er ihm einen Juwelier nannte, der eine beträchtliche Auswahl europäischer Orden auf Lager zu haben pflegte. Der Juwelier machte seinem Ruf alle Ehre. Nach einigen gemeinsamen Überlegungen glaubte man schließlich herausgefunden zu haben, welche Auszeichnungen Lobeck wohl besitzen mochte, und so verließ er den Laden mit einem lachenden, einem weinenden Auge: glücklich darüber, dass er alles hatte kaufen können, was er brauchte, und zugleich ein bisschen traurig über die unvorhergesehene nicht unbeträchtliche Geldausgabe.

 

Kritisch wurde die Situation noch einmal, als Lobeck in seinem Hotel im Frack vor dem Spiegel stand, um die Orden anzulegen. Das war eine Prozedur, bei der er bisher noch nie ohne fremde Hilfe zurecht gekommen war. Außerdem kam ihm jetzt einer der gekauften Orden etwas fremd vor. Aber schließlich musste er, ohne noch mehr Zeit zu verlieren, sehen, wie er fertig wurde, und als er bald darauf inmitten hoher Würdenträger an der königlichen Tafel saß, waren die schwierigen Vorbereitungen zu dem Fest vergessen. Es war ihm nur so vorgekommen, als ob der König ihn besonders herzlich begrüßte, und noch auffallender erschien es ihm, als nach dem Essen die meisten hohen Offiziere sich mit ihm bekannt machten und ihn dabei mit „Herr Kamerad" anredeten. Das Rätsel löste sich erst, als Lobeck mit einem


Kollegen einen Augenblick so allein war, dass er ihm seine Beobachtungen mitteilen konnte. Der Kollege wusste Bescheid: Der Königsberger Gelehrte war Ritter der Friedensklasse des „Pour le mérite". Beim Juwelier hatte er einfach einen „Pour le merite" verlangt, und da Lobeck sehr stattlich war, hatte man ihm die höchste militärische Auszeichnung, die Kriegsklasse des Ordens verkauft. Der König hatte, so erfuhr man später, den Irrtum gleich bemerkt.

 

 

Seite 10   Warum kapitulierte Königsberg? Die Wahrheit über General Lasch.

Foto: General Lasch, der letzte Kommandant der Festung Königsberg

 Es kann kein Zweifel sein, dass Jürqen Thorwald zu den Männern gehört, denen wir die eindringlichsten Aufzeichnungen über den Zusammenbruch unseres Volkes im Jahre 1945 verdanken. Niemand wird sich der erschütternden Wucht seiner Darstellung entziehen können, niemand der Unbestechlichkeit seines Wortes. Thorwald ist der Chronist dieser schwärzesten Zeit der deutschen Geschichte. Hatte er bisher sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Vorgänge des unmittelbaren Unterganges zu schildern, so ist er jetzt dazu übergegangen, dessen geschichtliche Ursachen aufzuspüren, dabei aber eine ganz bestimmte Richtung einschlagend. Standen in den beiden allbekannten Büchern die allgemeinen Ereignisse im Mittelpunkt seiner darstellenden Kunst, so sucht er jetzt gleichsam Elemente des großen Geschehens herauszulösen, Elemente, die den Gesamthergang freilich ganz entscheidend beeinflusst haben. Thorwald knüpft an die Schicksale einzelner Persönlichkeiten an. Er geht dem Leben und dem Untergang einzelner Männer nach, die aus dem großen Geschehen heraus nur verständlich sind, die aber auch dieses Geschehen nachdrücklich geformt haben, bis zu ihrem tragischen Untergang.

 

Eine Reihe glänzender Essays sind auf diese Weise entstanden, sie sind zusammengefasst in dem jetzt vorliegenden Buch: „Die ungeklärten Fälle" im Steingräber-Verlag, Stuttgart. Thorwald behandelt die Schicksale von Udet, Dietl, Prien, Mölders, Todt, Lasch und Wlassow, Schon die Auswahl dieser Männer zeigt, um was es in diesem Buch geht. Dass eigentlich um alle ein Geheimnis war, weiß die Öffentlichkeit. Die Gesamtheit dieser Männer aber beweist, dass es sich hier um sehr viel mehr handelt, als um die Aufklärung von Vorgängen, die in ein politisches System eingebettet waren, und von diesem in eine Undurchdringlichkeit gehüllt wurden, weil sie das Tageslicht scheuen mussten. Was daran Wahrheit, was Verbrechen gewesen ist, es gelingt Thorwald, diese Dinge aufzuhellen. Aber, wie gesagt, es handelt sich noch um ein anderes, wichtigeres. Denn hier wird das Leben und das Opfer von Männern berichtet, die in einem alle eines Sinnes waren, in der glühenden Liebe zu ihrem Vaterland. Nichts hat sie gehindert, ihren Glauben aufzugeben, kein Zwang der Macht, die sie in Wege zwang, die sie nicht gehen konnten. Alle diese Männer eint der Grundzug natürlicher Anständigkeit, dies allein hat sie ja auch den hohen Grad von Volkstümlichkeit erlangen lassen, von der jeder weiß, der aber auch der Anlass war, dass ihr Untergang einem Verbrechen zugewiesen wurde. Man hatte da« Gefühl, dass sie für die Staatsführung zu anständig, zu offen waren. Aber eine gewissenhafte Berichterstattung steht bei der Behandlung derartiger Fälle vor der gefährlichen Erscheinung geschichtlicher Legendenbildung. Politik wie Geschichtswissenschaft müssen sich in gleicher Weise vor Trugschlüssen dieser Art hüten. Welche schwierigen Wege zu gehen sind, um dieser Gefahr Herr zu werden, zeigt dieses neue Buch von Jürgen Thorwald in beispielhafter Weise. Wenn auch manches von dem, was nur zu gern von dem Geschick dieser Männer geglaubt wurde, der Nachforschung nicht standhält, so bleibt das eine für alle bestehen, die Sauberkeit ihres Charakters.

 

Es kann nicht die Aufgabe sein, an dieser Stelle die einzelnen Essays dieses Buches zu besprechen, so reizvoll es ist, dem Verfasser auf seinem kunstvollen Weg zu folgen. Er scheut sich nicht, die Mittel der epischen Darstellungsweise in seinen Charakteristiken zu verwenden, und man kann ihm dies nur danken, denn sein Bericht gewinnt dadurch eine ungewöhnliche Eindringlichkeit. Welch unerhörte Kunst der Zeichnung, welche den Kampf um Udet vor dem Leser entstehen lässt, den Kampf, der die Lebenstragödie dieses einen Mannes, aber auch die des Systems war, in dem dieses Leben stand, das seine Erfüllung nur in freiwilliger Selbstauflösung finden konnte. Aber er erschoss sich und kam nicht, wie, bekannt gemacht wurde, bei einem Probeflug um. Auch über den Tod Dietls kamen falsche Gerüchte auf, weil man die Wahrheit zunächst glaubte verheimlichen zu müssen; und doch kam dieser ausgezeichnete Mann durch die Ungunst der Wetterlage zu Tode, von einem Attentat oder von Sabotage konnte keine Rede sein. Hitler selbst empfand Dietls Tod als einen schweren Schlag.

 

Auch die Geheimhaltung des Todes Priens hat der Legendenbildung großen Vorschub geleistet. Aber an der Versenkung seines U-Bootes durch die Wasserbomben eines englischen Zerstörers kann nicht gezweifelt werden. Am Fall Prien zeigt sich zudem besonders deutlich eine Wurzel der Legendenbildung auf diesem Gebiet. Das deutsche Volk scheint die Neigung zu empfinden, die Männer, in denen es seine Helden verehrt, möglichst weit von der Ideologie des Nationalsozialismus entfernt zu halten; das geht so weit, dass es in den Männern des Systems die Veranlasser des Todes jener zu sehen wünscht, die Gegenstand seiner Verehrung geworden sind durch Leistung, aber vor allem durch saubere Gesinnung. Im Tode des jungen Obersten Mölders suchte man ebenfalls nach einem Anlass, der nur im Bösen zu finden sein konnte; aber auch hier, wie bei Prien, wie bei Dietl hatte die Katastrophe in einem Unglücksfall ihren Ursprung. Mochte auch das Eintreten Mölder's für den Bischof Graf Galen der Flüsterpropaganda genügend Stoff hergeben, schien es fast so, als ob dieser Tod zum mindesten sehr gelegen kam. Das Gegenteil war der Fall.

 

In dem „ungeklärten Fall" des Dr. Todt freilich hat aber wohl das Gefühl des deutschen Volkes recht gehabt. Hier hat es sich um einen bewussten Mord gehandelt. Todt war für Hitler ein unbequemer Mahner geworden, wenn er ihm immer wieder nahe legte, es müsse Frieden geschlossen werden. Todt hatte „bürgerliche Hemmungen", zum mindesten war dies Grund genug, dass er aus der Nähe des Genies verschwinden musste. Das ist unzweifelhaft durch Mord geschehen, aber man weiß nicht, auf wessen Veranlassung jener Feldwebel den Koffer mit der Sprengladung an Bord des Flugzeuges mitnahm; der Feldwebel war völlig unschuldig und ist unwissend in diese Tragödie hineingezogen worden. Die Indizien sind eindeutig, aber bis heute nicht ihr Anlass.

 

Eigentlich lässt sich mit absoluter Sicherheit die Behauptung aufrecht erhalten, dass auch der russische General Wlassow durch Hitler in den Untergang getrieben wurde. Wlassow lebte des Glaubens, dass er an der Seite der Deutschen das ihm verhasste System der Bolschewisten bekämpfen könne. Hitler aber wollte eich wohl dieses Russen und der auf ihn hörenden Millionen bedienen, indes war ihm deren Anliegen, die Befreiung und Erweckung des russischen Volkes, völlig gleichgültig. Aus derselben Unkenntnis heraus haben die Westmächte das Werk Hitlers bis zum bitteren Ende für Wlassow durchgeführt; sie alle haben Stalin gestärkt.

 

Während das bisher Berichtete vielleicht nur mittelbar unsere Anteilnahme hervorruft, so ist zu sagen, dass das Thorwaldsche Buch ein Kapitel enthält, das uns Ostpreußen ganz unmittelbar angeht. Es ist der letzte Abschnitt in der Geschichte unserer Stadt Königsberg, deren Geschick in die Hand des General Lasch gelegt war. Durch Führerbefehl war er verpflichtet, Königsberg bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Der eigentliche Herr Ostpreußens, der Gauleiter Koch, hatte seine Hauptstadt bereits Ende Januar verlassen und seine Residenz in Neutief aufgeschlagen, weil er dort, wie er sagte, einen besseren Überblick über die Geschehnisse im Samland hätte, denn dies war ja schließlich nur noch von ganz Ostpreußen übriggeblieben.

 

Der Gefechtsstand des Generals Lasch war hingegen auf dem Paradeplatz, im Keller der sonst weithin zerstörten Universität. Seit Ende März etwa freilich hatte der General kaum noch die Möglichkeit der Einwirkung auf die Kämpfe. Die Verbindungen zu den einzelnen Abschnitten waren vielfach abgeschnitten. Auch schienen die Russen sehr genau zu wissen, wo das Herz der Verteidigung schlug.


Ein Angriff folgte dem anderen, Artilleriebeschuss wechselte mit Fliegerangriffen ab. Einer der schwersten

Fliegerangriffe war vielleicht der vom 1. April, der das Gebiet in der weiteren Umgebung des Paradeplatzes fast völlig zerstörte.

 

Die Lage, in die sich General Lasch versetzt sah, wurde immer schwieriger. Die Stadt war angefüllt mit einer Truppe, deren Zusammensetzung sich kaum übersehen ließ; wiederholt war es zu Ausschreitungen gekommen. Spione untergruben letzte Sicherheiten, schließlich wurde auch das Samland zum zweiten Mal durch den Feind abgeschnitten. Das Schlimmste aber war wohl die Bespitzelung des Generals durch die Beauftragten Erich Kochs. Lasch war zu sehr Soldat, um nicht die völlige Aussichtslosigkeit seiner Stellung einzusehen. Das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Kampfeinheiten war etwa eins zu acht. Jede Möglichkeit auf Entsatz der belagerten Festung musste schließlich in nichts zerrinnen. Alles Gerede vom Anmarsch einer Ersatzarmee wai aus der Luft gegriffen. Es war sogar die Rede von einer Wlassow-Armee, die Königsberg zu Hille kommen sollte. Dieser Kampf war sinnlos geworden, er musste sinnlos werden.

 

„Es gab keinen Sinn mehr — es sei denn den, das Leben der unbedingt Verlorenen, der politischen Häupter, auf die mehr wartete als Schändung, Plünderung, Misshandlung oder Verschleppung, nämlich der sichere Tod — das Leben dieser Verlorenen um einige Stunden zu verlängern. Das aber lag wirklich jenseits dessen, was man noch zu vertreten hatte" (Thorwald, S. 171). Die Zerstörung der Stadt nahm fast stündlich zu. Der Feind rückte planmäßig vor. Stellung um Stellung musste von der Besatzung geräumt werden. Die Frage der Kapitulation rückte immer näher, gleichviel ob die Parteileute sich dieser Entscheidung entgegenstemmen mochten. Die meisten waren ja sowieso fortgelaufen, die noch geblieben waren, versuchten vorwiegend von außen auf die Dinge Einfluss zu haben, ohne um die eigentlichen Vorgänge zu wissen. Nur wenige Führer der Partei haben ausgeharrt und sind der letzten Entscheidung nicht ausgewichen, wenn auch manche noch im letzten Augenblick versucht hatten, sich zu retten, in dem sie einen Ausfall ins Samland unternahmen, ohne General Lasch davon in Kenntnis zu setzen. Es haben sich aber auch viele Parteiführer, wie auch alte Offiziere, in jenen Tagen das Leben genommen. Inwieweit die in Königsberg verbliebenen Parteigewaltigen sich der Kapitulation widersetzt haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Der Stab der Parteiführung lag im Blutgericht, und es ging das Gerücht um, man lebte dort sehr unter dem Einfluss des Alkohols. Von hässlichen Szenen, die sich dort abgespielt haben, weiß auch Thorwald zu berichten.

 

Die Verhältnisse spitzten sich immer mehr zu Die Bevölkerung, wie die Verwundeten gerieten in eine immer verzweifelter werdende Lage. Der General glaubte, die Verantwortung für die Fortsetzung eines Kampfes nicht mehr auf sich nehmen zu können, der schließlich nichts mehr war, als ein sinnloses Morden. Er versuchte, mit dem Feind in Fühlung zu kommen, die Parlamentäre, die er aussandte, wurden von Parteifunktionären als Verräter erschossen. Ein Beauftragter Lasch's gelangte aber schließlich doch zu den Russen, und am späten Abend ging der Abgesandte des russischen Marschalls mit Lasch's Parlamentär zum Gefechtsstand auf dem Paradeplatz. Lasch hörte den Russen schweigend zu, bis er am Ende selbst das Wort ergriff. Er sagte nur wenig. Aber man fühlte, dass es ihm darauf ankam, die Gründe für sein Handeln klarzulegen und dass ihn noch einmal der innere Kampf zwischen Menschlichkeit und Offizierstradition, zwischen der Einsicht ins Unvermeidbare und den anerzogenen Vorstellungen von der Schande der Kapitulation anrührte. Dann bat er um Schonung und Pflege der Verwundeten und ausreichende Versorgung der Bevölkerung (Thorwald, S. 180).

 

Am Morgen des folgenden Tages ist General Lasch aus Königsberg hinausgeführt und in der Nähe des Gutes Carmitten vor den Marschall Wassilewski gebracht worden. Vielleicht hat er erst hier erfahren, dass Königsberg von dreißig Divisionen, zwei Panzerkorps und einer Luftflotte angegriffen worden war. Ein aussichtsloses Unterfangen, die Stadt gegen eine derartige Übermacht zu verteidigen. Aber auch der General Lasch hatte sich vor seinen eignen Leuten in Sicherheit bringen müssen, wenigstens vor einem Teil, all sie hörten, er habe kapituliert. Die Kämpfe um die Stadt Königsberg haben ungefähr der Hälfte der Ende Januar noch in Königsberg befindlichen Zivilbevölkerung das Leben gekostet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es sich hier nicht  nur um die Königsberger handelte, sondern ein sehr großer Teil der Bevölkerung sich aus Flüchtlingen aus der Provinz zusammensetzte. Militär und Volkssturm haben rund zwei Drittel ihres Bestandes verloren.

 

Wenige Tage nach der Kapitulation hat General Lasch Flugblätter unterschrieben, in denen er die Wehrmacht auf dem Samland auffordert, die Waffen niederzulegen. Die Russen zwangen ihn zu dieser Maßnahme, sie wollten diese Flugblätter über den Truppen abwerfen. Sie brachten den General dazu, als sie ihrm glaubwürdig mitteilten, dass Hitler ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt hätte und nicht nur dies, sondern dass er die ganze Familie Lasch habe verhaften lassen. Wie es hieß, hatte Koch den Anstoß zu diesem Urteil und zu der Sippenhaft gegeben, man wollte sogar wissen, dass Koch Hitler mitgeteilt habe, Lasch habe eine vorübergehende Abwesenheit Kochs zur Übergabe benutzt.

 

Der Gauleiter Koch konnte sich retten, General Lasch geriet in die Gefangenschaft. Wie es hieß, sollte er in einem Lager in Sibirien sein; die Nachricht ist ungewiss, wie manche andere, die über den General umgehen. Die Familie wurde wirklich verhaftet, nachdem sie sich aus Königsberg hatte retten können, aber das Ende des Krieges brachte ihr Rettung und Befreiung.

 

 

Seite 10   Unsere Leser schreiben: Der Choral vom Schlossturm

 So oft wir unseren Gedanken überlassen werden, wandern wir Heimatvertriebenen wohl alle gern im Geist noch mal wieder durch die alt vertrauten Stätten, in denen wir zu Hause waren, welche uns mit Erinnerungen an glückliches und schweres Erleben erfüllen. So war es uns Königsbergern sehr wohltuend, im Erinnern an den „Choral vom Schlossturm'' wieder einmal durch die geliebten Straßen unserer alten, trauten Stadt geführt zu werden und dabei fast wieder Heimatluft zu atmen. Wir folgten gern von der ehrwürdigen Haberbergar Kirche durch alte und neue Teile Königsbergs bis zum Schloss. Und wenn, wie geschildert, über dem Getriebe der Großstadt um 11 Uhr feierlich der Choral erschallte, zog bei aller Geschäftigkeit Andacht ins Herz. Alles konnten wir bei der Schilderung nochmals erleben. Nur hörten wir nie den Choral „Lobe den Herrn". Abends schallten die Klänge des schönen Liedes: „Nun ruhen alle Wälder" von Paul Gerhard, so feierlich und Trost und Frieden spendend über den Schlossteich zu urnns herüber und am Vormittag erfreute und stärkte der Choral:

 Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ

dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List!

Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held.

Dass uns der Feind nicht trutze, noch ?äll die böse Welt!

 .Als bald nach der „Machtergreifung" etwa 1934 oder 1935, diese fromme Bitte nicht mehr zum Himmel aufsteigen durfte, hat denn auch des „bösen Feindes List" mehr geschadet und zerstört, als wir je gefürchtet haben.

 Diesen Irrtum bezüglich unseres Vormittagschorals wollte ich gerne richtig stellen. Alle alten Konigsberger werden sich auch dieser geliebten alten Klänge erinnern. M. v.H.

 

 

Seite 11   Suchanzeigen

 

Gronwald, Gerhard, geb. 19.03.1900 in Tilsit, Dr. med., Chirurg u. Chefarzt am Kreiskrankenhaus in Angerapp (Ostpr.). Als Stabsarzt zum Volkssturm — Feldpostnr. 65 951 H. Ia — einberufen und seit Dezember 1944 nicht mehr gemeldet. Wer weiß etwas über das Schicksal des Gesuchten? Nachricht an Frau Gerti Emmelius, Göttingen, Flughaf., Haus 95.

 

Bessel-Schule Königsberg Pr.! Wir suchen Siegfried Dellin, Walter Gong, Günter Lokat, Günter Rogalla, Helmut Salecker, Waldemar Soth, Willi Schaumann, Wolfgang Schupp, Walter Stulgies u. a. Jahrgang 1942 „Kameradschaftsring". Friedrich Pein, Berlin W. 15, Brandenburgische Straße 38.

 

Sambraus, Meta, Gewerbelehrerin i. R., Gertrud Sambraus und Lehrerin Lotte Sambraus, zuletzt Königsberg, Beethovenstr. 41, 1 Tr., über der Apotheke werden gesucht von Frau Marga Boukies, Göttingen, Friedländer Weg 10.

 

Kaledat, Franz, geb. am 09.06.1898 in Postehnen (Ostpreußen), wohnhaft gew. in Dellgienen, Kr. Samland. Kaledat war beim Volkssturm und soll nach den Kampfhandlungen noch in einem Lager bei Königsberg gesehen worden sein. Wer weiß etwas über den Verbleib meines Vaters? Auskunft erb. Fritz Kaledat (22a), Stürzelberg/Neuß II, Schulstr. 62.

 

Margarete Jannusch, geb. Broschinski, geb. am 25.03.1902, letzter Wohnort Elbing, Sternstraße 6. Wurde kurz nach Ostern 1945 von den Russen verschleppt, seitdem fehlt jede Spur. Wird gesucht von ihrer Tochter Ilse Borutta, Weese 28, über Braunschweig (Früher Elbing, Sternstraße 6).

 

Quassowski, Erna und Familie, früher Reichensee, Kr. Lötzen, haben dann in Bielefeld gewohnt, werden gesucht von Pfarrer G. Nietzki (14a) Oetlingen/Teck, Tobelstr. 6.


 

Hettmer, Emil, Richard, Oberpostbauinsp., geb. 23.11.1881, letzte Wohnung Königsberg/Pr., Steinstraße 11, letzte Nachricht April 1945. Wer kann Auskunft geben über seinen Verbleib? Nachricht erbeten Walter Hettmer, (23) Sottrum 301, Bezirk Bremen.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal von Frau Fanny Brückert, geb. Petter, Hermann Allee 6. Letzte Nachricht: März 1945 aus einem Luftschutzbunker Nähe der Wohnung. Damals 66 Jahre alt. Nachricht erb. Dr. Petter, Bremerhaven, Friedrich-Ebert-Str. 21.

 

Jüngling, Kurt, geb. 31. 8. 26 in Elbing. Wohnung: Elbing, Hochstr. 167. Truppenteil: Gren. Ausb. Batl. 322, zuletzt Truppenübungsplatz Hohensalza. Letzte Nachricht vom 14.01.1945. Weiter werden Farn. Dröse, Schönfeld, Autsch und Kienapfel, sämtl. Siedlung Hochstr., und Familie Haupt, Fleischerei, Horst-Wessel-Str., Ecke Paulikirchstr., gesucht von Otto Jüngling, (20b) Hedwigsburg 94, Krs. Wolfenbüttel (etwaige Unkosten werden erstattet.

 

Glomm, Josef, Kanonier, Feldpost-Nr. 64 402 B (Einheit Groh) geb. 14.08.1892, in Ottendorf (Ostpreußen). War bis März 1945 in Königsberg Pr. eingesetzt Wer war mit meinem Mann bei der obigen Einheit? Wer weiß etwas über sein Schicksal? Nachricht erb. Auguste Glomm, (20a) Asel bei Hildesheim.

 

Hildebrandt, Johanna, Helga, Elfriede, Königsberg Pr., Vorder Roßgarten 63, Perrey, Käte, Königsberg, Tiergartenstr. 53: Kogge, Elise; Hinz, Kurt; Schindowski, Frieda, Kalthof b. Neukuhren, werden gesucht von Minna Neumann, geb. Schlupp, Pirmasens (Pfalz), Rotenbühlstraße 12, früher Königsberg Pr. Albrechtstr. 8.

 

Bartke, Horst, geb. 19.06.1927, gewohnt in Gutenfeld bei Königsberg, war bei der Kraftsfahr. Ers. u. Ausb. Abt. I Marienwerder. Letzte Nachr. vom 13. Januar 1945 aus Tolkemit. Wer von seinen Kameraden kann etwas über den Gesuchten berichten? Nachricht erb. an Gustav Bartke (20a), Kleinenbremen (St. Baracke) über Bückeburg, früher Gutenfeld, Reichssiedlung 12a, bei Königsberg Pr.

 

Königsberger Eisenbahner! Herhören! Wer von den auf dem Hauptbahnhof tätig gewesenen Eisenbahnern kann Auskunft geben über den Reichsbahnangest. Heinz Bittiem, im März 1945 noch Dienst gemacht? Nachricht erb. Frau Hildegard Bittiem, (20a) Brochthausen Nr. 105 über Herzberg (Harz).

 

Holzke, Käte, früher Mollehnen. Wo sind meine Eltern? Habe eine Karte erhalten, dass meine Mutter mit Ihnen geflüchtet ist. Wo ist sie geblieben und wo ist mein Vater? Um Nachricht bittet Frau Char. Ernst, Karlsruhe, Wichernstr. 29.

 

Orlowski, Otto und Familie, früher Königsberg Pr., Plantage 26, wird gesucht von Anna Zywietz, Dungelbeck über Peine.

 

Max Popowski, geb. 14.11.1897, wohnhaft in Elbing, Königsberger Straße 4, war Zahlmeister auf dem Heeresverpflegungsamt in Elbing. Seit dem 02.02.1945 die letzte Nachricht aus Elbing, soll dort gefallen sein, soll aber auch in russische Gefangenschaft nach Königsberg gekommen sein. — Ebenso suche ich meinen Schwager Kurt Popowski, geb. 05.11.1906 aus Elbing, Röbener Hof 9; war in Elbing beim Volkssturm. Frau Frieda Popowski, Völkenrode 8 über Braunschweig (20b), (früher Elbing, Königsberger Straße 4).

 

von Eichhorn, früher Breslau (Schlesien), Dr. Tiefensee, Königsberg Pr., Lehrer Tiefensee, Königsberg Pr., werden gesucht von Schwester Margarete Barthel, Bernburg a. d. Saale, Dürerring 6.

 

Nalezinski, Wilhelm, zuletzt wohnhaft gewesen in Bottau, Kr. Orteisburg. Von dort ins ehem. Waisenhaus Schönbruch bei Bartenstein gekommen, wo Alte und Gebrechliche zum Abtransport vor dem Russeneinfall zusammengeführt worden waren. Wer weiß etwas über das Schicksal dieser alten Leute, insbesondere über das meines Vaters? Nachricht erbittet Frau Marie Heinrich, (21a) Minden, Friedrich-Wilhelm-Str. 13, früher Ortelsburg, Bahnhof.

 

Selaskowski, Helmut, geb. 09.08.1920, Gefr., Feldpost-Nr. 34 239, zuletzt bei Piatogorsk im Kaukasus mit seinem Kommandeur, Major Kuntzen aus Tannenwalde (Ostpreußen), am 29.08.1942 eine Erkundungsfahrt gemacht, von der beide nicht zurückkehrten. Wer kannte Major Kuntzen und weiß etwas über ihn? Nachricht erb. Hans Selaskowski, Mstr. d. Gend. a. D. Bettmar 13 bei Braunschweig, früher Sowliden, Kr. Rössel.


 

 

Ewert, Ernst, und Frau Justine Ewert aus Königsberg Pr., Maraunenhof, Dahmstr. 5, sollen in Pillau ein Schiff bestiegen haben. Wer kann mir über die Flucht und den Verbleib meiner Eltern etwas Genaueres mitteilen? Nachricht erb. Frau Lotti Noreisch, (22a) Krefeld-Bockum, Glockenspitz 465a.

 

Motzkus, Gustav und Ehefrau Martha, geb. Burneleit, Sohn Gustav und Tochter Elisabeth, früher wohnhaft Königsberg Pr., Brandenburgerstr. 64, Eisenbahnbeamter (letzte Dienststelle Bahnhof Ponarth), werden gesucht von Karl Motzkus, KL-Ilsede 80, Kr. Peine.

 

Habecker, Helmut, Zugschaffner in Pr. Eylau, geb. 21.06.1914 in Zinten. Im Januar 1945 Gefr. bei 2. Grend. Ausb. Bat. 222, Wreschen, Warthegau. Letzte Nachr. 17.01.1945. Nachricht erb. Frau Ulrike Prydzuhn, (23) Burgforde, Westersteede 6. Reil.

 

Braun, Erich, geb. 26.12.1898, Lehrer in Peterswalde. Kreis Braunsberg. Januar 1945 Oberfeldw. bei Einheit Schaumann (schw. Pack), Feldpost-Nr. 59 791, letzte Nachr. aus Zichenau am 14.01.1945. Wer war mit ihm zusammen und kann Auskunft geben? Nachricht erb. Frau Johanna Braun, Wendezelle, Behelfsheim 17.

 

Farn. Heinrich Lassen, früher Günthersdorf, Kr. Pr. Holland, dann Platen, Kr. Insterburg. Wer kann über ihren Verbleib Auskunft geben? von Königsegg, Coburg, Neustadter Straße 3.

 

Rommler, Erwin, Gerhard, geb. 02.12.1929 in Peterstal, Kreis Insterburg, wohnhaft gewesen in Insterburg, Abbau Hehlert II, wird gesucht von seiner Tante Frau Anna Matern, (21a) Silixen 53 bei Rinteln (Weser).

 

Modest, Elise, Schwester, geb. 02.08.1900, Elisenau, Kr. Wehlau, Letzte Nachricht 1945 Res. Laz. Gleiwitz (Oberschl.). Wird gesucht von Frau Grete Teubler, Münster i. Westf., Sternstr. 48.

 

Ich suche meinen Vater Hans Tregel, geb. 24.06.1884 in Gorlau, Kr. Lyck, letzte Wohnung Königsberg Pr., Ratshof, Wiebestr. 101a. Letzte Nachricht 09.04.1945 aus Pommern, Landessch. Batl. 3/281, Kgf. Arb. Kdo. 11/420 Mewegen, Heeresmuna (Männerlager) und meine Mutter, Frau Martha Tregel, geb. Schiemann, am 06.02.1893 in Heiligenkreuz, Kr. Fischhausen. Letzte Nachr. 30.12.1944 aus Königsberg Pr., Ratshof, Wiebestr. 101a. Nachricht erb. Helmut Tregel, (14a) Stuttgart-Untertürkheim, Siegurtweg 31.

 

Summa, Lothar, geb. 25.01.1923 in Königsberg Pr., Wohnung: Königsberg, Nicoloviusstr. 6. Zuletzt Unteroffz. in Königsberg bei einer Genesungskomp. Am 07.04.1945 in der Haberberger Kirche gesehen. Letzte bekannte Feldp.-Nr. 17 173. Auskunft erb. seine Schwester, Frau Ilse Falkson, (13b) München 13, Neureuther Str. 20.

 

Krause, Horst, geb. 01.10.1927, Kaufmannslehrling bei Arndt in Zinten. Auf der Flucht am 26.02.1945 in Danzig-Neufahrwasser zurückgeblieben (Volkssturm). Soll im März 1945 in der Inf.-Kaserne Rothenstein und im April 1945 in der Scharfschützenkaserne Devau Soldat gewesen sein. Wer war mit ihm auf dem Transport nach Königsberg und dort als Soldat zusammen? Wie war die Feldp.-Nr.?

Kielhorn, Fritz, aus Klein-Kreuzweg bei Labiau. Soll als Volkssturmmann im Samland gewesen sein. Wer kann über die beiden Gesuchten Nachr. geben? Nachricht erb. Max Krause, (24) Ellhöft bei Süderlügum.

 

Noreisch, Richard. Bis 1944 Kaufmann in Allenstein. Wer gibt Auskunft über seinen Verbleib oder jetzigen Aufenthalt? Nachricht erb. Fritz Teubler, 1 Berlin-Neukölln, Bendastr. 14.

 

Kudwien, Albert, Horn, Albert, werden gesucht von Adolf Burblies, Halchter Nr. 14 über Wolfenbüttel (früher Seckenburg, Kreis Elchniederung).

 

 

Seite 11   Landsleute bitte herhören! Wir suchen und wer berichtet:

 Kutscher Gustav Stiemer, 59 Jahre alt, zuletzt im Mai 1945 in Königsberg gesehen worden. Er war bei der städt. Fuhrgesellschaft beschäftigt.

 

Betriebsingenieur Herbert Schneider, Maschinenamt. 1945 zum Volkssturm eingezogen. Am 15.05.1945 Gefangenschaft — Rothensteiner Kaserne.


  

Angest. Edwin Borchert, geb. 17.12.1897, zuletzt Wi.-Amt (Drumstraße), dann Steueramt. Seit Februar 1945 beim Volkssturm. Wer war mit Borchert bis zuletzt zusammen?

 

Stadtinspektor Hans Nowakowski, Wohnung Schleiermacherstraße 30. Im März 1945 mit der Leitung von Flüchtlingstransporten, die Ostpreußen in Richtung Westen verließen, eingesetzt. Wo blieb der Genannte ab?

 

Ferner können wir keinen weiteren Suchweg finden:

 

Hermann u. Toni Buttgereit, Kaplanstr. 23/24,

Arbeiter Fritz Dalko (Fuhrges.),

Heizer Hans Dreier (Gemeindefriedhof),

Gartenmeister Paul Fischer,

St.-Insp. Heinz Gau,

Spark.-Angest. Großmann,

Spark.-Angest. Holl,

Spark.-Angest. Kühl,

Angest. Karl Klute (Wi.-Amt),

Obergärtner Hermann Kreutzer (Gem.-Friedhof),

Hauptkassierer d. Schlachthofs Loch,

Gartenmeister Erich Neuendorf (Gem.-Friedhof),

St.-Insp. Petersdorf, Arbeiter Eugen Rutkowski (Gasanstalt),

Dienststellenleiterin Helene Schmidtke (Wi.- Amt Sackheim),

Spark.-Angest. Stallbaum,

Angest. Anna Thieler (Jugendamt),

Spark.-Angestellte Unger,

St.-Insp. Herbert Witt,

Spark.-Angest. Westfal.

 

Für die Berichterstattung danken wir:

Frl. Liesbeth Peterssen, Frau Charlotte Keilus, Frl. Susanne von Saucken, Frau Olga Mielke, St.-O.-Insp. i . R. Otto Mirbach, Architekt Waldemar Nielsen und Frl. Naujoks.

 

Für die Portospende:

Frl. Anna Lange und Mag.-Baurat Max Oppenkowski.

 

Unserem Arbeitskameraden Josef Chmielewski u. Frau Elisabeth, geb. Hellmann die herzlichsten Glückwünsche zur Vermählung.

 

Seite 11   Stellenmarkt

 Wir suchen für unseren ländl. Pfarrhaushalt eine Ostpreußin als Hausgehilfin, die für Jahre bei uns bleiben will. Näheres zu erfr. durch Pastor Grabowski, (20a) Lechsedt b. Hildesheim, Post Großdüngen (früher Seberau, Kreis Neidenburg, Ostpreußen).

 

Suche ab November Stelle als Wochen- oder Säuglingsschwester. Evtl. auch Betreuung von Kleinkindern. Schwester Jutta Faeckenstedt, Gut Eckerde, Post Hannover- Land.

 

 

Seite 11   Als tot wurden weiter gemeldet:

 Reviergärtner Brest, Angestellter Franz Borowski, Tiergartenoberinspektor Albert Böhm, Stadtinsp. Buttler, Stadtbauing. Erich Czech, St.-Insp. Heinz-Joachim Dombrowski, Mag.-Baurat Professor Doherr, Obergärtner Engel, Sekretär August Fisahn, Mag.- Rat Gerhard Fanelsa, Frau u. Tochter, Studienrat Dr. Froese, Gartenarchitekt A. Geccelli, St.-Insp. Heinz Grenda, städt. Konzertmeister August Hewers, Hildegard Heyer, Erna Janke, geb. Treike, St.-Insp. Erich Kuhn u. Frau Elsa, geb. Guth, Werkführer Hermann Kendler, St.-Insp. Otto Luckau, Bibl.-Magazinverwalter August Liedtke, St.-Insp. Kurt Maertsch, Angest. Karl Möhring, Insp. d. Fuhrgesellschaft Johann Marciniak, Spark.-Angest. Else Neubauer, Fürsorgerin Freda Ogilvie, geb. Wottrich, St.-Insp.-An-wärter Siegfried Oder, Reviergärtner Paulun, St.-Insp. Gustav Perkuhn, Reviergärtner Richard Paskarweit, Lehrer Oskar Rogge, Standesbeamter Wilhelm Selke, Kammermusiker Schenk u. Frau, Fürsorgerin Gertrud


Schienanowski, Vermess.-Gehilfe Franz Schorowski, Straßenreiniger Schröder, Kutscher d. Stadtgärtnerei Schilinski, Angest. d. Fuhrgesellschaft Andreas Schwui oder Schwuj und Frau, Gartenbauoberinspektor Tannenberg, St.-O.-B.-Inspektor Wolfram, Heizer Erich Zenker, Frau u. Sohn, Angest. Ziese.

 

Es haben sich folgende Arbeitskameraden gemeldet oder deren Adressen ermittelt wurden: Suchende, bitte Anfrage wiederholen:

 

Bildhauer Fritz Anger, Badefrau Gertrud Augstein, Spark.- Angest. Kurt Bogdahn, Studienassessorin Gertrud Dolinga, Angest. d. Betr.-Krankenkasse Helene Gehrke, Arbeiter Karl Groß Gem.- Friedhof), Trichinenbeschauerin Frau Anna Heyke, Mag.-Baurat i . R. Rudolf Kremer, Lehrerin Cäcilie Lubenau, St.-Insp. Herbert Leo, Arbeiter Gustav Masurat (Straßenbauamt), Arbeiter Lothar in der Mühle (Schlachthof), Krankenschwester S. Grete Neubauer (Städt. Kr.-Anstalt), Frau Stadtinsp. Hans Nowakowski (Käthe), Reg.-Inspektor i R. Gustav Neumann, Angest. Fritz Oder, Frau Betti Skerra, Angest. Hanna Sult (Bürgermeisterei Metgethen I), Frau Betriebsing. Herbert Schneider (Elsbeth), Arbeiter Emil Schulz (Gaswerk), Tiefbauingenieur Franz Schmidla, Hermann Schmidtke (Fuhrges.), Schneiderin Alice Schmidtke, geb. Nitsch (Opernhaus), Arbeiter Hermann Wagner (K. W. S.).

 

 

Seite 12   Jan Spergies der „Krajebieter“. Von Fred Krause, Reußen. Kleine herbstliche Historie

Foto: Und dann geht es Schlag auf Schlag … immer wieder muss Jan das Netz stellen …

 Die Dorfrangen nannten ihn respektlos „Potrimpus", und eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen alten Pruhsengott schien er tatsächlich zu haben, der „Krajebieter" Jan Spergies.

 

Aber wenngleich er auch seinen speckigen Ölrock als eine Art zweite Haut ansah, den schäbigen Südwester nur am Weihnachtsabend in der Rossittener Kirche von seinem „weißbemoosten" Schädel bekam, dann und wann einem tüchtigen Schluck „Kornus" nicht abhold schien, was ihn dann immer zu mörderlichem Fluchen befähigte, — er hatte auch seine Qualitäten, der Alte, und ich bin sicher, dass an ihm ein Philosoph verloren gegangen ist.

 

Nachdem ich dies erst einmal erkannt hatte, war es nur folgerichtig, dass ich immer dann, wenn ich auf die Nehrung kam, bei ihm Quartier nahm, was meistens jeweils im Spätherbst der Fall zu sein pflegte.

 

Jan's bessere Hälfte Marie, die es — wie sie zu sagen pflegte — aus Loye auf der anderen Haffseite in diese „Wüste" verschlagen hatte, war zudem ein Wunder in der Kochkunst, und nie wieder habe ich so wohlschmeckende „Spickaale", Flundern und — Krähen gegessen als an ihrem Tisch.

 

Ja, verehrter Leser, Du wirst ungläubig den Kopf schütteln. Krähen?! Aber es stimmt, und Öl Spergies war nur einer von jenen alten Kurenfischern, die stets im Frühjahr und Herbst den wohl urwüchsigsten Nehrungsbrauch des Krähenfanges ausübten. Mehr als einmal habe ich den Alten auf seinem „Fischzug zu Lande" begleitet, und von solch einem Fangtag soll hier die Rede sein:

 

Eine ferne Glocke schlägt zwei Uhr, oder träume ich es nur? Aber nein, ich bin hellwach und — schweißbedeckt. Das mächtige mit Krähenfedern gefüllte Bett, die niedere, rauchdunkle Decke des Fischerhauses, das alles ist wie ein Alpdruck. Ein eigenartiger Ruch nach geräuchertem Fisch schwebt im Raum. In der Holzwand knistert es. Der „Totenwurm".

 

Da, — im Nebenraum rumort jemand. Ein Zündholz flackert auf, verlöscht, dann schimmert das gelbe Licht der Petroleumlampe durch den Türspalt. Jemand schlurft hinaus schnauft hörbar, kehrt zurück. Das

 ist Jan, der „nach dem Wind riecht". Der Befund scheint günstig zu sein, denn plötzlich höre ich, wie er zu seiner inzwischen ebenfalls aufgestandenen Frau sagt: „Alte, weck ihm, wir müssen sputen." Das hört sich sehr brummig an, ist aber nicht so gemeint und gilt mir. Also raus aus den Federn, rein in die Kleider, den Kopf in die Waschschüssel getaucht, einen Topf heißen Kaffee heruntergespült, und los geht es durch die noch rabenschwarze Septembernacht. Jan tappt voran. Oft merke ich nur an den klappernden Holzpflöcken auf seinem Rücken, dass er noch vor mir ist.

 

Das Dorf liegt bald hinter uns. und schweigend waten wir durch den rinnenden Samt nach Südwesten, die Nehrung entlang. Ab und zu grunzt der Alte etwas vor sich hin.

 

Am östlichen Horizont erscheint ein gelblicher Streif. Es wird zusehends heller. Ein leichter Wind kommt von oben, aus dem Litauischen, treibt den dünnen Frühnebel auseinander. Tau schimmernd hängen


Fäden des „Altweibersommers" zwischen reifbedecktem Strandhafer. Zuweilen wird linker Hand das Haff sichtbar, grau liegt die Morgendämmerung über dem Wasser.

 

Wir sind am Ziel! Ein kleiner freier Platz auf halber Höhe einer befestigten Düne, etwas abseits eine, winzige Strauchhütte.

 

Während ich es mir bequem mache, greift Jan in einen Sack, den er mit trug, holt ein, zwei, drei flatternde Federbälle heraus, befestigt je einen Fuß mit einer kleinen Schlinge an kurzen Holzpflöcken, die er dann in den Sand treibt. Lockkrähen vom Fang des Vortages! Nun noch das dünne Netz sorgfältig ausgebreitet, den langen Stab und die Zugleine mit Sand bedeckt, und der Alte sitzt aufatmend neben mir. Jetzt können sie kommen, die „Krajes".

 

Inzwischen ist es fast Tag geworden, und schon werden die ersten Wanderer über den Dünen laut. Wildtauben in langer Kette! Plötzlich erscheint über einer Kuppe die erste Krähe, ein ganzer Flug wird im Nordosten sichtbar. Aber sie streichen vorbei. Eine halbe Stunde sitzen wir so untätig, und Jan erzählt von alten Zeiten, als er dem „Kupscheller" aus Königsberg noch in jedem Herbst seine 600 Jungkrähen liefern musste, die dann in den Hotels als — Tauben angeboten wurden.

 

Der Alte verstummt plötzlich. Auf einmal sind die Krähen da. Erst war es nur eine, die über dem Flugplatz zu kreisen begann, dann drei, vier; sie legen de Flügel etwas seitlich an und kommen in weiten Spiralen herunter, setzen neben ihren gefangenen Artgenos6en auf. Zwei sitzen unmittelbar vor dem Netz, stolzieren etwas steif umher. Da — ein kurzer Ruck! Sand staubend fliegt das Gewebe hoch, bedeckt zwei erschreckt flatternde Schwarzröcke. Eilig springt der Fänger hinaus, greift vorsichtig unter das Netz und holt die Gefangenen hervor. Zwei Minuten später sitzen sie angepflockt neben den beiden anderen. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Niedersegeln, Netzwerfen, Herausholen, Anpflocken. Immer wieder muss Jan das Netz stellen. Ein aufregender Anblick, wenn die Krähen so in ihr Verderben fliegen. Viele entkommen zwar, aber als wir nach Stunden die steifen Glieder dehnen — längst ist die Sonne hinter den Dünentälern verschwunden — hocken doch fast vierzig „Ersatztauben" am Boden.

 

Und nun beginnt etwas Merkwürdiges. Der Alte stelzt zu den ergeben auf ihr Schicksal wartenden Vögeln, packt eine nach der anderen mit beiden Händen, schiebt den großen Kopf zwischen die Zähne, ein mahlendes Knirschen, und augenblicklich streckt sich das Tier verendet in der Hand des Fängers. „Krajebieten" — Krähenbeißenl Eine eigentümliche Methode, zugegeben, aber auf jeden Fall die schmerzloseste und rascheste Art, ein Tier ins Jenseits zu befördern.

 

Wieder bleiben nur drei der schwarzen Gesellen als Lockvögel für den kommenden Tag zurück, dann werden die restlichen Krähen zusamengebunden, und endlich geht es heim. Jan trottet gebeugt und müde voraus und „mummelt" zufrieden an seiner kurzen Stummelpfeife.

 

Gespenstisch schweben die Galgenvögel auf dem breiten Rücken des Alten.

Immer noch rinnt der Sand in unseren Spuren . . .

 

 

Seite 12   Richard Schirrmann dankt

 

Der Gründer und Ehrenvorsitzende des Deutschen Jugendherbergswerkes, Richard Schirrmann, richtet an seine Landsleute folgenden Dankesgruß:

 

Liebe Landsleute! Zum 15. Maien erhielt ich eine Unmenge von Glückwünschen, über die ich mich sehr gefreut habe. Leider habe ich noch keinem für sein liebes Gedenken danken können. Denn ich bin fast unausgesetzt auf Vortragsfahrt gewesen und komme jetzt erst wieder heim von einer Vortragsreise durch

die USA und von Frankreich. Zürnt mir nicht und nehmt auf diesem Wege meinen Dankesgruß entgegen. Herzlich Euer Freund und Landsmann

Richard Schirrmann Grävenwiesbach, Kreis Usingen/Taunus.

 

 

Seite 12   Professor Dr. Walther Ziesemer. Gestorben am 14. September 1951 in Marburg

Foto: Professor Dr. Walther Ziesemer doziert vor Studenten und Studentinnen der Königsberger Universität am Fuße des Burgberges von Lochstädt.

 „Wie sehr musst Du seinen Abschied empfinden!'' (Goethe an Jacobi zu Hamanns Tod, 1788). Gelten diese teilnehmenden Worte Goethes auch nicht allgemein für Fälle des Hinscheidens von befreundeten und bedeutenden Männern, so erhalten sie doch auf den dahingegangenen Professor Dr. Walther


Ziesemer bezogen, einen besonderen Sinn insofern, als sie der letzte Satz sind, den Ziesemer selbst dem Druck übergab, und sie stehen am Ende seines Hamann-Büchleins von 1950 „Der Magus im Norden". Noch nicht im Ermessen der ganzen Bedeutung dieses Mannes, wohl aber unter dem Eindruck seines Todes scheint es uns, wenn wir sein Leben auch nur schnell und in der Hast der Zeit überblicken, gewisslich kein Zufall zu sein, dass Ziesemer — seine an einem quälenden Nieren- und Gallensteinleiden und an seelischem Leid dahinschwindende Lebenskraft fühlend — sich in den letzten Jahren wieder intensiv mit den Schriften und Briefen Hamanns beschäftigte. Und dies wohl, um sich in der Not der Zeit der geistigen und schicksalsmäßigen Gefährten- und Partnerschaft mit jenen Königsberger Männern zu vergewissern, die zu einem Freundeskreis verbunden von Königsberg aus mehr als ein Zeitalter auf dem geistigen Wege der Menschheit anbahnten.

 

Wie bei allen tiefgründigen Naturen des deutschen Ostens ist auch in Ziesemers Persönlichkeit die Frage nach dem Ewigen in der Welt und der Menschheit, nach Seele und Gott tief verankert. Und wie der philosophische scheint auch der historische Sinn in der Luft des Ostens zu liegen. In Löbau in Westpreußen wurde Walther, Wilhelm, Kurt Ziesemer als Sohn des Kgl. Seminarlehrers Johannes Ziesemer und seiner Frau Agnes, geb. Zschoche, 1882 geboren und kam nach Besuch des dortigen Progymnasiums 1895 auf das Gymnasium zu Marienburg, wo ihm täglich die Burg der Hochmeister des Deutschen Ordens vor Augen stand. 1900 bezieht er die Universität Leipzig und danach Berlin, Er studiert zunächst Theologie, bis er sich dann dem Studium der Philosophie, der deutschen Literatur und Geschichte zuwendet. Unter seinen akademischen Lehrern finden sich die Namen Graf Baudissin, Burdach, Dilthey, Harnack, Heusler, Eduard Meyer, Roethe, Erich Schmidt, von Wilamowitz-Moellendorff, Wölfflin und Wundt. Die Doktorprüfung legt er 1906 in Berlin ab. Zwei Jahre später ist er wieder in Marienburq und unterrichtet hier bis 1911 am Gymnasium. Gleichzeitig arbeitet er am Archiv und an der Bibliothek des Marienburger Ordensschlosses

 

Die Edition des „Ausgabenbuch des Marienburger Hauskomturs" ist die erste Frucht dieser Studien, später folgen ,,Das große Ämterbuch des Deutschen Ordens" und „Die Kulturleistunq des Deutschen Ordens".

 

Inzwischen ist Ziesemer seit 1911 Dozent an der Albertus-Universität in Königsberg und beginnt sein Lebenswerk, die Sammlung und Sichtung des sprachlichen und volkskundlichen Gutes für ein „Preußisches Wörterbuch ", eine entsagungsvolle und peinliche Arbeit, deren Fertigstellung auf Jahrzehnte berechnet sein Leben hätte krönen dürfen, hätte nicht die große Vernichtungsflut von 1944/1945 das reiche, unersetzliche Material fortgeschwemmt. Es ist bezeichnend und aufschlussreich, dass es sich bei diesem erst in 22 Lieferungen erschienenen Werk (A - F) nicht um reine Linguistik handelt, sondern dass es den Untertitel „Sprache und Volkstum Nordostdeutschlands" führt. Die akademische Laufbahn führt Ziesemer 1918 zur außerordentlich,  1922 zur ordentlichen Professur für deutsche Philologie, und er versieht sein Lehramt in den anfallenden Pflichten und Würden als Professor, Direktor des deutschen Seminars, Dekan der Philosophischen Fakultät bis Januar 1945, als die Russen zum ersten Male vor den Mauern Königsbergs erschienen.

 

Am bekanntesten war Ziesemer den Ostpreußen als Direktor des 1924 gegründeten Institutes für Heimatforschung und Volkskunde der einzigen und vorbildlichen Stätte ostpreußischer Volkstumspflege und -bewahrung. Wie gerne hätten wir ihn wieder an der Spitze eines solchen Institutes gesehen - heute notwendiger denn je! Sein grundlegendes Werk „Die ostpreußi6chen Mundarten" war Basis für die Instituts-Forschung, ebenso wie für die Arbeit der Heimatforscher auf dem Lande. Besondere Liebe hat Ziesemer der Dichtung Simon Dachs durch die Neuausgabe seiner Werke gewidmet. Die Reihe der Publikationen kann hier nicht vollständig wiedergegeben werden, sie mag ersetzt werden durch eine knappe Angabe der umfangreichen Arbeitsgebiete dieses Gelehrten: Literatur und Kultur des Deutschen Ordens, Bibelübersetzung des späten Mittelalters im deutschen Osten, ostpreußische Literatur, Mundarten, Personen- und Flurnamen, Sagen. –


Das Lebenswerk kam nicht zum Abschluss durch den Eingriff des Schicksals, das uns alle getroffen hat. Die verwobenen Fäden sind gerissen. Der wirkende Geist — von der Flamme der Liebe zur Grenzlandheimat und zum ostdeutschen Volkstum genährt — ist erloschen. Wer wird diese Erbschaft antreten, wer kann es? — Möge Gemeinsames im Geiste Ziesemers erwachsen, der nur die Ehre der Arbeit kannte und keine andere wollte. Lassen wir ihn zu uns sprechen —über sein Grab hinaus, wie er in Briefen der letzten Jahre zu dringenden Problemen unseres ostpreußischen Volkstums mahnt und rät:

 „Wenn ich in den letzten Jahren mutlos werden wollte im Blick auf den Verlust meiner wissenschaftlichen Lebensarbeit, dann sagte meine Frau wohl: Denk doch daran, dass Du auch lebendigen Menschen etwas gewesen bist; in ihnen wird Deine Arbeit fortleben."

„Dass meine Gedanken immer wieder in unsere ostdeutsche Heimat fliegen, mag Ihnen ein kleiner Aufsatz sagen . . ."

 „Wir müssen dafür sorgen, dass aller Kitsch vermieden wird, und er macht sich gerade, was Dialektvorträge betrifft, zum Schaden unseres Ansehens sehr bemerkbar . . . Wiederholt erhalte ich Anfragen über eine Fortsetzung des Preußischen Wörterbuches. Wie stehen Sie dazu? Ich kann die Arbeit nicht von neuem machen, will aber gerne meinen Rat geben."

 „Ich passe nicht zu einem Präsidenten, sondern nur zu einem Arbeiter. Als solcher freilich will ich für den Osten tätig sein, wie meine ganze Lebensarbeit ihm gegolten hat. Ich halte es für möglich, ein ostpreußisches Volksliederbuch zu schaffen, Stoff dafür ist vorhanden, auch handschriftlich. Ebenso wichtig ist echtes Erzählergut: Sagen, Märchen, Schwanke. Sie müssten, lieber — einmal herkommen, damit wir mündlich solche Dinge besprächen, vielleicht später im Herbst. , ,''

 

Der Herbst ist gekommen, und mit ihm der Frost des Todes. — Die Albertus-Universität trauert um ihren Professor und Dekan, die Stadt Königsberg um einen ihrer großen und bedeutenden Bürger, die Ost- und Westpreußen um einen der Besten ihres Geistes und Herzens, die Deutschen um einen der treuesten Vertreter des Grenzlanddeutschtums im Osten.

Möge ihm die deutsche Erde auf seinem Sarge leicht werden!

Requiescat in pacel. Dr. Walter Schlusnus, Icking/Isartal.

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