Ostpreußen-Warte, Folge 04 vom April 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 04 vom April 1957

 

Seite 1   Nord-Ostpreußen – deutsch-sowjetische Frage. Neue Lage ergibt aktuelle Gesichtspunkte – Sonderlösung möglich.

Je mehr die internationale Erörterung der „Deutschlandfrage“ fortschreitet, umso deutlicher schält sich heraus, dass die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands sich in drei ostpolitische Sonderfragen gliedert, die untereinander in einem bestimmten Zusammenhange stehen: in die primäre Frage der Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands in Frieden und Freiheit, in die Oder-Neiße-Frage im engeren Sinne und in die Frage des nördlichen Ostpreußens. Die erstgenannte Frage steht weithin im Vordergrund der internationalen Diskussion, die zweite wurde aktuell im Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen in der Volksrepublik Polen, und die dritte: die des „Königsberger Gebiets", das als „Kaliningradskaja Oblast" in die UdSSR eingegliedert wurde, erscheint erst jetzt, da die Gespräche über die beiden anderen „Ostprobleme Deutschlands“ in Gang kommen, im Hintergrund, nachdem bisher geradezu ein Vorhang des Schweigens über sie gebreitet worden ist. Dieses Schweigen ist aber nunmehr durchbrochen worden, nachdem der sowjetische Außenminister Gromyko und der polnische Außenminister Rapacki ein Abkommen über eine erneute Markierung der Demarkationslinie zwischen dem nördlichen, sowjetisch besetzten, und dem südlichen, polnisch verwalteten Ostpreußen unterzeichnet haben.

 

Dass das Sonderproblem Nord-Ostpreußen bis dahin auf dem Felde der internationalen Politik nicht unmittelbar in Erscheinung getreten ist, hat seinen Grund anscheinend zunächst darin, dass die Vertreter der angelsächsischen Mächte in Potsdam Stalin ausdrücklich zusicherten, ihre Regierungen würden auf einer Friedenskonferenz dafür eintreten, dass das sowjetisch verwaltete Gebiet um Königsberg an die UdSSR fallen solle. Von amerikanischer Seite ist gerade in diesem Zusammenhange darauf hingewiesen worden, dass eine gleichlautende Zusicherung an Polen für die gegenwärtig polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete nicht vorliegt, woraus sich zusätzlich ergebe, dass die Oder-Neiße-Linie eben nicht als deutsch-polnische „Grenze" anerkannt wurde. Zwar ist nach dem Wortlaut des Potsdamer Abkommens auch das Königsberger Gebiet nur sowjetischer Verwaltung unterstellt worden, aber die Westmächte haben andererseits bisher nicht jene Vereinbarung aufgekündigt, wonach sie sich verpflichteten, für die Übertragung dieses Gebietes an die UdSSR einzutreten, bzw. zum mindesten hiergegen keine Einwände zu erheben. Dementsprechend haben sie auch bisher zu allem geschwiegen, was die Sowjetmacht hinsichtlich dieses Gebietes veranlasste, während sonst bei den verschiedensten Anlässen in öffentlichen Erklärungen der westlichen Regierungen auf den provisorischen Charakter der Oder-Neiße-Linie hingewiesen worden ist.

 

Was die völkerrechtliche Lage des Gebietes um Königsberg anlangt, so handelt es sich auch hier nach wie vor um deutsches Territorium, das entgegen dem allgemein gültigen Annexionsverbot in die Sowjetunion inkorporiert worden ist. Immerhin ist es bemerkenswert, dass dieses Gebiet nicht etwa den benachbarten Sowjetrepubliken Litauen oder Weißrussland angegliedert wurde, sondern vielmehr eine verwaltungsmäßige Exklave der RSFSR, also der Großrussischen Räterepublik, darstellt. Angesichts des geringen Umfangs des Gebietes — es umfasst nur ca. 13 200 qkm gegenüber 22 250 000 qkm übrigen Gebietes der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken nach dem gegenwärtigen Stande — ist es überhaupt nur aus zwei Gründen für UdSSR von einiger Bedeutung: Wegen des Hafens Pillau/Königsberg und als vorgeschobener Auslandsstützpunkt der Sowjetmacht mit Blickrichtung Norden (Skandinavien) und Süden (Polen).

 

Diese Tatsache, dass der Hafen Königsberg bzw. der Kriegshafen Pillau eine nicht unwichtige Position im Rahmen des Systems der sowjetischen Marinestützpunkte in der Ostsee darstellt, ist der zweite Grund, aus dem die Ansicht erwuchs, dass die Lösung dieser Frage — wenn überhaupt — dann jedenfalls erst „zuletzt" zur Erörterung gestellt werden könne, d. h. erst dann, wenn die Frage der Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands und die der polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete geklärt sein werde. Diese Auffassung wird durch einen Blick auf die Karte gestützt. Es erscheint danach als „geradezu ausgeschlossen", dass sich in dieser Hinsicht die Reihenfolge der Probleme jemals in dieser oder jener Weise ändern könne. Und doch ergibt eine politische Analyse der Gegebenheiten in der Frage des Nördlichen Ostpreußens wenn nicht ein anderes Bild, so doch wenigstens einen Einblick in die besonderen Bedingungen, die in jedem Falle bei der Beurteilung der Möglichkeiten einer Regelung auch dieses Problems berücksichtigt werden müssen. Diese Besonderheiten aber lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen:

 

1. Die Frage Nord-Ostpreußens ist nahezu ausschließlich ein deutsch-sowjetisches Problem. Sie unterscheidet sich insofern von dem der Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands — die zugleich ein internationales und gesamteuropäisches Problem darstellt — wie auch von der Oder-Neiße-Frage im engeren Sinne, in welche die polnische Frage stark hineinspielt.

 

2. Nach der Räumung des sowjetischen Auslandsstützpunktes Porkkala-Udd stellte sich zugleich auch die Frage Pillau-Königsberg, indem die Sowjetmacht durch die Räumung des finnischen Hafens zu erkennen gab, dass sie die politischen Gesichtspunkte gegenüber den flottenstrategischen abwog und zu Gunsten der ersteren entschied.

 

3. Ähnliche Erwägungen haben sich in der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen wiederholt gerade im Hinblick auf Ostpreußen durchgesetzt, indem die Ausschaltung eines Hinderungsgrundes für die Herstellung gutnachbarlicher russisch-preußischer Beziehungen in St. Petersburg jeweils für wichtiger erachtet wurde als der bedingte Vorteil der Inbesitznahme Ostpreußens und insbesondere Königsbergs durch Russland.

 

4. Die Funktion des Nördlichen Ostpreußens als Bastion der Sowjetmacht gegen Süden hin ist nur zusätzlicher Natur, da die sowjetischen Stützpunkte, welche den politischen Einfluss Moskaus auf Warschau unmittelbar sicherstellen, sich im polnischen Räume befinden.

 

5. Eine Regelung der Frage des Nördlichen Ostpreußens im Sinne einer Rückgabe in eine freiheitliche deutsche Verwaltung — in welcher Form auch immer — würde dem gegenwärtig politisch bedeutungslosen Gebiete unverzüglich ein eminentes politisches Gewicht verleihen und zwar vor allem auch in der „Deutschen Frage".

 

6. Das Gebiet Nord-Ostpreußens wäre selbst als „deutsche Exklave" nach der Wiederbesiedlung mit deutschen Rückwanderern durchaus lebensfähig, insbesondere auch durch den Beitrag, der von hier aus zur Förderung der Handelsbeziehungen geleistet werden könnte.

 

Ein Gesamtüberblick über die besondere Lage, die bezüglich des Nördlichen Ostpreußens gegeben ist, lässt erkennen, dass dieses Problem weit früher konkretere politische Gestalt gewinnen könnte, als wie dies sich gegenwärtig ausnimmt. Um die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung abzuwägen, ist es nur erforderlich, im Einzelnen ins Auge zu fassen, welche außerordentlich weitreichenden Auswirkungen auf die gesamte europäische Konstellation sich ergeben würden, wenn beispielsweise an der Ostküste ein freiheitliches deutsches Gemeinwesen entstünde, das sich außenpolitisch etwa in einer Lage analog der Finnlands befinden würde. Ein Vergleich zwischen der Frage Porkkada-Udd und der Königsbergs dürfte jedenfalls ergeben, dass der Unterschied der möglichen politischen Auswirkungen einer Freigabe weit größer sein würde als die Differenz im strategischen Werte des deutschen und des finnischen Hafens für die Sowjetmacht. Dieser Unterschied kann sich sehr wohl als so groß erweisen, dass das Problem Nord-Ostpreußen als Schlüssel zur Lösung einer ganzen Reihe entscheidender europäischer Fragen erscheint.

 

Seite 1   Foto: „Hansestadt Danzig" eines der stolzen weißen Schiffe des Seedienstes Ostpreußen, der die Verbindung der Insel Ostpreußen mit dem Reich aufrechterhielt. Hier vor Anker in Pillau. Foto: Fischer

 

Seite 1   Wiedervereinigung Probleme und Fragen.

Das Schlimmste, was Deutschland passieren könnte, sei der Abzug der westlichen Besatzungsgruppen, weil wir dann wohl die nächste Nacht schon nicht mehr richtig schlafen könnten. Das ist die Einstellung weiter Kreise der westdeutschen Bevölkerung zum Problem einer militärischen Neutralisierung Deutschlands. Muss nicht aber jeder verantwortungsbewusste Deutsche sich eindringlich mit der Frage beschäftigen: Ob eine solche Gesinnung nicht mehr gefühlsmäßig bedingt ist als sachlich gerechtfertigt. Ist sie sittlich vertretbar und politisch richtig?

 

Eine militärische Besetzung Westberlins gegen den aktiven Widerstand der dort stationierten Truppen wäre für die Sowjets eine Angelegenheit von wenigen Stunden gewesen. Was sie von einem solchen, für ihr Prestigebedürfnis sehr verlockenden Handstreich abgehalten hat und weiter abhält, ist einzig und allein das damit verbundene Risiko eines dritten Weltkrieges. Weder die in Berlin selbst noch die in Westdeutschland stationierten alliierten Truppen haben die Sowjets von einem solchen Abenteuer abgeschreckt, sondern lediglich die von alliierter Seite — insbesondere von den Vereinigten Staaten — wiederholt bekundete Drohung, dass die Westmächte einen Angriff auf Berlin, einem Angriff auf sich selbst gleichstellen würden.

 

Nun ist die Garantie der Freiheit Berlins für die Westmächte nur eine Frage des politischen Prestiges, — die Garantie der Freiheit ganz Deutschlands hingegen wäre für sie eine Existenzfrage, eine Angelegenheit elementarer Lebensinteressen. Bundeskanzler Konrad Adenauer hat selbst einmal darauf hingewiesen, dass Deutschland infolge seiner geographischen Lage sowie seines Wirtschafts- und Menschenpotentials einen solchen Machtfaktor darstellt, bei dem keine der beiden großen Mächtegruppen tatenlos zusehen könnte, wenn er in den militärischen Einflussbereich des Gegners fiele. Hieraus folgt, dass selbst ohne eine ausdrückliche Garantie für die unbewaffnete Neutralität Deutschlands dieses durch den Westen geschützt wäre — einfach auf Grund der gegebenen Umstände. Pakte, die mit den Lebensinteressen der Nationen nicht in Einklang stehen, bleiben stets auf dem Papier — wo dagegen gemeinsame Interessen vorliegen, ergibt sich gemeinsames Handeln ganz von selbst, auch ohne Pakte. Sogar ohne den Nato-Pakt wäre der Westen bei einer sowjetischen Aggression gegen Deutschland zu gemeinsamer Abwehr gezwungen.

 

Der Hinweis, dass im Falle einer militärischen Neutralisierung Deutschlands die sowjetischen Truppen an der Oder, die amerikanischen dagegen jenseits des Atlantik stünden, ist im Zeitalter der Langstreckenbomber und der ferngelenkten Geschosse, mit deren Hilfe die Vereinigten Staaten von ihren über die ganze Welt verstreuten Basen aus in wenigen Stunden die Sowjetunion an jedem beliebigen Punkte empfindlichst treffen können, völlig antiquiert und keineswegs überzeugend.

 

Die Behauptung, ein neutralisiertes Deutschland würde der kommunistischen Infiltration nicht gewachsen sein und über kurz oder lang zu einem östlichen Satellitenstaat werden, ist im Grunde genommen ein unfreiwilliges Eingeständnis, dass man den Fortbestand der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft nur unter dem Schutz der alliierten Besatzungstruppen gewährleistet glaubt. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Ansicht in krassem Widerspruch zu der Heroisierung des sowjetzonalen Volksaufstandes vom 17. Juni steht, erhebt sich hier die Frage: Liegt es wirklich im deutschen Interesse, durch eine solche offen bekundete Ängstlichkeit das im Auslande ohnehin schon bestehende Misstrauen gegenüber der deutschen Demokratie zu schüren und damit die wiederholt zum Ausdruck gebrachten Beteuerungen, dass die deutsche Demokratie nicht gefährdet sei, förmlich zu desavouieren?

 

Gewiss würde die Wiedervereinigung Deutschland vor neue große wirtschaftliche und soziale Probleme stellen. Den damit verbundenen innerpolitischen Aufgaben sollten wir aber mit Selbstvertrauen ins Auge sehen!

 

Seite 2   „Können Sie dies verantworten, Herr …“

Wir haben oft den Eindruck gehabt, als würden diejenigen, die leichtfertig einen Verzicht auf unsere Ostgebiete aussprechen, im Glauben handeln, realer zu denken als wir. Und nicht nur das! Sie tun auch gern so, als wollte man um des „lieben Friedens willen" nicht mehr von diesen Dingen reden. Schließlich — und diese Behauptung hat immer eine Rolle gespielt — sei das Gebiet von Polen inzwischen besiedelt worden und von Deutschen entblößt.

 

Wozu diese Verzichtserklärungen und dieses leichtfertige Gerede über unsere Schicksalsfragen führen kann, beweist die Tatsache, dass in jüngster Zeit zahlreiche Deutsche, die in den polnisch verwalteten Ostgebieten leben, sich außerhalb der Familienzusammenführung zur Einreise in die Bundesrepublik gemeldet haben. Dieser Andrang zur Ausreise aus den deutschen Ostgebieten ist nur zu verständlich, wenn man weiß, dass die polnischen Zeitungen Sievekings und Niemöllers Äußerungen mit wahrer Wonne in aller Breite behandeln und so tun, als würden die Betreffenden die Meinung der Mehrheit des deutschen Volkes zum Ausdruck bringen. Den Deutschen in den Ostgebieten wird dadurch das Gefühl gegeben, auf verlorenem Posten zu stehen. „Wenn man uns jetzt schon abgeschrieben hat, dann ist unser Verbleiben sinnlos geworden“, mögen sie denken. Ist das nicht ein neuer Beweis für die Unverantwortlichkeit derjenigen, die leichtfertig Verzichte aussprechen? Es ist noch mehr: es ist politisch unrealistisch. Es ist unmenschlich, weil man den noch verbliebenen Rest deutscher Menschen im deutschen Osten dazu aufmuntert, ihre Heimat zu verlassen.

 

Seite 2   Vertriebenenkongress der SPD.

Bonn. Ein „Kongress für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte“ wird von der SPD am 13. -14. April in Wiesbaden veranstaltet werden. Auf dieser Tagung soll die Haltung der SPD zu den wirtschaftlichen und politischen Wünschen der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten dargestellt und über die von der Partei geleistete Arbeit und ihre Forderungen für die Zukunft berichtet werden. Als Redner sind der SPD-Vorsitzende Ollenhauer, die Bundestagsmitglieder Reinhold Rehs, Wenzel Jaksch und Richard Reizner sowie Pastor Heinrich Albertz vorgesehen.

 

Seite 2   „Oder-Neiße-Kommission“ hat versagt. Keinen Schritt vorangekommen – Minister zur Rede gestellt.

Berlin. Die volkspolnische Presse gab im März, nach viermonatigem Schweigen, nunmehr den Namen des Vorsitzenden des volkspolnischen „Regierungsausschusses zur Entwicklung der Westgebiete" bekannt. Es handelt sich, wie die volkspolnische Zeitung „Slowo Polskie" aus Breslau mitteilt, um den führenden KP-Funktionär Zenon Nowak, der nach der „Regierungsbildung" Ende Februar wieder in das Kabinett aufgenommen wurde. Nowak gilt als „Stalinist", gegen dessen Wiederaufnahme in das Kabinett von zahlreichen polnischen Parlamentsabgeordneten Protest erhoben worden war.

 

Die Zeitung „Slowo Polskie" veröffentlicht des Weiteren einen kritischen Bericht über die Tätigkeit der „Oder-Neiße-Kommission" der Warschauer Regierung, die Anfang Dezember 1956 ins Leben gerufen wurde, um den „Wiederaufbau" der Oder-Neiße-Gebiete nach elfjähriger Ausplünderung und Verwahrlosung voranzutreiben. Das Blatt erklärt, obwohl den zuständigen Ministerien 76 Großbetriebe genannt worden seien, die in den Oder-Neiße-Gebieten die Produktion wiederaufnehmen sollten, sei man „keinen Schritt" vorangekommen. Die auf einer Sitzung der Plankommission des Warschauer Ministerrates zur Rede gestellten Vizeminister der zuständigen Ressorts hätten „in dieser Hinsicht fast gar nichts berichten können, weil die diesbezügliche Tätigkeit in ihren Ministerien nicht weit über die allgemeine Erwägung der wirtschaftlichen Möglichkeiten hinausgeht". In einem weiteren Artikel berichtet das Blatt, dass „trotz positiver Elemente der Entwicklung" dem Handwerk in Niederschlesien „die Gefahr eines Regresses oder gar einer Selbstliquidierung" drohe. Die Gründe hierfür bestünden in der mangelhaften Rohstoff- und Maschinenversorgung des Handwerks. Im IV. Quartal 1956 hatten die lederverarbeitenden Handwerksbetriebe noch je 20 bis 30 kg Leder erhalten, im I. Quartal 1957 jedoch nur 8 kg. Die Versorgung mit Holz, Koks, Baumaterialien und anderen Rohstoffen sehe ähnlich aus. Dagegen habe eine „ministerielle Inspektion" festgestellt, dass die Breslauer „Wojewodschaftsverwaltung der Allgemeinen Genossenschaften" Materialien im Werte von 9 Millionen Zloty, „die von den Handwerkern gut ausgenutzt werden könnten", zurückhält.

 

Seite 2   Preisausschreiben soll Siedler werben.

Berlin. Das polnische „Westinstitut" in Posen hat die polnischen Neusiedler in den Oder-Neiße-Gebieten aufgerufen, sich an einem „Preisausschreiben" zu beteiligen, in dessen Rahmen die besten „Erinnerungen eines Siedlers in den wiedererlangten Gebieten" prämiiert werden sollen. Es wurden sechs Preise in einer Gesamthöhe von 17 000 Zloty ausgesetzt. Die Jury will bei der Preisverteilung weniger die literarischen Qualitäten als vielmehr „die getreue Wiedergabe der Eindrücke und Erlebnisse des Verfassers" berücksichtigen. Es können sich auch diejenigen polnischen Siedler beteiligen, die inzwischen wieder aus den „wiedererrungenen Westgebieten" abgewandert sind.

 

Seite 2   Allgemeines „Gefühl der Vorläufigkeit“. Polnische Presse kritisiert Regierungspolitikgegenüber den „Westgebieten".

Die Warschauer Wirtschaftszeitung „Zycio gospodarcze" enthüllt in drei Artikeln die katastrophalen Verhältnisse in den Oder-Neiße-Gebieten, die vor allem auf das „Gefühl der Vorläufigkeit“ zurückgehen, das sowohl unter der Bevölkerung, als auch in hohen und höchsten polnischen Regierungsstellen zu verzeichnen sei. Im Einzelnen heißt es In dem Blatt:

 

„.In dieser Periode der Stagnation geriet das Vertrauen zur Regierung immer mehr in eine Krise und dieses galt auch hinsichtlich unseres dauernden Verbleibens in den Westgebieten. Die schlechte Politik der polnischen Regierung, die bis zum Vorjahre im Amt war, hat das Gefühl der Vorläufigkeit unter der Bevölkerung der Westgebiete verbreitet, weil die Menschen wie auch die örtlichen Behörden und vielleicht in noch stärkerem Ausmaße die zentralen Regierungsbehörden nicht vollkommen und bis ins Letzte davon überzeugt waren, dass die Rückkehr der Westgebiete zum Mutterland eine unabänderliche Tatsache sei. Die Folgen dieser skeptischen Einstellung im Hinblick auf das künftige Schicksal dieser Gebiete haben sich außerordentlich nachteilig bemerkbar gemacht. Wir sollen es offen zugeben, dass es einen Wohnungsbau nahezu überhaupt nicht gibt. Längs der Grenze an der Oder und Neiße erschrecken uns ausgestorbene Städte, in denen noch vor wenigen Jahren das Leben pulsierte, aus denen aber die Menschen wegzogen. Dasselbe gilt für Dutzende von Kleinstädten. Auf dem flachen Land ist Ackerland genügend vorhanden, jeder kann es nehmen und umpflügen. Gleichwohl kann man Bauernhöfe, die seit Kriegsende leer stehen, oder auch erst vor

zwei Jahren von den Menschen verlassen wurden, die in die altpolnischen Gebiete flüchteten, nicht so leicht wieder benutzbar machen. Ein Bauernhof zerfällt rascher als ein dreistöckiges Haus in Görlitz. Infolge der bisherigen Verwaltungsmaßnahmen gingen nicht nur Städte und Fabriken zugrunde, sondern wurde sogar der Boden zerstört“.

 

Seite 2   Gaitskell für neutrale Zone.

Berlin. Der britische Oppositionsführer Gaitskell hat sich in Berlin dafür ausgesprochen, der Sowjetunion die Errichtung einer neutralen Zone in Mitteleuropa vorzuschlagen. Der Plan Gaitskells sieht als erste Stufe den schrittweisen Rückzug aller ausländischen Streitkräfte aus Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei sowie aus West- und Mitteldeutschland vor. Folgen sollen die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen und der Abschluss  eines europäischen Sicherheitspaktes, um die territoriale Integrität der Länder in der neutralen Zone zu gewährleisten. Falls die Sowjetunion es wünscht, sollen sodann Deutschland aus der NATO und Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei aus dem Warschauer Pakt ausscheiden.

 

Seite 2   Pressespiegel

Westdeutschland hält den Schlüssel.

„Amerikanische Truppen aus Europa zurückgezogen; alle Sowjettruppen zurück in Russland; ein neutrales, wiedervereinigtes Deutschland; unabhängige, obwohl immer noch kommunistische Regierungen in den Satelliten (wie in Polen). Ist das Europa in zwei oder drei Jahren? Viele erfahrene Diplomaten halten es für möglich. Nach zwölf Jahren in der Sackgasse wächst im Westen und im Osten der Druck für eine allgemeine europäische Regelung, und Russland hat bereits angedeutet, dass es vielleicht den ersten Schritt tut. Warum? Weil ein zweites Ungarn, diesmal in Ostdeutschland, den dritten Weltkrieg auslösen könnte. Westdeutschland hält den Schlüssel. Was bei den Wahlen im nächsten Herbst geschieht, könnte darüber entscheiden, wie bald, wie schnell und wie weit sich der Lauf der europäischen Nachkriegsgeschichte verändert. Auf dem Spiele stehen nicht nur die Zukunft Deutschlands, sondern auch der NATO und alle die schmerzhaften, hoffnungsvollen ersten Schritte in Richtung auf vielleicht einmal entstehende Vereinigte Staaten von Europa. Der Westen würde durch die deutsche Wiedervereinigung auch etwas gewinnen. Denn sie würde fast mit Sicherheit den Beginn des Auseinanderbrechens des festgefügten Satelliten-Imperiums Russland bedeuten und schließlich zur Zurückziehung aller Sowjettruppen hinter Russlands eigene Grenze führen“. Newsweek, Washington.

 

Wiedervereinigung im Kühlschrank

„Ganz und gar unverständlich ist dem größten Teil meiner Gesprächspartner das Verhalten der Deutschen in der Frage der Wiedervereinigung. Wohlgemerkt auf menschlichem, nicht auf politischem Gebiet. Die vorsichtige politische Haltung der Führung wird durchaus anerkannt. Man hat nicht vergessen, wie eindringlich der Bundesaußenminister bei der letzten Tagung der NATO in Paris die Gefahren dargelegt hat, die an der Zonengrenze entstehen können. Aber es entsteht der Eindruck, dass für die Mehrheit der Deutschen die Zerrissenheit ihres Vaterlandes eine Sache ist, von der man in Umkehrung des berühmten Wortes des Franzosen Gambetta über Elsaß und Lothringen immer sprechen, an die man aber nie denken soll. Gerade an Elsaß und Lothringen denken dabei im Vergleich viele von denen, die mit mir darüber sprachen. Sie meinten, es gehe wohl auch den

Menschen auf der östlichen Seite so schlecht, dass man im Westen schwere Opfer voraussehen müsse, falls die Deutschen wieder zusammenkämen. Kurz und gut, man findet das Verhalten der westlichen Deutschen diesem Problem gegenüber politisch sehr vernünftig und menschlich enttäuschend. Man beglückwünscht sich dazu, dass der Konfliktstoff im Kühlschrank bleibt, und doch etwas herablassend, Nationalstolz gäbe es bei den heutigen Deutschen nicht im Überfluss. Man wirft also den Deutschen den Mangel einer Gesinnung vor, deren Überfluss man früher gebrandmarkt hat“.

Stuttgarter Zeitung.

 

Welche Sicherheit?

„Es gibt keine Sicherheit mehr — und es wird sie nie wieder geben. Wenn heute in Bonn, London, Paris oder Washington darüber diskutiert wird, ob man die NATO durch ein „Sicherheitssystem anderer Art" ersetzen sollte (in der Hoffnung, dadurch die deutsche Wiedervereinigung zu erleichtern), so lauten die Einwände gegen diesen Gedanken etwa folgendermaßen: „Die NATO können wir nicht preisgeben; denn damit gäben wir ja die Sicherheit preis“. Darauf ist nur zu antworten: „Welche Sicherheit?" Wie sicher war eigentlich Westeuropa in den Tagen der Suez-Krise? Wer hätte die sowjetischen Divisionen aus Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen aufgehalten, wenn der Suez-Konflikt nicht lokalisiert worden wäre? Die NATO? Womit und wo? östlich oder westlich des Rheins — und wo auch immer, für wie lange? Und selbst wenn die zwölf deutschen Divisionen heute schon voll ausgerüstet dastünden und die Wacht an der Zonengrenze hielten, wenn Frankreich die Divisionen aus Algerien zurückholen und Macmillan auf seine Pläne, die britischen Truppen in Deutschland zu reduzieren, verzichten sollte, auch dann gibt es noch keine Sicherheit. Hiroshima und Nagasaki gaben der Sicherheit den ersten Stoß, die Wasserstoffbombe den zweiten und die Fernraketen, die von Kontinent zu Kontinent fliegen können, den dritten. Von diesen drei Stößen wird sie sich nie mehr erholen, sie ist heute nur noch eine Illusion, eine Versuchung. Eine Illusion, der wir nicht verfallen, eine Versuchung, der wir nicht erliegen dürfen; denn sonst — ist die Katastrophe gewiss. Aber wer unter den heute lebenden Staatsmännern hat den Mut, eine so unbequeme Wahrheit auszusprechen?" Die TAT, Zürich

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Entlegen den Vereinbarungen der Potsdamer Konferenz von 1945 haben der sowjetische Außenminister Gromyko und der polnische Außenminister Rapacki in Moskau ein Abkommen über die Markierung der polnisch-sowjetischen Grenze „im Gebiet der Ostsee" unterzeichnet.

 

Entlang der österreichischen Grenzen werden in Ungarn Stacheldrahtverhaue, Bunker und Minenfelder errichtet. In Budapest wurden fünf leitende Persönlichkeiten der kalvinistischen Kirche verhaftet. Der Nationalfeiertag verlief ruhig; sowjetische Panzer und Truppeneinheiten hielten als Vorsichtsmaßnahme die wichtigsten Punkte Budapests besetzt.

 

Das israelische Parlament billigte nachträglich mit großer Mehrheit den Rückzugsbefehl, den Ministerpräsident Ben Gurion zur Räumung des Gaza-Streifens und des Gebietes am Golf von Akaba erteilt hatte. Gegen die Ernennung eines ägyptischen Gouverneurs für Gaza protestierte Ben Gurion mit der Drohung, dass „Israel sich seine Handlungsfreiheit vorbehält, falls Ägypten ins Gaza-Gebiet zurückkehrt“.

 

Der ägyptische Handelsminister Nosseir eröffnete die große westdeutsche Industrie-Ausstellung in Kairo.

 

Die Ölleitungen in Syrien, die zu Beginn des Suezkonfliktes gesprengt worden waren, sind nach Abzug der israelischen Truppen aus den ägyptischen Gebieten wieder repariert und in Betrieb genommen worden. Elf Millionen Tonnen Öl sollen jährlich vom Irak zum Mittelmeer transportiert werden.

 

Für Schiffe bis zu 1000 Bruttoregistertonnen hat die ägyptische Regierung den Suezkanal freigegeben. Die Kanalgebühren sollen an Ägypten entrichtet werden. Britische und französische Sachverständige haben inzwischen Pläne für eins dauernde Umgehung des Kanals ausgearbeitet, die jedoch nicht ohne amerikanische Hilfe zu verwirklichen sind.

 

Der Staatspräsident der Philippinen, Magsaysay, kam zusammen mit 23 anderen Fluggästen und Besatzungsmitgliedern durch ein Flugzeugunglück ums Leben. Magsaysay war seit 1953 im Amt.

 

Den Kriegs- und Belagerungszustand verhängte der Indonesische Staatspräsident Sukarno nach dem Rücktritt der Regierung Sastroamidjojo über sein Land. Der Indonesische Staat besteht seit 1949 und zählt 81 Millionen Einwohner.

 

Mit 72 gegen 19 Stimmen bevollmächtigte der amerikanische Senat Präsident Eisenhower zur Durchführung seines Nahostplanes, nach dem er Truppen im Nahen Osten einsetzen kann, wenn ein Staat darum bittet.

 

Der frühere Leiter des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Viktor Agartz, wurde in Untersuchungshaft genommen. Er wird verdächtigt, Gelder vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbund der Sowjetzone genommen und für die verbotene KPD verwandt zu haben.

 

Die Gesamtdeutsche Synode der evangelischen Kirche stimmte mit großer Mehrheit dem Staatsvertrag über die Seelsorge in der Bundeswehr zu. In einer Entschließung brachte die Synode ihre ernste Sorge über Beschwerungen und Behinderungen des kirchlichen Lebens in der Sowjetzone zum Ausdruck.

 

Der Termin für die Bundestagswahlen wurde von Bundespräsident Heuß endgültig für den 15. September festgelegt. Die Zahl der Wahlberechtigten beträgt rund 35 Millionen.

 

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied, dass das am 20. Juli 1933 mit dem Vatikan abgeschlossene Reichskonkordat noch gültig ist. Damit wurde ein Antrag der Bundesregierung gegen das Land Niedersachsen zurückgewiesen.

 

Ein neuer westafrikanischer souveräner Staat entstand aus der bisherigen britischen Kronkolonie Goldküste unter dem Namen Ghana. Der Negerstaat bleibt als Dominium mit dem britischen Commonwealth verbunden.

 

Bei den Wahlen in Irland bekam die Fianna Fail-Partei die absolute Mehrheit. Damit wurde Eamon de Valera wieder Regierungschef, der dieses Amt bereits von 1932 bis 1948 und von 1951 bis 1954 innehatte.

 

Die rumänische Regierung lehnt es ab, mit der Bundesregierung über die Rückführung von Volksdeutschen zu verhandeln, die in Rumänien leben und in der Bundesrepublik Verwandte haben.

 

Die dritte Truppenverminderung innerhalb der letzten fünfzehn Monate gab die polnische Regierung bekannt. Das Heer soll um 44 500 weitere Offiziere und Soldaten reduziert werden.

 

Gegen britische Atomwaffenversuche bei der Weihnachtsinsel protestierten das Japanische Oberhaus und das Japanische Weltfriedenskomitee. Auch Ministerpräsident Nehru verurteilte mit großer Schärfe die Fortsetzung der Versuchsexplosionen. Der englische Premierminister Macmillan erklärte, die Regierung nicht die habe nicht die Absicht, die Versuche aufzugeben. I

 

In einem Brief an den norwegischen Ministerpräsidenten Gerhardsen, warnte der sowjetische Ministerpräsident Bulganin davor, dass Norwegen sein Hoheitsgebiet den NATO-Streitkräften für Stützpunkte überlässt.

 

 Amerikanische Truppeneinheiten in der Bundesrepublik sind bereits seit einiger Zeit mit atomaren Sprengkörpern zum taktischen Einsatz ausgerüstet, wie der Befehlshaber der Zweiten Taktischen Luftflotte erklärte.

 

Der Verminderung der britischen Streitkräfte in Westdeutschland stimmten die sieben Außenminister der Westeuropäischen Union zu, allerdings nur in Höhe von 13 000 Soldaten. England hatte geplant, 27 000 Mann abzuziehen. Auf die die von Stationierungskosten in Höhe von 900 Millionen DM zur Stützung des englischen Pfunds hat die Truppenverminderung keinen Einfluss.

 

Die indischen Parlamentswahlen erbrachten die absolute Mehrheit für die Kongresspartei des Ministerpräsidenten Nehru. Im südindischen Staat Kerala wird zum ersten Male die kommunistische Partei die Regierung bilden.

 

Auf den Bermuda-Inseln berieten Präsident Eisenhower und Premierminister Macmillan Nah-ostfragen, Probleme der europäischen Verteidigung sowie der deutschen Wiedervereinigung.

 

Prof. Wolfgang Harich, der frühere Dozent für Gesellschafswissenschaften  an der Ostberliner Universität, wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

 

Der sowjetische Außenminister Gromyko und Verteidigungsminister Schukow unterzeichneten mit der Regierung in Pankow einen Truppenvertrag, der den sowjetischen Truppen einen Einsatz auch bei inneren Unruhen in Mitteldeutschland gestattet.

 

Sämtliche britischen Werften waren durch den Streit von 200 000 Schiffsbauarbeiten stillgelegt. Kurz danach streikten auch die Metallarbeiter. Beide Industriezweige verlangen Lohnerhöhungen.

 

Eine neue   Botschaft Ministerpräsident Bulganins erhielt Bundeskanzler Adenauer. Darin werden Anregungen gegeben für den Ausbau der Beziehungen auf wirtschaftlichem, kulturellem und konsularischem Gebiet.

 

Eine polnische Regierungsdelegation unter Führung von Ministerpräsident Carankiewicz unternahm eine Reise nach Indien.

 

Bundeskanzler Dr. Adenauer unterzeichnete mit den Außenministern von Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern in Rom die Verträge über die Bildung eines Gemeinsamen Marktes und einer Europäischen Atomgemeinschaft. Anschließend begab er sich zu einem Staatsbesuch nach Teheran.

 

Seite 3   Osterode – Gesicht einer ostpreußischen Stadt. Garnisonstadt – Auf dem Wege zur Normalisierung. Wiederaufbau der Ordensburg. 

Die polnische Verwaltung im südlichen Ostpreußen führt gerne die südwestlich von Allenstein gelegene Kreisstadt Osterode an, wenn sie ein Beispiel für die beginnende Normalisierung in dieser Provinz anführen will. Wie sehr man hier darauf bedacht ist, die Verhältnisse ins rechte Licht zu setzen, geht daraus hervor, dass die Stadtverwaltung eine Sammlung westdeutscher Presseberichte über Osterode angelegt hat und diese gern ausländischen Besuchern vorlegt. Tatsächlich ist dazu zu sagen, dass in den vergangenen Jahren mangels guter Informationsmöglichkeiten viel Unsinniges über Osterode geschrieben worden ist, was nun der polnischen Propaganda als „Beweis für die Hetze der Revisionisten in Westdeutschland" dient.

 

So stimmt es beispielsweise nicht, dass „über die Hälfte der Stadt Osterode abgerissen worden ist“. Vielmehr muss man sagen, dass hier im Verhältnis zu anderen ostdeutschen Städten noch milde beim Abbruch vorgegangen worden ist. Während im nordwärts befindlichen Guttstadt noch heute heil gebliebene Gebäude abgerissen werden, gibt es so etwas in Osterode jetzt nicht mehr. Man bemüht sich im Gegenteil darum, möglichst viel Wohnraum zu erhalten und sogar Reparaturen auszuführen, was sonst in den ostpreußischen Städten sehr selten ist.

 

Übertrieben sind auch in der vergangenen Zeit erschienene Nachrichten, Osterode sei bis auf ein Drittel zerstört. Selbst eine offizielle Verlautbarung der Bundesregierung brachte erst vor kurzer Zeit noch diese falsche Zahl, indem sie von einer Gesamtzerstörung Osterodes in Höhe von 65 v. H. sprach. Wir können hier den vertriebenen Landsleuten aus dieser Kreisstadt mitteilen, dass derartige Mitteilungen gewaltig übertrieben sind und der tatsächlichen Situation nicht gerecht werden!

 

Wer heute durch Osterode fahren würde, der sieht noch längst nicht auf Schritt und Tritt Trümmer oder Ruinen. Was in Kriegs- oder Nachkriegszeit zerstört wurde, das ist meistens aufgeräumt und zu Grünanlagen planiert. Neubauten sind natürlich noch selten, aber man findet durchaus Anzeichen eines langsam beginnenden Wiederaufbaues. Am meisten wird es interessieren, über das Schicksal der Ordensburg etwas zu hören. Diese Burg ist zwar völlig ausgebrannt, aber es blieben doch einige Räume im Erdgeschoß erhalten. Von der polnischen Verwaltung wurde bereits vor einigen Jahren ein Plan zur Erhaltung der weniger mitgenommenen Anlagen ausgearbeitet und auch mit der Zeit in die Tat umgesetzt.

 

Danach wurde beschlossen, die Burg möglichst ganz wiederaufzubauen. Auch dazu wurden bereits einige Vorbereitungen getroffen. Man kann jetzt sagen, dass der allgemeine Zustand der Burg einen Gesamtwiederaufbau durchaus ermöglicht. Allerdings werden darüber einige Jahre vergehen. Gegenwärtig ist dafür gesorgt, dass durch Witterungsschäden usw. keine größeren Zerstörungen mehr möglich sind, die die erhaltenen Reste weiter gefährden könnten. Ob und wann jedoch der allgemeine Wiederaufbau der Burg beginnt, vermögen wir jedoch nicht zu sagen.

 

Wahrscheinlich sind die in Osterode herrschenden günstigen Verhältnisse darauf zurückzuführen, dass sich die polnische Armee sehr bald für die völlige Renovierung des alten deutschen Kasernements einsetzte. Inzwischen hat man die früheren deutschen Kasernen wieder aufgebaut, repariert und sogar noch erweitert. Dadurch kamen Bauarbeiter und vor allem die so knappen Baumaterialien in die Stadt. Und es zeigte sich, dass die Aufnahmen von Bauarbeiten überhaupt ein gutes Beispiel auch für den zivilen Wiederaufbau war.

 

Während andere ostpreußische Städte völlig in Lethargie versanken und bis heute nicht erwacht sind, kam es in Osterode wenigstens zu einer gemäßigten Initiative. Die Behörden schlossen mit den Militärs einige Kompromisse, so dass die Baustofflieferungen für den Aufbau der Kasernen auch der Stadt zugutekamen. Während sich die Stadtverwaltung bei der Bereitstellung zusätzlicher Arbeitskräfte für die Kasernenbauten großzügig zeigte, damit diese schneller fertig wurden, zweigte die Armee Baumaterialien ab, die der Stadt zur Reparatur ziviler Bauten fehlten.

 

Man kann daher sagen, dass sich für Osterode die Wiederbelebung der Garnison gar nicht schlecht auswirkte. Es blieben hier deshalb auch die Spannungen aus, die sonst oft das Verhältnis zwischen Zivilbevölkerung und Armee charakterisieren. Zudem bemühte sich die Standortkommandantur auch, durch Vermeidung von Übergriffen seitens der Soldaten ein erträgliches Klima zu schaffen. So gilt heute noch der Befehl, dass die gesamte Osteroder Garnison Ausgangsverbot erhält (einschließlich der Offiziere), wenn sich auch nur ein Soldat in der Stadt beim Urlaub daneben benimmt und zu einer Schlägerei usw. Anlass gibt.

 

Schon allein wegen dieser günstigen Atmosphäre blieben der Stadt sonst übliche Schwierigkeiten erspart. Hier hat ausnahmsweise einmal der Aufbau der Kasernen zu keiner dauernden Beeinträchtigung des zivilen Lebens geführt, was schon sehr viel im polnischen Verwaltungsgebiet besagen will. In diesem Zusammenhang können wir auch Meldungen dementieren, dass polnische Pioniere in Osterode „massenweise Häuser gesprengt haben, die noch bewohnbar waren oder sich zum Wiederaufbau eigneten". Wir können die Osteroder in dieser Beziehung beruhigen.

 

Zwar hat die Armee bei der Trümmerräumung einige Jahre durch Pionierkommandos mitgewirkt. Es kann aber gesagt werden, dass gerade diese Mitwirkung von Fachleuten größere Schäden verhindert hat. Erst einmal wurde fachmännisch gesprengt. Dadurch entstanden an benachbarten Gebäuden nur wenig oder gar keine Schäden (andererseits gibt es Städte in Ostpreußen, die durch unsachgemäße Ruinen-Sprengungen mehr Häuser als durch Kriegsereignisse verloren haben!). Außerdem beseitigte man vielfach nur solche Gebäude, die wirklich reicht mehr zu retten waren. Auf keinen Fall aber stimmt es, dass sinnlose Sprengungen ganzer Straßenzüge in Osterode vorgenommen worden sind! Ebenso wenig entspricht es den Tatsachen, dass die Trümmerflächen ausnahmslos noch nicht abgeräumt wurden". Auch dies können wir richtigstellen, indem wir darauf verweisen, dass heute der größte Teil der Ruinengrundstücke aufgeräumt, planiert oder wieder neu bebaut ist.

 

Von den im Zentrum entstandenen Kriegsschäden ist bisher etwa ein Fünftel wieder aufgebaut worden. Für das zerstörte Rathaus, das Theater und die Deutsche Bank mussten Ersatzquartiere beschafft werden. Ferner sind hier an bekannteren Gebäuden noch die Landkirche und das Haus der früheren Kreisleitung vernichtet. Erhalten sind dagegen die katholische Kirche, die Stadtkirche, der Bahnhof, die Post, der Schlachthof, mehrere Verwaltungsgebäude und die meisten Schulen. Schon hieraus ergibt sich, dass Osterode unmöglich zu zwei Dritteln zerstört sein kann, was auch von polnischer Seite bisher nie bestätigt worden ist.

 

Geht man heute durch Osterode, so hat man hier nicht den hundertprozentig niederschmetternden Eindruck, der sonst westdeutsche Besucher in Ostpreußen unausbleiblich ist. Die Stadt ist nicht so dreckig wie andere deutsche Gemeinden unter polnischer Verwaltung. Vor allem wird das hier inzwischen eingezogene Fremde durch freundliche Grünanlagen gemildert. Zu den Parks von früher sind durch die auf planierten Ruinengrundstücken angelegten Wiesen usw. einige neue gekommen, die die Kriegsschäden noch mehr in den Hintergrund treten lassen. Aber vor allem liegt es wohl daran, dass in Osterode ziemlich regelmäßig die Straßen gereinigt werden und hier der polnische Schlendrian im Zaume gehalten wird.

 

Auch so etwas wie eine gewisse Behäbigkeit hat sich mancherorts in Osterode breitgemacht. Man findet in den Anlagen — vor allem im städtischen Park — viele Müßiggänger, die lesend, schlafend oder sich unterhaltend auf den Bänken sitzen und sich in der Sonne wärmen. An den Gewässern sieht man reihenweise Angler, die ungeheuer viel Zeit zu haben scheinen. Spaziergänger trifft man auf der Strandpromenade, die immer ziemlich belebt ist und von älteren Leuten für einen Bummel bevorzugt wird.

 

Auch auf dem Drewenzsee hat sich vieles normalisiert. Hier findet man wieder Ruderboote und auch einige kleine Segeljollen. Kann man von hier aus auch nicht mehr so weit wie früher zu den Seen im Oberland oder noch weiter nach Westen bis Elbing fahren, so entwickelt sich doch an dieser Stelle wieder stärker das Leben. Allerdings ist an der westlichen Drenwenzsee-Bucht in der dortigen Altstadt, eine Reihe von Gebäuden, die dringend eine Reparatur nötig hätten. Die polnische Stadtverwaltung hat bisher vor allem die moderne Südstadt zu erhalten gesucht. In der Innenstadt wurden Häuserreparaturen bisher vorwiegend in der Umgebung der Stadtkirche durchgeführt. Hier gibt es eine Reihe von Gebäuden, denen man weder Kriegs- noch Vernachlässigungs-Spuren ansieht.

 

Natürlich hat man auch Sorgen in Osterode. Wie überall ist das Problem der Ansiedlung nur teilweise gelöst worden. Längst wohnen in der Stadt keine 17 775 Einwohner mehr wie zu deutscher Zeit. Wohnten im gesamten Kreisgebiet früher 81 513 Menschen — womit Osterode der am stärksten bevölkerte Kreis des Regierungsbezirks Allenstein war —, so gibt die polnische Statistik eine jetzige Einwohnerzahl von 58 000 Personen an. Die Bevölkerungsdichte je Quadratkilometer sank von 53 Personen zu deutscher Zeit auf 37 Personen in der jetzigen Zeit. Das bedeutet einen Bevölkerungsrückgang von 30 Prozent gegenüber der deutschen Zeit. Auch Osterode macht dabei keine Ausnahme. Die Einwohnerzahl der Stadtbevölkerung liegt zurzeit zwischen 12 000 und 12 500 Menschen. Die Zahl der jetzigen deutschen Einwohner kann man mit vier bis fünf Prozent der jetzigen Gesamteinwohnerzahl der Kreisstadt annehmen. Den Landsleuten steht keine deutsche Schule zur Verfügung. Allerdings können sie sich in zwei religiösen Gemeinden betätigen. Einmal in der Gemeinde der „Evangelisch - Augsburgischen Kirche Polens" und zum anderen in einer Methodisten-Gemeinde, die beide aber alle Gottesdienste und Amtshandlungen nur in polnischer Sprache vornehmen müssen. Einige der Landsleute arbeiten in den Betrieben der örtlichen Maschinenindustrie, die von den Polen wieder instandgesetzt wurden und heute vor allem landwirtschaftliches Gerät produzieren bzw. Reparaturen an Treckern usw. ausführen. Osterode, das heute „Ostráda" genannt wird, ist für die Agrarwirtschaft des Kreises der technische Mittelpunkt.

 

Seite 3   Osterode. Foto.

wird „die Perle des Oberlandes“ genannt. Zu Recht! Es liegt am Drewenzsee, der zusammen mit den Seengruppen des Geserich-, Röthloff- und Schillingsees das Oberland genannt wird. Eine Fahrt durch diese Seengruppe mit ihren verträumten Ufern, engen Kanälen und anschließend durch den Oberländischen Kanal mit seinen bekannten „schiefen Ebenen", dessen einziges Gegenstück in Kanada gebaut wurde, durch den Drausensee mit seinem Vogelschutzgebiet bis Elbing bleibt für alle, die sie gemacht haben, ein unvergessliches Erlebnis.

 

Osterode ist eine Kreisstadt, erhielt 1332 eine Ordensburg, wurde aber bereits 1329 als Stadt gegründet. Sie war der Sitz einer Ordenskomturei im Prußenland.

 

Osterode besaß viel Industrie, u. a. Holz-, Zement- und Maschinenindustrie, dazu landwirtschaftlichen Handel.

 

Unser Foto zeigt eine Teilansicht von Osterode vom Drewenzsee aus. (Aus „Quer durch Ostpreußen", Elch-Verlag Wiesbaden)

 

Seite 3   Bis zum letzten Ziegelstein demontiert.  Die Stadt Rössel wurde weitgehend abgebrochen.

Die ostpreußische Kreisstadt Rössel, die vor dem Kriege über 5000 Einwohner zählte, ist weitgehend abgebrochen worden, obwohl keinerlei Kriegsschäden vorlagen. Nach einem Bericht der Warschauer Zeitung „Zycie Warszawy" wurden in der Stadt „im Laufe der letzten zwölf Jahre 183 Häuser bis zum letzten Ziegelstein demontiert". Die ehemalige Kreisstadt, die an der Eisenbahnlinie Rastenburg-Bischofstein liegt, hat heute keine Bahnverbindung mehr, da die Strecke auf zehn Kilometer unterbrochen und der Bahnhof zerstört ist.

 

Der polnische lokale „Volksrat" bezeichnete es als erforderlich, dass unverzüglich 12 Millionen Zloty zur Verfügung gestellt werden, um die Stadt wieder an das Verkehrsnetz anzuschließen. „Solche Städte wie Rössel gibt es viele: Sterbende Städte mit leeren Häusern, in denen die Fenster fehlen, die Türen herausgerissen wurden und wo alles geraubt wurde, was man entfernen und benutzen kann. Städte ohne Industrie, die nach Fachleuten und Arbeitsplätzen schreien", schreibt, „Zycie Warszawy" hierzu.

 

Um die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Notlage der Stadt zu lenken, griff der „städtische Volksrat" zu einem eigentümlichen Mittel. Er erließ einen weithin verbreiteten Aufruf, dass sich alle im letzten Jahre entlassenen bzw. „eingesparten" Funktionäre und Beamte melden sollten. Aus „allen Teilen Polens" gingen daraufhin Tausende von Bewerbungen ein. Der städtische Volksrat meldete daraufhin, dass alle freien Stellen in der städtischen Verwaltung besetzt seien und dass die übrigen zum Wiederaufbau der Stadt eingesetzt werden sollten.

 

„Wiedervereinigung" Südostpreußens

Allenstein. Das Präsidium des „Woiwodschafts-Nationalrates" in Allenstein hat, wie aus polnischen Presseberichten hervorgeht, dem „Woiwodschafts-Nationalrat" in Bialystok den Vorschlag unterbreitet, die drei ostpreußischen Landkreise Lyck, Treuburg und Goldap, die gegenwärtig der „Woiwodschaft" Bialystok angegliedert sind, wieder der Allensteiner „Woiwodschaft" anzugliedern.

 

Wie das Allensteiner KP-Organ „Glos Olsztynski" meldet, hat sich jedoch der „Woiwodschafts-Nationalrat" in Bialystok gegen diesen Vorschlag ausgesprochen, woraufhin der Allensteiner „Woiwodschafts-Nationalrat" beschloss, das umstrittene Problem dem Warschauer „Regierungsausschuss für die Aktivierung der Westgebiete" zur Entscheidung vorzulegen. Sollte der Ausschuss dem Antrage der „Woiwodschaft" Allenstein stattgeben, so würde damit das unter polnischer Verwaltung stehende südliche Ostpreußen im Wesentlichen „wiedervereinigt" sein.

 

Unsinnig.

In Lauck liegen seit mehr als fünf Jahren ganze Fuder voller Baumstämme, die von Kahlschlägen in den Wäldern herrühren. Die Behörden streiten sich, wem diese Bäume gehören. Um Diebstähle zu verhindern, sind zwei Wächter eingesetzt. Die Bevölkerung fordert die Freigabe als Brennholz, bevor die Stämme vollends verfaulen.

 

Total verwohnt.

Architekten sind aus Allenstein nach Heilsberg gekommen, um hier einige Häuser zu besichtigen, die in den letzten Winterwochen eingestürzt sind. Es handelt sich dabei um Gebäude, die nur leichte Kriegsschäden davongetragen haben und seit 1945 von Polen bewohnt wurden, Die Einsturzursache ist nach Meinung der Architekten in einer „totalen Vernachlässigung" zu suchen, da die Bewohner Zwischenwände und Stützpfeiler herausgerissen haben. In einem dieser Gebäude habe man sogar die Außenmauern der Kellerwände bzw. des Kellerfundaments zur Entnahme von Ziegelsteinen durchbrochen, weil sich die Bewohner in den Kellern Kaninchenställe bauen wollten. „Diese Vorkommnisse sind uns unbegreiflich", erklärten die Architekten der „Allensteiner Zeitung" nach ihrer Rückkehr.

 

Seite 3   Chronik. Kurzmeldungen aus der Heimat.

Allenstein. In der „Nowa Kultura" erschien ein Bericht über die Ausbreitung der deutschen Sprache in dem gegenwärtig unter polnischer Verwaltung stehenden südlichen Teil Ostpreußens. Darin wird festgestellt, dass nicht allein die „autochthone", d. h. die bodenständig deutsche Bevölkerung sich der deutschen Sprache bediene, sondern auch die Zugezogenen aus dem Wilnaer Gebiet und der Lubliner Gegend. „Sie sprechen schlecht Deutsch, aber sie sprechen es", heißt es in dem Bericht, „sie gleichen sich denen an, welchen sie gefallen wollen“.

 

Allenstein. Erst Mitte Februar ist in einigen Kreisen der „Woiwodschaft" Allenstein mit der Kartoffelernte begonnen worden. Dies wird sichtlich erfreut in einem Bericht der „Glos Pracy" festgestellt. Denn die Kartoffeln, die man im letzten Herbst nicht aberntete, seien nur leicht erfroren und eigneten sich ausgezeichnet zur Viehfütterung.

 

Danzig. Wie die in Danzig erscheinende polnische Zeitung „Dziennik Baltycki" berichtet, soll nunmehr das im Kriege zerstörte Krantor wieder aufgebaut werden. Es wird damit gerechnet, dass im Jahre 1958 der mittlere Teil des Krantores, der hölzerne Turm mit dem Kran, gerichtet werden kann.

 

Deutsch-Krone. In Deutsch-Krone wurde jetzt eine sogenannte Arbeitermiliz gebildet, mit der versucht werden soll, der in letzter Zeit immer mehr überhandnehmenden Jugendbanden Herr zu werden.

 

Deutsch-Krone. Die deutschen Kleinbauern und Rentner mit landwirtschaftlichem Kleinbesitz im Kreise Deutsch-Krone brauchen jetzt nichts mehr von ihren Kartoffel- und Getreideernten abzuliefern, falls ihr Grundbesitz zwei Hektar nicht übersteigt.

 

Gdingen. Hier wurde jetzt ein Betrieb zur Tranherstellung in Betrieb genommen. Er arbeitet nach den Erfahrungen des Zoppoter Tranwerkes und soll pro Tag sechs Tonnen Tran für Heilzwecke und fünf Tonnen für die Industrie herstellen.

 

Gdingen. Die polnische Zeitung „Küstenstimme" beklagt, dass es in dem größten polnischen Hafen kein „echtes" Hafenleben gebe. Es wird in diesem Zusammenhange angeregt, eine Studienkommission nach Hamburg zu entsenden, um sich dort zum Zwecke der Übertragung auf die Verhältnisse in Gdingen das Vergnügungsviertel St. Pauli anzusehen.

 

Memel. Im Memelland konnten im letzten Jahr nur 20 Prozent des gesamten Roggens geerntet werden, was auf starken Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften zurückgeführt wird. 80 Prozent des angebauten Roggens sind verfault.

 

Seite 3   Blick nach Ostpreußen.

Radio Moskau hat am 12. März eine tägliche Sendereihe für „die deutsche Bevölkerung in der Sowjetunion" aufgenommen.

 

Eine Deutschsprachige Zeitung für die etwa 1,25 Millionen Sowjetbürger deutscher Nationalität soll ab Mai erstmalig wieder seit 1939 erscheinen.

 

Ein Sowjetisch-Polnisches Rapatriierungsabkommen ist in Moskau unterzeichnet worden. Danach haben Russland-Polen, die vor dem 17. September 1939 Polnische Staatsbürger waren, bis zum 31. Dezember 1958 das Recht auf Repatriierung.

 

Polen.

Sämtliche polnische Bauernwirtschaften unter 2 ha Ackerfläche sollen in Zukunft von den Pflichtablieferungen an Getreide und Kartoffeln befreit werden. Es handelt sich hierbei um 730 000 Bauernhofe, hauptsächlich im Raum von Krakau.

 

Der polnische Studentenverband will in diesem Jahre die Auslandskontakte beträchtlich erweitern. Im Januar weilte eine dänische Studentenabordnung in Warschau. Eine Vereinbarung ist inzwischen auch mit dem jugoslawischen Studentenverband getroffen worden. Verhandlungen laufen mit Verbänden in der UDSSR und in Frankreich.

 

Im Warschauer Kulturpalast findet gegenwärtig eine Buchausstellung der Bundesrepublik statt, auf der 1600 wissenschaftliche Titel — vorwiegend aus den Gebieten der Technik und der Medizin — gezeigt werden.

 

Eine direkte Zugverbindung Berlin-Oberschlesien wird vom 3. Juni dieses Jahres erstmalig wieder in Verkehr genommen, berichtete „Slowo Polski" aus Breslau.

 

Rumänien.

Die 380 000 Deutschen in Rumänien sind in den örtlichen Verwaltungsorganen und im rumänischen Parlament mit 1500 Abgeordneten vertreten.

 

Seite 4   Rentennachzahlungen im April. Die neuen umgestellten Renten werden Ende April für den Monat Mai ausgezahlt.

Frankfurt. Die Rentner der Rentenversicherung der Arbeiter erhalten Ende März die Rente für den Monat April In der Höhe des bisherigen Zahlbetrages. Im Laufe des Monats April erfolgt dann die Nachzahlung auf die neuen erhöhten Renten ab 1. Januar 1957, deren Höhe sich aus dem den Rentenempfängern bei der Zahlung der Aprilrente übergebenen Bescheid ergibt. Die gleiche Regelung dürfte auch für die Rentner der Rentenversicherung der Angestellten getroffen werden.

 

Der Aufwand für die Aprilrenten in der Höhe des bisherigen Zahlbetrages wird in der Rentenversicherung der Arbeiter rund 375 Mill. DM betragen. Die Nachzahlungen nach der Rentenumstellung für die Monate Januar bis April 1957 werden auf rund 979 Mill. DM geschätzt. Insgesamt fließen somit den Rentnern der Rentenversicherung der Arbeiter zwischen Ende März und Mitte April rund 1354 Mill. DM zu. Für den Monat Mai, für den Ende April die Renten in der Höhe der umgestellten Zahlbeträge ausgezahlt werden, sind insgesamt 651 Mill. DM bereitzustellen. Es ergibt sich somit eine Erhöhung der Rentenleistungen in der Rentenversicherung der Arbeiter um 276 Mill. DM, das sind 73,6 Prozent.

 

Die reinen Höherversicherungsrenten werden nicht umgestellt, sie werden im bisherigen Betrag weitergezahlt.

 

Die Empfänger von Renten, die Kürzungs- und Ruhensvorschriften unterliegen, erhalten ebenso wie die Bezieher anderer „Sonderrenten" bei der Zahlung der Aprilrente keine Mitteilung über die Umstellung. Sie werden vielmehr von dem für sie zuständigen Versicherungsträger direkt darüber unterrichtet werden, dass ihre Renten noch nicht umgestellt werden können, da zunächst noch Rechtsverordnungen abgewartet werden müssen. Dies gilt vor allem für Renten, die mit anderen Renten (Angestelltenversicherung, Knappschaftsversicherung usw.) zusammentreffen. Die Empfänger dieser Renten erhalten bis zur endgültigen Umstellung zunächst für die Zeit ab 1. Januar 1957 Vorschüsse, die bei Versichertenrenten 21 DM und bei Hinterbliebenenrenten 14 DM betragen.

 

Seite 4   Die neue Rentenfibel.

Ab 20. März gibt es bei allen Postämtern die neue Rentenfibel, anhand der sich jeder Rentner seine neue Rente selbst ausrechnen kann. Die vielen beigelegten Tabellen geben ihm weiterhin die Möglichkeit, den steigenden Wert seiner Rentenansprüche auf Grund der Rentenreform zu verfolgen. Das gesamte amtliche Zahlenmaterial über die Rentenneuordnung und eine Fülle von Beispielen sind in der Fibel enthalten.

 

Die in zwei Ausgaben für die Invaliden- und die Angestelltenversicherung erscheinende Broschüre erscheint im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums in einer Erstauflage von 1,5 Mill. Exemplaren. Sie kann von jedermann erworben werden. Preis: 50 Pfennig.

 

Seite 4   Heikehrerentschädigung.

Sämtliche heimgekehrten ehemaligen Kriegsgefangenen sollen bis zum Jahresende die ihnen zustehende Heimkehrerentschädigung erhalten. Dies teilte ein Vertreter des Bundesvertriebenenministeriums im Bundestagsausschuss für Kriegsopfer und Heimkehrerfragen mit. Außerdem sollen ab 1. April in kurzen Abständen die bisher noch nicht berücksichtigten Dringlichkeitsstufen 21 bis 26 aufgerufen werden. Demnach wird das sogenannte Pflichtteil des Gesetzes über die Kriegsgefangenenentschädigung bis spätestens 31. September 1957 erfüllt sein. Unabhängig davon bietet das Gesetz aber auch weiterhin die Möglichkeit, ehemaligen Kriegsgefangenen Darlehen oder Beihilfen zu gewähren.

 

Seite 4   Sparerschäden.

Vertriebene, die höhere Lebensversicherungen bei Unternehmen, die ihren Sitz nicht im Vertreibungsgebiet hatten (Karlsruher, Allianz, Stuttgarter usw.) oder bei heimatlichen Provinziallebensversicherungen, wie Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien, die nach Warendorf verlagert worden sind und deshalb bei den Feststellungsanträgen nicht berücksichtigt werden konnten, besaßen, können diese Ansprüche als Sparerschäden anmelden und als Verbesserung einer Entschädigungsrente auswerten lassen, wenn noch andere Vermögensschäden mit vorliegen und anerkannt worden sind.

 

Eine Lebensversicherung allein könnte für eine Kriegsschadenrente allerdings nur dann zum Tragen kommen, wenn sie höher als 10 000 RM abgeschlossen war. Eine Anfrage beim Ausgleichsamt wird empfohlen.

 

Seite 4   Drei Millionen Familien ohne Vater. Alarmierende Zahlen — Was Väter bedenken sollten.

Mehr als drei Millionen Familien leben heute in der Bundesrepublik ohne Vater, eine Situation, die in vielen Fällen Sorge, Mangel und auch Not zur Folge hat. Wenn es ihnen irgend möglich ist, sind die Witwen bemüht, durch eigene Berufsarbeit den Unterhalt der Familie einigermaßen sicherzustellen. Aber auch dort, wo dies gelingt, ergibt sich die bittere Folge, dass den Kindern die rechte Betreuung häufig auch für die für ihre innere Entwicklung so wichtige Heimwärme fehlt. Vor allem belastet die Witwen die tiefe Sorge um die Zukunft der Kinder und die Angst, vielleicht nicht durchhalten zu können, d. h. gesundheitlich zu versagen, bevor die Kinder ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben.

 

Wie ist es überhaupt zu einer so hohen Zahl an Witwenschicksalen bei uns gekommen? Selbstverständlich tragen die beiden Weltkriege die Hauptschuld für die hohe Anzahl vaterloser Familien. Die hohe Zahl der verwitweten Frauen steht aber auch in engem Zusammenhang mit der unterschiedlichen Sterblichkeit der Geschlechter.

 

Nach neueren Statistiken ist der Mann bei 72 Prozent aller Eheschließungen älter als die Frau. Das Durchschnittsalter der Männer beträgt 30 ½ Jahre, das der Frauen 27 Jahre. Nach der heutigen „Lebenserwartung" haben Männer in diesem Alter noch durchschnittlich 41 Jahre, Frauen dagegen noch 47 Jahre zu leben. Jede Frau, die heute eine Ehe eingeht, muss daher mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, Witwe zu werden. Die meisten Ehefrauen werden es, der gleichen Erhebung zufolge, mit 56 Jahren; viele sind jedoch auch noch nicht 45 Jahre alt, wenn sie ihren Mann verlieren. Die Witwenschaft dauert im Durchschnitt etwa 20 Jahre, bei 25 Prozent aller Witwen sogar mehr als 30 Jahre. Diese Statistik lässt die Bedeutung des Witwenproblems erkennen. Jeder verantwortungsbewusste Ehemann und Familienvater muss daher darauf bedacht sein, seine Familie für den Fall seines vorzeitigen Todes vor Not zu schützen. Den besten individuellen Schutz bietet in diesem Fall ohne Zweifel die Lebensversicherung. Sie gewährt den Hinterbliebenen sofort, schon von der ersten Beitragszahlung an, ohne Wartezeiten den Schutz der vollen Versicherungssumme, die nach Wunsch als Kapital oder in Form einer lebenslänglichen Rente ausgezahlt werden kann. In der Wahlmöglichkeit liegt ein ganz besonderer Vorteil gegenüber anderen Versorgungsarten; denn niemand weiß, welche Anforderungen das Schicksal später stellen kann. Für eine neu zu gründende Existenz z. B. kann die Kapitalauszahlung oft von entscheidendem Werte sein.

 

Die private Vorsorge in Gestalt der Lebensversicherung kennt auch Studien- und Aussteuerversicherungen, die — auf das Leben des Vaters abgeschlossen — bei dessen vorzeitigem Tode beitragsfrei weiterlaufen und trotzdem dem Sohn zum vereinbarten Zeitpunkt die volle Versicherungssumme für seine Ausbildung zur Verfügung stellen, bzw. der Tochter die Anschaffung der Aussteuer bei ihrer Heirat ermöglichen. Mit Hilfe dieser mannigfaltigen Vorsorgemöglichkeiten, die erheblich steuerbegünstigt sind, ist jeder verantwortungsvolle Vater in der Lage, seine Familie rechtzeitig vor Not und Sorge zu schützen, denen heute so viele Witwen und Waisen ausgesetzt sind.

 

Seite 4   Todesurkunden für verstorbene Vermisste.

Vom 17. bis 21. Februar haben in Moskau erneute Verhandlungen zwischen den Verbänden des Roten Kreuzes der Sowjetunion und der Sowjetzone mit dem Ziel einer weitgehenden Hilfeleistung bei der Suche nach Verschollenen stattgefunden. Im Laufe der Verhandlungen wurde erstmalig ein Übereinkommen darüber erzielt, dass im Falle einer Feststellung des Todes der gesuchten Personen die Familienangehörigen eine entsprechende Todesurkunde zugestellt erhalten sollen. Es ist nicht ausdrücklich erwähnt worden, ob eine derartige Todesurkunde in analogen Fällen auch Familienangehörige in der Bundesrepublik erhalten sollen, obwohl die Delegation des sowjetzonalen Roten Kreuzes in den Verhandlungen dem sowjetischen Roten Kreuz dafür gedankt hat, dass es nach verschollenen Angehörigen von westdeutschen Staatsbürgern suche.

 

Seite 4   Zuwanderungsüberschuss.

Durch Zuwanderungsüberschuss hat die Zahl der Vertriebenen von 1950 bis Mitte 1956 um rd. 695 000 Personen zugenommen. Doch sind die Vertriebenen nur zu einem sehr kleinen Teil aus den zurzeit unter fremder Verwaltung stehenden Ostgebieten zugezogen. Für die Zeit von 1950 bis Mitte 1955 ergibt sich lediglich ein Zuwanderungsüberschuss von über 27 000 Personen. Im Herbst 1955 begannen sich aber bereits die Bemühungen des Deutschen Roten Kreuzes um eine verstärkte Familienzusammenführung auszuwirken. Daher zeigte sich im Jahre 1955 eine Erhöhung auf 1418 Zuzüge aus den Ostgebieten gegenüber nur 891 Zuzügen im Vorjahre. Im ersten Halbjahr 1956 sind die Zuzüge von Vertriebenen auf nahezu 4700 Personen angewachsen. Am stärksten ist die Wanderungsbilanz der Vertriebenen im Bundesgebiet durch Zuzüge aus Berlin und der sowjetischen Besatzungszone beeinflusst! worden. Im ganzen hier betrachteten Zeitraum wurden über 567 000 Zuzüge aus diesen Gebieten registriert, denen rund 51 000 Fortzüge gegenüberstanden. Daraus ergab sich ein Zuwanderungsüberschuss von rund 516 000, der eine Zunahme der Vertriebenen um 6,8 Prozent verursachte.

 

Zweite Novelle zum 131 er-Gesetz. Benachrichtigungen sollen ausgeschaltet werden.

Das Grundgesetz enthält die Vorschrift, dass die Rechtsverhältnisse der Personen, einschl. der Vertriebenen und Flüchtlinge, die am 08.05.1945 im öffentlichen Dienst standen oder versorgungsberechtigt waren und nicht verwendet oder entsprechend verwendet worden sind bzw. keine oder entsprechende Versorgung mehr erhalten, durch ein Bundesgesetz geregelt werden sollen. Das erlassene Gesetz enthält Härten für alle Betroffenen, die auch durch die Erste Novelle nicht beseitigt worden sind. Es ist eine zweite Novelle vorgesehen. Der von den Fraktionen eingebrachte Antrag ist für alle In Frage kommenden Personen unbefriedigend. Die Interessenverbände haben ihre Vorschläge dem Bundestag überreicht. Es mögen nur einige Anliegen der Vertriebenen herausgegriffen werden.

 

Die Geschädigten verstehen nicht, dass Rechte nicht berücksichtigt werden sollen, weil im Vertreibungsgebiet der öffentliche Dienst, infolge des Systems des Staates, anders geregelt war als im Reich. Es wird auch nicht als gerecht empfunden, Personen auszuschließen, die bei einer Organisation tätig waren, die die Rechte der Deutschen wahrte, was notwendig war, da der Staat in vielen Vertreibungsgebieten gegenüber den Deutschen seinen Pflichten nicht nach kam. Das Problem der unterwertigen Beschäftigung bedarf endlich einer zufriedenstellenden Lösung. Ein jeder Stichtag bringt Ungerechtigkeiten mit sich. Der derzeit gültige Anwesenheitsstichtag, der 03.03.1951, wird als besonders hart empfunden. Eine Verlegung auf den 31 Dezember 1953 wird für unbedingt erforderlich gehalten. Der Begriff Familienzusammenführung bedarf einer Überprüfung. Es muss auch der obersten Dienststelle die Verpflichtung auferlegt werden, in solchen Fällen den Unterhaltsbeitrag in gleicher Höhe wie einen Versorgungsbezug zu gewähren. Rechte der Geschädigten müssen im Gesetz verankert werden. Es geht nicht an, dass Benachteiligungen, die Vertriebene infolge ihres Deutschtums im Vertreibungsgebiet erlitten haben, noch heute Auswirkungen haben. Wie bereits ausgeführt, sind nur einige Anliegen der Vertriebenen an die Novelle herausgegriffen worden.

 

Es wird erwartet, dass die Anliegen ausschließlich nach Grundsätzen der Gerechtigkeit und nicht nach fiskalischen Erwägungen beurteilt werden. Es wird auch erwartet, dass noch dieser Bundestag die Novelle zum G 131 verabschiedet.

 

Seite 4   Hohe Geburtenziffer der Vertriebenen.

Zu Beginn des Jahre 1950 hatten die Vertriebenen mit 7,624 Millionen Personen einen Anteil von 16,2 Prozent der Wohnbevölkerung des Bundesgebietes. Bis zum 30. Juni 1956 war ihre Zahl um 1,223 Millionen Personen auf rd. 8,847 Millionen gestiegen; ihr Anteil an der Wohnbevölkerung hatte sich damit auf 17,5 Prozent erhöht. Das Statistische Bundesamt führt diese Zunahme der Vertriebenen zu 57 Prozent auf den Zuwanderungsüberschuss und zu 43 Prozent auf den Geburtenüberschuss zurück. Im Allgemeinen hatten die Vertriebenen eine beträchtlich höhere Geburtenhäufigkeit als die übrige Bevölkerung. So betrug im Durchschnitt der Jahre 1950 bis 1955 die Geburtenziffer (Zahl der Lebendgeborenen auf tausend Einwohner im Jahr) der Vertriebenen 17,8, während die der übrigen Bevölkerung schätzungsweise 15,0 ausmachte. Dies ist auf den günstigeren Altersaufbau bei den Vertriebenen zurückzuführen, was sich auch auf die Sterbeziffer (Zahl der Gestorbenen auf tausend Einwohner im Jahr) auswirkt, die im Durchschnitt der gesamten Jahre mit 7,9 erheblich niedriger als die der übrigen Bevölkerung war, bei der sie 11,9 betrug.

 

Neue Zweimarkstücke.

Die neuen Zweimarkstücke kommen in diesem Jahr in den Verkehr. Wie es vom Bundesfinanzministerium heißt, kann bald mit dem Beginn des Umtauschs der zurzeit noch im Verkehr befindlichen Zweimarkstücke gerechnet werden.

 

Seite 4   Wichtige Neuerscheinungen.

Das Bundesvertriebenengesetz vom 19. Mai 1953. Kommentar von Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Werner Kopp, Berlin (Aschendorffs Juristische Handbücherei, Band 57). Aschendorff, Münster. IV und 161 Selten. Kart. 9,80 DM, Hex. geb. 10,50 DM.

 

Das BVFG gehört nach wie vor zu den wichtigsten Gesetzen der letzten Jahre. Der vorliegende Kommentar hat den Vorzug, dass er auf Grund der einschlägigen Rechtsprechung die Entwicklung zeigt, die das Gesetz durch die praktische Anwendung gefunden hat. Bekanntlich können die Rechtsmaterialien nicht alle Fragen bringen, die sich erst in der Praxis ergeben. Aus diesem Grunde ist die Verwertung und Verarbeitung der Rechtsprechung besonders begrüßenswert.

 

Besonders eingehend ist die Rechtsprechung zu §3 BVFG gebracht, also zur wichtigen Frage der besonderen unverschuldeten politischen Zwangslage, die übrigens auch bei der Gleichstellung nach § 7 G 131 eine Rolle spielt. Die in den Entscheidungen gebrachten Beispiele bieten wichtige Anhaltspunkte für entsprechende Fälle. Die wesentlichen Erlasse und Richtlinien zum Gesetz vervollständigen das Werk, dessen Gebrauch ein alphabetisches Sachregister erleichtert. Für die Verwaltungsbehörden (z. B. Landräte, Bezirksämter), ordentliche Gerichte. Verwaltungsgerichte und Flüchtlingsorganisationen sowie Rechtsanwälte ist der Kommentar ein wertvolles Hilfsmittel.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 4, April 1957.

Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,

sie säuseln und weben Tag und Nacht,

sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muss sich alles, alles wenden.

 

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,

man weiß nicht, was noch werden mag,

das Blühen will nicht enden;

es blüht das fernste, tiefste Tal:

nun, armes Herz, vergiss die Qual!

Nun muss sich alles, alles wenden.

Ludwig Uhland

 

Seite 5   Der Schritt über die Schwelle. Den Schulentlassenen auf den Weg ins Leben.

Was wollt ihr werden? Wenn ich an euch diese Frage richte, so glaubt nicht, dass mir daran gelegen wäre, zu erfahre, ob ihr euch zu Rechtsanwälten oder Staatsdienern, Kaufleuten oder Ingenieuren ausbilden wollt. Die Gesellschaft braucht tüchtige Menschen auf jedem Gebiet. Wenn ich euch frage, was ihr werden wollt, meine ich, ob ihr euch darüber — nicht etwa klargeworden seid (denn Klarheit ist Weisheit, und Weisheit will und muss von euch erst errungen und erlebt werden), sondern ob ihr euch darüber schon zur Rede gestellt habt, was das Ziel, die Aufgabe eines Menschen in der Welt sei, der er durch Geburt, das ist Abkunft, und Erziehung, das ist Gewöhnung, angehört.

 

Der Mensch kommt ungefragt in die Welt, ungefragt, ob es ihm recht sei, in ihr aufzuwachsen aus dem Traum des Jenseits. Aber er kommt nicht ohne Sinn und Bedeutung in die Welt. Alles in der Welt hat Sinn und Bedeutung im Zusammenhang des Ganzen. Zu verstehen ist dieser Sinn nicht immer. Aber dass ihn unser Verstand nicht fassen kann, macht ihn nicht hinfällig. Viele ahnen ihn nicht.

 

Manche wissen ihn. Seit jeher ist das so gewesen und wird es so sein, solange die Welt besteht. Das soll uns nicht beunruhigen. Es kommt an jeden ein Augenblick, da er den Zusammenhang des Alls empfindet. Inzwischen hat er an seinem Platz ihn schaffend auszudrücken!

 

Doch nicht von diesem Dasein ist die Rede, wenn sich der einzelne die Frage stellt, was er in der Welt zu tun habe. Mit sich selbst ist er allein, sich allein gegenüber, wenn diese Frage in ihm laut wird. Und dass sie laut werde, in jedem einzelnen, ist nicht nur ersprießlich, sondern notwendig. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Das heißt, der Mensch hat nicht nur einen Beruf, er hat auch ein Ziel, eine Aufgabe, und diese Aufgabe muss er erkennen, damit er sie nicht verzögere, gar versäume. — Die Aufgabe, das Ziel, aber ist er selbst Jeder Mensch ist sich selbst Aufgabe und Ziel. Das heißt, dass jeder Mensch mit allen Kräften seiner Seele danach streben muss, sein Wesen, den Inhalt seines Seins, zum Ausdruck zu bringen, mit einem Wort: wahr zu sein. Das ist die Aufgabe des Menschen.

 

Wenn ich euch frage: Was wollt ihr werden? so möchte ich von euch, gerade jetzt, in dieser unwahrhaftigen Welt des Scheins, in dieser bösen, armen, unseligen Welt der blinden Vernunft, die überzeugte Antwort hören: wahrhaftige Menschen. Der Mensch ist wahr, wenn er wahrhaftig zu sein begehrt, danach ringt, der Lüge sich zu entschlagen, alles von sich abzutun, was an sie, den Erbfeind unseres Geschlechts, gemahnt: Eitelkeit, Selbsttäuschung, Feigheit.

 

Junge Menschen, trachtet mit allen Kräften eurer noch ungebeugten Seele danach, wahrhaftig zu sein, und ihr werdet werden, was eure Aufgabe ist: wahre Menschen.

Richard von Schaukat

 

Seite 5   Wie schmücken wir den Ostertisch.

Liebe Bastelfreunde!

Dass Euch die kleine Spielerei in der letzten „Kogge“ mächtig viel Spaß gemacht hat, ist uns von mehreren Seiten bestätigt worden. Gelegentlich auch davon wieder etwas. Heute aber — denn es ist keine Zeit mehr zu verlieren — geht es wieder ans Basteln. Das Thema heißt Ostern!

 

Zu den schönen Osterbräuchen gehört auch der festlich gedeckte Tisch. Dass ihr dazu wesentlich beitragen könnt, mögen euch die nachstehenden Anregungen zeigen.

 

Da sind zunächst die kleinen Vasen aus Eierschalen für die ersten Schneeglöckchen oder Himmelsschlüsselchen. Den Ständer schneiden wir nach Figur 1(abgebildete Anleitung) aus dünner Pappe zu. Er besteht aus einer runden Scheibe, in welche wir mit dem Taschenmesser ein Sechseck einritzen. Die Verbindungslinien von Spitze zu Spitze werden durchschnitten und die kleinen Dreiecke hochgebogen. Der fertige Ständer wird grün gestrichen. — Originell sind auch die aus einem 2 cm breiten, braunen Papierstreifen geknifften und an Kopf, Ohr und Schwanz geklebten Häslein. Unsere Abbildung zeigt die Einteilung des 47,5 cm langen Streifens: Teil a bildet den Kopf, die Teile b das Ohr, c den Rücken, d das Schwänzchen und e die Unterseite.

 

Viel Freude bereiten die als Köpfe verkleideten — gekochten Eier. Für das Bauernmädel und den Seppl wählen wir bräunliche Eier und malen Augen, Mund und rote Bäckchen auf. Beim Bauernmädel sind die Zöpfe aus braunen Garnresten geflochten, mit Schleifchen versehen und oben an das Ei geklebt. Das Dreiecktuch aus bunt bedrucktem Seidenpapier misst an den kürzeren Seiten je 18 cm, an der langen Seite 29 cm. Es wird hinten zusammengerafft und so festgeklebt, dass die Enden seitlich hervorschauen. Für den als Ständer dienenden Kragen brauchen wir steifes, weißes Papier. Nachdem wir den Kragen nach Fig. II (Hälfte) naturgroß ausgeschnitten haben, kleben wir die Ränder aufeinander und malen vorn 2 Knöpfchen auf. Für Seppls Frisur nehmen wir einen 4 X 38 cm großen, gelben Seidenpapierstreifen, legen ihn in seiner Länge vierteilig zusammen und schneiden ihn schmalstreifig ein, so dass der obere, um das Ei zu klebende Rand, noch zusammenhängend ist. Für den grünen Hut schneiden wir aus einem 8 cm großen Rund ein Viertel heraus und kleben die Schnittkanten aufeinander. Ein schwarzer Ring deutet das Hutband, ein Stück braunes Seidenpapier, schmalstreifig eingeschnitten, zusammengedreht und durch ein kleines Loch in den Hut gesteckt, den Gemsbart an. Der Ständer ist der gleiche wie beim Bauernmädel.

 

Viel Spaß bei der Arbeit! Und recht frohe Ostern (beim selbstgeschmückten Tisch natürlich!).

 

Seite 5   Für unsere Leseratten.

Liebe Leseratten!

Bitte, nicht böse sein, dass ihr in der letzten „Kogge" leer ausgegangen seid. Ihr sollt dafür heute reichlich entschädigt werden: Eine ganze Kiste schöner Ostereier haben wir für euch bereit.

 

Da haben wir zunächst für unsere jüngsten Mitfahrer ein wirklich empfehlenswertes neues Märchenbuch, genannt:

 

Kunterbunte Märchenstunde. Von Marianne Kaindl. Franz Schneider Verlag, München. 80 S. Fester farbiger Glanzeinband DM 3--.

 

Was da für Schätze aus Großmutters Schreibtisch zum Vorschein kommen: Muscheln, Puppen, Hefte und vieles andere mehr. Michel und seine beiden Schwestern kommen nicht aus dem Staunen heraus, und zu jedem Ding weiß die Großmutter eine wunderschöne Geschichte zu erzählen. Sie werden sicher auch euch große Freude machen. (Für Jungen und Mädchen von 6 bis 8 J.).

 

Wer ein Freund der schönen Schneider-Bücher ist, kennt sicher auch die spannungs- und erlebnisreichen Försterhaus-Bände von Erich Kloss. Soeben erschien nun ein neues Försterbuch aus der Feder dieses Verfassers:

 

Erich Kloss: Beim Förster im Hochgebirge. Franz Schneider-Verlag, München. 128 S. Fester farbiger Glanzeinband DM 3,80.

 

Diesmal sind es die Alpen mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt, die den Leser in ihren Bann ziehen. Staunend sehen Gerhard und Ingrid die steilen Hänge und Felswände, an denen der Förster Gemsen und Adler belauscht. Sie entdecken die scheuen Murmeltiere vor ihrem Bau, angeln im kristallklaren Gebirgsbach Forellen und steigen selbst mit der Bergwacht auf Gipfel. Wer zu schauen und zu lauschen versteht, dem erschließt sich hier eine großartige, wunderbare Welt! (Für Jungen und Mädchen von 8 bis 12 J.)

 

Und hier der neue Band der Baken-Bücherei, eine Buchreihe für Jungen, denen See und Seefahrt am Herzen liegt (und welcher Junge macht da eine Ausnahme!):

 

Hans Heitmann: Der Deich vor Horsbüll. Baken-Verlag, Hamburg. 112 S., Hln. DM 4,20, Kart. m. Leinenfalz DM 2,70.

 

Thema dieser Erzählung ist der Deichbau für den neuen Koog südlich des Hindenburgdammes in Nordfriesland. Ein kühnes Unternehmen, das seinen Mann verlangt, ein Kampf mit dem unberechenbaren Element, das in einer Nacht monatelange Arbeit auszulöschen vermag. Wie sie es schaffen, dennoch schaffen, wie sie der See wertvolles Ackerland abtrotzen, das schildert uns Hans Heitmann in seiner spannungsreichen Erzählung.

 

Und hier eine besondere Überraschung: eine Erzählung, die in die ferne Geschichte unserer Heimat führt, in die hohe Zeit des Deutschen Ritterordens:

 

Ernst Joseph Görlich: Aufstand im Ordensland, Würzburg. 169 S., Hln. DM 5,80. Arena-Verlag, Würzburg. 169 S., Hln. DM 5,80.

 

Eine atemberaubende Erzählung, fesselnd, packend, mitreißend; man muss sie in einem Zuge lesen. Bilder der Vergangenheit werden mit einer Eindringlichkeit beschworen, die kaum ihresgleichen hat. Da sind die aufständischen Prussen, der Häuptling Saiko, der Götzenpriester Kriwe, da sind die Ritter des Deutschordens, Riesige aus aller Herren Ländern, da eilt der Böhmenkönig Ottokar mit Heeresmacht dem Orden zu Hilfe. Auf den Hintergrund einer großen geschichtsreichen Zeit zeichnet der Verfasser seine lebensvollen Gestalten, erzählt er uns die Geschichte des jungen Walther von Landesehr. Er lebt als Sklave unter den Aufständischen, er reitet mit Saiko gegen die Feinde und empfängt als höchste Auszeichnung den weißen Mantel mit dem schwarzen Kreuz der Brüder vom Deutschen Hause. Ein Buch, das wir gern euch allen in die Hände geben möchten.

 

Und nun möchten wir euch noch auf eine Sammlung von Sagen und wundersamen Geschichten aus Ostpreußen aufmerksam machen:

 

Die Memelhexe. Von Erich von Lojewski. Buchverlag Heinrich Möller Söhne, Rendsburg. 103 S., Ln. DM 1,80, kart. DM 3,80.

 

In Sagen und Geschichten, wie sie sich das Volk durch die Jahrhunderte erzählte: an den langen Winterabenden, in den Spinnstuben — ersteht das Bild der Heimat, Schicksal und Geschichte des Landes, Glaube und Aberglaube der Väter, Geheimnisse und Wunder, Kobolde und Feen. Die Sagen sind wie ein Kranz um die Stirnen der Völker gewunden, wie eine Krone, und je mehr Edelsteine in ihr funkeln, umso reicher darf es sich dünken. In funkelndem Glanz bietet sich die Krone unserer Heimat, das erfahren wir beglückend bei der Lektüre dieser Sammlung. Macht sie auch euch zu eigen, dass sie wieder unter uns leben, dass sie wieder von Mund zu Mund gehen wie durch die Generationen vor uns.

 

So und nun kann es an den Wunschzettel für Ostern gehen! Wir wünschen euch was! Gert und Ute

 

 

Seite 5   Briefmarkenecke.

Briefmarken erzählen.

Heute wieder — wie versprochen — der Hinweis auf eine schöne Briefmarke aus unserem Sammelgebiet (Abbildung). Sie zeigt uns den Dampfer „Tannenberg", eines der stolzen Schiffe der weißen Flotte des Seedienstes Ostpreußen. Sie wurde in jener Zeit geschaffen, als unsere Heimat Ostpreußen eine Insel war, getrennt durch das durch den Versailler Vertrag an Polen gefallene sogenannte „Korridor"-Gebiet von dem Mutterland. Mit den Schiffen des Seedienstes kamen jährlich Tausende von Besuchern aus dem Reich in unsere Heimat, erfreuten sich an ihren landschaftlichen Schönheiten und suchten Erholung in den Fischerdörfern der Nehrung und des Samlandes und in der Einsamkeit der Wälder Masurens.

 

Dies alles erzählt dir diese kleine Briefmarke.

 

Seite 5   Wappen der Heimat. (Abbildungen)

Elbing. Graudens

 

Seite 6  Gedenkblatt des Monats. Erich von Drygalski.

Ein niederdeutscher Vorfahre der altostpreußischen Familie Drygalski, Martin Drigal, gründete 1438 bei der Besiedlung der preußischen „Wildnis" den nach ihm benannten Ort Drigelsdorf im masurischen Kreis Johannisburg. Die Familie, welche 1798 in den Adelsstand erhoben wurde, brachte zahlreiche Geistliche, Ärzte und Pädagogen hervor.

 

Der spätere Polarforscher und Meeresgeograph Erich von Drygalski wurde am 9. Februar in Königsberg/Pr. geboren. Es war das Eis, nicht das der langen Winter seiner „kalten Heimat", sondern das der Arktis und Antarktis, welches den jungen Forscher besonders anzog. Auf zwei Grönlandreisen sammelte er Erfahrungen über die arktischen Meeresströmungen und qualifizierte sich für die Leitung der deutschen Südpolar-Expedition von 1901/1903. Die deutschen Forscher entdeckten das „Kaiser-Wilhelm-Land" und überwinterten im Eisgürtel. Die Neujahrsnacht 1903 beging der Ostpreuße mit der Besatzung seines Expeditionsschiffes „Gauß" inmitten des ewigen Eises, das sein Schiff 14 Monate lang fest umklammerte. Als der Forscher nach 2 ¼ Jahren in seine Heimatstadt Königsberg mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute heimkehrte, brachte er den Polarhund Wolf mit, der seine Tage im Königsberger Tiergarten beschloss.

 

Die Ergebnisse der Südpol-Expedition wurden in 20 Bänden und zwei Atlanten veröffentlicht. Drygalski, seit 1906 Professor für Geographie in München, wurde mit internationalen Ehrungen überhäuft. Er blieb seiner Heimat ein treuer Sohn, der sich nach 1933 unbeugsam gegen alle Knebelungsversuche der Wissenschaft wandte. Als der 84-jährige am 10. Januar 1949 seine Augen schloss, betrauerte die Wissenschaft eine über ragende Persönlichkeit.

 

Seite 6   Aus Bund und Gruppen.

Kulturwoche in Marburg.

Die Kulturwoche der DJO ist für die Zeit vom 23. bis 28. April, also in der Woche nach Ostern, in Marburg vorgesehen. Neben internen Tagungen zur Fest- und Feiergestaltung und zur tieferen Verankerung der Kulturpflege im Gesamtbund werden wir auch mit einigen Veranstaltungen an die Öffentlichkeit treten. Unter anderem mit einem Dichterabend und mit der Festsitzung in der Aula der Universität. Karten für die verschiedenen Veranstaltungen sind bei den Landesführungen erhältlich.

 

Als Gast an der Kulturwoche wird die Gruppe der Ladoga-Karelischen Jugend aus Finnland, die einen Besuch unserer Südmährischen Spielschar erwidert, teilnehmen.

 

Im Rahmen der Kulturtage unseres Bundes wird auch eine Singwoche in vier Arbeitsgruppen abgehalten (Nordostdeutsche, Schlesier, Sudetendeutsche, Südostgruppe). Chor- und Singeleiter mögen sich bitte unverbindlich über die Landesgruppen der DJO anmelden.

 

Jungenschaftszeitschrift „Fahne und Zelt".

Mit Wirkung vom Januar 1957 erscheinen die von der Bundesführung herausgegebenen Jungenschaftsblätter „Fahne und Zelt" als Beilage der Bundeszeitschrift „Der Pfeil". Diese Beilage kann auch gesondert zum Einzelpreis von 20 Pfg. bezogen werden. Bestellungen an: Der Pfeil, Hameln/Weser, Bürenstr. 2.

 

Seite 6   Interessantes aus der alten Heimat.

IV. Von Marzipan und Haselnüssen.

Ostpreußen war bekanntlich seit jeher das Land des Marzipans. Nirgends wurde so viel von diesem süßen Gebäck hergestellt und gegessen wie dort. Und Königsberger und Tilsiter Konditoreien hatten vor dem Kriege um die Weihnachtszeit einen regelrechten Export in Marzipan, sogar nach Übersee einschl. Japan. Nach der Überlieferung soll das Marzipan bei uns auf folgende Weise entstanden sein: Als Anno 1404 nach etlichen Missernten das Volk hungerte, buk man aus gemahlenem Heu, Borke und Gras ein Brot. Dieses Hungerbrot nannte die Geistlichkeit, um es schmackhafter zu machen, marci panis, also Brot des Marcus, denn der Evangelist Marcus soll ja Schutzheiliger der Hungernden gewesen sein. 1410 war dann wieder eine so überreiche Ernte, dass man zur Erinnerung sowie Marcus zu Dank süßes Backwerk in Form kleiner Brote aus gestoßenen Mandeln, Zucker und Gewürz verfertigte, die auch marci panis genannt wurden. Im Volksmunde wurde dieses Wort bald verdeutscht und einfach Marzipan genannt, da sich dies bequemer aussprechen ließ.

 

Bei uns in Ostpreußen war das Marzipan in Herzform sehr beliebt, besonders an den hohen Festtagen.

 

Neben anderen Leckereien gehörten in Ostpreußen unbedingt auch Haselnüsse auf die Geschenkteller. Es ist aber wohl ganz unbekannt, dass Tilsit — berühmt durch seinen Käse und den Frieden von 1807 — vor Jahrhunderten einen schwunghaften Handel trieb mit — Haselnüssen. Unvorstellbare Mengen wurden damals in der ländlichen Umgebung geerntet, so dass manche Tilsiter Bürger bis zu 100 Tonnen Nüsse auf dem Land- und hauptsächlich auf dem Wasserwege nach Königsberg, Polen, Böhmen und noch weiter verschickten. Beispielsweise verkaufte der damalige Tilsiter Bürgermeister Erasmus Grosse in einem Jahre 100 Last je 12 Tonnen Haselnüsse nach Königsberg, die Tonne für drei Gulden, also im Ganzen für 3600 Gulden.

 

Jetzt Jugendherbergsausweise besorgen.

Die Jugendherbergen erwarten ihre Gäste, denn bald beginnt die Wanderzeit. Was aber braucht ein Wanderer als erstes? Einen gültigen JH-Ausweis, denn ohne JH-Ausweis mit der Jahresmarke 1957 wird kein Wanderer in einer Jugendherberge aufgenommen. Als zweites braucht der Wanderer ein „Verzeichnis 1957 der deutschen Jugendherbergen im Bundesgebiet", in dem sämtliche zur Zeit verfügbaren Jugendherbergen mit allen näheren Einzelheiten angegeben sind. Als drittes aber braucht der JH-Wanderer einen Schlafsack aus weißem Nessel oder Leinen, denn ohne solchen Schlafsack darf niemand in einer Jugendherberge übernachten. Die Anschriften der Ausgabe- bzw. Verkaufsstellen für Ausweise und Schlafsäcke findet man im JH-Verzeichnis. Es ist zu beziehen in allen Buchhandlungen und Reisebüros

 

Seite 6   Der Topich / Eine Sage aus Masuren.

In den Gewässern Masurens wohnt ein böser Geist — der Topich. Er ist nicht größer als ein sechsjähriger Junge, hat langes Haar, kurze Arme und Beine. Sein Körper ist plump und schwer. Auf dem Kopfe trägt er bisweilen ein rotes Käppchen. Er lebt auf dem Grunde des Sees. Seine Nahrung besteht aus Fischen und Kraut.

 

Es ist gefährlich, einem Topich zu begegnen. Wenn er sich einmal im Wasser oder am Ufer des Sees zeigt, dann muss man schon damit rechnen, dass jemand in diesem Gewässer ertrinken wird, denn der Topich will regelmäßig sein Opfer haben.

 

Mit Vorliebe zeigt er sich kleinen Kindern, doch scheut er sich auch vor Erwachsenen nicht; nur Greise meidet er.

 

Um seine Opfer anzulocken, hängt er an Bäumen oder Hecken bunte Kleider auf, sei es ein Tuch, eine Mütze oder sonst was Begehrenswertes. Greift ein Ahnungsloser danach, packt der Topich hinterrücks zu und zieht ihn in den See. Da hilft kein Zaudern oder sich losreißen mehr, denn dieser kleine Seegeist verfügt über erstaunliche Kräfte in seinen kurzen Armen.

 

Ein Gewässer, in dem der Topich haust, ist der Gr.-Gablicker See. Hat er sein Opfer schon lange nicht bekommen, hört man ihn im Wasser schreien und klagen; bisweilen lacht er auch. Und das tut er nur, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu lenken. Viele glauben dann, ein Ertrinkender ringe mit dem Tode, und sie versuchen, ihn zu retten. Erbarmungslos zieht dann der Topich jeden in die Tiefe.

 

Einige Leute wollen deutlich die Worte vernommen haben:

 

„Die Stunde ist nah,

das Opfer ist da“.

 

Wem es bestimmt ist, dem Topich zu unterliegen, den treibt es unwiderstehlich in die Nähe des Sees, in dem der Wassergeist seine Wohnung hat. Er behält aber keinen Toten bei sich, sondern lässt ihn wieder an den Rand des Sees treiben. Auch Badenden erscheint er häufig; ja, er wagt sich sogar an Angler heran, zieht ihre Boote bis auf die Mitte des Sees und kippt sie um.

(Aus „Die Memelhexe", Sagen und wundersame Geschichten aus Ostpreußen. Verlag H. Möller Söhne, Rendsburg.)

 

Der Buttermilchturm zu Marienburg.

Unter den Ansiedlern, die zur Zeit des Deutschen Ritterordens nach Preußen kamen, zeichneten sich die Bewohner des Dorfes Lichtenau durch Schwelgerei, Übermut und Trotz gegen die Obrigkeit aus.

 

Den ganzen Tag saßen sie im Dorfkrug und ersannen allerlei böse Streiche, die sie mit großer Frechheit ausführten.

 

Einst kam der Komtur von Neuteich mit vier Ordensknechten nach Lichtenau, um über die Bauern, die wieder eine Freveltat begangen hatten, Gericht zu halten. Die Bauern nahmen ihn aber gefangen und hängten ihn an seinem langen Bart an der Tür der Dorfschenke auf. Nun sollte sie aber die Strafe für ihre schändlichen Taten ereilen; denn die Ordensknechte entflohen nach Marienburg und berichteten dem Hochmeister alles, was in Lichtenau geschehen war. Dieser schickte sogleich eine Schar Bewaffneter, um den Komtur zu befreien. Die Bauern, die noch alle im Kruge saßen, ließ er gefangen nehmen und nach Marienburg in den Kerker bringen.

 

Als sie längere Zeit bei Wasser und Brot im finsteren Burgverlies gesessen hatten, kamen sie zur Besinnung und bereuten ihre bösen Taten. Da verzieh ihnen der Hochmeister, und sie erhielten ihre Freiheit wieder; doch mussten sie zur Sühne für ihr Vergehen einen Turm bauen und bei der Mischung des Mörtels Buttermilch statt Wasser nehmen. Deshalb heißt der Turm noch heute der Buttermilchturm, und sein Mörtel ist noch heute fest wie Eisen.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Workitzki. 13. Fortsetzung.

Und wieder flüsterte es: „Kannst du laufen?"

 

„Ja", nickte Wolf. Er wusste zwar nicht, wie es gehen würde, aber es musste eben gehen. Und es ging! Sie rutschten vorsichtig den steilen Hang hinunter, der im Dunkel lag. Dann schlichen sie dem Wald zu. Wolf litt schwer und musste alle Kraft zusammenreißen, um mitzukommen. Doch erreichten sie glücklich ihr Ziel.

 

Wolf war im Innersten ergriffen, und Wolfson war selig.

 

Sie hielten sich noch mehrere Tage in dem heiligen Walde versteckt, denn Wolf bedurfte dringend der Ruhe, um frische Kräfte für den anstrengenden Rückmarsch zu sammeln. Von den Sudauern blieben sie unbehelligt. Sie merkten wohl, dass spähende Augen ringsum lauerten. Aber niemand wagte es, Perkunos, des furchtbaren Gottes, Heiligtum zu betreten.

 

In einer stockdunklen Nacht unternahmen dann die Struter den Durchbruch. Er gelang, und wohlbehalten kamen sie in Unsatrapes Lager an.

 

Der Komtur von Bartenstein, Herr Ludolf von Wildenau, hatte auf Befehl des Landmeisters eine kleine Streitmacht zusammengezogen und lagerte bei dem Wartshaus an der Roduppe. Er selbst saß in dem kleinen Wohngemach Herrn Henkes und schaute missvergnügt zum Fenster hinaus. Der Wartsmann hatte ihm alles berichtet, was er von Wolfs Gefangennahme und Befreiung erfahren hatte. Aber dem Komtur behagte es wenig, dass er hier untätig sitzen und auf den Struter warten sollte. Viel lieber wäre er sofort aufgebrochen, um den Sudauer bei der Kehle zu packen. Jedoch wusste er, dass das nicht ungefährlich war, und dann war ja auch die klare Weisung des Landmeisters da, der selbst er, der Herr Komtur, unbedingt zu gehorchen hatte. Also hieß es, sich fügen und warten.

 

Und er wartete. Aber nicht lange sollte ihn die Ungeduld peinigen. Am dritten Tage schon, es war noch am frühen Morgen, riss Herr Henke die Tür auf.

 

„Wolf ist da!"

 

In den Komtur kam Leben. Gespannt blickte er dem Kommenden entgegen. Er hörte noch, wie draußen eine tiefe Stimme sprach: „Ich bitte Euch, Henke, lasst mich mit dem Herrn Komtur allein!" Dann betrat der Struter das Gemach.

 

Herr von Wildenau hatte sich von seinem Stuhl langsam erhoben. Seine Hände umkrampften die Lehne, seine Augen weiteten sich in unsicherem Staunen, dann stieß er stammelnd vor Überraschung hervor: „Bruder Meinard!"

 

Wolf begegnete ihm mit ruhigem, ernstem Blick: „Es gibt keinen Bruder Meinard. Auch Meinard von Leuen ist tot. Ich bin Wolf, der Struter“.

 

„Aber so sagt mir doch …“

 

Der Komtur versuchte es noch einmal mit einer Frage. Aber als er in Wolfs festes, verschlossenes Gesicht sah, gab er es auf. Zwar schüttelte er den Kopf und murmelte Unverständliches vor sich hin, als er sich wieder in seinen Stuhl fallen ließ. Dann aber saß er aufrecht da, legte die Hände flach vor sich auf die Tischkante, und seine Augen blickten kühl und bestimmt zu dem Struter auf: „Berichtet!"

 

Wolf berichtete. Knapp, sachlich, mit wenigen Worten. Danach folgte eine kurze Beratung. Der Komtur erhob sich und reichte Wolf die Hand. Und die Hände sagten sich nun doch, was den Zügen auszusprechen nicht erlaubt war.

 

Einen Boten entsandte der Komtur noch am gleichen Morgen zum Landmeister, dann gab er Befehl zum Aufbruch. Er hatte sich bereitwillig davon überzeugen lassen, dass der günstigste Augenblick zum Angriff gekommen war und unverzüglich ausgenutzt werden müsste. Was vorher so oft ein großes Heer nicht erreicht hatte, das mochte jetzt wohl selbst einer kleinen Streitmacht gelingen. Wie lähmend musste der Tod des Kriwe auf das sudauische Volk wirken, wenn selbst Skomand unter dem Schlag zusammenbrach und den Frieden suchte. So rückte denn der Komtur in Eilmärschen durch die Wildnis und fiel in das Sudauerland ein. Wolf, Wolfson und Unsatrape mit seiner Bande hatten sich ihm angeschlossen. Die Struter zogen als Späher voraus und schwärmten zu beiden Seiten der marschierenden Truppe. Das war dem Komtur eine willkommene Sicherung.

 

Skomand hatte inzwischen die Ältesten des Stammes auf seine Burg versammelt, um mit ihnen Rats zu pflegen. Nur Weniges und doch Schweres hatte er ihnen zu sagen: Die Götter haben uns verlassen! Das Wort gab dem Laut, was in allen Herzen heimlich saß, an ihnen nagte und sie zermürbte. So stimmten sie ihrem Führer zu, als er ihnen vorschlug, mit dem Orden Frieden zu schließen. Nur einige wenige glaubten, bis zum bitteren Ende trotzen zu sollen.

 

Doch nicht bedingungslos gedachte Skomand sich dem Orden zu unterwerfen. Den Kampf wollte er wohl vermeiden, aber doch dem Gegner noch einmal seine ganze Macht vor Augen führen, um ihn gefügiger zu machen.

 

Es war zu spät. Die Struter schlugen ihm auch diese letzte Waffe aus der Hand. Überall an der ganzen langen Grenze erhoben ihre Banden das Kriegsgeschrei, blitzschnell stießen sie vor und wichen ebenso rasch wieder in die Wildnis zurück, wenn eine überlegene Schar ihnen entgegentrat. Glänzend bewährte sich ihr tollkühnes Draufgängertum, als es jetzt nach einheitlichem Plan angesetzt war. Sie hatten sich in den Feind verbissen, wie die Hunde in das Fell des Bären und waren nicht abzuschütteln. So wurde es dem Fürsten unmöglich gemacht, seine Streitmacht zu vereinigen und dem Komtur entgegen zu rücken. Er raffte daher zusammen, was in der Eile zu erreichen war, und warf sich in seine feste Burg. Wenige Tage darauf flatterte das Ordensbanner vor ihrem Tor.

 

Skomand stand auf dem hohen Wall und blickte auf das rege Treiben herab, das den Burghügel umbrandete. Der Komtur stellte seine Streitmacht zum Sturm auf. Mit Befriedigung vermerkte Skomand, dass sie nicht groß war. Und die Versuchung überkam ihn, den Widerstand doch zu wagen. Er schaute sich um. Da standen alle seine Mannen auf dem Wall, dicht gedrängt, um dem Feind zu zeigen, dass die Feste gut besetzt und kampfbereit war. Die Bogen drohten schussbereit und die Speerspitzen blitzten über dem schützenden Pfahlwerk. Aber sogleich, wie um den Gedanken zu verscheuchen, schlug Skomand mit müder Handbewegung durch die Luft: die Götter haben uns verlassen! Auch das ist zu spät. Widerstand konnte einen Aufschub erzwingen, nicht mehr, und forderte nur Blut, viel kostbares Blut. Jetzt galt nur noch eines: den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um den Friedensboten hinauszusenden und den Komtur zu Verhandlungen zu laden.

 

Doch der kam ihm zuvor. Der schrille Ton einer Trompete rief die Burg von unten her an, und ein weißes Tuch wurde geschwenkt. Dann lösten sich zwei Männer aus dem Haufen, der sich dicht an den Fuß des Hügels gedrängt hatte, und kamen unbewaffnet den steilen Weg zur Burg hinan. Der Fürst wandte sich. Er befahl seinen Leuten, das Tor zu öffnen und schritt seinem Hause zu. Umgeben von seinen Ältesten erwartete er, unter der Vorlaube stehend, die Unterhändler.

 

Als sie den Burghof betraten, schlug ihnen aus tausend Augen eine Glutwelle tödlichen Hasses entgegen. Sie aber setzten ihren Weg ruhig fort, bis sie vor Skomand standen. Der vermochte mit Mühe nur einen Ausruf des Staunens zu unterdrücken: „Wolf!"

 

Wolf hatte ihn doch gehört und nickte: „Ja, Wolf, der Wolf der Wildnis!"

 

Ein Wogen und Murren ging über die Menge hin, die atemlos gelauscht hatte.

 

Skomands Blick aber traf den Struter wie ein Blitz: „Du wagst es, in deinen Kerker zurückzukehren?"

 

„Nicht nach meinem Kerker verlangt mich", entgegnete Wolf. „Ich bringe den Frieden, den du suchst, Fürst Skomand“.

 

Skomand reckte sich stolz auf: „Ich suche nicht den Frieden, ich biete ihn euch!"

 

„Müßig ist der Streit der Worte. So frage ich dich: Willst du den Frieden aus der Hand des Landmeisters?"

 

„Und ich frage dich, wollt ihr den Frieden um diesen Preis: Freiheit und gleiches Recht? Die Wildnis mag uns für alle Zeiten scheiden“.

 

Wolf schüttelte den Kopf: „Der Landmeister fordert, dass du dich Christus und dem Orden unterwirfst und dich mit deinem ganzen Volk taufen lassest“.

 

Wiederum wurde die Menge unruhig, aber Skomand schwieg und blickte finster vor sich hin.

 

„Willst du, Fürst Skomand", fuhr Wolf fort, „die letzten deines Volkes nutzlos opfern? Von allen Seiten brechen unsere Krieger in dein Land. Ein weit größeres Heer als das, das du da unten siehst, von dem Landmeister selbst geführt, folgt uns auf dem Fuße. Da magst uns einige Tage widerstehen können, nicht mehr, dann ist auch deine Burg in unserer Hand. Und darum willst du alle diese hier sterben lassen? Ich weiß, tapfer seid ihr und kennt die Furcht vor dem Tode nicht. Aber wer siegen will, muss daran glauben. Frage deine Männer, Fürst Skomand, frage sie, Mann für Mann, und du wirst keinen finden, der noch an euren Sieg glaubt“.

 

Immer noch schwieg Skomand, und auch in der Menge war es still geworden. Die Worte des Struters ließen viele den Blick zu Boden senken, um die Zustimmung nicht zu verraten.

 

Da hob Wolfs Begleiter die Arme hoch und wies die Hände, in deren Flächen die Narbenmale rot leuchteten.

 

„Sudauer, hört mich an! Ich bin Unsatrape, den ihr ans Kreuz schlugt, aber Christus mein Herr, hat mich errettet. Es gibt nur einen Gott im Himmel und auf Erden, und Christus ist sein einziger Sohn. Folget seinem Wort, und er wird euch erretten von Tod und Verdammnis." (Fortsetzung folgt)

 

Seite 7   Als Sklaven unter dem Tropenhimmel. Mutter und Tochter waren nach Mittelasien verschleppt.

Sie waren einem glücklicheren Schicksal schon so nahe, aber es war ihnen nicht beschieden. Als Frau Rebner mit ihrer kleinen Tochter vor den Russen geflüchtet und schon bis Eisleben gekommen war, hielten die Amerikaner sie dort fest und verwehrten ihr die Weiterfahrt. Schon 1944 hatte sie ihre Heimat Litauen verlassen, als die Sowjets heranrückten; und was dann geschah, hatten sie gewiss nicht erwartet: Die Amerikaner lieferten sie an die Russen aus. Damit begann eine unmenschliche Leidenszeit für Frau Rebner und das Kind. Als billige Arbeitskräfte wurden sie weiterbefördert in Richtung Asien. Wochen vergingen, bis das Ziel erreicht war; qualvoll waren die Fahrten in den Viehwaggons, und dann wieder musste der Weg in langen Fußmärschen bewältigt werden.

 

Zusammen mit 300 anderen Verschleppten kamen die beiden schließlich in der zentralasiatischen Republik Tadschikistan an. Nichts, aber auch gar nichts empfing sie dort. Rings umher breitete sich wüstes Land aus, kein Haus, nicht eine Hütte weit und breit. An Baumaterial oder gar Werkzeuge war nicht zu denken. Was blieb den Menschen weiter übrig, als sich wie Tiere an den Boden zu kauern und Löcher zu graben, die ihnen als Wohnstätte dienen musste. Frau Emma Rebner und ihr kleines Mädchen konnten sich erst nach drei Jahren eine Lehmhütte bauen. Auf das Dach legten sie, um sich gegen Regen zu schützen, das einzige, was die Erde ihnen bot, Unkraut.

 

Aber es gab keine Muße dort. Gleich der erste Tag brachte harte Arbeit. Streng bewacht wurden sie auf die Baumwollfelder getrieben und mussten dort ihr vorgeschriebenes Pensum schaffen. Es wurde ihnen so reichlich Arbeit zugeteilt, dass es überhaupt nicht möglich war, die Norm in zehn oder zwölf Stunden zu erfüllen. So wurde die Nacht zu Hilfe genommen. Tadschikistan hat tropisches Klima, für einen Europäer fast unerträglich. Es erscheint unglaublich, dass diese Verschleppten zwölf Jahre lang in dieser glühenden Sonne nicht nur leben, sondern Tag und Nacht schwer arbeiten konnten und diese Anstrengungen bei unregelmäßiger und einseitiger Ernährung überlebten. Sie aßen hauptsächlich Schildkrötenfleisch. Es ist dort ständig so heiß, wie es bei uns hier niemals auch nur für einen Tag wird. In der Sonne kann man Wasser zum Erhitzen bringen und die Eier im Sande kochen.

 

Die kleine Irma musste als Siebenjährige schon mit auf die Felder, um am Tage zu arbeiten. Acht Kilometer entfernt lag eine Schule, die sie des Nachts besuchte. Und für die harte und schwere Arbeit gab es lange Jahre hindurch keinen Lohn. Das wurde erst nach dem Tode Stalins anders. Es waren also keinerlei Ersparnisse da, als sie am 8. November des vergangenen Jahres ein Brief der „Botschaft der Deutschen Demokratischen Republik" erreichte, der ihnen die Rückreise nach Deutschland gestattete, jedoch auf eigene Kosten. Der Reisepass lag dem Schreiben bei, aber ohne Geld war nichts zu machen. Frau Rebner arbeitete noch mehr und sparte fleißig das verdiente Geld. Irma ist nun schon siebzehn Jahre alt und hat eine ungewöhnliche Jugendzeit hinter sich. Jetzt sind Mutter und Tochter nach Nordenham zu Verwandten gekommen und können zum ersten Male aufatmen und ausruhen. Sie haben nur eine sehr bescheidene Unterkunft in einem Behelfsheim gefunden, aber sie sind dort glücklich und zufrieden

 

Seite 7   Zwei glückliche Schwestern. Wiedersehen nach 13 Jahren.

Unweit von Hannover gab es kürzlich ein freudiges Wiedersehen bei zwei Schwestern aus dem Memelland. Zu Frau Meta Borbe, die seit 1945 in Stelle wohnt, kam Anna Lokies, ihre Schwester. Seit dreizehn Jahren sehen sie sich zum ersten Male wieder, und es waren schwere Jahre voller Not und Entbehrungen, besonders für Frau Lokies, die mit ihrer Mutter und ihrer einzigen Tochter in der Heimat zurückgeblieben war. Nun ist sie allein gekommen, wie sie sich auch alleine in der fremd gewordenen Heimat hat durchschlagen müssen, die Mutter verstarb inzwischen und auch die Tochter lebt nicht mehr. Ihr Mann ist schon lange nicht mehr am Leben. Anna Lockies Gedanken gingen zu der einzigen Angehörigen, zu Frau Borbe. Aber erst jetzt, nach dreizehn Jahren, konnte sie die Reise zu ihr antreten. Not und Bedrängnis haben endlich ein Ende für sie.

 

Seite 7   Ostdeutsche Chöre wollen nicht nur umrahmen. Erfahrungen und Erkenntnisse einer Chorleitertagung.

Herne. Im Kolpinghaus Herne fanden sich 40 Chorleiter ostdeutscher Chöre aus dem Regierungsbezirk Arnsberg zu einem Wochenendlehrgang zusammen, die vornehmlich der Förderung des Kontaktes der Chorleiter untereinander und dem Erfahrungsaustausch dienen wollte.

 

An die Ausführungen des Bezirksvorsitzenden und gleichzeitigen Leiters des Ostvertriebenen-Chores Herne Otto Weber über Entstehung und Fortgang und die künftigen Aufgaben des Verbandes der Ostdeutschen Chöre schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Man war sich darüber einig, dass sich der persönliche Kontakt von Chorleiter zu Chorleiter, ein ständiger Erfahrungsaustausch und das gemeinsame Streben nach fruchtbarer Arbeit ungemein fördernd auf das Chorschaffen auswirken könne. Es wurde ferner angeregt, bei künftigen Chorleitertagungen ostdeutsche Komponisten über ihre Chorwerke sprechen zu lassen, um so die Ausdeutung der Werke in der Chorarbeit vertiefen zu können. Bei Landestagungen in Köln wurde dies bereits von Gerhard Schwarz und Gerhard Strecke mit bestem Erfolg praktiziert.

 

Die bisherige kommissarische Führung des Bezirksverbandes durch Otto Weber und Frau Jestrich erhielt in Anerkennung der vorbildlich geleisteten Arbeit durch einstimmige Wiederwahl einen Beweis der Anerkennung und des Vertrauens.

 

Die äußerst lebhafte Aussprache über gute Programmgestaltung wurde eingeleitet mit der Wiedergabe einer Tonbandaufnahme, die bei einer Veranstaltung des Herner Chores aufgenommen wurde. Es sei völlig falsch, sich die Darbietungen von den Veranstaltern kritiklos zudiktieren zu lassen, die Chöre sollten nicht nur umrahmen, sondern selbst mitgestalten, um so den Programmen ein würdiges Niveau zu sichern.

 

Über Feinheiten der Ton-, Stimm- und Sprachbildung sowie der Atemtechnik sprach der Herner Musikpädagoge Lefmann. Dies seien die wesentlichsten Faktoren, den Chorgesang über das Durchschnittsmaß zu erheben.

 

Welche Gesichtspunkte bei der Auswahl des Liedgutes für Vertriebenenchöre entscheidend sein sollen, legte der als Gast anwesende Landesverbandsvorsitzende Dr. Schnabel dar. Er stellte dabei die Werke ostdeutscher Komponisten und Textdichter in den Vordergrund, da der Verband die Förderung gerade dieser Werke als seine vordringlichste Aufgabe ansehe.

 

Praktische Beispiele guter Chorschulung gab der gastgebende Herner Ostvertriebenen-Chor. Unter verschiedenen Dirigenten sang er heitere und besinnliche Chorsätze verschiedener Schwierigkeitsgrade, die lehrreiche Einblicke in die verschiedenartige Dirigiertechnik vermittelten.

 

Als nächste Veranstaltungen stehen folgende Chortreffen auf dem Programm des Bezirkes Arnsberg: für den Südteil des Bezirkes am 1. September in Neheim-Hüsten anlässlich des zehnjährigen Bestehens des dortigen Chores, ein weiteres im Oktober für den nördlichen Teil in Recklinghausen. M. J.

Gerettete Kunstwerke:

 

Foto: Gute Dirigententechnik ist das A und O jeder chorischen Arbeit. Bei der Chorleitertagung in Herne sang der gastgebende Ostvertriebenenchor unter zwanzig verschiedenen Dirigenten, hier unter seinem bewährten Leiter Otto Werner, dem Bezirksvorsitzenden des Verbandes Ostdeutscher Chöre Arnsberg.

 

Seite 7  1945 und 1957 eine deutsche Familie. Heute muss sie sich polnisch verständigen.

Bis zum Ende des Krieges war Karl Trotno, ostpreußischer Landwirt, das Oberhaupt einer deutschen Familie. Gewiss, das ist er auch heute noch oder wieder, aber wie anders sieht diese Familie heute aus. Sie spricht miteinander polnisch, obwohl sie in der Grafschaft Hoya wohnt. Es geht vorerst nicht anders, denn die Tochter Hildegard und der Sohn Adolf beherrschen nur die polnische Sprache und müssen erst Deutsch lernen. Das kam so:

 

Karl Trotno versuchte 1945 mit seiner Frau und den drei Kindern, die damals sieben, sechs und zwei Jahre alt waren, vor den Russen zu flüchten, der Treck wurde jedoch eingeholt, und der Vater wurde seiner Familie entrissen. Die Mutter starb. So standen die Kinder plötzlich allein da. Die Polen steckten sie in Heime in der Bromberger Gegend.

 

Währenddessen lebte der Vater als Gefangener und kam erst 1950 frei. Durch einen Verwandten gelangte er nach Hassel in der Grafschaft Hoya. Ihm wurde dort das Schicksal seiner drei Kinder bekannt, und er bemühte sich alsbald darum, sie zu sich zu holen. Erst jetzt erhielten Hildegard und Adolf die Ausreisegenehmigung, der andere Sohn durfte noch nicht kommen. Nun hat Vater Trotno inzwischen wieder geheiratet, und man verständigt sich mit den Kindern in polnischer Sprache, da niemand sie bisher ihre Muttersprache lehrte. Trotzdem ist das Glück natürlich groß, und es war den beiden Kindern kaum fasslich, dass der Vater ihnen gleich eine Uhr und ein Fahrrad kaufte zum Willkomm. Aber sie werden sich gewiss bald einleben und sehr schnell Deutsch lernen.

 

Seite 7   Neuer Zollkreuzer „Danzig“

Flensburg. In Langballig, Kr. Flensburg, ist ein kürzlich in Dienst gestellter Zollkreuzer stationiert, der den Namen „Danzig" hat. Eine Vertretung des „Bundes der Danziger", der die Patenschaft über Schiff und Mannschaft übernommen hat, überreichte dem Kapitän des Zollkreuzers, Nausch, ein Bild der Einfahrt in den Danziger Hafen sowie mehrere Bildbände und Heimatkalender von Danzig. Kapitän Nausch brachte den Dank der Besatzung, unter der sich kein Danziger befindet, zum Ausdruck, wobei er versicherte: „Wir werden uns bemühen, dem Namen des Schiffes Ehre einzulegen".

 

Seite 7   Der Tod in der Tucheler Heide. Ein Tatsachenbericht von Bruno Giersche.

1.Kleinkrieg.

Im ehemaligen Westpreußen liegt ein großes Waldgebiet, dessen Namen jedem geläufig ist. Es ist die Tuchler Heide, die bis 1918 zum Deutschen Reich gehörte und unser größtes Waldgebiet darstellte. Die Bevölkerung dieses Gebietes waren die Kassuben; ein armes Völkchen, das in den Heidedörfern lebte und sich von Beeren- und Pilze sammeln ernährte und sich das Fleisch für den Sonntagsbraten zumeist durch Wilddieberei und Schlingenstellen beschaffte.

 

So war denn ein ewiger Kleinkrieg zwischen der Bevölkerung und den Forstbeamten, die zu Hütern des Waldes bestimmt waren. Als dann der erste Weltkrieg ausbrach, nahm das Wilderungsunwesen überhand, da die meisten Förster zum Kriegsdienst einberufen wurden und ihre Vertreter, die mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut waren, gegen die einheimischen Wilderer wenig ausrichten konnten.

 

Je länger der Krieg dauerte, umso unhaltbarer wurden die Zustände. Es knallte jetzt am hellichten Tage im Wald, und es verging kaum ein Tag, an dem der diensttuende Forstbeamte nicht auf die Spur irgendeines Wildfrevels stieß.

 

Ein Schuss

Es war im Sommer 1916!

Der Gutsverwalter Ramhorst, der gegen Abend auf einen Bock angesessen hatte, hörte plötzlich dicht an der Waldkante zwei Schüsse fallen. Dort war das Revier seines Freundes, des Försters Hausfeldt, der doch beute in die Stadt gefahren war. Also musste dort ein Wilddieb sein Unwesen treiben!

 

Ramhorst, der sich auf dem Heimweg befand, drehte um und eilte mit entsicherter Büchse der Schussrichtung zu. Ein schweißendes Reh sprang rechts vom Weg ab. Irgendwo knackte es im Gebüsch wie von enteilenden Schritten ...

 

Dann war es wieder still.

 

Ramhorst verharrte einen Augenblick, dann drehte er langsam um. Es hatte keinen Sinn, jetzt bei anbrechender Dunkelheit den Wilderer zu verfolgen. Aber er wollte diese Ecke künftighin schärfer im Auge behalten.

 

Mit diesem Entschluss ist er wieder an der Waldkante angelangt. Da peitscht haarscharf an seinem Kopf ein Schuss vorbei.

 

Vorahnung

„Verdammt!" tobt Ramhorst und lässt sich hinter das nächste Wachholdergebüsch fallen. Ein zweiter Schuss schlägt vor ihm in den Sand.

 

Ramhorst wartet eine gute Weile. Dann kriecht er eine flache Mulde entlang, die auf das freie Feld hinausführt. Es ist mittlerweile ganz dunkel geworden. Er erhebt sich und eilt nachdenklich heim.

 

„Es ist seit letzter Zeit nicht mehr geheuer in diesem Winkel!" denkt er bei sich selber.

 

Als er daheim ankommt, steht seine Frau mit verstörtem Gesicht in der Tür.

 

„Ich habe zwei Schüsse gehört! Die Leute sagen, es sei hier ein neuer fremder Wilderer zuwege!"

 

Was die Leute schon wissen!" versucht er sie" lächelnd zu beruhigen. „Und wenn es schon so war! Der Bursche möge sich vorsehen und mir nicht vor den Lauf kommen!"

 

Am andern Nachmittag macht sich Ramhorst früher als sonst auf den Weg zum Hochsitz. Vergeblich hatte ihn seine Frau beschworen, daheim zu bleiben.

 

„Mutter, ich bin doch keine Bangbüchse! Und überhaupt, den möchte ich mal sehen, der es mit mir aufnehmen will! — Also machs gut! Spätestens um 10 Uhr bin ich wieder hier!"

 

Ermordet

Es wird 10, es wird 11 Uhr! Ramhorst ist noch immer nicht zurück. Da hält es seine Frau nicht länger aus. Sie schlägt ein Tuch um den Kopf und eilt hinaus — ihrem Mann entgegen.

 

Da fällt ein Schuss in der Richtung des Hochsitzes. Frau Ramhorst zuckt zusammen und läuft den Weg hinunter, so schnell die Füße sie nur immer tragen können.

 

Ein Schrei!

 

Sie bricht in die Knie und fällt neben dem Hochsitz über den leblosen Körper ihres Mannes zusammen, dem ein Schrotschuss aus nächster Entfernung die linke Brustseite aufgerissen hat.

 

Der Mord an dem Gutsverwalter Ramhorst rief die Forstbeamten der Tuchler Heide zu höchster Aufmerksamkeit und Abwehrbereitschaft auf. In allen Forsthäusern herrschte darüber volle Übereinstimmung, dass hier ein neuer, unbekannter Wilddieb in Erscheinung getreten war, der in Bezug auf Grausamkeit und Verwegenheit all die übrigen Vertreter seines verbrecherischen Gewerbes weit übertraf

 

Wer aber war dieser unheimliche Unbekannte  ...?

 

Diese Frage ließ auch der Steckbrief offen, den die Staatsanwaltschaft in Konitz gegen den Mörder erließ, indem sie eine Belohnung von 1000 Mark für die Nachweisung oder Ergreifung des Täters einsetzte.

 

Eine Spur

Dem Förster Hausfeldt, dem alten Freunde des Gemordeten, ging dessen furchtbares Ende besonders nahe.

 

„Hören Sie, Schulz!" sagte er eines Tages zu seinem Haumeister. „Wir müssen dem Kerl, der sich ausgerechnet hier in meinem Revier herumtreibt, auf die Spur kommen. Der Kerl hat unbedingt seinen heimlichen Anhang unter der Bevölkerung, die für ihn Aufpassdienste tut und ihm Unterschlupf gibt. Andernfalls wäre es ganz unmöglich, dass er sich so lange hier halten könnte. Horchen Sie doch mal vorsichtig bei den Arbeitern herum. Vielleicht können wir da eine Spur finden!"

 

„Werd's versuchen, Herr Förster!" nickte der Haumeister. „Es dürfte aber verdammt schwer halten. Denn wenn's um einen Wilddieb geht, halten sie alle den Mund. Sind sie doch selber in ihrer Freizeit als kleine Wildfrevler mit Schlinge und Fangeisen unterwegs!"

 

Trotzdem — Haumeister Schulz, der bei den Arbeitern als gerechter und verständnisvoller Vorarbeiter Vertrauen genießt, horcht um.

 

Aber vergeblich!

 

Wenn er das Gespräch auf den Unbekannten bringt, antwortet ihm nur ein scheues Schweigen.

 

Doch eines Tages, als er abends heimgeht, schließt sich ihm einer der jüngsten Arbeiter an.

 

„Haumeister", flüstert der, als die anderen außer Hörweite sind. „Paul heißt er und ist bei der Kachka im Dorf untergekrochen“. Schulz lacht verstehend.

„Aha, bei der jungen Kriegerfrau, bei der du doch immer gesessen hast!"

Der Eifersüchtige knirscht mit den Zähnen.

„Es ist aus zwischen uns! Seit dieser fremde Kerl bei ihr liegt, will sie nichts mehr von mir wissen!"

 

Dann fügt er vielsagend hinzu: „Sagen Sie dem Förster Bescheid, dass er bei der Kachka untergekrochen ist. — Aber Vorsicht! Er hat immer eine geladene Pistole bei sich und er ist erst nach Mitternacht im Haus!"

 

Das Nest ist leer

Schulz gibt dem Förster sofort Bescheid. Alles klappt vorzüglich. Um Mitternacht ist das Anwesen der Kachka von einem Gendarmeriekommando unauffällig umstellt. Als man dann aber in die Kate eindringt, ist das Nest leer. Nur die zeternde Kachka tobt allein in der Hütte gegen die eingedrungenen Beamten und heuchelt Tränen der Scham und Empörung.

 

Am andern Morgen eilt eine neue Schreckensnachricht durch die Gegend. Der junge Arbeiter, der dem Haumeister eine Spur gewiesen, ist auf dem Wege zur Arbeit von einem Unbekannten durch einen Schrotschuss durch den Kopf getötet worden.

 

Die Hülse des Geschosses lag am Tatort. Daraus schloss die Mordkommission, dass es sich um den nämlichen Täter handelte, der den Gutsverwalter erschossen hatte.

 

Das dritte Opfer

Neue Steckbriefe wurden überall angeschlagen. Die Belohnung wurde auf 2000 Mark erhöht und in der anderen Woche auf 3000 Mark Das dritte Opfer war der Haumeister Schulz.

 

Nichtsahnend ging er eines Abends von der Arbeit heim, als er einen Hohlweg passieren musste, der auf beiden Seiten von Gebüsch umwuchert war. Dort traf ihn ein Schrotschuss in den Unterleib!

 

Förster Hausfeldt aber empfängt am gleichen Tage durch die Post einen Brief ohne Absender und ohne Unterschrift. Zwei Sätze stehen darin mit ungelenken Buchstaben geschrieben:

 

„Ich weiß, dass Du hinter mir her bist. Darum musst Du sterben“.

 

Nachdenklich lässt Hausfeldt noch einmal die Augen über den schmierigen Zettel gehen. Dann knüllt er ihn zusammen und wirft ihn in das offene Herdfeuer.

 

„Quatsch!" sagt er dabei. Aber den ganzen Tag lang wird er das unbehagliche Gefühl nicht los, das ihm wie ein Alp auf der Brust liegt.

 

Drohung

Er bleibt heute daheim; er geht auch am nächsten Tag nicht ins Revier. Aber am dritten Tag siegt sein Pflichtgefühl. Er macht sich morgens auf den Weg nach Jagen 16, wo seine Arbeiter bei der Durchforstung sind. Als er die junge Kiefernschonung dicht hinter der Försterei betritt, fällt ein Schuss. Im gleichen Augenblick fühlt er einen stechenden Schmerz unter dem Herzen. Dann ist es aus.

 

Am andern Tage gehen neue Steckbriefe von der Staatsanwaltschaft aus

„4000 Mark Belohnung!" schreit es groß und grell von den Plakaten.

Wo ist der Unbekannte?

Wer ist der Wilddieb, der schon zum vierfachen Mörder ward?

Ungelöst ist noch immer die Frage. — Und sie bleibt es!

 

Die Schüsse des Unheimlichen hallen immer lauter und häufiger durch die Heide. Mancher Forstbeamte getraut sich nicht mehr ins Revier hinaus. Und wagt er doch den Gang, so muss er feststellen, dass der Wildbestand merklich zusammenschrumpft. Gerade auf das Hochwild hat es der Unbekannte abgesehen. Bitter ist diese Erkenntnis für den weidgerechten Forstmann.

 

Aber was soll er tun? Er steht allein im Kampf gegen den Frevler. Denn die Bevölkerung, die schon immer in dem Förster ihren natürlichen Feind sieht, steht ganz offen auf der Seite des Mörders. Ein Verräter findet sich unter ihnen nicht mehr, seitdem die Sache mit dem jungen Arbeiter passiert war. Man dachte sich den Unbekannten als eine Art Übermensch, der Gedanken lesen könne und kugelfest sei.

 

So kam der Herbst, und so wurde es Winter. Der unbekannte Wildschütz hatte sein Revier gewechselt und trieb jetzt sein Unwesen in einer anderen Ecke der Tuchler Heide. Schwindender Wildbestand, Schüsse zu jeder Tageszeit, das waren die untrüglichen Zeugen seiner Gegenwart.

 

Die Tagespresse griff den einmaligen Fall auf und forderte von den zuständigen Amtsstellen energisches Durchgreifen und schnellste Erledigung dieses Falles. Das zuständige Ministerium in Berlin beschloss darob, unverzüglich zu handeln.

 

2. Förster Gröner

Zunächst treffen die zuständigen Oberförster von sich aus die ersten Sicherheitsmaßnahmen. Sie richten als erstes einen Forstschutz ein, indem die jungen, unverheirateten Forstbeamten, soweit sie nicht beim Militär sind, zu einem regelmäßigen Streifendienst in den gefährdeten Revieren eingesetzt werden. Den Forstbeamten wird empfohlen, nach Anbruch der Dunkelheit daheim zu bleiben und im Übrigen die gefährdeten Waldteile möglichst nur zu zweit zu begehen.

 

„Blödsinn!" schimpft der Förster Gröner, als er von seinem Oberförster diese Anweisung erhält. „Wie kann man von so einem Halunken nur so viel Aufheben machen! Der Bursche wird gefasst und damit basta!"

 

Förster Gröner ist eine große, stattliche Erscheinung von 1,95 m. Wohl hat er die Sechzig schon längst überschritten; aber er fühlt sich noch immer wie in seinen besten Jahren. Und dieser Förster Gröner hat es sich in den Kopf gesetzt, den unbekannten Wilddieb zu stellen. Koste es, was es wolle!

 

 

Aprilmittag

So kommt ein warmer Tag im April. In jeder Försterei beginnt man jetzt mit der Kulturarbeit; die neuen Waldpflanzen werden auf den vorjährigen Kahlschlägen angelegt. Auch Förster Gröner ist draußen bei seinen Leuten und gibt ihnen Anweisungen für die Arbeit. Schon geht es in die Mittagstunde hinein, und die Sonne meint es heute gut, wie im besten Mai.

 

„Was meinen Sie, Bartz", wendet sich Gröner an seinen Haumeister. „Wenn wir dies Wetter behalten, sind wir mit den Kulturarbeiten in einer Woche fertig!“

 

„Sag ich auch, Herr Förster!“ bestätigt ihm sein Haumeister.

Er hat es knapp ausgesprochen, da fällt drüben in der Tannenschonung ein Schuss.

 

Gröner fährt auf und langt nach der Büchsflinte, die er so lange gegen eine kleine Kiefer gestellt hatte.

 

„Das ist nun doch der Gipfel der Frechheit!" schimpft er im Gehen. „Knallt dieser Bursche am hellichten Tage in meinem Revier herum und direkt unter meinen Augen“.

 

Gröner hat sich in der Richtung zur Tannenschonung unverzüglich auf den Weg gemacht.

Einige der Weiber und Mädchen, die solange stumm ihrer Arbeit nachgegangen, flüstern erregt miteinander. Und dem Haumeister will es scheinen, als ob manch hämischer, schadenfroher Blick dem Förster folgt, der soeben drüben in der Tannenschonung verschwindet.

 

Die Mittagsstunde liegt brütend und drückend im Tann. Nur ein paar dünne Meisenstimmen sind tiefer im Bestand wach. Jetzt verstummen auch sie, und es herrscht tiefe Stille.

 

Gröner verharrt sichernd.

Da schreckt rechts vor ihm ein Häher!

Jetzt noch einmal!! — Dort — das ist ja die Richtung, wo dichtes Brombeergerank eine flache Senke verspinnt.

 

Gestellt

„Der richtige Platz für Schlingensteller!" denkt Gröner und strebt lautlos und vorsichtig dem Ort zu. Das hohe dichte Moospolster dämpft seine Schritte.

Jetzt knackt es dicht vor ihm im Unterholz. Im Augenblick duckt sich Gröner hinter eine Tanne und äugt scharf in das Gestrüpp hinein. - Da! — Dort ist er! Dort hockt der Unbekannte am Boden und legt gerade eine Schlinge aus. Er ist barfuß und nur mit dem Hemd und einer abgetragenen Militärhose bekleidet. Etwa fünf Schritte links daneben liegt seine Flinte auf dem ausgezogenen Kittel. Fortsetzung folgt

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Allenstein, Wilhelmstraße 3 wird Christa Dietze, geboren am 9. März 1940 in Allenstein, gesucht von ihrer Mutter Ida Dietze, jetzt verheiratete Heidenreich, geboren am 21. Juli 1917. Christa Dietze wurde durch Bombensplitter verwundet und mit ihrer Großmutter, Herta Grabowski, geboren am 14. Februar 1882, am 19. Januar 1945 in das Marienkrankenhaus in Allenstein eingeliefert. Das Kind hat hellblaue Augen, blondes Haar und trug Ohrringe.

 

Aus Angerapp werden Monika Straube, geboren am 20. Mai 1943 und Leonhardt Straube, geboren am 15. Oktober 1941, gesucht von ihrer Tante Herta Seidel.

 

Aus Cranz, Kreis Samland wird Bodo Behrendt, geboren am 3. August 1939, gesucht von seinen Eltern Paul Behrendt und Anna Behrendt. Bodo Behrendt befand sich im September 1945 im Ostseebad Cranz und soll mit einem kleinen Omnibus nach Neukuhren/Samland gebracht worden sein. Es ist möglich, dass er in ein Waisenhaus kam und später nach Westdeutschland gebracht wurde. Bodo Behrendt hat blaue Augen, blondes Haar und ein Muttermal in der Größe einer Erbse am linken Ohr vor dem Gehöreingang.

 

Aus Heiligenbeil, Tirolerweg 16, werden die Geschwister: Hildegard Reimann, geboren am 18. April 1940, Christel Reimann, geboren am 5. Dezember 1938, Gernod Reimann, geboren am 2. August 1936 und Ulli Reimann, geboren am 24. Januar 1944, gesucht von ihrem Vater Franz Reimann, geboren am 14. September 1895 in Heiligenbeil. Die Geschwister Reimann sind mit ihrer Mutter, Helene Reimann, geboren am 14. August 1904 und ihrer älteren Schwester Susanne Reimann, geboren am 24. Oktober 1931, am 7. Februar 1945 von Heiligenbeil nach Pillau geflüchtet. Eine Frau Zimmer, die mit der Familie Reimann auf der Flucht zusammen war, könnte vielleicht über den Verbleib der Familie Reimann Auskunft geben.

 

Aus Heiligenbeil, Wilhelmstraße 2 wird Helmut Rädtke, geboren am 18. Dezember 1942 in Heiligenbeil, gesucht von seinem Vater Johannes Rädtke, geboren am 19. März 1909. Der obengenannte Knabe soll, nachdem seine Mutter und seine Großmutter 1945 in Heiligenbeil verstorben sind, von einer fremden Frau mitgenommen worden sein.

 

Aus Königsberg, Altstädtische Langgasse 23 oder Oberrollberg 17 wird Dietmar Skoppeck, geboren am 9. Mai 1938 in Königsberg, gesucht von seinem Onkel Hans Skoppeck, geboren am 26. April 1916 in Insterburg und von seinem Großvater Friedrich Gasenzer, geboren am 18. Mai 1893.

 

Aus Königsberg, Insterburger Straße 12 wird Helmut Klein, geboren am 4. März 1942 in Königsberg, gesucht von Willy Klein, geboren am 4. August 1901. Helmut Klein war 1947 in Königsberg im Krankenhaus in der Yorkstraße. Später soll er nach Westdeutschland gekommen sein.

 

Aus Königsberg, Jahnstraße 17 wird Ekkehard Dziuba, geboren am 14. Juni 1939 in Königsberg, gesucht von seinem Vater Konrad Dziuba, geboren am 21. Juli 1899 in Ratibor.

 

Aus Königsberg, Jerusalemer Straße 39 wird Marianne Siebert, geboren am 26. Oktober 1937, gesucht von ihrem Onkel Emil Hensel, geboren am 13. März 1919 in Königsberg.

 

Aus Königsberg, Jägerstraße 55a werden Frank Thormeyer, geboren am 16. Mai 1940 und Klaus Thormeyer, geboren am 24. Oktober 1934, gesucht von ihrem Vater Paul Thormeyer, geboren am 10. April 1901 in Königsberg. Die Kinder Thormeyer waren am 11. März 1945 in Swinemünde auf dem Schiff „Andras".

 

Aus Königsberg, Ludwigswalderweg 25 wird Dieter Stepputat, geboren am 28. Mai 1943 in Königsberg, gesucht von Erich Schulz, geboren am 19. März 1920 und von seiner Tante Hanna Müller, geborene Stepputat, geboren am 19. März 1911 in Strudzen.

 

Aus Königsberg, Lutherstraße 5, zuletzt Kummerauer Straße 60/61 wird Siegfried Wendt, geboren am 20. Mai 1937, gesucht von seiner Mutter Ilka Wendt, geboren am 22. Fehruar 1905. Siegfried Wendt ist im Jahre 1947 von Königsberg nach Litauen gefahren und nicht wieder zurückgekehrt.

 

Aus Königsberg, Nachtigallensteig 21a, bei Familie Seiffert, wird Hannelore Just, geboren am 9. Juli 1939 in Insterburg, gesucht von ihrer Mutter Nora Neumann, geborene Just, geboren am 29. Mai 1915 in Cranz/Ostseebad.

 

Aus Königsberg-Kohlhof, Straße 1058, Nummer 10 wird Rudi-Horst Rohde, geboren am 29. September 1937, gesucht von seinem Vater Robert Rohde, geboren am 6. Oktober 1914.

 

Aus Mittenort, Kreis Angerburg wird Alfred Zimmermann, geboren am 25. Juli 1939, gesucht von Edith Zimmermann, geboren am 8. November 1926 und von Berta Zimmermann, geborene Blum.

 

Aus Petersdorf, Kreis Wehlau wird Hans Edgar Wengel, geboren am 6. Januar 1942, gesucht von seiner Mutter Ursula Rathje, geborene Wengel. Hans Edgar Wengel lebte bei seiner Großmutter Emmi von Stein, geboren 1887 in Petersdorf, Kreis Wehlau/Ostpreußen.

 

Aus Soldau, Alte Poststraße 14 wird Marianne Pucks, geboren im März 1944, gesucht von ihrer Großmutter Therese Jecksties. Die Mutter, Frieda Pucks, geboren 1926, wird auch noch gesucht. Der Vater Willi Pucks war von Beruf Kraftfahrer.

 

Seite 8   39000 Gefallene in Lommel.

Als zweiten Soldatenfriedhof im Ausland wird nach einer Mitteilung des Volksbundes die deutsche Schuljugend die Ehrenstätte in Lommel/Belgien ausgestalten. Dortselbst haben 39 000 deutsche Gefallene, vor allem aus den Kämpfen bei Aachen, im Hürtgenwald und bei Remagen ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sie wurden dort unmittelbar nach Kriegsende von den Gräberdiensten der amerikanischen und belgischen Wehrmacht aus amerikanischen Sammelfriedhöfen und aus Einzelgräbern und kleineren Anlagen in ganz Belgien auf einem über 16 Hektar großen Gräberfeld zusammengebettet. Nach Abschluss eines Kriegsgräberabkommens zwischen Belgien und der Bundesrepublik übernahm der Volksbund die Betreuung der Friedhofsanlage. Im Laufe der Jahre wurde das Gräberfeld geordnet, ausgerodet und mit Sträuchern und Bäumen bepflanzt. Jugendliche aus 15 Nationen halfen mit legten Wege und einen Schutzwall an, pflanzten breite Streifen von Heidekraut auf die Grabreihen und beseitigten Fehler bei den Kreuzinschriften.

 

Das Totenfeld von Lommel ist heute mit Heide, Bäumen und Sträuchern bedeckt, zwischen denen die Betonkreuze stehen. Der Volksbund beginnt nun mit der Errichtung eines Eingangsbaues, der einen Aufenthaltsraum für Besucher und den Wärter sowie einen Geräteraum enthalten wird. Am Zugang zum Gräberfeld wird eine Krypta mit hochragender Kreuzgruppe an das Vermächtnis der Toten zur Versöhnung und Verständigung mahnen. Nach Sandweiler in Luxemburg mit 11 000 Gefallenen ist Lommel mit seinen 39 000 Toten der zweite Soldatenfriedhof jenseits der deutschen Grenzen, den Mädels und Jungen würdig gestalten helfen.

 

Seite 8   Kindersteckbrief mit Foto.

Name: unbekannt;

Vorname: vermutlich Günther;

geb.: etwa 1942;

Augen: blau;

Haar: blond.

Der Knabe kam 1946 aus dem polnisch verwalteten Gebiet. Er will sich erinnern, dass er mit seinen Angehörigen in einem langgestreckten Haus gewohnt hat. Es soll ein großes Tor als Eingang gewesen sein und der Vater ist sehr viel mit einem Heuwagen und anderen Wagen gefahren. Er weiß auch, dass sie zu Hause Pferde, Hühner und Schweine gehabt haben. Sie müssen auch ein Radio gehabt haben, da sehr oft sowjetische Soldaten in die Stube kamen und Radio hörten. Weihnachten sind sie stets in ein großes Gebäude gegangen und dort habe er Geschenke bekommen. Während der Feierlichkeit hat die Mutter ihn auf dem Schoß gehabt. Er hat anscheinend sehr viel am Daumen gelutscht, da die Mutter oft zu ihm sagte: „Wenn du nicht an deinem Daumen lutscht, fahren wir morgen mit dem Zug zur Tante".

 

Er kann sich an keine Geschwister erinnern. Er weiß aber, dass er dann plötzlich krank wurde und dass er Ohrenlaufen und vermutlich Ruhr bekam. Im Krankenhaus sei dann eines Tages die Mutter weinend angekommen und habe gesagt, dass der Vater gestorben sei.

 

Vermutlich kam er dann vom Krankenhaus in ein Waisenhaus und wurde mit anderen Kindern dann später nach West-Deutschland gebracht. Bildnr. 01720

 

Seite 8   Aufruf des „Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge".

Der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" wendet sich mit folgendem Aufruf an alle ehemaligen Soldaten, die an der Ostfront gekämpft haben, aber auch an ostdeutsche Heimatvertriebene mit der Bitte, ihm bei der Sammlung von Unterlagen über deutsche Soldatengräber behilflich zu sein, die vor allem in den letzten Monaten des zweiten Weltkrieges in den deutschen Ostgebieten, in Russland, Polen, Rumänen, Ungarn, Jugoslawien und der Tschechoslowakei angelegt wurden:

 

„Bis auf wenige Ausnahmen ist in den chaotischen letzten Tagen des Krieges das Material der Gräberoffiziere der Wehrmacht in Verlust geraten, ebenso wie Meldungen der Truppe über gefallene Kameraden und die Gräberkartei der Wehrmachtauskunftsstelle. In mühsamer Kleinarbeit ist es dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gelungen, eine neue Zentralgräberkartei aufzubauen, die nur noch über die Verluste im Osten größere Lücken aufweist. Sie können vermutlich zu einem Teil durch die Mitarbeit der heimgekehrten Kameraden geschlossen werden. So mancher von ihnen besitzt heute noch Fotos von Gräbern, Tagebuchaufzeichnungen, vielleicht auch noch Belegungslisten einzelner Friedhöfe mit Personalangaben der Toten. Sicherlich sind es für .den Einzelnen wertvolle Erinnerungsstücke, von denen er sich aber um des höheren Zweckes willen trennen sollte.

 

An sie alle ergeht daher nochmals die herzliche Bitte des Volksbundes, ihm diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen, soweit es sich um Gefallene der letzten Epoche des Krieges ab 1944 im Osten und Südosten handelt, also um Gräber in Russland, Polen, den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, Rumänien, Jugoslawien, Ungarn und der Tschechoslowakei.

 

Wichtig ist in jedem Falle eine möglichst genaue Ortsangabe der Grablage, die Angabe alles dessen, was über den beigesetzten Kameraden an Personalien einschließlich Dienstgrad und Truppenteil bekannt ist. Bei Fotos ist die Leserlichkeit der Inschrift auf den Grabzeichen besonders wichtig. Die Unterlagen sollen mit dem Vermerk „Ostgräber" der Bundesgeschäftsstelle, Kassel, Ständeplatz 2, zugesandt werden."

 

Seite 8   Suchdienst Luftgau I

Von der Fernschreibstelle Bialystok: die LN-Oberhelferinnen Erna Klatt aus Graudenz und Hildegard Raup aus Goldap sowie die LN-Helferin Hedwig Zollweg aus Marienburg, von der LN-Oberhelferin Gertrud Weber, geb. Zielonka aus Lindenhorst, Kreis Ortelsburg, wohnhaft in Dattenhausen, Krs. Dillingen/Donau.

 

Vom RLM: Amtsrat Linde und Amtmann Stock;

 

von der 1. Fallschirmjäger-Division: General Hedrich, die Hauptl. Specht, Meier, Schwarzmann, und Burmeister;

 

von der 4. Fallschirmjäger-Division: General Treffner und Oberstleutnant Albrecht, von der Kraftfahrschule der Lw. in Rudelstadt: Oberstltn. Hesse;

 

von der L.Flak Abt. 71: die Hauptl. Barkowski und Schröder, Amtm. Philipp, ferner Oberstltn. Odebrecht, Hptm. Jacobson, Jürgens und Karl Kutschelies, Oberst v. Seydlitz-Kurzbach, Oberst Funk, Maj. Adrian, Hptm. Strüwe, Sasse und Schmidke;

 

Amtm. Adomeit, die Ob.-Insp. Lorenz, Schmidt, Sieg und Krasska;

 

von der II. Flak-Abt. 11: Ob.-Insp. Paul Wenk;

 

von der LN Ballieth: Ob.-Insp. Walter Gerlach;

 

vom Fl. H. Seerappen: Ob.-Insp. Karl Gerlach;

 

vom Fl. H. Neukuhren: Ob.-Insp. Walter Kratz;

 

vom Fl. H. Neuhausen: Ob.-Insp. August Brezinski;

 

vom L-P Gutenfeld: Ob.-Insp. Otto Heldt;

 

gesucht von Ernst Raabe, Techn. Ob.-Insp. (K), wohnhaft in Rheine/Westf., Mittelstr. 7 - 19, Block I Zimmer 34.

 

Wer kennt den ehem. Verwaltungs-Angestellten Bruno Potreck, geb. 21.11.1893, zuletzt wohnhaft in Königsberg/Pr., Heilsberger Str. 41, und kann bestätigen, dass er vom Juni 1940 Reichsangestellter war und bis zum Zusammenbruch von der Seeflieger-Kmdtr. Pillau-Neutief personell erfasst wurde. Potreck geriet als Uffz. d. R. beim 7. Lw.-Ers.-Batl. im Res. Lazarett Nagold in franz. Gefangenschaft. Mitteilungen erbeten an B. Potreck, (24a) Geesthacht, Susannenhaus 52.

 

Gesucht wird Frl. Gau, Gebührnisstelle der L. Fl. Abt. 71 (Boelkekaserne) und U- und K-Stelle des Luftgau Kdo I, von Wilhelm Titschkus, ehem. Reichsangestellter, wohnhaft in Unewatt, Post Landbollig, Flensburg-Land.

 

Gesucht werden ehem. Angehörige, besonders die Angestellten Charlotte Hilger und Herr Hassenstein, von der Lohnstelle Schleiermacherstraße, von Herbert Wassill, wohnhaft in Bad Zwischenahn/Oldenburg, Brummerforth 29.

 

Anfragen von ehem. Angehörigen des Luftgau I sind unter Beifügung des Rückportos zu richten an: Wilhelm Gramsch, 20 a) Celle, Waldweg 83. Tel. 47 34.

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

XVI. Stille Winkel an den Wällen.

Vier schöne stille Winkel boten auch die Königsberger Befestigungswerke der vierziger Jahre. Diese selbst haben ihre eigene lange Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden soll, die Winkel aber gehören hierher und sollen manchen, der dort ruhend gesessen, an die Schönheit unserer lieben Vaterstadt erinnern.

 

Der eine befand sich dicht am Ausfalltor neben der Bastion Sternwarte; hier hatte die Königsberger Gartenverwaltung einen entzückenden Steingarten angelegt, der im Frühling zu den schönsten dieser Art gehörte.

 

Der zweite Winkel war der wunderschöne Rosengarten unter den Wällen zwischen Königstor und Roßgärter Tor am Festungsgraben. Man konnte ihn von der Litauer Wallstraße, die am Herzogsacker entlangführte, durch einen Kasemattentunnel erreichen oder vom Königstorglacis aus über eine Holzbrücke, die den Festungsgraben überschlug. Hier war es an beißen Sommertagen wunderschön kühl und der Duft der zahllosen Rosen umwehte einen süß und schwer.

 

Auch ein Rosenwinkel war die Anlage am ehemaligen „Erdwerk E" in Maraunenhof von dessen, von allen Seiten von Wasser umgebener Höhe man auf die herrlichen Anlagen herniederschaute, die hier seit 1910, besonders aber in der so viel geschmähten Zeit der zwanziger Jahre entstanden waren.

 

Der vierte Winkel wurde vom Sackheimer Tor oder vom Königstor durch die Anlagen am Kupfergraben und Unteren Kupferteich aus erreicht; er bot den wahrlich mit Grün stiefmütterlich bedachten, dafür aber mit entsetzlichen Häuserzeilen der Gründerzeit gesegneten Sackheimern Erholung. Ich meine die Wallanlage unmittelbar oberhalb des Pregels. Stadtwärts unten dienten die alten Kasematten der Bastion Litauen als Bootshaus, von oben aber reichte der Blick weit über die der Lomse vorgelagerten grünen Pregelwiesen und auf die Türme der schönen Stadt. Ganz nahe grüßte das hübsche Türmchen des Waisenhauses herüber mit seinem preußischen Adler. Er war der einzige in Königsbergs erster Russenzeit (1758 - 1762), den die Russen nicht abmontierten und durch den Kaiserlich-russischen Doppelaar ersetzten. Die Gründe hierfür kennen wir nicht. War es der Umstand, dass der Adler nur einen Flügel ausstreckte, den anderen aber hängen ließ? Oder war es die naive Freude daran, dass er sich nach dem Winde drehte? Denn er war ja eine Wetterfahne, die noch bis zuletzt zuverlässig arbeitete?

 

In unserem Winkel aber spendete der Duft frischen Heus oder auch der eigentümliche Ruch des spakigen Pregelwassers bei großer Sommerhitze Erquickung, und Ruhe umgab hier wohltuend die Nerven der gehetzten Großstädter, kaum gestört durch den Jubel spielender Kinder.

 

XVIII. Der Flamingowinkel

Unstreitig gehörte unser Tiergarten zu den schönsten Zoologischen Gärten Deutschlands. Wenn der Tierbestand auch nicht allzu bedeutend war, so war der Tiergarten doch als Parkanlage wunderschön, zumal er mit einem Bach und einer tiefen Schlucht gesegnet war, die durch ihre Hänge und ihr Wasser große Möglichkeiten für die Tierhaltung bot.

 

Als der Tiergarten 1896 eröffnet wurde, war einer der Hauptanziehungspunkte in gärtnerisch-baulicher Hinsicht der mit weiß-rosa „Marmorplatten" belegte Aussichtsturm. Zwar war dies nur eine schöne Illusion, denn der brave Turm war aus Holz — aber er hat bis zuletzt durchgehalten, und solange man ihn bezeigen durfte, bot er einen herrlichen weiten Blick auf Königsberg und seine seen- und waldreiche Umgebung.

 

Ganz entzückend war der vor ihm angelegte Teich und die Schau von der künstlichen Tropfsteingrotte unter dem Turm über diesen Teich und die Hauptallee entlang.

 

Auf dieser Hauptallee, die sich vor dem Teich dann nach Ost und West gabelte, wallte der ununterbrochene Strom der Besucher; die Schaulustigen, besonders die Kinder umstanden in hellen Haufen die Käfige, und kaffeedurstige Leute fanden bei den Klängen der Militärmusik an den zahllosen Tischen vor der Hauptgaststatte und dem Café Bender — später Liedtke — Erquickung.

 

So konnte man unseren bei Alt und Jung hochbeliebten Tiergarten — nicht Zoo! (dafür noch nachträglich ein Bravo!) — wirklich keine stille Idylle nennen!

 

Höchstens hätte diesen Namen das Singvogelhaus am Teich verdient; denn wenn man im Frühling in der Morgenfrühe diesen hellen Glastempel betrat, durch dessen Dach Tausende von violetten Glyzinientrauben herabhingen, konnte man gewiss von einer Idylle sprechen. Ruhe freilich herrschte hier nicht, denn das Gezwitscher, Singen und Tirilieren war laut genug, konnte dafür aber auch das härteste Herz erweichen.

 

Doch das Singvogelhaus meine ich nicht, wenn ich behaupte, dass es im Tiergarten doch einen stillen Winkel gab, der unsagbar ruhig und ungeheuer idyllisch war — ich meine den Flamingowinkel, wie wir ihn immer nannten.

 

Man gelangte zu ihm vom Café Bender aus; er befand sich auf einer schön geschwungenen schmalen Halbinsel, die in den Teich unter dem Aussichtsturm hineinragte und an ihrem Ende ein kleines hölzernes Aussichtstempelchen und ein paar Bänke trug.

 

Hier konnte man inmitten einer entzückenden Umgebung sitzen und das jenseits der Teichufer flutende Leben in aller Behaglichkeit betrachten oder sich an der Silhouette des Turmes erfreuen.

 

Und noch etwas konnte man mit Vergnügen betrachten: das waren die zahlreichen Flamingos, die bedächtig und still in den Zipfeln des Teiches umherstelzten, gar nicht scheu waren und oftmals zum Tempelchen kamen und die etwa dort sitzenden Besucher mit ihren hellgelben Augen tiefprüfend anschauten, ohne jemals aufdringlich zu werden. Sie kannten weder Furcht noch Erregung, sie waren die Ruhe selbst, erschienen aber doch längst nicht so stumpfsinnig-philosophisch, wie der kahlköpfige Marabu mit seinen hellblauen Augen. Dazu kam ihre wunderhübsche hellrosa Farbe, der Anblick ihrer schöngeschwungenen Hälse und nicht zuletzt die Würde ihres Betragens.

 

So musste der zornigste Mann in diesem Flamingowinkel ruhig werden, und so konnte die Idylle dieses Plätzchens mit vollem Recht den stillen Winkeln Königsbergs zugerechnet werden.

 

Was mag aus euch geworden sein, ihr friedlichen Nilbewohner?

 

Wir hören, dass der Tiergarten auch den Russen als Vergnügungspark dienen soll. Man hat die prachtvolle Gaulsche Auerochsengruppe von ihrem Platz vor dem Gerichtsgebäude in den Tiergarten gebracht, um ihn zu verschönen. Aber auch lebende Tiere, wie Bären, Löwen, Krokodile und Vögel sollen vorhanden sein. Freilich soll vor jedem Tierhaus ein russischer Soldat mit aufgepflanztem Bajonett stehen — nicht etwa zum Schutze der Tierwärter, sondern zu dem der Tiere — damit sich keiner an ihnen vergreift! Zu unserer Zeit war das freilich nicht nötig. Aber auch dieses wird sich ganz gewiss wieder einmal ändern!

 

Seite 9   Foto: Ein Wahrzeichen Königsbergs: Die Gruppe der kämpfenden Auerochsen Sie stand einst vor dem Portal des Gerichtsgebäudes. Die Russen gaben ihr einen neuen Standort im Gelände des Tiergartens. Foto: Rosner

 

Seite 9   Königsberg im Rundfunk.

In seiner Reihe „Städte und Landschaften jenseits des Eisernen Vorhangs" bringt der Süddeutsche Rundfunk am Sonntag, 28. April, in der Zeit von 21 bis 22 Uhr eine Sendung über Königsberg, „die Stadt Kants", wie es in seinem Programm heißt, „die Stadt der reinen Vernunft, die Stadt am Meer, obwohl sie eigentlich am Pregel liegt, die Stadt der Deutstschordensritter, die Krönungsstadt preußischer Könige, die Stadt, in der E. T. A. Hoffmann geboren wurde und Agnes Miegel, die Stadt rund um die Idylle des Schlossteiches, der alten Speicher und Brücken, die Stadt, durch deren klare Luft immer ein Ruch von und Tang, Salz und Fischen zog, ein Ruch alter Häuser und fremdländischer Gewürze, die in ihnen lagerten. Von ihr soll erzählt werden, sie, die Untergegangene, soll noch einmal lebendig werden im Spaziergang unserer Gedanken, wie sie wurde und wie sie war und wie sie immer sein wird in unserer lebendigen Erinnerung“.

 

Das Manuskript dieser Sendung schrieb Hans Sattler.

 

Seite 9   Palmsonntag. Von Max von Schenkendorf

 

Mildes warmes Frühlingswetter!

Weh' mich an, du laue Luft!

Allen Bäumen wachsen Blätter,

Veilchen senden süßen Duft.

 

Zu des alten Domes Hallen

Hell und menschenreich der Pfad;

Frohe Botschaft hör' ich schallen,

Dass der Liebenskönig naht.

 

Eilet, geht ihm doch entgegen,

Wandelt mit ihm Schritt vor Schritt,

Auf den blutbesprengten Wegen

In den Garten, wo er litt.

 

Habt ihr auch die Mär vernommen.

Wie der Frühling mit ihm zieht,

Und im Herzen aller Frommen

Süßes Wunder schnell erblüht?

 

Kindlein stehn mit grünen Zweigen

Um den heiligen Altar,

Und die Engel Gottes neigen

Sich herab zur Kinderschar.

 

Blüht empor, ihr Himmelsmaien,

 Palmen, blüht aus meiner Brust,

Christi Wege zu bestreuen,

Der euch hegt in Lieb' und Lust.

 

Seite 9  Baumblüte an der Haffhütte. Eine heimatliche Erinnerung von Gerhardt Seiffert.

Zur Baumblüte an der Haffküste fuhr man mit der Haffuferbahn, die entlang des Ostufers des Frischen Haffs von Elbing bis Braunsberg ruckelte, pustete, zischte und pfiff. Es war kein Leichtmetall- oder moderner Gliederzug mit Speise- und Sambawagen oder sonstigen komfortablen Einrichtungen der Neuzeit. Unserem Haffuferbähnle haftete noch der Hauch romantischer Reisen an, mit seinen alten, aber freisichtigen Aussichtswagen war es fast ein Rückblick auf die Reiseweise um die Jahrhundertwende. Sie brauste auch nicht im Hundertkilometertempo dahin, sondern zockelte gemächlich durch die Haffniederung, und wenn es wirklich einmal flott ging, klapperten die Fensterscheiben. Aber man fuhr gut mit ihr, voller Gemütlichkeit und Beschaulichkeit, dass man sich ganz der Betrachtung der Natur widmen konnte.

 

Zu einer Seite die glitzernden Wellen des Frischen Haffes, die fast den Bahnkörper bespülten, zur anderen die grünlaubigen Buchenwälder der Elbinger Höhen, ging es entlang der weiten Binsenflächen der Haffkampen, vorbei an den kleinen Häfen der Haffziegeleien, hin zu den Hauptanziehungspunkten der Baumblüte an der Haffküste, nach Succase und Panklau und vor allem nach Haffschlösschen und Cadinen.

 

Hier waren die ganzen Höhen und Gärten ein einziges Blütenmeer, in sonnengoldener

Pracht, weißem und rosa Schimmer Baum an Baum. Ein Anblick voller Schönheit und Reinheit, ein Duft, betörend süß, bejubelt von der Vögel Lobgesang, umsummt von unzähligen Bienen, durchflattert von bunten Schmetterlingen. Fast glaubte man, in einem Stück des Gartens Eden zu sein.

 

Dazu eine feierliche Stille ringsumher, denn hier genoss man die Baumblüte in der den Ostpreußen eigenen Beschaulichkeit und Ruhe, ohne lauten Gesang und Festestrubel.

 

Auf den Höhen saß man auf einer einsamen Bank oder in einem der kleinen gemütlichen Kaffeegärten und ließ das Frühlingswunder tief in Herz und Seele ziehen.

 

Durch die blütenschweren Zweige blickten und glitzerten des Haffes Wellen, auf denen das weiße Leinen eines Seglers, eine frachtenschwere Lomme oder ein rauchender Dampfer ihre Bahn zogen.

 

Aus blauender Ferne grüßten der dunkelwaldige Nehrungsstreifen, das leuchtende Gelb der Dünen und die mit dem Horizont verfließende Weite der Ostsee.

 

Hier fand der Körper erquickende Ruhe, das Herz wohltuende Stärkung, die Seele naturverbundene Gläubigkeit.

 

So oft der Frühling den Bäumen neue Blüten schenkt, wandern die Gedanken voller Sehnsucht zur fernen Haffküste und grüßen Haff und See und Höhen, grüßen das liebe alte Haffuferbähnle und so manch vertrautes Plätzchen, an dem man einst zur Baumblüte mit heimatfrohem Sinne gesessen.

 

So schenkt uns auch heute noch jede Blüte der Heimat liebes, unvergessenes Bild, das im Herzen nie verblühen wird.

 

Seite 9   Eine eigenartige Berufszeremonie. Vom „Deponieren" und „Kaysern" der Königsberger Kaufburschen.

Von alten Handwerkszeremonien berichten uns recht viele Chronisten, von der Kaufmannschaft ist sehr wenig bekannt geworden, lediglich von den Spielen der Kaufleute in Bergen. Das „Deponieren" in Königsberg scheint etwas vom studentischen Brauchtum übernommen zu haben. Es geschah so, dass ein jeder ausgelernte Junge vor das Friedländer Tor geführt und an einen dort liegenden sehr großen Stein (offenbar ein Findling, seiner Größe wegen der „Kaiser" genannt) gestoßen wurde. Für dieses „Kaysern" hatte jeder Junge einen Taler zu zahlen. Kein Junge, auch nicht die Söhne der Kaufleute, waren davon befreit. „Erläutertes Preußen", Bd. I, S. 311, welche diese Tatsache mitteilt, erzählt auch, dass dem, der sich „vor anderen habe sehen lassen, und einige Taler eingeschrieben und selbige erleget" die Ehre widerfahren sei, dass die Gesellen dann den „Kayser" zuvor mit ihren Mänteln bedeckt hätten. So wird dann der Stoß an den Stein nicht gar so schmerzhaft und die Beulen nicht so stark gewesen sein.

 

Die erwähnte Quelle berichtet auch, dass die Zeremonien bei dem „Kaysern" — „unter andern" folgende gewesen seien:

 

1. Dass jeder vor dem „Kayser" im Vorübergehen den Hut abziehen und ihn also grüßen müssen.

 

2. Dass, wenn jemand am Kayser gestoßen, alle insgesamt haben Hand anlegen müssen.

 

3. Dass beim Kayserstoßen alle die Hüte ablegen und beym Kayser niederwerffen müssen. Wer hirwider gehandelt, ist gleich mit an den Kayser gestoßen, so dass auf einmal wol 3, 4 und mehr gekaysert würden". H. B.

 

Seite 9   Verwandtenbesuche aus den Ostgebieten erleichtert.

Die Erteilung von Einreisesichtvermerken für Verwandtenbesuche aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten, Polen, der Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien und Ungarn ist nach Mitteilung des Bundesinnenministeriums wesentlich vereinfacht worden. Nach der Neuregelung müssen die Angehörigen im Bundesgebiet bei der Ausländerpolizeibehörde ihres Wohnortes (Stadt- oder Kreisverwaltung) zwei Passbilder ihrer Verwandten vorlegen. Sie erhalten dann in kürzester Zeit eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Auf Grund dieser Unterlagen stellen die amerikanische Botschaft in Warschau und die französischen diplomatischen Vertretungen in den übrigen Ostblockländern, die dort die Interessen der Bundesrepublik vertreten, den Sichtvermerk aus.

 

Seite 9   Auswanderung lässt nach.

In dem Tätigkeitsbericht der Bundesregierung über das Jahr 1956 stellte der Vertriebenenminister fest, dass erst jetzt die Auswanderungszahlen für 1955 festliegen. Es seien insgesamt 43 730 Deutsche aus der Bundesrepublik ausgewandert; der Anteil der Vertriebenen betrug 36,2 Prozent. Es könne aber schon jetzt gesagt werden, dass 1956 weniger Deutsche ausgewandert sind.

 

Seite 10   Die Gallinatin / Von Charlotte Keyer.

Sie schien uns schon in unseren Kindertagen uralt, die kleine Frau Gallinat, obwohl sie zwanzig Jahre später genauso munter vor ihrem Laden saß wie damals. Das war gerade das Besondere an der Gallinatin, dass sie nicht in, sondern vor ihrem Laden hauste. Diesen kleinen Laden und die Gallinatin selbst betrachteten wir Kinder mit immer gleichbleibendem Interesse. Es war gar nicht möglich, dieses Interesse zu verlieren, da wir täglich darauf gestoßen wurden, lag doch eine Klasse unserer kleinen Privatschule über dem bunten Kramladen. Genau unter unserm Fenster hing ein großes Verkaufsschild, das einen pagenartigen Knaben mit weit aus der Stirn geschobenem Federhut zeigte, der aufrecht in einer Hängematte saß und in jeder Hand ein buntgefülltes Ballnetz hielt. Dieses Schild, auf das sie sehr stolz war, hatte ihr Sohn gemalt, der nach ihren Aussagen ein so großer Könner war, dass er sogar bei der Ausmalung des Charlottenburger Mausoleums mitgeholfen hätte. Man lächelte dazu und nahm an, dass es sich dabei wohl nur um den Fensteranstrich gehandelt haben könnte.

 

Die Gallinatin war eine kleine, rundliche Frau, die von dem ewigen Sitzen schon ganz krumm geworden war. Vielleicht war diese Rundlichkeit zur Hauptsache auch auf die vielen dicken Röcke und Jacken zurückzuführen, die sie übereinander trug. Da sie ja aber im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße wohnte, brauchte sie schon eine ordentliche Verpackung, die im Sommer dann ein wenig leichter und auch farbenfreudiger war. Über der ganzen wuchtigen Kleidasche trug sie eine breite Schürze, dazu ein graues Kopftuch, aus dem nur das derbe, immer muntere Gesicht mit der runden Kartoffelnase heraus sah. Hals und Genick aber versanken ganz in den wulstigen Falten des unter dem Kinn verschlungenen und hinten dick verknoteten Tuches.

 

Dass die arme Gallinatin Sommer und Winter vor ihrem Laden sitzen musste, konnte einem mitunter in der Seele leidtun. Aber es ging ja nicht anders, sie hatte nämlich in ihrem Laden keinen Platz. Wer diesen kleinen Laden nicht gesehen hat, weiß überhaupt nicht, was ein Kramladen eigentlich ist. Dieser aber war einer. Da gab es Wolle, helle, dunkle und grellfarbige; da gab es Hosenträger, Pantoffeln und handfeste Socken; da gab es Strauchbesen und Holzlöffel, Bindfaden, Wäscheleinen und Klammern, da gab es feuerrote Taschentücher mit großen gelben und weißen Nullen, da gab es Schmucknadeln mit kleinen Vögeln darauf, da gab es Ringe mit roten und blauen Steinen, und wenn die Dorfmädchen entschlusslos vor diesen Ringen standen, sagte die Gallinatin ermunternd: „Herzchen, nehmen Se die mit dem roten Stein, die haben de Marinersch so gern“. Da gab es so viel, dass die Gallinatin selbst nicht mehr wußsse, was sie besaß.

 

Ob sie nun ursprünglich die Befürchtung gehegt haben mochte, mit ihren guten Vorräten nicht zu reichen oder ob ihre Lieferanten unaufhörlich Ware schickten, die sie gehorsamst bezahlte, wer kann das sagen? Jedenfalls füllte sie ihren Kram immer wieder von neuem auf, ohne die alte Ware abgesetzt zu haben. Die aber schlummerte in tiefster mäuseseliger Verborgenheit unter dem stetig anwachsenden Berg neuer Dinge. Dieser quellende Berg stieg schräg bis zur Decke an, hatte längst Ofenwinkel und Wände in Besitz genommen, und unter seiner bunten Last quoll allmählich auch der Raum um das kleine Ladenfenster zu. Damals, als wir Kinder waren, hatte die Gallinatin wenigstens noch so viel Platz in ihrem Laden, dass sie bei Regenwetter auf einem Stuhl in der offenen Tür sitzen konnte und im Winter mit der Nase dicht hinter den befrorenen Türscheiben, die sie dann anhauchte, damit man sah, dass sie drinnen war. Aber es machte Freude bei der Gallinatin zu kaufen, und man war immer wieder von neuem erstaunt, dass sie sich in dem unvorstellbaren Durcheinander zurechtfand. Mitunter warf sie sich dann mit einem langen Stock, der oben einen Haken hatte, gegen den schrägen Berg und holte das Gewünschte vom höchsten Gipfel herunter. Es kam aber auch vor, dass sie das Verlangte nicht so rasch finden konnte. Dann bat sie mit beschwichtigender Stimme: „Trautste, kommen Se morgen! Ich werd' vorsuchen“.

 

In diesem aussichtslosen Ringen um Raum schien aber die bunte Wolle den ersten Platz zu behaupten; man hatte jedenfalls das atemraubende Gefühl, dass alle übrigen Dinge in Wolle untergingen und erstickten. Und obwohl die Gallinatin viel an die Bauern verkaufte, nahm der erdrückende Umfang des schrägen Berges nie ab; im Gegenteil, er wuchs mit so unheimlicher Stetigkeit, dass eines Tages die Gallinatin beim besten Willen keinen Platz mehr hatte, dass sie selbst buchstäblich aus ihrem Laden herausquoll und auf der Straße landete. Da saß sie denn, im Sommer stets freundlich und guter Laune, bei Sturm und Regen aber krumm und verdrießlich, ein trostloses Häufchen Unglück, unter einem großen Schirm neben der offenen Tür ihrer unergründlichen Schatzkammer. Der Türrahmen schien gottlob dem unheimlichen Wachsen des bunten Berges Einhalt zu gebieten; aber in Laufe der Zeit wanderten die guten Dinge hinter der Gallinatin her. Sie knüpfte sie an die hölzerne Hauswand oder schichtete sie neben sich auf. Abends wurde dann alles in den letzten freien Winkel hineingestopft und die schmalen Türflügel davor geschlossen. In den letzten Jahren aber ließen sich auch die Türen nicht mehr schließen und mit viel Umständlichkeit musste die Gallinatin, bevor sie ihre Schlafstelle aufsuchte, den Zugang verbarrikadieren.

 

Wer einen ostpreußischen Winter kennt, kann wohl ermessen, was die arme Gallinatin jahrelang auszuhalten hatte; allerdings machte sie ihren Laden bei ganz großer Kälte gar nicht auf.

 

Als sie dann als hochbetagte Frau starb und man gezwungen war, die verwunschene Schatzkammer von Grund auf auszuheben, sprach man noch wochenlang von den seltsamen Dingen, die man aus dunkler Versponnenheit zutage förderte. Manches Ding ließ sich jedoch bei diesem Ausgrabungsprozess nicht mehr bestimmen, weil der Zahn der Zeit unter eifriger Mithilfe von Ratten und Mäusen voll und ganz seine Schuldigkeit getan hatte.

 

Seite 10   Zuversicht – dennoch.

Aus dem unveröffentlichten Zyklus. „Flucht und Einkehr" von Fritz Kudnig.

I.

Zwischen Haff und Meer.

Gleich einer dunklen Betergeatalt

ragt droben, vom Winde gebeugt, der Wald.

Er scheint tief traumversunken, zu schaun,

wie das Haff und das Meer und der Himmel blaun;

wie drüben die Düne im leuchtenden Licht

mit Gott und mit Wolken und Winden spricht.

 

Zwei silberne Wolken im Abendbrand

ziehn, heimlich segnend, über dem Land.

Da fühle ich innig, voll Dank und gerührt,

dass auch mich eine heimliche Lichthand führt.

 

II.

Menschlichkeit.

Mutter! Multer! - ruft laut

ein Kind Irgendwo.

Viele, denen heut graut,

die rufen so.

 

Erde ward Hölle,

weil Teufel die Menschheit ward.

In Städten wie Steingerölle

die Toten man karrt.

 

Menschlichkeit? . . . Unter Trümmern

findet — vielleicht — man sie. —

Doch die Sonne scheint, und die Sterne schimmern.

Das Licht stirbt nie!

 

III.

Zuversicht.

Was sind zehn und hundert Jahre?

O — ein winzig Tröpflein Zeit.

Dass der Gott sich offenbare

und In alle Völker fahre,

braucht es einer Ewigkeit.

 

Gebt die Welt noch nicht verloren.

Wenn die Seelen heut noch blind,

auch die Blinden sind erkoren.

Gott wird denen erst geboren,

die im tiefsten Dunkel sind!

 

Fritz Kudnigs großangelegter Zyklus „Flucht und Einkehr", dem wir die vorstehenden Proben entnahmen, ist ein eindrucksvolles Gemälde unserer Zeit, unseres Schicksals, des Schicksals unserer Heimat, ein Aufschrei und ein Bekenntnis zu Gott und dem Leben — dennoch. Die Einzelnen Strophen sind Bilder, die der Dichter wie Mosaiksteine zu einem Ganzen zusammenlügt. Im ersten Teil ist er der Dichter der Ostpreußischen Heimat, wie wir ihn aus seinen beiden Gedichtbänden „Das Wunder am Meer" und „Land der tausend Seen" kennen; mit zarter Feder bannt er das Gesicht des Landes in so seine Verse. Im Mittelstück rafft er das Grauen des Krieges, der bombenzerhagelten Städte, den tausendfachen Tod, die Flucht zu mahnenden Skizzen — und zeigt sich uns in diesen Strophen von einer noch gänzlich unbekannten Seite. Im dritten mit „Einkehr" überschriebenen Teil ist er wieder ganz der Gott- und Sinnsucher, als der er sich bereits in „Gottes Lautenspiel" und „Seliges Gotteslied" auswies, der — trotz allem — Tiefgläubige, der uns die Worte zuruft: „Gott wird denen erst geboren, die im tiefsten Dunkwl sind!" Oder an anderer Stelle: „Schaffen ist der Sinn der Welt!" Kudnig ist ein Lebensja???, ein Bejaher auch des Leides, — wenn es uns läutert und uns zu uns selbst finden lässt. (??? Nicht lesbar).

 

Seite 10   Gedankensplitter. Von Johanna Ambrosius.

Wir leben, um zu leiden; doch beglückt sind wir, wenn es uns vergönnt ist, andern Schmerzen zu lindern.

 

Der Schmerz macht lebendig.

 

Wieviel des Schweren auch im Leben mich getroffen,

Ich lass nicht ab vom Glauben, Lieben, Hoffen.

 

Halte dich an Gott, er allein ist treu.

 

Der Riemen, den man sich selbst bindet, schneidet am tiefsten.

 

Hast du Zeit zu einer Bitte, so habe auch Zeit zu danken.

 

In der Wiege des Leidens wird die Seligkeit großgezogen. Johanna Ambosius. Gr. Wersmeninkenbei Lasdehmen Ostpreußen, d. 23. August 1897. (Handschrift der ostpreußischen Dichterin Johanna Ambrosius.

 

Seite 10   Wir blättern in neuen Büchern.

Hans Joachim Schoeps: Das war Preußen. Zeugnisse der Jahrhunderte. Eine Anthologie. Dr. Hans Peters Verlag, Honnef/Rh. 301 S. Gln. 12,80 DM.

Was war Preußen, ist es tot, lebt es noch unter uns weiter, könnte es im heutigen Europa noch eine Aufgabe erfüllen, und der Fragen mehr sind es, die gerade in letzter Zeit zu heftigen Diskussionen Anlass gaben. Da ist es gut, dass ein Buch wie das vorliegende erscheint, aus dem Preußen gewissermaßen selbst zu uns spricht, sich uns zeigt von allen seinen Seiten und in allen Phasen seines staatlichen, geschichtlichen und kulturellen Lebens. Hunderte von Dokumenten, Stimmen und Urteilen wurden von dem Herausgeber zusammengetragen und in fünfzehn Kapiteln zusammengefasst; sie stellen den Versuch dar, „ein Gesamtbild Preußens zu vermitteln" und wollen, da sie auch die Schattenseiten nicht verschweigen, für „Gerechtigkeit in der Urteilsbildung" werben. Dass dies im weitesten Maße gelungen ist, muss dem Herausgeber bestätigt werden. Das Buch wird mithelfen, die verschwommenen und verzerrten Vorstellungen zu beseitigen, mit denen der Begriff Preußen belastet ist. vT

 

Herta Burmeister: Ostseekinder. Roman in zwei Teilen. Kronos-Verlag, Dinkelsbühl. 309 S., 10 Abbildungen. Gebunden 9,60 DM, Brosch. 7,80 DM. Auslieferung Herta Burmeister, Münster Westf., Sauerländerweg 23.

Die Baltin Herta Burmeister hat mit diesem ihren neuen Werk einen Roman geschrieben, der das ganze Ostseegebiet — angefangen von der Kieler Förde über die Mecklenburger und Pommerschen Küstengebiete, über Ostpreußen, die Bernsteinküste, die Nehrung bis hinauf in die Baltischen Provinzen — zum Schauplatz hat. In die Handlung hineingezeichnet, gewissermaßen als Hintergrundstickerei Bilder aus Geschichte und Kulturgeschichte dieses Raumes. Die Handlung selbst, nicht ohne Spannung, spielt in den Jahren 1938 - 1952. Diese zeitliche Begrenzung lässt die Schicksale erahnen, die vor die Augen des Lesers beschworen werden. Man spürt das Bestreben der Autorin, das Schöne des Erlebnisses Heimat, aber auch das Schreckliche, das 1945 über sie hereinbrach, festzuhalten und vor dem Vergessen zu bewahren. Man kann diesen Roman mit gutem Gewissen vor allem jungen Menschen als Lektüre empfehlen. vT

 

Wolfgang Altendorf: Landhausnovelle. C. Bertelsmann Verlag. Gütersloh. „Das kleine Buch", Band 98. 80 S. 2,20 DM.

Wolfgang Altendorf, unseren Lesern kein Unbekannter, greift in dieser Novelle mutig hinein in die tragischen Verstrickungen des Lebens, wie er überhaupt immer dort seine Themen sucht, wo es gilt, das Innerste der menschlichen Seele bloßzulegen, durch die vielen Schalen auf den Kern durchzustoßen. Altendorf ist kein Schönschreiber und Beschreiber; aber was er gibt, ist Leben, wirkliches Leben, wie es immer und überall um uns geschieht. Der Schauplatz dieser Novelle ist ein verrufenes Landhaus in einem einsamen abgelegenen Eifeltal, erbaut über dem Grab eines Erschlagenen und einem ungelösten Geheimnis. Die heutigen Menschen leben darüber hin, und wie vor Jahrhunderten sind sie verstrickt in Schuld und Mitschuld, und wie vor Jahrhunderten bleibt ein Rest Geheimnis: rätselhafte Wiederkehr alles Geschehens, des Guten und des bösen. ch

 

Wilhelm von Scholz: Bilder und Gestalten.. Balladen. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh. „Das Kleine Buch", Band 88. 80 S. 2,20 DM.

Neben Agnes Miegel ist Wilhelm von Scholz einer der letzten Vertreter einer Kunstform, die angeführt von Bürger, Schiller und Chamisso einen breiten und gewichtigen Raum in der deutschen Literatur einnimmt: der Ballade. In Wilhelm von Scholz gelangt sie noch einmal zur vollen Blüte, bevor sie vielleicht — ich hoffe es nicht — endgültig an die Vergangenheit fällt. Dass die Ballade als literarische Kunstform, als eines der eindringlichsten Ausdrucksmittel, jedoch durchaus auch heute noch ihre Existenzberechtigung hat, beweist diese Auswahl aus dem Früh- und Spätwerk des Dichters. Ob nun der „Held" einer Ballade eine historische Gestalt ist — wie in „Hagen" oder in „Casanovas Tod", ob es sich um prototypische Standesgruppen handelt — wie etwa in den „Mönche", „Raubritter" oder „Der Bischof" betitelten Arbeiten, oder ob es sich um allgemeine Modellsituationen handelt, wie z. B. in „Der Blinde", „Der Friede" und „Die Flucht": stets gelingt es dem Autor mit einer teils einfachen, teils komplizierten Form dem jeweiligen Vorwurf Gestalt zu geben und ihn so konzentrierter und eindringlicher darzustellen als das mit prosaischen Mitteln möglich wäre. Alle diese Balladen sind Beispiele für die Lebensfähigkeit dieser in Misskredit gefallenen Kunstform wenn sie — wie in Wilhelm von Scholz — ihren Meister findet.

 

Gerhard Riedel: Das dritte Jahr. Sechs Erzählungen. Verlag der Hassold-Gemeinde, Augsburg. 136 S. Gln. 7,90 DM.

Mit diesem Band Erzählungen stellt sich der heute 25-jährige Gerhard Riedel zum ersten Mal auch als Erzähler vor; dieser Veröffentlichung sind vier Gedichtbändchen („Der herzliche Kreis", „Die reine Gestalt", beide im Verlag Eremiten-Presse, Frankfurt; „Wilder Flieder", Sudetendeutscher Europaverlag, Freiburg; „Schweige und sieh...", Martin-Verlag, Buxheim) vorausgegangen; als Herausgeber legte Riedel 1956 eine Anthologie jüngster deutscher Lyrik vor („Abseits der Straße", Martin-Verlag, Buxheim). Nun überrascht er mit diesen Erzählungen; aber er kann auch hier — dies sei vorweggesagt — den Lyriker, der er von Natur aus ist. nicht verbergen. Es sind Prosagebilde von einer traumhaften lyrischen Zartheit; in Pastelltönen auf Seide gezeichnet, wäre ein naheliegender Vergleich. Er erzählt von Blumen und Liebe, von der Not junger Herzen, vom rauschenden Fluss und den Spiegelbildern der Uferbäume, stets wechselnd in Farbe und Formen. Hauchzart die chinesische Fabel „Lu-Sün", die vom Wunder des Schenkens spricht, und die er ausklingen lässt: „Lass uns Reis zwischen die Finger nehmen und die Nacht grüßen mit dem Wort vom Reis und vom Herzen". Der Briefform bedient sich Riedel in der Erzählung „Die Antwort", und die Erzählung „Gudrun" lässt er einen Jungen Bauern als Tagebuch schreiben; als prosalyrischen Zyklus zeichnet er „Das dritte Jahr", das dritte Jahr einer jungen Liebe, wie es in dieser Zartheit, Behutsamkeit und Zerbrechlichkeit nur von einem Dichter empfunden werden kann. Wagt man sich an diese Erzählungen Riedels, so darf man keine Sensationen und spannungsreichen Begebenheiten erwarten, man muss bereit sein, sich den Wundern des Einfachen zu neigen, dann werden uns diese Erzählungen wie Harfentöne anmuten, die noch lange über der Landschaft und in uns fort klingen. ejk

 

Seite 10   Ostdeutsche Monatshefte. Herausgegeben von Carl Lange. 23. Jahrg., Heft 6. Helmut Rauschenbusch Verlag, Stollhamm (Oldb.). Einzelheft 2,50 DM (viertelj. 7,-- DM).

Die Ostdeutschen Monatshefte, auf deren Wiedererscheinen und dankenswerte Weiterführung einer großen Tradition wir unsere Leser bereits ausführlich hinwiesen, haben In ihrer letzten Ausgabe (März) vor allem der jüngeren Schriftstellergeneration aus dem deutschen Osten breiten Raum eingeräumt, was umso dankenswerter ist, als der Nachwuchs sich noch kein eigenes Forum zu schaffen vermochte. Gerhard Riedel — selbst Lyriker von großem Können — versucht in seinem Aufsatz „Schöpferische Ferne" eine Deutung der jungen deutschen Vertriebenendichtung; wir finden darin zitiert eines der schönsten Gedichte aus der Feder der jungen Königsbergerin Tamara Ehlert „Wind im April", ein Zeugnis, wie Riedel sagt, „des seelischen Zurückgefundenhabens". Klaut Pawlowski, der junge gebürtige Danziger (Jahrgang 1935), überrascht mit zwei neuen Gedichten, die eine erfreuliche und hoffnungsvolle Weiterentwicklung im Vergleich mit früheren Arbeiten erkennen lassen und ein im Kommen befindliches Talent verraten. Von Gerhard Riedel (Jahrgang 1932) sind fünf Gedichte aus seinem unveröffentlichten Zyklus „Verwehte Spur" aufgenommen. Gedichte finden wir auch von den vier Grenzlanddeutschen des Bändchens „suchen und bekennen" (Bogen-Verlag, München-Stuttgart): Herbert Wessely, Hans Christ, Rolf Nitsch und E. J. Knobloch. Letzteren auch mit seiner Kindheitserinnerung „Die verzauberte Prinzessin und ihr Ritter" vertreten. Es wäre ein sehr dankenswertes Unternehmen, den „Jungen" neben den klangvollen Namen eines Wilhelm von Scholz, Heinrich Zillich, Walter Meckauer, Walter von Molo, einer Ina Seidel und Edith Mikeleitis (um nur einige der Mitarbeiter zu nennen), gleichsam in ihrem Schutze, gebunden an das Erbe des deutschen Ostens den Wurzelgrund zu geben, den, alles Lebendige braucht, um hinauszuwachsen, über sich hinauszuwachsen und Frucht zu tragen. Wir wissen, dass Carl Lange seine segensreiche und anerkennenswerte publizistische Mission nie anders verstanden hat. tt

 

Baron X

Auf der Jagd hatte der Baron X die vor einem Waldstück grasende Kuh eines Häuslers für einen Hirsch gehalten und tatsächlich getroffen. Der Besitzer ging zum Herrn Verwalter und verlangte — zum mindesten — eine neue Kuh. Der Verwalter trug die Angelegenheit seinem Herrn vor und empfahl gütliche Regelung. Der Baron: „Haa'm wir Kühe?" — „Jawohl, Herr Baron, siebenundneunzig“. — „Man ree—iche ihm ee—ins“.

 

Kant und die Frauen.

Der große Philosoph aus Königberg stellte einmal die These auf: „Eine Frau soll sein und soll nicht sein wie eine Schnecke. Eine Frau soll sein und soll nicht sein wie eine Stadtuhr. Eine Frau soll sein und soll nicht sein wie ein Echo".

 

Diesen Satz begründete Kant folgendermaßen: „Eine Frau soll ebenso häuslich leben wie eine Schnecke unter ihrem Dache; aber eine Frau soll nicht sein wie eine Schnecke, das heißt, sie soll nicht überall herumkriechen. — Eine Frau soll sein wie eine Stadtuhr, zuverlässig und musterhaft; aber sie soll nicht sein wie eine Stadtuhr und allerorts gehört werden. — Eine Frau soll sein wie ein Echo und ohne Übertreibung treu und wahr nur das Gehörte wiedergeben; sie soll jedoch nicht sein wie ein Echo, das nur stets und überall sich selbst hört!"

 

Als berufene Mittler der Deutschen zwischen Ost und West erscheinen wieder Ostdeutsche Monatshefte. Herausgeber: Carl Lange.

Die Ostdeutschen Monatshefte werden im alten Geist ihre neuen in der Gegenwart noch bedeutsameren Aufgaben wieder aufnehmen und erscheinen ab Oktober 1955 im 22. Jahrgang. Jährlich 12 Hefte - Reich bebildert. Jedes Heft für sich abgeschlossen. Bezugspreise: Einzelheft DM 2,50, vierteljährlich DM 7,--. Bestellungen nimmt jedes Postamt entgegen. Helmut Rauschenbach Verlag Stollhamm (Oldb.)

 

Seite 10   Deutsche  Brüder in Not.

Liebe Landsleute, unterstützt durch euren Beitrag den Kultur- und Volkstumskampf der deutschen Südtiroler Bevölkerung. Was Volkstumskampf bedeutet, wissen unsere Landsleute aus den Abstimmungsgebieten und dem Korridor-Gebiet. Er bedeutet: Kampf um jede Schule, um jeden Kindergarten. Ja um jedes deutsche Buch In den Schulbibliotheken.

 

Helft, wo deutsche Brüder In Not!

Werdet Mitglied des Bergisel-Bundes, des Südtiroler Schutzverbandes!

Beitrag für Freunde: DM 0,20 monatl.

Beitrag für Förderer: DM 2,-- monatl.

 

Beitrittserklärungen und Zahlkarten erhältlich bei:

Bergisel-Bund, München 23, Schließf. 263

 

Seite 11   Zeichnung: Winfred Gaul, Kreuzigung (Applikation)

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Panzersperre / Erzählung von Wolfgang Altendorf.

Das Gewehr war viel zu schwer für ihn. Der Kolben schlug ihm bei jedem Schritt in die Kniekehle. Der Gefolgschaftsführer, der immer einige Meter voraus ging, besaß eine Maschinenpistole. Klaus beneidete ihn darum, umso mehr, als er merkte wie stolz der Gefolgschaftsführer auf diese Waffe war.

 

Hinter der Straßenkurve, etwa siebenhundert Meter vor dem Dorf, war die Panzersperre. Der Unteroffizier kam ihnen entgegen. „Na endlich", sagte er. „Ich warte schon mehr als eine Stunde auf die Ablösung“. Er rief seine Soldaten zusammen. Es waren fünf Leute, und Klaus musste einen von ihnen immerzu ansehen. Er sah aus wie sein Vater. Die Ähnlichkeit war süß und schmerzlich. Aber der Vater war ja schon beim Frankreichfeldzug gefallen.

 

„Die Panzer können nur die Straße heraufkommen", erklärte der Unteroffizier. Er deutete auf die flache, ausgeworfene Mulde, in der die sechs Panzerfäuste lagen. „Kann einer von euch damit umgehen?"

 

„Ich bin in der Panzervernichtung ausgebildet", sagte der Gefolgschaftsführer hastig. Man merkte, dass er den Unteroffizier und die fünf Soldaten los sein wollte. „Sonst noch irgendeine Frage?" Der Unteroffizier nahm seinen Stahlhelm ab und setzte seine Feldmütze auf. Der Gefolgschaftsführer schüttelte den Kopf. „Heh, wie alt sind eigentlich diese Kinder da?" fragte einer der Soldaten. Der Gefolgschaftsführer wurde rot. Er antwortete nicht. „Los, ab marsch!" rief der Unteroffizier.

 

„Ich bin vierzehn Jahre alt“, dachte Klaus, aber ich sehe wie sechzehn aus, das sagen alle. Ich war der größte in der Klasse. Im Winter bin ich ja noch zur Schule gegangen“. Aber das war schon lange her. Er konnte sich kaum noch daran erinnern. Da war der Augenblick, wo der Bannführer ins Städtchen gekommen war. Er hatte zwanzig Mann aus der Gefolgschaft ausgewählt. Sieben davon waren am anderen Morgen auf dem Schulplatz erschienen Mutter hatte geweint, aber sie war zu schwach für jeden Widerstand. „Wer von euch morgen früh nicht erscheint", das hatte der Bannführer gesagt, „der kommt vor ein Kriegsgericht, und die fackeln nicht lange“.

 

Den ganzen Abend hatte die Mutter wie unter einem Zwang vom Vater erzählt. Er war in Verdun gefallen. Verdun? Nein, das war nicht im ersten Weltkrieg gewesen. 1940 war er gefallen, aber ebenfalls in Verdun. Dabei hatte man eigentlich nichts von Kämpfen dort im Radio gehört. Trotzdem war er gefallen. In Verdun.

 

Sie waren auf Lastwagen weit zurückgefahren in ein Lager. Die Ausbildung war kurz gewesen. Klaus wusste, wie man ein Gewehr sauber hielt, wie man es lud, wie man den Kolben fest in die Schulter drückte, dass der Rückstoß schwer und schmerzhaft war, und dass jeder vor ein Kriegsgericht kam, der die Truppe ohne Erlaubnis verließ. Nun war es schon nicht mehr das Kriegsgericht. Nun kam man sofort vor ein Standgericht. Das hatte der Gefolgschaftsführer kurz vor dem Abmarsch bekanntgeben.

 

Der Gefolgschaftsführer war über die Panzersperre geklettert. Er winkte Klaus, und er winkte auch Peter. Er deutete auf eine Stelle, und sie mussten da für ihn ein rundes Schützenloch ausgraben. Von hier aus wollte er mit den sechs Panzerfäusten auf die russischen Panzer schießen, wenn sie nur kamen.

 

Das Städtchen lag weit vor ihnen im Osten. Es war längst von den Russen eingenommen worden. Von der Mutter hatte Klaus nichts mehr gehört.

 

„Es war still, und die Sonne schien warm. Sie schien eigentlich zu warm für die Jahreszeit. Aber die Straßenbäume waren noch kahl. Es waren harte, geduldige Bäume, die sich Zeit nahmen. Drüben am Hang schimmerten die Büsche bereits grün.

 

In der Nacht begann es dann. Sie hörten ein seltsames, scharrendes Geräusch auf der Straße. Der Schatten des ersten Panzers stand plötzlich in der Mulde vor ihnen. Es schoss. Es klang hart, zischend, reißend. Die Leuchtspur fegte glühend über sie hinweg, der Geschossknall peitschte. Dann schlugen Granaten ein, unerträglich hart detonierten sie, metallisch sirrend. Es war so ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Wie die Zähne einer Kreissäge fraß es sich durch die Dunkelheit. Man konnte ihm nicht entrinnen. Klaus sah, wie sich der Gefolgschaftsführer vorne in seinem Schützenloch aufrichtete, wie er etwas plumpes in Anschlag brachte. Erst später entsann er sich, dass es eine der sechs Panzerfäuste gewesen sein musste. Aber ehe er zum Schuss kam, schlug eine Lohe vor ihm auf, und sie verschlang seinen Schatten. Da hörte er auch Schreie. Und nun rollte der Panzer heran. Er schoss die Sperre in Fetzen. Die Balken sprangen hoch, der Eisenträger bog sich auf, und überall krachten und sprangen Granaten auf.

 

Klaus kam erst wieder zur Besinnung, als er durch die dunkle Dorfstraße lief. Das Gewehr schlug ihm nicht mehr in die Kniekehle. Er wusste nicht, wo es geblieben war. Er wusste überhaupt nicht, was mit ihm geschehen war. Die Schüsse klangen weit entfernt. Sie klangen nun so, wie er es sich immer vorgestellt hatte: weich, verlockend. Aber er wusste es längst besser. Er wusste, dass es nichts gab, was man den harten, zischenden, reißenden Geschossen entgegensetzen konnte.

 

Er lief, stolperte und marschierte dann die halbe Nacht. Oft versteckte er sich vor abgeblendeten Scheinwerfern in irgendeinem Gebüsch. Das Standgericht war unterwegs. Es war überall.

 

Schließlich ging es einfach nicht mehr. Er war müde, die Füße schmerzten. Er hatte Hunger.

 

Soldaten nahmen ihn in einem Lastkraftwagen mit, gaben ihm zu essen, wunderten sich über ihn, lachten mit ihm. Als es heller Tag war, setzten sie ihn in einer Stadt ab. „Sieh zu, dass du zu Muttern kommst!" riefen sie ihm noch nach.

 

Hier waren die Schüsse nicht mehr zu hören. Aber sie klangen in ihm selbst. Sie würden immer in ihm selbst weiterklingen. Und die Mutter?

 

Die Stadt war nicht groß, die Läden der Geschäfte geschlossen. ‚Es ist heute Sonntag‘, erinnerte sich Klaus. Was war das: Sonntag? Er lief durch die Straßen, aber er wusste nicht, wohin. Alles war fremd und bedrohlich. Es war so still nach allem Lärm, der in ihm weiterklang, dass es wie eine Bedrohung auf ihn wirkte. Plötzlich hörte er Schritte. Und da sah er die drei Männer. Die Brustschilder blinkten in der Sonne. Feldgendarmerie! Die Streife —! Das Standgericht kam. Es war ausgeschickt, ihn zu suchen.

 

Aber da hörte er noch etwas, sehr nah, aber gedämpft. Es klang wie eine Erinnerung, vertraut, beschützend. Er rannte auf das Portal der kleinen Kirche zu. Die Kirche —! Niemand durfte sie betreten, der es nicht ernst meinte mit seinem Willen zu Gott.

 

Als er die gepolsterte Tür öffnete, überfluteten ihn die Klänge der Orgel. Er hörte den Gesang, der mächtig auf ihn eindrang. Die Schüsse in ihm verhallten.

 

Der Küster entdeckte den Jungen in der hintersten Bank. Er verständigte den Pfarrer, und sie trugen ihn in die Wohnung des Pfarrers. Als er die Augen aufschlug, war lange Zeit vergangen. Er lag in einem Bett, und eine fremde Frau saß bei ihm am Bett. Der Doktor war dagewesen, aber dies erfuhr er alles viel später. Sie kannten seinen Namen, denn sie hatten seinen Mitgliedsausweis in der Uniform gefunden. Sie wussten, woher er stammte. Aber von dem, was mit ihm geschehen war, wussten sie noch nichts. Ruhe, Geborgenheit, Nestwärme, das hatte der Doktor verschrieben, und dieses Haus war wie eine Insel. Wenn die Schüsse wieder in ihm aufklangen, wurden sie durch eine weiche, streichelnde Hand verscheucht. Es war die Hand der Mutter. Aber die Mutter hatte ein fremdes Gesicht, nur die Augen waren dieselben.

 

Tage später erfuhr der Pfarrer alles von ihm. „Unsinn“, sagte er. „So verrückt ist die Welt nun doch nicht, dass sie Kinder vor ein Standgericht bringt“.

 

Der Gefolgschaftsführer hatte es gesagt, und eine helle Lohe hatte ihn verschlungen.

 

Vierzehn Jahre war er alt, und nun wusste er auch, dass er eigentlich noch zur Schule gehen musste. Im Winter hatte er noch in der Bank gesessen und fast zwei Jahre lang hatte er auch am Konfirmandenunterricht teilgenommen, dort, im Städtchen, das von den Russen längst besetzt war, wo seine Mutter wohnte, von der er nichts wusste. In die Kirche waren ihm die drei Soldaten mit den blinkenden Brustschildern nicht nachgefolgt.

 

„Ich werde ihn konfirmieren in vierzehn Tagen, zusammen mit den andern", sagte der Pfarrer zu seiner Frau. „Ich glaube, das ist für ihn, gerade für ihn so wichtig. Sie haben ihn aus seinem Leben herausgerissen. Er darf nun nicht allein bleiben mit dem was ihm zugestoßen ist. Wir müssen ihm helfen, mit allem, was uns gegeben ist. Wir sind verantwortlich für ihn“.

 

Und dies war der Spruch, den ihm der Pfarrer am Tag der Einsegnung gab:

 

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens;

ergreife das ewige Leben, dazu auch du

berufen bist und bekannt hast ein gutes

Bekenntnis vor vielen Zeugen“.

 

Seite 11   Wind im April. Von Tamara Ehlert

Der Wind hat das Wasser kraus gemacht,

allen Fohlen

das kurze Fell durcheinandergebracht

und das Gras verknüllt.

Zwischen flatternden Wäschestücken

neigt sich ein Mädchen verstohlen

dem Wasser zu,

sucht sein Spiegelbild —

da tanzt es verschwommen,

ganz sacht

hat das Wasser es mitgenommen

und dem Wind geschenkt.

Auf schwerem Schuh

schlurft ein alter Mann zum Bach,

wo die Kinder Huflattich pflücken,

den stecken sie sich ins Haar.

Der Alte denkt: — Wir bekommen ein gutes Jahr –

Und sieht den streunenden Wolken nach ...

 

Seite 11   Emil Merker: Nehmet hin und esset.

Wenn im ersten Frühling wieder die Blumen, diese Unschuldigen, ihre vertrauensvollen Augen aufschlagen, die Erde so stark und trächtig riecht, der Wind so weich und erregend daher stößt, dass man ihm tiefatmend das nackte Gesicht geschlossenen Augs entgegenhält, überfällt mich die Erinnerung an jenes österliche Kindheitserlebnis, das mir in einer mystischen Logik immer seltsamer scheint, je älter ich werde. Ich war damals ein Bub von ungefähr sechs Jahren, also sozusagen an der Schwelle des Bewusstwerdens, wo jeder Tag eine neue Türe zu dem so unfassbar herrlichen und schrecklichen Geheimnis Leben auftut.

 

Eines Morgens, der Wind hatte die ganze Nacht ums Haus gefaucht, empfing den Erwachenden zum schweren Klang der warnenden Kirchenglocken die Nachricht, Hochwasser komme, die Leute am Bach hätten schon ausgeräumt, man zimmere bereits einen Notsteg vom Ober- zum Niederdorf. Ein paar Bissen, dann war ich schon zum Hof hinausgewischt — und rannte.

 

Ja, es war so. Unser im Sommer versiegender Bach war ein breites, lehmfarbenes Geflute, die hohle Pappel, sonst ein gut Teil vom Ufer weg, stand mitten darin, mitgerissene Stücke der Böschung trieben als schwimmende Inseln tanzend vorüber, da und dort ein Balken, eine Planke. Leute rannten hin und her, mit Schutz- und Rettungsarbeiten beschäftigt, riefen schreiend einander unverständliche Worte zu, die der noch immer jaulende Sturm von den Mündern fetzte. Da überkam es auch mich, ich schrie und randalierte und warf die Arme hoch und tanzte und sang und johlte in das Getöse. Ich hätte von Weltuntergang und jüngstem Gericht gehört und glaubte ihn angebrochen.

 

Zu Haus empfing mich eine nicht minder erregte Geschäftigkeit, die aber nicht durch die Wassersnot ausgelöst war, denn wir wohnten an höher gelegener, ungefährdeter Stelle. Die Kirchvaterin, die Ziegenwehmutter, eine ob ihres strengen Gesichtes und ihrer an Mensch und Tier geübten Zauberheilpraktiken von uns Kindern geschaute Alte, war da und gab vom Stall aus ihre barschen Weisungen. In der Stube am Herd aber stand ein großer, mit einem Tuch bedeckter Korb, in dem es bereits zappelte und meckerte. Und schon kam die Mutter mit einem zweiten ,Hippl' im Arm herein und bald danach auch noch mit einem dritten.

 

Diese Drei waren in den folgenden Wochen für mich täglich neu angestauntes Wunder. Beglückung ja auch. Ihr possierliches Gehopse, ihr dummkluges Geschaue, die Zutraulichkeit, mit der sie an meinen Fingern zupften, ob es nicht auch milchgebende Zitzen seien, brachte mich oft aus Rand und Band, dass ich im Purzelbaum durch das Gras schoss, den Hang hinab — ohne aufzuhören. Die Welt wankte und schwankte um mich in wirbelnden Kreisen, wenn ich unten anhielt. Aus diesem Anstaunen der Kreatur aber wuchs im Handumdrehen eine so unzähmbare verrückte Liebe, dass ich mit den Dreien im Stall schlafen wollte und mich mit Händen und Füßen sträubte, wenn ich in mein Bett in der Stube geholt wurde.

 

Noch etwas gehörte zu jenen Wochen: die schauernd kalte Kirche, wohin mich die Mutter ab und zu mitnahm. Ihre Bilder und Zierate waren geheimnisvoll mit violetten Tüchern verhängt, dass man meinte, hinter jedem begebe sich Unerhörtes. Die Mutter aber bereitete sich ernst und wortkarg auf die österliche Beichte und Kommunion vor. Ich drang in sie, ich möchte auch ...

Sie lächelte flüchtig. Das gehe nicht, ich hätte noch keine Sünden. Sie sagte es mit scherzlich hartem Tonfall, aus dem ich den bitteren Vorrang der Erwachsenen mit Schauder und Neid empfand. Doch zu der Kommunionsmesse nahm sie mich mit, raunte mir zu, indes still auf meinem Platz zu bleiben und ging dann über die hallenden Fliesen bis vor zum Altargitter, wo sie niederkniete und die Hostie empfing. Ihr Gesicht war bleich und feierlich, als sie zurückkehrte. Sie erklärte mir auf dem Heimweg: ‚Nehmet hin und esset', habe Christus beim Abendmahl zu den Jüngern gesagt, denn dies ist mein Leib'.

 

„Mutter", fragte ich entsetzt, „den lieben Herrn Jesus essen?"

 

„Ja", antwortete sie, die Zudringlichkeit meiner Frage abwehrend, „dass man ganz eins mit ihm werde, an Leib und Seele. Das verstehst du noch nicht. Aber man muss nicht alles mit dem Verstand verstehen wollen. Er wohnt, nachdem wir ihn in der Hostie empfangen, in uns“.

 

„Immer?"

„Bis wir wieder sündigen“.

 

Zwei der Zickeln wurden verkauft. Das war furchtbar. Ich umhalste sie und schluchzte in ihr Fell, als sie abgeholt wurden. Das dritte aber, das kleinste, ja damit ging es noch grauenvoller. Ich versteinte vor Schreck, als ich erfuhr, es solle geschlachtet und am Ostersonntag gegessen werden. Innerlich wie gelähmt umschlich ich den Stall, entschlossen, mich dazwischenzuwerfen, wenn ich hören würde, dass es geschehe. Es entging mir dennoch. Aber in der Dämmerung des Karsamstags, während die Auferstehungsproprozession durch das Dorf zog, stieß ich, ich weiß nicht, aus welchem Anlass, die Tür zum Schuppen auf: da hing die enthäutete blutige Leiche an einem Balken.

 

Ich war wie in einem Taumel. Grauen, Ekel würgte mich. Ich hätte schreien mögen, immerzu, ohne aufzuhören. Ich vermochte es nicht, ich blieb stumm. Ich rührte mich nicht von der Stelle, stand nur und starrte auf das Grässliche, das mir da nackt entgegengrinste.

 

Und dennoch, andern Tags zu Mittag — aß ich davon; wenn auch mit zitternden Händen und Schweiß auf der Stirn. Etwas in mir wurde dabei vergewaltigt, ans Kreuz geschlagen. Mit bebenden Lippen sagte ich mir: Der Herr Jesus hat befohlen .Nehmet hin und esset ... !'

 

Was ich da murmle, fragte die Mutter, aber ich antwortete nicht.

 

Und dann kam das nicht minder Seltsame: dass es plötzlich in mir aufblühte, eine lichte, lächelnde, ja verklärte Fröhlichkeit. Als hätte ich die unio mystica, das Geheimnis der Wandlung und Auferstehung erfahren. Die unverstandenen Worte der Mutter regten sich wohl in mir. Ich hatte von ihm gegessen, ich trug den Kleinsten, Liebsten in mir, ich barg etwas von seinem Leib in dem meinen, ich war er.

 

Ich rannte auf die Wiese hinaus, auf der ich so oft mit den Dreien umhergetollt war, ich bemühte mich, ihre drolligen Luftsprünge zu machen, meckerte zwischendurch, biss vom Grase ab und kaute ein paar Halme.

 

Hätte ich der Mutter zu sagen vermocht, was da verworren in mir durcheinanderbraute, sie hätte es wohl voll Unmut als etwa Ungehöriges verwiesen. Mich aber dünkte es heilig.

 

Später lernte ich — Gott sei's geklagt, wie sehr — auch das Sündigen; und erfuhr auch die Beichte, erfuhr das Mysterium der Eucharistie. Lernte auch in den Naturwissenschaften das unfassliche Geheimnis des Essens, des sich einverleibens, kennen, das den Tod der brüderlichen Kreatur fordert, um das eigene Leben aufzubauen.

 

Und immer wehte mich dabei wie ein flüchtiges Lächeln die Erinnerung an jenes Kindheitserlebnis an.

 

Seite 12   Erheblicher Rückgang in der Landwirtschaft. Von 1198 Zuchtstieren heute nur noch fünfzig.

Der Viehbestand und die Getreideerträge sind in der Weichselniederung gegenüber früher beträchtlich zurückgegangen, stellt die rotpolnische Zeitung „Gromada-Rolnik Polski" in einer Artikelserie über die Zustände in der Landwirtschaft der Danziger und Elbinger Niederung fest. Die Zeitung erläutert an Hand einer Reihe von Vergleichen diese Feststellung. So seien „einst" jährlich 1198 Zuchtstiere in der Weichselniederung gezüchtet worden, heute seien es nur fünfzig; früher fielen jährlich 8270 Zuchtkühe an, heute sind es höchstens 200. Hinsichtlich des Getreidebaues weist die Zeitung darauf hin, dass früher die Ernten um 12 000 t größer waren, obgleich man in der Niederung Getreide auf einer um 10 000 Hektar kleineren Fläche anbaute.

 

An einer anderen Stelle wird als Beispiel für die stark abgesunkenen Erträge das Staatsgut Klein-Wickerau bei Elbing angeführt; hier wurden nur 3,8 Doppelzentner Weizen je Hektar geerntet. Wörtlich schreibt die Zeitung: „Ähnlich niedrige Hektarerträge bei Getreide und sogar noch niedrigere, die bei 1 bis 2 Doppelzentner je Hektar lagen, hatten auch andere Staatsgüter aufzuweisen, wie z. B. Ellerwald, Terranowa und andere“.

 

Im Verlauf einer Untersuchung der Gründe für diesen katastrophalen Niedergang des einst wegen seines landwirtschaftlichen Reichtums bekannten Niederungsgebietes an der Weichselmündung stellt die Zeitung fest, dass es vor allem an Menschen und entsprechenden Maschinen fehle. So besäßen die Traktoren nicht den bei der Schwere des Bodens erforderlichen Raupenantrieb, was z. B. bei den Staatsgütern bei sechzig Prozent der dort vorhandenen Traktoren der Fall sei. Je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche seien auch nur rund zwölf Arbeitskräfte verfügbar, während mindestens 23 benötigt würden. Auch ließe die fachliche Eignung der Landarbeiter und sogar der leitenden Angestellten zu wünschen übrig. Von vierzehn Direktoren von Staatsgutgemeinschaften hat keiner ein landwirtschaftliches Studium absolviert, nur die Hälfte kann eine abgeschlossene höhere Schulbildung vorweisen.

 

Von 127 Staatsgutleitern haben sogar 62 keinerlei Schulbildung genossen. Die Heranziehung neuer Arbeitskräfte scheitere vor allem daran, schreibt die Zeitung hinsichtlich der Aussichten einer Änderung des landwirtschaftlichen Niedergangs des „Landes der vergeudeten Hoffnungen“, dass es an Wohnungen und Trinkwasserbrunnen fehle.

 

Land- und forstwirtschaftliche Vermögensverluste.

Bis Ende September 1956 wurden 837 000 Verluste an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen zur Schadensfeststellung angemeldet. Von diesen Meldungen entfallen 43% auf die Heimatvertriebenen, die früher östlich der Oder-Neiße-Linie wohnten, 26,6% auf die Sudetendeutschen, 19,5% auf die Südostdeutschen und jene, die in Russland wohnten, 10,6% auf Heimatvertriebene aus den baltischen Staaten, Polen und Danzig.

 

Mittel zum Bau für landwirtschaftliche Werkwohnungen.

Zur Förderung des Baues von Wohnungen, die zur Freimachung zweckentfremdeter landwirtschaftlicher Werkwohnungen dienen, hat das Bundeswohnungsbauministerium 50 Millionen DM auf die Länder verteilt. Mit diesem Betrag soll der Bau von Wohnungen für solche Familien gefördert werden, die landwirtschaftliche Werkwohnungen belegt haben, ohne jedoch in der Landwirtschaft beschäftigt zu werden. Er wird nach einem Schlüssel auf die Länder verteilt werden. Die freizumachenden Werkwohnungen müssen zur Unterbringung von Landarbeiterfamilien geeignet sein. Für jede zu fördernde Wohnung wird ein Betrag von 8000 DM aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Die Zahl der bis zum 31. März 1959 freigemachten landwirtschaftlichen Werkwohnungen ist für die endgültige Zuteilung der Mittel auf die Länder maßgebend.

 

Seite 12   Wohin deine Fahrt. Von Irmgard Schlusnus.

Du, mein braunes Schilflein,

wohin geht wohl deine Fahrt?

Du, mein weißes Segel,

wohin weht uns denn der Wind?

 

Tanzen lichte Sonnenstrahlen

auf des Sees Wasser,

streichen kosend drüber hin.

Fängt der alte See mit Lachen an,

das in tausend Wellenfalten

über seinen blauen Spiegel bebt.

 

Du, mein braunes Schifflein,

wohin geht denn deine Fahrt?

Du, mein weißes Segel,

wohin weht uns wohl der Wind?

 

An dem Ufer angekommen,

wer wird uns empfangen?

Wer wird als ein kostbar festlich Mahl

Brotchen in zwei Hälften teilen,

und die eine davon reichen?

 

Du, mein braunes Schifflein,

wo nur endet deine Fahrt?

Du, mein weißes Segel,

wohin treibt uns jetzt der Wind?

 

Ach, viel zu groß ward ja der See —

niemals werden wir ans Ufer kommen.

Keiner kann uns mehr erwarten.

Und die Sonne schluckt der Nebel auf,

Windchen wird zum wilden Sturm,

hat das Steuer schon zerbrochen.

 

Du, mein braunes Schifflein

und mein weißes Segel —

wo blieb unser Heimatstrand?

 

Seite 12   Es starben fern der Heimat.

Friedrich Brose, aus Riesenburg/Westpreußen, am 04.03.1957, im Alter von 74 Jahren in Emstekerfeld.

 

Dr. med. Karl Dittrich, aus Guttstadt, am 02.03.1957, im Alter von 75 Jahren in Duderstadt.

 

Johanna Kroschinski, geb. Droefke, aus Elbing, am 02.031957, im Alter von 76 Jahren in Artendorf,

 

Seite 12   „Das Jahr der Elche“ Ein unersetzliches Dokumentarwerk gerettet.

Dieser Kulturfilm von Dr. Horst Sievert galt als verloren. Mit seinem Wiederauffinden ist ein bedeutendes heimatkundliches Dokument der ostpreußischen Fauna gerettet. Der Film läuft unverändert und ungekürzt in der alten Fassung.

 

Die Aufnahmen sind von Dr. Sievert in dem Elch-Reservat am Kurischen Haff gemacht. Neben Ostpreußen — heißt es in dem Film — habe die Sowjet-Union, Polen, Finnland, Schweden und Norwegen Elche. Seit Entstehung des Filmes dürfte sich einiges geändert haben. Neben Ostpreußen hat auch Polen keine Elche mehr, der Bestand in Norwegen und Schweden ist nicht groß, und die Zahl der Stücke in Finnland und der Sowjet-Union dürfte durch Kriegseinwirkungen ebenfalls stark dezimiert sein.

 

In Ostpreußen wird man nie mehr einen solchen Film drehen können. Die Aufnahmen sind nicht sensationell, sie schönen, ändern, überhöhen die Natur nicht, aber man weiß, dass man einmaliges Bildmaterial vor Augen hat und dass man etwas sieht, was man in Deutschland nie wiedersehen wird: Elche auf freier Wildbahn.

 

Die Größe dieser für mitteleuropäische Maßstäbe fast noch vorzeitlichen Tiere wurden manchem laienhaften Kinobesucher erst anschaulich, als ein Stück zusammen mit einem ausgewachsenen Rehbock gezeigt wird, der sich winzig neben dem Vetter ausnimmt. Eigenartig, das tumbe, unsichere und wie betäubte, schwankende Umherlaufen eines Elchbullen zu sehen, der eine Schaufel geworfen hat und sich nun durch die noch verbliebene Schaufel äußerst unbehaglich, gleichgewichtslos und asymmetrisch vorkommt.

 

Noch etwas Seltenes wird gezeigt: die Trappe. Dieser Steppenvogel, bei uns fast ausgestorben, war auch in Ostpreußen und in der Mark Brandenburg in einigen Exemplaren vorhanden (Der Verfasser dieser Zeilen hat vor 16 Jahren den Abschuss eines solchen Vogels in Mecklenburg beobachtet). Schöne Aufnahmen von der Balz der Trappen bringt der Film. Vor dem herannahenden stärkeren Gegner wirft sich der eben noch aufgeblasene und federnsträubende Trapp-Hahn kampflos und schlaff ins Gras. Kampflos auch räumen die Elche das Feld vor dem stärkeren Nebenbuhler, außerhalb der Brunft herrscht idyllisches Einverständnis, freundlich äugt man sich gegenseitig in die Lichter und reibt spielerisch die Stangen aneinander.

 

Neben Gänsen und Kranichen zeigt der Film auch ausgiebig Kiebitz und Kornweihe, den im weiteren Osten häufigeren Schreiadler, aber auch Vögel, die nicht jeder zu Gesicht bekommt: Brachvogel und Rohrdommel. Mit seinem langen krummen Schnabel wehrt der Brachvogel die für ihn riesenhaften Trappe ab, als diese in sein Gebiet eindringen will, und die Rohrdommel reckt sich lang auf, als ihr Gefahr droht, und ihr längsgestreiftes Gewand lässt sie nun unsichtbar sein, da sie starr und reglos steht, einem Büschel Rohr ähnlich. Die kleinen, kaum ausgeschlüpften Rohrdommeln, hässliche Vögel im wahren Sinne des Wortes, machen es der Mutter nach; aber ihre wollige runde Gestalt erkennt der Feind sofort.

 

Der seltene Schwarzstorch ist zu sehen, wie er blind fischt, mit wahllosen Schnabelhieben in das seichte Wasser stößt.

 

Für den Laien keine Sensation, aber eine anschauliche Instruktion, ist der Film für den Kenner, den Naturfreund, den Biologen, den Jäger, Heger und Heimatkundlern ein unersetzliches Bilddokument. („Das Jahr der Elche". Aufgenommen und zusammengestellt von Dr. Horst Sievert (verstorben), Musik: Prof. Clemens Schmalstich. UFA-Produktion). Wolfgang Glantz.

 

Seite 12   Trakehner Rasse bestens bewährt. Erfolgreiche Schau und Auktion — Spitzenpreis für Stute „Elke".

Dortmund. Wie alljährlich fand in der Kleinen Westfalenhalle, vom „Verband der Züchter und Freunde des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung" veranstaltet, eine Vorführungsschau mit nachfolgender Auktion von 42 Trakehner Pferden statt. Bereits vier Wochen vorher wurden diese ausgesuchten edlen Pferde, meist vierjährig, von besonders qualifizierten jungen Reitern und Reiterinnen „bearbeitet" und vorbereitet.

 

Durch die hervorragende Organisation der Hamburger Verbandsleitung mit dem Vorführen „an der Hand", unter dem Reiter und über Hindernisse kamen sowohl die am Kauf interessierten wie die vielen Freunde und Liebhaber des Pferdes, darunter natürlich viele Ostpreußen, auf ihre Kosten. Durchweg herrschte Hochstimmung und -Spannung, am meisten während der mehrere Stunden dauernden Versteigerung, zu der auch eine schweizerische und eine holländische Kommission erschienen waren. Die Preise begannen gleich mit 3000, 4000 und 6000 Mark. Den Wallach „Santos" vom Trakehner-Gestüt Rantzau, Kreis Plön, erwarb der Turnierreiter Kapellmann für 8000 Mark, und den Spitzenpreis von 12 000 Mark brachte die Stute „Elke" von Dietrich v. Lenski, Bremen, die nach Hamburg ging. Auch die Turnierreiterin Hannelore Weygand erwarb den Wallach „Sturmwind", ein Pferd mit enormem Springvermögen, für 8000 Mark, während etliche Pferde unter Preis weggingen, wie es bei einer letzten Endes immer unberechenbaren Schwankungen ausgesetzten Auktion vorkommen kann. Der Durchschnittspreis betrug 4250 Mark — ein gutes Resultat und ein Beweis, dass sich die aus ihrem Heimatgebiet Ostpreußen vertriebene Trakehner Rasse auch in den neuen Zuchtstätten Westdeutschlands bestens bewährt hat.

 

Schulische und berufliche Förderung von jugendlichen Spätaussiedlern.

Unter den 30 000 Spätausgesiedelten aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten, die seit Anfang 1956 in das Bundesgebiet kamen, sind einige Tausend schulpflichtige Kinder und Jugendliche über vierzehn Jahren, die infolge mangelhafter Kenntnisse in der deutschen Sprache einer Vorbereitung bedürfen, bevor sie in eine deutsche Schule oder in die Berufsausbildung eingeführt werden können. Diese Vorbereitung liegt weitgehend in den Händen der kirchlichen Wohlfahrtsverbände, denen eine große Anzahl von bewährten Erziehungseinrichtungen — Internate mit Schulen — zur Verfügung stehen. Der Deutsche Caritasverband, der katholische Mädchenschutzverband und die bayerischen Jugendpflegevereine haben diesen Erziehungsheimen bisher 26 Fördereinrichtungen in allen Teilen der Bundesrepublik angegliedert. In ihnen werden Kinder und Jugendliche nicht nur auf Schule und Beruf vorbereitet, sondern auch mit den ihnen fremden Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik vertraut gemacht. Eine größere Anzahl weiterer Förderklassen sind im Aufbau. Weitgehende finanzielle Hilfe durch Bund und Länder ist gesichert.

 

Schulrat a. D. Babbel gestorben.

Der weit über die Grenzen seiner ostpreußischen Heimat, aber auch über die Grenzen seiner Wahlheimat Flensburg hinaus bekannte und verehrte Schulrat a. D. Fritz Babbel, Gründer und 1. Vorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisverein Flensburg, ist am 26.02.1957 kurz nach Vollendung seines 77. Lebensjahres einem langen schweren Leiden erlegen.

 

Am 21. Januar 1880 in Bialla, Kreis Treuburg, als Sohn einer ostpreußischen Lehrerfamilie geboren, war Babbel nach seiner Berufsvorbereitung nacheinander Mittelschullehrer und Rektor. Dem Besuch der Turnerlehranstalt und Studium der Naturwissenschaften folgten Anstellungen als Seminarlehrer, Oberlehrer und Leiter der Lehrerbildungsanstalt in Friedland/ Ostpreußen. 1922 wurde Fritz Babbel Schulrat und hat als solcher in Pillkallen, Pr. Eylau und Königsberg bis zur Flucht im Januar 1945 gewirkt.

 

Von frühester Jugend an war er dem deutschen Turnen verschrieben und hat sich hier 60 Jahre mit seinem Können und Wissen uneigennützig zur Verfügung gestellt.

 

In Flensburg sammelte er sofort seine ostpreußischen Landsleute um sich und gründete die ostpreußische Landsmannschaft, deren 1. Vorsitzender er bis zu seinem Tode war. Immer wieder hat er unverzagt den Glauben und den Willen zur Rückkehr in die Heimat vertreten. Seit 1948 wirkte er ununterbrochen im Rat der Stadt Flensburg und hat hier insbesondere seine Kräfte dem Vertriebenen-Ausschuss, den Schulausschüssen und dem Ausschuss für Leibesübungen mit Erfolg zur Verfügung gestellt. Der Rat der Stadt Flensburg entsandte ihn auch in den Kulturausschuss des Deutschen Städtetages. Seine hohen Verdienste um das Gemeinwohl fanden 1954 durch Verleihung des Bundesverdienstkreuzes besondere Anerkennung.  

 

Am 22.0319 57 nahm eine große Trauergemeinde Abschied von dem verdienten Ostpreußen und Bürger der Stadt Flensburg. Am Sarge des Verstorbenen sagte der Stadtpräsident Karl Jensen: „Dank einem Manne, der als Fremder zu uns kam und in unserer Stadt einer ihrer besten Bürger wurde“.

 

Seite 12   Siedlerschule Katlenburg.

Nichts ist umsonst. Vertriebene Landfrauen tagten auf der Katlenburg.

Ein Erlebnis einmaliger Art, das über den Rahmen der Katlenburg und des Kreises Northeim hinausragt und für das ganze Land Niedersachsen von Interesse sein dürfte, war die Bildungsfreizeit der „Sammlung vertriebener Landfrauen im BVD“, die vom 4. bis 8. März in der Siedlerschule stattfand.

 

Etwa dreißig Frauen waren der Einladung von Frau v. Raven und Frau Ruppert gefolgt, um sich in Vorträgen und Aussprachen über die Aufgaben klar zu werden, die ihnen vom Schicksal auferlegt sind. Trotz Loslösung von der heimatlichen Scholle sei es notwendig, gerade in der Landfrau das Bewusstsein einer Berufung wachzuhalten und der Jugend mehr denn je Bild und Erlebnis der Heimat zu vermitteln.

 

Themen wie „Was kommt heute auf uns zu“, „Deutsche Einheit", Deutschlands Lage in der Welt", „Ostdeutsche Frauen" und Fragen der Jugendberatung, der Hauswirtschaft, der Ernährung und andere mehr standen auf dem reichhaltigen Programm. Diese eindrucksreichen Tage können als eine wirkliche Rüstzeit für die vertriebenen Landfrauen, von denen heute nur einzelne wieder im Besitz einer Siedlung sind, angesehen werden. Verstreut über ganz Niedersachsen, leben sie zum größten Teil in Städten unter quälender Entbehrung all dessen, was ihnen das lebensnotwendige Selbstbewusstsein erhält. Verbitterung und das Empfinden, nicht mehr gebraucht zu werden, sind die natürlichen Folgeerscheinungen dieser Entwurzelung. Hier entgegenzuwirken, die Frauen ihrer einstigen Tätigkeit nicht entfremden zu lassen, ihnen gründliche Kenntnisse in Wirtschaft und Haushaltstechnik zu vermitteln, damit sie den immer höheren Anforderungen unserer Zeit gewachsen sind, vor allem mit Blick nach Osten für den Tag einer Rückkehr, dies hat sich die „Sammlung vertriebener Landfrauen" zur Aufgabe gesetzt. Es ist der Sammlung gelungen, das Interesse der maßgeblichen bodenständigen Organisationen zu finden, wie dem Bauernverband, den Siedlungsträgern, dem Verein der ländlichen Erwachsenenbildung und dem Verband der ländlichen Frauenvereine, und mit ihnen in eine jetzt schon ersprießliche Zusammenarbeit zu gelangen.

 

Seite 12   Aus den Landsmannschaften.

Sehnde.

Die zusammengeschlossenen Landsmannschaften der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern werden auch künftig ihren Weg gemeinsam gehen, wurde auf der Jahreshauptversammlung beschlossen. Der gemeinsame Vorstand besteht aus den Vorsitzenden Lm. Malun für Ostpreußen, Frau Becker für Westpreußen und Karl Palm für die Pommern, Schriftführerin Frau Scheffler, Kassierer Lm. Raschowski.

 

Lebenstedt.

Unter dem Motto „Agnes Miegel und unsere Stadt" veranstaltete die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen eine Geburtstagsfeier zu Ehren der Dichterin Agnes Miegel. Der Vorsitzende Lm. Staff wies auf die vielfältigen Verbindungen zwischen der großen Dichterin und den Landsleuten in Salzgitter hin und vermerkte dankend, dass der Rat der Stadt im vergangenen Jahr auf Wunsch der Landsmannschaft eine Straße im Salzgittergebiet auf den Namen der Dichterin benannte. Leben und Schaffen Agnes Miegels umriss Studienrat Mewes in seinem ausgezeichneten Vortrag. Proben aus dem Werk der Dichterin, Gedichte und Balladen sowie die Erzählung „Nachtspaziergang", fanden in Gertrud Klein und Lm. Staff einfühlsame Interpreten. Den musikalischen Rahmen bestritt der Quartettverein Lebenstedt.

 

Uelzen. Auf ein arbeits- und erfolgreiches Jahr konnte die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen zurückblicken. Vor Jahresfrist mit 70 Mitgliedern gegründet, erfasst die landsmannschaftliche Gruppe heute 280 Landsleute. Aus den Veranstaltungen des Jahres ragen heraus: die Fahrt anlässlich des „Tages der Heimat“ nach Göttingen, das Erntedankfest sowie eine Reihe von heimatlichen Vorträgen. Lm Karl Zehe wurde einstimmig zum 1. Vorsitzenden wiedergewählt.

 

Schüler nach Mitteldeutschland.

Bonn. Das Kuratorium Unteilbares Deutschland hat sich in einer Eingabe an die Kultusminister der Länder für einen wesentlich verstärkten Besuch Mitteldeutschlands durch Klassen der mittleren und höheren Schulen der Bundesrepublik eingesetzt. Das Schicksal des zerrissenen Deutschlands greife so tief in die Existenz der heranwachsenden Jugend ein, dass außergewöhnliche Mittel erforderlich seien, um die junge Generation mit der deutschen Wirklichkeit vertraut zu machen. Die Kosten für die Fahrten sollen zu je einem Drittel vom Bund, den Ländern und den Jugendlichen selbst aufgebracht werden.

 

Treffen der ostpreuß. Feldzeugdienststellen.

Das nächste Treffen der Kameradschaft der ehem. ostpreußischen Feldzeugdienststellen findet am 24./25. August 1957 in Hannover statt. Anmeldungen zur Teilnahme aller militärischen und zivilen Angehörigen der ehem. ostpreußischen Feldzeugdienststellen bitten wir an Fritz Augustin. (21b) Hemer-Sundwig, Hüttenstr. 16, zu richten.

Das Programm des Treffens wird den Teilnehmern durch Rundschreiben bekannt gegeben.

 

Seite 13   Kirchliche Kunst der Ostdeutschen. Nach Berlin jetzt in Hannover.

Die in mehreren Städten der Bundesrepublik und kürzlich in West-Berlin gezeigte Ausstellung „Kirchliche Kunst der Ostdeutschen 1945 – 1955“ eröffnete nun in Hannover ein letztes Mal ihre Pforten, die sie bis 22. April offenhält. Die Aufstellung erfolgt in der im Wiederaufbau befindlichen Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis, ein Rahmen, wie ihn sich die Ausstellung nicht besser denken kann. Die hohen kahlen, noch ungeputzten Wände lassen die ausgestellten Werke ohne Ablenkung auf den Besucher wirken. Die Ausstellung möchte Zeugnis ablegen für die innere Gläubigkeit, für das neue Vertrauen und das Bemühen der ostdeutschen Künstler, für die unvergessbaren Erlebnisse und Erkenntnisse unserer Zeit eine echte, lebendige Form zu finden. Viele der beteiligten Künstler (darunter die Ostpreußen Johannes Dumanski, der junge Winfred Gaul und Jürgen Weber) haben in den vergangenen zehn Jahren an der inneren Gestaltung westdeutscher Kirchen mitgewirkt. In ihren Werken sind die alten Wurzelkräfte ihrer ostdeutschen Heimat spürbar.

 

Die auf Seite 11 wiedergegebene Kreuzigungsgruppe ist eine Applikation von Winfred Gaul, die sich als Leihgabe der Benediktinerabtei Rohr (Ndb.) in der Ausstellung befindet. Sie ist eines der ersten Werke des jungen, damals 17-jährigen Künstlers (Jahrgang 1928). Es entstand in einem Flüchtlingslager, und in Ermangelung geeigneten Materials bediente sich Gaul alter zerlumpter Säcke, die er säuberte, zerschnitt und färbte — zarte, pastellhafte Blasstöne —, und mit grober, selbstgesponnener Schafwolle fügte er sie zu einem Bildteppich zusammen. Dieser Teppich, der unter primitivsten Verhältnissen in einer Zeit des Hungers und der Angst entstand, und der eigentlich nur aus Abfällen, aus dem, was selbst damals zu nichts anderem mehr zu gebrauchen war, gemacht ist, zeugt auf ergreifende Weise von der Macht des Schöpferischen, mit dessen Hilfe der Mensch selbst noch das unwürdigste Ding in ein Bild der geistigen Ordnung und der Schönheit zu verwandeln vermag. (Winfred Gaul lebte bis zur Vertreibung in Insterburg).

 

Seite 13   Bücherturm der Deutschen Bibliothek.

In absehbarer Zeit wird in Frankfurt mit dem Bau der sogenannten Deutschen Bibliothek begonnen. Das Projekt kostet zwei Millionen Mark. Der Bund, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt teilen sich die Kosten zu je einem Drittel. Die Aufgabe der Deutschen Bibliothek ist, wie Direktor Professor Dr. Eppelsheimer sagte: Die „Sammlung, Archivierung, bibliographische Verzeichnung und bibliothekarische Bereithaltung möglichst aller Veröffentlichungen der Bundesrepublik Deutschland und, soweit möglich, der deutschsprachigen Veröffentlichungen überhaupt". Die Sammlung wuchs seit 1945 auf rund 200 000 Bände. Die bisherigen Räume in der Stadt, in der Universitätsbibliothek und in einem Bunker reichen nicht aus, deshalb ist der Neubau notwendig geworden. Er wird in Form eines Bücherturmes nach den Plänen der Architekten Giefer und Mäckler errichtet.

 

Seite 13   Heinz Tiessen erhielt Berliner Kunstpreis.

Der diesjährige Kunstpreis ist in sechs Sparten mit je 4000 Mark verliehen worden. Gleichzeitig wurden, wie schon 1956, die Preise „Junge Generation", die den Nachwuchs in den gleichen Kunstgebieten mit je 2500 Mark auszeichnen, verteilt.

 

Den Kunstpreis für Musik erhielt der am 10. April 1887 in Königsberg geborene Komponist Heinz Tiessen, über dessen Schaffen wir erst kürzlich unseren Lesern in der Spalte „Kulturschaffende unserer Heimat" berichtet haben. Prof. Tiessen, von 1925 - 1954 mit kurzer Unterbrechung nach dem Kriege Lehrer an der Berliner Hochschule für Musik, komponierte Symphonien, Bühnenmusiken, Klavier- und Chorwerke und Kammermusiken. Er wurde 1953 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 

Die weiteren Preisträger sind: Literatur (der frühere Fontane-Preis): Ernst Schnabel; darstellende Kunst: Schauspielerin Joana Maria Gorvin; Film: Heinz Rühmann; bildende Kunst: der Maler der „Brücke" Erich Heckel; Architektur: Ludwig Hilbersheimer. Unter den mit den Preisen der jungen Generation Ausgezeichneten befindet sich der junge aus Schlesien stammende Lyriker Heinz Piontek,

 

Seite 13   Fritz Heidingsfeld 50 Jahre alt.

Der am 29. März 1907 in Zoppot geborene Maler Fritz Heidingsfeld, der seit dem Verlust der ostpreußischen Heimat in Heroldsberg bei Nürnberg lebt, beging seinen 50. Geburtstag. Außer zahlreichen Gemälden und Zeichnungen, wovon viele auf den Ausstellungen der Künstlergilde zu sehen waren, schuf Heidingsfeld in den letzten Jahren große Wandbilder und Sgraffitos. Fritz Heidingsfelds farbig-dichte Landschaften bleiben bei aller Verwesentlichung stets in einer gestrafften Gegenständlichkeit; seine Landschaften nehmen zu Motiven die nordostdeutsche Heimat, die Gegend um Nürnberg, den Bodensee, verarbeiten aber auch Reiseeindrücke, vor allem aus Südwesteuropa und Afrika, aus Holland, Jugoslawien und gerade während der letzten Jahre aus Skandinavien. Zu seinen unvergesslichen Arbeiten gehört das Titelblatt des ersten Kalenders der Künstlergilde, in dem er Danzig als Vision darstellte, eine Verdichtung des Heimatgefühls in hoher künstlerischer Intensität, wie sie kaum einem heimatvertriebenen Künstler gelungen ist. Seine Ausbildung genoss Heidingsfeld in Danzig und an der Dresdner Kunstakademie.

 

Prof. Dr. Bruno Schumacher, in Straßburg geboren und einer der bedeutendsten Kenner besonders der Geschichte des Deutschen Ordens und Altpreußens, starb im 78. Lebensjahr in Hamburg. Sein bekanntes Werk „Die Geschichte Ost- und Westpreußens" kommt demnächst in zweiter Auflage beim Göttinger Arbeitskreis heraus.

 

Zu Ehren von Bruno Krauskopf (geboren In Marienburg, Westpreußen), der heute in den USA lebt, eröffnete die Bremer Kunsthalle eine Ausstellung in Anwesenheit des Künstlers aus Anlass seines 65. Geburtstages.

 

Charlotte Stephan, Journalistin und Leiterin des Frauenfunks im RIAS Berlin, ist, 49 Jahre alt, unerwartet verstorben. Sie war gebürtige Memelländerin. Ihre ostpreußischen Heimat- und Liederabende im Berliner Funk waren sehr beliebt.

 

Ein Eichendorff-Denkmal will die Landsmannschaft Schlesien in Salzgitter anlässlich des 100. Todestages des Dichters, am 26. November 1957, errichten.

 

Ein Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur wird demnächst an der Warschauer Universität eingerichtet.

 

Ostdeutsche Kulturtage. Der Ostdeutsche Kulturrat hat in Anbetracht der im Herbst stattfindenden Bundestagswahlen seine diesjährigen Ostdeutschen Kulturtage auf den Sommer vorverlegt. Sie werden in Berlin abgehalten werden. In ihrem Mittelpunkt wird eine Gedächtnisfeier zum 100-jährigen Todestag Joseph von Eichendorffs stehen.

 

Seite 13   Prof. Dr. Schoeps in Hannover: Preußentum und Gegenwart.

Auf Einladung der zerstreuten evangelischen Ostkirche sprach am 19. März in Hannover Prof. Dr. Hans-Joachim Schoeps-Erlangen zum Thema „Preußentum und Gegenwart". Er ging dabei von der These aus, dass die Gegenwart aus der Vergangenheit schöpfen müsse. So sei auch von dem echten Preußentum für die Gegenwart das zu bewahren oder wieder hervorzukehren, was sich in die Gegenwart übersetzen lasse, weil es überzeitlichen Charakter hat.

 

Es kam Prof. Schoeps vor allem darauf an klarzustellen, dass Preußen ein Rechts- und Ordnungsstaat gewesen sei, in dem die Adjektive arbeitsam, anständig, pflichtgetreu und fleißig die Menschen gekennzeichnet haben. Preußen sei kein totalitärer, sondern ein autoritärer Staat gewesen, dessen Wesen eine Revolution von unten widerstrebte, da eine solche immer Despotie bedeute. Die Stein- Hardenbergschen Reformen hätten jedoch schon früh ein großes Maß an Selbstverwaltung und -verantwortung den Bürgern in die Hände gelegt. Auch sei Preußentum immer mit sozialer Haltung verbunden gewesen, die das Eigentum auch als Verpflichtung begreife. Prof. Schoeps, der die Fehler des Preußentums — etwa mangelnde Elitebildung, eine gewisse Uniformierung des Denkens — keineswegs verkannte, meinte, man solle bei der Wiedervereinigung eine zweite Kammer schaffen, deren Mitglieder zu je einem Drittel vom Bundespräsidenten, von den Ländern und von den Berufsständen (Kultur und Wirtschaft) delegiert würden, so dass sie parteiungebunden neben dem parteigebundenen Parlament als eine Stätte neuer Nobilität, der Aussprache und bedachter Entscheidungen an der Gesetzgebung mitzuwirken können. Es müsse endlich, so meinte Prof. Schoeps weiter, mit dem Tage der Wiedervereinigung auch an die Wiederherstellung Preußens gedacht werden, wobei man aber auf den Stand Preußens von vor 1815 zurückgreifen müsse, um der geschichtlichen Entwicklung gerecht zu werden. So müsse Nordrhein-Westfalen wohl erhalten bleiben, ebenso Niedersachsen, so dass Preußen, auf die Mark Brandenburg, Groß-Berlin, die Provinz Sachsen, Rest-Schlesien und -Pommern — und natürlich mit dem Anspruch auf die abgetrennten Ostgebiete — beschränkt, kleiner als Bayern, nur noch ein Sechstel seines früheren Bestandes umfassen würde.

 

Nach der Wiederherstellung echter deutscher Souveränität könne dann auch an die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa gegangen werden, die NATO oder Gemeinsamer Markt noch nicht verwirklichen. Preußen, so schloss Prof. Schoeps, lebe weiter als Realisation von Pflichtauffassung, Unbestechlichkeit, Rechtlichkeit und Toleranz. Starker Beifall des übervollen Auditoriums dankte dem Redner.

 

 

Aller Glanz ist Liebe / Von Carl Lange.

Es ist ein ewig Suchen im Wandern.

Das höchste Glück liegt in dem Glück des Andern.

 

Die Liebe, die an Andre denkt,

am meisten selber sich beschenkt ...

 

Den Kampf nimm auf im täglichen Getriebe;

doch schau zum Gipfel — aller Glanz ist Liebe.

 

Wo Liebe weilt und Liebe waltet,

der Seele Tiefe sich entfaltet.

 

Lieben, das heißt, sich selbst aufgeben,

um im Andern sich zu erheben.

 

Das ist die schönste aller Gaben:

Geborgen sein und eine Heimat haben.

 

Seite 13   Ein schönes Ostergeschenk, die bunten Bändchen der Kleinen Elchland-Reihe.

So werden die Bändchen der Kleinen Elchlandreihe beurteilt:

Ein dramatisches Büchlein.

Aus der Fülle der kleinbändigen Zeit-, Flüchtlings-, Hunger- und Elends-Erlebnisse heraus hat sich eine Literatur entwickelt, die wir die „Flugblätter" unserer Tage nennen mochten. Aus ihnen lässt sich ein recht zuverlässiges Bild des in die Drangsale der Zeit gestellten Menschen und seiner Reaktion zeichnen, ohne dass dieses Schrifttum nun einen besonderen literarischen Rang hätte. Sein Wert liegt in ganz anderen Bereichen. Darüber hinaus gibt es aber auch einige schmale Veröffentlichungen, Broschüren, Schriften, von denen eine ganz besondere Wirkung ausgegangen ist. Sie gaben Fingerzeige, sie wiesen auf Ereignisse, Verhaltensweisen hin, die ohne sie leicht dem Vergessen preisgegeben worden wären. Unter diesen nun wieder hat das vorliegende Büchlein von Frau Elisabeth Pfeil sein ganz eigenes Gewicht.

 

Frau Pfeil, die seinerzeit als erste das Bild des Flüchtlings gezeichnet hat, als es sich noch den Betroffenen und Mitlebenden aus der allzu großen Nähe heraus der Darstellung entzog, und die die Flüchtlingsforschung um wesentliche wissenschaftliche Untersuchungen bereichert hat, erzählt hier sehr persönlich, sehr un„literarisch", mit aller der guten Wärme, die sie ausstrahlt, von ihren Begegnungen mit den Litauern, die den nach 1945 zurückgebliebenen ostpreußischen Deutschen oft in so wunderbarer Weise geholfen haben.

 

Es war im März des Jahres 1947, als immer noch die als Zivilgefangene in Königsberg zurückgehaltenen Deutschen sehnsüchtig auf ihren Abtransport nach Restdeutschland warteten. Einige von ihnen, dem Hungertode nahe, hatten den Weg nach Litauen gefunden: reich beschenkt kehrten sie zurück. Allerdings — der Mensch wird nicht freundlicher im Elend: man gab die Kunde von den helfenden Litauern weiter. „Alle waren so egoistisch und missgünstig geworden", keiner verriet etwas. Der Verfasserin gelang es, auf gefährlichsten und abenteuerlichsten Wegen, auf Güterwagen und in russischen Lastwagen mehrere Fahrten nach Litauen zu unternehmen. In lockerer, zwangloser Folge wird hier erzählt — ja, aus dem Abstand lassen sich sogar wieder die freundlichen, farbigen Züge auch dieser Reiseerlebnisse in den schwärzesten Tagen wiedergeben.

 

Man kann dieses Heft deshalb auch allen denen empfehlen, die heute schon wieder Sorge haben, sich in diese Jahre zurückversetzen zu lassen, weil es dem derzeitigen Wohlbefinden vielleicht abträglich sein möchte. Die Geschichte mit Pan Josef auf seinem Oberbayern-Hof tief im tiefsten Litauen, die liebenswürdige Zeichnung der Fahrtengenossin Rosalie, genannt Röschen, dieser drolligen Person, aber auch die noch heute nach fast einem Jahrzehnt nachwirkende Empörung über die verschlagene und verlogene „Landsmännin" Wanda: alles dies gibt der Darstellung so lebendige Töne, dass das eigentliche Anliegen, aus dem heraus Elisabeth Pfeil diesen ihren Bericht geschrieben hat, umso schöner erreicht wird. Es geht ihr darum, ihren persönlichen Dank dem Volk der Litauer auszusprechen, und sie hat den großen Wunsch, dass wir alle uns dankbar dieses unseres kleinen arg leidenden Nachbarvolkes im Nordosten stets erinnern.

Karl Heinz Gehrmann in Ost-Brief, Mitteilungen der ostdeutschen Akademie Lüneburg.

 

Nicht Sensation, sondern von Elisabeth Pfeil vollkommen ohne künstlerisches Beiwerk, ja beinahe karg berichtete Wirklichkeit, um eine Wirklichkeit, die zwar nicht diejenige unserer Tage und unseres Landes ist, die aber in Millionen Menschen gewiss immer noch nachwirkt:  die Wirklichkeitder ersten Nachkriegsjahre. Der Bericht führt uns in das chaotische Königsberg von 1947und über verschiedene Stationen immer wieder nach Litauen hinüber, wohin damals viele Frauen aus Ostpreußen Schwarzfahrten unternahmen, um für sich und ihre Kinder Lebensmittel zu beschaffen . . . Ein dramatisches Büchlein — dramatisch durch die Ansammlung von Leid, aber auch durch viel menschliche Güte, die sich ohne Ansehen der Nationalität gerade in jenen düsteren Tagen tausendfach bewährte. Süddeutscher Rundfunk Stuttgart

 

Der ganze Kudnig

Diese Erzählungen aus seiner Heimat und seiner Jugendzeit zeigen den ostpreußischen Dichter Fritz Kudnig, den man vor allem als Lyriker kennt, auch von seiner „prosaischen“ Seite, dazu von einer, von der nur wenige Eingeweihte wussten: der sonst so Ernste entpuppt sich in mehreren dieser Erzählungen als echter, d. h. vom Herzen her genährter Humorist. Doch neben diesem steht in anderen Arbeiten auch wieder der sehr zeitnahe, im Chaos der Welt um die letzten Dinge ringende religiöse Mensch, den wir schon aus den mystischen Gedichten in „Gottes Lautenspiel" und aus der Dichtung „Seliges Gotteslied" kannten. — Die Erzählungen beginnen mit der frühen, sehr turbulenten Jugendzeit des Dichters, sie lassen den weltfrommen Wandersmann der ersten Jahrzehnte, dann aber auch den sozial fühlenden Menschen von heute und den stillen Philosophen erkennen, dem wir schon früher begegneten. — In diesem schmalen Bande, den der Verlag sehr geschmackvoll herausbrachte, findet sich also wieder der ganze Fritz Kudnig, ungeschminkt und ohne Retusche, Mensch mit empfindsamem Gemüt, aber auch hart und herbe im Denken um den Sinn der Welt und in der Forderung gegen sich selbst.

 

Walter Scheffler

in „Westfalenpost", Hagen.

Und wer mit Kudnig die unendliche Weite des Haffs und der Nehrung durchwandert, wer gleich ihm das urwelthafte, mythenverhaftete Element dieser Landschaft zu begreifen versteht, in der sich Zeit und Ewigkeit zu berühren scheinen, der wird auch die Sehnsucht und das Heimweh begreifen, das durch das Bändchen zieht. „Mainpost", Würzburg.

 

Band 1

Elisabeth Pfleil

Hunger, Hass und gute Hände.

Erlebnisse und Begegnungen

 

Band 2

Fritz Kudnig

Herz in der Heimat

Erzählungen

 

Der neue Band

Tamara Ehlert

Die Dünenhexe

Erzählungen

Der Erstling einer jungen begabten aus Königsberg/Pr. gebürtigen Autorin, der aufhorchen lassen wird. Hier ist nichts bloße Erinnerung, sondern jede dieser Erzählungen zugleich eine literarische Kostbarkeit.

 

Die erste Stimme:

Es ist seit 1945 nicht viel so echt ostdeutsche Literatur geschrieben worden wie diese Erzählungen. Hier ist nichts Konstruktion, Ressentiment, Verdünnung durch gewaltsame „Rückbesinnung", nichts gemacht.

 

Der Kraftstrom der Heimat — dieses im Winter märchenhaften, im Sommer berauschenden ewigen Ostpreußen — fließt in ungebrochener Natur dahin und bewegt die zarten Räder eines balladenhaft klingenden epischen Geistes. Diese Erzählungen sind schön — schön wie das träumerische Erlebnis, sein Ohr an einen hölzernen Telegraphenmast zu legen und das Summen unendlicher, geheimnisvoller Weiten zu hören; und sie sind stark in ihrer Bündigkeit und in ihrem Talent, Großes und Kleines, Heimatliches und Allgemeines am scheinbar Provinziellen darzustellen. Sie sind ein Beweis mehr dafür, dass wirkliche Heimatliteratur immer mehr ist als Winkel, ja, dass die Kunst des Erzählens angewiesen bleibt auf die Intimität des beschränkten Raumes — auf das Besondere einer erlebten, verzauberten Heimat. Es ist wie ein Wunder, dass mehr als ein Dutzend Jahre nach dem Verlust der Heimat eine junge Ostpreußin in München ostpreußische Geschichten von einer Verdichtung und Imagination schreiben kann, wie die meisten älteren Heimatdichter an Ort und Stelle sie nicht erreicht haben. Das machen der immerwährende Traum und das große Heimweh, die ganz neue Lichter über der Landschaft entzünden. Johannes Weidenheim.

 

Die Reihe wird laufend ergänzt. Jeder Band DM 2,20. Im Abonnement DM 1,60

 

Seite 14   Ost- und Westdeutsche Heimatfamilie.

Wir gratulieren.

 

92. Geburtstag

Karoline Prätzas aus Ostpreußen am 06.03.1957 in Bad Zwischenahn, Breslauer Straße.

 

91. Geburtstag

Marie Schultz, geb. Ramsay aus Königsberg/ Pr. am 29.03.1957 in Hannover-Linden, Windheimstraße 49 pt. Die Jubilarin ist eine eifrige Leserin unseres Heimatblattes und erfreut sich voller geistiger und körperlicher Frische.

 

90. Geburtstag

Amalie Polenz aus Insterburg am 13.03.1957 in Groß-Schneen als älteste Einwohnerin der Gemeinde.

 

84. Geburtstag

Lehrer i. R. Hans Fiedler aus Königsberg/Pr., Luisenallee 50b, am 28.03.1957 in Landkirchen auf Fehmarn, wo er seit der Vertreibung wohnt.

 

82. Geburtstag

Max Nass aus Piwnitz/Westpeußen, am 21.03.1957 im Kreisaltersheim Blexen.

 

81. Geburtstag

Amalie Schieweck, geb. Leiloweit, aus Stobingen, Kreis Insterburg, am 18.03.1957 im Kreisaltersheim Blexen.

 

80. Geburtstag

Albertine Krüger, geb. Bauer aus Hohenhausen, Kreis Thorn, am 18.03.1957 in Stollhamm.

 

Michel Dopotka, aus Gawrzialken, Kr. Ortelsburg am 15.03.1957 in Arrenkamp, wo er vor zwei Jahren am 16.02.1955 mit seiner Ehefrau das Fest der Goldenen Hochzeit begehen konnte.

 

70. Geburtstag

Wilhelmine Wichert, geb. Kirst aus Friedenau/Westpr. am 12.03.1957 in Altencelle.

 

Geburtstagskinder in Flensburg

Auguste Ahlrep aus Schlagerkrug, Kr. Johannisburg, am 02.03.1957, 77 Jahre.

 

Wilhelmine Wendling aus Königsberg/Pr., am 05.03.1957, 82 Jahre.

 

Anna Captuller aus Königsberg/Pr., am 07.03.1957, 82 Jahre

 

Maria Zorn aus Masuren, am 08.03.1957, 75 Jahre.

 

Auguste Naggis aus Gilge, Kr. Labiau, am 14.03.1957, 93 Jahre.

 

Auguste Kross aus Seemen, Kr. Bartenstein, am 18.03.1957, 78 Jahre.

 

Henriette Orlowski aus Freistadt, Kr. Rosenberg, am 22.03.1957, 83 Jahre.

 

Gustav Prange aus Königsberg /Pr., am 22.03.1957, 75 Jahre.

 

Hedwig Koslowski aus Königsberg/Pr., am 27.03.1975, 75 Jahre.

 

Berta Farnsteiner aus Blockwede, Kreis Schloßberg, am 30.03.1957, 82 Jahre.

 

Elise Kossack aus Königsberg/Pr., am 31.03.1957, 80 Jahre.

 

Else Kursch aus Königsberg/Pr., am 30.03.1957, 77 Jahre.

 

Allen Jubilaren wünscht das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin Gesundheit!

 

Diesseits im Jenseits

Den unter diesem Titel in der letzten Ausgabe erschienenen Artikel über das Kostümfest der Kunstakademie schrieb unsere Mitarbeiterin Christel Papendick. Versehentlich wurde der Verfassername nicht angegeben.

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig – Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb) Gotenstraße 33.

 

Allen Kindern des April1957 herzliche Glückwünsche zum Geburtstage, ganz besonders beim Rückblick auf volle 40 Jahre:

 

am 16.04.1957: Heinz Freudenreich (KTC Königsberg), 40 Jahre.

 

am 25.04.1957: Christel Peizke-Paulsen (Insterburg), 40 Jahre

 

am 29.04.1957: Erich Basche (KMTV Königsberg); 40 Jahre

 

am 10.04.1957: Lisbeth George-Nickel, 50 Jahre

 

am 19.04.1957: Bruno Schlage (TuFV Danzig), 60 Jahre

 

am 24.04.1957: Hedwig Thiel-Faust (KMTV Königsberg), 60 Jahre

 

am 26.04.1957: Bruno Behrend (KMTV Königsberg), 70 Jahre und zum Eintritt in das

 

80. Lebensjahr: Rudolf Klug (Lyck).

 

Sonderzüge zum Deutschen Turnfest 1958 München werden voraussichtlich auf vielen Strecken eingesetzt werden. Vorläufige Verhandlungsgrundlage: 60 Prozent Preisermäßigung, Hinreise am 27. und 28. Juli 1958, Rückreise am 3. und 4. August 1958; die Sonderzugrückfahrkarte soll zur Sonderzugbenutzung nur in einer Richtung verpflichten, für die andere Richtung (Hinreise oder Rückreise) soll die Benutzung der Züge des öffentlichen Verkehrs innerhalb der Geltungsdauer allgemeiner Rückfahrkarten freistehen.

 

Bei dieser Regelung ergibt sich für die Teilnehmer an unserem mit dem Deutschen Turnfest verbundenen X. Wiedersehenstreffen eine erhebliche Fahrtkostenverbilligung. Entschließt Euch frühzeitig und fangt zu sparen an für diese Reise mit dem Drum und Dran!

 

Die Vertreter unserer Heimat-Turnvereine bitte ich, mir Kenntnis zu geben von geplanten Vereinstreffen und auch eine kurze Mitteilung über den Besuch nach der Durchführung zu machen, gleichviel ob das Treffen gesondert einberufen oder mit einem Landsmannschaftstreffen usw. verbunden wird. Solche Zusammenkünfte bieten Gelegenheit, neue Anschriften für unsere Turnerkartei zusammenzutragen. Auch Bilder von solchen Treffen würde ich für das Archiv gern entgegennehmen.

 

Mit der Beantwortung der Zuschriften bin ich in den letzten sechs Wochen teilweise sehr in Verzug geraten. Ich bitte um Nachsicht und werde alles baldigst aufholen. Gut Heil zum Gruß! Onkel Wilhelm

 

Seite 14   Sechzig Semester der Akademischen Fliegerschaft „Preußen" zu Königsberg/Pr.

Am wiederkehrenden Todestage des Rittmeisters Freiherrn Manfred von Richthofen, dem 21. April 1927, gründeten in Königsberg/Pr. Studenten der Universität und der Handels-Hochschule die Akademische Fliegerschaft „Preußen", die unter den Farben schwarz-weiß-blau sich mit einer neuen Idee, dem Prinzip der Fliegerei, in die Reihe der mit alter Tradition hervortretenden Korporation stellte. Damals noch in den Fesseln des Versailler Vertrages begannen die jungen Idealisten ihre schwere Aufgabe, die über die Zeit hinweg auch zum Erfolg führen sollte. Unter dem Vorsitz des sehr rührigen Geheimrats Prof. Dr. Schreiber, dem Gründer des Instituts für Luftrecht an der Albertina, schlossen sich erfahrene Flieger des ersten Weltkrieges, Wissenschaftler, Männer des öffentlichen Lebens und Wirtschaftler zu einer Alt-Herrenmannschaft zusammen, um so der jungen Aktivitas den Weg zu bereiten.

 

Die junge Fliegerschaft wurde bald im Akad. Fliegerring aufgenommen, einem verbandsmäßigen Zusammenschluss der in Deutschland und Österreich vertretenen Akad. Fliegerschaften.

 

Es sind nicht wenige Fliegerschaftier, welche im letzten Kriege an hervorragender Stelle in der Luftwaffe gestanden haben und die auch ihr fliegerisches Können unter Beweis stellen konnten.

 

Die Zahl derer ist bemerkenswert, welche vor und im Kriege ihr Leben für ihr fliegerisches Ideal dahingaben. Auch der letzte Bundesführer, Landesrat Dr. Gebauer, im ersten Weltkriege Kommandant eines Marineluftschiffs, blieb 1939 als Korvettenkapitän auf dem Felde der Ehre.

 

Bundesfahne und Gründungsakten konnten im Herbst 1944 rechtzeitig nach Halle/Saale verlagert werden und sind dort über den Zusammenbruch hinaus von der Verbandskorporation Palaio — Marcomannia in Verwahrung genommen worden. So erhalten und über die Zeit gekommen ist es gelungen, diese wertvollen Andenken in einem gewagten Unternehmen nach Westdeutschland zu bringen, wo sie jetzt in Celle aufbewahrt werden.

 

Nur sehr wenige Bundesbrüder fanden sich nach dem Zusammenbruch wieder. Sie werden in Treue und Dankbarkeit zu ihren Freunden und ihren alten Farben weiter stehen und am 30. Geburtstag ihrer Fliegerschaft gedenken. Wilhelm Gramsch

 

Seite 14   Abiturientenexamen.

Wir beglückwünschen zum bestandenen Abiturientenexamen:

Renate Pruust am Liselottegymnasium zu Mannheim. Fräulein Pruust ist die Tochter des Studienrats Gerhard Pruust aus Königsberg/Pr., heute wohnhaft Mannheim, Pfalzplatz 24.

 

Helgi Wall, geb. 09.07.1938 in Königsberg/Pr., ältester Sohn unseres Landsmannes Günther Wall, Eschweiler, Kr. Aachen, Peter Liesenstr 27.

 

Ihre Verbundenheit mit dem deutschen Osten bekundeten 17 Abiturientinnen des Gymnasiums Emden, indem sie sich nach bestandenem Examen die goldenen „Alberten" ansteckten. Auch eine Reihe anderer westdeutscher Gymnasien haben diesen alten ostpreußischen Brauch wieder aufgenommen. Sie bekunden damit symbolisch das Recht zum Studium an der Albertina in Königsberg.

 

Seite 14   Traditionsverband der ehem. 291. Inf.-Div. Kameradenhilfswerk.

Das diesjährige Treffen der Kameraden unserer Elch-Division findet im süddeutschen Raum statt. Wir treffen uns am 7. Sept. 1957 in Würzburg und hoffen, dort viele Kameraden begrüßen zu können, denen der Weg nach Göttingen bzw. Osnabrück bisher zu weit oder zu umständlich war. Kameraden, die in der Nähe von Würzburg wohnen und bereit sind, an den Vorbereitungen des Treffens mitzuwirken, werden um baldige Nachricht gebeten.

 

Nachstehend die Arbeitsgebiete und Anschriften der Kameraden des Vorstandes:

 

1.Vorsitzender: Oberst a. D. Kurt Illas (23) Oldenburg i. O., Bremer Straße 64.

Schriftführer: Franz Schnewitz, (20a) Westerweyhe bei Uelzen.

Suchdienst: Edmund Burtscheidt, (24b) Kiel-Wik, Holtenauer Straße 351.

Archiv: Rudolf Kandt, (24b)) Nindorf bei Meldorf/Holstein.

Kasse: Ludwig Fröhlich, (13a) Nürnberg, Baaderstraße 19. Sonderkonto: Postscheckkonto Nürnberg 87 880.

Verbindung zur Presse: Siegfried Gehlhaar, (24a) Hamburg 22, von Essenstraße 121/1. Der Vorstand.

 

Seite 14   Ehrenvolle Berufung. Ostpreuße Amtschef im Innenministerium Kiel.

Das schleswig-holsteinische Kabinett hat auf Vorschlag des Innenministers, Dr. Lemke, beschlossen, den Landrat des Kreises Stormarn, Klaus von der Groeben, zum Amtschef des Innenministeriums zu berufen.

 

Landrat Klaus von der Groeben wurde in Langheim, Kreis Rastenburg in Ostpreußen, geboren. Nach der im März 1919 bestandenen Reifeprüfung studierte er Jura. Von November 1928 bis Juli 1936 war von der Groeben zunächst Regierungsassessor bei den Kreisverwaltung in Jerichow II, Haldensleben und Lyck, beim Kommissar für die Osthilfe in Königsberg, bei der Regierung in Königsberg und im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern tätig. Hier wurde er mit Wirkung vom 01.10.1933 zum Regierungsrat ernannt. Von Juli 1936 bis Kriegsende war er Landrat des Kreises Samland. Im Januar 1953 übernahm von der Groeben die Geschäftsführung des Schleswig - Holsteinischen Landkreistages, die er bis zu seiner Wahl zum Landrat des Kreises Stormarn im April 1956 geführt hat.

 

Seite 14   Ich lebe vegetarisch.

Auf Schritt und Tritt heer ich der Menschen Klage:

„Was mach ich bloß, ich geh so inne Breit!“

Das liegt doch nur an die Ernährungsfrage,

Heert auf mit Fleisch, es is de heechste Zeit.

Und schreibt Eich meine Mahnung hintre Ohren,

Ich hab das Fleisch fier immer abgeschworen.

Der Fleischgenuss is sowieso barbarisch,

Drum lebe ich jetz bloß noch vegetarisch:

Zu Friehslick gibt es Drahtverhau

Mit Bruken, Kumst und Gras,

Auch Diestelsupp bringt mir de Frau,

Die trink ich auße Tass.

Zu Mittag gibt es Weidenstrauch,

Zu Ambrot gibts Salat.

Jetz pfeif ich aufem Schweinebauch

Auf Klops und Karmenad.

Jetz ess ich Stachelbeeren und Tomaten,

Kartoffelkraut und Gurkenfrikassee,

Geschmorten Kirbis und Kohlrabibraten

Und Riebenbrei und eingemachten Klee,

Kastaniengritz und Zwiebel und Hollunder,

Und ich erleb dabei mein blaues Wunder:

Mir tut kein Hacks'che Fett nicht mehr beschweren,

Weil ich mir vegetarisch tu ernähren:

Zu Friehstick gibt es Drahtverhau

Mit bruken, Kumst und Gras,

Auch Diestelsupp bringt mir de Frau,

Die trink ich auße Tass.

Zu Mittag gibt es Weidenstrauch,

Zu Ambrot gibts Salat.

Jetz pfeif ich aufem Schweinebauch,

Auf Klops und Karmenad.

Doch eins, das tut mir mächtig gribbelieren,

Ich werd nich satt und ewig steh ich krumm.

Der krätsche Magen will nich mehr parieren,

Und längs e Därmels gnurrt aus eins es rum.

Se werden sicher selbst den Zustand kennen,

Von morgens frieh bis abends mssß ich rennen,

Und traurig huck ich da, das is erklärlich,

Denn Vegetarier sein is sehr gefährlich.

Zu Friehstick gibt es Drahtverhau

Mit Bruken, Kumst und Gras,

Auch Diestelsupp bringt mir de Frau,

Die trink ich auße Tass.

Zu Mittag gibt es Weidenstrauch,

Zu Ambrot gibts Salat . . .

Von morgen ess ich Schweinebauch

Und Klops und Karmenad! Dr. Alfred Lau.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (42)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Wären wir doch man bloß zu Haus geblieben und nich auf Fasloawend gegangen! Aber wenn de Emma, was meine Frau is, sich was im Kopp setzt, denn muss es auch gemacht werden, und wenn foorts blau brennt. Se ging als Auguste, mit schwarze Schuh und weiße Strimpfe. Dass se gut auf Figur kam, hädd se e großes, langes Korsett um ihrem pumligen Kadawer rumgewirgt. Ich misst ihr schnieren, dass mir der Schwitz im Kragen lief und dass wir zuletzt beide keine Luft mehr kriegden. Das war vleicht e Peerzerei, wie ich ihr das Knie innes Kreitz setzd und immer ruckweis an die Bänder zoddern tat, bis ich ihr auf Wesperitallje hädd. Dafier quoll es oben und unten raus, denn die ieberschissigen Resärven fier schlechte Zeiten missden ja irgendwo bleiben. Dass es wenigstens oben nich zu sehen waren, zog se e hochgeschlossene, seidne Blus an mit Fischbeinstangen umme Gurgel. Nach unten verhilld ihr e großer, weiter Taftrock. Nu sah se aus, als wenn e großer Fußball auf einem noch greeßeren huckt. Aufem Kopp kam e alte Fladrusch rauf mit Vergissmirnicht und einem ausgestopftem Schwalbche. Die wurde mit e lange Hutnadel festgepiekt. An ein End von die Nadel war e bunte Glaskugel, aufe Spitz, dass se keinem nich de Augen ausstechen konnd, wolld se so e Schutzschraubche raufstecken. Aber se kriegd keine, und deshalb nahm se dem Fropfen vonne Essigflasch. Nu roch se sauer drei Meilen gegen Wind, aber mit die Zeit verflog es. Wo se die alte Plossen aller aufgetrieben hat, dass wird wohl zeitlebens ihr Geheimnis bleiben. Jedenfalls war se ausstaffiert, und wie se sich denn noch de Backen und de Lippen angetuscht hadd, fiehlt se sich orndlich. Das aasige Ziehen inne Beine, wo se doch immer mit zu tun hat, war wie weggepust, auch das Kreiz tat mit eins nich mehr weh, weil ihr das Korsett Halt gab.

 

Mir war es mit große Miehe gelungen, e altem Leierkasten aufzutreiben. Der spield immer hintereinander drei Lieder: „Waldeslu—hu—hust", „Es war einmal ein treuer Husar" und „Trink, trink, Brüderlein trink". Das passd wenigstens fierem Fasloawend, das war e reines Glick, denn was hädd ich gemacht, wenn er „Stille Nacht" gespielt hädd oder „Miede, bin ich, geh zur Ruh"! Denn hädden sie mir wahrscheinlich rausgeschmissen. Zu dem Leierkasten geheerd auch e kleiner, zahmer Aff anne lange, dinne Kett, wo aus eins vom Kasten aufe Schulter sprang und denn wieder vonne Schulter aufem Kasten. Dabei hield er jedem e kleine Pappschachtel untre Nas, dass er e Dittche reinschmeißen solld. Und alles, was reinflog, steckd er erst innes Maul, und was ihm denn nich schmecken tat, spuckd er wieder inne Schachtel zurick. Dadrauf war er dressiert. Und bei „Trink, trink" nahm er e Schluck aus e kleinem Becher aus Pappe, wo garnuscht zum Trinken drin war. Er war ganz harmlos und friedfertig, hädd mir sein Herrche gesagt, und ich konnd mit ihm unbesorgt auf Fasloawend gehen. Nu zog ich mir e schwarzem Scheeßkerock an, steckd mir e papierne, weiße Krüsantehm innes Knopfloch und klemmd mir e große, rote Pappnas aufe Tuntel. Aufe Fieße zog ich schwarze Schuhe mit weiße Gamaschen, aufem Kopp kam e Prallineeh und vore Augen e dunkle Brill.

 

Denn ging es los; aber wenn Se nu denken, dass wir uns ganz aasig amesiert haben, denn irren Se sich. Von Anfang an, kaum dass wir im Saal reingetrampelt waren, waren wir diräkt e Sensatzjohn und kriegden dem ersten Preis als Ehepaar mit die wirkungsvollste Verkleidung. Wie ich anfing zu nuddeln, sangen gleich aller mit. Das war e Waldeslust, wie ich se mir in meine kiehnste Treime nicht vorgestellt hädd. Der Vorstand wolld gleich die drei Musekanten zu Haus schicken, weil se so teier waren, und ich solld ihnen vertreten. Aber ich streibd mir, und se dirfden bleiben. Wär ich man lieberst zu Haus gegangen, denn wie ich nu anfing, durchem Saal zu schraggeln, da war es e

reines Spießrutenlaufen. Aller waren dauernd um mir um, rissen mir am Scheeßke und zergden meinem kleinen Aff, indem dass se ihm in seinem langen Zagel kniffen. Dauernd nicht lang, da war er ganz aufgeregt und schmiss mir e paar Mal dem Prallineeh vom Kopp. Er fuchteld mit die Pappschachtel rum und schrie wie am Spieß. Erst wie ihm e Mergellche, wo als Spreewälder Amme verkleidet war, e Stickche Schucklad gab, beruhigt er sich e bissche. Bloß dass er denn seine Schuckladenfinger an meine weiße West und an meine linke Back abwischen tat, fand ich nich richtig, denn das war e Zeichen fier seine schlechte Kinderstub. De Emma scherbeld inzwischen durche Gegend wi e Straßenwalz, pusd in ihre enge Verschnierung wie e Dampfmaschien und riss alles um, was nich außem Weg ging. Sie war rein nich zu halten, denn in die Pausen gaben die Kerdels ihr immer Prienellchens ein, und die trinkt se fier ihr Leben gern.

 

Und denn kam es zu die große Katastrofe. Erst rutschd ihr der weiße Strumpf vonnes linke Bein, aber das merkd se gar nich. Denn riss ihr was annes Korsett, und nu veränderd sich pöh a pöh ihre Figur, indem dass die Polsterungen sich wieder an ihre urspringliche Stellen zurick begaben. So wurde se im Zusehens inne Mitt immer dicker und oben und unten immer dinner. Ich sah das mit Schrecken, während einer mit meinem Prallineeh abzog und das Affche mir friedfertig aufm Kopp lausen tat. Meinem Prallineeh missd ich wiederhaben, deshalb unterbrach ich geistesgegenwärtig die Liebe von dem treien Husar, wo sowieso kein Ende nich mehr nahm, und stirzt mir innes Gewiehl, wo ich meinem scheenen Hutche schaukeln sah. Ich kriegd ihm auch, aber er war an zwei Stellen verbeilt wie e alte Kastroll, und wie ich denn, mit eins wieder de Emma zu sehen bekam — se hing gerad wie e ieberreife Eierpflaum im Arm von einem langen, labastrigen, feirigen Spanier —, da war es passiert: Das Band von ihre weiße Bixen mit die scheene, breite, handgestickte Spitzen war mit eins gerissen und weil die Bixen nu auch infolge von die veränderte Figur keinem Halt nicht mehr fanden, waren se runtergeschorrt und lagen de Emma aufe Fieße. Ich dachd, ich musst inne Erd versinken, aber de Emma wickelnd ihnen zusammen, klemmd ihnen unterm Arm und tanzd weiter. Denken sich bloß de Emma, wo sonst doch so etepetrisch is!

 

Ja, ja, dachd ich bei mir im Stillens, was machen doch de Prienellchens aus unsre zichtige Mergellchens! Aber weiter kam ich nich mit das Denken, denn nur hadd ich mit eins mit mir selbst zu tun. Mang die Schuckladenstickchens und Bonbongs hädd ein Lachudder dem Rest von eine brennende Zigarett geschmissen. Mein Affche, rachullrig, wie er war, grabschd zu und stoppd die Zigarett innes Maul. Dabei verbrannd er sich de Zung, spuckd de Zigarett dem Herr Birgermeister, wo geradzig vorbeitanzd, gegne Back und hoppst in die Aufregung dem Kellner aufes Tablett, wo er mit sechs Tulpchens Bier und sechs Steinhägers miehsam durche Brandung balangzieren tat. Alles flog aufe Erd, und der Kellner glitschd aus und haud lang hin, mitten rein in die Bierchens und die Steinhägers. Mein Affche rutschd auch vonnes Tablett aufe Erd, und dabei zerriss seine dinne Kett.

 

Nu war er frei, aber er hädd sich ganz firchterlich erschrocken und fand nich mehr dem Weg zurick aufem Leierkasten. Deshalb sockd er planlos durche Gegend mang das Menschengewiehl. Dabei trat ihm einer aufe Fieße, so dass er aus Wut e paar Damens de Waden bekratzd und de seidene Strimpfe zerriss. Inne Eng getrieben, hoppsd er zuletzt eine aufgedonnerte Dam aufe Schulter, grabschd ihr innes Haar rein, riss ihr dem Dutt vom Kopf und setzd ihm sich selbst auf. Geradzig wolld er ihr noch zärtlich innes Ohr beißen, da kriegd ich ihm zu fassen und konnd ihm wieder antiedern. Von Haus aus war er wirklich zahm und harmlos, aber die Kerdels hadden ihm Schnaps im Becher gekippt, und beim „Briederlein, trink!" hädd er immer kräftig einem genommen. Das erfuhr ich aber erst hinterher, wie zu spät war.

 

Na, was soll ich Ihnen sagen, der Fasloawend nahm trotzdem noch e friedliches End. Die Bauernjunges, wo meinem Aff traktiert hadden, kamen fier dem Schaden auf, de Emma ihre Bixen und dem Aff gaben wir bei die Garderobe ab und uns der allgemeinen Fröhlichkeit hin bis morgens frieh. Zu Haus klagd de Emma, se hadd e Kopp wie e Patscheimer, und es zog ihr auch wieder inne Beine, aber se hadd es doch durchaus gewollt. Und wenn ich noch emal auf Fasloawend gehen solld, denn lass ich bestimmt dem Aff zu Haus!

Herzliche Heimatgrüße. Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Ostpreußen-Abende an der Volkshochschule Berlin-Steglitz. Volkstracht – Herkunft, Entwicklung und Wiederbelebung

Im Rahmen der Patenschaft des Bezirks Berlin-Steglitz für Ostpreußen sprach am 7. März in der Aula der Wirtschaftsschule, Florastraße 13, Frau Else Schattkowsky über Ostpreußische Volkstrachten, Entwicklungsgeschichtliche Darlegungen und Versuche zu ihrer Wiederbelebung.

 

An den Anfang ihrer aufschlussreichen Ausführungen stellte die Vortragende stimmungsvolle Erinnerungsbilder aus ihrer Kindheit und Jugendzeit, die von der geheimnisvollen Truhe der Urgroßmutter zu den späteren Wanderfahrten durch das trachtenreiche alte Wendenland und das pommersche Weizackergebiet führten und plastische Eindrücke von dem seltsamen Reiz überlieferter Trachtenstücke und der unmittelbaren Wirkung noch lebender Trachten vermittelten. Nach einer klaren Definierung des Wortes Volkstracht, die wie Volksbrauch, Volkslied und Volkstanz zur volkstümlichen Erscheinungswelt gehört, ging die Dozentin auf Alter, Entstehung und Werdegang der Volkstrachten ein. Von den durch die Bedürfnisse des täglichen Lebens bestimmten Urformen der menschlichen Bekleidung ausgehend, wurde die interessante Entwicklung wichtiger Kleidungsstücke durch die Jahrhunderte aufgezeigt wie die des Frauenrockes, des Schultertuchs (Scbuaduk), des ärmellosen Männerhemds (Poncho), der Männerhosen sowie der süddeutschen Schaube, die über den Justaucorps, Waffenrock und Gehrock bis zum langen festtäglichen Bauernrock führte.

 

Die Trachtenforschung der neueren Zeit ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Volkstrachten weder, wie einstmals angenommen, uralt noch völlig selbständige Schöpfungen des Volkes, sondern als veraltete Modeformen aus ganz bestimmten Epochen anzusprechen sind, bei denen der bäuerliche Mensch in der Zeit von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum 18. Jahrhundert stehen blieb. Durch geschickte Anpassung an die persönlichen Bedürfnisse, den eigenen Geschmack, die landschaftlichen Gegebenheiten und die wirtschaftlichen Verhältnisse in Form, Farbe, Material und Ausschmückung erhielten die alten Trachten immer mehr Eigencharakter und Eigenwert, ohne jedoch einstige Urformen und frühere Modeeinflüsse ganz verwischen zu können, was durch eine Fülle von Beispielen belegt wurde.

 

Diesem allgemeinen Entwicklungsgang waren naturgemäß auch die ostpreußischen Volkstrachten unterworfen, die im Hinblick auf die verschiedenen kulturellen Einflüsse von West und Ost und die vielseitige Besiedlung ein recht bewegtes Bild zeigten, im Großen und Ganzen gesehen aber vier deutlich unterschiedliche Trachtengebiete erkennen ließen: das Oberland, das angrenzende Ermland, Masuren und Nordostpreußen (Memelland). In lebendiger Schilderung zeigte die Referentin zunächst die mehr oder weniger starke Angleichung in den Formen der männlichen Bekleidung der vier Trachtengebiete auf, wie sie in dem allgemein beliebten Pelz, dem langen Festtagsrock und der Bauernweste wie auch in den wesentlichsten Stücken der „Werkeldagtracht" in die Erscheinung trat. Ein breiterer Raum musste den sehr unterschiedlichen Frauentrachten gewährt werden, deren typische Merkmale an Hand von interessanten Erlebnisberichten und persönlichen Eindrücken klar herausgestellt wurden und die Auflockerung der Formen, die Bevorzugung lebhafterer Farben und vielfältigerer Musterung nach der östlichen Grenze hin deutlich erkennen ließen.

 

Die Frage nach dem verhältnismäßig frühen Verfall dieser ostpreußischen Heimattrachten, der bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzte, fand ihre Beantwortung durch die Aufzeigung der verschiedenen Gründe: Verstärkung der Heeresmacht nach 1866 und 1871, Erschließung auch der abgelegeneren Landesteile durch Eisenbahn, Landflucht und immer sichtbarer werdende Verstädterung, Industrialisierung, welche die Heimarbeit verdrängte, Rückgang vieler Gewerbe, die für die Herstellung der Trachten unerlässlich waren und letztlich der Aufbruch einer neuen, rascher fließenden Zeit, die alle volkstümlichen Erscheinungsformen als überaltet und rückständig zurückwies. Erst der harte Existenz- und Volkstumskampf, den die „Insel“ Ostpreußen nach dem ersten Weltkrieg zu führen genötigt war, brachte die erneute, wenn auch späte Erkenntnis von dem kulturellen Wert der vergessenen volkstümlichen Lebensformen, wie sie sich im heimatlichen Liedgut und Tanz, in bodenständigen Gebräuchen und gleichermaßen auch in den alten Trachten offenbart hatten.

 

Bei den nun einsetzenden Bemühungen um die pietätvolle Bewahrung noch vorhandener ostpreußischer Trachtenstücke und eine sinngemäße Wiederbelebung der heimischen Tracht gedachte die Rednerin der dankenswerten Bestrebungen der verewigten Dichterin Erminia von Olfers-Batocki, mit der sie auch in der Trachtenfrage in persönlicher Verbindung gestanden hat. Gestützt auf die Ergebnisse jahrelanger, eingehender Beschäftigung mit Trachtenkunde und Trachtenforschung, auf den Besuch von Museen sowie auf alles zugängliche diesbezügliche ostpreußische Schrifttum und die persönlichen Berichte von Landsleuten auf Reisen und Wanderungen, stellte sich auch Frau Schattkowsy s. Zt. die Aufgabe, im Rahmen der groß angelegten Kulturarbeit des Bundes heimattreuer Ost- und Westpreußen eine Erneuerung der ostpreußischen Volkstrachten durchzuführen.

 

Von der Gemeinsamkeit desselben Lebensgefühls, der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der Liebe und Treue zur ostdeutschen Heimat, getragen und dem gleichen Willen beseelt, ihre wirtschaftlichen und kulturellen Belange in jeder Weise zu fördern, stellte die Gesamtheit der heimattreuen Ost-und Westpreußen den natürlichen Boden dar, auf dem sich eine einheitliche Heimattracht neu entwickeln konnte. Eine solche Nachgestaltung der seit vielen Jahrzehnten nicht mehr getragenen ostpreußischen Trachten konnte nach den klaren Ausführungen der Dozentin aber nur aus der Sicht der Gegenwart unter Einschmelzung überlieferten Volksgutes erfolgen. Durch Ausscheiden aller fremden Trachtenelemente, vornehmlich des slavischen Kultureinflusses, und durch Zurückgreifen auf altgermanische Vorbilder und urtümliche Formen, wobei die typischen Merkmale der alten ostpreußischen Volkstrachten das Gesamtbild bestimmten, wurde eine einheitliche Tracht geschaffen, die keine bloße Nachbildung alter überlieferter Trachtenstücke aus bestimmten Gegenden unserer Heimat sein wollte, sondern eine durch sinnvolle Umgestaltung und zweckmäßige Angleichung entstandene volkstümliche heimatlich gefärbte Kleidung geworden ist.

 

Die auf Grund solcher Überlegungen erneuerte ostpreußische Heimattracht wurde in den Reihen der Bundesmitglieder freudig begrüßt, so dass bald in jeder der 500 Bundesgruppen das heimatliche Trachtenkleid getragen wurde und bei Heimatfesten und Aufmärschen als Zeichen der Heimatverbundenheit in Erscheinung trat und auch die Kriegswirren überdauert hat.

 

Eine Betrachtung der geschmackvollen Gewänder der anwesenden weiblichen und männlichen Trachtenträger vermittelte den Hörern einen klaren Eindruck von dem heimatlichen Charakter, der Stilreinheit und der Kleidsamkeit dieser Tracht sowie ihrer Zweckmäßigkeit und vielseitigen Verwendungsmöglichkeit. Die mit ungeteiltem, anhaltendem Beifall aufgenommenen Ausführungen waren wohl geeignet, das Interesse für die heimatliche Tracht zu wecken. Starken Beifall fanden auch wieder die gesanglichen Darbietungen der Sopranistin Alrun Bürkner. Sie sang alte ostpreußische Spinnstubenlieder und neue Heimatweisen von Erich Schattkowsky, am Flügel begleitet vom Komponisten. Sy

 

Seite 15   Landsmannschaftliche Nachrichten

Auch Ostpreußen können fröhlich sein.

Foto: Charlotte Ender singt Volkslieder des Deutschen Ostens zur Gitarre.

Wilhelmshaven. Zu einem Abend fröhlicher Geselligkeit begrüßte Obermedizinalrat Dr. Zürcher, der 1. Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, die zahlreich erschienenen Landsleute und Gäste im festlich geschmückten Saal der Nordseestation. Auch Fröhlichkeit und Humor sei ein wesentlicher Charakterzug der Ostpreußen, führte er aus und hieß Dr. Lau, der einer Einladung der Landsmannschaften gefolgt war, herzlich in diesem Kreise willkommen. Dr. Lau fand sofort innigen Kontakt mit seinen Zuhörern und entfesselte mit jedem neuen Auftreten mit seinen urwüchsigen humorvollen Darbietungen Beifallssturm auf Beifallssturm. Eine weitere Bereicherung des Programms bot Charlotte Ender mit Liedvorträgen zur Laute, sie sang sich gewissermaßen in die Herzen der Zuhörer. Bei ihren Schunkelliedern gingen die Wogen des Frohsinns recht hoch, wie es manch Einheimischer den als behäbig und langsam geschilderten Ostpreußen nie zugetraut hätte. Man sollte sich den Namen der talentierten jungen Sängerin, deren Stimme Charme und Wohllaut auszeichnet, für ähnliche Veranstaltungen merken! (Anfragen beantwortet die Schriftleitung.)

 

Seite 15   Unsere Leser bedienen sich bei ihren Buchbestellungen der Versandabteilung unseres Verlages Ostpreußen-Buchdienst Postanschrift: Braunschweig, Donnerburgweg 50.

Dr. Wilhelm Gaerte.

Gegenwärtiges und vergangenes Brauchtum zu lebensvoller Übersicht vereinigt. Mit 16 Bildtafeln. 160 S. DM 13,80

 

Charlotte Keyser

Und immer neue Tage.Roman um eine memelländische Familie zwischen zwei Jahrhunderten. 11. Aufl., 76. Tsd. 452 S./Ln. DM 10,80

 

Charlotte Keyser

Schritte über die Schwelle. Dieser Roman spielt zur Zeit der großen Pest in Tilsit im Beginn des 18. Jahrhunderts. 480 S./Ln. DM 11,80

 

Susanne von Baibus

Paradies an der Memel. Ein echtes ostpreußisches Familienbuch, zugleich ein schönes Gedenkbuch an die Heimat. Mit 8 ganzseitigen Zeichnungen von A. W. Sauter. 192 S./Ln. DM 7,80

 

Ernst Wiechert

Wälder und Menschen. Eine Jugend. 320 S./Ln. DM 9,50

 

Die Majorin. Roman. 224 S./Ln. DM 8,50

 

Der Vater. Erzählungen. 68 S./Geb. DM 2,80

 

Erminia von Olfers-Batocki.

Ostpreußische Dorfgeschichten. Die Verbundenheit von Haus, Hof, Tier und Mensch spiegelt sich in diesen Geschichten. 128 S. DM 3,90

 

Walter von Sanden-Guja

Das gute Land. Der Lebensbericht des Dichters, in dem er von seiner Jugend auf den Gütern seiner Eltern in Ostpreußen erzählt. 6. Aufl., 268 S./Ln. DM 8,75

 

Siegfried Lenz

So zärtlich war Suleyken. Masurische Geschichten. Mit über 50 Zeichnungen von Erich Behrendt. Großformat. 172 S./Ln. DM 14,80

 

Die Jeromin-Kinder. Roman. 980 S./Ln. DM 13,80

 

Hirtennovelle. 112 S./Ln. DM 4,80

 

Agnes Miegel

Die Fahrt der sieben Ordensbrüder. Eine Erzählung aus der Zeit des Deutschen Ritterordens in Preußen. 80 S. DM 2,80

 

Wilhelm Matull

Liebes altes Königsberg. Ein Buch der Erinnerung mit zahlreichen Bildern. 190 S./Hln. DM 5,80

 

Hermann Sudermann

Der Katzensteg. Roman. 305 S./Hln. DM 7,80

 

Bilderbuch meiner Jugend. Roman einer Zeit 381 S./Hln. DM 6,80

 

Frau Sorge. Roman. 282 S./Ln. DM 7,80

 

Litauische Geschichten. 446 S./Hln. 6,80 DM

 

Jugendjahre in Elbing Auswahl aus dem „Bilderbuch“ 57 S. DM 3,30

 

William von Simpson

Die Barrings. Der große ostpreußische Familien-Roman. 816 S./Ln. DM 9,80

 

Die Enkel II. Teil. 550 S./Ln. DM 9,80

 

Das Erbe der Barrings. Mit diesem dritten Band reicht die Geschichte der Barrings bis in unsere Tage. 640 S./Ln. DM 14,80

 

Merlan-Heft

Königsberg. Sie alte Krönungsstadt wie sie war und heute ist, mit zahlreichen, teils mehrfarbigen Bildern. 104 S. DM 3,20

 

333 Ostpreußische Späßchen. Echter urwüchsiger Volkshumor. 148 S. DM 4,80

 

Humor aus Ostpreußen. Anekdoten u. lustige Geschichten, wie sie in der Heimat von Mund zu Mund gingen. 128 S./kart. DM 4,25, Ln. DM 5,50

 

Hier lacht Ostpreußen. Ein neuer Band ostpreußischen Humors. Reich illustriert. 26 S./kart. DM 3,25, Ln. DM 4,40

 

Die lustigen Lau-Bücher

Schabbelbohnen; Plidder-Pladder; Kriemelchens; Auguste in der Großstadt. Humoristische Gedichte und Prosa in ostpr. Mundart. Zum Vortragen und Vorlesen besonders geeignet. Jeder Band 44 S. DM 2,--

 

Rudolf G. Binding

Das Heiligtum der Pferde. Das „hohe Lied von Trakehnen" mit vielen Pferdeaufnahmen. 69. Tsd. 108 S./Ln. DM 9,80

 

Robert Budzinsk

Entdeckung Ostpreußens. Ein Buch zum Schmunzeln, in dem der originelle Autor seine Heimat kritisch unter die Lupe nimmt, mit zahlr. Holzschnitten und Federzeichnungen des Verfassers. 80 S./Ln. DM 8,50

 

Fritz Kudnig

Land der tausend Seen. Gedichte von Masurens Seen und Wäldern. Mit 8 Kunstdruckbildern. 48 S./kart DM 2,80 Ln. DM 4,25

 

Fritz Kudnig

Das Wunder am Meer. Das Lied einer Landschaft Gedichte von Haff, Meer und Dünenland. Mit 8 Bildern von der Nehrung. 48 S./kart DM 2,80 Ln. DM 4,25

 

Walter Scheffler

Mein Königsberg. Spaziergänge in Sonetten und Liedern. Mit 8 Kunstdruckbildern. 48 S./kart DM 2,80, Ln. DM 4,25

 

Das heutige Ostpreußen. Ein Bild- und Reisebericht aus dem poln. besetzten Teil Ostpreußens. 80 S., davon 68 S. Kunstdruck. DM 5,80

 

Das heutige Danzig. Ein Reise- und Bildbericht mit 75 Fotos auf Kunstdruckpapier. Zusammengestellt von Dr. H. K. Gspann. DM 5,80

 

Prächtige Erinnerungsbände.

Wind, Sand und Meer. Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung mit ergänzenden Textbeiträgen namhafter ostpreußischer Autoren. Großformat. 108 S./Ln. DM 11,50 Hleder DM 15,--

 

Stille Seen – Dunkle Wälder. Masuren und Oberland in 48 Bildern. Spiegelt den Zauber der alten Grenzlandschaft begleitet von ausgewählten Texten ostpr. Autoren. Großformat 100 S./Ln. DM 11,80, Hleder DM 15,50

 

Königsberg in 144 Bildern. Ein Bildwerk von der einstigen Größe und Schönheit der Hauptstadt Ostpreußens. Kart. 8,50 DM, Ln. 10,80 DM

 

Masuren in 144 Bildern. Das Land der dunklen Wälder in all seiner Schönheit. Kart. 8,50 DM, Ln. 10,80 DM

 

Danzig in 144 Bildern. Die alte Hansestadt, die Perle der Ostsee in ihrer einstigen unversehrten Schönheit. Kart. 8,50 DM, Ln. 10,80 DM

 

Quer durch Ostpreußen. 100 Aufnahmen aus Ostpreußen mit Begleittext. Eine Wanderung quer durch die Heimat. 60 S./kart. 3,85 DM, Ln. 6,00 DM

 

Empfehlenswerte Bücher für die Jugend.

Wir müssen der Jugend die Heimat lieben lehren; nur dann wird sie bereit sein, sich im entscheidenden Augenblick zu ihr zu bekennen.

Ein gutes Buch schließt die Herzen auf. Das sollten wir uns beim Schenken immer vor Augen halten.

 

Unvergängliche Spuren. Vier ostdeutsche Biographien: Johanna Schopenhauer, Schubert, Scheibler, Lasalle. 88 S., Geb. DM 2,50

 

Über den Tag hinaus. Vier ostdeutsche Biographien: v. Brenkenhoff, Herder, Kant, Charles P. Sealsfield. 80 S./Geb. DM 2,50

 

Alle Wege führen nach Haus. Ostdeutsche Erzählungen der Gegenwart. 159 S./Ln. DM 4,80

 

Land unserer Liebe. Gedichte. Ein Querschnitt durch die ostdeutsche Lyrik der letzten fünfzig Jahre. 84 S./Geb. DM 2,50

 

Ostdeutsche Balladen. Ostdeutsche Geschichte im Spiegel der Dichtung. 87 S./Geb. DM 2,50

 

Alt wie der Wald. Ostdeutsche Sagen, Märchen und Historien. 176 S./Ln. DM 4,80

 

E. J. Görlich:

Aufstand im Ordensland. Eine abenteuerliche Erzählung aus der Zelit des Deutschen Ritterordens. 170 S./Hln. DM 5,80

 

Ost- und Westpreußischer Sagenborn. Erzählt von Jochen Schmauch. Mit vielen Illustrationen. 68 S./Hln. DM 3,90

 

Die Memelhexe. Sagen und wundersame Geschichten aus Ostpreußen. Von Erich von Lojewski. 104 S./Ln. DM 4,80 Kart. DM 3,80

 

Ostdeutsche Anekdoten- und Historienbuch. Eine umfassende Sammlung von Dr. Richard Mai. 304 S./Geb. DM 9,80

 

Aber das Herz hängt daran. Das dichterische Gemeinschaftswerk der deutschen Heimatvertriebenen. 360 S./Ln. DM 10,80

 

Seite 16   Bundestreffen der Ostpreußen.

Mit den Vorbereitungen zum Bundestreffen der Lm. Ostpreußen in Bochum ist seit einigen Wochen begonnen worden. Nach vierjähriger Pause soll dieses Treffen die Ostpreußen wieder zu einer großen Kundgebung zusammenführen. Die feierliche Eröffnung des Treffens beginnt am 18. Mai um 11 Uhr im großen Sitzungssaal des Bochumer Rathauses mit einer Rede von Dr. Alfred Gille (MdB), dem Sprecher der Lm. Ostpreußen. Der 1. Vorsitzende der Landesgruppe NRW, Erich Grimoni, und der Oberbürgermeister der Stadt Bochum, Fritz Heinemann, werden die Teilnehmer begrüßen. Der Haupttag des Treffens ist Sonntag, der 19. Mai. Nach einem evangelischen und katholischen Gottesdienst wird das Geläut der silbernen Glocke aus dem Königsberger Dom um 10 Uhr alle Ostpreußen zu der großen Kundgebung rufen, in deren Mittelpunkt eine Ansprache von Dr. Gille stehen wird. Im weiteren Verlauf des Bundestreffens wird eine Reihe von Ausstellungen eröffnet werden, die Ostpreußens Leistung in Geschichte, Kultur, Kunst und Wirtschaft aufzeigen soll, u. a. werden in diesen Ausstellungen Werke ostpreußischer Künstler, Bücher ostpreußischer Dichter und Schriftsteller, eine Schau heimatlicher Wirtschaft und Leistung und eine Würdigung ostpreußischer Persönlichkeiten geboten werden.

 

„Tag der Heimat" am 22. September

Das Präsidium des VdL hat im Einvernehmen mit dem BVD beschlossen, den „Tag der Heimat" in diesem Jahr am ersten Sonntag nach den Wahlen, also am 22. September, abzuhalten. Sehr entschieden wandte sich dieses Gremium gegen die Ausklammerung der Fragen des deutschen Ostens aus dem Wahlkampf. Ausführlich wurde auch über die Frage diskutiert, in welcher Form die in den Ostgebieten lebenden Deutschen in Sendungen des Rundfunks angesprochen werden könnten. Die ablehnende Haltung von Radio Freies Europa zwinge den VDL, andere Schritte zur Lösung dieses Problems zu erwägen.

 

Seite 16   Ein „Deutsches Haus" für Ost und West. Bremen setzt den westdeutschen Städten ein Vorbild — Offene Türen für Begegnung.

Ein von der „Deutschen Bruderschaft" eingerichtetes „Deutsches Haus" in Bremen, eine Begegnungsstätte für Besucher und Flüchtlinge aus Mitteldeutschland sowie für die Mitglieder aller deutschen Landsmannschaften, wurde am Donnerstag seiner Bestimmung übergeben. Das „Deutsche Haus", das erste seiner Art in der Bundesrepublik, enthält Räume für gesellige Veranstaltungen und Vorträge. Besucher aus Mitteldeutschland erhalten hier auch verbilligte Karten für den Besuch der Theater, Lichtspielhäuser und Museen der Hansestadt.

 

Der Bremer Finanzsenator Nolting-Hauff bezeichnete das Haus als Sammelpunkt allen Strebens nach einer deutschen Wiedervereinigung. Es solle Zeuge sein dass die deutsche Einheit nicht vergessen ist. Nolting-Hauff wies darauf hin, dass die Wiedervereinigung zwar eine Frage der Weltpolitik geworden sei, aber doch zuerst Sache des deutschen Volkes bleibe.

 

Nach Mitteilung des Senators wurden der „Bruderschaft" von 1951 bis Ende vorigen Jahres 1,5 Millionen Mark und für 100 000 Mark Sachen gespendet. Die Organisation schickte in der gleichen Zeit rund 241 000 Pakete nach Mitteldeutschland. Die „Bruderschaft" hat mit Hilfe der ihr gespendeten Gelder in den Jahren 1955 und 1956 rund 20 000 Deutsche aus der Sowjetzone betreut. Sie finanzierte unter anderem Ferienaufenthalte für Mütter und Kinder in der Bundesrepublik.

 

Seite 16   Erfolgreiche Ostdeutsche Woche in Osnabrück. Dichterlesung mit Fritz Kudnig — Laienspiel „Ännchen von Tharau“

Am Gelingen der Ostdeutschen Woche, an der Hunderte von Vertriebenen und zahlreiche Einheimische regen Anteil nahmen, war auch das ostpreußische Element mit starkem Akzent vertreten. Im Rahmen einer Dichterlesung in der Teutoburger Schule stellte sich der heute in Heide lebende ostpreußische Dichter Fritz Kudnig vor. Seine Dichtungen — vorwiegend Lyrik, daneben auch Erzählendes — führten die Zuhörer in die Einmaligkeit ostpreußischer Landschaft: an Haff und Nehrung, in die Einsamkeit masurischer Wälder mit ihren tausend Seen.

 

Einen dankenswerten heimatlichen Beitrag lieferte der Osnabrücker Schriftsteller Walter Schröder mit seinem Laienspiel „Ännchen von Tharau“, das von der Laienspielgruppe „Elternhaus und Schule" zur Uraufführung gebracht wurde. Das Spiel beschwört die Zeit des Großen Kurfürsten und lässt den Königsberger Dichterkreis um Heinrich Albert und Simon Dach lebendig werden, im Mittelpunkt die Romanze einer Liebe. Dem einheimischen Autor gebührt besonderer Dank für dieses Werk.

 

Lübbecke.

Die letzte Veranstaltung der Ortsgruppe, zu der Dr. Lau als Gast begrüßt werden konnte, stand unter dem Motto „So lachten wir Zuhause". Mit seiner launigen Einführung fand Dr. Lau sofort zu den Herzen der Zuhörer, die er im Laufe des Abends von Begeisterung zu Begeisterung riss. Der Vorsitzende der Gruppe, Lm. Hardt, durfte der Zustimmung aller Landsleute gewiss sein, als der dem Vortragenden für diesen Abend dankte und den Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen daran knüpfte.

 

Seesen.

Ein „Wiedersehen mit Ostpreußen" vermittelte W. M. Beutel mit seinem Bild- und Reisebericht von seiner Fahrt durch den polnisch besetzten Teil Ostpreußens im Sommer 1956 den zahlreichen Besuchern des letzten Heimatabends. Mit der Gegenüberstellung von Einst und Jetzt erhielten die Lichtbilder von der 1500 km langen Fahrt den Wert einer historischen und politischen Dokumentation.

 

Der nächste Heimatabend am 6 April steht unter dem Motto „Ostpreußen, nördlicher Teil — heute!"

 

Zum Bundestreffen in Bochum besteht Busverbindung ab Seesen (22,-- DM). Abfahrt in der Nacht vom 18. bis 19. Mai. Zusteigmöglichkeit auf der Strecke Gandersheim - Greene. Rückfahrt Sonntag 20 Uhr. Anmeldung unter Anzahlung von 10,-- DM bis 6. April bei Elektro-Röder, Seesen, Jakobsonstraße 13. Rückfragen unter Tel. 551 zwischen 8 und 13 Uhr bei Obmann Papendick. Genaue Abfahrtszeiten in der Maiausgabe der Ostpreußen-Warte.

 

Bremerhaven.

In Bremerhaven, der Patenstadt Elbings, wurde nun eine Heimatkreisgruppe Elbing gegründet, der in der Gründungsversammlung über 50 Elbinger beitraten. Der Heimatkreisgruppe erwachsen in ihrer Patenstadt besondere Aufgaben aus der Vorbereitung und Durchführung der Heimatkreistreffen. Mittelpunkt der Heimatkreisarbeit soll die früher in Elbing beheimatete Schichauwerft bilden, bei der ein Großteil der Elbinger auch heute wieder in Arbeit steht. — Eine Woche vor Beginn des Elbinger Treffens soll ein kostenloser Ferienaufenthalt für 25 Elbinger Mädchen im Alter von 15 bis 18 Jahren am Wollingster See ermöglicht werden. Anmeldungen sind an das Vertriebenenamt in Bremerhaven zu richten.

 

Bayreuth.

Zum Fastnachtsausklang bereitete die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen am Faschingsdienstag im Maiselbräu den Kleinsten einen Kinderfasching, der sich eines guten Besuches erfreute. Den Höhepunkt bildete eine Maskenprämierung.

 

Traustein.

In der Generalversammlung der landsmannschaftlichen Ortsgruppe der Ost- und Westpreußen wurde der bisherige Vorstand (Vors. Lm. Schadau, Schriftf. Lm. Folkerts, Kassenwart Lm Fronert. Kultur- und Jugendreferentin Frau Romahn) einstimmig wiedergewählt. Lm. Schadau wandte sich gegen die Verzichtserklärungen Pastor Niemöllers. Die Berichte der Sachbearbeiter gaben ein Bild von der Rührigkeit der Traunsteiner Gruppe. Als Gastreferent war der Bezirksvorsitzende Dr. Schlusnus anwesend. Anhand von Lichtbildern bereitete er der Ortsgruppe eine eindrucksvolle Heimatstunde und deckte im Anschluss daran die Verbindungen auf, die zwischen Traunstein und dem aus Neidenburg gebürtigen Geschichtsschreiber Ferdinand Gregorovius bestanden.

 

Seite 16   Humor ist Trumpf

Auch in den Sommermonaten steht Dr. Lau für fröhliche Heimatveranstaltungen der Landsmannschaften und des BvD zur Verfügung, desgleichen auch für Vorträge in Schulen und Volksbildungswerken. Bei Heimatkreistreffen und Tagungen, bei Ausflügen und „Fahrten ins Blaue", bei Traditionstreffen der Soldaten, Behörden und 3 Firmen sorgt er dafür, dass auch der Humor zu seinem Recht kommt. Er ist einmalig in seiner Art und hält für alle Gelegenheiten Spezialprogramme mit besonderen Überraschungen bereit.

 

Zwar sind schon Vereinbarungen bis in den Herbst hinein getroffen; aber noch sind günstige Termine frei. Seine Bedingungen sind auch für kleinere Gruppen durchaus tragbar. Wenn Sie ihn einladen wollen, schreiben Sie bald, damit Ihre Veranstaltung günstig eingeplant werden kann, so dass infolge Anschlussveranstaltungen die Reisekosten möglichst niedrig gehalten werden können.

 

Alle Anfragen bitten wir, nur direkt an Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16, zu richten. Die Schriftleitung.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Nach langem, schmerzensreichem Krankenlager ging von uns unser sehr verehrter und lieber 1. Vorsitzender Herr Schulrat Fritz Babbel. Er war uns ein unvergessliches Vorbild. Viele Jahre widmete er seine Kraft der gesamten Flensburger Bürgerschaft. Aber er blieb zu jeder Zeit Ostpreuße mit heißem Herzen, opferbereit und bedingungslos treu seinen Landsleuten und seiner Heimat. Wir müssen alle von ihm lernen. Landsmannschaft Ostpreußen in Flensburg. Dr. M. Kob; Bocian

 

Ein gütiger Tod führte heute meinen geliebten Mann, Oberstudiendir. i. R. D. Dr. Arthur Mentz, vom Stadtgymnasium zu Königsberg i. Pr., geboren 7. März 1882, vom irdischen ins ewige Leben. Gertrud Mentz, geb. Jander. Es trauern tief mit mir, seine alte Schwester Marg. Mentz; sein Schwager Dr. Konrad Jander und Frau Eva; seine Neffen, Nichten und Patenkinder und so viele liebe Freunde aus der alten und in der neuen Heimat. Rinteln / Weser, den 30. März 1957 Bahnhofstraße 35.

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