Ostpreußen-Warte, Folge 01 vom Januar 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 01 vom Januar 1957

 

Seite 1   Foto: Schöne Heimat im Winterkleid. Das Bild zeigt die Jagdbuder Straße in der Rominter Heide.

 

Seite 1   Bisherige Politik bedarf Revision

Es ist eine völlig irrige Annahme, zu glauben, dass man mit Verzichterklärungen am laufenden Band die kommunistischen Regierungen in einzelnen Satellitenländern schwächen könnte. Das Gegenteil ist richtig. Nur ein klarer deutscher Rechtsanspruch in diesen Fragen bringt diesen Völkern zum Bewusstsein, dass auch sie für einen Zustand der Freiheit und des Friedens in Osteuropa einen Preis zu zahlen haben. Die Oder-Neiße-Linie war und ist eine Stalingrenze. Die Austreibungen sind der Höhepunkt von Stalins Politik der Sowjetisierung Osteuropas gewesen. Beide bedürfen einer Revision. Wenzel Jaksch, MdB.

 

Seite 1   Ohne Geschichtsbewusstsein sind wir verloren. Ostdeutsches Schicksal muss Herzenssache der Gesamtheit werden.

Die oft geäußerte und gerade von Deutschen fast erbittert verflochtene Meinung, wir seien ein unpolitisches Volk, dem staatsmännische Begabung fehle, ist keineswegs stichhaltig. Uns mangelt heute ein Geschichtsbild, das uns alle erfasst, wie es bei anderen Völkern, häufig stark durch Selbstverherrlichung beeinflusst, die Gemeinschaft durchdringt, aber um bei den Deutschen staatsmännisches und sogar weltschöpferisches Genie in sehr hohem Ausmaß zu entdecken, bedarf es bloß des Hinweises auf unsere mittelalterliche Geschichte und auf die Tatsache, dass nach dem Untergang Roms unsere Kaiser die Idee des abendländischen Reiches neu verwirklichten und damit die Schaffung dessen ermöglicht haben, was wir als Abendland begreifen. Auch in den folgenden Jahrhunderten erscheinen unter uns Gestalten von gesamteuropäisch politischem Rang, und das 19. Jahrh. zeigt mit seinen zwei wichtigsten geschichtsbildenden Persönlichkeiten mit Metternich und Bismarck, dass jene Begabung fortdauert.

 

Vergleicht man die deutschen Irrwege der letzten Jahrzehnte mit denen anderer Völker von Gewicht, etwa der Engländer und Franzosen, so siegten diese zwar mit Hilfe eines überwältigenden Bündnisblocks über uns, doch ihre Triumpfe wurden erkauft durch eigene ungeheure Verluste an Ansehen und Macht und überdies — besonders unheimlich! — mit einer kaum wieder heilbaren Schädigung Europas in der Welt sowie mit einem allgemeinen noch anhaltenden Unfrieden. Dass sie samt Amerika und Russland elf Jahre nach Kriegsschluss nicht einmal einen Friedensvertrag mit dem einstigen Gegner zusammenbrachten, enthüllt, wie tagesbestimmt, unschöpferisch und gefühlsbewegt ihre Politik war.

 

Betrachtet man aber, was man sich nach bitteren Erfahrungen abgewöhnen sollte, den Verlauf und die Ergebnisse der jüngsten Welthändel unter moralischen Maßstäben, als ob das Bessere belohnt und das Böse bestraft würde, so ergibt sich nur der Schluss, dass ähnliche Vorwürfe, wie man sie Deutschland machen kann und mit pharisäischer Lust sogar übertreibt, den übrigen Völkern nicht erspart werden dürfen; allein die Vertreibung der Ostdeutschen lässt hier die Waage einspielen.

 

Freilich, das eine bleibt: politische Begabungen werden sich eher fruchtbar regen können, wenn ihnen ein einheitliches Geschichtsbild und das davon genährte Selbstbewusstsein des Volkes, dem sie dienen, den Rücken decken. Eine solche geistige Stütze fehlt, wie erwähnt, heute bei uns. Wir haben nach beiden, in einer Generation erlittenen Niederlagen das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Was unserer Geschichte Mittelpunkt und Sinn war, ein sehr edler, das Abendland tragender, es mitschaffender und schützender Sinn, das Reich, geriet in ein Zwielicht, das besonders nach 1945 mit der schlimmen, uns offenbar angeborenen Fähigkeit, alles Eigene, selbst größte Leistungen, plötzlich abstreifen und erniedrigen zu können, um ein vermeintlich herrliches Neues zu bejahen, allein nicht erklärbar ist. Verständlich wird diese Selbstverleugnung erst, wenn man berücksichtigt, dass sei uns in einer Stunde völliger leiblicher und seelischer Verelendung von den Siegern mit der Absicht aufgehalst wurde, uns noch den letzten Stolz zu rauben, damit wir zerknirscht selber für gut hielten, was sie uns angetan; außer handgreiflich praktischen Erwägungen leitete sie dabei das Bedürfnis zur Gewissenserleichterung. Allerdings brauchten sie dazu deutsche Helfer; dass sie sie fanden, gehört zur Finsternis der Elendsjahre.

 

Dieses trübe Gemälde lichtet sich etwas beim Anblick der Auswirkungen auf das breite Volk, das die Wortführer der Stunde schnell durchschaute und ihnen mit Gleichgültigkeit antwortete, was ihnen zwar noch freiere Hand verschaffte, scheinbar für die Nation zu sprechen, deren inneren Kern und wirkliches Meinen sie aber bald gar nicht mehr erreichten. Mag das nun ein Prozess natürlicher Abwehr gewesen sein und der Selbsterrettung, notwendig unter dem Joch der Machtlosigkeit, so war es doch wieder ein Hemmschuh für die Belebung des geschichtlichen Bewusstseins; es bremste den Willen zu gemeinsamen Taten und verhinderte die Bereitschaft des ganzen Volkes, die zahllosen politischen Aufgaben der Gegenwart als eigenes brennendes Anliegen zu empfinden und damit deren Lösung voranzutreiben. Die oft gescholtene deutsche Teilnahmslosigkeit war die Folge, das „Ohne-mich", während es doch um die Existenz aller geht.

 

Sogar die furchtbarsten Erlebnisse, die jedermann betreffen und die jeder selber erduldete, verblassten dabei und führten zu keiner Besinnung. Die wenigsten Deutschen fühlen den Verlust unseres Ostens als ständig quälenden Stachel und als Einbuße an Lebensraum, die uns zum Hinsiechen verurteilt, obschon im Augenblick durch unsere Arbeitstüchtigkeit und die Gunst der weltpolitischen Lage Westdeutschlands unser wirtschaftlicher Aufschwung weiter anschwillt. Ein Kind kann unsere nationalen Ziele aus dem entstellten Bild der Landkarte herausgreifen; dennoch sind sie keine Herzensnot der Gesamtheit. Das können sie ja nur sein, wenn die Herzen heiß mitschwingen. Darum begrüßten wir das aus der Tiefe wieder auflodernde deutsche Bekenntnis der Saarbevölkerung.

 

Entscheidend ist zweierlei. Erstens: unsere Zukunft hängt wie die jedes Volkes davon ab, ob wir füreinander stehen wollen, ob die Beeinträchtigung eines Gliedes zur Sache aller wird, ob unser Denken das Ganze umgreift, ob wir mit diesem mitfühlen und den privaten Vorteil in großen Fragen hinter den allgemeinen zu stellen bereit sind. Damit sei keiner chauvinistischen Verkrampfung das Wort geredet, sondern bloß die Binsenwahrheit ausgesprochen, dass ein Volk ohne nationales Bewusstsein verloren ist. Das zweite ist dies: ein großes Volk mit großer Vergangenheit wie das unsere verliert Rang und Bedeutung, wenn es sich zurückentwickelt zur geschichtslosen, lediglich nationalen Existenz. Kleine Völker, die in sich versponnen einfach dahinleben und keine weltweiten Leistungen vollbrachten, können sich mit der natürlichen Gemeinschaftstreue bescheiden, die in solchen Fällen meist recht nationalistisch aufzutreten pflegt. Wir nicht! Wir sinken zu Heloten herab, wenn wir unsere Geschichte nicht wieder zum wirkenden Bild der Gemeinschaft verdichten, die sich daran immer aufs Neue zu stärken vermag. Erst mit einem solchen Geschichtsbild gewinnen wir den festen Boden zum Handeln, zum Planen, die Idee unseres Volkes zurück.

 

Das Reich war die Mitte, um die unsere Geschichte kreiste. Aus dem Reichsgedanken zogen wir die Kraft, uns zu bewahren und wiederzufinden nach mancherlei Zersplitterung, wir zogen daraus auch die Kraft, viele Völker zu beschenken, die westlichen mit Gaben der Kultur, die angrenzenden östlichen überdies mit ihrer Aufnahme in die abendländische Kulturwelt. Dass mit der Vertreibung der Ostdeutschen all diese Völker die Freiheit verloren, ist kein zufälliger Vorgang, sondern ein Ausfluss des Gesetzes, das hier im Bezug zwischen uns und den östlichen Anrainern wirkt.

 

Eine Verdeutlichung ist erforderlich. Wer heute „Reich" sagt, meint meist das zweite oder dritte Reich, jedes Mal einen Nationalstaat und im zweiten Fall sogar einen imperialistischen. Dass beide noch mehr waren, braucht jetzt nicht ausgeführt zu werden, denn uns kommt es hier darauf an zu zeigen, dass mit jenem Reich, dessen Idee unsere Geschichte durchwaltete, nicht eine wandelbare staatliche Gestalt zu verstehen ist. Eine Idee hat viele Verwirklichungsmöglichkeiten, deren jede nur eine mangelhafte Angleichung an sie sein kann.

 

Als 1871 Berlin zur Reichshauptstadt wurde, erfüllte nicht nur der uns verschwelende reichhafte Gedanke, den unsere Geschichte ständig zu gestalten bestrebt war, das neue Reichsgebilde. Unter den vielen Denkmälern der Hauptstadt sucht man vergebens ein einziges, das den großen alten Kaisern und Reichskanzlern gewidmet gewesen wäre. Die preußische, also eine teilstaatliche deutsche Geschichte wurde in Stein und Erz gebannt; man versäumte es aber, die ungeheure Fülle unser mittelalterlichen Geschichte sinnfällig zu verkörpern und dem Volk damit das Gefühl dafür einzuflößen, dass wir vorher ein Reich besaßen, das die abendländische Ordnung schuf und trug und sich in unseren Kaisern die ganze europäische Welt sehr lange symbolisiert sah. Hätte jeder Deutsche die Weite unserer Geschichte in sich aufgenommen, so wäre ein selbstverständliches, grenzüberspannendes deutsches und zugleich europäisches, völkerbegreifendes, ganz und gar nichtnationalistisches Bewusstsein zum unerschütterlichen Fundament des nationalen Lebens geworden.

 

Wir müssen lernen — und es wäre dies vor allem die Pflicht der Schulen, die hierin völlig versagen — unsere Geschichte wieder vom Reich her zu sehen, von dorther unser Geschichtsbild zu fassen, von der Wahrheit und der Wirklichkeit her. Das führt zu keiner Überheblichkeit, sondern zu einer opferbereiten Gesinnung, denn die Reichsaufgabe war für die Deutschen, so glanzvolle Epochen sie uns bescherte, vorwiegend doch ein Opfer; sie weckte Leistungen sondergleichen auf allen Gebieten und führte uns durch Katastrophen stets wieder empor. Heinrich Zillich.

 

Seite 2   Schlappe der „Realpolitiker“

Möglicherweise wird man einstens die Rolle, die die Bundesregierung im Falle des Saargebietes gespielt hat, milder beurteilen, am Tage der Rückkehr dieses Gebietes in den deutschen Staatsverband ist jedoch festzustellen, dass der erfolgreiche Abschluss der ersten Etappe der Wiedervereinigungspolitik nicht möglich gewesen wäre, wenn die Saarländer die Empfehlungen des Bundeskanzlers befolgt hätten. Gewiss, die Unterzeichnung des Saarstatutes, das die französische Vorherrschaft an der Saar auf unbestimmte Zeit gesichert hätte, erfolgte nicht ganz freiwillig, denn sie war mit anderen Verträgen gekoppelt, die der Bundesregierung ein Opfer wert zu sein schienen, nichts verpflichtete aber den Bundeskanzler, in den Abstimmungskampf zugunsten der Befürworter des Statutes einzugreifen, wie er es zweimal tat. Trotzdem hat die Saarbevölkerung am 23. Oktober 1955 die Annahme des Statutes mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnt und damit den Weg für ihre Wiedervereinigung mit Deutschland freigemacht.

 

Ginge es nur um das Saargebiet, dann lohnte es sich kaum, die Freude über die Wiedereingliederung durch ein Rückblenden zu trüben, die Vorgeschichte des am 1. Januar 1957 in Saarbrücken vollzogenen Staatsaktes ist jedoch im Hinblick auf die umfassendere deutsche Wiedervereinigung sehr lehrreich, sie ist vor allem eine Lektion für die „Realpolitiker“ in Deutschland.

 

Schon die Ratifizierung des Statutes durch den Bundestag fand die Unterstützung eines großen Teiles der deutschen Presse, und vor dem 23. Juli, dem Beginn des Abstimmungskampfes an der Saar, rechnete kaum jemand mit einer Ablehnung durch die Bevölkerung. Als nach der Zulassung der sogenannten deutschen Parteien die Verwerfung des Statutes in den Bereich des Möglichen rückte, gaben sich zahlreiche Leitartikler unendliche Mühe, den Saarländern begreiflich zu machen, dass man in der Politik nicht emotional denken dürfe, sondern mit kühlem Verstand handeln müsse. Das war auch der Rat, den der Bundeskanzler beisteuerte.

 

Zu dieser Zeit sprachen überhaupt alle, die Sinn für „Realpolitik" zu haben vorgaben, für eine Annahme des Statutes. Da war neben der Bundesregierung und eines großen Teiles der deutschen Presse der Chor der Vorkämpfer für den Zusammenschluss Europas, die das Saarstatut als ein wichtiges Stück auf dem Wege zu ihrem Ziel ansahen; da waren die Regierungen der Westeuropäischen Union und da war schließlich die französische Regierung, die androhte, dass es nach einer Ablehnung keine neuen Verhandlungen, sondern nur die Rückkehr zum Besatzungsregime geben werde. Aber die Saarländer handelten trotzdem „emotional“!

 

Ungefähr ein Jahr später, am 27. November 1956, wurde zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung ein zweites Abkommen über das Saargebiet abgeschlossen. Es sieht die nun bereits erfolgte politische Rückkehr und die schrittweise Ausgliederung aus dem französischen Zoll- und Wirtschaftsgebiet in einem Zeitraum von drei Jahren vor. Nun erst ist ein Herd des Unfriedens zwischen Deutschland und Frankreich endgültig beseitigt und außerdem der Beweis erbracht worden, dass das Festhalten an einer gerechten Forderung gar nicht so unrealistisch sein muss, wie es manches Mal aussieht. E. W.

 

Seite 2   Warschau will Unrecht wieder gutmachen. Eine Regelung deutscher Vermögensrechte angekündigt.

Warschau. Die neue polnische „Regierungskommission für die Entwicklung der Westgebiete" soll sich auch mit der Aufgabe befassen, das Unrecht wiedergutzumachen, das an den zurückgebliebenen Deutschen begangen wurde. Wie die polnische Nachrichtenagentur PAP meldete, wird sich die Kommission in Kürze mit dem Problem der Regelung der Vermögensrechte und der Wiedergutmachung des Unrechts befassen, das gegenüber einem Teil der eingesessenen Bevölkerung begangen worden sei.

 

Zu den Aufgaben der Kommission werde es ferner gehören, die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete voranzutreiben. Es gebe doch noch immer zahlreiche große Industriebetriebe, die teilweise zerstört seien, in denen die Produktion nach Reparaturarbeiten aber wiederaufgenommen werden könne. Außerdem habe es sich als notwendig erwiesen, das Wirtschaftsleben in den kleinen Städten anzukurbeln. Die Kommission prüfe auch die Möglichkeit einer Ausbeutung der vorhandenen Torf- und Braunkohlenvorkommen.

 

Zu antikommunistischen Demonstrationen ist es im Dezember in den polnisch verwalteten Teilen des südlichen Ostpreußens gekommen, wie aus mehreren Berichten der in Allenstein erscheinenden Polnischen Zeitung „Glos Olsztynski" hervorgeht. Die Zeitung berichtet von „terroristischen Exzessen jugendlicher Rowdies, die zuzeiten einen antikommunistischen Charakter annahmen". In Wormditt (Orneta) sei die Polizei angegriffen und das Polizeihauptquartier in Brand gesteckt worden. In Allenstein (Olsztyn) hätten Studenten vor dem Parteihauptquartier demonstriert und versucht, Wahlen zu stören.

 

Die polnische Regierung hat am Sonntag im Zuge ihrer Bestrebungen, ein echtes Preisverhältnis herzustellen, die Baustoff- und Holzpreise nahezu verdoppelt. Als Folge davon werden die Preise für Bücher und Zeitungen um mehr als hundert Prozent und die Möbelpreise voraussichtlich um vierzig Prozent ansteigen. Gleichzeitig gab das Bergbauministerium eine abgestufte Lohnerhöhung im Kohlenbergbau bekannt, die am Dienstag in Kraft treten wird. Für die Landwirtschaft soll der Milchablieferungszwang in nächster Zeit abgeschafft werden.

 

Seite 2   Neue Bezeichnung für Ostgebiete

Bonn. In der Bundesrepublik ist Einverständnis darüber erzielt worden, dass die deutschen Ostgebiete unter fremder Verwaltung im amtlichen Sprachgebrauch künftig die Bezeichnung „Deutsche Reichsgebiete in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 unter vorläufiger polnischer bzw. sowjetischer Verwaltung" führen sollen. Als Kurzform soll die Bezeichnung „Ostgebiete des Deutschen Reiches (Stand 31. Dezember 1937), zur Zeit unter fremder Verwaltung" gelten.

 

Seite 2   Neue Kandidaten für den Sejm

Warschau. Soweit sich bis jetzt überblicken lässt, werden bei den am 20. Januar stattfindenden Sejmwahlen kaum mehr als zehn Prozent der bisher im polnischen Parlament vertretenen Abgeordneten für eine Wiederwahl kandidieren. Von den 56 Warschauer Kandidaten sind nur sechs ehemalige Abgeordnete, von den 64 der Wojewodschaft Krakau nur vier und von den 29 Danziger Kandidaten nur sechs. Gomulka und der ZK-Sekretär der KP, J. Albrecht, kandidieren zusammen mit dem Generalsekretär des ZK der Demokratischen Partei und dem stellvertretenden Vorsitzenden des ZK der Vereinigten Bauernpartei sowie dem Chefredakteur der Zeitschrift „Poprostu", dem Chefredakteur der Zeitung „Zycie Warszawy", einem katholischen Schriftsteller und einer Reihe von Arbeitern, Gewerkschaftlern, Handwerkern und sogenannten „Intelligenzlern" in der Stadt Warschau.

 

Insgesamt enthalten die Wahllisten Polens 720 Kandidaten, von denen 405 zu Abgeordneten des Sejm gewählt werden. Aus den Reihen der Zentralorganisation sind nach einer amtlichen Mitteilung nur 70 Kandidaten aufgestellt worden.

 

Seite 2   Aussiedlung von Einzelpersonen erleichtert

Bonn. In den letzten Tagen aus Polen eingetroffene deutsche Aussiedler berichten, dass die polnischen Behörden bei der Bearbeitung von Ausreiseanträgen in der letzten Zeit wesentlich konzilianter geworden sind. Auch die Aussiedlung von Einzelpersonen soll künftig erleichtert werden, die bisher nur in Einzelfällen möglich war. Wie den Aussiedlern von den zuständigen polnischen Behörden mitgeteilt wurde, werden die Rinzesaussiedler ab 1. Januar 1957 nach Einstellung der mit dem Deutschen Roten Kreuz vereinbarten Sammeltransporte ihre Aussiedlungskosten selbst bezahlen müssen. Es sollen bereits Verhandlungen mit schweizerischen Stellen im Gange sein, um bei dortigen Banken die Hinterlegung dieser Beträge durch deutsche Angehörige durchführen zu können, falls der Aussiedlungswillige selbst über die notwendigen Mittel nicht verfügt.

 

Seite 2   Aus der Geschichte lernen Vertriebene auf neuen Wegen

Nicht durch Betonen des Rechtsanspruches auf die Heimat, sondern durch die Bildung einer auch die Völker des Ostens umfassenden, europäischen Gemeinschaft solle man den Weg zur Rückkehr in die alte Heimat zu öffnen suchen. So hieß es in einer Erklärung, in der der Ertrag einer Heimatvertriebenentagung in der evangelischen Akademie in Arnoldshain im Taunus zusammengefasst wurde. Statt fruchtlos für das noch so begründete Recht auf Heimkehr zu demonstrieren, müsse man jetzt aus der Geschichte lernen, dass nur die Achtung vor den Ostvölkern und die Bereitschaft, ihnen als Partner zu dienen, einen neuen Weg erschließen könnten.

 

Seite 2   Handelsabkommen Nord-Süd

Die Sowjetunion und Polen haben vor kurzem auf regionaler Basis ein Handelsabkommen über einen Warenaustausch zwischen dem polnisch und dem sowjetisch verwalteten Teil Ostpreußens abgeschlossen. Wie eine in Allenstein erscheinende polnische Zeitung meldete, soll dadurch der Mangel an bestimmten Waren ausgeglichen werden. Der unter polnischer Verwaltung stehende (südliche) Teil Ostpreußens erhält aus Königsberg unter anderem Fleisch, Fische, Kaffee, Rundfunkempfänger, Autos, Fahrräder und Uhren. Nach dem sowjetisch verwalteten (nördlichen) Teil Ostpreußens werden Porzellan, Kleidungsstücke, Möbel und andere Waren geliefert.

 

Seite 2   Mehr Verständnis für die Heimatvertriebenen

Nienburg/Weser. Verständnis für die Opfer der Heimatvertriebenen sei eine wichtige Voraussetzung für die Eingliederung der Vertriebenen in die niedersächsische Heimat, sagte Staatsarchivdirektor Professor Dr. Schnath am Wochenende in seinem Vortrag über „Heimat und Staat" auf der Bezirkstagung der niedersächsischen Heimatvereine in Nienburg/Weser.

 

Professor Dr. Schnath wies u. a. darauf hin, dass die Heimatvertriebenen nicht nur den Staat, sondern auch ihre Heimat verloren hätten und deshalb ihre Opfer größer seien als die der Einheimischen. Er appellierte an die Erzieher, aktive Heimatpfleger zu werden und in den Lehrplänen die Heimatforschung mehr als bisher zu berücksichtigen.

 

Seite 2   Pressespiegel

Schluss mit der Kreuzritterei

„Für die Länder an der Peripherie des Sowjetfblocks ist es tragisch, dass die Freiheit in Russland selbst nicht raschere Fortschritte macht. Sie kann nämlich — im Gegensatz zu der herrschenden Meinung des Westens — nur von innen nach außen fortschreiten, denn eine Entwicklung in entgegengesetzter Richtung würde wie eine atomare Kettenreaktion zur Auflösung des russischen Imperiums führen.

 

Man kann natürlich nicht sagen: ‚Das Sowjetimperium soll ja auseinanderfallen. Es darf nicht bestehen bleiben, wenn der „Westen" leben soll.' Das kann man sagen (was lässt sich nicht sagen?); aber dann muss man auch die Konsequenzen ziehen und zuschlagen, selbst wenn es den dritten Weltkrieg mit H-Bombe und allem Zubehör bedeutet. Was man nicht darf, ist ‚avanti! avanti!' rufen und selbst im Schützengraben oder in der Etappe sitzenbleiben. Man hätte den Ungarn entweder mit Panzern und Flugzeugen helfen oder ihnen sagen müssen: „Begnügt euch mit dem Erreichten, lasst das sozialistische Firmenschild schon eine Weile an eurer Tür hängen, sonst stürzt ihr euch in eine Katastrophe, aus der wir euch nicht erretten können. Den Ungarn fehlte nicht nur ein Gomulka, es fehlte ihnen auch ein Kardinal Wysczynski.

 

Aber wer im Westen zieht schon diese Konsequenzen? Wer steht auf und sagt: „Nun endlich Schluss mit der Kreuzritterei am Schreibtisch und am Mikrophon! Wir müssen reale Wege zeigen. Der einzige reale Weg — abgesehen von einem Weltkrieg — ist aber die Evolution in Russland. Jede neue Verhärtung der Fronten, jedes Triumphgeschrei: ,Der Koexistenzpopanz ist tot, Politik der Stärke war richtig', führt weiter weg vom Ziel und näher heran an den Krieg“. Die TAT, Zürich

 

Seite 2   Objekt der Weltpolitik geblieben

„Das vergangene Jahr schon hat gezeigt, und das kommende wird es weiter erweisen, dass es für Bonn nicht damit getan ist, sich in den Windschatten des großen Bruders in Washington zu ducken, um auf diese Weise alle Stürme über sich hinwegbrausen zu lassen. Der Wind, der sich draußen aufgemacht hat, manches zu schmelzen, manches ins Wanken bringend, dringt auch zu uns. Vieles, was uns unzerbrechlich erschien, macht er fragwürdig, vieles scheinbar ganz Stabile unbeständig. In der Unbefangenheit der internationalen Diskussion im Westen über eine militärische Räumung und Neutralisierung Deutschlands oder Mitteleuropas wird deutlich, wie relativ die Bedeutung dieses Bonner-Staates ist, wie sehr wir, aller nominellen Souveränität zum Trotz, Objekt der Weltpolitik geblieben sind“. Süddeutsche Zeitung, München

 

Seite 2   Wessen Schuld ist es?

„Vor über 100 Jahren stand auf der Landstraße zwischen Nürnberg und Fürth ein Unbekannter und zeigte einen von fremder Hand geschriebenen Zettel vor: „Ich will ein Reiter werden“. Die Zeitgenossen vermuteten in dem rätselhaften Findling einen um sein Erbe betrogenen deutschen Fürstensohn und nannten ihn Kaspar Hauser. Er schien in einem Verliese groß geworden zu sein und hatte nie die Sprache seines Volkes gehört. — Ist unsere Jugend seit zehn Jahren in nationaler Hinsicht nicht in einer ähnlichen Abgeschiedenheit aufgewachsen wie Kaspar Hauser? Unsichtbare Hände errichteten zwischen ihr und der Überlieferung ihres Volkes unsichtbare Mauern. Und jetzt hält sie plötzlich einen Zettel in der Hand: „Ich muss Soldat werden“. Ist es ihre Schuld, wenn sie sich damit nicht zurechtfindet?" Der Fortschritt, Düsseldorf

 

Seite 2   Nicht abwarten — handeln

„Die vom deutschen Außenminister aufgeworfene Frage, welches die Politik der NATO im Hinblick auf die in Ostdeutschland bestehende Gefahr sein soll, betrifft zweifelsohne die NATO. Diese Gefahr zur Kenntnis nehmen, bedeutet m. E. nicht nur, abzuwarten, ob es zu einem Ausbruch kommt und dann erst mit wahrscheinlich großartigen moralischen Erklärungen zu antworten zu versuchen. Diese Gefahr zur Kenntnis nehmen, heißt vielmehr, die Initiative ergreifen, heute schon handeln und nicht erst nach eingetretenem Ereignis: Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Sowjetunion vorschlagen für die Vereinigung Deutschlands, für die Herabsetzung und den Rückzug der Armeen, und für die Bildung eines Systems der gesamteuropäischen Sicherheit“. Herald Tribune, New York

 

Seite 2   Der letzte Monat

Nachdem die Saarverträge und das Eingliederungsgesetz von der französischen Nationalversammlung  und dem Bundestag gebilligt wurden und der Saarlandtag die Beitrittserklärung zum Todestag angenommen hatte, öffnete sich die Grenze zwischen der Bundesrepublik und dem Saargebiet in der Nacht zum 1. Januar. Der Saarlandtag wählte zehn Abgeordnete für den Bundestag.

 

Eine Beratung der Obersten Sowjetführer der UdSSR und der Ostblockstaaten in Budapest beschloss russische Truppen im Lande zu belassen. Die kommunistische Partei bleibt Staatspartei.

 

Die Regierung Kadar hat für die Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen und Streiks hohe Gefängnisstrafen angedroht. Der Forderung der ungarischen Arbeiterschaft kam die Regierung teilweise mit der Haftentlassung des Mitglieds des aufgelösten Zentralen Arbeiterrates, Bali nach. Das Sowjetische Oberkommando hat bisher drei seiner 12 bis 14 Divisionen aus Ungarn abgezogen. Eine Anleihe von 50 Millionen Dollar hat Moskau Ungarn für Einkäufe in westlichen Ländern zugesagt.

 

Der indische Botschafter in der Sowjetunion, Menon, vermittelt zwischen Moskau und Budapest bezüglich der Bildung einer Koalitionsregierung.

 

Die britisch-französischen Streitkräfte haben nach 47-tägigem Aufenthalt Ägypten verlassen. Staatspräsident Nasser dankte der sowjetischen Bevölkerung für die Unterstützung während der Suezkrise. Die Räumungsarbeiten im Suezkanal sind in vollem Gange.

 

Die Sowjetregierung richtete erneut eine Note an die Bundesregierung, in der sie um Unterstützung bei der Repatriierung von sogenannten verschleppten Personen bat, die seit Kriegsende in der Bundesrepublik wohnen. In Bonn wird dazu erklärt, dass sich bisher erst 150 Personen nach Russland gemeldet hätten.

 

Die Ausrüstung mit taktischen Atomwaffen ist auch für die Bundeswehr in gleichem Umfange vorgesehen wie für die anderen NATO-Staaten. Der Kasernenbau soll nach Möglichkeit beschleunigt werden. Bei der Einberufung der ersten Wehrpflichtigen sollen persönliche Wünsche auf Zurückstellung weitgehend berücksichtigt werden.

 

Gegen alle militärischen Bündnisse wandte sich Ministerpräsident Nehre bei der UN-Vollversammlung. Es sei heute nicht mehr möglich, Streitfragen durch einen Krieg zu lösen. Über die Ereignisse im Nahen Osten und in Osteuropa sprach Nehm bei einem kurzen Besuch in der Bundesrepublik mit Dr. Adenauer. Eine ständige persönliche Kontaktaufnahme wurde vereinbart.

 

Tschu En-lai, der chinesische Ministerpräsident und Außenminister, besuchte auf einer Reise durch die Länder Südostasiens zweimal den indischen Ministerpräsidenten Nehru. Im Januar beabsichtigt Tschu En-lai einen Besuch in Moskau und Warschau und anschließend einen dritten Indienbesuch.

 

Entscheidende personelle Veränderungen in der staatlichen Kommission für Wirtschaftsplanung hat das Präsidium des Obersten Sowjets vorgenommen.

 

Nicht durch Einleitung mündlicher Besprechungen, sondern durch eine neue Note will die Bundesregierung die sowjetische Deutschlandnote vom 22. Oktober 1956 beantworten.

 

Die Entscheidungsgewalt Ober den Einsatz von Atomwaffen in einem Konflikt wollen die USA weiterhin behalten. Den westeuropäischen Verbündeten sollen zwar modernste Waffen geliefert werden, die amerikanischen Gesetze erlaubten jedoch nicht, die Atomgeschosse dafür zu liefern, erklärte US-Verteidigungsminister Wilson.

 

Amerikanische Demokraten haben vorgeschlagen, das Gebiet zwischen dem Rhein und der sowjetischen Grenze von amerikanischen und sowjetischen Truppen zu räumen, um eine friedliche Loslösung der osteuropäischen Staaten aus der sowjetischen Abhängigkeit zu bewirken.

 

Die beim Moskau-Besuch Dr. Adenauers verabredeten deutsch-sowjetischen Handelsgespräche könnten jetzt in Angriff genommen werden, erklärte der Bundeskanzler in einem Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter Smirnow.

 

Ministerpräsident Grotewohl ist mit den höchsten Ostberliner Würdenträgern nach Moskau gereist.

 

Der Premier von Ceylon, Bandaranaike, hat durchgesetzt, dass die Engländer ihre Stützpunkte auf Ceylon aufgeben, da während des Ägyptenfeldzuges britische Kriegsschiffe Brennstoff und Wasser dort aufgenommen hatten und damit gegen die Neutralitätspolitik des Landes verstießen. Als Ersatz wird Großbritannien den unzulänglichen Flugplatz auf den Malediven wieder herrichten.

 

Der Metallarbeiterstreik in Schleswig-Holstein, an dem rund 32 000 Arbeiter beteiligt sind, ist mit elf Wochen Dauer der längste Streik, den es je in Deutschland gab. Den von der Schlichtungsstelle der Tarifpartner ausgearbeiteten Einigungsvorschlag lehnte die Große Tarifkommission der Industriegewerkschaft Metall ab.

 

Der syrische Ministerpräsident Assali erklärte, Syrien werde eine positive neutrale Politik zwischen Ost und West befolgen. Zur Industrialisierung werden nur solche Auslandsanleihen aufgenommen, die an keine politischen Bedingungen geknüpft seien. Staatspräsident Kuwatli stattet Pakistan einen zehntägigen Staatsbesuch ab und besucht anschließend Indien.

 

Der Plan einer Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) wird erneut von Regierungssachverständigen der sechs Montanunion-Länder beraten. Während Frankreich zur Eile drängt, wünscht die Bundesrepublik eine langsame Bearbeitung.

 

Der Abrüstungsvorschlag des sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin ist von den Regierungschefs der drei Westmächte im Wesentlichen übereinstimmend beantwortet worden. Präsident Eisenhower kündigt neue Vorschläge der USA für die Abrüstungsgespräche bei den Vereinten Nationen an, lehnt jedoch vorläufig ein Treffen der Regierungschefs der vier Mächte und Indiens ab.

 

Die Explosion einer großen Atombombe in Sibirien haben japanische Wissenschaftler beobachtet. Der letzte von der Sowjetunion bekanntgegebene Versuch soll am 17. November 1956 stattgefunden haben. Von westlicher Seite wurden bisher zwölf sowjetische Atombombenversuche festgestellt.

 

Der frühere Verfassungsschutzpräsident, Dr. Otto John, wurde nach sechswöchiger Prozessdauer zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, wobei ihm ein Jahr Untersuchungshaft angerechnet wird. Außerdem hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Als Folge des Schuldspruches hat Dr. John alle Beamtenrechte verloren.

 

Die in der Pankower Verfassung verankerte Schulgeldfreiheit soll ab 1. Januar 1957 dadurch verwirklicht werden, dass in den Mittel- und Oberschulen kein Schulgeld mehr erhoben wird. Für das kommende Schuljahr sind 40 Millionen DM-Ost für Unterhaltsbeihilfen und 9,5 Millionen DM-Ost für Lehrmittel angekündigt.

 

Das Problem der Spaltung Deutschlands will die Bundesregierung durch befreundete Staaten vor die Vereinten Nationen bringen lassen, erklärte Bundeskanzler Dr. Adenauer. Sie wolle jedoch einen günstigen Zeitpunkt abwarten, zu dem die UN nicht mehr so stark mit den Fragen des Nahen Ostens und Ungarns beschäftigt sei.

 

Premierminister Eden wird voraussichtlich Anfang Februar zu einem Besuch bei Präsident Eisenhower nach Washington fliegen.

 

Seite 3   Trostlose Stadt Johannisburg. Masuren sollen Handlanger sein / Polenpresse: „Stadt noch wie ein Schlachtfeld“

Foto: Winterliches Johannisburg an der Galinde (Aus: Quer durch Ostpreußen. Elch-Verlag, Wiesbaden)

Südlich des Spirding-Sees war Johannisburg einmal ein Zentrum Masurens. Obwohl es größere Kreisstädte als Johannisburg mit 6154 Einwohnern in Ostpreußen gab, hatte die Stadt für die weitere Umgebung große Bedeutung. Zwischen dem weiten Gebiet von Osterode bis Lyck erfüllte sie ihre Funktion als landwirtschaftliches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum.

 

Heute haben sich nach zwölfjähriger polnischer Herrschaft die Dinge wesentlich geändert. Das hängt in erster Linie mit der Vernachlässigung der umgebenden Gebiete zusammen, so dass keine Notwendigkeit bestand, Johannisburg wieder zum Mittelpunkt zu machen. Das Kreisgebiet mit der Johannisburger Heide ist in einem derart desolaten Zustand, dass es eigentlich überhaupt keine Aufgaben mehr für ein städtisches Zentrum gibt.

 

Diese Tatsache spiegelt sich eindeutig in dem heutigen Geschehen und im Aussehen von Johannisburg. Das erste, was einem auffällt, ist der vernachlässigte Kanal, der vom Roschsee bei Johannisburg zum Spirdingsee führt. Die wichtige Wasserstraße ist ebenso wie die durch die Kreisstadt fließende Galinde (Pissek) verschlammt und versumpft. Das polnische Fluss- und Kanalamt hat eine vor Jahren in Johannisberg eingerichtete Zweigstelle wieder geschlossen, nachdem sich die Undurchführbarkeit aller Erhaltungs- und Regulierungsarbeiten erwiesen hatte. Heute erschöpft sich die ganze Arbeit darin, dass in Allenstein bei der Wojewodschafts-Kanalabteilung Pläne für das Johannisburger Amt aufgestellt — aber nie in Angriff genommen werden.

 

Gescheitert ist auch der polnische Versuch, die Kreisstadt zu einem Zentrum des Touristenverkehrs zu machen. Aber nicht einmal die durch übermäßigen Luxus nicht verwöhnten „Orbis"- und Gewerkschaftsurlauber vermochten Johannisburg, das mit sensationell niedrigen Preisen Gäste anzulocken suchte, Geschmack abzugewinnen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass man es in dieser Kreisstadt noch nicht einmal im Winter 1956/1957 zu einer Straßenbeleuchtung gebracht hat ...

 

Interessant ist auch ein Erlebnisbericht der ersten und einzigen Urlaubsgruppe, die mit dem Gewerkschaftsreisedienst nach hier kam. Der Reiseleiter Kyrill Bilinski schrieb darüber in seinem Fachorgan: „In Pisz (= Johannisburg) waren wir sehr enttäuscht. Wir hatten den Eindruck, als ob der örtliche Volksrat nach kapitalistischer Manier ein Touristenzentrum zu errichten versucht. Er will nämlich normale Bedingungen für Urlauber nicht von sich aus schaffen, sondern die ersten Urlauber das Geld dafür herbringen lassen und sie darüber hinaus noch zu freiwilligen Aufbaustunden heranziehen. So geht es aber nicht! Die Gewerkschaftsurlauber haben ein Recht darauf, Mindestbedingungen für die Ferienzeit vorzufinden. Wir protestieren also dagegen, dass man uns zumutete, nach der Ankunft das uns zugewiesene leer stehende Haus erst bewohnbar zu machen und mit Notschlafstellen vorlieb zu nehmen. In Pisz erklärte man uns naiv, die Stadt werde dann richtige Bettstellen kaufen, wenn sie durch den Besuch der ersten Urlaubergruppen dafür genügend Geld eingenommen hätte ... Ähnlich war es auch mit anderen Dingen. Die Urlauber mussten selbst ihre Zimmer in Ordnung halten und das Haus säubern, weil dazu keine Hilfskräfte gestellt wurden. Ich kann daher empfehlen, Pisz erst dann wieder in die Urlauberliste aufzunehmen, wenn der dortige Volksrat die primitivsten Voraussetzungen dafür geschaffen hat!"

 

Nach diesem Fiasko beantragte man in Johannisburg Regierungsmittel, um in der Stadt Kuranlagen und einige Gästehäuser zu schaffen. In Allenstein bewilligte man jedoch nur eine Teilsumme, so dass die notwendigen Arbeiten nie recht in Fluss kamen. Man schuf einige Grünanlagen, räumte eine Anzahl Trümmergrundstücke auf und richtete eine ehemalige Pension halbwegs wieder her. Weiter jedoch kam man nicht, da das Geld ausging. Trotzdem will man zum Frühjahr 1957 eine neue Werbungsaktion zum Besuch Johannisburgs in Innerpolen starten. Dabei soll nicht die Kreisstadt, sondern das landschaftlich schöne Masuren in den Vordergrund gestellt werden. Johannisburg wird nur als Ausgangs- und Aufenthaltsort für Wanderungen und Fahrten in die nähere und weitere Umgebung propagiert. Unterstützt wird diese Aktion durch eine Genossenschaft, die in Johannisburg eine kleine Kitsch- und Andenkenindustrie aufgezogen hat. Auf innerpolnischen Bahnhöfen und in den Reisebüros der Gewerkschaften werden bereits Plaketten, Fähnchen und andere Dinge verkauft, die zum Besuch der Stadt anregen sollen.

 

Andererseits beständen echte Möglichkeiten, die Stadt über den Touristenverkehr wieder zum Leben zu erwecken. In Johannisburg leben nur rund 2000 Polen, was nur ein Drittel der früheren deutschen Bevölkerungszahl ausmacht. Da jedoch längst nicht zwei Drittel der vorhandenen Häuser und des Wohnraumes zerstört sind, wäre es theoretisch möglich, vierzehntäglich etwa 1000 Urlauber unterbringen. Aber wie schon gesagt, gibt es hier kein Renovierungs- und Wiederaufbauprogramm, was diese Möglichkeiten nutzen würde. Selbst die Einwohner leben in Häusern, die für unsere Verhältnisse unbewohnbar wären. In Johannisburg gibt es einige dutzend polnische Familien, die seit Jahren reihum ziehen — jedes Jahr verlassen sie ein Haus und suchen sich ein anderes leer stehendes. Während ihrer Wohnzeit schlachten sie ihr jeweiliges Domizil so aus, dass es meist nach ihrem Auszug zusammenfällt oder abgerissen wird.

 

Was für Menschen leben eigentlich heute in Johannisburg? Da es überhaupt kein Bürgertum, keine selbständigen Gewerbetreibenden usw. mehr gibt, setzt sich die Bevölkerung nur aus drei Gruppen zusammen: Beamten der Kreisbehörden, einigen in der Landwirtschaft Beschäftigten und vielen Nichtstuern. Letztere stellen das größte Kontingent. Es sind dies Leute, die vom illegalen Handel mit Lebensmitteln, Konsumgütern und Holzbrennstoffen oder von der Schwarzbrennerei leben. Während die wenigen Läden — ihre Zahl beträgt acht — so gut wie keine Waren führen, bekommt man auf dem schwarzen Markt alles zu Überpreisen.

 

Den ersten Wandel dieser unerträglichen Zustände verspricht Gomulkas neues Regierungsprogramm zu bringen. Da jetzt in beschränktem Umfang wieder private Gewerbetreibende zugelassen werden können, haben verschiedene Leute die Eröffnung von Geschäften aller Branchen beantragt. Darunter sind auch einige Deutsche, die ihre früheren Läden oder ihre Handwerksbetriebe wieder eröffnen wollen. Die Stadtverwaltung unterstützt diese Pläne nach Kräften, um auf diese Weise das Leben in Johannisburg wieder zu normalisieren. Schwierig ist nur die Beschaffung von Geschäftsräumen und von den notwendigen Krediten. Letztere sind vor allem notwendig, weil es zwar genügend leer stehende Häuser für die Geschäftseinrichtung gibt, aber da sie alle verwahrlost sind, bedarf es erheblicher Mittel für die Renovierung. Die städtischen Mittel sind jedoch begrenzt, so dass die meisten Antragsteller auf die Zuteilung von Geldern aus Allenstein warten müssen. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Wiederzulassung von privaten Händlern und Handwerkern die Verhältnisse wenigstens in etwa zu bessern verspricht.

 

Er berichtete, dass sich das Leben in der Stadt nur um den Markt herum abspielte, wo sich einige öffentliche Gebäude sowie einige Läden, das Kino, ein Café und eine Apotheke befänden. Wie wir auch schon feststellten, kritisiert er ebenfalls die unglaubliche Unsauberkeit und gibt die Trostlosigkeit der meisten anderen Stadtviertel und Straßenzüge zu.

 

Dass die Situation der letzten in Johannisburg und Umgebung lebenden Deutschen unter diesen Umständen sehr traurig ist, braucht nicht näher hervorgehoben zu werden. Unsere Landsleute halten sich sehr für sich und vermeiden zu engen Kontakt mit den Polen, die sie vergeblich zu „Autochthonen" zu machen versuchen. Die Polonisierung ist nach wie vor durch Zwangsmethoden charakterisiert, freiwillig hätte sie überhaupt keine Chance. In Johannisburg ist wie auch sonst in Süd-Ostpreußen das christliche Leben für die Deutschen ein Zentrum ihres Volkstums, wenn auch polnische Pastoren immer mehr ins Land kommen und die Predigten in der fremden Sprache abhalten — die Kirchenlieder singt man aber hier noch immer in Deutsch. Wie überhaupt trotz des Terrors der Polonisierung und trotz der unglaublich schlechten Lebensumstände, die mit einer beispiellosen Verarmung verbunden sind, die Deutschen Mut, Glauben und vor allem Hoffnung nicht aufgegeben haben. Wd

 

Seite 3   Blick nach Osteuropa

Russland

Weitere 6000 jugendliche Freiwillige sind jetzt im Gebiet von Tscheljabinsk (Sibirien) eingetroffen, um an der agrarischen Erschließung dieses Gebietes mitzuarbeiten. Ihre erste Aufgabe soll es jedoch sein, Brigaden gegen „kriminelle Elemente" zu bilden, mit denen die Miliz nicht fertig wird.

 

In den baltischen Ländern sei es jetzt zum zweiten Mal zu einer schwer zu zügelnden Nervosität gekommen, gibt die sowjetische Presse zu. Vor allem komme es zu Aufsässigkeiten unter Studenten, Lehrern und Schülern in Wilna. Besonders heftig wird in diesem Zusammenhange kritisiert, dass die Behörden nichts gegen die „Aufrührer" unternehmen.

 

Polen

Die polnische Regierung hat die Sowjetregierung in einer Verbalnote wissen lassen, dass sie mit dem Tempo der Rücksiedlung seinerzeit aus Polen deportierter oder noch in den ehemaligen polnischen Gebieten zurückgehaltener Polen unzufrieden ist. Es wird auf die Abwicklung der Rückführung deutscher und japanischer Gefangener und Internierter hingewiesen und angedeutet, dass die Verzögerung der polnischen Rückführung prekäre Situationen schaffe.

 

29 000 Deutsche sind in dem Zeitraum 1952 bis 1956 aus Polen nach Deutschland umgesiedelt worden, wird von amtlicher polnischer Seite mitgeteilt, davon allein im Jahre 1956 rund 18 000, von denen 12 500 in die Bundesrepublik, der Rest in die Sowjetzone gegangen sind.

 

Deutsche Filme werden künftig auch in Polen gezeigt werden können. Zunächst handelt es sich um die Streifen „Kein Platz für wilde Tiere", „Weil au arm bist, musst du früher sterben", „Die Ehe des Dr. Danwitz", „Der Hauptmann von Köpenick" und „Der Hauptmann und sein Held". In politischen Kreisen wird darauf hingewiesen, dass die Auswahl dieser Filme zweifelsohne unter „volksdemokratischen" Gesichtspunkten erfolgt sei.

 

Rumänien

Mit dem Vorwurf, die rumänische Studentenschaft nicht fest genug gezügelt zu haben, wurde nun auch der stellvertretende Unterrichtsminister im Bukarester Kabinett, Dragulescu, zwei Wochen nach seinem früheren Vorgesetzten, dem Unterrichtsminister Murgulescu, von seinem Posten entfernt.

 

Die statistischen Ergebnisse der letzten Volkszählung im Februar 1956 wurden nun von der Bukarester Regierung bekanntgegeben. Danach hat Rumänien 17 489 794 Einwohner, die in zwei Tabellen "ach Nationalität und Muttersprache aufgeschlüsselt werden. Neben 1,5 Millionen Ungarn leben nach dieser Zählung noch 382 400 Deutsche (391 388 nach Muttersprache) in Rumänien.

 

Ein deutsches Kulturensemble ist nach einem Bericht der rumänischen Nachrichtenagentur Agerpress in Kronstadt (Siebenbürgen) gebildet worden. Es umfasst u. a. eine Volkstanzgruppe, ein sinfonisches Orchester, eine Theatergruppe und ein Orchester für Volksmusik. Die Kulturgruppe, die demnächst mit ihrer ersten Veranstaltung hervortreten will, hat sich auch die Aufgabe gestellt, alte sächsische und schwäbische Volkslieder zu sammeln und periodisch in einem Buch zu veröffentlichen. Diese Publikation soll allen deutschen Chören Rumäniens zugänglich gemacht werden.

 

Seite 3   Die Deutschen sind bestohlen worden.

Erstmalig stellte Radio Breslau in einer Sendung über die Lebensverhältnisse der Deutschen in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten wörtlich fest, dass „die Deutschen in den Westgebieten (Polens) eine lange Zeit diskriminiert und gegen jedes Recht aus ihren Wohnungen verjagt und bestohlen worden sind". Man müsse heute zugeben, dass diese Behandlung der Deutschen falsch gewesen sei, denn „jedes Übel und jeder Rechtsbruch rächen sich und jeder Rechtsbruch erfordert eine Wiedergutmachung".

 

Königsberg. Weihnachtsgrüße über Radio Warschau

Im Königsberger Hafen wurde jetzt das moderne Dieselelektroschiff „Ob" verabschiedet, das als Flaggschiff der sowjetischen Antarktisexpedition zu den Küsten des südlichen Polargebietes auslief. Die Seeexpedition beabsichtigt, umfangreiche wissenschaftliche Forschungsarbeiten in den Atlantischen, Indischen und Stillen Ozeanen sowie in den Gewässern der Festlandsandbank durchzuführen. Die Fahrt des „Ob" wird sieben Monate dauern. In dieser Zeit wird das Schiff über 35 000 Seemeilen zurücklegen.

 

Ausgangshafen für Antarktisexpedition

Über die Weihnachtsfeiertage vollzog sich für die Bevölkerung der Bundesrepublik ein

besonderes Wunder: klar und deutlich (vornehmlich in Lübeck und Hamburg verständlich) übermittelte Radio Warschau Grüße von Deutschen, die noch in Polen leben, an ihre Verwandten in der Bundesrepublik. Wie Nachforschungen ergaben, hatten Beauftragte des Radios Warschau die Deutschen in verschiedenen Städten und Dörfern aufgesucht, ihre Grüße auf Tonband aufgenommen und zu den Festtagen wie auch danach auf der Mittelwelle 407 m und auf der Kurzwelle im 41-m-Band zu hören. Die Sendungen wurden bis zum 31. Dezember 1956 einschließlich auf der Langwelle Warschau fortgesetzt.

 

Eisfischen

Im ganzen südlichen Ostpreußen läuft gegenwärtig erstmals eine umfassende Fischereiaktion für die Binnengewässer an. Wie aus polnischen Verlautbarungen hervorgeht, wurde festgestellt, dass bisher der Fischreichtum besonders in den masurischen Seen nicht ausgenutzt worden ist. Jetzt im Winter will man das ausnutzen und auf allen fischreichen Gewässern ein regelmäßiges Eisfischen durchführen. Die Aktion erfolgt in der kalten Jahreszeit, weil es zu Zeiten des Sommers an Kühleinrichtungen mangelt, um die Fänge bis zum Verkauf frisch zu halten. Deutsche sind bei dieser Aktion weitgehend beteiligt, da den Polen die Technik des winterlichen Fischfanges weitgehend unbekannt ist.

 

Seite 3   Chronik

Kurzmeldungen aus der Heimat.

Braunsberg. In der Zeitschrift „Nowa Kultura" forderte der polnische Dichter Woroszylski zur Gerechtigkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung in Masuren und im Ermland auf. Die Unterdrückung hatte zu einer Massenauswanderung der Autochthonen nach der Bundesrepublik geführt. Woroszylski tritt für eine Rückgabe von enteigneten Bauernhöfen ein.

 

Danzig. Die historische Langgasse mit dem Langen Markt ist mit ungeheurem Kosten- und Materialaufwand aus dem Trümmerfeld, das der Krieg hinterließ, neu erstanden. Der berühmte Artushof ist heute polnisches Kulturzentrum. Nach letzten Schätzungen sollen noch etwa knapp 6000 Deutsche in Danzig wohnen.

 

Insterburg. Bei einem Sauberkeits-Wettbewerb in Nordostpreußen sind von einer russischen Kommission Insterburg und Gumbinnen als sauberste Städte festgestellt worden. Erst mit Abstand folgen Wehlau, Königsberg, Schloßberg und Labiau.

 

Korschen. Die Stadt ist heute wieder ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den polnisch-sowjetischen Transitverkehr. Die Spuren des Krieges konnten jedoch noch immer nicht aus dem Stadtbild beseitigt werden.

 

Memel. In den letzten Jahren haben die Sowjets den Fischereibetrieb in Memel erheblich vergrößert. Es wurden Gefrierhäuser mit einer Kapazität von 2 800 t erbaut und eine Eisfabrik mit einer Tagesproduktion von 120 t in Betrieb genommen. Die Hochseefischerei im Nordatlantik soll erheblich intensiviert werden. Da Memel während des ganzen Jahres eisfrei bleibt, ist der Hafen gut geeignet als Basis einer großen Fischereiflotte. Die Sowjets verfügen in Memel über eine Fischereiflotte, die 400 Einheiten, einschließlich der Depotschiffe umfasst. Memel soll außerdem der größte Fischverarbeitungsbetrieb der UdSSR werden.

 

Rastenburg. In dem Geburtshaus des bekannten ostpreußischen Dichters Arno Holz befindet sich heute eine Fahrradhandlung.

 

Rössel. Aus Rössel wird berichtet, dass die deutsche Bevölkerung wieder ungestört ihren alten Weihnachtsbräuchen nachgehen konnte, ja, dass diese sogar auf die polnische Bevölkerung abfärben. Von den Kindern gebastelte Papier- und Strohsterne wurden auch gern von den Polen gekauft.

 

Wartenburg.

In der hiesigen Haftanstalt befinden sich zurzeit etwa 700 Häftlinge, darunter etwa 50 Deutsche. Die Anstalt gilt als eine der schärfsten Strafvollzugsanstalten von Volkspolen. Die Deutschen verbüßen größtenteils sogenannte Kriegsverbrechen. Sie sind mit Kriminellen in gleichen Räumen untergebracht.

 

Seite 4   Renten-Reformgesetze vor der Verabschiedung. Durchschnittliche Erhöhung um 50 bis 60 Prozent - Rückwirkend vom 1. Januar 1957.

Die hartumkämpfte Rentenreform steht nun endlich vor ihrer Vollendung. Die zusammen mehr als 400 Paragraphen umfassenden Gesetze zur Neuordnung der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sind vom Bundestagsausschuss für Sozialpolitik am 21. Dezember im Entwurf fertiggestellt worden. Die beiden Vorlagen, die für mehr als sechs Millionen bereits laufenden Renten eine Erhöhung der jährlichen Finanzierungssumme von zur Zeit 7,4 auf rund 13 Milliarden DM in Aussicht nehmen, sollen vom Plenum des Bundestages am 17. und 18. Januar in zweiter Lesung behandelt werden. Ihre endgültige Verabschiedung in dritter Lesung wird voraussichtlich am 23. Januar erfolgen. Sobald anschließend auch der Bundesrat zugestimmt hat, wird das Reformwerk rückwirkend ab 1. Januar 1957 in Kraft treten.

 

Die Ausschussfassung der beiden Gesetzentwürfe schreibt für sämtliche bereits bewilligten Renten der Invaliden- und der Angestelltenversicherung eine Neuberechnung vor, die sich ausnahmslos im Sinne einer Aufbesserung auswirken wird. Dabei können Rentner, die während eines vollen Arbeitslebens annähernd regelmäßig Beiträge gezahlt haben, eine Erhöhung ihrer Bezüge um durchschnittlich 50 bis 60 Prozent erwarten. Für sogenannte Kleinstrenten, die auf geringe Beitragsleistungen zurückgehen, sind dagegen Mindestzuschläge in Höhe von 21 DM für die Versicherten und von 14 DM pro Monat für Hinterbliebene vorgesehen. Die Neuberechnungen sollen nach Möglichkeit bis Ende März abgeschlossen sein, so dass die betroffenen Rentner im Laufe des Aprils entsprechende Nachzahlungen erhalten können. Zur Überbrückung dieser Übergangszeit werden bekanntlich im Februar einmalige Vorschüsse gewährt, die in ihrer Höhe der letzten Rentenzulage aus dem Dezember entsprechen.

 

Weitere grundsätzliche Neuregelungen betreffen die künftigen Rentenbezieher, das heißt, den weitaus größten Teil der Berufstätigen. Versicherungspflichtig sollen nämlich alle Arbeiter und diejenigen Angestellten sein, deren Monatseinkommen unter 1250 DM liegt. Ihnen stellt die Reform Altersrenten sowie Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten in Aussicht, bei deren Festsetzung nicht nur die geleisteten Beiträge berücksichtigt werden, sondern auch die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung während der letzten drei Jahre vor Eintritt des Rentenfalles. Durch die in Deutschland zum ersten Mal angewandte komplizierte Berechnungsmethode soll sichergestellt werden, dass die Renten mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten. Diese grundlegenden Verbesserungen lassen nicht nur erheblich höhere Renten erwarten, sondern machen auch eine Erhöhung der Beiträge von zurzeit 11 auf 14 Prozent des Einkommens erforderlich. Die tatsächliche Mehrbelastung wird für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber allerdings nur je 1 Prozent des Lohnes oder Gehaltes ausmachen, da das dritte Prozent automatisch aus der Arbeitslosenversicherung in die Sozialversicherung überführt wird.

 

Ein Überblick über die wichtigsten weiteren Bestimmungen der beiden Gesetzentwürfe ergibt folgendes Bild:

 

Die Altersrente, deren Höchstgrenze künftig nach 50 Versicherungsjahren bei 562,50 DM liegt, soll im Allgemeinen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres fällig werden. Frauen werden sie jedoch schon mit 60 Jahren erhalten können, wenn sie während der vorangegangenen 20 Jahre mindestens 10 Jahre pflichtversichert waren. Nach dem Vorschlag des Ausschusses soll im Übrigen eine bisher nur in der Angestelltenversicherung gültige Bestimmung künftig auch in der Invalidenversicherung gelten: Männer und Frauen, die das 60. Lebensjahr erreichen und seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos sind, erhalten unverzüglich Anspruch auf Rente.

 

Bei der Berufsunfähigkeitsrente sind besondere Verbesserungen zugunsten von Frühinvaliden vorgesehen. Wer vor Erreichung des 55. Lebensjahres berufsunfähig wird, soll nämlich bei der Berechnung der Rente einen Zuschlag erhalten, der so kalkuliert ist, als ob der Betreffende bis zum 55. Lebensjahr Beiträge entrichtet hätte.

 

Die sogenannte Selbstversicherung, die bisher jedem noch nicht 40-jährigen Staatsbürger den freiwilligen Beitritt zur Sozialversicherung ermöglicht hat, soll beseitigt werden. Bereits abgeschlossene Selbstversicherungen dürfen nur weitergeführt werden, wenn die erste Beitragsleistung vor dem 31. Dezember 1955 erfolgt ist. Wer dagegen erst im Jahre 1956 mit der Selbstversicherung begonnen hat, erhält seine Beiträge wieder zurück.

 

Von der Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung wird künftig nur Gebrauch machen können, wer innerhalb eines Zehnjahreszeitraums mindestens fünf Jahre hindurch pflichtversichert war, oder wer zwischen 1924 und 1948 mindestens einen Beitrag gezahlt hat. Dabei fallen jedoch die bisherigen Bestimmungen über die Aufrechterhaltung der Anwartschaft weg, so dass die freiwillig Weiterversicherten ihre Beiträge ohne Rücksicht auf die Einkommenshöhe wählen und ihre Marken in beliebigen Abständen kleben können.

 

Die Witwenrenten werden künftig grundsätzlich 60 Prozent der Versichertenrente ausmachen.

 

Bei den Waisenrenten, die ebenfalls verbessert werden sollen, ist ein fester Grundbetrag von monatlich 35 DM vorgesehen, zu dem dann zehn Prozent der Versichertenrente hinzugerechnet werden.

 

Seite 4   Vertriebenenanteil noch immer höher

Die Gesamtarbeitslosigkeit in Westdeutschland ist nach dem Stand vom Ende des ersten Halbjahres 1956 gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres von 650 499 auf 478 846 Personen, d. h. um 28,2 Prozent gesunken. Während der Anteil der Vertriebenen an der Wohnbevölkerung des Bundesgebietes insgesamt 17,4 Prozent ausmacht, betrug die Vertriebenenquote an der Gesamtarbeitslosigkeit zum genannten Zeitpunkt noch 23,8 Prozent. Obwohl dieser Bundesdurchschnitt um 0,6 Prozent niedriger liegt als am 31. März 1956, dem Ende des ersten Quartals, ist der Anteil der Vertriebenen an der Gesamtarbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein von 36,3 Prozent auf 36,6 Prozent, in Niedersachsen von 32,6 Prozent auf 32,8 Prozent und in Bayern von 25,7 Prozent auf 26,8 Prozent gestiegen. Daraus wird deutlich, dass die Eingliederung auch bei den unselbständig Beschäftigten aus dem Kreis der Vertriebenen insbesondere in den Hauptflüchtlingsländern noch keineswegs als beendet angesehen werden darf.

 

Seite 4   Ergebnis der bisherigen Beratungen. MdB. J. Kunze zur LAG-Novelle — Dritte Lesung noch im Januar.

Der Bundestagsausschuss für den Lastenausgleich hat am 20. Dezember die zweite Lesung der Achten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz abgeschlossen, die bekanntlich bis zum 31. März 1957 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet sein muss und im Wesentlichen eine Neufestsetzung der Hausrats-, Hauptentschädigungs- und Unterhaltshilfesätze bringen wird.

 

Beim Abschluss dieser ersten Bearbeitungsetappe erklärte der Vorsitzende des Lastenausgleichsausschusses, MdB Kunze, während der Beratungen der einzelnen Punkte dieser Gesetzesmaterie habe sich ein recht verständnisvolles und erfreuliches Zusammenwirken aller beteiligten Parteien entwickelt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden bisher alle Beschlüsse einstimmig gefasst.

 

Über das Ergebnis der bisherigen Beratungen äußerte Abgeordneter Kunze, man habe es für richtiger gehalten, Beschlüsse über die Höhe der Hausrats- und Hauptentschädigungssätze vorerst zurückzustellen. Diese sollten erst dann eingesetzt werden, wenn nähere Unterlagen über die Gesamtkosten der über den Rahmen der Regierungsvorlage hinausgehenden Erhöhungsvorschläge und darüber vorliegen, mit welchen realen Möglichkeiten hinsichtlich der vorgeschlagenen Mehrleistungen des Bundes und der Länder gerechnet werden kann. Die endgültige Höhe der neu festzusetzenden Entschädigungsbeträge aber dürfte sich voraussichtlich erst während der zweiten und dritten Lesung des Bundestages bzw. auf Grund eines Beschlusses des Vermittlungsausschusses herauskristallisieren, mit dessen Anrufung schon jetzt gerechnet werden muss. Dann nämlich, wenn durch verbindlichen Beschluss beider gesetzgebender Körperschaften die Leistungen der Länder feststehen werden, von deren Bereitschaft es letzten Endes abhängt, bis zu welcher Grenze eine Heraufsetzung der Sätze überhaupt möglich ist.

 

Aus den Äußerungen des Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für den Lastenausgleich war jedoch zu entnehmen, dass sich alle an den Beratungen beteiligten Parteien darüber einig sind, dass weit über den Rahmen des Regierungsvorschlages hinausgehend — der eine allgemeine zwanzigprozentige Anhebung vorsah — eine Anhebung der Hauptentschädigungssätze stattfinden und auch die Grenze der bis zu hundert Prozent zu entschädigenden RM-Verluste hinaufgesetzt werden muss. Als unwahrscheinlich bezeichnete Abgeordneter Kunze jedoch eine bis zu 5000 RM gehende Vollentschädigung der Verluste. Vorerst könne nur gesagt werden, dass die Grenze für eine hundertprozentige Entschädigung zwischen 1000 und 5000 RM-Verlusten liegen wird.

 

Ähnlich lägen die Verhältnisse bei der Hausratsentschädigung. Auch hier sei bisher eine Festlegung der Zuschläge wegen der noch nicht zu übersehenden Mehraufkommen unmöglich gewesen. Man habe lediglich beschlossen, bei den bisherigen drei Schadensgruppen zu bleiben und auf die im BHE-Vorschlag enthaltene Erweiterung auf fünf Gruppen zu verzichten. Auf alle Fälle aber würden auch hier die im Regierungsentwurf vorgesehenen Zuschläge von 200 DM je Gruppe weit überschritten werden. Abgeordneter Kunze ist der Ansicht, dass mit Beträgen zwischen 300 und 400 DM gerechnet werden könne.

 

Beschlossen habe der Ausschuss dagegen abschließend, dass die Unterhaltshilfe-Beträge ab 1. April 1957 grundsätzlich um 20 Prozent, also von 100 auf 120, von 150 auf 180 DM, und entsprechend auch die Kinder- und Waisensätze angehoben werden sollen. Eine weitere, indirekte Erhöhung dieser Leistungen resultiere aus der Tatsache, dass der Ausschuss auch einer wesentlichen Heraufsetzung der Freibeträge aus sonstigen Einkommen zugestimmt habe.

 

Ebenso liege bereits ein Beschluss über eine allgemeine Anhebung der Einheitswerte von landwirtschaftlichem Vermögen um 30 Prozent vor. Das bedeutet, dass die in den Feststellungsanträgen enthaltenen Schadensanmeldungen von Verlusten an landwirtschaftlichem Vermögen vor Berechnung der Hauptentschädigungssätze zunächst um 30 Prozent hinaufgesetzt würden.

 

Aus den Darlegungen von MdB Kunze ergab sich, dass der Ausschuss über eine Reihe weiterer Punkte bereits Beschlüsse gefasst hat, wovon die meisten allerdings mehr technischer Natur oder nur für einen kleinen Kreis von Geschädigten von Bedeutung sind.

 

Im Januar wird der Ausschuss in die dritte Lesung eintreten und dabei zugleich auch die ihm von der Regierung zugeleiteten Änderungsvorschläge zur Aufbringungsseite beraten. In diesem Zusammenhang soll dann auch eine Vorklärung über die Gestaltungsmöglichkeiten des § 6 versucht werden, der die entscheidenden Bestimmungen über die Beträge der Länder enthält. Es wird demnach wesentlich von dem Ergebnis der Bemühungen der Fraktionsmitglieder der SPD und des BHE bei jenen Länderregierungen abhängen, in denen sie als Regierungsparteien über diese Beitragsleistungen an den Lastenausgleichsfonds zu entscheiden haben.

 

Seite 4   Arbeitslosenhilfe ohne Unterschied!

Der Bundesminister für Arbeit hat in seine Erste Verordnung zur Durchführung der Arbeitslosenhilfe vom 31. Juli 1956 eine Bestimmung aufgenommen, die von den Vertriebenen entschieden zurückgewiesen werden muss. Im § 2 (1) der Bestimmung heißt es: „Einer entlohnten Beschäftigung sind gleichgestellt diejenigen, die im Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 einer Tätigkeit als Selbständiger ausgeübt haben, wenn sie aus Gründen, die der Arbeitslose nicht zu vertreten hat, nicht nur vorübergehend aufgegeben werden musste und der Arbeitslose darauf angewiesen ist, den Lebensunterhalt künftig als Arbeitnehmer zu erwerben“.

 

Auf Grund dieser Bestimmung werden jetzt z. B. langfristige Arbeitslose aus den reichsdeutschen Vertreibungsgebieten und DDR-Flüchtlinge, wenn sie früher selbständig waren, in den Genuss der Arbeitslosenhilfe kommen. So dankenswert diese Bestimmung an sich ist, so hat sie doch unter den Vertriebenen Kritik ausgelöst. Die Bestimmung führt nämlich dazu, dass vertriebene Selbständige, die aus den nach 1937 angegliederten Gebieten stammen, sowie vertriebene Volksdeutsche nicht berücksichtigt werden. Auch Spätaussiedler aus den Vertreibungsgebieten jenseits der Grenzen von 1937 gehen leer aus. Eine solche unterschiedliche Behandlung der Vertriebenen je nach Herkunftsländern ist nicht vertretbar.

 

Spargelder für Wohnungsbau.

In der Wirtschaftsdebatte des Bundestages Anfang Dezember, auf deren Tagesordnung die Aufbringung von etwa 200 bis 300 Millionen DM erster Hypotheken für den Wohnungsbau durch Steuervergünstigungen stand, wurde ein entsprechendes Änderungsgesetz des Einkommensteuergesetzes und Körperschaftssteuergesetzes angenommen. Nach dem Änderungsgesetz zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftssteuergesetz können Sparverträge und Schuldverschreibungen zur Hälfte, höchstens jedoch bis 6000 DM als Sonderabgaben von der Steuer abgesetzt werden. Als Festlegungsfrist sind drei Jahre bestimmt. Für den Veranlagungszeitraum 1956 wurde der 31. Januar 1957 als letzter Termin bestimmt, für 1957 der 30. März 1957. Der Bundeswohnungsbauminister will mit diesen Geldern, die zum größten Teil dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden müssen, die Lücken in der Erstfinanzierung schließen.

 

Umsiedlung von Halbfamilien

In Niedersachsen ist zurzeit eine Umsiedlungskommission des Landes Nordrhein-Westfalen tätig, um Halbfamilien (Witwen mit Kindern, die jetzt in eine Berufsausbildung kommen sollen) zur Umsiedlung nach Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Dabei kommen Schulentlassene und zur Entlassung Kommende in Frage, die nach den Feststellungen der Berufsberatung der niedersächsischen Arbeitsämter aus beruflichen oder persönlichen Gründen in Niedersachsen keine Aussicht haben, eine zumutbare Lehrstelle zu erhalten. Die Aktion wird etwa 300 Familien umfassen, die aus sämtlichen Regierungs- und Verwaltungsbezirken kommen.

 

Seite 4   US-Kredite für Polen?

Ein polnischer Vorschlag, eine Wirtschaftsdelegation zu Besprechungen in die Vereinigten Staaten zu entsenden, wird gegenwärtig in wohlwollende Erwägung gezogen.

 

Wie hierzu von unterrichteter Seite verlautet, ist mit dem Eintreffen der polnischen Mission wahrscheinlich schon in etwa zwei Wochen zu rechnen. Neben anderen Punkten wird auch an Verhandlungen über die Gewährung eines amerikanischen Kredites an Polen gedacht.

 

Seite 4   Rückzahlung nicht in jedem Falle. Grundsatzentscheid des Verwaltungsgerichtes — Frau erhielt zu viel Unterhaltshilfe

Muss zu viel empfangene Unterhaltshilfe in jedem Falle zurückgezahlt werden? Mit dieser grundsätzlichen Frage befasste sich das Verwaltungsgericht auf Grund der Klage einer Vertriebenenfrau, die im Kreise Stade wohnt. Die Klägerin, deren Ehe 1949 wegen beiderseitigen Verschuldens geschieden worden war, hatte bis 1953 Unterhaltshilfe bezogen, und zwar zunächst, weil sie als alleinstehende Frau drei Kinder zu versorgen hatte, und später, weil sie vom Gesundheitsamt als erwerbsunfähig beurteilt worden war.

 

Vom 01.07.1953 ab hatte sie dann auf Antrag „vorläufig" Kriegsschadenrente erhalten. Nachdem die spätere förmliche Schadensfeststellung ergeben hatte, dass der Existenzverlust nicht auf die Vertreibung, sondern auf die mitverschuldete Ehescheidung zurückzuführen ist, wurde die weitere Zahlung von Kriegsschadenrente eingestellt und die inzwischen gezahlten 2375 D-Mark zurückgefordert.

 

Das Verwaltungsgericht erklärt dazu in seinem Urteil: Die Annahme einer in jedem Falle bestehenden Rückerstattungspflicht ist abzulehnen, weil sie durch das Gesetz nicht gedeckt wird. Nach allgemeinem Verwaltungsrecht besteht in der Regel eine solche Pflicht nur dann, wenn die Zahlung durch unrichtige Angaben oder in einer anderen schuldhaften Weise des Empfängers herbeigeführt worden ist. Aber davon kann in vorliegendem Falle nicht die Rede sein. Da die Klägerin das Ehescheidungsurteil bereits bei der Bewilligung der vorläufigen Zahlungen dem Ausgleichsamt vorgelegt hatte. Auch die „vorläufigen Zahlungen von Unterhaltshilfe sind uneingeschränkte Leistungen — allerdings ohne förmliche Schadensfeststellung. Es fehlt bei ihnen nur noch an der endgültigen Bewilligung. In einem Sammelschreiben zur Kriegsschadenrente wird darum auch ausdrücklich erklärt, dass die spätere Versagung einer endgültigen Einweisung in die Unterhaltshilfe nicht zurückwirkt, da dem Empfänger der Leistungen Vertrauensschutz zugebilligt werden muss. Das entspricht auch den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, nach denen eine spätere andere Beurteilung die Rückforderung einer Leistung nicht rechtfertigt.

 

Seite 4   Wichtiges kurz notiert.

Neue Antragsfrist für Kriegsgefangene.

Im Bundesgesetzblatt vom 11. Dezember wurde das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vom 8. Dezember 1856 verkündet, das neben einigen wichtigen Änderungen der bisherigen Rechtsbestimmungen auch eine neue Antragsfrist für alle diejenigen ehemaligen Kriegsgefangenen bringt, die die ursprüngliche Frist für die Anmeldung ihrer Entschädigungsansprüche nicht wahrgenommen haben. Nach der Novelle wird allen denjenigen ehemaligen Kriegsgefangenen — und es sind nach den Berechnungen der zuständigen Stellen einige Zehntausend — die die erste Antragsfrist versäumt haben, die Möglichkeit gegeben, bis einschließlich 11. Juni 1957 ihre Anträge bei den zuständigen Stellen einzubringen.

 

Freigabe nach dem Altsparergesetz

Im Bundesanzeiger von 21. Dezember 1956 veröffentlichte der Präsident des Bundesausgleichsamtes die Zweite Rechtsverordnung zur Durchführung des Altsparergesetzes, die mit Wirkung vom 22. Dezember 1956 in Kraft trat. Danach sind Ansprüche auf Grund von Entschädigungsgutschriften aus Wertpapieren oder aus den in § 9 Absatz 2 Nr. 4 des Altsparergesetzes aufgeführten Schuldbuchforderungen (der in einer Schuldverschreibung verbriefte Anspruch war im Zeitpunkt der Einführung der Deutschen Mark in einem Schuldbuch eingetragen), für die nach der Ersten Altsparergesetz-Durchrührungsverordnung Kleinststücke (d. h. bis zu 50 DM) ausgegeben oder entsprechende Depotgutschriften erteilt werden, zum 1. März 1957, bei späterer Erteilung der Entschädigungsgutschrift mit Erteilung der Gutschrift freizugeben. Diese Rechtsverordnung gilt auch für West-Berlin.

 

Freie Rückfahrt für Besucher der DDR

Durch Erlass des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen ist die Erstattung der Rückreisekosten für Besucher aus der DDR neu geregelt worden. Nach dem Erlass können nun alle Besucher aus der DDR  die Rückreisekosten aus der Bundesrepublik erstattet erhalten, wenn sie einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Fürsorgeverband stellen. Der Antrag muss die Erklärung enthalten, dass weder der Besucher noch sein Gastgeber die Rückreise bezahlen können. An den Antrag sind keine Bedingungen geknüpft, mit Ausnahme der Voraussetzung, dass sich der Besucher mindestens eine Woche in der Bundesrepublik aufgehalten haben muss. Das Ministerium hat auch die entsprechenden Richtlinien zu dem Erlass herausgegeben.

 

Nochmals: Wichtige Frist für Rentner!

Alle Rentner, die bisher in der Rentenkrankenkasse versichert waren und nach dem neuen Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner ab 1. August 1956 nicht mehr pflichtversichert sind, weil sie die „Vorversicherungszeit“ nicht erfüllt haben, können ihre Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner trotzdem durch freiwillige Weiterversicherung aufrechterhalten. Hierzu müssen sie bis spätestens zum 31. Januar 1957 einen entsprechenden Antrag an ihre bisherige Krankenkasse stellen. Nicht pflichtversicherte Rentner, die diesen Termin versäumen, sind automatisch aus der Krankenkassenversicherung der Rentner ausgeschlossen.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 1, Januar 1957

Foto: Eines der typischen Fischerdörfer der Niederung.

 

Sarkau. Fischerdorf auf der Kurischen Nehrung. Eine Studie von Ludwig Passarge.

Die Häuser der Sarkauer Fischer liegen ziemlich dicht nebeneinander an einer nach Osten offenen Bucht des Haffes. Wie die meisten Häuser auf der Kurischen Nehrung sind sie aus Holz erbaut, mit Rohr gedeckt und ohne Schornstein. Auf den Giebelspitzen erblickt man bei vielen den Schmuck der geschnitzten Pferdeköpfe und auf den Fensterladen Blumen und Verzierungen mit lebhaften Farben gemalt. In dem seichten Haff, den Häusern gegenüber ankert die Fischerflotte, Kähne mit einem Mast und flachem Boden. Die Fischer kommen und gehen. Die Kinder suchen nach Fischen in den Wasserlachen. In einer andern wälzt sich ein Schwein. Die heimkehrende Herde wird vorbeigetrieben. Vögel laufen flink in der Spülung auf und ab und spähen nach Beute.

 

Die Elemente, aus denen das einfache Bild zusammengesetzt ist, prägen sich leicht ein, aber sie stehen in Harmonie miteinander. Selbst die einfache Kirche mit ihrem hohen Ziegeldach gehört in diese Umgebung.

 

Der landschaftliche Charakter ist der des Öden und Wüsten. Eine sandige Heide, hie und da ein Busch, ein vom Sande oder den Eisfluten des Haffs angenagter Weidenbaum; nach der See zu der spärliche Strandwald von Kiefern, Birken, Erlen. Keine bestimmte Straße. Der Fahrende nimmt seinen Weg, wo es ihm oder seinen Pferden gefällt, am liebsten in der Spülung des Haffs oder auf dem trocken gelegten Haffgrunde. Mitten in der sandigen, bald flachen, bald hügeligen Heide bezeichnen Pfähle die Richtung — nicht die Straße — welche der Reisende einzuschlagen hat, wenn der Schnee auch die letzte Spur verweht, wenn das Haff den Vorstrand überflutet oder mit Eisschollen bedeckt hat.

 

Es ist der Charakter einer unsäglichen Leere. Der Wanderer, der später die Wüste der Dünen betritt, atmet auf, befreit von dem herzbeklemmenden Eindrucke.

 

Obwohl die Menschen dem magern undankbaren Boden kaum etwas anderes abgewinnen als ein paar Kartoffeln im umhegten Gärtchen, sind sie doch keineswegs arm. Indem sie Tag und Nacht auf den Fischfang ziehen — das Recht dazu ist mit den Grundstücken verbunden — und bald im Haff, bald in der See ihre Netze auswerfen, erlangen sie nicht nur reichliche Nahrung, sondern oft einen so bedeutenden Gewinn, dass wir Mühe haben es zu glauben. Mir erzählte mein freundlicher Wirt, dass ein Fischer kurze Zeit vorher bei zwei Zügen in der See für dreiundachtzig Taler Fische gefangen, namentlich Störe, und der betreffende Fischer bestätigte es später.

 

Im Frühling und Herbste, wenn die Fischerei schwierig und die Wandervögel längs der Nehrung ziehen, beschäftigen die Sarkauer sich gerne mit dem Krähenfang. Das Fleisch, gesotten, soll wohlschmeckend sein, und die Federn, die man zum Stopfen der Betten verwendet, werden gern gekauft.

 

Der Fang der Krähen geschieht in folgender Art. Es wird auf der Heide ein langes Zugnetz ausgebreitet und an einer der beiden Längsseiten mit Pflöcken an dem Boden befestigt. Die beiden schmalen Seiten werden durch Stangen ausgespannt. Es gehen von diesen schmalen Netzenden Taue in eine aus Fichtenzweigen gebildete Hütte, in welcher sich der Vogelfänger befindet. Auf das ausgebreitete Netz werden als Köder Fische geschüttet, oder im weitern Verlaufe des Fanges, neben diesem Köder auch Krähen angebunden. Sobald die ziehenden Krähen sich auf die Fische niederlassen oder zu den gefesselten Genossen gesellen, zieht der Fänger in seiner Hütte die Stricke mit einem starken Ruck an; die an den Enden befindlichen Stangen bewirken, dass sich das Netz, seiner ganzen Länge nach, erhebt, überschlägt und die überraschten Krähen bedeckt. Auf diese Weise fangen sie an einem Tage nicht bloß eine große Zahl von Krähen, oft zwei Schock und mehr, es kommt auch vor, dass Adler sich auf das Netz niederlassen und in die Hände des „vielbegabten" Menschen fallen.

 

Auf der ganzen Nehrung geben sich die Bewohner gerne dem Krähenfange hin und müssen es sich dafür gefallen lassen, als „Krähenfresser" verschrien zu werden.

 

Seite 5   Die Kogge. Von Hans Frank

Zogst hinaus mit vollen Segeln

buntbewimpelt, stolzes Schiff.

Wasser schäumte an den Pegeln,

Du verlachtest Bank und Riff.

„Fahre!" sangen zum Geleite

junge Stimmen froh und helle,

„fahre!" sangen Wind und Welle,

„fahre in die Weite!"

 

Stürme knickten Mast und Rahe,

Filsen rammten Bug und Heck,

Kamst dem Untergange nahe,

Kaum zu dichten war das Leck.

„Kehre!" singen auf und nieder

bange Stimmen an dem Strande,

„kehre!" singen Luft und Lande,

„kehre glücklich wieder!"

 

Seite 5   Für unsere Leseratten.

Liebe Leseratten!

Ja, was heute? Das haben wir uns auch gefragt und sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass auch einmal den Tierfreunden unter uns ein wertvoller Tipp gegeben werden sollte. Und zwar sollen es gleich zwei Bücher sein, die wir mit bestem Gewissen empfehlen können:

 

Moritz Pathé: Auf Tierfang in Afrika. 4,80 DM

 

Rolf Ulrich: Die große Jagd am See. 3,80 DM

 

Beide Bücher mit je 160 Seiten, versehen mit vielen Illustrationen (Franz Schneider Verlag, München).

 

Moritz Pathé, der bedeutende Afrikamaler unserer Zeit, schildert in seinem Buche seine Erlebnisse mit Menschenaffen, Leoparden, Flusspferden und auch mit den wilden Eingeborenen der afrikanischen Dschungel. Die zahlreichen Bilder gehören zu den schönsten Zeichnungen aus der afrikanischen Natur- und Tierwelt.

 

Tiere in Not! das ist das Thema des Buches von Rolf Ulrici. Eine ganze Jungenklasse zieht aus, um Tausende von Wasservögeln, die von einer großen Treibjagd bedroht sind, zu retten.

 

Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man zweihundert Jäger gegen sich hat. Da gehört schon eine gehörige Portion Mut und Draufgängertum dazu; aber sie schaffen es: Andi und seine Freunde. Ein richtiges Abenteuer, packend und spannend, außerdem eine interessante Vogelkunde.

Gert und Ute

 

Imanuel Kant sagt:

Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen gewalttätig einmischen.  

 

Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.

 

Was geschah ...

… vor 100 Jahren?

1857 wurde Hermann Sudermann in Matziken, Kreis Heydekrug, geboren (30. September). Bedeutender Schriftsteller, Mitbegründer des Naturalismus. Er schrieb Romane, Erzählungen und Dramen.

 

… vor 150 Jahren?

1807 war die bedeutungsvolle Schlacht bei Preußisch-Eylau. Die erste Schlacht, die Napoleon nicht gewinnt. Durch den Frieden von Tilsit verliert Preußen alle Gebiete westlich der Elbe, ebenso Danzig und das Kulmer Land.

 

… vor 200 Jahren?

1757 besetzten die Russen im Siebenjährigen Krieg Ostpreußen. Nach dem Tode der Kaiserin Elisabeth von Russland werden unter Zar Peter III. diese Gebiete wieder geräumt (1862). Zar Peter ist ein Verehrer des Preußischen Königs Friedrich des Großen.

 

… vor 600 Jahren?

In dieser Zeit erlebt der Deutsche Ritterorden unter dem Hochmeister Winrich von Kniprode (1351  -1382) seine Blütezeit.

 

Wusstest Du das?

 

Seite 5   Heute basteln wir Hyazinthentüten

Liebe Bastelfreunde!

Na, wie seid Ihr das letzte Mal zurechtgekommen? Hoffentlich sind Euch allen die Spieltiere so gelungen wie unserer Freundin Ingrid H. aus Hannover (13 Jahre). „Ein Pferd und einen Elefanten habe ich nach Deiner Anweisung gebastelt Mein vierjähriger Bruder hat sich riesig darüber gefreut!"

 

Die hier abgebildeten Hyazinthentüten (Abb. 1) schneidet man entweder aus festem farbigem Papier oder nimmt dafür weißes Papier vom Zeichenblock, das bemalt wird. Mit einem 14 bis 15 cm breit gespannten Zirkel wird ein Kreis geschlagen. Diesen Kreis teilt man in drei Teile (Abb. 2). Jedes der drei Teile wird ein Tütchen. Man bemalt sie am besten vor dem Ausschneiden. Zur Vereinfachung kann man in Kork oder Linoleum ein Muster schneiden, das dann verschiedenfarbig gedruckt wird. Die Tütchen können am unteren Rand, vom Rand zur Spitze oder auch ganz bemalt werden. Abb. 3 zeigt einige Beispiele dafür. Nun werden die Teile ausgeschnitten und zu Tüten gebogen, darauf die Ränder etwas übereinander geschoben und festgeklebt. Man kann auch ein Stückchen von der Spitze abschneiden, um einen breiteren Kleberand zu bekommen (Abb. 4.).

 

Viel Spaß bei der Arbeit und ein gutes Gelingen!

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

Ludwig Passarge.

„Die Mitteilungen über die Natur der ostpreußischen Landschaft mögen dazu dienen, manche Irrtümer zu zerstreuen, welche in Betreff der Ostmark unseres deutschen Vaterlandes noch immer gehegt werden", schreibt Passarge im Vorwort zu einem seiner Werke, und er schließt mit den Worten: „Weht dem Leser aus der Darstellung etwas von jener Seeluft entgegen, welche dem Verfasser auf allen seinen Wanderungen die Brust erweitert hat, so ist der beste Zweck dieses Buches erreicht“. Der sich solchermaßen selbstgestellten Aufgabe ist der am 06.08.1825 in Wollitnick bei Heiligenbeil geborene Schriftsteller in allen seinen Werken gerecht geworden. Da seine Werke in ihrer Wirkung weit über die Grenzen seiner engeren Heimat hinausgingen, darf man Passarge (neben Ernst Wichert) unstreitlich das Verdienst zuerkennen, Ostpreußen der deutschen Literatur entdeckt zu haben. Er verfügte über ein besonders ausgeprägtes Talent für die Schilderung von Land und Leuten und ein starkes Einfühlungsvermögen in deren Sitten und Gebräuche. „Durch das Samland", „Wanderungen am Frischen Haff", „Wanderungen am Kurischen Haff", „Strandbriefe" sind einige der zahlreichen Titel seiner Schilderungen, Skizzen und Studien. Er trat daneben auch mit Berichten seiner großen Reisen hervor, die ihn nach Norwegen, Spanien und Italien geführt hatten. Den größten Erfolg aber brachten ihm seine „Baltischen Novellen" (1884).

 

In unserer heutigen „Kogge" bringen wir auf Seite 5 einen Abschnitt aus seinen Studien „Von der Kurischen Nehrung" über das Nehrungsdorf Sarkau.

 

Ludwig Passarge, auch das soll nicht unerwähnt bleiben, war einer der ersten, die in Deutschland für den großen norwegischen Dramatiker Henrik Ibsen eintraten. Passarge starb am 23.01.1894.

 

Seite 6   Aus Ostpreußens Sagenborn.

Die versunkenen Jäger

In der Nähe von Bernsdorf im Bütower Gebiet befinden sich zwei Seen, die durch eine, unter einem Moore hinfließende Strömung verbunden sind. Etwa auf halbem Wege zwischen den Seen ist ein kleines kesselförmiges Loch, das nie austrocknet, und dessen Ränder, obwohl rings von üppigstem Graswuchs umgeben, nie bewachsen. Die Sage weiß darüber zu berichten, dass einst einige Waidmänner, die sich am Sonntag mit der Jagd vergnügt und hier Rast hielten, plötzlich versunken wären. Noch jetzt will man des Nachts ihre Gestalten dort sehen und das Bellen der Hunde vernehmen.

 

Die versunkene Orgel

Noch ein anderer kleiner, anscheinend grundloser See, aus dessen Tiefe man zu Zeiten Orgeltöne vernimmt, liegt in der Nähe von Bernsdorf. Als nämlich die Kirche von Bernsdorf gebaut wurde, ist an dieser Stelle die Orgel bei der Hinfahrt plötzlich versunken. Auf diese Weise ist dieser See entstanden. Solange nun der Gesang in der Kirche währt, solange lassen sich auch die Orgelklänge vernehmen.

 

Das versteinerte Ehepaar

Bei Damsdorf, eine Meile von Bütow, befinden sich zwei Steine, fast gleich geformt und von der Höhe eines Mannes. Sie haben fast menschliche Gestalt, Kopf und Schultern zeichnen sich kennbar ab. Darüber wird berichtet, dass dies ein Ehepaar aus der Gegend war, das im Hader miteinander sich gegenseitig zu Steinen verwünscht habe. Dies sei auf der Stelle geschehen. Die Farbe der Steine ist grau; wenn man sie aber mit einem scharfen Gegenstand ritzt, erscheinen sie blutrot.

 

Der Hexensee

Zwischen Krämersbruch und Trzebiatowo, hart an der Grenze von Westpreußen, liegt ein kleiner See, genannt der Hexensee. Von ihm wird berichtet, dass, wer sich in seinem Wasser badet, Zauberkraft empfange. Etwas Geheimnisvolles geht von diesem Gewässer aus; trotz seiner hohen und schroffen Ufer ist er von Sümpfen umgeben. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts soll es, so wird erzählt, zu unruhigen Auftritten wegen dieses Sees gekommen sein, dass sogar die Behörden sich genötigt sahen, einzugreifen. Es wurden mehrere Frauen, die angeblich in dem See gebadet hatten, der Zauberei beschuldigt.

 

Vergesst nicht unsere gefiederten Freunde. Sie leiden jetzt große Not. Streut ihnen Futter! Sie werden Euch dafür im Sommer mit ihren Liedern reich belohnen.

 

Seite 6   Interessantes aus der alten Heimat

Von Reit-, Fahr- und Karriolposten

Eine Art Briefzensur gab es bereits zur Ordensritterzeit. So durften nach der Ordensregel die Kreuzritter weder Briefe absenden noch empfangen, die nicht der Ordensmeister vorher gelesen hatte.

 

Nach der amtlichen Taxe vom 1. Januar 1699 kostete die Beförderung eines Briefes von Memel nach Berlin sieben gute Groschen, von Memel nach Königsberg zwei gute Groschen drei Pfennig. Die Gebühren für eine Geldsendung von einhundert Talern betrugen für die Strecke Memel - Berlin einen Taler zwanzig gute Groschen und nach Königsberg einen Taler.

 

1830 war in Tilsit nur ein Briefkasten vorhanden und zwar auf der alten Post in der Hohen Straße (gegenüber dem Geburtshaus Max von Schenkendorfs). Im selben Jahre kamen auch die jetzt gebräuchlichen Briefumschläge in Mode.

 

Als 1831 in Ostpreußen die aus Russland eingeschleppte Cholera besonders stark wütete, griff auch die Postbehörde zu strengen Schutzmaßnahmen. So wurden beispielsweise auf der Post in Memel alle ankommenden Briefe mehrmals durchstochen und geräuchert. In Tilsit verfuhr man daraufhin ebenso.

 

Anno 1717 verkehrte zwischen Tilsit und Memel wöchentlich eine Reitpost und 1718 schon eine Fahrpost. Aber bereits 1830 gingen von Tilsit wöchentlich je eine Fahrpost nach Memel und Königsberg, vier Reitposten nach Memel, Königsberg, Ragnit und Ruß bzw. Georgenburg und vier Karriolposten nach Gumbinnen, Kaukehmen, Heinrichswalde und Schmalleningken. 1845 war jedoch schon täglich eine Fahrpost nach Memel unterwegs (welch ein Fortschritt, sagten stolz die Tilsiter Bürger).

 

Ab 1. Oktober 1858 verkehrte täglich eine Personenpost von Tilsit nach Insterburg. Fahrtdauer vier Stunden, 35 Minuten, Fahrpreis 6 Silbergroschen je Meile. Aber im folgenden Jahre gingen von Tilsit bereits achtundzwanzig Personenposten nach verschiedene Orte der Provinz ab. (Wird fortgesetzt!)

 

Seite 6   Hausinschrift

Alles Tun auf Gott gebaut,

Keinem Menschen recht getraut,

Nicht zu groß und nicht zu klein,

Höflich, doch nicht zu gemein,

Viel Geduld bei wenig Geld:

So kommt man fort in aller Welt.

Spruch an einem Haus in Ostpreußen

 

Das Recht der Menschen muss heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki

Der Reiter aber war vor das Blockhaus geritten und aus dem Sattel gesprungen. Die Türe öffnete sich und heraus trat ein Greis von ungewöhnlich hohem Wuchs. Fast um Haupteslänge überragte er die stattliche Gestalt des Reiters. Zwei Gehilfen oder Unterpriester, die sie Weidelotten nannten, folgten dem Kriwe in achtungsvollem Abstande. Der stand hoch aufgereckt vor dem tief sich verneigenden Fürsten und leichte ihm zum Gruß die Hand.

 

Ehrerbietig öffnete das Volk seinem Priester eine Gasse. Er durchschritt sie langsam in feierlicher Gemessenheit und hielt mit seiner Begleitung vor dem Opferstein, der am Fuße der Eiche gebettet war. Dann erhob er die Arme, die offenen Handflächen dem Himmel zugewandt. Die Menge erstarrte in schweigender Andacht.

 

Der Priester verharrte lange im stummen Gebet. Seine weiße Gestalt schimmerte deutlich sichtbar im Schatten des heiligen Baumes. Dann ließ er die Arme sinken, wandte sich der schweigenden Versammlung zu und begann leise zu singen. Einsam schwang die Melodie durch die Stille und verhauchte in der Weite der Nacht. Jetzt fielen die beiden Waidelotten ein. Die drei Stimmen rankten sich in kunstvollem Spiel umeinander, bald stärker, bald schwächer, durch Höhen und Tiefen, bis schließlich die Stimme des Kriwen sich sieghaft über ihre Begleiterinnen erhob. Da sprang das Lied auf die Menge über, rauschte auf, feierlich und getragen wie Orgelgesang, um langsam zu ersterben. Es wurde still wie zuvor.

 

An dem Opferstein schichteten indes geschäftige Männer einen Holzstoß auf. Eine qualmende Fackel mit stechend rotem Schein tauchte aus dem Dunkel auf, näherte sich dem Holzstoß und erlosch. Doch nur ein wenig später schon begann es in den dürren Scheiten zu prasseln, zu krachen, eine helle Flamme schoss steil empor und hauchte leuchtende Glut über die erschauernde Menge. Der Kriwe aber stand, zu schier übermenschlicher Größe gereckt, vor dem Stamm der Eiche. Die feurige Lohe glänzte auf seinem Gewand, und in seiner Rechten, hoch erhoben, glühte der Stahl. Jetzt flog, von den geschickten Händen der Waidelotten geschleudert, eine dunkle Masse, das Opfertier, auf den Stein. Der Blitzstrahl des Priestermessers, zuckte hernieder, ein Wogen und Brausen fuhr durch die Versammlung und verebbte sogleich wieder in der Stille fiebernder Erwartung. Der Kriwe hatte sich über den Opferstein gebeugt. Es währte lange, bis er sich wieder aufrichtete. Dann erhob er aufs Neue die Arme zum Himmel und rief mit schriller Stimme drei kurze Worte. Wie Trompetenstöße zerrissen sie das gespannte Schweigen und peitschten die Menge, dass sie jäh aufschäumte in wilder Bewegung und wüstem Geschrei. Das heulte und raste, als ob es nie mehr aufhören wollte. Dann aber hob sich ein Singen aus dem wirren Lärm, schwoll stärker und stärker an und bändigte langsam die tobende Erregung. Sie löste sich in der gleichen feierlich getragenen Melodie, die dem Opfer vorausgegangen war. Noch einmal sprach der Kriwe, es war das Wort der Entlassung, die Menge wandte sich schweigend, der Reiter setzte sich wieder an ihre Spitze, und still entschwand der Zug in die schimmernde Nacht.

 

Wolf und Jörge hatten ihm, ohne sich zu regen, nachgeschaut, bis die bläuliche Dämmerung auch den Letzten verschluckt hatte. Sie waren im tiefsten Innern aufgewühlt von widerstreitenden Gefühlen. Ohne ein Wort zu sprechen, erhoben sie sich, schlichen sich zu ihrem Versteck und legten sich zur Ruhe.

 

Als Jörge am nächsten Morgen erwachte, spürte er eine dumpfe Schwere im Kopf und eine müde Unlust in allen Gliedern. Der Struter saß bereits aufrecht und schaute ihn forschend an.

 

„Gut geschlafen?"

 

Jörg sprang auf: „Nein. Mich drückt es jetzt noch wie ein wirrer Traum. Und Ihr?"

 

„Es geht mir nicht viel besser“. Und nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Dennoch möchte ich diese Nacht in meinem Leben nicht missen“.

 

„Ich auch nicht. Was war das wohl für ein Tier, das sie opferten?"

 

„Ein Schafbock. Nur ein Schafbock. Da siehst du, mein lieber Jörge, selbst der Tod einer so armseligen Kreatur spricht zur Menschenseele, wenn nur der Glaube lebendig ist. Darum ist es leichtfertig, zu spotten, wo andere glauben!"

 

„Das liegt mir fern", fiel Jörge ein. „Oh, ich fühlte deutlich, wie es sie gepackt hatte. So schön, so feierlich singt nur die Inbrunst der Gemeinschaft. Herrlich war auch der Priester, wie er da vor der Eiche im Lichte der Flammen stand! Aber dann ... das Abschlachten des armen, wehrlosen Tieres, das Aufbrüllen der Masse, die sich am Blut berauscht... ach, mich schaudert's noch. Grässlich war das, hässlich und grauenvoll!"

 

„Das ist es", sagte Wolf mit Nachdruck, „darum muss es ausgerottet werden. Doch nun zu uns. Jetzt heißt es aufs neue Geduld haben“.

 

Und als Jörge ihn fragend ansah, fuhr er fort: „Ich hatte gehofft, es würde den Fürsten Skomand einmal allein oder nur in geringer Begleitung zu dem Kriwe treiben. Denn ohne seinen Rat unternimmt ein Preuße nichts. Selbst wenn er ein Fürst und ein Skomand ist. Aber nun, nach diesem Opfer, wer weiß, wie lange wir noch werden warten müssen. Vielleicht ist gar alles umsonst“.

 

Jörge stutzte: „Wollt Ihr umkehren?" Der Struter zuckte die Achseln „Willst du?"

 

„Ich? Nein! Und ich hoffe, auch ihr .. ."

 

„Nicht so heftig, mein Freund. Wolf tut stets, was seine Aufgabe fordert. Willst du allein hier bleiben?"

 

Jörge stand verwirrt da und schaute den Struter mit unsicherem Blick an. Dann senkte er ihn zu Boden und sagte leise: „Ich habe Euch Gehorsam gelobt. Ich tue, was Ihr gebietet“.

 

Wolf sprang auf und streckte ihm lächelnd die Hand hin: „So ist es recht, mein Geselle. Und nun höre, und du wirst mit deinem Gebieter zufrieden sein. Sahst du gestern Abend die beiden Waidelotten?"

 

„Ja!" „Aber sahst du auch, wo sie geblieben sind?" „Nein, das nicht!" „Ich auch nicht. So haben wir beide ein Wichtiges versäumt. Und das ist meine Sorge und deine Aufgabe für den heutigen Tag. Du wirst feststellen, ob der Kriwe wieder allein ist, oder ob die Waidelotten noch bei ihm sind. Verstanden?"

 

„Ja. Verlasst Euch auf mich!"

 

Sie trennten sich. Wolf bezog seinen gewohnten Beobachtungsposten. Jörge aber pirschte sich vorsichtig an das Heiligtum heran. Er umkreiste es mehrere Male am Tage, doch nichts ließ sich blicken. Nur um die Mittagszeit stieg ein dünner Rauch aus der Öffnung im Dach der Blockhütte und zeigte an, dass sie bewohnt war.

 

Der Tag war heiß und schwül. Am späten Nachmittag begann ein graues Gewölk am Himmel aufzuziehen. Der Struter betrachtete es voll Misstrauen. Sollte es ein Gewitter geben? Ein Frühlingsgewitter, das erste in diesem Jahr? Das würde sie gut einweichen und ihnen eine kühle Nacht im feuchten Wald bereiten. Die Aussicht war wenig erfreulich, denn sie waren beide der Ruhe bedürftig.

 

Das Gewölk schien sich nicht zu regen. Wie eine graue Wand stand es da und hatte sich doch in kurzer Zeit hoch hinaufgeschoben. An seinem oberen Rand aber fing es an, sich aufzutürmen wie ein schneeiges Gebirge. Noch schien die Sonne hell und klar, doch ihre Strahlen stachen wie brennende Pfeile. Und nun legte sich langsam ein fahler Schleier über Himmel und Erde. Die Wolkenwand verdunkelte sich zu einem tiefen Stahlblau, und der weiße Kamm schien in giftige Schwaden von schwefligem Gelb getaucht. Die Luft war erstarrt in drückendem Schweigen und banger Erwartung. Kein Vogel sang, kein Blatt, kein Halm rührte sich. Da war kein Zweifel mehr, das Gewitter kam herauf, und böse sah es aus.

 

Wolf hatte sich sorglos vor dem erhabenen Schauspiel fesseln lassen. Für ihn stand fest, dass nach dieser Nacht die Sudauer still in ihren Hütten lagen. Darum erschrak er nicht wenig, als er wieder einmal seine Blicke vom Himmel losriss und der Erde zuwandte. Vom Skomandberg her nahte ein Reitertrupp. Scharf griffen die kleinen, struppigen Pferde aus. Es wäre bereits an der Zeit gewesen, dass Wolf sich tiefer in den Wald zurückzog, aber seine Augen hafteten in ungläubigem Staunen an dem vordersten Reiter und wollten Gewissheit haben. Barhäuptig ritt er daher, sein volles silbergraues Haar flatterte im Luftzug. Er war in weißes Leinen gekleidet wie alle Preußen, aber Schwertgut und Scheide leuchteten purpurrot und blitzten von silbernem Beschlag.

 

Der Struter fühlte sein Herz schlagen. Seine Lider schlossen sich zu einem schmalen Spalt, dolchspitz und glühend schoss der Wolfsblick hervor, der seine Beute erspähte. Denn der Mann der angeritten kam, von nur vier Bewaffneten begleitet, war der Reiter von gestern Abend, war jener Kühne, dem er einmal von Angesicht zu Angesicht im wildesten Kampfgetümmel gegenübergestanden hatte, und der ihm doch entschlüpft war: das war Skomand, der Fürst der Sudauer.

 

Wolf schnaufte vor Erregung. Unverhofft, da er sie am allerwenigsten erwartete, war die Stunde des Handelns da. Jetzt galt es, jede Sekunde recht zu nutzen, seine Gedanken begannen fieberhaft zu arbeiten, und darüber bekam er sich selbst wieder völlig in die Gewalt. Langsam schob er sich in den Schutz des Unterholzes zurück, doch so, dass er immer noch den Reitertrupp beobachten konnte. Der hatte jetzt den Waldrand erreicht, und Wolf tat einen Freudensprung. Freilich nicht mit den Gliedern, sondern nur in der tiefsten Tiefe seines Herzens. Der Trupp hatte haltgemacht, die vier Begleiter sprangen ab, um im Schatten der ersten Bäume zu lagern, und Skomand ritt allein weiter, dem Heiligtum zu.

 

Die Rechnung des Struters begann aufzugehen, genau so hatte er es sich gedacht. Fürst und Priester wollten ohne Zeugen Rats pflegen.

 

Da sollte sein Schwert ein Wort mitreden. Als Gegner im Kampf zählte der greise Priester nicht, den würde Jörge gut in Schach halten. So verblieb ihm der Fürst allein und diesmal sollte er ihm nicht entgehen.

 

So schnell wie möglich eilte er zu seinem jungen Gefährten, der ihn schon in heißer Spannung erwartete.

 

„Weißt du, wer da vorüberritt?"

„Skomand!"

„Ja! Wie steht es mit dem Kriwe? Sind die Waidelotten noch da?"

„Nein! Der Kriwe ist allein. Er sitzt auf der Bank vor seiner Hütte“.

„Gut! Und jetzt, Jörge, sollst du beweisen, was du von mir gelernt hast. Komm!"

 

Sie schlichen vorsichtig nach der Lichtung und bemerkten nun erst, dass die Sonne hinter dem Gewölk verschwunden war. In dem dichten Gehölz stand die Luft schwer und schwül, die sinkende Dämmerung spann dunkle Schatten um Gesträuch und Bäume. In der Ferne aber grollte die Stimme des Donners auf.

 

„Jetzt kommst du mir recht", dachte Wolf befriedigt, „du sollst uns eine gute Hilfe werden“.

 

Es war, wie Jörge gemeldet hatte. Der Kriwe saß auf der Bank vor seinem Hause und neben ihm Skomand. Die beiden Späher vermochten nun auch das Gesicht des Priesters zu erkennen. Ein sturmreiches Leben durch viele Jahrzehnte, neun, vielleicht gar noch mehr, hatte darin seine Runen tief eingekerbt. Und doch sprach der Uralte lebhaft, mit unterstreichenden Gebärden. Skomand aber hielt das Haupt gesenkt, hörte voller Achtung, und, wie es schien, in stiller Abwehr zu und warf nur hin und wieder ein kurzes Wort dazwischen. Das aber spornte sichtbar den Eifer des Kriwe an.

 

Doch jetzt fiel ihm ein Dritter in die Rede: die Eilung, der Gewittersturm. Urplötzlich war er da. Das sauste und heulte, schrie und raste in der Luft, schlug mit wütendem Grimm die Kronen der Bäume, dass sie ächzend sich neigten wie biegsame Ruten, und ein weniges später schon war der wilde Spuk vorüber. In die jähe Stille fiel hart und donnernd der erste Donnerschlag. (Fortsetzung folgt)

 

Seite 6   Liebe Freunde!

Mit vollen Segeln in ein neues Jahr! 1957!

 

Die Mannschaft der „Kogge" ist nun schon sturm- und seefest, alte Fahrensleute, wie man unter seinesgleichen sagt. Einen großen Teil der Väterheimat haben wir in dem vergangenen Jahr entdeckt. In jeder Ausgabe hatten wir eine Begegnung mit einem der großen Söhne unserer Heimat. In deEn vielen Sagen spürten wir den wechselvollen Geschicken und fernen dunklen Schicksalen nach. Am Wort unserer Großen ahnten wir das ewig Lebendige, das Unverlierbare, das als wertvollstes Erbe auf uns gekommen ist.

 

Das ist der Kurs, den die „Kogge“ auch in diesem Jahr weiter verfolgen wird.

Schreibt auch künftig weiter fleißig an uns! Für jeden guten Ratschlag sind wir dankbar. Euer Hanns

 

Seite 7   Schicksal der Bau- und Kunstdenkmäler Ostpreußens. Eine Erschütternde Bestandsaufnahme: Zerstört, gesprengt, verschollen.

Eine Zusammenstellung über das Schicksal der Bau- und Kunstdenkmäler in den deutschen Ostgebieten gab das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in diesen Tagen heraus. Aus dem Katalog geht ziemlich genau hervor, wie die deutschen Städte unter polnischer Verwaltung heute aussehen. Denn die Zahl der Neubauten ist meist so gering, dass sie das Gesicht der Ortschaften nicht nennenswert beeinflussen. Hier eine Schilderung des Schicksals der ostpreußischen Baudenkmäler, die jeden erschüttert, der Ostpreußen gekannt hat:

 

Allenstein ist zu 45 Prozent zerstört. Das historische Stadtbild wird von der polnischen Denkmalspflege stärker als in anderen Städten Ostpreußens konserviert. Das Schloss ist erhalten und dient als Museum. Auch die Jakobikirche, die Laubenhäuser am Markt und das Hohe Tor sind erhalten.

 

Bartenstein ist zu 60 Prozent zerstört. Die Stadtkirche, die Johanniskirche, die katholische Kirche und das Heilsberger Tor sind unbeschädigt, der Eulenturm dagegen ist abgebrannt, während die Altpreußischen Göttersteine nach Allenstein gebracht wurden.

 

Von Braunsberg ist nur wenig übriggeblieben. Vom Bischofspalast stehen lediglich noch der Torturm und ein sterngewölbter Raum. Das Rathaus wurde 1945 gesprengt. Der Marktplatz ist völlig zerstört. Vom Steinhaus sind nur noch die Mauern erhalten. Während die Kreuzkirche erhalten geblieben ist, steht von der Katharinenkirche nur noch ein Stumpf. Die Speicherbauten verwahrlosen. Das Fachwerk wird vom Schwamm zerstört.

 

Die Altstadt von Elbing ist vom alten Markttor bis zum Lachs völlig zertrümmert. In der Heiligengeiststraße sind nur noch wenige Gebäude erhalten. Die Fassaden zahlreicher Bürgerhäuser wurden „nach polnischen Gesichtspunkten restauriert". Das Markttor ist beschädigt, das Rathaus stark zerstört und die Fronleichnamskirche völlig ausgebrannt. Die Georgenkapelle blieb erhalten. Die Nikolaikirche wurde inzwischen wieder soweit hergestellt, dass Gottesdienst möglich ist.

 

In Frauenburg wurde die Gebäudegruppe um Bischofspalais und Dom empfindlich beschädigt. Die Domherrn-Kurie wurde als Kopernikusmuseum eingerichtet. Der Dom selbst wurde inzwischen wieder hergestellt. Die Pfarrkirche verbrannte, nur die Außenmauern sind erhalten. Die gotischen Wandmalereien im St. Annen-Hospital konnten gerettet werden.

 

Der Napoleons-Speicher, die Baptistenkirche und die Lutherische Kirche in Gumbinnen sind zerstört. Das Bischofsschloss von Heilsberg hat keine größeren Schäden aufzuweisen. Im großen Saal sind weitere Wandmalereien in der letzten Zeit freigelegt worden. Die Sammlungen jedoch gingen zum größten Teil verloren. Die Orangerie, die Altstadt und die Stadtbefestigungen sind erhalten. Das berühmte Tannenbergdenkmal wurde gesprengt. Einige Türme blieben erhalten.

 

Im Stadtkern von Königsberg zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof sind kaum noch Bauwerke vorhanden. Das Schloss ist heute eine Ruine. Von der Schlosskirche stehen nur noch die Umfassungsmauern. Das gleiche kann man vom Dom sagen, von dem allerdings noch ein Gewölbejoch und die Türme erhalten geblieben sind. Burgkirche und Französische Kirche sind ausgebrannt. Der Turm der Steindammer Kirche wurde wegen Einsturzgefahr gesprengt. Die Ruine der Luisenkirche wird als Lagerschuppen benutzt. Die Kirche Juditten soll ein Heimatmuseum werden. Die Universität ist ebenfalls eine Ruine. Das Kant-Denkmal von Rauch und das Denkmal Friedrichs I. von Schlüter sind verschollen. Das Grabmal Kants ist erhalten, ebenso der Friedhof an der Sternwarte mit den Gelehrtengräbern. Auch die „Kämpfenden Auerochsen" von Gaul existieren noch. Opern- und Schauspielhaus dagegen sind zerstört.

 

In Lötzen wird die Ordensburg jetzt gegen weiteren Verfall geschützt. Die Sammlung des Heimatmuseums wurde nach Allenstein gebracht. Die Stadt selbst ist zu 60 Prozent zerstört. Etwas weniger ist Marienburg mitgenommen. Die Stadtteile unter den Lauben, die Neustadt und Kratzhammer sind allerdings völlig zerstört. Die Deutschordensburg ist vor allem auf der Südseite zerstört. Der Glockenturm ist zerschossen. Er hat inzwischen ein Notdach erhalten. Die Schlosskapelle mit der Mosaikmadonna ist fast völlig vernichtet. Das gleiche gilt für die Annenkapelle. Die Hohen und Niederen Lauben sind völlig zerstört. Das Rathaus und das Töpfertor sind erhalten. Die Kreuzigungsgruppe aus der Schlosskapelle (Ende 14. Jahrhundert) ist stark beschädigt, während sich der Graudenzer Altar aus der Lorenzkapelle heute in Warschau befindet. Das Schloss des Domkapitels in Marienwerder ist unbeschädigt und wird von einem polnischen geistlichen Orden benutzt.

 

Das Rathaus von Mohrungen ist im Rohbau wieder hergestellt. Schloss Dohna ist eine verfallene Ruine, während die Pfarrkirche aus dem 14. Jahrhundert einigermaßen den Krieg überstanden hat. Bei den Restaurierungsarbeiten wurden Wandmalereien von Ende des 15. Jahrhunderts freigelegt. Ortelsburg ist etwa zur Hälfte zerstört. Das Deutschordensschloss ist erhalten.

 

In Preußisch-Holland dagegen brannte das Ordensschloss aus. Auch das Rathaus ist zerstört. Einige schöne alte Bürgerhäuser überstanden jedoch die letzten Jahre. Rastenburg ist ebenfalls zu 50 Prozent zerstört. Die Georgskirche blieb erhalten. In Wormditt hat vor allem die Innenstadt sehr gelitten. Die Häuser am Marktplatz mit den schönen Laubengängen sind zu zwei Dritteln vernichtet. Das Rathaus aber ist erhalten. Die Johanniskirche wurde einigermaßen restauriert.

 

Seite 7   Maria Renate kommt mit Mutter und Großmutter zum Vater.

Maria Renate Surrey ist 17 Jahre alt und kann nun zum ersten Male in ihrem Leben glücklich und voller Hoffnung die Welt betrachten. Als sie acht Jahre alt war, ging der Krieg zu Ende, der ihr bisheriges Dasein überschattete. Der Vater war in Litauen in Gefangenschaft geraten, Mutter und Großmutter nahmen Maria Renate an die Hand und gingen auf die Flucht. Bischofsburg bei Rössel, die Heimat, ließen sie hinter sich. Der Weg war weit, und zu Fuß bei der Kälte — es war bitter. Als sie an das Haff kamen, waren die Füße schon erfroren. Danzig erreichten sie noch, aber dann kamen auch schon die Russen. Die drei hatten noch Glück, mit dem Leben davon zu kommen. Sie fanden in Oliva eine Bleibe. Aber die Heimat zog sie wieder zurück. Mit dem, was sie dort sahen und erlebten, hatten sie allerdings nicht gerechnet. Für sie wurde das Leben überhaupt nur dadurch erträglich, dass Josef Surrey, Maria Renates Vater, ihnen mit Paketen helfen konnte. Er war nämlich 1948 aus der Gefangenschaft entlassen und nach Osnabrück in das Stahlwerk gegangen. Das Deutsche Rote Kreuz half ihm bei der Suche und konnte ihm auch die Anschrift seiner Frau mitteilen. Er versuchte alles, um sie herzuholen; lange waren seine Bemühungen vergeblich, aber jetzt sind die Frauen doch nach Osnabrück gekommen und fanden Josef Surrey im Krankenbett, da er kurz zuvor einen Unfall erlitten hatte. Aber sie sind glücklich und zufrieden, dass sie wieder alle beisammen sind.

 

Seite 7   12 Jahre Ungewissheit

Tettens liegt im Kreise Jever. Im Wohnheim II wohnt Frau Else Mahler aus Ostpreußen. Dort erreichte sie auch ein Brief, den Frau Mahler mit ungläubigem Staunen ansah. Wirklich, das war der Absender ihrer Schwester, deren Schicksal ihr seit zwölf Jahren unbekannt war. Und beim Lesen kam die zweite große Überraschung: auch die dritte Schwester war noch am Leben. In der Heimat hatten sie alle nicht weit voneinander gewohnt, durch die Flucht und die Jahre danach haben sie sich jedoch aus den Augen verloren. Nun erfuhr Frau Mahler gleichzeitig von beiden Schwestern: eine lebt in Mitteldeutschland, die andere wohnt noch in Elbing.

 

Seite 7   Kühe kommen übers Meer. Amerikanische Rinderspende für Vertriebene.

Es ist nicht überall bekannt, wir wollen es aber nicht übersehen, dass viele Amerikaner seit Jahren Ostvertriebenen und wieder angesiedelten Bauern in Deutschland Rinder schenken, um ihnen den Aufbau ihrer Wirtschaft zu erleichtern. Noch vor Weihnachten kam der 17. Transport mit 681 Tieren nach Niedersachsen. 66 hochtragende oder frisch gekalbte Färsen waren darunter. Unter den Beschenkten befinden sich der Ostpreuße Franz Schäfer in Springe und der Westpreuße Emil Jabs, die dort Nebenerwerbsstellen bearbeiten. Es war früher Domänenland, auf dem jetzt ihre Häuser stehen und das sie beackern. Um an der Rinderspende beteiligt zu werden, mussten sie vorher einen Antrag stellen. Als dann die Tiere kamen, wurden sie verlost. Schäfers erhielten eine rot-bunte Färse, die auf der Schiffsreise schon gekalbt hatte. Im Februar wird vermutlich auch die Färse kalben, die Familie Jabs erhielt. Der amerikanische Farmer, der die Tiere spendete, stattete ihnen auch schon einen Besuch ab, um sich zu überzeugen, dass die Tiere gut untergebracht sind. Es sind aber in Amerika auch kirchliche und private Organisationen und Behörden, auch Schulkinder, die sich an diesen Stiftungen beteiligten.

 

Seite 7   „Helft mir!" Notschrei eines Mädchens aus Ostpreußen.

Alle Landsleute, die jetzt aus Ostpreußen kommen, berichten davon, wie viele dort noch auf die Ausreisegenehmigung warten: immer warten sie und hoffen, dass auch sie eines Tages die Heimat verlassen können, in der ihnen das Leben zur Hölle wurde. Vor allem warten hier meist die Angehörigen auf sie. So geht es auch der 19-jährigen Rosemarie Schmidt, die ihrer Tante und ihrem Onkel nach Nienburg flehende Bitten schickt, ihr zu helfen. Kürzlich kam ein Telegramm an, in dem sie sagt: „Helft mir, ich bin am Ende meiner Kraft“. Rosemaries Vater ist seit dem Kriege vermisst, die Mutter starb. Nun hat sie nur die Verwandten, die nach dem Kriege die Heimat verlassen mussten und nach Westdeutschland kamen.

 

Da ihr Vater Flugzeugführer war, ist sie jetzt als Fallschirmjägerin ausgebildet worden. Ihr letztes Telegramm hat das Rote Kreuz bekommen; es wird ein Bittgesuch an den Präsidenten des polnischen Roten Kreuzes richten, um Rosemarie die Ausreise vielleicht doch noch ermöglichen zu können.

 

Seite 7   Professor Passarge 90 Jahre.

Der bekannte ostpreußische Geologe, Arzt und Geograph Professor Dr. Siegfried Passarge feierte am 29. November 1956 seinen 90. Geburtstag. Er wurde in Königsberg als Sohn von Ludwig Passarge geboren, der als erster Henrik Ibsens Werke in die deutsche Sprache übertrug und ihn überhaupt für Deutschland entdeckte. Professor Siegfried Passarge kann sich noch an die Besuche Ibsens in Ostpreußen erinnern. In der Wissenschaft wird Professor Passarge als der Vorkämpfer für den methodischen Aufbau der Landschaftskunde angesehen. Drei große Forschungsreisen führten ihn um die Jahrhundertwende nach Afrika und Südamerika, dann las er als Ordinarius für Geographie an der Breslauer Universität und wurde 1908 an das neugegründete Kolonialinstitut in Hamburg berufen, aus dem dann die Universität wurde. Seine Heimat hat er einstmals mit einem Treck verlassen müssen.

 

Seite 7   Jugendlicher Spätheimkehrer. 17-jähriger Königsberger zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt.

Der 27 Jahre alte Egon Linoweit ist als Spätheimkehrer zu seiner Mutter gekommen, die jetzt in Hagen lebt und lange Jahre um ihren Sohn bangte, ohne ein Zeichen zu erhalten, ob er noch lebte und wie es ihm ging. Es war kein leichtes Leben, das er seit der Trennung von seinen Angehörigen im Jahre 1946 führen musste; denn er wurde damals denunziert und ohne irgendwelche Beweise wegen „antisowjetischen Terrors" von einem Königsberger Gericht zu zehn Jahren Arbeitserziehungslager verurteilt. 17 Jahre zählte er damals, und wegen seiner Jugend behielt man ihn auch nicht in Gorki, wohin er gebracht wurde, sondern schickte ihn zurück nach Königsberg in ein Lager. Im folgenden Jahre arbeitete er zusammen mit Kriminellen im Bernsteinbergwerk Palmnicken, und wieder ein Jahr später musste er unter Tage arbeiten in einem Kohlenbergwerk. Das Lager Inta bei Workuta war sein Gefängnis. Anfang 1955 wurde Egon Linoweit zwar auf Grund eines Erlasses des Obersten Rates der UdSSR entlassen, musste aber als Zwangsangesiedelter dort bleiben, bekam zunächst keine Papiere, erst nach einem Jahre den Pass für Staatenlose und konnte nicht viel damit erreichen.

 

Inzwischen konnte aber seine Mutter verständigt werden, dass ihr Sohn noch lebte und wo er sich befand. Ein Heimkehrer hatte ihn beim Deutschen Roten Kreuz gemeldet, und bald darauf bekam er die erste Post von seiner Mutter. Aber bis zum Wiedersehen war doch noch mancher Tag abzuwarten. Durch die deutsche Botschaft in Moskau bekam er einen Pass, fast ein halbes Jahr später auch das Ausreisevisum. Und dann konnte er die Heimreise antreten — über Moskau und Berlin.

 

Zum Geburtstag der Mutter kam er gerade zurecht, die glücklich und dankbar ihren Sohn in die Arme schloss. Sie selbst hatte 1947 die Heimat verlassen, lebte in Mitteldeutschland und musste dort wiederholt Augenoperationen vornehmen lassen, da sie die Sehkraft verloren hatte. Seit 1948 wohnt sie bei ihrer Schwägerin in Hagen.

 

Es wird gewiss nicht leicht sein für den jungen Egon Linoweit, sich in das ungewohnte Leben zurückzufinden, das ihm solange wie eine traumhafte Erinnerung an seine Jugendzeit vor Augen stand.

 

Seite 7   Rufe, Glocke!

In unserer Dezember-Ausgabe 1956 ist uns ein bedauerliches Versehen unterlaufen: Das Gedicht „Rufe, Glocke!" auf Seite 7, der Silberglocke vom Königsberger Dom gewidmet, wurde leider ohne Verfassernamen abgedruckt. Dieses Gedicht, das bei der Einweihung des ostdeutschen Glockenturmes auf Schloss Burg vorgetragen wurde, stammt aus der Feder unserer langjährigen getreuen Mitarbeiterin Margot Krumm.

 

Seite 7   Oldenburgs Oberbürgermeister ein Ostpreuße.

Als Hans Fleischer am 7. Juli 1906 in Pillau geboren wurde, prophezeite ihm niemand, dass er dereinst die Geschicke der Stadt Oldenburg i. O. lenken würde. In Königsberg leitete er als selbständiger Handwerksmeister seinen Betrieb und sorgte für das Wohl seiner Familie. Erst nach seiner Flucht, als er in Oldenburg Fuß fasste, begann Hans Fleischer, sich politisch zu betätigen. Als Mitglied der SPD-Fraktion hat er seit 1948 einen Sitz im Rat der Stadt, wo seine Ruhe und Besonnenheit wie seine Schlagfertigkeit in der Diskussion geschätzt werden. Trotz schwerer körperlicher Behinderung nahm er die Wahl zum Oberbürgermeister an. Ein gutes Stück Arbeit hat er somit neben der Leitung seines achtzehn Mann starken Installationsbetriebes in Kreyenbrück und der Aufgabe des Vorsitzenden der „Gemeinnützigen Baugenossenschaft der Ostvertriebenen" zu bewältigen.

 

Seite 7   Wahlheimat Königsberg. Kaufmann Sendner 85 Jahre alt.

Vielen Königsbergern ist Kaufmann Bernhard Sendner noch bekannt, der vor fünfzig Jahren als Mitinhaber die Firma Silesia auf dem Steindamm Nr. 134 eröffnete. Am 13. Dezember 1956 konnte er in Betzingen bei Reutlingen seinen 85. Geburtstag feiern. Gesund und rüstig denkt er zurück an die Zeit in Königsberg, das er als seine eigentliche Heimat betrachtet, obwohl er nicht dort geboren ist. Es war im Jahre 1871, als er in Nürnberg das Licht der Welt erblickte. Als Vierundzwanzigjähriger zog er als Kaufmann mit seiner Ehefrau nach Königsberg und blieb dort fast fünfzig Jahre lang. Im Oktober 1930 machte sich Bernhard Sendner selbständig und führte ein eigenes Geschäft für Haus- und Küchengeräte. Es befand sich in der Kneiphöfischen Langgasse 57 gegenüber der Konditorei Plouda. In der Nacht vom 30. zum 31. August 1944 erlebte die Stadt ihren zweiten Angriff, und Bernhard Sendner verlor durch Brand das Geschäft im Kneiphof und seine Wohnung in der Hohenzollernstraße. Im selben Jahre starb seine Gattin, und als er mit zwei Töchtern dann Königsberg verließ, blieben am Veilchenberg ihr Grab und zwei weitere Gräber ihrer Kinder zurück. Ein kleines idyllisch gelegenes Walddorf südlich von Nürnberg wurde für die nächsten sieben Jahre der Wohnsitz. Dann kam die dritte Tochter, die in Königsberg geblieben war, heim, wurde in Württemberg als Vikarin angestellt, und der Vater zog mit nach Betzingen. Möge ihm dort ein sonniger Lebensabend beschieden sein!

 

Seite 7   Sie ackerten wie in alten Zeiten. Das Land im Osten verfällt zusehends.

Ungebrochen ertrug Oma Josephowitz die Unbill der Kriegs- und Nachkriegsjahre, die gewiss nicht leicht für sie waren. Jetzt ist sie 74 Jahre alt und sitzt bei ihren Töchtern und Schwiegertöchtern strickend und aus der Heimat erzählend. 1945 kamen die Russen nach Ostpreußen und plünderten, ein paar Jahre später starb ihr Mann. Sie hatten nichts mehr besessen nach dem Kriege und fingen an, sich kümmerlich zu versorgen, indem sie das wenige Land, das sie hatten, mit einfachsten Geräten bebauten. Keinem Feind konnten sie wehren: nachts kamen die Wildschweine, und im Laufe der Zeit wuchs der Wald immer näher heran. In ihrer Nähe waren die Felder durch Flugbesamung zu Kiefernholzung geworden, in der sie im letzten Jahre schon Pilze sammeln konnten. Die fetten Weiden wollten die polnischen Neusiedler in Flachsland umwandeln, sie hatten aber keinen Erfolg damit, und so verfiel auch dieses Land. Trotz der großen Mühe brachte es Großmutter Josephowitz vorwärts. Zwei Kühe und Schweine, Gänse und Hühner hatte sie im Stall, aber sonst war alles so anders geworden. In der evangelischen Kirche wurde katholischer Gottesdienst abgehalten in polnischer Sprache; nur die Kirchenlieder sangen alle deutsch. In der Schule gab es nur polnischen Unterricht, und man fing an, sich selbst die Kleidung herzustellen, da die Preise dafür unerschwinglich hoch waren.

 

So hochbetagt erhielt Frau Josephowitz endlich die Ausreisegenehmigung und konnte die Reise zu ihren Töchtern antreten. In Stettin bereitete man dem Sammeltransport sogar einen freundlichen Abschied mit einem Heimatlied und einer Flasche Wein.

 

Seite 7   Prof. Hermann Wirth gestorben.

Am 18. November 1956 verstarb in Neuwied am Rhein der Königsberger Akademieprofessor und Maler Hermann Wirth im 80. Lebensjahr.

 

Nach der Vertreibung aus dem Samland im Februar 1945 musste er zwei schwere Jahre unter den Polen und Russen in Westpreußen durchstehen. Dann führte ihn ein gütiges Geschick in das Bergische Land und an den Rhein, wo er in der Niederlassung der Herrnhuter Brüdergemeine Aufnahme fand und in einem eigenen Heim noch einmal ein paar friedliche Lebensjahre genießen durfte.

 

Geboren wurde Hermann Wirth als Missionarskind am 31. März 1877 in Labrador. Die Schuljahre verlebte er in Niesky O/L am Pädagogium der Brüdergemeine. Nach anfänglichem Theologiestudium entschloss er sich für die Malerei und ging an die Kgl. Kunstschule nach Berlin.

Im Jahre 1902 wurde er an die Königsberger Kunstakademie berufen, an der er 30 Jahre lang für die Zeichenlehrerausbildung verantwortlich blieb. So wurde Ostpreußen zu seiner Heimat. Er heiratete eine Königsberger Kaufmannstochter, die Malerin Edith Wirth, geb. Sukkau, die in den zwanziger Jahren als Zeichenlehrerin an der Ostpreußischen Mädchengewerbeschule wirkte. Beide gehörten zu dem kleinen Kreis von Künstlern, der noch vor dem ersten Weltkrieg die malerische Schönheit der Kurischen Nehrung entdeckte. Zahllose Gemälde und Zeichnungen mit Motiven aus Preil und Nidden zeugten von der Jahrzehnte überdauernden Liebe zu diesem einzigartigen Stück Erde.

 

Bis auf ein paar Skizzenbücher und ein Paket mit Aquarellen, die durch seinen Sohn gerettet werden konnten, ist Hermann Wirths künstlerisches Lebenswerk mit dem Untergang Ostpreußens verloren gegangen. Sein Name gehört in die Reihe von Professorennamen wie Cauer, Lahrs, Pfeifer, Storch, Wolff, mit denen er eine Lehrergeneration an der Kunstakademie bildete. Mit ihm ist einer der letzten Überlebenden aus jener Zeit dahingegangen.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußischer Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Altkirch, Kreis Heilsberg, werden Leo Rückwald, geboren am 3. April 1938, und Günther Rückwald, geboren am 25. August 1940, gesucht von ihrem Vater August Rückwald, geboren am 8. November 1901 in Kekitten. Der ältere Bruder Artur Rückwald wird auch noch gesucht.

 

Aus Biegiethen, Post Pobethen, Kreis Samland, werden Helmuth Eidinger, geboren am 4. April 1938, und Rudolf Eidinger, geboren am 5. Februar 1937, gesucht von ihrer Tante Frieda Fischer. Die Brüder Helmuth Eidinger und Rudolf Eidinger sind 1946 nach Tauroggen (Litauen) gegangen und nicht wieder zurückgekehrt.

 

Aus Fischhausen, Kreis Samland, Freiheitsstraße 8, werden die Geschwister Klaus Lorenz, geboren am 2. Juli 1942, Wolfgang Lorenz, geboren am 4. Juni 1939, und Sieglinde Lorenz, geboren am 2. Dezember 1937 in Schwengels über Zinten (Ostpreußen), gesucht von ihrer Mutter Thea Lorenz, geborene Sprengel, geboren am 25. September 1912.

 

Aus Karkelbeck, Kreis Memel, wird Bernhard Gailus, geboren am 11. November 1933, gesucht von seiner Schwester Hilde Nerke geborene Gailus, geboren am 27. Februar 1921 in Karkelbeck.

 

Aus Königsberg, Cranzer Allee 19, wird Bodo Behrendt, geboren am 3. August 1939, gesucht von seinen Eltern Paul Behrendt und Anna Behrendt. Bodo Behrendt war mit seiner Großmutter, Frau Gandy, 1945 in Cranz, Rosenstraße 1, wohnhaft. Als die Großmutter Ende September 1945 verstarb, kam der Junge in ein Waisenhaus. Der Knabe hat blaue Augen und blondes Haar. Am linken Ohr hat er ein Muttemal in der Größe einer Erbse vor dem Gehöreingang. An der Spitze des linken Daumens hat er eine Narbe.

 

Aus Königsberg, Böttchershöfen Nr. 6, wird Brigitte Dettloff, geboren am 30. Januar 1937 in Königsberg, gesucht von Anna Hallmann geb. Nitsch und von Charlotte Hoffmann, geboren am 29. November 1907.

 

Aus Königsberg-Kalgen, Haffweg 20, werden Inge Pohl, geboren am 4. Februar 1940, und Siegfried Pohl, geboren am 7. März 1936 in Königsberg, gesucht von ihrer Cousine Hildegard Reichert.

 

Aus Königsberg-Schönfließ, Reichsbahnsiedlung, wird Siegfried Plaumann, geboren am 21. Mai 1933, gesucht von seinem Vater Otto Plaumann, geboren am 30. Mai 1896. Siegfried Plaumann ist im April 1947 nach Pilwischken bei Kowno (Litauen) gegangen und nicht wieder zurückgekehrt.

 

Aus Landsberg (Ostpreußen), Bahnhofstr. 242, wird Ulrich Günther Hassel, geboren am 9. September 1942 in Landsberg, gesucht von seiner Mutter Margot Hassel geborene Rehaag, geboren am 19. September 1912. Das Kind Ulrich Hassel, das sich selbst „Ulli" nannte, wurde am 28. März 1945 abends auf der Flucht in Danzig, Langgartenstraße, von seiner Mutter getrennt. Ein unbekanntes junges Mädchen nahm sich seinerzeit des Kindes an. Bekleidet war der Knabe mit einer hellblauen, handgestrickten Mütze, einem dunkelblauen Mantel, einer blau-roten Berchtesgadener Jacke, zwei Pullovern, einer dunkelblauen Strickhose rot behäkelt, mit Knebelknöpfen. In der Manteltasche hatte er einen rosa Wollschal. Um den Hals trug er eine Pappkarte mit seinem Namen. Geburtstag. Heimatanschrift und dem Namen der Mutter.

 

Aus Lyck, General-Busse-Straße 5, wird Horst Salewski, geboren am 25. März 1938, gesucht von seinem Vater August Salewski, geboren am 27. März 1901 in Lyck. Das Kind Horst Salewski ist im Mai 1947 von einem polnischen Landwirt aus dem Lager Mohrungen zum Viehhüten fortgeholt.

 

Aus Marienfelde, Kreis Osterode, wird Helmut Koslowski, geboren am 29. Mai 1936, gesucht von Margit Kurtz. Die Eltern, Hermann Koslowski und Maria Koslowski geborene Boczan, werden auch noch gesucht. Die Familie Koslowski ist 1943/1944 von Marienfelde nach Winnicia, Kreis Ostenburg (Südostpreußen), verzogen.

 

Aus Rolofseck, Post Herzogskirch, Kreis Gumbinnen, werden Siegfried Erlach, geboren am 4. März 1939, und Erwin Erlach, geboren am 6. Januar 1938 in Rolofseck, gesucht von ihrem Vater Fritz Erlach, geboren am 23. März 1899.

 

Aus Rotwangen, Kreis Schröttersburg (Südostpreußen), werden Richard Krüger, geboren am 6. Februar 1939, und Ella Krüger, geboren am 13. Mai 1937 in Marjanowo, gesucht von ihrem Vater Gustav Krüger, geboren am 17. Oktober 1900. Die Kinder sind mit ihrer Mutter, die auch noch gesucht wird, am 20. Januar 1945 aus Rotwangen geflüchtet.

 

Aus Sasonie, Kreis Plöhnen (Südostpreußen), wird Albert Plitt, geboren am 1. Januar 1937 in Sasonie, gesucht von Helene Burgstaller. Die Mutter Hulda Plitt geborene Schöwe wird auch noch gesucht.

 

Aus Seerappen, Kreis Samland, werden Monika Kowalski, geboren am 7. Mai 1943 in Königsberg, und Gertrud Kowalski, geboren am 12. August 1939, gesucht von ihrem Vater Fritz Kowalski, geboren am 10. Juni 1900 in Kunzmannsrode, Kreis Goldap. Die Kinder sind zuletzt am 27. Januar 1945 im Zug Königsberg - Pillau (Ostpreußen) von ihrer Großmutter gesehen worden.

 

Aus dem Waisenhaus in Schönbruch, Kreis Bartenstein, wird Günther Brommelsberger, geboren 1940 in Schönbruch, gesucht von Elise May geborene Witt, geboren am 7. Januar 1900.

 

Aus Schönwiese, Kreis Preußisch Holland, wird Regina Kuhn, geboren am 31. März 1939 in Christburg, gesucht von ihrem Vater Willi Kuhn, geboren am 23. September 1908 in Eschenhorst. Kreis Marienburg. Die letzte Nachricht war vom Februar 1945 aus Groß-Zünder bei Danzig. Der ältere Bruder Klaus Kuhn, geboren am 6. Mai 1935 in Schönwiese, wird auch noch gesucht.

 

Aus Schwerfelde, Kreis Insterburg, werden die Bruder Erwin Alfred Strasser, geboren am 22. März 1934, und Walter Erich Strasser, geboren am 7. Januar 1933 in Insterburg, gesucht von ihrer Mutter Emma Warlies, geschiedene Strasser, geborene Tillwick, geboren am 31. Juli 1909 in Tataren (Ostpreußen). Die letzte Nachricht von den Brüdern Strasser war vom März 1947 aus Pilwischken (Litauen).

 

Aus Winnikl, Kreis Plöhnen (Südostpreußen), werden die Geschwister Theodor Zinn, geboren am 29. November 1936, Johanna Zinn, geboren am 22. Juli 1938, Adolf Zinn, geboren 1941, und Edwin Zinn, geboren am 2. September 1944, gesucht von ihrem Vater Julius Zinn und von ihrer Schwester Erna Zinn, geboren am 21. Oktober 1928 in Einniki.

 

Aus dem Kinderheim oder Waisenhaus in Schloßberg oder Umgebung wird Elsbeth oder Liesbeth Leckzut geboren am 12. April 1940 in Mettkeim, gesucht von ihrem Vater Fritz Leckzut. Elsbeth oder Liesbeth Leckzut wurde nach der Trennung von ihrer Mutter 1945 in ein Kinderheim oder Waisenhaus in oder bei Schloßberg/Ostpreußen eingewiesen.

 

Aus Tilsit, Stiftstraße 11a wird Siegmar Rehfeld, geboren am 11. Juni 1939 in Tilsit, gesucht von seinem Vater Franz-Joachim Rehfeld, geboren am 20. Mai 1911.

 

Aus Wannaggen, Kreis Memel, werden die Geschwister: Dieter Pietsch, geboren 1942 und Werner Pietsch, geboren etwa 1943, gesucht von ihrem Onkel Walter Pietsch. Die Geschwister Pietsch waren auf der Flucht mit ihrer Mutter zusammen, die auf der Flucht verstorben sein soll.

 

Aus Wargienen, Kreis Wehlau wird Ursula Schwarz, geboren am 1. Mai 1940 in Wargienen, gesucht von ihrer Stiefschwester Lieselotte Lobe, geborene Heller, geboren am 1. September 1931 in Langendorf.

 

Aus Zimmerbude, Kreis Samland werden Reinhard Fischer, geboren am 28. März 1944 und Margitta Fischer, geboren am 19. April 1943, gesucht von ihrer Mutter Lieselotte Fischer geborene Lange, geboren am 12. September 1916 in Preußisch Eylau. Die Kinder wurden im April 1945 von Frau Irmgard Wölk auf der Ortsgruppe in Zimmerbude einer älteren Dame übergeben, weil die Mutter nicht mehr nach Zimmerbude zurückkommen konnte. Wer war diese unbekannte ältere Frau, die sich der Kinder Fischer annahm?

 

Seite 8   Es starben fern der Heimat

Martha Belger, aus Zoppot, 73-jährig am 15.10.1956 in Oldenburg

 

Adolf Kaschub, aus Heidenberg, Ostpreußen, 80-jährig am 18.09.1956 in Rosche, Kreis Uelzen

 

Witwe Bertha Sinnecker, geborene Schöninger, aus Gerdauen, 81-jährig am 10.10.1956 in Pforzheim.

 

Matthias Werst, aus Ostpreußen, 91-jährig, ältester Einwohner der Gemeinde Dramfeld-Mariengarten, am 12.10.1956

 

Erich Möller, aus Danzig-Groschkenkampe, 53-jährig, am 25.10.1956 in Rehburg, Kreis Nienburg.

 

Karl Reimer, Landwirt aus Sußnick, Ostpreußen, 78-jährig, am 22.11.1956 in Edewecht, Oldenburg.

 

Hermann Wirth, Professor aus Königsberg, 79-jährig, am 18.11.1956 in Neuwied.

 

Karl Baumgart, aus Heidemühl, Kreis Rosenberg, Westpreußen, am 01.12.1956, 86-jährig in Oldenburg

 

Bruno Bludau, Landwirt aus Demuth, Kreis Braunsberg, am 13.12.1956, 71-jährig in Höltinghausen.

 

Heinrich Hammermeister, Stellwerksmeister i. R. aus Riesenburg, Westpreußen, am 26.12.1956, 88-jährig in Jever

 

Johann Martens, Landwirt, aus Reichhorst, Kreis Marienburg, am 30.11.1956, 91-jährig in Delmenhorst

 

Gertrud Trotzki, geborene Ratzenberger, aus Ottoshof, Ostpreußen, am 04.12.1956, 59-jährig in Lemshausen bei Göttingen.

 

Franz Schibalski, Pfarrer i. R., aus Neuhausen bei Königsberg, am 16.12.1956, 85-jährig in Bornhausen.

 

Seite 8   Kindersteckbriefe mit Foto.

Name: vielleicht Laser,

Vorname: vielleicht Rudolf,

geb.: etwa 1944,

Augen: blau,

Haart blond;

Der Knabe wurde anscheinend auf der Flucht von seiner Mutter getrennt und kam dann in ein Waisenhaus nach Braunsberg. Sein Vater soll Soldat gewesen sein. H. 0890.

 

Name: unbekannt,

Vorname: unbekannt,

geb. etwa 1942,

Augen: blau,

Haare: blond

Das Kind soll angeblich in Allenstein von fremden Leuten in einen Zug gereicht worden sein, mit dem bemerken, dass die Mutter und die Geschwister schwer krank seien. Vermutlich wurde dann das Kind in Mecklenburg von den Flüchtlingen der Quarantäne bzw. dem Krankenhaus in Schwerin übergeben. Eine Frau Kruse könnte uns eventuell über den genauen Zeitpunkt der Auffindung und die Herkunft des Kindes Genaues berichten. Nr. 2517

 

Name: vielleicht Jalinki oder Jerlinski,

Vorname: vielleicht Viktor,

geb. etwa 1939,

Augen: blaugrau,

Haar: dunkelblond.

Der Knabe will mit der Mutter, einer älteren Schwester und einem kleineren Bruder auf der Flucht in einem Viehwagen gewesen sein. Durch einen Fliegerangriff verlor er auf einem Bahnhof seine Angehörigen. Nr. 1294

 

Seite 8   Lesersuchdienst.

Gesucht wird: Ewald Kairis, Fuhrunternehmer, früher Königsberg/Preußen. Kairis war mit seinem Omnibusunternehmen für die Königsberger Wach- und Schließgesellschaft tätig. Auskünfte erbeten an: Kurt Klein, Berlin-Tempelhof, Eresburgstraße 44a

 

Seite 8   Suchdienst Luftgau I. Es liegen folgende Suchanfragen vor:

Heinrich Witt, geb. 01.12.1887, zuletzt wohnhaft in Königsberg/Pr., Alter Garten 24/25, tätig gewesen als Reichsangestellter bzw. Beamter bei den Fl. Horsten Jesau, Powunden und Neukuhren und soll durch einen Badeunfall ums Leben gekommen sein. Die Witwe bittet Zeugen um Angaben über seine frühere Tätigkeit, um ihre Versorgungsansprüche stellen zu können. Mitteilungen erbeten an Frau Elisabeth Witt, Wiesbaden, Schulberg 27.

 

Reg.-Insp. Liedtke und Krüger, Elektriker Hans Hennig, Klempner Erich Bergien, Lagerverwalter Karl Fischer von der LN-Stelle Ballieth gesucht von Kurt Heft, früher U- und K-Stelle Bailieth, wohnhaft in Unna-Königsborn, Dorotheenstraße 73 c.

 

Hauptmann Ulrich und Hauptmann Höfer, die ehem. LN-Helferinnen Irmtraud Helm, Irmgard Wolff, Vera Florian, Hildegard Tetzlaff, Elfriede Schwitzki und Anny Redweyk gesucht von Frau Hildegard Otto, geb. Schwesig, geb. 16.03.1923 zu Thomaschinen, Kreis Osterode (Ostpreußen), wohnhaft in Leverkusen-Wiesdorf, Emil-Fischer-Straße 4.

 

Wer kann bestätigen, dass der Tiefbauunternehmer Passarge aus Königsberg/Preußen eine normalspurige Diesellokomotive besaß, welche auf dem Fliegerhorst Seerappen und Gutenfeld eingesetzt war und dort verloren ging? Angaben werden für den Lastenausgleich benötigt und erbeten an O. Passarge, Bremen-Arsten.

 

Gesucht wird ferner der Techn. Insp. Kusch, Leiter der betriebstechnischen Gruppe in Neuhausen und Seerappen von Franz Rudat, ehemaliger Maschinenmeister, wohnhaft in Singen a. H. Worblinger Straße 39.

 

Wer kennt den Flugzeugschlosser Waldemar Markowski, ehem. bei der Werft Heiligenbeil? M. gehörte zu einem Restkommando der Werft Pillau-Neutief und geriet mit diesem am 25. April 1945 in russische Gefangenschaft. Er braucht Zeugen über seine frühere Tätigkeit und Zugehörigkeit zu diesen Dienststellen für die Invalidenversicherung. Mitteilungen werden an seine Anschrift wie folgt erbeten: Waldemar Markowski, Friedrichshafen/Bodensee, Dr.-Sprollstraße 8.

 

Wer kennt den ehemaligen Schlachtermeister der Lw Hermann Schulz, geb. 20.03.1892 zu Balga, Kreis Heiligenbeil/Ostpr., der u. a. auf den Flugplätzen Wormditt, Heiligenbeil sowie beim Industrie-Werk Heiligenbeil tätig war? Die Witwe sucht Zeugen, welche über die Art seiner Tätigkeit sowie über Zeit und Ort seines Einsatzes Auskunft geben können, damit ihre berechtigten Versorgungsansprüche bei der Invalidenversicherung anerkannt werden. Mitteilungen erbeten an Frau Agnes Schulz, Hannover-Wülfel, Schweidnitzer Weg 2.

 

Kameraden! Unser Suchdienst hat in verschiedenen Fällen zu Erfolgen geführt. Dadurch ist manches Schicksal geklärt worden und berechtigte Versorgungsansprüche bekamen die zum Erfolg führende Grundlage. Für unser September-Treffen in Göttingen wurden mir verschiedene Fotos vermisster Kameraden zugestellt, denen das Porto für die Rücksendung leider nicht beilag. Ich möchte diese, vielleicht einzige Andenken, den Angehörigen wieder zustellen und empfehle gleichzeitig, die Suchaktion beim Deutschen Roten Kreuz in Hamburg (Abt. Suchdienst) fortzuführen. Gleichzeitig möchte ich stets sich wiederholende Anfragen nach Abwicklungsstellen der ehem. Luftwaffe generell dahingehend beantworten, dass leider solche nicht existieren und mir auch nicht bekannt ist, ob irgendwelche Personalpapiere sichergestellt werden konnten. Die „Abwicklungsstelle der ehem. Betriebskrankenkasse des Reichs" in Wilhelmshaven, Göckergasse 14, ist in der Lage, in etlichen Fällen einen Kontenauszug auf Antrag zu geben, aus welchem die Höhe der Beiträge und die Dienststelle hervorgeht. Ferner erteilt auf Antrag die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin-Wilmersdorf, Ruhrstraße 2, Kontenauszüge. Für die Invalidenversicherung sind alle Unterlagen durch Kriegseinwirkung verloren gegangen. Die Anfragen verschiedener Art haben einen derartigen Umfang angenommen, dass ich leider nicht in der Lage bin, diese kurzfristig zu bearbeiten und zu beantworten. Nach wie vor bitte ich aber um Beifügung des Rückportos, da mir hierfür keinerlei Mittel zur Verfügung stehen.

 

Mit den besten Wünschen für das Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel grüße ich alle Kameraden, die einstmals unter unserm Luftwaffen-Adler vereint waren! Wilhelm Gramsch, Celle, Waldweg 83 (Zuletzt Prüfleitung der Werft Jesau)  

 

Seite 9   Bild: Rominter Heide heute Niemandsland.

Nördlich der ostpreußischen Stadt Goldap ein Gebiet, mit dem zumindest die älteren Generationen einen festen Begriff verbinden: Die Rominter Heide! Sie war bis gegen Kriegsende Deutschlands namhaftester Wildpark, den Jäger und Heger des In- und Auslandes ebenso gut kannten, wie er Königen, Fürstlichkeiten und Staatsmännern einer früheren Welt ein Begriff war aus jener Zeit, als etwa Kaiser Wilhelm II. dorthin zu großen Staatsjagden lud oder befahl, bei denen dann „Rekorde" erzielt wurden, die anderswo in Europa nicht denkbar waren.

 

Die Rominter Heide ist ein landschaftlich reizvolles Gebiet, dessen sanfte Hügel eher an liebliche Ausläufer mitteldeutscher Gebirge erinnerten als an den angeblich so flachen deutschen Osten. Wald, Wiesen und bestellte Äcker, am wenigsten eigentliche Heide gaben ihr das eigenartige Gesicht.

 

Sie ist heute Niemandsland zwischen sowjetisch und polnisch verwalteten Teilen Ostpreußens. Da diese Grenze schärfer bewacht wird als die wachturmgespickte Oder-Neiße-Grenze, verwundert es kaum, dass die bedeutenden Bestände an Hirschen und Rotwild ausgerottet sind. Das Edelwild hat aber Nachfolgern Platz gemacht, unter denen das südliche und sicherlich auch nördliche Ostpreußen fühlbar zu leiden hat: Es sind die Wölfe, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus Ostpreußen vertrieben waren, nach 1945 aber wieder heimisch geworden sind. Seit 1953 wurden im Regierungsbezirk Allenstein allein rd. 100 dieser gefürchteten vierbeinigen Feinde abgeschossen. Unser Bild aus anderen Tagen von Rominten: Hirsche an winterlicher Futterstelle.

 

Seite 9   Das Linsengericht in der Palästra

Die Mensa der Königsberger Universität befand sich bis zur Zerstörung durch die englischen Bombengeschwader Ende August 1944, die bekanntlich über neutrales, schwedisches, Gebiet anflogen, in der Palästra Albertina. Nicht wenigen hungrigen Studenten diente sie dazu, die nötige Atzung zu sich zu nehmen. Um sich über den Geschmack der hier Abzufütternden ein Urteil zu bilden und den Essern Gelegenheit zur Kritik an den Gerichten der Mensa zu geben, hatte das Studentenwerk ein Tagebuch ausgelegt, in das jeder, dem es besonders schmeckte oder der mäcklig war, seinen Senf hineinschreiben konnte. Als es einmal wieder, so oft in den schlechten Jahren um 1930, das biblische Linsengericht gab, versank einer der Musensöhne angesichts des vollen Tellers, den er nicht anzurühren wagte, in tiefes Nachdenken. Vermutlich erzeugten solchen Missmut in ihm nicht alleine seine Geschmacksnerven, sondern offenbar beeindruckte ihn die uralte Tradition dieses verfänglichen Nahrungsmittels so stark. — Plötzlich raffte er sich auf, sein Gesicht erhellte sich, und er verlangte das Tagebuch. Mit Unterzeichnung seines vollen Namens und Vermerk des Datums trug er folgenden knappen und markanten Satz ein: „Ob Esau auch solche Linsen aß?" — Er ergriff den Löffel und machte sich tapfer über den Teller her. Ob es ihm besser schmeckte, nachdem er seinem Herzen und Überdruss an diesem Futter Luft gemacht hatte? Sicher ist nur, dass er nicht bereit war, seine Erstgeburt für dieses Mensa-Linsengericht zu verschachern, geschweige zu verkaufen. W. Schl.

 

Seite 9   „Hier sind wir hergekommen auf diesen Platz and Plan …“ Der Beiltanz der Zimmerleute.

Der im Jahre 1912 verstorbene Zimmermeister Trunz, der in seiner Familie in der neunten Generation das Zimmererhandwerk ausübte, war nicht nur ein gewandter Handwerksmeister, sondern auch, wie er selbst betonte, „weit in der Welt herumgekommen". Er starb in seinem Heimatort Alt-Katzkeim im samländischen Kirchspiel Heiligencreutz und hatte interessante Aufzeichnungen aus dem Brauchtum seines Gewerks hinterlassen, so u. a. auch über einen „Beiltanz" der Zimmergesellen. Nach diesen Aufzeichnungen war solch ein Beiltanz nicht nur in Ost- und Westpreußen, sondern ehedem auch in Niedersachsen, im Rheinlande und Süddeutschland — mit kleineren Abänderungen bei besonderen Anlässen im Gebrauch.

 

Gewöhnlich wurde der Tanz am Fastnachtsdienstag vorgeführt, sonst bei großen Hochzeitsfestlichkeiten, bei fürstlichen Besuchen und Gedenkfeiern. Einer der Vorfahren des oben erwähnten Zimmermeisters hat an einer solchen Vorführung vor dem Zaren Peter dem Großen anlässlich eines Besuches in Königsberg teilgenommen.

 

Es waren solcher Beiltänzer etwa 16 bis 20 an der Zahl, deren Kopfbedeckungen mit allerhand farbigem Band und mit Schellen verziert waren, die Tänzer selbst trugen weiße Hemden, umgürtet mit den Zeichen des Zimmergewerks. Ein Vortänzer redete nach alter hergebrachter Sitte die Zuschauer — je nach Anwesenheit der Gäste — in der Regel reimenweise an:

 

„Ehrenfeste, Vorachtbare, Fürsichtige, Wohlweise

Herrn Schultheissen, Bürgermeister und Rat,

ich und meine Kumpane wünschen den Herrschaften

einen guten Tag!

Hier sind wir herkommen auf diesen Platz und Plan,

einen zünftigen Beiltanz wollen wir fangen an.

Nicht aus freiem Mut,

sondern erlaubt von der Obrigkeit gut.

Also sollen meine Gesellen ihre Schellen lassen klingen.

Wie die Engel im Himmel singen.

Mancher wird sprechen: solchen Tanz habe ich nie gesehen,

Er ist aber schon in uralten Zeiten geschehen.

Einer der da singt,

Einer der da springt,

Und der dritte, der auf die Trommel klingt.

Trommelschläger schlag auf die Trommen,

Dass wir zu dem Tanze kommen!“

 

Hierauf fangen alle an zu tanzen, werden die Beile so aneinander leise geschlagen, dass sie klingen, bis ein Reigen im höchsten Wirbel endet. Nach vollendetem Tanz legt der Anführer abermals seine Rede durch die vermeinten wohlklingenden Reime gegen die Teilnehmer wie folgt ab:

 

„Dieser Tanz ist nun aus

Den wir der Herrschaft haben bracht zu Haus,

Die Herrschaften werden sich auch bedenken

Und werden uns ein Trinkgeld schenken,

Einer Taler oder vier

So komm ich mit meinen Gesellen zum Bier.

Fünf Taler oder neun,

So kommen wir alle zum Wein,

Nicht dass wir Euch setzen Maß oder Ziel,

Ihr möget uns verehren mehr oder viel,

Da ich war wie ein Krug,

Da mich mein Vater zum Haus hinausschlug,

Er gab mir einen weißen Stecken in meine rechte Hand

Und weist mich in das drei- und dreißigste Land.

Ich zog das drei- und dreißigste Land auf und nieder,

Ich bettelte mein Brot und verkaufte es wieder.

Da meint mein Vater, ich war' verdorben,

Da war ich zu einem Kaufmann worden.

Ich hab vertan mein Gut

Bis auf einen alten Filzhut,

Der liegt zu Danzig auf dem Keller

Und ist versetzt für vier Heller.

Guter Gesell, willst du ihn haben,

Ich will ihn dir schenken,

Dabei sollst du meiner gedenken!

Ihr Weiber auf der Reih,

Zieht hin, holt uns ein' Korb Eier oder drei

Oder schneid' ein Stück aus der Seiten

Und schabt damit den Span,

Und sagt dem Hausvater, die Katz hat es getan.

So wird die Katz belogen

Und der Hausvater betrogen,

Damit dass wir den Beiltanz vollbringen,

 

Seite 9   Gedankensplitter / Von Carl Lang

Alles Gute, was Du gleich tust, ist wohlgetan.

 

Die geheimen Wirkungen zwischen Menschenseelen sind oft die stärksten und beglückendsten Erlebnisse.

 

Ein Wort ist es oft nur, ein Vers, ein Bild, das Dich bewegt und erschüttert und Dich nie wieder im Leben verlässt.

 

Oft ist es das Ungesagte, das am stärksten zu Dir spricht.

 

Zögere nicht, Gutes zu tun, zu denken, denn der Segen, den Du anderen bringst, kommt zu Dir zurück.  

 

Wer ein Licht in Deinem Herzen entzündet, schenkt Dir eine Kraftquelle, die auch in dunklen Zeiten nicht versiegt und verlöscht.

Er möchte sonsten misslingen. Danach sollen meine Gesellen ihre Schellen lassen klingen

Wie die Engel im Himmel singen

Und lassen mich frisch und fröhlich zu der Erde springen.

Hab ich aber mein Wort nicht recht gesprochen.

So gebt uns das Fleisch und den Hunden die Knochen!“

 

Danach bringen die Zuschauer den Tänzern freiwillig Geld, Speck, Eier und Bratwürste, auch allerlei Gebäck, und die Gaben werden in Fröhlichkeit gemeinsam verzehrt. Hermann Bink

 

Seite 9   Ja, Prosit Neujahr 1847!

Ich setzte den lieben Freunden die von Hause erhaltenen Delikatessen vor: Marzipan, Wurst und andere Herrlichkeiten, von denen der hier noch ganz unbekannte Marzipan (welches Zurückbleiben in der Kultur) den größten Beifall fand. Nachdem viel gelacht und gescherzt worden, stiegen wir abends um elf Uhr auf das Schloss. Es war eine herrliche, klare Frostnacht. Der Mond schien so hell vom Himmel herab, dass man alle Berge, den mit Eis gehenden Neckar, die Stadt und selbst einen Teil der Rheinebene bis Speyer überschauen konnte. Aus der Stadt und von allen Bergen knallten unaufhörlich Schüsse, umso mehr, als sie verboten waren.

 

Herrlich nahmen sich in dem hellen Mondlicht aus, die Türme und Trümmer des Schlosses. Die blanken Blätter des alles umschlingenden Efeus glänzten wie Silber.

 

Mit Scherzen, Laufen, Springen, Balgen, denn zur Sentimentalität war es viel zu kalt, vertrieben wir uns die Zeit bis zur Mitternacht. Mit dem ersten, hell durch die klare Nacht hin-tönenden, Glockenklange erscholl in der Stadt zu unsern Füßen plötzlich ein lautes Rufen, erst nur ein allgemeines Brüllen, dann ein deutliches „Prosit Neujahr“! Alle Straßen wurden lebendig. Ein jeder schrie aus Leibeskräften. Studenten öffneten die Fenster und riefen den Neujahrswunsch in die kalte Nacht hinein. Dazu donnerten von allen Enden die Böller und das Echo rollte laut krachend an den Bergen hin.

 

Ja, Prosit Neujahr 1847!

 

Ludwig Passarge als Student zu Heidelberg in seinem Brief an Zuhaus.

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpford

XII. Der Junkergarten.

Inmitten des brausenden Verkehrs, der an allen Seiten zu Fuß, zu Wagen, zu Schiff vorbeirauschte, tutete, ratterte, plätscherte und pfiff, gab es eine wirkliche Idylle, die wie eine Rettungsinsel jedem, der dort landete, das Gefühl der Sicherheit und des Geborgenseins gab.

 

Dieser glückliche Winkel war der Junkergarten. Sowohl von der Kneiphöfischen Langgasse wie von der Köttelstraße her führte eine breite Treppe hinab auf das tiefer liegende Ufer, das mit zwei Reihen von Linden bestanden und auf dem eine Reihe von Ruhebänken aufgestellt war.

 

Und wahrlich — nicht übel war dieser Ruheplatz!

 

Wer hier saß, im Rücken die hohen Häuser der Magisterstraße, konnte in größter Seelenruhe ausruhen und hatte doch ein fesselndes, buntes und flutendes Leben vor Augen.

 

Rechter Hand schräg über sich sah er die Menschen, Wagen, Autos, elektrischen Bahnen in ununterbrochenem Strome über die Grüne Brücke dahinziehen; dahinter der weite Hafen. Abends, wenn die Sonne schon tief über der fernen Eisenbahnbrücke stand, erschienen die einzelnen Gestalten auf der Brücke wie Schatten, just so, wie es schon Platon von den Menschen in der Höhle erzählt und wie es letzten Endes auch im Kino das Gleiche ist.

 

Linker Hand war ein ähnliches Bild: die Köttelbrücke mit ihrem Verkehr.

 

Vor sich hatte der Ruhende einen sehr schönen Renaissancebau — freilich nur einen Nachbau, aber einen ungewöhnlich geschmackvollen: die Neue Börse. Sie stand noch nicht lange da, erst 1875 wurde sie von ihrem Schöpfer, dem Bremer Baumeister Heinrich Müller, vollendet. Der figürliche Schmuck stammte von dem Königsberger Emil Hundrieser. Davor standen dort seit Herzog Albrechts Zeiten Speicher, denn drüben lag — jenseits der diesseitigen Stadtmauern und des Pregels — die Vorstadt des Kneiphofes St. Anton.

 

Schon damals mag das Leben und Treiben auf dem Pregel gerade so bunt und lustig gewesen sein, wenn auch wohl weniger geräuschvoll; denn damals zogen dort noch nicht die knatternden Motorboote und pfeifenden Dampfer ihre Kielfurchen. Aber die „Wittinnen" mit ihren Frachten aus dem oberen Pregelgebiet, vom Kurischen Haff und vom Moosbruch gab es schon im vierzehnten Jahrhundert, wie heute noch; die kleineren Boote hießen damals „Strusen". Viel später legten hier zur Herbstzeit die litauischen Apfelkähne an, besonders, nachdem der alte Kohlmarkt auf der anderen Kneiphofseite seit der Erhöhung des Bollwerkes zum Landen ungeeignet geworden war.

 

Wer sich dann müde gesehen hatte an den wechselnden Bildern auf dem Strom und den beiden Brücken, mochte wohl die Augen schließen und zurückdenken an das lustige Leben und Treiben, das sich in vergangenen Jahrhunderten hinter seinem Rücken abgezielt hatte.

 

Wo heute noch die Ruinen der Stadtsparkasse ragen, war bis in die zwanziger Jahre ein beliebtes Gasthaus, das nächst dem „Deutschen Haus" in der Theaterstraße als der zweitvornehmste Gasthof in Königsberg galt: das „Hotel de Prusse". In einem Schaufenster zeigte eine Falstaffigur an, dass man hier gut essen und trinken konnte. Hier pflegten auswärtige Kaufleute abzusteigen. In der Glasveranda nach dem Pregel zu, wo man das Leben und Treiben auf dem Strome gut beobachten konnte, nahmen die Königsberger Geschäftsfreunde mit ihnen das vornehme Mittagessen ein. Unmittelbar neben diesem Gasthof stand, mit dem Eingang von der Magisterstraße, die „Börsenhalle", das Vereinslokal der Königsberger Kaufherren, ehe diese Gesellschaft nach dem Schlossteich übersiedelte. Um 1900 kaufte die Stadt beide Grundstücke auf, um hier, der Börse gegenüber, ein repräsentatives neues Rathaus zu bauen. Doch stattdessen erfolgte hier nach Jahren erst die Unterbringung der Stadthauptkasse, dann der Neubau der Stadtbank. Ihr Portal zeigte einen Fries von Cadiner Kacheln, auf denen Königsberger Originale verewigt waren: der Sackträger von der Lastadie, der Kalmusjunge, die Fischfrau von der Fischbrücke, der Fahnenschmuck der Innungen, der Drosselfried u. a.

 

Einst hatte dort ein großer Garten gestanden, in dem im Mittelalter und in der Herzogszeit die „Junker" verkehrten. Dieses Wort hatte zuerst nicht die heutige Bedeutung, vielmehr bedeutete es die Großbürger, also die Kaufleute und Mälzenbrauer. Scharf von ihnen geschieden waren die Kleinbürger, die Handwerker, die Höker und die Fischer, die gemäß den Kleiderordnungen sich viel weniger reich kleiden durften, als die Junker, und auch weder im Junkerhof, dem Versammlungslokal der Großbürger, noch im Junkergarten etwas zu suchen hatten. Für sie waren der Gemeinsaal und der Gemeingarten da. Der Altstädtische Gemeingarten hatte sich noch bis zuletzt erhalten — in der Jubiläumshalle.

 

Im Kneiphöfischen Junkerhof, der später den Westflügel des schönen Kneiphöfischen Rathauses bildete, befanden sich die „Winkel" der Junker: der „Hölkenwinkel“ der Kaufherren, genannt nach der „Holke", dem stolzen, wimpelgeschmückten Kauffahrteischiff der Handelsherren, und der „Kannenwinkel", die Klubecke der Mälzenbräuer. Noch exklusiver waren der „Ratswinkel" der Ratsherren, der „Gerichtswinkel" der Schöffen, d.h. Richter, deren Symbol die Rose, das Zeichen der Verschwiegenheit, war, und der „Ritterwinkel", der, als dann später dieser Stand verächtlich wurde, spottend der „Läuswinkel" genannt wurde. In der Herzogszeit verschwand er dann auch. Geschmückt war dieser Saal mit den Bildsäulen Karl des Großen, des König Artus und des Ritter Roland. Die erste mochte auf die offiziellen Versammlungen, die zweite auf die Geselligkeit deuten, denn auch öffentliche Feste und Privatfeierlichkeiten fanden in diesem Saale statt. Aber die Rolandsäule deutete darauf hin, dass im Junkersaale auch Recht gesprochen wurde.

 

Erst im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts ging der Name „Junker" auf den Beamtenadel der Herzöge und zuletzt auf den Landadel über.

 

Von diesem Junkerhof erhielt sich bis zur Zerbombung Königsbergs durch die Engländer der 1704 gebaute Junkersaal. Er diente als Versammlungsort der Stadtverordneten. Die leider später veränderte Decke zeigte schönen Stuck-Figurenschmuck eines unbekannten Meisters (nach Dehio von Johannes und Matthias Pörtzel).

 

Der Junkergarten aber wurde in der Zeit, als unsere Neue Börse auf dem Vorstädtischen Ufer noch nicht stand, sondern als die Börse diesseits auf Pfählen in den Pregel vorgebaut das Grüne Tor flankierte, als „Sommerbörse" benutzt. Denn der einzige Saal im Börsengebäude war zu klein, und bei schönem Wetter gingen die Geschäftsverhandlungen im Garten weiter. 1840 wurde hier anlässlich seiner Huldigung in Königsberg unter einem riesigen Zelt dem neuen König Friedrich Wilhelm IV. von der Stadt ein Gastmahl veranstaltet.

 

Und von dieser Sommerbörse blieb schließlich nur noch der idyllische, mitten im brausenden Verkehr liegende stille Winkel übrig, der wie keiner zum Nachdenken über Königsbergs stolze Stadtgeschichte anregte.

 

Seite 10   Schluss im Tapiauer Forst / Von Otto Koke.

Durch die Tapiauer Forsten zieht die allerletzte deutsche Wisentkuh der freien Wildbahn ihre Fährte. Drei ihres Geschlechtes haben die Menschen gefangen und sie der gütigen Pflege eines Tierparks übergeben. Diese allerletzte freie Wisentkuh aber hat sich den Netzen und Fanggruben entziehen können. Sie ist heimlich und scheu. Die Gehöre achten auf jedes Geräusch. Die Nase reckt sich dem eisigen Ost entgegen, der dünn und scharf wie eine Dolchklinge schneidet. Die Decke der Wisentkuh hüllt nur noch ein Knochengerüst. Die Rippen stehen gebogen nach außen. Das letzte freilebende Wildrind Deutschlands, reißt Eschenschossen um Eschenschossen ab. Mögen sie hart sein wie Glas. Aber der Hunger der Kuh ist groß. Auf ein Rauschen über ihr wirft sie auf, hält im Kauen inne und starrt nach oben. Sie sieht die beiden Adler nicht, die dort kreisen und längst mit gierigen Augen die große Beute verschlingen.

 

So sind die letzten Tage des größten Landsäugers nach dem Ur, den Europa einst besaß. Zottig das dunkelbraune Fell, das leidlich vor der Kälte schützt, zieht die letzte Wisentkuh durch die Tapiauer Forsten. In den Nächten heulen die Wölfe durch das eisige Schweigen, und das Aufreißen der Frostrisse an Eschen und Buchen peitscht hell wie ein Schuss durch die Nächte.

 

Der große Raufenschuppen, in dem der Landjägermeister von Gloeden stets den Tisch gedeckt hatte für Ostpreußens letzte Wildrinder, der ist längst verfallen. Denn das Land ist arm geworden und böse die Zeiten. Es war der Januar 1755 . . .

 

Auf der Fährte

In der Ecke eines der zahlreichen, längst verfallenen Wildschuppens brennt ein Feuer. Die dünne, blaue Rauchfahne kräuselt zwei Meter geruhsam empor, ehe sie der Ostwind packt und davonjagt ins Nichts.

 

Zwei Männer, wild und verwahrlost, halten die klammen Hände vor die Flammen, die aus den Erlenkloben züngeln. Sie wärmen ein großes Stück Fleisch aus einer kalten Elchkeule an. Nach einer Weile schneiden sie sich große Fladen zurecht, essen Brot dazu und schweigen.

 

Dann brechen sie auf. Verwegen sind die Gesichter. Gierig suchen ihre Augen den Schnee ab. Jede Fährte wird genau angesehen. Da zieht unweit von ihnen ein Elchtier durch das Bruch. Einer der beiden Wilderer legt an und will schießen. Der andere aber versetzt ihm einen Stoß und deutet seitlich, wo die Fährte der Wildkuh breit im weißen Schnee steht. Die Wilderer lassen das Elchtier ziehen. Mit hohen Fluchten springt es ab, weil die beiden Männer in raschen Sprüngen sich der Wisentfährte zugewendet haben.

 

Den Weg der beiden Männer kreuzt ein Bruch. Es ist mit Gras bestanden, dessen höchste Halme aus dem Schnee schauen. Rotwild und Rehe haben ganze Flächen freigeplätzt. Auch die Wisentkuh hat hier ihren Pansen gefüllt. Vielleicht, so denken die beiden Männer, hat sie sich in der Nähe niedergetan und tritt nach einer Weile aus. Die Männer warten. Nichts geschieht. Es ist still. Unendlich still ist es wie der Atem der Ewigkeit. Man könnte den Herzschlag der Erde vernehmen. Singschwäne ziehen mit breiten, klingenden Fittichen über den Wilderern dahin. Vielleicht eine Stunde mögen sie gewartet haben, als es im Bruch vor ihnen zu knacken beginnt. Aus einem dichten Erlenjungwuchs, der inselartig sich bis zum Bruchrand hinzieht, tastet sich ein riesiger brauner Klumpen.

 

Sichernd steht die letzte deutsche Wisentkuh. Dann zieht sie weiter. Der Wind kommt für die Wilderer gut. Ihre Herzen hämmern gegen die Rippen. Rehe, Sauen, Hirsche, Elche haben die beiden schon dutzendweise zusammengeschossen. Aber nun, da das letzte deutsche Wildrind immer näher in den Bereich ihrer Vorderlader kommt, erregt es sie irgendwie, dieses seltene Wild. Und sie zwingen sich gewaltsam zur Ruhe, warten, warten und lassen die Kuh auf siebzig Gänge breit in ihren Schießprügel laufen.

 

Die Winterwelt nimmt den Schuss in ihren weichen Schoß. Es bufft nur dumpf auf. Hoher Schnee erstickt jeden Lärm.

 

Die Bleirundkugel frisst ihren Weg durch das Leben der Wildkuh. Sie rast, das Haupt gesenkt, schon vom Tode gezeichnet, über die Fläche in das Bruch zurück. Auf einem zugefrorenen Tümpel kommt sie zu Fall und vermag sich nur mühsam noch einmal zu erheben. Der Platz ist ihr zum Sterben zu hell. Sie möchte sich im Dickicht bergen.

 

Das Ende.

Die Wilderer gehen vorsichtig zum Anschuww. Sie haben hellroten Schweiß gefunden, blasiges Blut aus zerfetzter Lunge. Sie triumphieren. Mühelos halten sie die Wundfährte, in der sich Jahrtausende verströmen. Am 27. Januar 1755 fiel die letzte wildlebende deutsche Wisentkuh durch die Kugel eines Wilderers.

 

In einem Eschenhorst, nach vierhundert Metern Wundfährte, steht die Kuh. Sie spreizt ihre Läufe breit, sich gegen die Gewalt zu wehren, die sie in den Schnee ziehen will. Dann bricht sie hinten zusammen, die Vorderläufe stemmen sich verzweifelt in den verschneiten Grund, den Körper noch ein paar Sekunden zu halten, ehe der Tod sie gewaltsam zur Seite wirft und das wunde Haupt in den tiefen Schnee sinkt. Einmal noch wirbeln die Läufe auf, dann erlischt jäh jede Bewegung, denn der Finger des Todes hat die letzte Wisentkuh angerührt, ihre Augen brechen und starren leblos in den hellen Tag.

 

Dann sind die Henker herangekommen. Voller Gier gehen ihre Augen über die Beute hin. Aber auch die Angst wohnt in den beiden, denn beim Nachhängen haben sie neben der Wundfährte noch die Spuren zweier Männer entdeckt, die wie sie unterwegs sein müssen in dieser Stunde. Hastig beginnen sie, das Wildrind zu häuten. Hoch über der Richtstätte aber kreist ein Adler und erhofft sich eine reiche Mahlzeit.

(Aus: Otto Koke „Bedrängt, vertrieben, ausgerottet — Schicksale seltener Tiere". Adolf Sponholtz-Verlag, Hannover. 2,75 DM.)

 

Seite 10   Ostdeutsche Kulturtage 1957 in Berlin

Nach einer Erklärung des Präsidenten des Ostdeutschen Kulturrates, Dr. Graf Henckel von Donnersmarck (MdB), werden die „Ostdeutschen Kulturtage" im kommenden Jahre in Berlin stattfinden.

 

Seite 10   Skifahrt. Von Fritz Kudnig.

Ich fliege, als hätt' ich Flügel,

durch Täler, über Hügel;

bin glücklich wie ein Kind.

Schwarztannen im Silberkleide

und Birken in weißer Seide.

Drin singt ein leiser, märchenseliger Wind.

 

Rings von den lichten Höhen,

die wie im Brautkleid stehen,

grüßt mich ein Märchenland:

Dörfer, die tief verschneiten;

Baumgruppen, Wälderweiten,

grünsilbern, traumschön vor mir ausgespannt.

 

Mit winterseligen Sinnen,

berauscht vom Licht tiefinnen,

umfang ich diese Welt.

Und wenn bei all dem Leuchten

sich meine Augen feuchten,

fühl ich, wie Innig Gott mir heut gesellt.

Aus: Fritz Kudnig, Land der tausend Seen. Verlag Gräfe und Unzer, München.

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat. Foto: Fritz Kudnig, Dichter und Gottsucher.

Einem Dichter von der Bedeutung Fritz Kudnigs auf knappem Raum gerecht zu werden, ist eine fast unlösbare Aufgabe. Es kann sich daher nur um Deutungen und Hinweise handeln, denn trotz vieler Veröffentlichungen von Schriften, Gedichtbänden, Bekenntnissen religiöser Art ruhen seine Hauptwerke noch in seinem Schreibtisch. Die aus eigenen Erlebnissen, reichen Erfahrungen und aus tiefer innerer Not entstandenen Dichtungen sind über den „Dichter der Nehrung“ weit hinausgewachsen, und obwohl Fritz Kudnig tief in seiner ostpreußischen Heimat verwurzelt ist, geht sein Schaffen und Wirken in die Weite und kennt keine Grenzen.

 

Wer seine ersten schmalen Gedichtbände über sein geliebtes Meer, über Haff und Nehrung las, der horchte beim Lesen sofort auf und war berührt von der Inbrunst und Innigkeit dieser Lieder, deren künstlerischen Wert Richard Dehmel schon frühzeitig erkannte, ähnlich wie Detlev von Liliencron die ersten Gedichte der Tilsiterin Johanna Wollf, „unseres Hanneken“. Die kraftvollen Verse und Gedichte Fritz Kudnigs mit ihrem eigenen Rhythmus haben in ihrer Musikalität die Komponisten angesprochen und zu Vertonungen angeregt. Es sei hier nur auf die Gedichtbände „Das Wunder am Meer“ und „Land der tausend Seen“ hingewiesen, die der ostpreußische Maler Eduard Bischoff durch eindrucksstarke Bilder ostpreußischer Menschen und ihrer Landschaft sinnvoll ergänzte. Zusammenfassend ist über die beseelte Landschaftsdichtung Fritz Kudnigs zu sagen, dass der wanderfrohe junge Dichter, abseits alles Literatentums und aller Schreibtischpoesie, aus voller Begeisterung und Versenkung in das Göttliche der Natur tiefe Erlebnisse kündete: herb, klar, wuchtig, plastisch, echte Lyrik, aus lichten Quellen schöpfend. Kraft ist mit Zartheit verwoben, volksliedartige Klänge darunter, der Zauber der Landschalt von Haff und Meer, der masurischen Seen in Sturm und Stille, in Akkorden und Symphonien dramatisch bewegt, In tiefer Andacht und Ehrfurcht geschaffen. Es ist ein Preislied der ostdeutschen Landschaft, der dunklen Wälder, der weiten träumerischen blauen Seen, der Küsten und Nehrungen als Spiegel der Seele des schönen Landes.

 

Die beiden Weltkriege brachten dem weit vorgestreckten Ostpreußen unermessliches Leid. Fritz Kudnig führte die Flucht im Frühjahr 1945 nach schwersten und bittersten Erlebnissen in die holsteinische Heimat seiner gleichfalls schriftstellerisch tätigen Lebensgefährtin Margarete, die ihm drei Kinder geschenkt hatte. Die nächsten Jahre lebte die Familie dort von karger Fürsorgeunterstützung, aber bald nach Überwindung der schweren Jahre der Not und der völligen Erschöpfung setzte sich Kudnig mit seiner tapferen Frau durch seine unverwüstliche Glaubens- und Schaffenskraft wieder durch und kam zu neuer fruchtbarer dichterischer Arbeit. Vorträge führten ihn durch Schleswig-Holstein bis an den Rhein und weiter gen Süden. Neue Bücher und Neuauflagen vergriffener Bände erschienen, von denen einige neue Wege wiesen und von einer philosophisch abgeklärten Lebensauflassung Zeugnis geben. So ist in dem Gedichtband „Gottes Lautenspiel“ sein Ringen um tiefste Erkenntnisse als Sucher zu den ewigen Wahrheiten zu spüren, das Suchen nach den letzten Dingen im Glauben an Gottes Größe und Güte, der dem Menschen innere Harmonie und gläubige Zuversicht schenkt. Nun fand der Dichter wieder in einem eigenen kleinen Häuschen Geborgensein und wie einst im Königsberger Heim nahe der Kunstakademie sind die alten Freunde, Maler und Dichter der Heimat, gern gesehene Gäste.

 

Unter den Dichtungen, die noch nicht veröffentlicht sind, gehört der Band „Flucht und Einkehr“, der unsere ostdeutsche Passion darstellt, zu den Erkenntnissen, die bei seinen Vorlesungen, vor allen Dingen bei den Vertriebenen, tiefsten Eindruck hinterlassen. Es ist wie sein größeres Werk „Fegefeuer“ aus dem ersten Weltkrieg und das folgende „Die Hölle“ aus der Inflationszeit eine lyrisch-balladeske Dichtung, die sich kritisch mit dem Wandel der Zeit auseinandersetzt. Eine größere Sammlung „Von Opfer zu Opfer“ mit dem Untertitel „Dreißig Jahre deutsches Schicksal“ entstand aus dem äußeren und inneren Erleben des Volkes in der Zeit von 1915 bis 1945. In einer Sammlung von Arbeiten bekannter Forscher über Meister Eckehart, den großen Mystiker des Mittelalters, ist Kudnig mit einer längeren Studie über Eckehart vertreten, und seine Ausführungen zeugen von der seelischen Verwandtschaft mit den großen schlesischen Mystikern. Immer wieder sind es Rufe in die Zeit, um einen Weg zu weisen, der Finsternis und der Dunkelheit zu entrinnen und durch tiefe Versenkung das Licht im eigenen Innern, den mystischen Tempel des schöpferischen Gottes, zu erkennen. Unter den noch unveröffentlichten Manuskripten nenne ich noch „Meine fröhlichen Wanderlieder“, eine Gedichtsammlung „Die Liebe aber . . .“ und „Du liebes, wildes, wunderbares Leben“, sowie erzählende Prosa, Philosophisches, eine Sammlung „Gedanken um Zeit und Ewigkeit“, ferner Aphorismen und viele ungedruckte Gedichte um Leben und Heimat. Kurz vor Weihnachten erschien in der Reihe der Elchland-Bücher in Göttingen ein Prosa-Band „Herz in der Heimat", in dem der Dichter uns heitere und ernste Erlebnisse aus der Jugendzeit und seinem späteren Leben anschaulich erzählt.

 

Leid ist der Prüfstein des Lebens und die Bewährung im Leid ist eine Quelle der Kraft für den schöpferischen Menschen. So gehört der ostpreußische Dichter Fritz Kudnig, der 1958 siebzig Jahre alt wird, zu denen, die ein schweres Schicksal durch den Glauben an die göttlichen Kräfte der Natur und Seele überwunden haben. Carl Lange

 

Seite 10   Kulturelle Nachrichten.

Ostbücherei heute über 13 600 Bände.

Die „Bücherei des deutschen Ostens" in Herne hat im Laufe dieses Jahres 1450 Bücher neu erworben und konnte damit ihren Gesamtbestand auf 13 650 Bände erhöhen. Unter den Neuerwerbungen befinden sich wertvolle Handschriften und seltene Frühdrucke ostdeutscher Chroniken. Die im Januar dieses Jahres erworbene Elbing-Sammlung des Münchener Sammlers Stobbe (980 Blattstadtpläne, Architektur-Zeichnungen, Grund- und Aufrissen) leistet nach Mitteilung der Bücherei zur Zeit wertvolle Dienste bei der Erstellung eines Buches über die 700-jährige Baugeschichte von Elbing (Ostpreußen).

 

Fünf Jahre Ostdeutsche Akademie

Die Ostdeutsche Akademie konnte auf ihr fünfjähriges Bestehen zurückblicken. Unter der Leitung von Professor Dr. Max-Hildebert Böhm und Studienleiter Dr. Karl-Heinz Gehrmann hat sie sich zu einem geistigen Zentrum der Heimatvertriebenen vor allem aus dem nordostdeutschen Raum entwickelt. Die Haupttätigkeit der Akademie besteht darin, das Gedenken an die verlorene Heimat wachzuhalten und neue Wege für die Wiedervereinigung und Zurückgewinnung der abgetrennten deutschen Ostgebiete zu suchen. In den vergangenen fünf Jahren wurden über 200 Studienlehrgänge, Kurse und Tagungen in der Akademie veranstaltet. Seit 1952 hat sie ein eigenes Gebäude.

 

Bachfest in Eisenach

Das Bachfest 1957 wird auf Beschluss des Vorstandes der Bachgesellschaft vom 28. Juni bis 2. Juli 1957 in Eisenach stattfinden. Auf einer Vorstandssitzung der Gesellschaft in Hannover, an der neben dem Vorsitzenden, Oberlandeskirchenrat Professor Mahrenholtz, auch der Direktor des Eisenacher Bachmuseums, Studienrat Freyse, teilnahm, beschlossen die Vorstandsmitglieder aus beiden Teilen Deutschlands, Kammer- und Orchesterkonzerte in den Vordergrund des Bachfestes 1957 zu stellen. Allerdings sollen nach dem vorläufigen Plan auch die Klassiker der Moderne und die Meister aus der Zeit vor Bach bei den Orchester- und Chorkonzerten berücksichtigt werden.

 

Ausweitung des Herder-Institutes.

Das 1949 in Marburg gegründete Johann-Gottfried-Herder-Institut konnte in einem von der Stadtverwaltung gepachteten Haus, neben dem Institutsgebäude, weitere Arbeitsräume übernehmen. In einer Eröffnungsfeier, berichtete Ministerialrat von Zahn vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, dass seit 1950 über zwei Millionen DM für den Aufbau und die Unterhaltung des Instituts aufgewandt worden seien. Der Präsident des Herder-Forschungsrates, Prof. Aubin, stellte fest, dass das Herder-Institut, das die Forschungsarbeit der vor dem Kriege im Osten bestehenden Institute über Ostmitteleuropa fortführt, in immer stärkerem Maße von der Öffentlichkeit anerkannt werde.

 

Danziger Archive aus Moskau nach Warschau

Die Sowjetunion will die bei Kriegsende „sichergestellten" Archive Danzigs als „polnisches Nationaleigentum" an Polen übergeben. Der Warschauer Rundfunk meldete, dass eine Gruppe von polnischen Wissenschaftlern zur Abholung dieser „kostbaren geschichtlichen Werke und Unterlagen, die bisher in einem Moskauer Museum aufbewahrt wurden", nach Moskau abgereist ist. Elbing-Archiv in Bremerhaven. Der Magistrat der Stadt Bremerhaven hat beschlossen, im Rahmen des Stadtarchivs ein besonderes Elbing-Archiv aufzubauen. Bekanntlich hat Bremerhaven die Patenschaft über Elbing übernommen. Das Archiv soll sowohl alles Erreichbare über die Geschichte der alten Hansestadt wie über das Schicksal der vertriebenen Elbinger umfassen und für den Tag der Rückkehr bewahren. Der Leiter des Archivs, zugleich Kulturreferent des BVD-Landesverbandes Bremen, Dr. Wilhelm Stölting, bittet alle Elbinger und die Freunde Elbings um Mithilfe am Auf- und Ausbau dieser Sammlung.

 

Preisausschreiben für Laienspiele

Preise für Laienspiele mit Vertriebenenthematik hat der BVD-Landesverband Hessen ausgeschrieben. Für die drei besten Spieltexte sind je DM 500,--, 300 und 200 vorgesehen, und zwar zusätzlich zu den Honoraren, die im Falle einer Veröffentlichung gleichfalls dem Autor zugutekommen. Einsendeschluss ist der 31. März 1957. Die Manuskripte sind an den BVD-Landesverband Hessen, Wiesbaden, Marktstraße 34, unter Kennwort und Kennziffer einzureichen. — Der neue Leiter der BVD-Landeskulturstelle Hessen, Hobinka, rechtfertigt dieses Unternehmen mit der Feststellung, dass die Spielfreudigkeit der Laienkreise zwar zugenommen habe, dass aber ein großer Mangel an guten Stücken bestehe, die dem Bedürfnis nach Aussage über das Vertriebenenschicksal und seine Bewältigung gerecht werde.

 

Wettbewerb für Funkerzählungen.

Der Süddeutsche Rundfunk Stuttgart hat einen Wettbewerb für Funkerzählungen ausgeschrieben. Der Umfang der einzureichenden Manuskripte soll 400 Schreibmaschinenzeilen nicht übersteigen. Letzter Einsendetermin mit dem Kennwort „Funkerzählung" ist der 31. Januar.

 

Deutsches Literatur-Lexikon

„Kürschners Deutscher Literatur-Kalender", das bekannte bio-bibliographische Lexikon aller deutschen Dichter und Schriftsteller, wird im Sommer wieder neu herausgegeben. Es erscheint in der 53. Ausgabe im Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin.

 

Seite 10   Ein Mahnspiel der Zeit

Herbert Wessely: Der Sensenschmied. Bin Mahnspiel der Zeit. Bogen-Verlag. München-Stuttgart. 40 Selten. 3,50 DM.

Mit diesem Mahnspiel wendet sich Herbert Wessely, der im sudetendeutschen Raum als Lyriker seit vielen Jahren einen Namen hat, vor allem an die Jugend. Es geht ihm in dem Spiel darum, der Hauptgestalt des Spiels gleich eine Waffe wider den Zeitgeist zu schmieden und den jungen Menschen zur eigenen Wesensart zurückzuführen. Er holt die Gestalt des Sensenschmieds aus alten Volkssagen, in denen er in Notzeiten des Volkes aufsteht, mit einer Sense von riesigem Ausmaße dem menschlichen Unkraut zu wehren, das die Menschlichkeit bedroht. Zeitlos steht die Gestalt des Sensenschmieds in dem Spiel, zeitgemäß, weil wir als Volk wieder einmal im Begriff stehen, uns zu verlieren und fremden Trugbildern nachzulaufen. Man darf es daher mit gutem Recht ein Mahnspiel der Zeit nennen.

 

Zu dem Büchlein schuf Prof. Oskar Kreibich vier eindrucksvolle Federzeichnungen, der Einband wurde von Helga Pleyer gestaltet. Als Herausgeber zeichnet die Deutsche Jugend des Ostens. Das Bändchen erschien als Band 1 der „Reihe der Jungen“, in der auch weiterhin begabter junger Nachwuchs zu Worte kommen soll. —ejk

 

Seite 11   Die stille Stunde (Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte)

Mein Postbote. Erzählung von Fritz Kudnig

Mein Postbote kommt, wie immer sehnlich erwartet. Trägt er nicht in seiner großen Ledertasche ein Stücklein meines täglichen Geschicks, Annahme oder Ablehnung einer Arbeit, die für einige Zeit Wohl oder Wehe meiner Familie bestimmt?

 

Stets bringt mein Postbote ein frohes Lächeln mit. Heute aber ist er kaum wiederzuerkennen. Ein tiefer Ernst verschattet sein von silbergrauen Haaren umrahmtes Gesicht, als er mich eben im Zimmer, hastig fragt: „Wissen Sie schon von dem Unglück, das heut früh ganz in Ihrer Nähe geschehen ist?"

 

„Nein, was ist es denn, um Himmels willen?" frage ich. Und jetzt scheint mein eben noch so sonnenlichtes Zimmer plötzlich in grauer Dämmerung zu liegen.

 

„Nun, denken Sie sich", antwortet mein Postbote erregt, „da hat doch ein junger Mensch seine Frau, sein Kind und schließlich sich selbst erschossen. Es ist nicht auszudenken“.

 

 „Ja, aber warum denn nur?" frage ich ergriffen.

 

„Wer kann das wissen", erwidert er. „Die Kriminaler sind schon dagewesen. Da wird es wohl bald herauskommen, was die armen Menschen in den Tod getrieben hat“.

 

Und als ich nicht gleich eine Antwort finde und nur, etwas hilflos, den Kopf schüttele, fährt er fort, und es klingt ein harter Groll gegen das Leben in seinen Worten: „Sagen Sie selber, ist unser ganzes Dasein nicht ein großer Dreck? Lebt man nicht nur, um einmal elend zu verrecken?" — „Wie man
s nimmt", sage ich bedachtsam. „Mancher stirbt, wie er gelebt hat: als eine hohle Nuss. Alle sterben so, die nur sich selber gelebt haben. Doch es gibt immer auch Menschen, die sich nicht nur besinnungslos ausleben, die vielmehr etwas in sich hineingelebt, ich meine, die sich so etwas wie einen inneren Schatz erworben haben“. „Sehr schön gesagt", antwortet mein Postbote, nicht ohne leichten Spott in der Stimme. „Sehr schön. Aber was nützen uns denn solche Schätze, wenn wir schließlich sterben?"

 

„Man sollte nicht immer gleich nach dem Nutzen fragen", erwidere ich. „Im Übrigen stirbt ja, wenn unser Leib zerfällt, nicht auch unsere Seele und das, was sie im Leben geschaffen hat. Sind nicht jeder tiefere Gedanke, jedes ernste Wort und Werk ein gutes Samenkorn, das auch nach unserem Tode noch zu wachsen vermag, in unseren Kindern und in anderen Menschen, die uns nahestanden? Doch ich möchte noch etwas weiter denken. Sehen Sie, auch die Natur stirbt im Herbst. Doch jeder Frühling erweckt ihre Seele zu neuem Leben. Soll unsere eigene Seele geringere Lebenskraft besitzen, obwohl sie die höchstentwickelte auf unserem Planeten ist? Unmöglich. Wie die Seele der Natur nach ihrem winterlichen Scheintode in der erwachten Erde wieder wundersam zu schaffen beginnt, so kehrt auch unsere Menschenseele nach ihrem scheinbaren Tode eines Tages zu neuem Kleide zur Erde zurück. Dessen bin ich gewiss“.

 

Mein Postbote lächelt ob meiner Gewissheit: „0, das haben Sie sich ja großartig ausgedacht. Aber wie wollen Sie denn das alles beweisen?" „Beweisen?" antworte ich, „das haben Größere als ich durchforscht und erfahren und in Worten und Werken verkündet. Wir aber denken viel zu wenig über die großen Rätsel der Natur und noch viel weniger über uns selber nach. Wenn der junge Mensch, von dem Sie sprachen, etwas von den Gesetzen geahnt hätte, die in der Welt und auch im Menschen wirken, dann hätte er seine furchtbare Tat nie getan. Ich bin überzeugt, dass das Leben uns irgendwann wieder vor dieselben Fragen und Aufgaben stellt, wenn wir uns ihm durch eine Flucht in den Tod oder sonst wie entzogen haben“.

 

Mein Postbote, der mir immer aufmerksamer gefolgt ist, fährt sich über die feucht gewordene Stirn und sprudelt heraus: „Ich hab es ja nie recht verstehen können. Und doch habe ich es selber einmal erlebt, dass mit dem Tode nicht alles aus sein kann. Ich war noch jung, vielleicht zwanzig Jahre alt. Es war im Pferdestall auf unserem Hof in Masuren. Wir hatten ein paar Gäule, von denen mir noch nie etwas Böses geschehen war. Eines Tages aber kriegte der eine den Rappel, bäumte sich auf und schlug mir mit aller Gewalt den Huf in die Magengegend. Ich bin wie ein Mehlsack hingehauen und hab: fast zwei Stunden bewusstlos gelegen, wie man nachher erzählte. Doch plötzlich spürte ich etwas in meinen Füßen strömen. Es war ein ganz scheußliches Gefühl. Und mein erster Gedanke — ich weiß es, als wäre es erst gestern geschehen —, mein erster Gedanke war: Nun holen sie mich zur Erde zurück! Ich wehrte mich innerlich dagegen. Denn da drüben war eine so tiefe, beglückende Stille über mich gekommen, und ein Licht, ein so wunderbares Licht war um mich gewesen, wie es auf Erden nichts Ähnliches gibt. Glauben Sie nicht auch, dass ich damals schon in einer anderen Welt gewesen bin?"

 

„Andere Welt ist wohl nicht ganz richtig", erwiderte ich. „Es gibt nur eine Welt. Aber sie hat verschiedene Ebenen. Und auch ich möchte meinen, dass Ihre Seele nach jenem furchtbaren Hufschlag bereits einen Blick in eine dieser höheren Ebenen getan hat“.

 

Die Augen meines Postboten werden immer größer und erregter, als er nun weiterspricht: „Eben fällt mir auch etwas anderes ein. Das muss ich schnell noch erzählen. Ich war ein junger Beamter, vielleicht dreißig Jahre alt, und ich wohnte noch in Patersort, dicht am Frischen Haff, wissen Sie? Da wurde ich plötzlich nach Gerdauen versetzt. Was meinen Sie, als ich dorthin fahre und vom Bahnhof in die Stadt gehe, da kommt mir alles so bekannt vor, als ob ich dort schon einmal gewesen wäre. Und auf dem Hügel, den ich hinaufschritt, stand Haus bei Haus genau an demselben Fleck und genau in derselben Farbe und Bauart, wie ich das alles schon einmal gesehen haben musste. Ich war ganz aufgeregt. Denn ich war bestimmt im ganzen Leben noch nie dort gewesen. Wahrhaftigen Gott nicht. Nein. Aber erst nach vielem Grübeln und nachdem mich später auch meine Frau daran erinnerte, fiel mir ein, dass ich von alledem vor längerer Zeit einmal geträumt hatte. Ja, bei meiner Seel', genau wie ich im Traum dies alles erlebt, so stand es damals da in der nackten Wirklichkeit . . ." Mein Postbote ist fast ein wenig aus der Fassung geraten, als er nun fragt: „Und wie erklären Sie sich das alles nun?"

 

„Das scheint mir nicht sehr schwer zu sein", erwidere ich. „In jedem gesunden Menschen sind bei vollem Bewusstsein Geist, Seele und Körper eine innige Einheit. Schon in Ihrer Ohnmacht aber, damals im Pferdestall, und später in Ihrem verblüffenden Traum ist Ihre Seele — vom Körper nicht mehr behindert und von Geist und Hirn nicht mehr beherrscht — ein wenig ihre eigenen Wege gegangen. Als Sie erwachten, erschien Ihnen diese Wanderung Ihrer Seele nur als ein Traum. Doch es war mehr. Es war eine Vision, ein Hellgesicht. Mir scheint, da haben Sie sich schon selber klar bewiesen, dass Leib und Seele keine unzertrennliche Einheit sind. Denn wenn die Seele, schon, während sie noch an den Körper gebunden, Dinge erleben kann, die über unser alltägliches Bewusstsein hinausgehen, weshalb sollte sie nicht auch irgendwelche Daseinsmöglichkeiten haben, sobald dies Ich-Bewusstsein mit dem Tode plötzlich erlischt, wie es ähnlich ja schon im Schlaf geschieht? Ich sage nicht, dass es so sei, verstehen Sie? Ich meine nur, es wäre durchaus denkbar, dass es so ist. Und es scheint mir auch nicht gerade unlogisch zu sein“.

 

„Wenn man ein bisschen tiefer darüber nachsinnt", meint mein Postbote jetzt mit hellen Augen, „dann sind Mensch und Leben doch eigentlich ein ganz großes Rätsel und Wunder, nicht wahr?"

 

„Sehen Sie", sage ich erfreut, „und vorher nannten Sie das alles sinnlos und einen großen Dreck. Lebt wahrhaft sinnlos nicht immer nur der unverständige Mensch, der sich nicht müht, den Dingen auf den Grund zu gehen? Die Welt ist im Tiefsten wirklich ein Werk von herrlicher Einheit und Harmonie, solange diese nicht freventlich gestört wird. Wenn wir diese Harmonie doch wenigstens in uns selber schaffen würden. Aber sehen Sie um sich. Tun wir meistens nicht genau das Gegenteil? Und

da wundern wir uns, dass Dinge geschehen, die uns in ihrer Schrecklichkeit das Blut erstarren machen“.

 

„Ja, es ist wirklich nicht auszudenken, wieviel schöner und friedvoller unser Leben werden könnte, wenn wir nicht so oberflächlich dahinleben würden. Da haben Sie Recht! Aber mein Gott, nun hab' ich doch wahrhaftig ganz meinen Dienst vergessen", schreckt mein Postbote plötzlich auf.

 

„Nun", lächele ich, „das werden Sie durch eine kleine Überstunde schon wieder in Ordnung bringen. Vielleicht hat auch Ihre heutige Dienstvergessenheit, an der ich der Hauptschuldige bin, einen tieferen Sinn gehabt Und ich glaube fast: nicht nur für Sie selber“.

 

Und als ich dem Alten nun herzlich die Hand drücke, weiß ich, dass wir beide diese Stunde so bald nicht vergessen werden.

Aus: Fritz Kudnig, Herz in der Heimat, Erzählungen. „Kleine Elchland-Reihe“, Bd. 2. Elchland-Verlag, Göttingen.

 

Seite 11   Januarbild

Im Lichte der wachsenden Tage,

Bergauf frohlockend, der Schnee.

Aufsteigt es wie raunende Sage.

Nun horche, nun lausche, versteh!

 

Die klaren Gebilde der Ferne —

Vergessen kannst du sie nie.

Dass Demut leichter sich lerne.

Beugt sich wie von selber dein Knie.

 

Die kühlen Spiele der Farben

Verschwimmen über dem Tann

In dunkel gleitenden Garben

Und heben zu leuchten an.

 

Genesung! Es rufen dich Stimmen.

Nun öffne, bereite dich vor.

Der Sonne gleich aufwärts zu klimmen.

Verheißung öffnet das Tor.

 

Es fließen die täglichen Kreise

Einander über den Rand.

Nun halte sich keiner für weise,

Der nicht den Zauber empfand.

 

Nun tauche ins heimliche Werden

Dein Herz, das erwachende, ein.

Die Welt ist voll neuer Gebärden.

O Leben, Geschöpf nun zu sein! Josef Schneider

 

Seite 11   (Scherenschnitt) Herder und Caroline um 1785. Zeitgenössische Silhouette

 

Seite 11   Einzig dein Herz / Briefe zweier Liebender

Herder an Caroline Flachsland. Bückeburg, den 27. Juni 1772

Liebste Freundin! Die Eile, mit der ich schreiben muss, und die Fülle des Herzens, aus der ich schreibe, machen meinen Brief so rüde und ungefasst; aber, meine Flachsland, wenigstens ist der glatte Kieselstein, den ich Dir so uneingefasst gebe, ein Stein aus treuer Hand. Auch ich weiß wahrhaftig nicht, wie und was der Himmel noch aus mir machen wird; aber Offenheit und Ehrlichkeit sollen allein die Beziehungen sein, liebste Freundin, die mich ewig an Sie ketten sollen — und welcher ehrliche Mann kann mehr sagen? Was Sie zu Ihrer Schwester, das sage ich zu Ihnen, mein liebes Mädchen: mein Herz kennt außer Ihnen nichts und soll in der Welt nichts kennen. Du mein liebstes Weib, oder ich ewig allein! Da stehen Sie also, hier ich — nur oben ist der, der das Ja spreche.

 

Caroline an Herder. Darmstadt, Ende Januar 1773

So komm, Frühling, o komm, o komm! Und bring meinen Jüngling in meinen Arm! So geh denn, Winter! Ich hatte gestern, als ich Deinen süßen Brief bekam, zum ersten Mal meine grau und blau ausgeschlagene Pekesche an, die ich zum Reiserock bestimmte. Wie mir zu Mute war, das lass Dir Dein Herz sagen, mein Einziger, mein Bräutigam! Ich war kaum mehr auf der Erde, und es war mir nicht anders, als müsste ich zu Dir fliegen — Dich zu mir holen. Ach wann? Siehe, ich bin schon reisefertig, aber noch ist's Winter. Aber bist Du klug? Was willst Du mir geben? Sind wir denn arme Elende, die ein Ring oder Geschenke zusammenknüpft? Bringe mir nichts mit als Dich selbst, Dich ganz; Dein Herz will ich, sonst nichts; ich werde Dich nicht freundlich ansehen, wenn Du was anderes bringst; dann werd ich denken, dass Du mir nicht Dein ganzes Herz geben, sondern was dran fehlt durch Geschenke ersetzen willst. O mein Herder, mein Bräutigam, wirst Du das tun? Sieh, ich gebe Dir auch nichts, nur mich selbst, mein ganzes Herz, wie es ist, arm und klein, aber ganz. Das hab ich nur, das geb ich Dir und nichts, nichts mehr. Willst Du damit zufrieden sein? Ach wozu Geschenke, uns zu binden? Anderes heilges Band hat schon lange unsere Herzen ewig vereint! Wozu das Äußere unter uns zwei? Sind wir einmal beisammen, so ist alles Gemeinschaft, alles unser! Ach, nichts mehr davon! Komm, bring Dich mir ganz, und so findest Du Deine Lina, Dein glückliches Mädchen.

 

Seite 11   Ein gefährliches Konzert / Von Johanna Schopenhauer

Der bewohnteste und schönste Teil meiner Vaterstadt wird von dem Ufer der die Speicherinsel rings umfließenden Mottlau begrenzt; eine breite fahrbare Zugbrücke führt zu den Speichern, dieser großen Schatzkammer der Danziger Bürger, hinüber. Damals wurde dieselbe bei einbrechender Nacht an beiden Enden durch feste Tore abgeschlossen, welche aber von den Wächtern willig geöffnet wurden, um Fuhrwerke oder Fußgänger durchzulassen, denn nur über die Speicherinsel konnte man zu dem gewerbereichen und weitläufigen Bezirk von Langgarten gelangen. Keiner der Eigentümer durfte über Nacht in seinem Speicher verweilen, nach Sonnenuntergang wurden sie alle verschlossen und lagen bis zum anbrechenden Morgen verödet in ungestörter Einsamkeit da.

 

Seit undenklich uralter Zeit wurde auf Kosten der Stadt eine Anzahl sehr grimmiger Hunde von einer besonders blutdürstigen Rasse in festen Zwingern gehalten, von dazu angestellten Wächtern mit rohem Fleisch gefüttert, um sie noch unzähmbarer zu machen und mit eintretender Nacht auf der Speicherinsel losgelassen. Wehe dem Verwegenen, der unbegleitet von einem Wächter und dessen stets knallender Peitsche das ihnen eingeräumte Territorium betrat!

 

Manch armer Schimky ist unter den blutigen Rachen und Klauen der wütenden Tiere gefallen, wenn er, überwältigt vom Geist des Schnapses, in irgendeinem dunklen Winkel zwischen den Speichern einschlief und ungesehen von Wächtern dort zurückblieb. Sein Angstgebrüll und das wilde Toben der vor Blutdurst rasenden Bestien schallte zu den Wächtern hinüber, dann aber war es zur Rettung zu spät.

 

Herr Umbach, ein zu meiner Zeit allbekannter, im Aufspielen zum Tanz unermüdlicher Violoncellist, fand einst in Langgarten, bei Ausübung seines Berufes zugleich im Weinglase den kecken Mut, spät nach Mitternacht es allein mit den Speicherungeheuern aufnehmen zu wollen. Da er fest darauf bestand, jede Begleitung von sich abzuweisen, so ließen die Wächter ihm den Willen, in der Meinung, er wolle das sehr geringe Trinkgeld sparen, das sie für ihre Bemühung gewöhnlich erhielten. Umbach trat kühnlich durch das Tor, doch kaum hatte er auf der gefährlichen Bahn einige Schritte zurückgelegt, als die fürchterlichen Hunde in hellem Haufen auf ihn losstürzten. Was konnte er tun? Er retirierte, retirierte, retirierte langsam, immer rückwärts um den Feind im Gesicht zu behalten; stieß mit dem Rücken an die Mauer, kam darüber ins Stolpern und endlich auf einen großen Stein am Eingange eines Speichers zu sitzen. Den Rücken behielt er dadurch frei, das Instrument senkte sich wie aus Instinkt ihm zwischen die Füße; da saß er in gewohnter musikalischer Stellung und strich in der Angst, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit dem Bogen einmal über die Saiten; die Hunde stutzten und spitzten die Ohren, er wiederholte den Versuch: kein Hund regte sich.

 

Umbach spielte nun mutig drauf los, anfangs freilich nur etwas diskordante eigene Phantasien, dann aber Polonaisen, Masureks, Menuetts rasch hintereinander fort, wie es ihm eben in die Finger kam; der Erfolg übertraf alle Erwartung. Das vierbeinige Auditorium entschlug sich jedes feindseligen Gedankens, setzte in ihn umschließenden Kreisen sich dicht um ihn herum und akkompagnierte ihn einstimmig mit lautem Geheul.

 

Doch nur solange er spielte, hielten diese friedlichen Gesinnungen vor. Erlaubte der neue Orpheus sich nur die kürzeste Pause, gleich regten sich die Zuhörer und zeigten ihm knurrend die Zähne, zum feindlichsten Angriff bereit. Er musste spielen, rastlos spielen, bis er den Augenblick nahen sah, wo der Bogen seiner entkräfteten Hand entsinken würde, und traf schon Anstalt, seine arme Seele Gott zu empfehlen. Da kamen die Wächter, die dem wunderlichen Konzert lange zugehört haben mochten und jetzt einsahen, dass es die höchste Zeit sei, demselben ein Ende zu machen.

 

Seite 11   Zweierlei Meinung

Als Schopenhauer seiner Mutter seine Doktor-Dissertation zeigte, fragte sie spöttisch: „Das ist wohl etwas für Apotheker?"

 

 „Man wird sie noch lesen", entgegnete der gekränkte junge Philosoph mit aller Entschiedenheit, „wenn von deinen Schriften kaum mehr ein Exemplar in einer Rumpelkammer stecken wird“.

 

„Von der deinigen", erwiderte Johanna Schopenhauer darauf, „wird dann die ganze Auflage zu haben sein“.

 

Seite 12   Das Buch – Brücke zur Heimat.

Das heutige Ostpreußen

Ein Bild- und Reisebericht aus dem polnisch besetzten Teil Ostpreußens. 91 Bilder auf 68 Kunstdrucktafeln und 12 Seiten Text. Geb. 5,80

 

Wind, Sand und Meer.

Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung mit ergänzenden Textbeiträgen ostpreußischer Autoren. Format 20 X 26 cm. 108 S. Ln. 11,50 DM. Halbleder mit Karton 15,-- DM

 

Königsberg.

Ein Buch der Erinnerung, erschienen anlässlich der 700-Jahrfeier Königsbergs mit 66 Bildern und Beiträgen Königsberger Autoren. Format 20 X 26 cm, 128 S. Ln. 11,80 Halbleder mit Karton 15,50 Mit Stadtplan 14,30 bzw. 18,--

 

Ostpreußen

Unvergessene Heimat in 116 Bildern, sorgfältig zusammengestellt, mit Prosa- und Gedichtbeiträgen ostpreußischer Autoren. Ein repräsentatives Dokumentarwerk. Format 20 X 26 cm, 160 S. Ln. 13,80. Halbleder mit Karton 18,50

 

Stille Seen – Dunkle Wälder.

Masuren und Oberland in 48 Bildern. Spiegelt den Zauber der alten Grenzlandschaft, begleitet von ausgewählten Texten ostpreußischer Autoren. Format 20 X 26 cm, 100 S. Ln. 11,80. Halbleder mit Karton 15,50

 

Die Barrings.

Ein Buch- und Filmerfolg! William von Simpson:

Die Barrings, 816 S DM 9,80

 

Die Enkel.

550 S DM 9,80

 

Das Erbe der Barrings.

640 S DM 14,80

 

Merian-Heft Königsberg.

Die alte Krönungsstadt wie sie war und heute ist, mit zahlreichen, teils mehrfarbigen Bildern. 104 S. 3,20

 

Königsberg in 144 Bildern.

Ein Bildwerk von der einstigen Größe und Schönheit der Hauptstadt Ostpreußens, kart. 6,90 Ln. 9,50

 

Von Memel bis Trakehnen.

Ein prächtiger Bildband vom nordöstlichen Teil Ostpreußens, von Memel angefangen bis in das Paradies der Pferde. kart. 6,90 Ln. 9,50

 

Wilhelm Matull:

Liebes altes Königsberg.

Ein Buch der Erinnerung mit zahlreichen Bildern. 190 S. Hln. 5,80

 

Ein preiswerter Bildband:

Quer durch Ostpreußen.

100 Aufnahmen aus Ostpreußen mit Begleittext. Eine Wanderung durch die Heimat. Format 20 X 21 cm, 60 S. Kunstdruckpapier 3,85 Geschenkausgabe Ganzl. 6,--

 

Susanne von Baibus:

Paradies an der Memel.

Ein echtes ostpreußisches Familienbuch, zugleich ein schönes Gedenkbuch an Ostpreußen. Mit 6 ganzseitigen Zeichnungen von A. W. Sauter. 192 Seiten. Ln. 7,80

 

Walter von Sanden-Guja:

Das gute Land.

Der Lebensbericht des Dichters, in dem er von seiner Jugend auf den Gütern seiner Eltern in Ostpreußen erzählt. 6. Aufl., 208 S. Ln. 8,75

 

Hier lacht Ostpreußen.

Der Fortsetzungsband von „Humor aus Ostpreußen". Ausgestattet mit zahlreichen Holzschnitten. 76 S. kart. 3,25 Ln. 4,40

 

333 Ostpreußische Späßchen.

Echter urwüchsiger Volkshumor. 148 S., 16 Zeichnungen. geb. 4,80

 

Elchand-Verlag. Abt. Ostpreußen-Buchdienst, Braunschweig, Donnerburgweg 50

 

Seite 12   Raureif.

Heut' ist ein Glanz auf Erden,

Wie ich ihn nimmer sah.

In blitzender Silberseide

Stehn Busch und Bäume da.

 

Der Tag hat tausend Sterne

Gestreut in den weißen Schnee.

Wo ich geh' und steh',

Glitzert es, nah und ferne.

 

Auf allen Wegen und Gassen

Fließt goldner Sonnenschein:

Hat wohl ein Engelein

Die Himmelstür ollen gelassen? Frieda Jung

Aus: Frieda Jung, Auch ich hab mit dem Schmerz zu Tisch gesessen. Verlag Gräfe und Unzer, München.

 

Seite 12   Von Wanda Wendlandt. De Flassmuhmke

Nä, so eenfach ös dat jao nu nich, dat eener bloßig bruukt söck e bät froher ute Fedderpose rut to wöltere un denn henjeiht anne Flassrigg un sien Opwarding maokt, un denn krejt he ook forts wat presentört — nä nä, so eenfach ös dat denn doch nich! Dao mott all wer kaome so wi de Lieske, ömmer flietlig von fröh morjens bät spaot aowends, opstaohne vär Dau un Dag un melke un Keej jaoge önne Koppel un denn Fröhstöck maoke un Moos kaoke un denn fix-fixke söck anne Spennwocke hucke un spenne, dat de Rad man so schnuust! Odder ant Warke jäwe, wenn alle Flaß un Woll all opjesponne ös un so fienke jesponne, dat söck de Mutterke dem Bröll söke mott, dat se dem Faodem äwerhaupt kicke kann! Un kein Klunkerke ös to finde un de Leiwend so fienke, dat nich raaol de Koller anne Gorgel e bat schiere dede vonne Hemde, wo ute Leiwend jemaokt were — nä, rein als wenn se färem Keenig spenne un warke deed, so marachd söck de Lieske aw un leet söck kein Rauh nich, bat se alle Daog so ähre dröttije Ehle awjeworke had!

 

Na un dat wußd jao denn ook de Flaßmuhmke. De jeiht jao önne ruhje Nachte öm önne Kaomersch vonne Mäkes un kickt oppe Spooles, wat dao baowe ös un wi dat utsitt — un oppe Warkstehl, wat dao opjebrocht ös, un önne laodes, wat söck dao all anjesammelt hefft von flietliche Fingersch jeaorbeit't. Na un dao kunn ons Lieske woll bestaohne, un deFlaßmuhmke hadd jao denn ook vär Freid jeschmustert un söck ömjekickt önne Kaomer, wo alles so oddentlich weer an sienem Platz un alles so rendlich. Un de Lieske leej dao ön ehrem jesunde Schlaop under ehrem rosejeblömde Toddeck, un de Flassmuhmke hadd ehr äwre jähle Haor jesträke, dat de Lieske ganz wat Hibschet drehmt un ganz jlöcklich lacht ön ehrem Drohm.

 

Dao weer de Flaßmuhmke wiederjeschwewt önne Kaomer vonne Jret önne Naowerschhuus — aower wie seej dat dao bloßig ut! Alles huller-de-buller henjeschmäte, de ganze Lieberei oppe Ierd mangke Schlorre un Socke, un oppe Fensterbrett de Myrthetepp verdreejt un oppe Desch e Kaffetopp unawjewasche. Undrem Wocke leej de Spool ganz verzoddert un de Faoddem weer ruj wi e Pudel un möt duumedicke Klunkre bönne, un oppem Warkstohl weer noch gaonuscht opjebrocht. Un kein Zich weer äwerjetaoge, mangk beschmerde Önschöttings leej dao de Jret möt ehrem zerzuusde Schipprien un scharkt wi e Oss, un oppe Koppkösse klewt noch e Stöck vonne Strötzel, dick möt Botter bekliestert. Dao kreej aower de Flaßmuhmke dem Flaßwöckel to packe un haud dem de Jret äwre Näs, aower de ön ehrem fuule drähn pruschd bloßig, als wenn ehr e Heemske äwre Näs jekraope weer un drelld söck op ander Sied. Nu weer dat önne Fährjaohr, wo de daog alle Dag länger wäre, un de Lieske weer noch tiedjer opjestande wie sonst, weil se dem Aowend daovär awjeworke had un fröhmorjens de Leiwend awbringe wull vonne Warkstohl. Nu spod so söck möt dem Keej-jaoge, wat se bloßig kunn, dat se bold an ehr Jeschäf kaome wull, wat e groot Freid ös väre Warkersche, so ehr Händ Aorbeit so hibsch un glatt vär söck to sehne.

 

Wie se nu anne Flaßrigg keem, dao huckd doch dao so e ohl Wiewke, scheef un kromm, wie ons Lieske noch kein nich jesehne had. „Gode Morje ook, Mutterke!" jrößt de Lieske friendlich.

 

„Scheen Dank ook, mien Dochterke!" dankt de Ohlke. „Na, du böst jao all hibsch fröh to Weg!" Daomöt wull söck de Ohlke ophulftre un langt nach ehrem Kröckstock. Dao sprung de Lieske denn rasch to un packd ehr sachtkes undre Aorms un obschonst se rasch to Huus sön wull un kein Tied nich hadd, leid se doch de Ohlke hibsch langsaomkes un Schröttke vär Schröttke, dem ganze lange Flaßrigg to End. Dao bedankt söck de Ohlke to väle Maole un strackd ihr de Backes — un denn weer se op eenmaol wech, rein wie vonne Näwel opjesaoge.

 

Na ons Lieske de wundert söck nu nich schlecht, aower se hadd jao kein Tied nich möt Wunderwarke to versieme un spood söck nu noch mehr, to Huus un an ehr Jeschäft to kaome. Aower wie se nu värem Warkstohl huckd un ömmer ehn Ehl nach em andre awrebbelt, dao nömmt dat doch gaorkein End nich mehr — se huckd bät Fröhstöck un rebbeld Leiwend — se huckd bät Möddag un rebbelt

Leiwend — all lang hadd de Mutterke to Hölp kaome mußd un Leiwend staople, alle Kaomersch were all hiependick voll, de ganze Lucht weer all volljestoppt un noch weer kein End nich awtosehne: Huupes un Huupes mußd de Mutterke väre Deer sätte wi Strohmiete biem Weitedresche.

 

Na dao duurt dat nich lang un nischjierig keem de Jret anjerennt un leet nich Rauh, bät se alles ute Lieske rutjefraogt hadd. Na dat leed ehr jao nu nich schlaope, so wull ook so väl scheen Leiwend habbe wie de Lieske! Kein Jedanke weer dran dat se ook all awjeworke had — aower wat sull dat schaode, de Sejen kunn jao dröm graods öntrede, dat se de Aorbeit spaord.

 

Se leet söck nu dem andre Morje von ehr Mutterke froh wecke un ganz diesig vonnem unjewennt Fröh-opstaohne schweekd se denn los un plierd bloßig ömmer dorche unjewaschne Oogerötze, dat se der Ohlke ansöchtich ware wull. Na de huckd denn dao ook röchtich wedder anne Flaßrigg, un ons Jret jing driest op ehr to un säd ganz patzig: „Gode Morje, Ohlsche! Na, ju hadde doch jewöß nich nödig, all so froh ute Pose to krupe, dat onsereent nich maol utschlaope kunn!"

 

„Morjestund ös Geld weert, mien Dochter!" säd de Ohlke un hoow söck, dat se opstaohne wull, aower de Jret maokt kein Anstalte, ehr bitospringe, bät de Ohlke bäd: „Sie doch so good un help mi e bätke op!" Na de ohl Muhm kunn söck ook alleen ophulftre, docht dao de Jret, aower se kunn söck dat noch graods so verbiete. Se packd denn dem Aorm wie e Mestfork un reet de Ohlke hoch, dat de rein wedder trigg jetorkelt weer un ganz laohm loshompelt. Dao weer kein Jedanke nich, dat de Jret ehr leide deed — nä, so zaogelt bloßig hinder ehr her un schlurrd schlard, bät de Ohlke söck ömdrelld un säd: „Na, nu go man to Huus, mien Dochter, un wat du die hiede värnehme warscht, dat warscht du dohne bät Möddernacht!"

 

Na, dao hadd Ju aower ons Jret renne sehne sulld! Dao kunn sie forts de Schlorre önne Hand nehme un renne, dat de Hackes suusde, öm bloßig kein Tied nich to verleere. Dat wull se aower andersch maoke wi de Lieske, docht se bi söck, der wull se schonst bold utstäke: Se wull jliek buute väre Där Huupes un Huupes sette un nicht erscht de Kaomersch vollmaoke, dat doch de Lied sehne kunne, wat fär e forsch Warkersche se weer un noch väl forscher wie de Lieske. Un wat wull dao de Hans, de jung Meiller ersch vär Ooges maoke, dao wull söck jao denn bold de Blattke kehre un de Lieske dem erschte Viggelin utjespält hebbe!

 

De junge Meller weer e schierer Kierl un nich bloßig de Jret kickd söck rein de Ooges nach em ut — alle Marjelles önne Derp weere fär ehr Lewe jern sien Mellersche jeworde. Na, ons Jret de seej söck nu all motte Myrthekranz oppe Kopp an sien Sied önne Körch spazeere un alle Lied kickde enne nach und schmusterde: Wat fär e hibsch Bruut!

 

Dao weer se all op ehrem Hoff anjelangt un annem kleene Huuske möt e Hart önne Där undre Hollunderbusch, un dao schött ehr dat dorche Kopp, dat se dat am beste man ook gliek so oppe Wech verröchte kuhn un söck nich mehr Tied versieme bruukt, wenn se nachdem anne Warkstohl huckd un de ganz Schoot voll Leiwend häwt. Un möt dem Jedanke weer se ook all hinder dem kleene Därke verschwunde! — Un keem ook nich mehr to Verschien bät all lang de Sönnke underjegange weer un de Nachtwächter twelf piepd, dao seej he önne Maondschien utem kleene Huuske langsam wie de dier Tied de lang Jret naoh ehrem Kaomerdär schweeke.

 

Aower naoh de Aust weer Hochtied un de ganz Därp oppe Beene, un ons Lieske blehjd wie e Pingstros anne Sied von ehrem lange Meller-Hans.

 

Zuviel verlangt

In einem kleinen ostpreußischen Städtchen wurde das traditionelle Schützenfest begangen. Dann spielt zum Tanz die weit und breit berühmte Kapelle des Schneiders B. auf. Sie bestand aus vier Musikbegeisterten, die mit wichtiger Miene Notenblätter auflegten, und dann drauflos fiedelten und trompeteten, dass alles nur so wackelte. Als nun „Kapellmeister" B. wieder zu einem neuen Tanz Noten herumreichte, da hörte man plötzlich einen der Musikanten ganz verzweifelt rufen: „Wat emma häst, mit dine Schietnote. On äwerhaupt — ‚Mädchen aus dem schwarzen Wald' — weest ja ganz genau, dat öck dat nich kann!"

 

Ehe zwischen Ost und West

„An der Geographie geht die Liebe langsam zugrunde", sagt der Dichter Erich Kästner, und darauf hoffte wohl auch der Mann, der jetzt in Celle vor dem Richter stand. Der Nachkrieg hatte die Eheleute voneinander getrennt: Seine Frau lebt noch in Ostpreußen, er wohnt im Bundesgebiet. Während nun Tausende sich bemühen, ihren Verwandten aus den Ostgebieten eine Zuzugsgenehmigung zu verschaffen, war dem Mann sein Strohwitwerleben wichtiger. Als alles Bitten nichts half, klagte die verzweifelte Frau gegen ihren Mann.

 

„Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft umfasst regelmäßig die Pflicht zum Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Der Ehegatte ist daher auch verpflichtet, die erforderlichen Schritte zu ergreifen, die in seiner Macht liegen, um eine häusliche Gemeinschaft herzustellen". So entschied das Oberlandesgericht Celle und verurteilte den Mann dazu, seiner Frau die zur Ausreise notwendige Zuzugsgenehmigung zu beschaffen. Der Frau bewilligte das Gericht das Armenrecht.

 

Seite 12   Heimatbücher - Kalender Jahrbücher

Masuren in 144 Bildern. Herausgeber von Martin Kakies. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. Format 19,5 x 27 cm. Kart. DM 7,50. Geschenkausgabe in Leinen DM 9,80.

Dies ist der neue Dokumentarbildband in der Reihe der Heimatbildbände mit je 144 Bildern, die der bekannte ostpreußische Verlag mit großem Erfolg herausbringt. Ruth Geede schrieb die Einleitung zu diesem Band, in der sie „das Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen" treffend zeichnet. Die 144 ausgesuchten, oft seltenen Aufnahmen führen dem Beschauer all die Schönheiten dieses wohl landschaftlich schönsten Teils Ostpreußens vor Augen. Ein einmaliger Erinnerungsband!

 

Die alte Heimat in Wort und Bld. Heft 1. Verlag Albrecht Czygan, Lübeck (früher Treuburg/Ostpreußen), Gustav-Falke-Straße 4. DM 2,50.

Diese Schriftenreihe hat es sich zur Aufgabe gesetzt nicht allein Erinnerungen zu wecken, sondern vor allem unserer Jugend eine Hilfe zu sein, die Heimat kennen und lieben zu lernen. Schon das vorliegende erste Heft vermittelt vielfältiges Wissen:ein gedrängter Abriss der Geschichte Ostpreußens, die einstige wirtschaftliche Bedeutung Ostpreußens für Gesamtdeutschland Sagen sowie heimatkundliche Beiträge. Gedichte und zahlreiche Bilder geben dem Bändchen einen netten Rahmen.

 

Der redliche Ostpreuße. Ein Kalenderbuch für 1957. Herausgegeben von Martin Kakies. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. 128 Seiten, DM 2,--.

Schön an diesem neuen Jahrgang des ostpreußischen Hauskalenders sind wieder die zahlreichen schönen Fotowiedergaben, insbesondere im Kalendarium, in dem einige einmalige Landschaftsaufnahmen gezeigt werden. Unter den Mitarbeitern finden wir wieder Agnes Miegel, Charlotte Keyser, Hedy Groß, Ruth Geede. Nicht alle Beiträge treffen wie die der Genannten das ausgesprochen Kalendermäßige. Das ist schade; es würde den „redlichen Ostpreußen“ sicher noch volkstümlicher machen und ihm weitere Leserkreise erschließen.

 

Westpreußen-Jahrbuch 1957. Herausgegeben von der Landsmannschaft Westpreußen. Zusammengestellt von Dr. Hans Bernhard Meyer. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. 176 S., DM 4,--

Bereits im siebenten Jahrgang liegt nun das Westpreußen-Jahrbuch vor. Man darf mit Recht sagen, dass diese Veröffentlichung im Kreise der Kalender und Jahrbücher der Heimatvertriebenen eine Sonderstellung einnimmt. Der gediegenen Ausstattung wird die sorgfältige Auswahl und Zusammenstellung der Beiträge gerecht. Das recht Eigentliche dieses Jahrbuches aber ist, dass es stets das Bild der Heimat durch Pinsel und Feder namhafter westpreußischer Maler lebendig werden lässt; hervorstechen besonders die Landschafter Erich Scholtis, Herbert Wentscher, Otto Herdemertens und die unverkennbare Feder Berthold Hellingraths. Der Dichtung ist mit Proben von Ottfried Graf Finckenstein, Martin Damß, Carl Lange, Gerda von Kries u. a. breiter Raum gegeben. Heimat- und volkskundliche Beiträge runden das Bild einer Landschaft.

 

Heimatkalender der Vertriebenen Deutschen. Herausgegeben vom BvD-Landesverband Hessen. 9. Jahrg. Verlag Dr. Walter Domann, Dillenburg/Hessen. 148 Seiten. 2,-- DM.

Erfreulich ist es, in diesem Kalender zu blättern. Einer von den wenigen, die das Kalendermäßige wirklich erfasst haben. Auswahl und Zusammenstellung lag in den Händen von Dr. H. Vogl, Dr. V. Aschenbrenner und Studienrat K. Opitz. Mit nahezu drei Dutzend Kalendergeschichten (darin liegt die Stärke dieses Hausfreundes!) ernster und heiterer Art, fern jeder schulmeisterlichen Belehrung, wird hier ein buntes Bild der Landschaften des deutschen Ostens, ihrer Menschen, ihres Brauchtums entworfen. Der Leser wird auf das Angenehmste unterhalten: er wird daher gern in seinen kurzen Mußestunden zu diesem Buche greifen. Bei der getroffenen Auswahl der Mitarbeiter bleibt bei aller Volkstümlichkeit des Kalenders das Niveau gesichert, oder anders gesagt, sichert es ihm gerade durch diese Auswahl seine Volkstümlichkeit. Nur um einige der Mitarbeiter zu nennen: Bruno Brehm, Friedrich Bischoff, Emil Merker, Erminia von Olfers-Batocki, Arnold Ulitz, Heinrich Vogl, Edgar Rode, Wilhelm Pleyer. Siegfried von Vegesack, oder unter den Lyrikern Agnes Miegel, Josef Schneider, Arno Holz, Alfred Görgl, Jochen Hoffbauer. Diesem Kalender möchte man einen recht großen Leserkreis wünschen.

 

Werner Schumann: Käthe Kollwitz. Bildauswahl von Hans Hans Kollwitz. C. Bertelsmann Verlag. Gütersloh. Das Kleine Buch Nr. 86, 16 Textseiten, 32 Bilder. Gebunden 2,20 DM.

Vom Selbstbildnis aus dem Jahre 1893 über Darstellungen der Mütter, der Armut, des Krieges und des Todes; vom Gedächtnismal für ihren Sohn Peter und an deren Bronzeplastiken bis zum „Letzten Selbstbildnis 1942" lässt die kluge und sorgfältige Bildauswahl dieses neuen Bandes aus der Bertelsmann-Reihe „Das Kleine Buch" erkennen, welcher Ausdruckskraft Käthe Kollwitz fähig war und welche künstlerische Entwicklung sie genommen hat. Immer wieder tauchen jene Motive auf, die einen sofort durch den Kopf gehen, sobald der Name Kollwitz fällt: Die von Kummer, Not und schwerer Arbeit niedergebeugten, ja „niedergeschlagenen“ Gestalten der Zukurzgekommenen; diese müden, verhärmten, verbitterten Gesichter, in denen die Armut Dauerquartier bezogen hat. Dazwischen aber finden sich einige der schönsten Variationen über das Thema „Mutter und Kind“, welche die deutsche Kunst aufzuweisen hat. Sie bilden sozusagen den Kontrapunkt in dieser Auswahl von 32 Bildtafeln.

 

Seite 13   Er suchte die Einheit von Mensch und Natur. Max Pechstein zum Gedenken.

Bild: Max Pechstein: Heinrich George als Götz (Zeichnung 1930) Im Besitz der Künstlergilde e. V., Eßlingen

Zu den vielen Nachträgen, die die Kunstgeschichte dieses Jahrhunderts noch zu leisten hat, gehört die volle Würdigung des ostdeutschen Anteils  an der Entwicklung der modernen deutschen Kunst und die Darstellung der Bedeutung der Landschaft gerade in einer Zeit, in der offensichtlich die Tendenz auf einen Ausgleich aller Unterschiede und die allerdings durch immer neue Aufspaltung gebremste Bemühung auf einen allgemein verbindlichen internationalen Stil geht.

 

Vielleicht am eindringlichsten wird die Einwirkung der landschaftlichen Elemente auf das Lebenswerk eines Künstlers bei Max Pechstein deutlich, den die Ostseelandschaft so nachhaltig geprägt hat, dass er ohne sie kaum mehr schaffen konnte, wie es die Tragödie seines letzten Lebensjahrzehnts zeigt und sein Bekenntnis: „Mir sind einfach die Beine weggeschlagen, ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Sande, seitdem mir das Land am Meer fehlt“. Und vieles, was er in den letzten Berliner Jahren schuf, war das mehr oder weniger erfolgreiche Ringen, aus dem Gedächtnis und der inneren Übereinstimmung heraus das nachzuschaffen, was ihm zum Lebenselement geworden war. Es war aber nicht nur das Nehmen von der Natur, Pechstein gelang es wie wenigen Zeitgenossen, ein Land in der Kunst festzuhalten, so das Naturerlebnis ins Symbol zu heben, dass heute aus seinen Bildern die Charakterzüge Ostpreußens und Ostpommerns, die typische Art der Menschen dieser Provinzen in seinen Bildern und Grafiken Leben haben und Leben vermitteln.

 

Der bei Zwickau in Sachsen geborene Arbeitersohn musste sich über das Handwerk die Kunst erkaufen. Wie bei vielen Zeitgenossen, vor allem den Weggefährten der „Brücke", der er eine wichtige Wegstrecke lang angehörte, war Malen zugleich ein Aufstand gegen die Zivilisation, ein Ausbrechen aus der Großstadt, die ihm in den ersten Jahren hauptsächlich Motiv seines Schaffens war, in die Ursprünglichkeit der Natur. Man folgte Edvard Munch und van Gogh, man schloss sich zusammen, um durch die Oberfläche hindurch zum Wesentlichen zu finden, zum Ausdruck! Das war bei Pechstein weniger brutal und aus dem Zwiespalt der Zeit gewachsen als bei einem Kirchner und war weniger lyrisch vegetativ als bei Otto Mueller. Er verband die Kräfte des neuen proletarischen Aufbruchs mit den bewahrenden Mächten ländlicher Herkunft verhältnismäßig unproblematisch, unagressiv, immer mehr der Natur zugetan, in der er — die vollkommene Einheit zwischen Land und Mensch suchend — mit den Fischern lebend, unter ihnen fischend oder malend beglückt und schaffensfroh aufging. Diese Unbekümmertheit half ihm, als er 1911 Ostpreußen, vor allem die Nehrung bei Nidden entdeckte und eigentlich so recht ein bedeutendes Kapitel unakademischer deutscher Kunstgeschichte einleitete, und dann, als er nach dem Krieg immer wieder nach Ostpommern ging, das er zu einer kunstlandschaftlichen Bedeutung erschloss wie einst Caspar David Friedrich Vorderpommern. Dazwischen ist er, dem Beispiel Gauguins und auch Noldes folgend, nach den Palauinseln gegangen, wo er im Südseeparadies der in Europa fast überall verlorenen Einheit von Mensch und Natur nachjagte, bis ihn der Krieg verscheuchte und auf abenteuerlichen Wegen zurück nach Deutschland führte.

 

„Es war von jeher, meine Wonne, ungebunden herumzustreifen und noch jetzt fällt es mir schwer, eine Arbeit zu leisten, welche  in irgendeiner bestimmten Form von mir gefordert wird“. Aus eigenem aber hat er immer wieder gearbeitet, wobei leben und umherstreunen, fischen und künstlerisch werken ineinander übergegangen und kaum mehr zu trennen waren.

 

Nidden bedeutete ihm alles „mit seinen wundervoll starken Farben. Hier lebe ich mit den Fischern und arbeite von Sonnenaufgang bis Untergang“. Und nachdem er sich in schwerer Jugend durchgekämpft hatte, durch Enttäuschungen und Erfolge, Gruppenbildungen und Trennungen gegangen war, mit den Stationen „Sezession“ und „Neue Sezession", „Brücke", „Preußische Akademie der Künste", Arbeitsbeschränkung im Dritten Reich, entwürdigende Behandlung durch Polen und Russen nach 1945, nachdem ihn Berlin dann als Professor an die „Hochschule für bildende Künste“ berufen hatte, da zog es ihn immer wieder zurück an die Ostsee, die ihm nun unerreichbar war. Sein Vermächtnis spricht den Wunsch aus, in Ostpommern, woher seine Gattin stammt, die heute in der Warmbrunner Straße in Westberlin einen Großteil seines sonst weithin verstreuten oder verschollenen Werks hütet, in Ostpommern, wo er nicht als einziger, aber keinem in der Gegenwart vergleichbar, gemalt hatte, dort einmal die letzte Ruhe zu finden.

 

Umfangreich und intensiv ist sein künstlerisches Erbe mit Großstadtbildern, Porträts und Akten, figuralen Kompositionen und Landschaften aus Deutschland, Italien und Paris, von den Palauinseln. Aber wie ist doch dieser Sachse zum eigentlichen Maler Nordostdeutschlands geworden! Da ist immer wieder die See, bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Das dramatische Element mit dramatischen Szenen, ausfahrenden und heimkehrenden Booten. Da sind, greifbar vor uns und in ihrer expressiven Kraft, in ihrem Wesen getroffen wie ein Aufruf an die Hinterbliebenen: Nidden in allen Phasen und Motiven, Kurenwimpel und Kurengräber, Szenen am Strand von einer paradiesischen Urtümlichkeit der Landschaft und der Akte in ihr. Da ist die Fülle der leuchtenden Bilder in Rot und Blau, Grün, Gelb und Ocker, da sind die zahllosen Zeichnungen, Lithos und Holzschnitte, deren einst von Paul Fechter geschaffener Katalog auf Fortsetzung wartet. Und da sind außer dem heute leider verschollenen, 1926 gemalten Bild „Lupomündung", dem „erhabensten Denkmal pommerscher Landschaft" seit Caspar David Friedrich, die Bilder von der See und von den pommerschen Seen. Wie konnte man einmal die Kunst dieses Malers und der Expressionisten überhaupt als „entartet" abtun, ging doch gerade von ihnen eine tiefe ethische, ja religiöse Sehnsucht aus, die ihre Kräfte aus dem, was wirklich „Blut" und was wirklich „Boden" war und bleibt, bezogen haben und nicht aus einem verlogenen und das andere ausschließenden Klischee.

 

Wir haben die große Wirkung in diesem Jahr gesehen, die das Werk des verstorbenen Nolde übte. Wir sind überzeugt, dass auch von Max Pechsteins Werk Erneuerungskräfte für die Kunst ausgehen werden, dass man über die Schwächen mancher seiner Jahre hindurch zum Eigentlichen vorstoßen wird. Es gibt bedeutende deutsche Kunstübersichten der Gegenwart, in denen nicht einmal sein Name zu finden ist. Die Kasseler „documenta“ 1955 haben neben einer Schwemme mehr oder weniger beachtlicher Zeitgenossen nur ein Stillleben in exotischer Stilisierung von ihm gezeigt. Diese Missachtung kann sich bald ändern. Auch wenn man weiß, dass Pechstein kein großer Neuerer, kein Schulebildner war, dass er aber ein geradezu elementares Werk hinterlassen hat, wird man erwarten, dass man sich seiner Bedeutung erst recht bewusst werden muss und wird. Ernst Schremmer.

 

Max Pechstein wäre am 31. Dezember 75 Jahre alt geworden. Er starb am 29.06.1955 in Berlin.

 

Seite 13   Ackermann aus Böhmen. Eine Neuübertragung.

Zu den schönsten Werken, die uns die Buchproduktion des vergangenen Jahres bescherte, muss man die prächtig ausgestattete Neuübertragung des „Ackermanns aus Böhmen" von Hans Franck zählen. Dieses bedeutendste Sprachkunstwerk des deutschen Spätmittelalters von Johannes von Saaz, den man nach den verschiedenen Stätten seines Wirkens auch Johannes von Tepl, weniger gebräuchlich auch Johannes von Prag, nach seinem wahrscheinlichen Geburtsort auch Johannes von Schüttwa nannte (Chroniken nennen ihn auch Johannes Teutonicus = der Deutsche), erlebt in dieser Ausgabe eine Erneuerung, die dieses Werk in seiner ganzen Schönheit erstrahlen lässt, und die mithelfen wird, der Ackermann-Dichtung endlich den gebührenden Platz in der deutschen Literatur zu sichern. In Hans Franck hat die Dichtung einen Interpreten gefunden, der mit Liebe und Sachkenntnis zugleich ans Werk geht, eines der größten und gültigsten deutschen Sprachkunstwerke in unserer Zeit wieder lebendig werden zu lassen. Welcher Sprachgewalt, welcher Einheit von Sprache und Werk begegnen wir in dieser Dichtung! Sie steht allein in diesem Zeitraum (etwa um 1400), geschrieben in der sogenannten Prager Kanzleisprache, jener neuhochdeutschen Schriftsprache, welche in der Kanzlei Karl IV. geformt und geprägt wurde. „Die Sprache dieses Werkes ist von einer Dichte und Wucht, einer Kraft und Urtümlichkeit, einer Bildfreudigkeit und Eindringlichkeit, die keineswegs im 15. Jahrhundert, sondern bis in unsere Tage hinein ihresgleichen sucht", bekennt Hans Franck in seinem Nachwort. — Der Einmaligkeit des Werkes ist der Verlag mit einer einfühlsamen Prachtausstattung gerecht geworden. Rede und Gegenrede sind mit mehrfarbigen Initialen von Horst Erich Wolter versehen, die Texte sind aus der Janson-Antiqua und Kursiv aus dem 17. Jahrhundert gesetzt.

 

Ein Buch, das nicht nur die Freunde und Liebhaber literarischer Kostbarkeiten begeifern, sondern dem Werk gewiss auch viele neue Freunde zuführen wird.

 

Der Ackermann und der Tod. Übersetzt und mit einem Nachwort von Hans Franck. Union-Verlag Berlin. 104 Seiten, Großformat 20,5 x 30 cm, Halbleder DM 20,--.

 

Seite 13   Der deutsche Osten im Spiegel des Buches.

Jenseits der Schuld.

Johannes Weidenheim: Treffpunkt jenseits der Schuld. Roman. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh. 464 Seiten, Leinen 16,-- DM.

 

„Maresi", eigentlich Maria-Theresiendorf, der Geburtsort des Verfassers, von dem er schon früher in seinem preisgekrönten Roman „Das türkische Vaterunser" erzählt hat, ist einer jener großen Orte in der Batschka, die ein Mittelding zwischen Dorf und Kleinstadt sind. Jener Roman erzählte aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als die Völkerschaften (Deutsche, Serben, Ungarn) noch im Einvernehmen miteinander lebten, wogegen das neue Werk zwar im gleichen Ort und Raum spielt, aber in der schlimmen Zelit des Krieges und Zusammenbruchs.

 

1945 bricht, ausgelöst durch das wilde erbarmungslose Geschehen des Krieges, auch in „Maresi" aus Neid, Gier und Raublust, aber auch beleidigt sein und Unterdrückung durch selbstherrliche reiche Herrn, der Blutrausch aus. Missgunst verwandelt sich in Hass, Hass in Schuld.

 

Die Schuld zwischen den Völkern, das ist das große Problem dieses Buches. Doch nicht wie in vielen Romanen des letzten Jahrzehnts, geht es hier um Anklage und Sühne in einseitigem Schwarz-Weiß, nein, es wird versucht, einen Weg zu finden, um in Zukunft solches Unheil auszuschließen, damit wieder ein Zusammenleben der europäischen Völker auch in jenen Räumen möglich wird, wo sich diese über Gräber und bittere Erinnerungen hinweg zusammenfinden müssten. Es soll eine menschliche neue Begegnung der ehemaligen Feinde sein, denn es geht um das friedliche Neben- und Miteinanderleben, auf das in jenen Räumen Slawen und Deutsche unbedingt angewiesen sind, weil sie sich nur so kraft ihrer Anlagen zum Wohle beider ergänzen können. Und weil sich nie mehr das wiederholen soll, was in Maresi, wie in vielen Orten des Ostens, beim Zusammenbruch geschah.

 

Im Gasthaus einer westdeutschen Stadt, das hauptsächlich Balkanemigranten und deutsche Vertriebene und Flüchtlinge aus dem Südosten aufsuchen, treffen ein Deutscher aus Maresi und sein serbischer Schulkamerad 10 Jahre nach Kriegsende zusammen. Sie stehen beide jetzt in völlig verschiedenen Lagern und ihre Schuldfrage ist gleichfalls ganz gegensätzlich. Der Deutsche bezichtigt die Jugoslawen der Blutschuld, weil sie alle deutschen Ansiedler beraubt, verschleppt und in großem Maße auch ermordet haben. Er erhebt die Anklage, dass furchtbares Unrecht an Menschen verübt worden sei, die sich keiner Schuld bewusst sein konnten. Hatten sie doch, oder vielmehr ihre Ahnen, vor zwei Jahrhunderten ein völlig braches Land in friedlicher Weise besiedelt und urbar gemacht, aus Steppe, Sumpf und Wildnis durch Fleiß, Zähigkeit und Ordnungssinn ein blühendes Land inmitten vernachlässigter und rückständiger Umgebung geschaffen. Daraufhin erwidert der Serbe, dass die Schuld der Deutschen — er zeigt es an einem Einzelgeschick mit mehr oder weniger großer Beweiskraft auf — in ihrem selbstgerechten Stolz, der völligen Missachtung und sozialen Unterdrückung der jugoslawischen Bevölkerung bestanden habe.

 

Es ist kein Wunder, dass am Ende der gegenseitigen Anklagen keine Verständigung mehr möglich scheint. Bis ein dritter Erzähler, ein gleichfalls aus „Maresi" stammender alter jüdischer Händler sich vermittelnd einschaltet. Seine Geschichte zeigt sinnbildlich an der Liebe einer deutschen Frau und eines serbischen Mannes, wie es einen Treffpunkt jenseits der Schuld gibt, wenn nicht nur politische, wirtschaftliche und soziologische Belange zwischen den Völkern wirksam werden, sondern die menschliche Beziehung getragen von Güte und verstehen wollen, und daraus folgender Achtung der anderen Art.

 

Osteuropa und der deutsche Osten.

Beiträge aus Forschungsarbeiten und Vorträgen der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, Reihe Nr. 1, Bd. 3 und Reihe 3, Bd. 3. Verl.-Ges. Rud. Müller, Köln-Braunsfeld, 1954 und 1956. Je 2,40 DM.

 

In Bd. 3 der Reihe 1 behandelt Prof. Dr. Hans Rothfels, Tübingen, „Die Nationsidee in westlicher und östlicher Sicht" und legt die grundlegenden Unterschiede der westlichen, insbesondere der französischen und englischen und der deutschen und östlichen Auffassung vom Wesen der Nation dar.

 

Verfasser weist auf das Experimentierfeld der Nationalitätenprobleme, auf das alte Österreich hin, das Osten und Westen in besonderer Weise in sich trug: „die alteuropäische, lateinisch-germanische und die neueuropäische, die deutsch-slawische Welt“. Die Ansätze zu einer Lösung der Nationalitätenprobleme, die in der Donau-Monarchie nicht mehr zum Tragen kommen konnten, seien in der estländischen Kulturautonomie, bei der die Fiktion der Deckung von Staat und Nation aufgegeben wurde, weiterentwickelt worden. Verfasser zitiert zum Schluss den Ausspruch eines Deutschbalten i. J. 1930, dass nicht nur das Schlagen einer Brücke von Staat zu Staat, sondern auch die Verständigung von Volk zu Volk das Gebot der Stunde sei. Prof. Dr. Theodor Schieder befasst sich in dem Aufsatz „Das Problem des Nationalismus in Osteuropa" mit den Wandlungen des Nationalismus, schildert die Entwicklung des nationalen Bewusstseins der Minderheiten vor 1919, die sich gegen den Staat, in dem sie lebten, richteten, und weist auf die Tatsache hin, dass durch das 1919 einseitig gewährte Selbstbestimmungsrecht Völker befreit, andere Völker aber unterdrückt wurden. Die radikalste Form des Nationalismus sei die Vertreibung der Ostdeutschen gewesen. Eine dauerhafte Befriedung Osteuropas sei nur durch eine föderative Lösung zu erreichen.

 

In Heft 3 der Reihe III: „Der europäische Osten in abendländischer und sowjetischer Sicht" unterzieht Dr. Herbert Ludat die landläufige Vorstellung, dass das mittelalterliche Europa von der romanisch-germanischen Völkerfamilie getragen und geprägt sei, der längst fälligen Korrektur und stellt die vollwertige Mitgestaltung der Slawen auch in dieser Geschichtsepoche fest. Die Registrierung der Bemühungen der Satellitenvölker der UdSSR, die sowjetische Geschichtskonzeption zu übernehmen, ist sehr instruktiv. Allerdings haben die jüngsten politischen Ereignisse, vor allem in Polen und Ungarn, eine Entwicklung eingeleitet, die ein langsames aber stetiges Lösen dieser Völker vom sowjetischen Vorbild zur Folge haben muss.

 

Edwin Erich Dwinger: Die verlorenen Söhne. Eine Odyssee unserer Zeit. Pilgram-Verlag, Salzburg-München. 650 S., Ganz. 16,70 DM.

Dieses neue Werk des Autors ist, wie alle seine Bücher, ein Tatsachenbericht großen Stils. Auch hier finden wir die immer wiederkehrenden Leitmotive des Dwinger'schen Schaffens: Die Forderung nach Freiheit und den Protest gegen die Unterdrückung des Menschen durch eine seelenlose und dämonische Apparatur der Macht.

 

Mit der Gestaltungskraft des großen Epikers erzählt Dwinger die Abenteuer einer deutschen Soldatengruppe, die nach 1945 weder in die Heimat zurückkehrte noch in russische Gefangenschaft ging. Die kleine Schar, der sich eine Anzahl von sowjetfeindlichen Kosaken und Männern verschiedener Nationalität anschließt, führt den Krieg im Verband einer antibolschewistischen Untergrundarmee auf eigene Faust weiter und überschreitet erst nach drei Jahren furchtbarer Entbehrungen die deutsche Grenze. Die Irrfahrt der längst Abgebuchten führt durch die Urwälder Osteuropas und oft genug stellen sie sich den sowjetischen Wehrmachtsteilen, die gegen sie aufgeboten werden, zum Kampf. Die Idee des Rechtes und der Hass gegen die Unterdrückung durch den Bolschewismus machen aus dem bunt zusammengewürfelten Haufen eine wunderbare Einheit und geben seiner Unternehmung einen historischen Sinn.

 

Dwinger sagt mit ungeschminkter Offenheit seine Meinung über alle Fragen, die uns heute bewegen: Über den Ost-West-Gegensatz, über Demokratie und Totalitarismus, über Militarismus und Wehrpflicht, über die politischen Fehlleistungen der Vergangenheit wie der Gegenwart und über die Menschheitsbedrohung der Zukunft.

 

Herrlich die vielen Gestalten, von denen die erregende Handlung getragen wird. Ein hinreißendes Buch, angefüllt mit Wirklichkeit, voll Spannung und politischer Weisheit.

 

Fritz Kudnig: Land der tausend Seen.

Die Seele einer Landschaft. Gedichte. Mit acht Fotos. Verlag Gräfe und Unzer, München. 40 Seiten, kart. 2,80 DM, Leinen 4,25 DM.

 

Dieser schmale Band Gedichte schließt sich in zeitlicher Folge an die tiefempfundenen Nehrungsgedichte an. Wie jene entspringen sie einem starken und echten Naturerleben. Hier sind es die weiten Ebenen, die klaren Seen, die geheimnisvollen Wälder Masurens, die unter der zarten Hand des Dichters zu singen anheben, dunkler, geheimnisvoller als die hellen Lieder der lichten Dünen und der endlosen Bläue des Meers, in schwingendem dunklen Moll. Und es ist darin: Ehrfurcht vor der sichtbarlich wirkenden Hand des Ewigen, in der Natur wie in der menschlichen Brust. Wir lauschen gern dieser leisen Stimme, die aus der Hast des Tages in die Stille der Natur führen will.

 

Frieda Jung: Auch ich hab mit dem Schmerz zu Tisch gesessen. Ausgewählte Dichtungen in Hochdeutsch und Platt, in Vers und Prosa. Verlag Gräfe und Unzer, München. 62 Seiten, kart. 3,50 DM, Leinen 4,90 DM. Eine sehr dankenswerte Aufgabe des Verlages, mit diesem Bändchen die schönsten Perlen aus dem Schaffen der ostpreußischen Dichterin Frieda Jung (1885 - 1929) in unsere Zeit zu retten und so vor dem Vergessen zu bewahren. Es zeigt sich, dass diese Mühe durchaus gerechtfertigt ist. Die Verse sprechen an in ihrem herzlichen warmen Ton. Manche zeichnen sich durch erstaunliche Aktualität aus. Eins kann diesem Band schon heute bescheinigt werden, dass er unter der Heimatliteratur einen besonderen Platz einnimmt.

 

Götz von Selle: Ostdeutsche Biographien. 365 Lebensbilder in Kurzdarstellungen. Holzner Verlag, Würzburg.264 Seiten, Ganzl. DM 11,80.

Auf ein Werk dieser Art ist lange gewartet worden. Anhand von 365 kurzgefassten Lebensbildern vermittelt es in eindrucksvoller Weise einen Überblick über die kulturelle Leistung des Deutschen Ostens, die als unverlierbares geistiges Erbe im deutschen Volk lebendig ist. Der nordostdeutsche Raum ist besonders reich mit glänzenden Namen aus allen Gebieten kulturellen Lebens vertreten, Ost- und Westpreußen allein mit 135 Namen. Ein wertvolles Nachschlagewerk für alle, die in der kulturellen Arbeit der Heimatvertriebenen stehen.

 

Seite 14   Ost- und westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit

Eheleute Wilhelm Bahlo und Frau Anna Bahlo, geb. Duda, aus Goldwasser, Kr. Lötzen am 07.12.1956 in Dachtmissen, Kr. Burgdorf/Hannover.

 

Eheleute Ernst Gubba und Frau Elisabeth Gubba, geb. Kern, am 26.12.1956 in Frankfurt/M., Ilbenstädterstr. 3. Der Jubilar war als Taubstummenoberlehrer siebzehn Jahre in Rössel und von 1924 bis 1947 an der Taubstummenanstalt in Königsberg/Pr. tätig. Bei Kriegsende blieben sie zunächst weiter in Königsberg, um ihre Tochter, die als Ärztin bei Prof. Starlinger tätig war, nicht zu verlassen.

 

Eheleute Rudolf Wegner und Frau Anna Wegner, geb. Krause, aus Zinten am 03.12.1956 in Nordhorn, Querstr. 48, wo sie ein neues Heim gefunden haben.

 

Eheleute August Neubert und Frau Theresa Neubert, geb. Werner, aus dem Kreis Heiligenbeil stammend, am 18.12.1956 in Buxtehude.

 

92. Geburtstag  

Witwe Auguste Neumann, geb. Nautsch, aus dem Kreis Wehlau, am 30.11.1956 in Drentwede, Kr. Diepholz, wo sie seit 1945 mit ihrem Schwiegersohn und ihrer fünften Tochter lebt. Die Jubilarin ist die älteste Einwohnerin der Gemeinde.

 

83. Geburtstag

Rektor a. D. Walther Hardt am 22.01.1957 in Lübbecke i. W., Andreasstr. 30. Der Jubilar wirkte u. a. in Rhein, Kreuzburg, Königsberg und Heiligenbeil. Er ist noch heute aktiv in Vertriebenenverbänden, politischen und kulturellen Organisationen tätig.

 

82. Geburtstag

Rentner Ferdinand Lange aus Ostpreußen, am 08.12.1956 in Aschhausen (Oldb.). Er kam erst 1948 aus der Heimat. Trotz seines hohen Alters fährt er noch täglich mit seinem Rad.

 

81. Geburtstag

Johanna Kulsch, geb. Klein, aus Heidemaulen bei Königsberg, am 15.12.1956 im Alters- und Pflegeheim Sanderbusch (Oldb.).

 

80. Geburtstag

Witwe Anna Kussat aus Königsberg /Pr., am 29.01.1957 in Seesen a. H. Die Jubilarin erfreut sich noch größter körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische.

 

Seite 14   Januar-Geburtstagskinder in Flensburg

Emma Harnack aus Memel, jetzt Martinsstift, am 1. Januar 1957: 78 Jahre.

 

Johanna Schmidtke, wohnh. Friesische Straße 111, aus Königsberg, am 2. Januar 1957: 80 Jahre.

 

Bruno Porr, wohnh. Südergraben 73, aus Lötzen, am 5. Januar1957: 81 Jahre.

 

Amalie Lange, wohnh. Norderstr. 24, aus Usfelde, Kr. Stallupönen, am 7. Januar 1957: 84 Jahre.

 

Helene Zenthöfer, wohnh. Trollseelgasse 1, aus Schönheide, Kr. Goldap, am 7. Januar 1957:79 Jahre.

 

Maximilian Zorn, wohnh. Pregelstieg 2, aus Königsberg, am 9. Januar 1957: 76 Jahre.

 

Berta Hecht, wohnh. Adelbylund 8, aus dem Kr. Pr.-Eylau, am 19. Januar 1957: 70 Jahre.

 

Fritz Babbel, wohnh. Ecknerstraße 61, aus Königsberg, am 21. Januar 1957: 77 Jahre.

 

Meta Liebe, wohnh. Paulsgabe, Kr. Jörl, aus Soldau, Kr. Neidenburg, am 21. Januar 1957: 76 Jahre.

 

Luise Kallweit, wohnh. Friesische Str. 29, aus Königsberg, am 22.01.1957:76 Jahre. Die Jubilarin ist langjährige treue Mitarbeiterin unseres Heimatblattes.

 

Marta Langheit, wohnh. Kloster zum Hl. Geist, aus Sensburg, am 25. Januar 1957: 75 Jahre.

 

Käte Weiss, wohnh. Angelsunderweg 36, aus Pillkallen, am 25. Januar 1957: 70 Jahre.

 

Wilhelmine Streich, wohnh. Hafermarkt 19, aus Schippenbeil, am 29. Januar 1957: 78 Jahre.

 

Johann Szepanski, wohnh. Adolf-Menzel-Weg 2, aus Treuburg, im Januar 1957: 82 Jahre.

 

Allen Jubilaren wünscht das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig - Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

 

Herzliche Glückwünsche zum Geburtstage allen Januargeborenen, ganz besonders den 40-jährigen:

am 14.01.1957: Friedel Bormann-Karnapp (KMTV Kbg.), 40 Jahre

 

am 16.01.1957: Hildegard Schröter-Denk (Tilsit), 40 Jahre

 

den 50-jährigen:

am 03.01.1957: Dora Wohlgemuth-Kaiser (Tgm Danzig), 50 Jahre

 

am 18.01.1957: Kurt Krüger (TuF Danzig), 50 Jahre

 

am 23.01.1957: Gerhard Weitzmann (KTC Königsberg), 50 Jahre

 

am 28.01.1957: Cilly Fehnert-Riemann (Zoppot), 50 Jahre

 

den 60-jährigen:

am 24.01.1957: Selma Haecker (Marienburg);

 

den 70-jährigen:

am 04.01.1957: Willy Thomas (Wehlau), 70 Jahre

 

am 24.01.1957: Käte Woyczuck-Wormit (KTC Kbg.), 70 Jahre

 

dem 75-jährigen

am 09.01.1957: Fritz Wiechmann;

 

dem 77-jährigen

am 21.01.1957: Fritz Babbel, 77 Jahre

78-jährigen

am 24.01.1957: Otto Beutner, 78 Jahre

(alle drei KMTV Kbg.).

 

Turnbruder Max Kneller (Dzg.-Neufahrwasser), der seit 1948 Bundesgeschäftsführer des Westfälischen Turnerbundes ist, wurde am 15.11.1956 zur Vollendung seines 60. Lebensjahres der Bundesehrenbrief des WTB verliehen. Im „Westfalenturner" schreibt Dr. Bernh. März nach Schilderung des turnerischen Lebenslaufes von unserem Max u. a.: „So ist der Lauf der Dinge, wenn ein Mann sich für eine gute Idee einsetzt. Hingabe, stete Selbstzucht und Einsatzbereitschaft sprechen aus diesen Leistungsangaben für einen Menschen, der trotz siebenjähriger Kriegsgefangenschaft und Haft von seiner Begeisterung für das deutsche Turnen nicht ablassen kann, der, nach Westfalen verschlagen, sofort die aktive turnerische Arbeit wieder aufnimmt, obwohl er zweimal die Heimat, dazu Hab und Gut verloren hat und wieder den harten Existenzkampf mit der Umwelt austragen muss“. Wir freuen uns mit Max Kneller über die Anerkennung und die Ehrung und wünschen ihm von Herzen Glück und Erfolg für sein weiteres Wirken.

 

Der Ehrenoberturnwart Willy Thomas vom MTV Wehlau vollendet am 04.01.1957 das 70. Lebensjahr. In Hessen (Dillkreis) geboren kam er schon 1890 als Kleinkind mit den Eltern nach Ostpreußen, das für ihn somit voll und ganz zur Heimat wurde. In Insterburg verbrachte er die Kindheit. Als er 1909 das Ingenieurexamen abgelegt und sogleich in Wehlau eine Maschinenbauanstalt übernommen hatte, trat er auch sofort dem MTV Wehlau bei, dem er den größten Teil seiner Freizeit widmete. Seit 1913 als Männerturnwart und seit 1914 als Oberturnwart wirkend, sind ihm in erster Linie das Anwachsen und Aufblühen sowie die vielfachen Erfolge der Mitglieder und Mannschaften des MTV Wehlau zu verdanken. Bei der 70-Jahrfeier des Vereins im Jahre 1932 wurde er daher durch den Ehrenbrief des Kreises I und zugleich durch den Ehrenbrief der Deutschen Turnerschaft geehrt. 1933 wurden seine Verdienste durch Ernennung zum Vereins-Ehren-Oberturnwart gewürdigt. Den 70. Geburtstag nimmt die Turnerfamilie gern zum Anlass, Turnbruder Willy Thomas besonderen Dank für seine turnerische Lebensarbeit auszusprechen und ihm und seiner treuen Lebensgefährtin Gesundheit, Wohlergehen, Frohsinn und Freude für den weiteren Lebensweg zu wünschen.

 

Ein gesundes, frohes und erfolgreiches Jahr 1957 wünsche ich allen Turnschwestern und Turnbrüdern. Gott schenke allen Völkern, die heute durch Krieg und Unruhen heimgesucht sind, den Frieden und erhalte den Frieden allen Völkern, die sich glücklich preisen dürfen, heute in Frieden zu leben. Unser allergrößter Wunsch bleibt daneben, dass der Glaube an die Heimat und die Hoffnung auf die Heimat stark bleiben mögen. Darum heißt unsere Losung für 1957: Wir hoffen auf den Tag!

 

Seite 14   Dr. Wilhelm Kutscher 80 Jahre

Am 26. Dezember 1956 beging in Göttingen Dr. Wilhelm Kutscher seinen 80. Geburtstag. Obwohl in Pommern geboren, ist sein Lebensweg eng mit Ostpreußen verbunden. Während des ersten Weltkrieges wurde er in das preußische Ministerium des Innern berufen und mit der Federführung für den Wiederaufbau, der Provinz Ostpreußen betraut. 1923 - 1932 gehörte er als geschäftsführendes Vorstandsmitglied dem Deutschen Landwirtschaftsrat an. In den schweren Jahren 1932/1933 war er Oberpräsident von Ostpreußen. Dr. Kutscher, einer der besten Vertreter des alten Beamtenstandes, erfreut sich auch heute noch ungebrochener geistiger und körperlicher Frische; in verdienstvoller und bewunderungswerter Weise nimmt er nach wie vor aktiv am Schicksal des deutschen Ostens Anteil, indem er seine reichen Kenntnisse und Erfahrungen, sein Wissen und Können dem Göttinger Arbeitskreis zur Verfügung stellt.

 

Seite 14   Treffen der 291. Inf.-Div. in Osnabrück

Das 3. Divisionstreffen der Elch-Division vereinte im Herbst ds. Js. die Kameraden in Osnabrück und erfasste damit erstmalig den Raum, aus dem vor dem Kriege und im Kriege erhebliche Teile unseres Verbandes rekrutiert wurden. Das Treffen war ein voller Erfolg. Von nah und fern strömten Kameraden herbei und füllten den schönen Saal des Restaurants Gerritzen bis auf den letzten Platz. Einige Kameraden nahmen erstmalig an dem Treffen teil; sie hatten bisher noch nichts von unserem Traditionsverband gewusst und sahen nun seit der Frontzeit zum ersten Male ihre alten Kampfgefährten wieder.

 

Der 1. Vorsitzende, Oberst a. D. Illas, eröffnete das Treffen mit einer Ehrung der gefallenen und vermissten Kameraden. Er dankte ihnen und den Hinterbliebenen für das große Opfer, das sie dem Vaterland und uns gebracht haben, und ermahnte die Kameraden, dieses Opfer nicht zu vergessen. Dann erläuterte der Vorsitzende der Elchfamilie die Gründe, die den Vorstand veranlasst haben, besondere organisatorische Maßnahmen durchzuführen, wie die Eintragung in das Vereinsregister, den Anschluss an die Arbeitsgemeinschaft der Traditionsverbände, den Übergang der „Elchspur" in die Soldatenzeitung „Alte Kameraden" und die Erweiterung des Vorstandes. Die Mitgliederversammlung billigte einstimmig die getroffenen Maßnahmen und sprach dem Vorstand einstimmig das Vertrauen aus.

 

Der Vorsitzende dankte der Versammlung für den Vertrauensbeweis und versprach im Namen des Gesamtvorstandes alles zu tun, um die Kameradschaft im Traditionsverband zu beleben und den Zusammenhalt zu festigen. Er gedachte dankbar der Vorarbeit der Kameraden Dr. Vogelsang und Burtscheidt, die einst die alten „Elche" zusammenfassten und durch die „Elchspur" zusammenhielten. Kam. Illas dankte seinen Mitarbeitern Burtscheidt, Schnewitz, Gehlhaar, Kandt und Fröhlich für ihre immer bewiesene Einsatzbereitschaft und ihre stillen Opfer zum Wohle der Kameradschaft. Er richtete einen ernsten Appell an alle Kameraden, in der Hast des Tages die Kameraden nicht zu vergessen.

 

„Es kommt nicht darauf an, von Kameradschaft zusprechen, sondern sie auch praktisch zu üben“. Wir hoffen und wünschen, dass uns ferner durch den Bezug von „Alte Kameraden" (jedes Abonnement bringt unserer Kasse jährlich DM 2,40) und durch Spenden mehr Mittel zur Verfügung stehen, um notleidenden Kameraden und Hinterbliebenen zu helfen. Wir wollen auch unbemittelten Kameraden den Bezug der Zeitung ermöglichen.

 

Alle Kameraden werden aufgefordert, uns Erlebnisberichte einzusenden, damit unser Nachrichtendienst belebt werden kann. Nur wenn jeder sich dieser Aufgabe verpflichtet fühlt und mithilft kann unser Blatt interessant bleiben.

 

Mit einem Gruß an die Kameraden in Mitteldeutschland und im Ausland wurde der erste Teil des Treffens beendet. In zwanglosem Beisammensein wurde das Wiedersehen mit vielen Kameraden bis in die späten Nachtstunden fortgesetzt.

 

Am Sonntagmorgen trafen sich die Kameraden des Res.-Inf.-Reg. 92 am Bucksberg, um im Rahmen einer Gedenkstunde des genannten Regiments auch unsere Toten durch Kranzniederlegung zu ehren. Eine kleine Abordnung begab sich dann noch nach Bad Essen zum dortigen Ehrenmal. Ein Gedenkstein dieser Ehrenstätte trägt den Namen unseres vermissten Kameraden Obergefr. Friedrich Höger vom A. R. 291. In Anwesenheit der Angehörigen fand auch hier eine kleine Gedenkfeier statt, und Kam. Illas legte einen Kranz nieder.

 

Seite 14   Kameradschaft Grenadierregiment 407

Um unser gemeinsames Kriegserleben wachzuhalten, aus dem unser Zusammenhalt entstanden ist, ist es unbedingt erforderlich, dieses Geschehen durch eine kurze Regts.-Geschichte festzuhalten. Nicht zuletzt sind wir dieses unseren gefallenen Kameraden schuldig. Mit jedem Jahr wird der Abstand vom Geschehen größer und die Abfassung immer schwieriger. Deshalb bitte ich alle Kameraden, die Irgendwelche Unterlagen besitzen, mir eine Abschrift zu überlassen, damit diese Unterlagen zentral erfasst werden. Auch der unscheinbarste Beitrag hat seinen Wert. Vielleicht ist auch jemand bereit, einen gewissen Zeitabschnitt zu skizzieren.

 

Anschriftenliste

Leider gibt es noch immer einige Kameraden, die unserem T.-V. fernstehen und deren Anschriften unbekannt sind. Ich bitte alle Kameraden, denen noch Anschriften von Kameraden bekannt sind, die noch nicht Bezieher des Mitteilungsblattes, bzw. noch nicht von uns erfasst sind, mir diese mitzuteilen. Wir benötigen alle Adressen für die Erstellung einer Anschriftenliste.

Alle Zuschritten an: R. v. Tycowicz, Wiesbaden, Weilstraße 12.

 

Seite 14   Leserpost

Heimatfotos

Wir suchen weiterhin schöne Amateuraufnahmen unserer Leser aus der Heimat, die wir in unserem Blatte zur Veröffentlichung bringen.

 

Schulgeschichte Hufenoberschule für Mädchen

Die von Ob. Stud. Dir. Waldsdorff verfasste Schulgeschichte der Hufenoberschule für Mädchen, mit 10 Bildern der Schule ausgestattet, ist bei Oberschullehrerin H. Schmidt, Soest/W., Wilhelm-Morgner-Weg 16, zum Preise von DM 8,80 erhältlich. Versand durch Nachnahme.

 

Frisches Haff und Frische Nehrung.

Elbinger Heimatbrief 7. Herausgegeben von Bernhard Heister. 1,-- DM. Bestellungen direkt beim Herausgeber: B. Heister, Berlin-Neukölln, Weserstraße 144 v. III.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (41)

Liebe ostpreißische Landsleite!

De Feiertage sind vorbei. „Leider", sagen de einen, wo am liebsten immer Feiertag haben möchten. „Gott sei Dank", sagen de andern, wo sich entweder den Magen verdorben haben oder wo nuscht aufem Bunten Teller hädden wie e paar verkrutzelte, steinharte Feffernisse, dass se ihnen mittem Vorschlaghammer zerkloppen mißden. De Emma, was meine Frau is, war ganz zufrieden, denn ich konnd ihr endlich die pelzgefitterte Pasorren gegen ihre kalte Fieße kaufen, wo se all lang nach gejankert hädd. Bei mir haud bloß zu e Paar neie Hosenträger aus. Aufem Teller hädden wir Himbeerbomboms, e Fefferkuchenherzche, e bißche Schucklad und sogar jeder e Stickche Marzepan. Auch e Tulpche Gliehwein konnden wir uns beleisten. So haben wir de ganze Rentensonderzahlung aufem Kopp gehauen und wären glicklich gewesen, wenn . . . Aber das muss ich Ihnen ganz genau auseinanderverposamentieren. (E scheenes Wort, nich?) Erstfeiertag abend kriegd ich es mittem Magen. Ich weiß nich emal, dass ich wo was verkehrtes gegessen hädd. Es fing mir an zu dricken, als wenn ich e Betonklotz drin hädd, und denn kam es mir immer so brandig de Gurgel hoch, dass ich dachd, da hädd mir einer hinterricks e Sodbrennerei eingericht. In solche Fälle hilft immer „Doppelsohlen-kauendes Nashorn". „Natron", verbessert mir eben de Emma, aber die versteht ja keinem Spaß nich. Nu kramd se in ihre Tutchens rum, bis se das Nashorn — ich bleib dabei! — fand, und gab mir e halbem Eßlöffel voll mit e Schluckche Wasser. Soweit war alles scheen und gut. Aber fragen se nich, was denn kam! Wir gingen inne Bucht, und nach e halbe Stund wurd mir so leicht, dass ich dachd, ich schweb inne Luftschaukel aufem Königsberger Johanni-Markt. Es war direkt unheimlich und es wurd immer verrickter. Der Bauch war aufgepust wie e Fahrradschlauch mitte Fußpump. Zuletzt kriegd ich es mitte Angst. Drum nischt wie raus auße Wanzenschaukel und rein inne Bixen! Aber de Bixen gingen nich zu, der Bauch passd nich mehr rein und wurd immer noch greeßer. Hädd mir einer e Zwirnsfaden am Westenknopp gebunden und mir rot angetuscht, denn wär ich e Luftballong gewesen. Ich wär denn durches Fenster geflogen und hädd mir de dörfliche Weihnachtsstimmung von oben bekickt. Aber dazu kam es nich, indem dass ich in meine Angst losbrilld: „Emma, ich platz!" Nu hoppsd se auch raus, fand aber im Diestern nich gleich de neie Wuschen, strumpeld, verlor de Bilangs und torkelt mir gegen meinen armen Bröch. Ich dachd, nu is passiert! Aber da fing es im Bauch an zu burbeln, als wenn de Kinder mittem Strohhalm inne Limmenad pusten. Und denn missd ich orndlich aufstoßen, und de „Platz"-Angst war vorbei. Wie wir nu Licht machden, da fanden wir de Bescherung. Das Tütche mit das „Nashorn" lag noch aufes Biefeh, aber es stand Backpulver drauf. Was war ich froh, dass se mir nich umgeriehrt und im Ofen geschoben hädd, sonst wär ich zeitlebens e knuspriger Toppkuchen gewesen. Das war nu zwar e beeser, aber auch der einzige festliche Zwischenfall, und wenn mir noch emal der Magen drickt, such ich mir dem „Nashorn" selbst, sonst krieg ich emmend Gips zu schlucken. Aber e große Freid hädd ich auch, und an die will ich Ihnen teilnehmen lassen. Ich kriegd aus Berlin e Päckche mit alte Gedichte, wo vor dreißig Jahre mal inne „Dittchen-Zeitung" drin gewesen waren und wo ich all lang vergessen hädd. Dabei fand ich auch eine „Ballade" aus Osterode, wo damals wirklich passiert war und wo de alte Osteroder sich bestimmt noch drauf besinnen werden. Da kam immer das Freilein Minchen aus Schlesien mit Leinenzeig hausieren. Se wog zwei Zentner, und das war ihr greeßter Kummer. So winscht se oft, se wär e Baumwollfaden, Nich gerade so haarig, aber doch so dinn ... Nu nahm se Loschie bei die Witwe K., und die ihre Tochter war dinn wie e Besenstiel, indem dass ihr e Doktor Bäder mit reichlich Salz verschrieben hädd. Davon war das Fett weggegangen. Das wolld das Freilein Minchen nu auch probieren. E Badwann war aber leider nich da, deshalb nahm se e alte Heringstonn und quetschd sich rein. Ich kann Ihnen nu nich de ganze „Ballade aufschreiben, weil se zu lang is, aber wenigstens dem dramatischen Schluss sollen Se zu lesen kriegen:

 

Doch Freilein Minchen razd und rucksd und rackerd / Und premsd sich durch, und — rietz — da war se drin / Drin huckd se! Aber wie se, eingepökeld, / Genug geplimpert hädd, da wolld se raus! / Doch wie se sich auch reißt und reckt und räkelt, / Es geht nich los, es wird und wird nuscht draus. / Se kann es nich begreifen und verstehen, / Se hat sich rein all de Figur verknillt, / Se schwitzt und stehnt, ihr tut de Pust vergehen, / Bis das se angsterfillt um Hilfe brillt. / Drei Frauen kommen, ihr vom Salz zu retten, / Und zoddern annes Fett ihr hin und her, / De Tonn hält fest mit Klammers rein und Ketten, / Und bald is aus, denn keine zwingt nich mehr. / Das sieht auch Freilein Minchen nun mit Schrecken, / Und aus ihr Aug e dickes Tränche rollt, / Denn inne alte Heringstonn verrecken, / Das hat se ganz gewisslich nich gewollt. / Drum hilft es nuscht, der Schwager muss nu kommen, / Zwar huckt se hier sehr stark dekolletiert, / Doch besser all, e Augche voll genommen, / Als dass se gänzlich ihren Geist verliert. / Der Schwager kommt und wischt sich iebre Lippen, / Wie er ihr sieht im tiefsten Neglischeh, / Denn fängt er an, de Venus rauszuwippen, / Und triezt ihr untre Anne inne Heh. / Beim Wurgeln muss er orndlich Schweiß verlieren, / Es is umsonst, es fasst ihm rein der Boss, / Und zwischendurch tut er e Aug riskieren, / Denn so e Glicksfall trifft sich selten bloß. / „Das beste is emmend, de Tonn zersägen, / Bloß Vorsicht, dass de Haut nich wird geritzt!" / Schnell tut er Freilein Minchen breitseit legen, / Jedoch se lamentiert vor Angst und schwitzt. / Da kommt der Nachbar Ede angeschlackert, / Wenn seine Altsche noch so doll krakehlt, / Er kickt nu zu, wie sich der Schwager rackert, / Bestimmt, der hat warhaftig noch gefehlt! / Jedoch er tippt sich wichtig annem Dassel: / „Mir scheint direkt, Ihr seid aus Allenburg! / Was quält Ihr Eich zuschanden mit dem Brassel! / Dem Hammer nehmt und schlagt dem Reifen durch!" / Nu tut der Schwager sich geheerig sputen, / Und damit is zu End auch mein Gedicht, / Denn Freilein Minchen tauchte aus die Fluten, / Und mittem Hechtsprung war se außer Sicht.

 

Bloß Nachbar Ede hadd noch Grund zum Klagen, / Er hielt es nämlich sehr fier seine Pflicht, / Nach dem Erfolg von diese Kur zu fragen, / Und dabei hat er fiere Fress gekriegt!

 

Na, is das nich e .scheene Weihnachtsfreid? Wie sind denn bei Ihnen de Feiertage gewesen? Und was war Silwäster los? Sind Se emmend auch mit e „onduliertem" Gang frieh morgens zu Haus gekommen wie unser Bauerochse? Der madderd e halbe Stund mittem Schilittschuhschlissel anne Hausentier rum und kriegd se nich auf. Zuletzt trommeld er mir raus, und ich missd in Unterbixen de Treppen runterrennen, ihm helfen. Aber de Tier war gar nich zugeschlossen, ich fassd aufem Dricker, und da war se auf. Da war er so verdutzt, dass er nuscht mehr sagen konnd wie bloß: „Prost Neijahr!" Denn sackd er zusammen, und nu missd auch noch de Emma kommen, ihm mit Wasser bespritzen, bis wir ihm wieder hoch kriegden.

 

Ihnen, liebe Landsleite, brauch ich ja nich zu spritzen, und Silwäster is ja nu auch all vorbei. So bleibt mir bloß noch eines iebrig, nämlich Ihnen allen e gutes und glickliches 1957 zu winschen. Prost Neijahr! Herzliche heimatliche Grieße Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger a. D.

 

Seite 15   Aus den Patenstädten

Münden. Der Kreis Münden hat als Patenkreis des Landkreises Ortelsburg zu Weihnachten an die Ortelsburger, die in der sowjetisch besetzten Zone leben, gedacht und sie mit Gabenpäckchen erfreut. Vor allem die Schüler der Mündener Schulen haben sich dabei betätigt. Oberkreisdirektor Ronge hat zwischen Weihnachten und Neujahr den Ortelsburgern in Berlin einen Besuch abgestattet und die Verbindung mit dem Patenkreis vertieft. Anschriften hilfsbedürftiger Ortelsburger in Mitteldeutschland sind bei der Kreisverwaltung zu erfragen.

 

Osterode (Harz).

Die im Städtischen Heimatmuseum am Rollberg von Dr. Granzin dem Museumsleiter, eingerichtete Heimatstube für die Patenstadt Osterode (Ostpreußen) wurde schon von vielen Besuchern besichtigt und bewunder;} auch Ausländer interessierten sich dafür. Bei den jährlichen Patenschaftstreffen soll die Heimatstube künftig den Mittelpunkt bilden, zumal sie ständig durch Arbeiten und Gaben der Ostpreußen erweitert werden soll. Literatur, alte Zeitungen, Alben, Fotos zeigen nicht nur die ostpreußische Stadt Osterode, sondern berichten auch von den Zeiten, in denen Lutter von Braunschweig, der mit Heinrich dem Löwen verwandt ist, Osteroder und Herzberger aus dem Harz zur Kolonisation mit in den Osten nahm und sie in Osterode in Ostpreußen ansiedelte. Ein Modell der ostpreußischen Stadt Osterode bauten Schüler der Jakobitorschule des Harzstädtchens unter der Leitung des ostpreußischen Lehrers Feuerabend. Ein besonders wertvoller Beitrag für die Heimatstube ist das Modell des Tannenbergdenkmals, dessen Herstellung von den in Berlin lebenden Erbauern, den Brüdern Professor Krüger, überwacht wurde.

 

Seite 15   Nordwestdeutsche Umschau

Lathen.

Die Ermländer sangen auf ihrer Adventsfeier viele schöne Lieder und auch die „Ermländische Vesper“. Aus der Umgebung waren viele Ermländer zusammengekommen, die sich um die festlich geschmückte Tafel sammelten. H. H. Pfarrer Braun aus Lathen-Wahn erfreute die Gäste mit einem Lichtbildervortrag aus der Heimat.

 

Weener.

Mit Liedern, Gedichten und Spielen wurde die Landsmannschaft Ostpreußen-Pommern an die weihnachtlichen Sitten und Gebräuche der Heimat erinnert. Der Kulturwart bot mit einer Kinderschar ein prächtiges Programm. In seiner Ansprache gab er der Hoffnung Ausdruck, dass die Welt in dieser Zeit zur Einsicht kommen und der Friede erhalten bleiben möge.

 

Delmenhorst.

Während einer Adventsfeier der Landsmannschaft Westpreußen hielt Georg Hoffmann einen anschauIichen und überaus interessanten Lichtbildervortrag mit 200 Bildern aus der Heimat. Lehrer Hoffmann ist vor allem Vogelfreund und Tierpsychologe, der die Vogelwelt kennt wie kaum einer. Viele seiner Aufnahmen gingen ihm verloren, die geretteten zeichnen sich durch ganz besondere Schönheit aus. Zudem ist Hoffmann ein lebendiger Erzähler der den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis werden ließ.

 

Ebstorf.

„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb". Mit diesen Worten forderte der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Loehrke, seine Landsleute zu einer Spende für die Ungarnhilfe auf. Die Sammlung brachte als Ergebnis 25 Mark.

 

Lebenstedt.

Seit einiger Zeit war für die Adventsfeier das von Karl Lechner geschriebene Theaterstück „Die Heimkehr" einstudiert worden, das nun unter dem Eindruck einer wirklichen Heimkehr in den Reihen der Landsleute aufgeführt wurde. Einen Tag zuvor war Frau Rexin mit ihren Töchtern zum Mann und Vater nach zwölfjähriger Trennung aus Danzig gekommen. Die eine Tochter überbrachte die Grüße der noch in der alten Heimat Lebenden. Herzliche Begrüßungsworte und Blumen gab es von allen Seiten.

 

Walsrode

Die Adventsfeier der Landsmannschaft Ordensland war von dem Ernst getragen, mit dem die Menschen aus Ost- und Westpreußen und dem Baltenland an ihre Heimat denken. Ehrenvorsitzender Scheffler fand in einer Feierstunde bewegende Worte und mahnte die Völker der Welt zum Frieden. Erst dann hätte die Welt die Weihnachtsbotschaft richtig verstanden.

 

Göttingen.

Der „Altpreußische Kulturkreis" hatte den Elbinger Mundartforscher Walther Braun als Gast, der einen Vortrag über die Bedeutung der Muttersprache hielt, die ihre Wurzeln in der Mundartsprache hat. Besonders hob Braun die Bedeutung der deutschen Sprache in den deutschen Ostgebieten hervor und sagte, dass wir dem Ausland dafür Beweise liefern müssten, dass im nordostdeutschen Raum deutsche Sprache und Mundart gesprochen werden. Frau Lenz-Pape (früher Flatow) verschönte den Abend mit Sologesang.

 

Nienburg.

Die ostdeutsche Singgemeinschaft erfreute in der Vorweihnachtszeit die Kranken im Bollmanns-Krankenhaus mit Heimat- und Adventsliedern und trug so dazu bei, Freude und Aufmunterung an die Krankenbetten zu bringen.

 

Wilhelmshaven.

Der erste Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Obermedizinalrat Dr. Zürcher, trug in einer vorweihnachtlichen Stunde bei Kerzenschein aus den Werken ostpreußischer Dichter vor: Werner Bergengruen, Manfred Kyber, Gertrud Papendick, Agnes Miegel, Ernst Wiechert, Max von Schenkendorf und Erminia von Olfers-Batocki kamen dabei zu Gehör. Frau Grandowsky spielte einige klassische Klavierstücke.

 

Salzgitter

Für die Kreisgruppe Salzgitter-Nord ergab die Vorstandswahl die einstimmige Wiederwahl des Vorsitzenden Gerhard Staff. Seine Stellvertreter wurden Emil Rehberg und Gerhard Dorr, Schriftführerin Hanna Kundt, Protokollführern Dorothea Beckurts, Jugendleiter Werner Stobschinski, Kulturreferentin Frau Klein.

 

Quakenbrück

In der Adventsstunde der Danziger wurden die Kinder und die Alten über 70 Jahre beschert. Bezirksvorsitzender Schwegmann überreichte Frau Therese Draws die goldene Erinnerungsmünze der Stadt Danzig „in Anerkennung treuer Mitarbeit während der vergangenen zehn Jahre".

 

Bad Grund.

Die Volksschule mit Aufbauzug sah eine erfreulich große Besucherzahl, als sie innerhalb ihrer Ostdeutschen Woche einen Ostpreußen-Abend veranstaltete. Dr. Lau, der frühere Intendant des Reichssenders Königsberg, sprach über den ostpreußischen Menschen. Sein Referat wurde von ostpreußischen Liedern, gesungen vom Schulchor, und Gedichten umrahmt. Kulturfilme über die Bernsteingewinnung und die Trakehner führten auch im Bild in die Heimat zurück.

 

Gifhorn

Zu einer Adventsfeier lud die Landsmannschaft Ostpreußen alle Heimatvertriebenen in Gifhorn ein. Die Ansprache des BVD-Kreisvorsitzenden Dr. Ohly wurde von gemeinsam gesungenen Liedern, Darbietungen des Vertriebenenchores und des Flötenspielkreises von R. Oelschlägel und einer Kindergruppe der Volksschule II umrahmt. Vorsitzender Lepkowski lud die anwesenden Nicht-Ostpreußen ein, an den monatlichen Zusammenkünften der Ostpreußen teilzunehmen, sofern sie keine eigenen landsmannschaftlichen Treffen haben.

 

Rotenburg.

Die Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen gedachte in der Vorweihnachtsfeier mit den Landsleuten all derer, die noch im Osten weilen, denen das Land aber nicht mehr Heimat bedeutet. In der Festrede sagte der BVD-Vorsitzende Ehleben, dass sich die Friedlosigkeit der Völker im Grunde im friedlosen Zustand der Herzen der einzelnen offenbare.

 

Braunschweig.

Am 22. Dezember 1956 lud die Ostpreußische Landsmannschaft zu einer familiären Adventsfeier. Mehr als hundert Landsleute waren dieser Einladung gefolgt, der Anteil der jüngeren zeigte sich erfreulich hoch. Der 1. Vorsitzende Lm. Kuhn gab in seiner Begrüßungsrede der Hoffnung Ausdruck, dass bald wieder von allen deutschen Domen, auch denen unserer ostpreußischen Heimat, das „Friede auf Erden" dem deutschen Volke erklingen möge. Denn erst dann sei wirklich Friede. Weihnachtliche Melodien, auf dem Klavier zum Vortrag gebracht von dem Kreiskulturreferenten, leitete über zu dem Spiel, das von der aktiven ostpreußischen Jugend gruppe unter der kundigen Leitung ihrer Führerin Gretl Kesinski in Szene gesetzt wurde. Das Spiel mit dem Titel „Die da aufstehen im Dunkeln" von Eugen Andergasten behandelt das uralte Thema des Brudermordes seit Menschenbeginn, ausgehend von Kain über Krieg und Notzeiten. Der heimgekehrte Soldat im letzten Bild, belastet mit der Blutschuld, die der Krieg ihm aufzwang, findet schließlich zur inneren Ruhe und wirklichen Heimkehr in der helfenden Tat an der leidenden Menschheit. Die Spieler gaben ihr Bestes, und keiner unter den Zuschauern, der nicht tief ergriffen war von der Handlung. — Nach kurzer Pause erfreute Lm. Könnemann mit heimatlichen Mundartvorträgen seine Landsleute.

 

Lübecke I. Westf.

Die Adventsfeier der hiesigen Ortsgruppe der Ostpreußischen Landsmannschaft am 9. Dezember war ein voller Erfolg. Ansprachen des Vorsitzenden Lm. Hardt und des als Gast aus Bielefeld anwesenden Bezirksvorsitzenden Lm. Michelau eröffneten den Abend, der sich in einer weiteren bunten Programmfolge fortsetzte. Sopransolis, Lesungen und Rezitationen wechselten mit gemeinsam gesungenen Liedern. Nach der gemeinsamen Kaffeetafel wurden verdiente Mitarbeiter mit Buchgaben erfreut. Das Gelingen des Abends ist zu großem Teil Verdienst der Damen Pieper, Szalpa und Kutzner.

 

Kaltenburg.

Unter dem Adventskranz trafen sich vor allem die älteren Mitglieder der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen zu einer Stunde der Besinnung. Vorsitzender Stahnke konnte Hermann Bink begrüßen, der mit Rezitationen seine Zuhörer fesselte. Aus seinem reichhaltigen Programm fanden die heiteren Stücke besonders großen Beifall, so daß sich der Vortragende zu mehreren Zugaben bewegen lassen mußte. Zwei junge Mädchen erfreuten die Anwesenden durch anmutig und grazlös vorgetragenen Spitzentanz.

 

Seesen/Harz

Das Danziger Wappen in gediegener Intarsienarbeit übersandte der Kunsttischler Willi Sander jun. aus Rüsselsheim (früher in Münchehof bei Seesen wohnhaft) der hiesigen Gruppe der Ost- und Westpreußen zum Weihnachtsfest als Zeichen seiner steten Verbundenheit. Es ist dies bereits das dritte Geschenk des in Gurnen, Kreis Goldap geborenen jungen Kunsthandwerks. Die Wappen des altpreußischen Ordenslandes, nämlich von Ostpreußen, Westpreußen und Danzig zieren jetzt den Festraum der Landsmannschaft im Ratskeller.

 

Im Mittelpunkt des Heimatabends am 5. Januar stand eine große Lichtbilderserie der Bundeslandsmannschaft: Ostpreußen, Weicheselland, Danzig.

 

Northeim/Hann.

In der traditionellen Vorweihnachtsfeier des Ostpreußenchores Northeim konnte Liedervater Gerhard Schulz den zahlreich erschienenen aktiven und passiven Mitgliedern verkünden, dass auf Grund einer Vorprüfung am 27. April 1957 im Funkhaus Hannover Choraufnahmen vorgesehen sind. Nachdem der Chor unter seinem Dirigenten Hermann Kirchner weihnachtliche Lieder erklingen ließ, lebten heimatliche Erinnerungen in den Darbietungen einiger Brummtopfsänger auf, die in Begleitung von einem „Schimmel", dem „Storch" und der „Pracherschen" erschienen. Für diesen Auftritt zeichnete Bruno Butsch verantwortlich. Zum 18. Male weilte Hermann Bink-Göttingen als gern gesehener Gast bei den Northeimern und beglückte sie mit den Darbietungen „Der letzte Mann" und „Die Palme von Port Said". Mit geselligen Spielen und Vorträgen klang der Abend aus.

 

Dortmund.

Die Versammlungen der Landsmannschaft Ostpreußen Groß-Dortmund finden künftig an jedem letzten Dienstag im Monat statt. Zu seinem 78. Geburtstag erhielt das Ehrenmitglied Heinrich ein Geschenk der Landsleute.

 

Bayern

Bayreuth

Für die Adventsfeier der Ost- und Westpreußen hatten Fräulein Margot Weiß und Frau Günther mit der Kindergruppe Darbietungen einstudiert. Der Nikolaus belohnte die Kleinen mit Gaben aus seinem großen Sack. Landsmann Pfarrer Flotow erwähnte in seiner Ansprache, dass das bekannte Adventslied „Macht auf die Tür" und das Kirchenlied „Such wer da will ein ander Ziel" von dem in Domnau geborenen Pfarrer Weißel stammen, der an der Altroßgärter Pfarrkirche in Königsberg wirkte. Der Königsberger Professor Ernst Thilo, ein Sohn des Pfarrers an der Altstadtkirche, schuf das Adventslied „Mit Ernst ihr Menschenkinder", und der Danziger Johann Daniel Falk, später Legationsrat in Weimar, schrieb „O du fröhliche, o du selige". Nach der Errichtung eines Waisenhauses verfasste er es für die Kriegerwaisen von 1812/1813.

 

Weilheim

Frau Bogs-Polling, Volker Bogs, der 2. Vorsitzende Kurt Karan und die kleine Anneliese Ketelhut boten den Gästen des gut besuchten Adventsfestes der Landsmannschaft Ostpreußen und Pommern ein reichhaltiges Programm. Mit besinnlichen Worten über die stille Vorweihnachtszeit wandte sich der 1. Vorsitzende Alfred Ketelhut an die Gäste, unter denen auch eine Frau aus Miteldeutschland wellte. — Im Rahmen einer Weihnachtsfeier wurden die Fahnen beider Landsmannschaften durch Dekan Dr. Keller-Hüschemeier und Herrn Winkler, Mitglied des Landesvorstands der Pommern, geweiht. Die Kinder beider Gruppen führten ein Märchenspiel vor. H. Winter erinnerte an heimatliche Geschehnisse. Auch der Weihnachtsmann erschien und bescherte Groß und Klein.

 

Traunstein

In der Weihnachtsfeier der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen konnte der 1. Vorsitzende, Schadau, Ehrenmitglied David Junker begrüßen, der am 2. Dezember 1956 seinen 80. Geburtstag feierte. Junker war mehrere Jahre 1. Vorsitzender der Landsmannschaft Ostpreußen in Hohenneudorf-Berlin. In seiner Ansprache ließ Schadau die Gedanken, in die Heimat wandern und mahnte, in der neuen Heimat die alte nicht zu vergessen. Es wurde der Toten in der Heimat gedacht, der Gefallenen beider Weltkriege, der Vermissten, Verschleppten und noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen. Unter Leitung der Kulturreferentin Romahn führte die Jugendgruppe ein Weihnachtsspiel auf. Bei Kakao und Kuchen beschenkte der Weihnachtsmann die Kleinen. Klavierstücke von Landsmann Lidig, Weihnachtslieder und Blockflötenmusik umrahmten die Feier.

 

 

Burghausen/Obb.

Zu einer gemeinsamen Adventsfeier fand sich die Interessengemeinschaft der ost- und süddeutschen Heimatvertriebenen. Der 1. Vorsitzende Kohls richtete herzliche Worte der Begrüßung an die anwesenden Landsleute, insbesondere an die Kinder und den ebenfalls erschienenen Bürgermeister der Stadt. Die Verdienste des bisherigen 1. Vorsitzenden, Max Kakerot fanden eine Würdigung in der Ernennung zum Ehrenmitglied und der Überreichung einer Ehrenurkunde. Im Anschluss daran wurde die Fahne der Interessengemeinschaft (schwarz-weiß mit Ordenskreuz) in einer schlichten Weihe ihrer Bestimmung übergeben. — Gedichtvorträge und Darbietungen eines Kinderchors sowie zwei Geigensolis bildeten die stimmungsvolle Überleitung zur eigentlichen Adventsfeier, in deren Mittelpunkt die Rede Gebhards stand, die mit der Hoffnung auf eine friedliche Wiedervereinigung und Rückkehr in die alte Heimat ausklang. Einen anderen Höhepunkt bildete das von Frau Kreil gesungene Ave Maria, nicht zuletzt die gemeinsam gesungenen Lieder beim Schimmer der Adventskerzen. — Heitere Mundartvorträge von Lm. Engel nach Texten von Dr. Lau, Johannes und Reichermann ließen diesen unvergesslichen Abend ausklingen.

 

Seite 15   Deutsche Zeitung für Ostpreußen

Allenstein. Die schon mehrfach zitierte, in Breslau erscheinende deutschsprachige „Arbeiterstimme", hat jetzt in Allenstein eine Zweigredaktion eingerichtet mit der Absicht, eine eigene Ausgabe für die Deutschen im polnisch besetzten Teil Ostpreußens herauszugeben.

 

Seite 15   „Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands“

Bonn. Die Bundestagsfraktionen der SPD, FDP und des BHE haben folgenden Antrag eingereicht: 1. Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands. 2. Das neue Parlamentsgebäude wird am Platz der Republik in Berlin errichtet. 3. Die Bundesregierung wird ersucht,

 

a) unverzüglich die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bundesministerien nach Berlin verlegt werden;

 

b) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass weitere Dienststellen und Institutionen des Bundes so schnell wie möglich nach Berlin verlegt werden,

und dem Bundestag darüber zu berichten, welche obersten Bundesbehörden sowie den Ministerien nachgeordneten Bundesbehörden in absehbarer Zeit nach Berlin verlegt werden können,

 

c) bei neu zu errichtenden Bundesbehörden von vornherein Berlin als Sitz zu bestimmen;

 

d) Bauten, die für oberste Bundesbehörden erforderlich werden, nicht mehr in Bonn, sondern in Berlin durchzuführen!

 

e) für die beschleunigte Wiederherstellung des Schlosses Bellevue Sorge zu tragen;

 

f) Raum für die Aufnahme der Regierungsstellen in Berlin durch beschleunigten Ausbau der bundeseigenen Gebäude in Berlin sicherzustellen,

insbesondere 20 000 000 DM für die Wiederherstellung des Europa-Hauses und der noch nicht aufgebauten Teile des Reichspatentamtes sowie des Bendlerblocks in den Bundeshaushaltsplan einzusetzen,

und den Bundestag über die Pläne für den weiteren Ausbau bundeseigener Gebäude zu unterrichten;

g) die Freie Universität, die Technische Universität, sonstige Ausbildungsstätten und die großen kulturellen Institutionen Berlins in den Stand zu setzen, die ihnen obliegenden gesamtdeutschen Aufgaben zu erfüllen. Auf der gleichen Ebene wie der gemeinsame Antrag von SPD, GB/BHE und FDP im Bundestage liegen drei Entschließungen, die der Landesverband Reichshauptstadt Berlin des Deutschen Saarbundes auf seiner Jahreshauptversammlung im Dezember 1956 fasste:

 

I.

Die Jahreshauptversammlung des Landesverbandes Reichshauptstadt Berlin dankt der Bundesleitung und der Bundesgeschäftsführung für das im verflossenen Arbeitsjahr vielmals gezeigte Verständnis für die besondere Lage auf unserer gezweigeteilten Insel Berlin und die Förderung der Berliner Landesverbandsarbeit. Wir bitten auch für die Zukunft um Verständnis und seelische Hilfe und hoffen auf weitere gemeinsame Erfolge für die Wiedervereinigung, insbesondere auch für das nächste Ziel:

 

„Berlin muss bald wieder deutsche Hauptstadt werden!“

 

II.

Die Jahreshauptversammlung begrüßt die Entschlossenheit seines Mitgliedes Bundesminister Lemmer, Wohnsitz und Arbeit in Berlin beizubehalten. Wir erblicken hierin den ersten positiven Schritt zu der von uns seit langem geforderten Wiederausgestaltung Berlins zu echter Hauptstadt und erwarten von Bundestag wie Bundesbehörden, dass sie bald und so vollständig wie möglich an die Spree übersiedeln. Berlin will Taten sehen.

 

III.

Die Jahreshauptversammlung fordert die ständige Werbung für die Wiederverlegung der politischen Leitung ganz Deutschlands nach Berlin und ermächtigt den Vorstand, die dazu geeigneten Schritte bei Presse und Rundfunk zu unternehmen, um dieser Zielsetzung größtmöglichen Widerhall zu verschaffen.

 

Seite 15   Heimatanspruch nur im Rahmen deutscher Ostpolitik. Von Wenzel Jaksch, MdB.

Wenn wir auf eine lange Friedensperiode hinarbeiten, müssen wir unsere Kraft in den Dienst einer friedlichen Weltintegration stellen. Im Rahmen dieser Gesamtaufgaben müssen wir eine lange fristige Bereinigung des deutschrussischen Verhältnisses suchen. Stalin hat versucht, das russische Sicherheitsproblem im Westen dadurch zu lösen, dass er einen Gürtel von Vasallenstaaten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer schuf. Diese Vasallenstaaten bieten der Sowjetunion keine Sicherheit mehr, sondern sie werden für die Russen immer mehr zu einem Unsicherheitsfaktor.

 

Wir können unseren Heimatanspruch nur erfolgreich vertreten im Rahmen einer neuen deutschen Ostpolitik. Westdeutschland ist auf seine außenpolitischen Aufgaben in Osteuropa wenig vorbereitet. Die Austreibungen haben eine Bewusstseinslücke hinterlassen, welche durch neue geistige Anstrengungen geschlossen werden muss. Ein Hindernis dieser Neuorientierung sind die Illusionen des deutschen Wirtschaftswunders, ist auch der Irrglaube an eine Dauerkonjunktur.

 

Mit den Völkern Ost- und Südosteuropas muss die deutsche Ostpolitik eine friedliche Bereinigung aller offenen Fragen anstreben. Die Sicherung ihrer Freiheit und Unabhängigkeit ist eine Gesamtverpflichtung der europäischen Demokratie.

Wir verkennen aber auch nicht die weltweiten Zusammenhänge unseres Schicksals. Freiheit und Frieden für Osteuropa können nur im Rahmen einer globalen Verständigung errungen werden. Deutschlands Aufgabe ist es dabei, die Aera der Machtpolitik in Europa beenden zu helfen und einen konstruktiven Beitrag zur friedlichen Integration der Welt zu leisten.

 

12 Jahre Trennung — frohes Wiedersehen

Seit 1946 wohnt in Fuhrbach Friedrich Viehöfer, „Mühlenfritz" genannt. Er gehört in die Dorfgemeinschaft wie ein Alteingesessener, obwohl an jedem seiner Worte zu erkennen ist, dass er ein eingefleischter Ostpreuße ist. Auch der einzige Sohn, der ihm geblieben ist, lebt dort mit seiner Frau und zwei Kindern. Friedrich Viehöfer hatte seine Frau seit dem letzten Kriegsurlaub 1944 nicht mehr gesehen. Während er nach dem Zusammenbruch in Fuhrbach ansässig wurde, forschte er nach seiner Frau, konnte aber erst 1950 durch das Deutsche Rote Kreuz die Nachricht erhalten, dass sie noch im polnisch besetzten Gebiet lebte. Sie hatte sich einem Treck angeschlossen, der vor den Russen in Sicherheit kommen wollte, aber nur bis Köslin gelangte. Jetzt endlich erhielt Frau Maria Viehöfer die Ausreisegenehmigung und konnte zu ihrem Mann und ihrem Sohn nach Fuhrbach reisen, wo sie auch ihre Schwiegertochter und die beiden Enkel kennenlernte.

 

Die ostdeutschen Vertriebenen haben einen relativ geringen Anteil an den Freiwilligen-Meldungen der Bundeswehr. Dieses Resultat ist einer Statistik des Bundesverteidigungsministeriums entnommen. Nur 6,3 Prozent beträgt demnach der Anteil freiwilliger vertriebener bei 17,2 Prozent des Anteils der Ostdeutschen an der Bevölkerung der Bundesrepublik.

 

Die „Bundeszentrale für Heimatdienst" wird erstmalig einen Jahreskalender ohne Abbildung ostdeutscher Wappen herausgeben müssen. Dies ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Bundeszentrale und Bonner Regierungsstellen. Der politisch begründete Verzicht hat zu schweren Differenzen innerhalb der Leitung der Bundeszentrale geführt.

 

Seite 16   Besuchsreisen nach Ost- und Westpreußen

Auf Grund der verschiedenen Pressemeldungen über die bereits stattgefundenen Besuchsreisen nach Polen und in die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete erhalten wir fast täglich Zuschriften unserer Leser mit der Bitte, doch einmal ausführlich über die Möglichkeiten solcher Besuchsreisen zu berichten. Wir haben uns daraufhin mit dem zuständigen Reisebüro in Hannover, das als Vertragspartner des polnischen Reisebüros ORBIS in der Bundesrepublik auftritt, in Verbindung gesetzt und die nachstehenden Informationen, die für unsere Leser von größtem Interesse sein dürften, erhalten:

 

Ein mit dem genannten Warschauer Reisebüro geschlossener Vertrag über gekoppelte Touristen- und Besuchsreisen nach Polen, Westpreußen, Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Oberschlesien versetzt nunmehr die Vertriebenen jener Gebiete in die Lage, kurzfristig ihre noch dort lebenden Angehörigen zu besuchen, sofern in diesem Zusammenhang die Besichtigung der Städte Warschau, Posen und Krakau oder Danzig mit in Kauf genommen wird, also in Koppelung mit einer Touristenreise in diese Städte. Diese Regelung ist neu in dieser Art und erspart den Reisenden die lange Wartezeit, die zur Erlangung des Visums für Besuchsreisen bislang etwa sechs Monate betrug. Von polnischer Seite wurde ein besonders günstiger TouristenUmtauschkurs gewährt, der nur für diese ausgeschriebenen Besuchsreisen Gültigkeit hat. Das Reiseprogramm sieht vor:

 

Tag:

Berlin ab 21.29 Uhr

Frankfurt/O. ab 22.58 Uhr Greizkontr.

Kunersdorf an 23.12 Uhr im Zug

 

Tag:

Kunersdorf ab 0,07 Uhr m. Schlafw.

Warschau an 8.19 Uhr I. Klasse

Fahrt zum Hotel — vormittags Stadtrundfahrt — nachmittags zur freien Verfügung — abends Oper- oder Konzertbesuch — Übernachtung.

 

Am dritten Tag teilt sich die Reisegruppe nach südlichen und nördlichen Besuchsorten. Da für unsere Leser fast ausschließlich der nördliche Teil in Frage kommt, verzichten wir hier auf die Wiedergabe des Programms für die südliche Gruppe.

 

Tag: Warschau, vormittags Museumsbesuch — abends Abfahrt nach Zoppot, Schlafwagen.

Tag: vormittags Stadtbesichtigung von Danzig — nachmittags Abfahrt nach dem selbstgewählten Besuchsort.

 

Bis einschl. 14. Tag Aufenthalt in den Besuchsorten.

 

15. Tag: Vormittags Eintreffen der einzelnen Teilnehmer in Posen — Stadtrundfahrt. Nachmittag zur freien Verfügung.

 

16. Tag:

Posen ab 1.25 Uhr

Berlin an 6.44 Uhr.

 

Leistungen

In dem Pauschalpreis von 370,-- DM sind enthalten: D-Zug-Fahrt I. Klasse ab und bis Berlin, in Polen mit Schlafwagen. Unterbringung in Hotels I. Kl. in Doppelzimmern. Vier Mahlzeiten täglich am 2, 3., 4. und 15. Tag. Fahrt I. Kl. D-Zug zum gewünschten Besuchsort und zurück nach Posen. Besorgung der polnischen und DDR-Visa. Taschengeld in Höhe von 300 Zloty. Eintrittskarten und Besichtigungsfahrten laut Programm. Gepäcktransfers von den Bahnhöfen zu den Hotels und zurück. Reiseleitung des touristischen Programms.

 

Teilnahme

An dieser Reise kann jeder teilnehmen, der in Polen oder in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten Verwandte oder Bekannte hat. Für die Anmeldung ist ein Reiseausweis (deutscher Reisepass oder von zwei Fragebogen mit zwei Lichtbildern. Die Fremdenpass) erforderlich, sowie die Ausfüllung Anmeldung muß mindestens 21 Tage vor Reisebeginn in Hannover vorliegen.

 

Aufenthaltsverlängerung ist in keinem Falle möglich.

 

Termine

Die Reisen sind jeden Freitag ab Berlin geplant. Voraussetzung ist, dass jeweils eine Mindestteilnehmerzahl von zwanzig Personen gebucht werden kann.

 

Weitere Einzelheiten sind aus einem Merkblatt ersichtlich, das wir auf Wunsch gern unseren Lesern vermitteln. Durch diese ausführliche Behandlung dieses Themas glauben wir, alle unserer Redaktion vorliegenden Leseranfragen erschöpfend beantwortet zu haben.

 

Seite 16   Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule Eröffnung am 1. April

Die Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule Katlenburg eröffnet am 1. April 1957 ihre Pforten.

 

Die Schule will Bauern- und Siedlertöchtern und Töchtern von Siedlungsbewerbern eine ländlich-hauswirtschaftliche Vollausbildung vermitteln und sie für ihre künftigen Aufgaben als Lehrfrau und Siedlerin ausbilden.

 

Vorbedingung für die Aufnahme ist der Nachweis des Besuches einer landwirtschaftlichen Berufsschule und der Nachweis einer dreijährigen ländlich-hauswirtschaftlichen Praxis.

 

Bewerberinnen, die die Mittlere Reife nachweisen können, brauchen nur zwei Jahre ländlich-hauswirtschaftliche Praxis zu haben.

 

Letzte Anmeldefrist ist der 31. Januar 1957.

 

Aufnahmeanträge und Prospekte werden auf Wunsch zugesandt. Wir bitten, diese bei der Verwaltung der Siedlerschule Katlenburg/Harz, Kreis Northeim/Hann., anzufordern.

 

Vertriebene Landwirte streben größere Höfe an

In einer Sitzung des Hauptausschusses der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern referierte Dr. Schapper, der Leiter der Treuhandstelle für das Flüchtlingssiedlungswesen in Niedersachsen, über „Die langfristige Eingliederung der heimatvertriebenen Landwirte (Grüner Plan der Vertriebenen)". Anhand von Statistiken wies Dr. Schapper nach, daß 60,9 Prozent der insgesamt 70 739 eingegliederten vertriebenen Landwirte auf Höfen mit einer Bodenfläche bis zu zwei Hektar angesetzt wurden. Die vertriebenen Bauern hätten jedoch in der Folgezeit versucht, ihre Höfe durch Zukauf oder Zupachtung aufzustocken. Die Tendenz zum größeren landwirtschaftlichen Betrieb sei vor allem in den industrieschwächeren Ländern, also vornehmlich in Bayern und Niedersachsen, besonders groß.

 

Ein Hemmnis für die Eingliederung der heimatvertriebenen Landbevölkerung sei das Fehlen eines gesicherten Landvorrates. So werde die Vertriebenen-Siedlung auch in Zukunft vor allem auf freihändigen Verkauf und freihändige Verpachtung angewiesen sein. Die Vertriebenen könnten eine Sicherung der Finanzierung für die bäuerliche Siedlung mit gutem Recht verlangen, denn trotz zahlreicher Schwierigkeiten hätten sie in den vergangenen Jahren eine hohe volkswirtschaftliche Leistung unter zahllosen persönlichen Opfern vollbracht. Diese Leistung verpflichte Bund und Länder, diesen Berufsstand unter den Vertriebenen für eine bessere Zukunft zu erhalten.

 

Auf die bayerischen Verhältnisse ging Josef Ruderich, Sachbearbeiter bei der Bayerischen Landessiedlung, ein. Er hob hervor, die drei wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Ansiedlung der vertriebenen Landwirte, siedlungsfähiges Land und ausreichende Geldmittel zu tragbaren Bedingungen, seien während der vergangenen Jahre nicht immer gleichzeitig vorhanden gewesen.

 

Seite 16   50 Hannoveraner-Hengste in Polen

Polen gehört heute zu den größten Pferdezuchtländern. Bei einem Pferdebestand von rund drei Millionen werden staatllcherseits über die Gestütsverwaltungen 42 Hauptgestüte und 15 Landgestüte unterhalten. Sieben Hauptgestüte mit rund 800 Stuten betreiben die Zucht auf Trakehner Grundlage und zum Teil in der Posener Zuchtrichtung, an dem das Trakehner Blut stark beteiligt ist. Der Bestand der Posener Stuten stellt sich auf rund 900. Die Zahl der in der polnischen Zucht eingesetzten Hengste des ostpreußischen bzw. Posener Blutes beträgt gleichfalls etwa 900. 50 Hengste der hannoverschen Zucht werden gleichfalls in der polnischen Zucht verwendet. Der Gesamtbestand an Landbeschälern liegt um 2500, wozu noch die gleiche Zahl an Zuchthengsten in volkseigenen Betrieben, staatlichen Landwirtschaftsbetrieben und Privatzüchtern kommen.

 

Staatsgut Bordschimmen

Das im Kreise Lyck gelegene Staatsgut von Bordschimmen (direkt an der früheren deutschpolnischen Grenze) hat bei Einbruch des Winters alle Landarbeiter entlassen. Ein ungetreuer Betriebsfunktionär hat kurz danach einen großen Teil des Maschinenparkes an Einzelbauern verkauft und ist daraufhin verschwunden. Das Gut ist dadurch in arge Schwierigkeiten geraten.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Erben gesucht von:

 

Hermann Stegmann, aus Elbing, Ostpreußen, nach 1920 dort verstorben, — Sohn:

Friedrich A. Stegmann, geb. 1885/1890 — Elbing/Ostpr., ausgewandert. — Verwandte oder Bekannte bitte melden:

Dr. M. Coutot-Brocker, Straßburg/Els. Allee Robertsau 77.

 

Nach einem langen, schweren Krankenlager entschlief am 17. Dezember 1956 zu Stade im 67. Lebensjahr unsere Turnschwester Elsa Kallinich geb. Baß. Mit den Hinterbliebenen und dem Königsberger Turn-Club, dem sie von Jugend an die Treue gehalten hat, beklagt die ganze Turnerfamilie den Heimgang dieser gottesfürchtigen, allzeit frohgestimmten, fleißigen und hilfsbereiten Frau. Ehre Ihrem Andenken! Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen: Fritz Babbel .Wilhelm Alm

 

Am zweiten Weihnachtsfeiertag entschlief nach langem und schwerem Leiden in ihrem 95. Lebensjahr unsere liebe Mutter Elise Fischer, geb. Rauschning, geboren 13.05.1882. Gestorben 28.12.1956.  In guten und schweren Tagen war sie uns allzeit ein Vorbild. Dr. jur. Martin Fischer und Familie Ijui (Rio Grande do Sul) Caixa postal 158 Brasilien. Werner Fischer und Familie. Kiel-Wik, Holtenauerstraße 276. Dr.-Ing. Richard Fischer und Familie, Hamburg-Gr. Flottbek, Droysenstraße 27. Elisabeth Pernice, geb. Fischer und Familie, Hildesheim, Bergsteinweg 22 Hamburg, den 29. Dezember 1956. Die Einäscherung wird in aller Stille in Hamburg-Ohlsdorf stattfinden.

 

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