Ostpreußen-Warte, Folge 12 vom Dezember 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 12 vom Dezember 1956

 

Seite 1   „… und Friede auf Erden“

Weihnacht 1956.

Überall in der Welt werden zur gleichen Stunde die Glocken von Kirchen und Domen die uralte Weihnachtsbotschaft in die Nacht läuten: und Friede auf Erden!

 

In Deutschland wird man die Kerzen an den Tannenbäumen anzünden und sich dem Zauber dieses innigsten aller Familienfeste hingeben. In staunenden Kinderaugen wird sich der Glanz der flackernden Flämmchen, der Silberfäden und -kugeln spiegeln. Man wird schenken und Geschenke empfangen und die alten Weihnachtslieder singen. Der Alltag soll heute keine Macht haben. Die Sorgen sollen für Stunden vergessen sein. Friede auf Erden.

 

Weihnacht 1956: Es wird anders sein. Anders auch als in den schweren Kriegsweihnachten, anders auch als in den Notweihnachten der Jahre 1945 und 1946. Die Ereignisse der letzten Monate haben uns erschreckend klar gezeigt, dass es nur eines geringen Anstoßes bedarf, um die Welt erneut in Brand zu stecken, Not und Tod und Elend über die Menschheit zu bringen, sie an den Rand des Abgrundes zu schleudern.

 

Noch sind die offenen Konfliktherde im Nahen Osten und in Ungarn nicht beseitigt; andere, unter dem Mantel eines scheinbaren Friedens schwelende, sind uns wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Es gibt in diesen Tagen kaum einen Menschen in der Welt, der nicht die ernste Bedrohung empfindet, die über der gesamten Menschheit lastet. Sorge und Angst mischen sich in alle Herzen.

 

Bange Fragen bewegen an dieser Jahreswende uns Deutsche: Fragen nach unserem allerpersönlichsten Schicksal, nach Schicksal und Zukunft unseres Volkes, das noch immer, zwölf Jahre nach Kriegsschluss, durch die unseligen Grenzen zerstückelt ist. Bangnis um den Frieden der Welt und schließlich bei uns Heimatvertriebenen die Frage nach der Heimat, nach der Heimkehr.

 

Wenn wir auf das zur Neige gehende Jahr zurückschauen, so können wir erkennen, dass mit den großen Problemen der Weltpolitik auch unsere Fragen aus der jahrelangen Erstarrung herausgerissen worden und endlich in Fluss gekommen sind. Dürfen wir endlich hoffen? Wird es unseren verantwortlichen Politikern gelingen — denn es wird nicht zuletzt von unseren Politikern abhängen —, diese Frage klug und richtig zur rechten Stunde und an richtiger Stelle in die Waagschale zu werfen, so also, dass die Lösung dieser Frage nicht erneut den kaum gebildeten Schorf auf dem Wunden übersäten, ausgebluteten Marterleib des alten Europa aufreißt?

 

Wird es gelingen? Es kann gelingen, weil es gelingen muss! Es ist nicht allein unser Problem: die Lösung entscheidet schließlich Sein oder Nichtsein der abendländischen Welt.

 

Und Friede auf Erden, läuten die Glocken in der Weihnachtsnacht. Wie oft haben wir im Verlaufe dieses Jahres, der letzten Monate im Besonderen, darum gebangt, ob wir dieses Weihnachtsfest noch als ein Fest das Friedens feiern können. Wir vermögen es, und dieses Wissen gibt uns die Hoffnung, dass es gelingen wird, den Frieden zu erhalten, allen pessimistischen Wahrsagern zum Trotz. Es gibt uns darüber hinaus den Mut, auch an die Möglichkeit einer friedlichen Heimkehr der Vertriebenen zu glauben.

 

Diese gläubige Zuversicht lässt sich nicht beweisen und errechnen. Im Leben der Völker, in der Weltpolitik versagen die mathematischen Formeln, man kann nur auf historische Parallelen und allgemeine Erfahrungen und Symptome hinweisen. Aus diesen Erkenntnissen heraus ist folgendes zu sagen: Man hat im geschichtlichen Geschehen oft Tatsachen zu schaffen versucht, die für eine Ewigkeit gegeben schienen. Nach wenigen Jahren bestanden sie schon nicht mehr. Hussittensturm, Untergang des Ordens in der Schlacht bei Tannenberg, der Dreißigjährige Krieg mit seinen Folgen, der Siebenjährige Krieg, das Zeitalter Napoleons, der Weltkrieg I, sie konnten wohl Abschnitte im Leben des deutschen Volkes beeinträchtigen, am Ende aber erstand immer wieder die ungebrochene Kraft des Deutschtums zu neuem Leben.

 

Glauben wir an die geschichtliche Kraft unseres Volkes, die in uns — wenn auch heute zum Großteil verschüttet und nicht spürbar wirkend — ebenso wie in unseren Brüdern jenseits der Zonengrenze lebendig, trotzdem lebendig ist und aus der sich unser Volk in der Gemeinschaft der europäischen Völker einst erneuern wird.

 

Glauben wir, dass es zu allen Entscheidungen, zu allen, friedliche Wege gibt, und glauben und hoffen wir fest, dass die Verantwortlichen der Welt diese Wege finden mögen, der Welt den Frieden zu erhalten.

 

Das sei unser Glaube, wenn in der Weihnachtsnacht die Glocken deutscher Kirchen und Dome überall im deutschen Land, in Bamberg und Naumburg, in Nürnberg und Königsberg, in Köln und Danzig, Lübeck und Dresden die alte Botschaft hinausläuten: und Friede auf Erden!

 

Seite 1   Foto: Weihnachtsabend. Holzschnitt von Bodo Zimmermann

 

Seite 1   Friede auf Erden!

Stillwinterlich liegt Wald und Feld.

Gott schenkte seinen Sohn der Welt.

 

Ein lichter Stern — kannst du ihn sehn?

weist uns den Weg nach Bethlehem.

 

Hält nun an einem Stalle still.

Tritt leis! Das Kindlein schlafen will.

 

Und knie hin, vergib, sei gut —

dein Feind hat auch von Gott das Blut

 

und stieg aus einer Mutter Schmerz —

ein Mensch wie du — mit Seel und Herz.

 

Seite 2  Polnische Bischöfe für deutsche Ostgebiete.

Nach Mitteilung des Vatikansenders werden künftig fünf polnische Bischöfe die polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie als Generalvikare verwalten. Sie treten an die Stelle der bisherigen Apostolischen Administratoren und werden unmittelbar dem Primas von Polen, Kardinal Wyszynski, unterstellt sein.

 

Die Neuordnung der östlichen Diözesen war seit Kriegsende zwischen Warschau und dem Vatikan umstritten. Im Vatikan wurde erklärt, dass die neue Maßnahme nicht ein Schritt oder ein „erster Schritt" zur Anerkennung der polnischen Souveränität über die deutschen Ostgebiete durch den Heiligen Stuhl sei. Die polnische Regierung habe jetzt lediglich die Erlaubnis erteilt, dass die Generalvikare in diesen Gebieten ihr Amt ausüben dürften.

 

Seite 2   Noch 85 000 in Sibirien.

Bundesvertriebenenminister Dr. Oberländer hat am Wochenende in Trier die Rückkehr von 55 000 Deutschen aus der Tschechoslowakei, Rumänien und anderen ostpreußischen Ländern sowie aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten angekündigt. Er teilte ferner mit, dass in den Lagern der Bundesrepublik gegenwärtig noch 200 000 Flüchtlinge lebten. Die Zahl der Evakuierten liegt nach Angaben Oberländers zurzeit bei 315 000. Davon müssten etwa 100 000 von Land zu Land und 215 000 innerhalb der Bundesländer umgesiedelt werden.

 

Vor der Arbeitsgemeinschaft der Landsmannschaften äußerte der Minister sein Bedauern darüber, dass die Sowjetunion immer noch 85 000 aus Ostpreußen, Westpreußen und Posen verschleppte Deutsche in Sibirien zurückhalte.

 

Seite 2   75 000 Heimatvertriebene bei der Bundesbahn

Die Bundesbahn hat bei den Maßnahmen in ihrem Personaldienst seit dem Kriegsende vor allem auf die besonderen Verhältnisse der ausgewiesenen und verdrängten Eisenbahner, der Heimkehrer und der Kriegsbeschädigten Rücksicht genommen.

 

Über 75 000 Heimatvertriebene sind jetzt bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Der gesamte Personalbestand der Bundesbahn beläuft sich auf etwa 519 000 Personen, so dass die Vertriebenenquote der Bahnbediensteten 14,5 v. H. beträgt, gegenüber einem Bevölkerungsanteil der Vertriebenen von 17,4 Prozent.

 

Seite 2   Zu Weihnachten Lichtergrenze

Das Kuratorium „Unteilbares Deutschland" hat an die Bevölkerung der Zonengrenzgebiete den Appell gerichtet, in der Weihnachtsnacht eine Lichtergrenze längs der Zonengrenze entstehen zu lassen. Von der Lübecker Bucht bis zum Fichtelgebirge sollen überall Weihnachtsbäume entzündet und Lichter in die Fenster gestellt werden, um den Menschen jenseits der Grenze ein Zeichen des weihnachtlichen Geistes und der inneren Zusammengehörigkeit zu geben.

 

Seite 2   Die Deutschen jenseits der Oder und Neiße. Situation nach den jüngsten Ereignissen in Polen.

„Die Regierung und die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei treffen alle Maßnahmen, um die gegenüber der deutschen Minderheit begangenen Fehler zu beseitigen und ihre tatsächliche Gleichberechtigung auf allen Gebieten des staatlichen, politischen und kulturellen Lebens zu sichern“. Diese Verlautbarung, welche die polnische Regierung wenige Tage nach den dramatischen Ereignissen in Polen veröffentlichte, die zur Rehabilitierung und Wiedereinsetzung von Wladislaw Gomulka als 1. Sekretär der KP Polens führten, wurden in der Bundesrepublik durch die Vorgänge in Ungarn und im Nahen Osten kaum beachtet. Und doch dürfte gerade diese Stellungnahme der neuen polnischen Regierung zu den zukünftigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen keine unbedeutende Rolle spielen. Sichtlich wäre es verfrüht, wenn man von einem Wandel der polnischen Politik im Hinblick auf die alten deutschen Provinzen jenseits Oder-Neiße sprechen wollte, aber nach einem Jahrzehnt ständiger Bedrückung ist es schon ein verheißungsvolles Zeichen, wenn die polnische Regierung offiziell zugibt, dass man gegenüber den Deutschen schwere Fehler und Übergriffe begangen habe und man jetzt bereit sei, diese zu beseitigen. Dem polnischen Parlament (Sjem) liegen nun auch mehrere Gesetze vor, in denen die Rechte der Deutschen (Warschau spricht dabei von der deutschen Minderheit) festgelegt werden sollen. Im Einzelnen ist vorgesehen:

 

Den Deutschen soll der frühere Besitz in der Landwirtschaft, der nach 1945 enteignet wurde, zuerkannt und möglichst zurückgegeben werden.

 

Die Deutschen können zu den Parlamentswahlen im Jahre 1957 im Rahmen der Vereinigten Arbeiterpartei Polens eigene Kandidaten aufstellen.

 

Beteiligung der Deutschen in den Kommunen.

 

Zulassung und Ausbau von deutschsprachigen Schulen.

 

Zulassung von Deutschen zum Studium an polnischen Universitäten.

 

Gründung von sogenannten Kulturgruppen.

 

Die Wahrung der Belange der Interessen der Deutschen soll die „Deutsche Gesellschaft für kulturelle und soziale Fragen" übernehmen. Die Gründung dieser Gesellschaft soll noch vor den Wahlen zum Sejm erfolgen.

 

Nach polnischen Angaben gibt es in der Woiwodschaft Breslau z. Zt. 56 Grundschulen, 6 Mittelschulen (polytechnische Schulen) und 4 Berufsschulen. Weitere 85 Grundschulen, in denen 12000 deutsche Kinder unterrichtet werden, bestehen in Pommern, Ostbrandenburg und Südostpreußen. Natürlich ist die Zahl der deutschsprachigen Schulen in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße noch gering, wenn man bedenkt, dass nach Schätzungen mindestens noch 800 000 Deutsche (1939 waren es 9 Millionen, im Juli 1945 noch 4,5 Millionen) in den alten deutschen Ostgebieten leben. Die polnischen Behörden haben diese Zahlen allerdings erst kürzlich bestritten und demgegenüber behauptet, die Gesamtzahl der unter ihrer Verwaltung stehenden Deutschen belaufe sich auf etwa 65 000. Nach allen Berichten, die uns in der Bundesrepublik vorliegen, sind die Zahlenangaben in diesem Fall unzutreffend, und es ist nur zu hoffen, dass die polnische Regierung die geplanten Erleichterungen allen noch in den alten, deutschen Ostgebieten lebenden Deutschen gewährt.

 

Das Verhältnis zwischen den zurückgebliebenen Deutschen und den von den Warschauer Behörden in Pommern, Südostpreußen, Ostbrandenburg, Westpreußen und Schlesien angesiedelten Polen (es sind nach polnischen Angaben 6,6 Millionen) hat sich in den Jahren gewandelt. Die Polen sehen in den Deutschen nicht mehr ihre Feinde, sondern Gefährten, die, wie sie, vom Schicksal hart geschlagen wurden. Die Haltung und die geplanten Erleichterungen der polnischen Regierung gegenüber den zurückgebliebenen Deutschen lassen uns hoffen, obwohl es zu früh wäre, von einer generellen Änderung der polnischen Politik in der Frage der Oder-Neiße-Linie zu sprechen, dass in Zukunft ein Weg gefunden wird, der beide Seiten trotz der schweren Belastungen der Vergangenheit näherbringt und versöhnt.

 

Seite 2   Wiedersehen in der Heimat

Breslau. Zum ersten Mal seit Kriegsende fuhren vier Reiseautobusse mit Touristen aus der Bundesrepublik vor dem staatlichen Hotel „Monopol" in Breslau vor. Etwa 150 Vertriebene aus den deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße, die jetzt wieder ihre Heimat besuchen, bildeten das Gros der Gesellschaft.

 

Viele von ihnen wurden in Breslau von ihren Angehörigen erwartet. Die Sprache stockte und das Herz schien zu springen, als sich Töchter und Väter, Söhne und Mütter nach Jahren der Trennung und Sehnsucht in den Armen lagen. Enkelkinder mussten sich immer wieder von verarbeiteten, zitternden Händen streicheln lassen. Sie konnten nicht ahnen, dass in diesem Moment der Großvater und die Großmutter mit keinem Reichsten der Welt getauscht hätte. Passanten, ob Deutsche oder Polen, wischten sich verstohlen die Tränen. Der Sieg der Menschlichkeit ließ keinen ungerührt. Der größte Teil der Reisenden tritt von Breslau aus die Weiterreise nach Städten und Dörfern in Oberschlesien an.

 

Seite 2   Mehr westliche Bücher

Warschau. Die Warschauer Zeitschrift „Zycie Gospodarcze" setzt sich für eine verstärkte Einfuhr von Büchern und Zeitschriften aus den „kapitalistischen Ländern" ein, deren Publikationen, wie das Wirtschaftsorgan erklärt, vor allem auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Technik ein außerordentlich hohes Niveau hätten.

 

Dem gegenüber sollte die polnische Einfuhr von Büchern und Zeitschriften aus der Sowjetunion und den Volksdemokratien eingeschränkt werden. Die Zeitschrift stellt mit Befriedigung fest, dass diese Auffassungen schon im Einfuhrplan für das Jahr 1956 ihren Niederschlag gefunden hätten. Die Devisenzuteilungen seien so gestaltet, dass der Buch- und Zeitschriftenimport aus dem Westen auf Kosten der entsprechenden Einfuhr aus dem Osten wesentlich gesteigert werden könne. Die ursprünglichen Einfuhrpläne, die den Osten gegenüber dem Westen bevorzugten, sind in letzter Zeit abgeändert worden.

 

Seite 2   Polen liberalisiert Staatsbetriebe

Das polnische Kabinett hat beschlossen, den industriellen Staatsbetrieben größere Rechte zuzubilligen und den Arbeiterräten eine breitere Grundlage als leitende Organe der Betriebe zu geben. U. a. sollen die Unternehmen das Recht erhalten, nach allgemeinen Weisungen eines zentralen Überwachungsgremiums eigene technische und finanzielle Arbeitspläne aufzustellen. Ferner soll den Betrieben hinsichtlich der Konstruktion und technischen Ausführung ihrer Erzeugnisse völlige, für die Preisbildung bedingte Freiheit gewährt werden.

 

Auf Anordnung des polnischen Landwirtschaftsministers sollen alle Bauern, denen der Hof weggenommen wurde, ihr Land sofort wiederbekommen. Das polnische Parlament verabschiedete ein Gesetz, nach dem „die Verantwortlichkeit des Staates für rechtswidriges Vergehen staatlicher Organe gegenüber den Bürgern" festgelegt wird.

 

Seite 2   Der letzte Monat

Eine starke polnische Regierungs- und Parteidelegation unter Führung von Ministerpräsident Cyrankiewicz und KP-Sekretär Gomulka reiste nach Moskau. Einen Tag vorher hatte der polnische Verteidigungsminister und stellvertretende Ministerpräsident Rokossowski abgedankt, und Cyrankiewicz stellte dem Parlament seine neue Regierung vor. In Moskau wurde der Delegation ein Erster-Klasse-Empfang zuteil. In der gemeinsamen Abschlusserklärung heißt es, es herrsche Übereinstimmung darüber, dass eine vorübergehende Stationierung sowjetischer Truppen in Polen notwendig sei.

 

Die zusätzlich stationierten sowjetischen Truppen in Polen sollen unter dem Oberbefehl der vorherigen polnischen Verteidigungsministers Rokossowski stehen.

 

Partisanenkämpfe, Demonstrationen, Generalstreiks, Verhaftungen und Deportationen sind in Ungarn weiterhin an der Tagesordnung. Weder UN-Generalsekretär Hammarskjoeld noch westliche Beobachter erhalten Einreiseerlaubnis. Der gestürzte Ministerpräsident Nagy wurde von seinem Nachfolger Kadar gefangengenommen, nachdem er ihm die unbehelligte Rückkehr in seine Wohnung zugesagt hatte. Kadar hat zugegeben, dass er nicht das Vertrauen des Volkes besitze und kündigte mehrfach weitgehende Zugeständnisse an.

 

SED-Sekretär Ulbricht gab zu, dass in der DDR Schwierigkeiten im Zusammenhange mit den Ereignissen in Polen und Ungarn bestehen. Vor allem die Studenten der mitteldeutschen Hochschulen bekunden Opposition gegen die Pankower Regierung. Der als führender Vertreter der oppositionellen Kräfte unter der Intelligenz angesehene Dr. Wolfgang Harich wurde im Auftrage der kommunistischen Generalstaatsanwaltschaft der Zone verhaftet.

 

Die Blockierung des Suezkanals durch Engländer und Franzosen und die Zerstörung der Ölpumpen an den Wüstenleitungen durch Araber ließen in fast allen europäischen Ländern die Benzinpreise ansteigen.

 

Die Staatsoberhäupter der arabischen Staaten trafen sich in Beirut. Seit dem Angriff gegen Ägypten ist das Misstrauen der Araber gegenüber England und Frankreich verschärft, der Zusammenhalt der arabischen Staaten noch fester geworden.

 

Die Entsendung sowjetischer Freiwilliger in den Nahen Osten hatte Moskau angedroht, falls Ägypten nicht von England und Frankreich geräumt wird. Inzwischen ist die internationale UN-Polizeitruppe mit dreitägiger Verspätung eingetroffen. England und Frankreich haben den Abtransport ihrer Truppen zugesagt und gemeldet, dass Schiffe bereits dazu unterwegs seien. Ägypten hatte erklärt, es bestünde die Möglichkeit, dass die Kampfhandlungen wieder aufleben, wenn das Land nicht geräumt würde.

 

Der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower wurde für weitere vier Jahre gewählt. Mit einer größeren Mehrheit als 1952 schlug er den Kandidaten der Demokratischen Partei, Adlai Stevenson. Eisenhowers Wiederwahl wird als ein Sieg seiner Persönlichkeit angesehen.

 

Die Einberufung der ersten Wehrpflichtigen in der Bundesrepublik wurde erneut verschoben. Voraussichtlich werden vor den Bundestagswahlen keine Einberufungen erfolgen. Große Schwierigkeiten bietet nach wie vor das Problem der Unterbringung der Soldaten.

 

Bundesverteidigungsminister Strauß gab bekannt, dass er sich erneut von den NATO-Generalen Gruenther und Norstad die Zusicherung hat geben lassen, dass im Falle eines Angriffs auf die Bundesrepublik oder Westberlin ein Gegenschlag mit Atomwaffen geführt würde. Daher sehe sich die Bundesregierung nicht veranlasst, die Aufstellung der Bundeswehr im Hinblick auf die Geschehnisse in Ägypten und Ungarn zu beschleunigen.

 

Der türkische Außenminister Menderes stattete unerwartet London einen Besuch ab. Diplomatische Kreise erklären, die Türkei und Irak — beide sind mit England durch den Bagdadpakt verbunden — wollen gemeinsam in Syrien einmarschieren, um die Gefahr zu bannen, die durch die sowjetische Unterstützung Syriens besteht.

 

Das irakische Parlament wurde kurz nach seiner Eröffnung von König Feisal in die Ferien geschickt. Der König verhängte den Kriegszustand über das Land.

 

Der Prozess gegen den früheren Präsidenten des Verfassungsschutzamtes, Dr. Otto John, der nach Ostberlin gegangen und wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt war, wurde vor dem dritten Strafsenat des Bundesgerichtshofes eröffnet.

 

Einen Stimmenzuwachs der SPD ergaben die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, ebenso wie das in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein der Fall gewesen war. Die CDU hatte kaum Änderungen zu verzeichnen, während die FDP Einbußen erlitt.

 

Die Olympischen Sommerspiele in Melbourne (Australien) waren schon in den Vorbereitungen von den Unruhen in aller Welt überschattet. Viele Sportler hatten auch anfangs unter den ungewohnten Wetterverhältnissen zu leiden.

 

Die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten bei Krankheit und Urlaub forderte die Gewerkschaft Metall. In Schleswig-Holstein streikten über 30 000 Arbeiter in mehr als zwanzig Betrieben zur Durchsetzung dieses Ziels. Der Streik erstreckte sich über mehrere Wochen und kostete die Gewerkschaftskasse 1,5 Millionen DM pro Woche. Auch die Arbeitgeber schufen einen Streikdurchhaltefonds.

 

Zum Präsidenten des Amerikanischen Roten Kreuzes wurde der bisherige Oberbefehlshaber der NATO, General Gruenther, gewählt. Den NATO-Befehl hat er seinem Nachfolger, US-Fliegergeneral Lauris Norstad, bereits übergeben. In einer Abschiedspressekonferenz in Paris erklärte Gruenther, ein mit allen modernen Waffen geführter Weltkrieg würde auch für den Angreifer Selbstmord bedeuten.

 

In einem Telegramm an die Vereinten Nationen forderte der syrische Außenminister El-Bitar, sich mit der Behauptung zu befassen, Syrien tätige umfangreiche Waffenkäufe aus der Sowjetunion. Sicherheit und Unabhängigkeit Syriens würden fortlaufend durch Großbritannien, Frankreich, Israel und die Türkei bedroht.

 

Fünf Algerier, die in Tunis die algerische Republik ausrufen wollten, wurden verhaftet. Daraufhin kam es zu schweren Ausschreitungen in Marokko, die sich gegen Frankreich richteten. Der Sultan von Marokko hat als Protest seinen Botschafter in Paris abberufen.

 

Einen Antrag auf Erlass eines politischen Amnestiegesetzes stellte die FDP. Sie begründete ihn damit, dass weitere politische Häftlinge in der DDR entlassen würden, wenn die Bundesrepublik inhaftierte Kommunisten freiließe.

 

Ein neuer sowjetischer Abrüstungsvorschlag wurde den Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Indiens und einige Zeit später auch der Bundesregierung zugestellt. Darin geht die Sowjetunion zum ersten Male auf den Vorschlag Eisenhowers ein, einer gegenseitigen Luftinspektion zuzustimmen. 800 Kilometer östlich und westlich des Eisernen Vorhangs sollen nach sowjetischem Plan für Luftaufnahmen freigegeben werden. Ferner wird von einer Reduzierung der Streitkräfte der vier Großmächte auf deutschem Boden gesprochen.

 

Der englische Premierminister Eden begab sich zu einem mehrwöchigen Erholungsurlaub nach Jamaika.

 

Seite 2   Pressespiegel.

Ostpolitik auf breiter Basis

„Die bundesdeutsche Außenpolitik war bisher in Richtung Westen auf nüchterne Überlegungen gegründet, in Richtung Osten war sie dagegen sehr stark Ressentiment bestimmt, aus ideologischer Bereitstellung heraus geführt. Ergebnis ist, dass wir statt einer Ostpolitik bisher eigentlich nur eine Anti-Ost-Politik zustande gebracht haben. Dabei gab es die bedauerliche Erscheinung, dass jene Kräfte, die bei gleich leidenschaftlicher Ablehnung des Bolschewismus wie andere auch stärker für eine aktive Ostpolitik im gesamtdeutschen Interesse eintraten und die vorherrschende Anti-Ost-Politik aus der offiziellen Außenpolitik in die Versammlungslokale der demokratischen Parteien verlegt sehen wollten, unbilligerweise als osthörig verleumdet wurden.

 

Angesichts der jüngsten Vorgänge im sowjetischen Satellitenraum wäre es sehr wünschenswert, wenn ab sofort die Streitaxt der Wahlpropagandakrieger aller Lager ruhte und unsere offizielle Außenpolitik versuchte, die Meinungen der Experten aller Lager ernsthaft zu wägen und für eine nunmehr höchst dringlich gewordene Ostpolitik eine möglichst breite Basis zu finden. Nichts könnte gefährlicher werden, als jetzt um billiger Wahlschlager wegen ein Gegeneinander zu fördern, ein Gegeneinander, das nicht nur zwischen Koalition und Opposition, sondern, wie wir seit Mai von Brentano über Greve bis zu Carlo Schmid erleben, auch innerhalb der einzelnen Parteien ein ostkonzeptionelles Durcheinander hervorrufen muss“. Der Fortschritt, Düsseldorf.

 

Erschütterte Bündnistreue

„Großbritanniens Bündnistreue gegenüber den Vereinigten Staaten ist durch die Ereignisse der

letzten drei Monate tief erschüttert worden ... Welche Bemühungen jetzt auch immer von den führenden Männern der USA, Großbritannien und Frankreichs unternommen werden, um die Wirksamkeit und den Zusammenhalt in den Beziehungen zwischen den drei Nationen wiederherzustellen, so ist es doch zweifelhaft, ob Großbritannien im selben Maße wie in den letzten zehn Jahren mit der Sympathie und Unterstützung der Vereinigten Staaten rechnen kann“. Frank Seiboth (MdB) in „Deutsche Einheit", Bonn

 

Lieber mit Sandkasten spielen

„Was die Wiedervereinigung anlangt, so kann man ein Wort Churchills variieren, dass die Adenauerpolitik „den Omnibus verpasst" hat. Die Kontakte, die sich gerade in Weimar ergeben haben und das Ziel verfolgen, über die Zonengrenze hinweg das deutsche Gespräch vorzubereiten, finden bei der CDU merkwürdigerweise die gleiche Ächtung wie vor Jahr und Tag die Forderung, unsere Politik selbst in die Hand zu nehmen und nicht immer nur einseitige Bindungen zu suchen, die uns zu Sklaven nicht erfüllbarer Verpflichtungen machen. — Auch unsere Armee — so, wie sie aufgebaut wird — kommt zu spät. Denn seit Korea haben sich nicht nur die Zeiten, sondern auch die Waffen geändert. Aber noch vor gar nicht allzu langer Zeit, es war während der diesjährigen Wehrdebatten, konnte Außenminister von Brentano von seiner Partei unwidersprochen dem Wehrexperten Mende empfehlen, „lieber mit dem Sandkasten zu spielen" statt Politik zu betreiben. Inzwischen hat die Entwicklung Herrn Mende, nicht aber Herrn von Brentano rechtgegeben“. New York Times.

 

Anwärter für die Anklagebank.

„Wenn Nürnberg die ständig gültige Lehre von der Bestrafung einer Aggression aufgestellt hat, dann gibt es jetzt eine ganze Reihe hoher Kandidaten für die Anklagebank: Eden, Außenminister Lloyd, Mollet, Chruschtschow, Marschall Bulganin, Außenminister Schepilow. Wir zweifeln aber doch daran, dass Anklage gegen sie erhoben wird, damit sie ihre Missetaten sühnen“. Chikago Tribune

 

Mindszentys Schuld

„Mindszenty ist ein durch und durch gottesfürchtiger Mann, ganz der Sache seiner Kirche ergeben, ein todesmutiger Bekenner der von Gott den Menschen gegebenen Freiheit, ein unbeugsamer Geist mit Anlagen zum Märtyrertum .. . Aber ein Kirchenfürst mit politischer Einsicht ist er nicht. Seine Botschaften nach seiner Befreiung haben viel dazu beigetragen, die neue Herrschaft der Sowjets zu beschleunigen und zu verschärfen, forderte er doch offen den sofortigen Abbruch aller Beziehungen zu Moskau und eine vollständige westliche Orientierung“. Sonntagsblatt, Hamburg.

 

Zerreißen wir die Parteiprogramme! Parteien kommen und gehen, und Staatsformen entstehen und verschwinden, was aber ewig bleibt, ist diese deutsche Erde und das Volk, das auf ihr sein Schicksal trägt! August Winnig (verstorben) in seiner Rede an die Freikorpskämpfer.

 

Seite 3   Trauriges Memel im Winter. Ein Ostpreuße sieht Memel nach neun Jahren wieder / Russen forcieren Aufbau.

Wir hatten jetzt Gelegenheit, mit einem Ostpreußen zu sprechen, der nach neun Jahren die Gelegenheit hatte, Memel zu besuchen. Zuletzt war unser Berichterstatter im Jahre 1947 in der Ostseestadt gewesen — als Kriegsgefangener. Jetzt kam er als Fahrensmann auf einem skandinavischen Schiff wieder in diese Stadt. Seiner Schilderung entnehmen wir folgende Einzelheiten:

 

Die schweren Zerstörungen, von der noch immer weite Teile dieser Stadt betroffen sind, werden jetzt anscheinend erstmalig in größerem Umfang beseitigt. Der Stadtsowjet hat das Zentrale Aufbaukomitee dezentralisiert in allen Stadtteilen kleinere Dienststellen eingerichtet. Das hat sich schon ganz gut bewährt, da die Verantwortlichen in den einzelnen Wohnbezirken größeres Interesse daran haben, einzelne Wiederaufbauprojekte nun endlich in Angriff zu nehmen.

 

Auch den Winter hindurch will man jetzt die bisher so vernachlässigten Wiederaufbauarbeiten fortsetzen. Zwischen Rathaus und Zollamt ist man gegenwärtig dabei, die Voraussetzungen für eine Neubebauung dieses schwer mitgenommenen Gebietes zu schaffen. In der Mittelschule für Jungen in der Altstadt ist ebenfalls ein Bezirkskomitee für den Aufbau eingerichtet worden. Von hier aus wurde die Räumung der großen Trümmerfläche der bekannten Memeler St. Johanniskirche geleitet.

 

Ein gesondertes Aufbauprogramm besteht für den Hafen. Ist er zwar bereits mehrfach renoviert worden, so besteht doch jetzt die Notwendigkeit, ihn wieder zu überholen, weil die bisherigen Arbeiten nicht immer sachgerecht ausgeführt worden sind. Ein weiterer Grund für die Aktivität im Hafen ist der Beschluss, den Fischereihafen erheblich zu erweitern. Man hat sich entschlossen, vor allem die lukrative Lachsfischerei zum Frühjahr zu vergrößern. Bekanntlich befinden sich die besten Lachsgründe in der Ostsee vor Memel.

 

In den Händen der Zentralen Aufbauleitung befinden sich nur solche Projekte wie der Wiederaufbau der Brücken, großer Wirtschaftsbauten wie Depots und wie der Ausbau der militärischen Anlagen und der Straßen. Der Aufbau der Brücken soll in den kommenden Monaten seinem Ende entgegengehen. Die Wiederherstellung der wichtigen Börsenbrücke steht kurz bevor, so dass danach endlich die Notstege usw. verschwinden können. Weiter ist an eine größere Tragfähigkeit der Karlsbrücke gedacht, die — wie sowjetische Zeitungen in Memel meldeten — durch den bisher über sie geleiteten Fahrzeugverkehr gelitten habe und nicht mehr sicher genug sei. Im Hochhaus der früheren Landesregierung befindet sich ein Aufbaustab, der allein für die Brückenbauten über die Dange zuständig.

 

Ein durchaus ziviles Aufbauzentrum befindet sich in der Umgebung der Polangen-, Libauer- und Roßgartenstraße. Hier wurden sehr viele Wohnhäuser neu errichtet und sogar zusätzliche Straßen geschaffen. Als völlig wiederaufgebaut kann die Libauer Straße bezeichnet werden, in der zwei- bis dreigeschossige Wohnhäuser entstanden sind. Interessant ist, dass die sowjetischen Behörden in den letzten Wochen keinen Widerspruch mehr erhoben, wenn sich Deutsche um solche Wohnungen bewarben. Die Deutschen werden jetzt wegen ihres Fleißes und ihren Fähigkeiten auch immer mehr in der Öffentlichkeit anerkannt.

 

Trotz dieser vielen Aufbauarbeiten macht Memel einen traurigen und trostlosen Eindruck. Es gibt noch zu viele Kriegswunden, die auch auf absehbare Zeit nicht geschlossen werden können. Kennzeichnender für die Trostlosigkeit ist aber die totale Militarisierung der Stadt, die den Charakter Memels als einer regen Wohn- und Geschäftsstadt sowie einer Stadt der Arbeit weitgehend verwischt hat. Alle Waffengattungen der Sowjetstreitkräfte sind in und um Memel stationiert. Man findet die verschiedensten Marineeinheiten, Luftwaffentruppen und Infanteriestreitkräfte. Und diese Truppenmassierung ist es, die Memel den Stempel einer trostlosen Gegenwart aufdrückt. Denn die Militärs sind es, die in allen Fragen mitentscheiden und das Leben in der Stadt weitgehend bestimmen. Memel ist für die Sowjets weiter nichts als ein Machtfaktor, dessen Sicherung und Stärkung alles andere untergeordnet wird.

 

Dementsprechend ist auch die Stimmung unter der Bevölkerung. Weitgehend dient die Arbeit der Menschen direkt oder indirekt den Streitkräften. Selbst die Fischerei wird unter militärischen Aspekten betrieben, und die Erzeugnisse der reichen Landwirtschaft aus der Umgebung der Stadt wandern in die überall angelegten oder wiederaufgebauten Depots und Lagerhallen. Die Stadt ist in allem eine lebendige Demonstration für die sowjetische Praktizierung der These, dass alle Arbeit zuerst der Stärkung der Staatsmacht zu dienen habe.

 

Natürlich gibt es auch im Memeler Leben einige helle Punkte. Da sind einmal die Veranstaltungen der russischen Staatsrederei „Inflot", die für ausländische Schiffsbesatzungen durchgeführt werden.

 

Partys mit Tanzveranstaltungen werden in den Seemannsheimen, dem Internationalen Klub oder dem modernen früheren Beamtenhaus am Libauer Platz durchgeführt. Russische Marinehelferinnen werden immer wieder zu solchen Festlichkeiten abkommandiert. Die Marine stellt auch ausgezeichnete Dolmetscher zur Verfügung, die jedem Botschaftspersonal zur Ehre gereichen würden.

 

In der letzten Zeit sind auch mehrfach westliche Delegationen aus den verschiedensten nichtkommunistischen Ländern bei Besuchen in der Sowjetunion auch nach Memel gekommen. Bei den Stadtrundfahrten in Sonderomnibussen bemüht man sich nicht im Geringsten, die militärischen Konzentrationen in und um Memel zu verheimlichen. In der Nähe des Friedrichsmarktes befindet sich neuerdings ein großes Kaufhaus, in dem nur Angehörige der Streitkräfte kaufen dürfen. Am Bahnhof sieht man mehr ankommende oder abfahrende Uniformierte als Zivilisten. Nur eine Bahnsteigsperre ist für Zivilisten. In den übrigen „Wannen" stehen Militärpolizisten, die die Fahrtausweise der Urlauber oder Abkommandierten überprüfen.

 

Obwohl Memel zum Gebiet der litauischen Sowjetrepublik gehört, geben sich die Sowjets die allergrößte Mühe, Memel äußerlich zu einer russischen und nicht zu einer litauischen Stadt werden zu lassen. Das Verhältnis der drei Nationalitäten — die zurückgebliebenen Deutschen, die Litauer und die angesiedelten Russen — untereinander ist sehr schwer zu definieren. Die bisher gebräuchliche Auffassung, dass die Deutschen und Litauer gemeinsam gegen die Russen eingestellt seien, kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Russen haben sich in der letzten Zeit zweifellos bemüht, zu den letzten deutschen Menschen einen besseren Kontakt zu finden. Was allerdings nach wie vor stimmt, dass ist die Feindschaft der Litauer gegenüber den Russen und die offene Verachtung, die die Russen gegenüber den Litauern zeigen. Das Verhältnis der Litauer zu den Deutschen kann als gut bezeichnet werden, weil bei unseren Landsleuten noch immer unvergessen ist, dass 1945 unzählige Litauer Deutschen geholfen haben, die aus Ostpreußen nach Norden ins Baltikum flohen. In letzter Zeit aber treten auch einige Spannungen auf, weil es die Litauer nicht gerne sehen, dass sich die Russen nun erstmalig den Deutschen nähern und diesen gegenüber einige Zugeständnisse machen.

 

Heute kann man bereits in zwei Memeler Buchhandlungen deutsche Bücher aus der Sowjetzone kaufen. In der großen Bibliothek liegen mitteldeutsche Zeitungen aus und hin und wieder werden sogar Kulturfilme aus der „DDR" vorgeführt. Das erfolgt natürlich alles nur in kleinem Rahmen, aber es ist immerhin symptomatisch für eine gewisse Änderung der russischen Einstellung.

 

Auch in der Verwaltung macht sich das schon in einigen Fällen bemerkbar. Besonders in den Randgebieten der Stadt wird man etwas toleranter, wenn die Deutschen ihren Glauben ausüben wollen und um Genehmigung von Andachten und anderen religiösen Zusammenkünften bitten: In erster Linie sind für Memel jetzt Gebetsversammlungen in Privathäusern zugelassen. Auch das ist schon eine große Erleichterung, weil diese Zusammenkünfte bisher oft von Spitzeln beobachtet und der Geheimpolizei gemeldet wurden. Hilfsprediger und andere Laienkräfte dürfen jetzt im privaten Bereich ebenfalls in der Stadt wirken.

 

Ziemlich aussichtslos erscheint jedoch auch in diesem Jahr noch die Gewährung wenigstens einiger deutscher Schulen oder Klassen im Memelland. Es heißt, für die Stadt Memel hätten die Sowjets und Litauer gemeinsam dieses Verlangen abgelehnt. Dagegen sprechen doch immer wieder Nachrichten davon, dass auf dem Lande fünf oder sechs Stunden wöchentlich die deutschen Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden dürfen. Allerdings sind diese Fragen noch völlig im Fluß. Völlig unklar ist auch noch, wer den etwa genehmigten deutschen Unterricht abhalten soll.

 

Aus der Stadt ist noch zu berichten, dass die Reorganisation des Hafenbetriebes noch immer auf sich warten lässt. Das größte Problem besteht hier bei den Lotsen und den Schleppern. Die den Hafen anlaufenden Kapitäne klagen immer wieder darüber, dass wegen der starken Strömungsverhältnisse vor der Einfahrt der Lotsen- und Schlepper-Einsatz schneller als bisher erfolgen müsse. Gegenwärtig dauert es mindestens sechs bis acht Stunden, bevor überhaupt ein Lotse erscheint oder ein Schlepper bei hohem Seegang zum Einbugsieren längsseits kommt. Immer wieder kommt es wegen dieser Unzulänglichkeiten zu Kollisionen oder anderen Schiffsunfällen.

 

Diskutiert wird ferner zurzeit, wie das Programm des Apollo-Kinos zu gestalten sei. Die Litauer fordern, dass endlich in diesem Lichtspieltheater auch litauische Filme gezeigt werden. Die Russen dagegen wollen nur ihre eigenen Streifen vorführen. Zu ähnlichen Debatten ist es auch bezüglich der offiziellen Veranstaltungen gekommen. Die Litauer fordern auch hier, dass bei den Aufmärschen und Reden auf dem Platz vor der Post die Politiker und Funktionäre beide Sprachen benutzen.

 

Zu den militärischen Ereignissen gehört, dass sich in der Nähe der Baptistenkirche der Englischen Kirche und der Apostolischen Kapelle Gebäude der Streitkräfte befinden. Es heißt, dass die zuerst genannte Kirche nicht mehr benutzbar ist, sondern als Kasino dient. Anlagen des Militärs befinden sich auch in der Holzstraße, im Stadtteil Mellneraggen, in der Moltkestraße und am Speicherplatz. Auch am Theaterplatz, wo sich das Militär-Kulturhaus befindet, an der schon genannten Johanniskirche-Ruine und an der früheren Börse sind militärische Einrichtungen. Der wiederaufgebaute Leuchtturm von Memel genauso wie die Hafenkommandantur Offizieren unterstellt.

 

In der Umgebung dominieren ebenfalls Truppen. Stützpunkte und Ausbildungs- oder Erholungsplätze aller Art befinden sich: in der „Seepalwe", der Mellneragger Plantage, am Koltersee, am Lepraheim oder am bekannten „Gedwill Paul“. Selbst die Betriebe in der Stadt produzieren vorzugsweise für den Armeebedarf. Das trifft für die chemischen Werke ebenso zu wie für die holzverarbeitenden Betriebe oder die Süßwarenfabrik.

 

Alles in allem kann man sagen, dass die Russen in Memel wie Kolonialherren herrschen und das okkupierte Land zu einer Bastion des Sowjetregimes in jeder Beziehung machen wollen. Man darf sich nicht darüber täuschen, dass diese Bemühungen vielfach Erfolg gehabt haben und dass Memel viele seiner traditionellen Züge verlor. Alles wird irgendwie in die graue und trostlose Schablone des sowjetischen Alltags eingepresst. Trotzdem besteht Hoffnung: Memel hat in seiner über 700-jährigen Geschichte sieben totale Zerstörungen überwunden. Es wird auch die sowjetische Okkupationszeit überdauern! (Zeichnung: Memel, Hafen)

 

Seite 3   Blick nach Osteuropa

Polen.

Das Auftreten kleinerer Abteilungen Ukrainischer Aufständischer, die sich im Gebiet von Hrubieschow aufhalten und des Öfteren in das benachbarte polnische Gebiet von Zamosz hinüberwechseln, um dort Lebensmittel und andere Versorgungsgüter zu erbitten, wurde kürzlich aus Lemberg gemeldet. Sie sollen über Truppenmassierungen in Galizien und an der polnisch weißrussischen Grenze berichtet und erklärt haben, dass sie im Falle eines Angriffes der Sowjets auf die polnische Bevölkerung zusammen mit weiteren stärkeren Verbänden auf Seiten der Polen kämpfen würden.

 

Auf Massenkundgebungen in Poen ist kürzlich der Abzug der sowjetischen Truppen und die Rückgabe der von der Sowjetunion annektierten früheren polnischen Gebietsteile gefordert worden, kann jüngsten polnischen Pressestimmen entnommen werden. Die polnische Bevölkerung wird in diesen Berichten jedoch vor übertriebenen Forderungen gewarnt, da sie einen zweiten ungarischen Krieg heraufbeschwören könnten.

 

Eine freudige Überraschung erlebten die polnischen Rundfunkhörer kürzlich, als ein Ansager plötzlich erklärte, dass die seit Jahren regelmäßig gesendete Reportage „Aus dem Leben der Sowjetunion" eingestellt und ab sofort dafür ein Wunschkonzert übertragen werde. Der Ansager meinte, dass die Hörer diese Neuerung zweifellos begrüßen werden.

 

Die polnische Regierung hat durch Beschluss eines der bisherigen Propagandainstrumente, das „Komitee für kulturelle Zusammenarbeit mit dem Ausland“, aufgelöst, dessen Hauptaufgabe darin bestand, „fortschrittliche Künstler" aus dem Westen nach Polen einzuladen und polnische Kulturpropagandisten ins Ausland zu schicken. In dem Auflösungsbeschluss heißt es, dass eine Zensur kultureller Kontakte mit dem Ausland unangebracht sei und dass eine direkte Fühlungnahme der an gegenseitigen Besuchen interessierten Kreise ohne überflüssige Vermittler weit zweckmäßiger erscheine.

 

Seite 3   Chronik

Kurzmeldungen aus der Heimat.

Allenstein.

Nach Umsiedlerberichten werden standesamtliche Trauungen von deutschen Paaren nach wie vor davon abhängig gemacht, dass sie die polnische Staatsangehörigkeit annehmen.

 

Braunsberg. Über 1500 Gebäude Braunsbergs wurden 1945 vernichtet. In den Ruinen der Stadt leben heute 4500 Polen.

 

Bromberg. An der Eisenbahnstrecke von hier nach Schneidemühl wurde ein neues Militärlager eingerichtet, das von sowjetrussischen Truppen belegt werden soll.

 

Danzig. Im Frühjahr 1957 soll Danzig einen eigenen Fernsehsender erhalten. Ein Großteil der dafür notwendigen Arbeiten wird durch sogenannte Selbstverpflichtungen der Einwohner durchgeführt.

 

Königsberg. Die Zellulosefabrik Sackheim, in der vornehmlich Holz aus Finnland und dem nördlichen Russland verarbeitet wird, arbeitet mit einer Belegschaft von 3500 Arbeitern — wie auch die Zellulosefabrik in Cosse — auf Hochtouren.

 

Posen. Noch in diesem Jahr soll in Posen ein modernes Fernsehstudio errichtet werden. Es wird ein Fernsehkino und zwei bewegliche Kameras besitzen.

 

Thorn. Die hiesige Universität hat in den 10 Jahren ihres Bestehens 3946 Magister, 86 Doktoren und vier wissenschaftliche Kandidaten ausgebildet.

 

Seite 3   Sowjetzonen-Presse zitiert deutsche Ortsnamen jenseits der Oder-Neiße.

Die Ostberliner Zeitschrift „Freie Welt" begann in ihrer jüngsten Nummer eine Bildreportage über die von Polen verwalteten deutschen Ostgebiete, wobei zum ersten Male wieder die deutschen Namen der umgetauften Orte und Städte erwähnt werden. In dem Berichtstext erscheinen die jetzigen polnischen Ortsnamen und dahinter in Klammern die deutschen. Im ersten Teil der Reportage werden Bilder von Olstyn (Allenstein), Mikolajki (Nikolaiken) und dem früheren Eggersdorf gezeigt, das jetzt Woinowo heißt. Ferner wird im Text Elbing erwähnt, das den Namen Elblag erhielt. Die Reportage enthält auch ein Landschaftsbild, das, wie es in der Unterschrift heißt: „Nahe der alten Grenze" auf dem Wege nach Warschau aufgenommen worden sei. Über Allenstein berichteten die Reporter, man treffe überall auf Menschen, die deutsch sprechen.

 

In den vergangenen Jahren hatte die Sowjetzonen-Presse es vermieden, durch die Benutzung der alten deutschen Städte- und Ortsnamen an die deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie zu erinnern. Für die nächste Nummer der „Freien Welt" wurden Berichte über die Städte Danzig, Zoppot und Gdingen angekündigt.

 

Seite 3   Seltsamer Unfall

Die bekannte Haff-Uferbahn von Elbing nach Braunsberg ist seit langem wieder in Betrieb. Allerdings ist die Zahl der Züge gegenüber von früher um mehr als die Hälfte verringert worden. Unlängst ereignete sich auf dieser Strecke ein seltsamer Unfall. Vor Cadinen am Frischen Haff rannte ein wildgewordener Ochse auf die Lokomotive zu und versuchte sie auf die Hörner zu nehmen. Das Tier musste dieses Unterfangen mit dem Leben bezahlen — allerdings wurde nach diesem Unfall die Strecke einen Tag nicht befahren. Die Leute witzeln, dass die Lokomotive wahrscheinlich — weil sie eine Nachkriegsproduktion ist — auch zu viel abbekommen habe... In Tolkemit wurde inzwischen ein Plan ausgearbeitet, dass Viehtriebe entlang der Uferbahn nur zu den Zeiten gestattet seien, wo keine Züge verkehren. Die mit Gras bewachsenen Bahnanlagen sind nämlich an eine Viehfarm verpachtet worden. In Succase dagegen liegen viele Wiesen, die viel höhere Erträge gäben, ungenutzt.

 

Seite 3   Unglaublich

Aus Insterburg heißt es, dass dort unbewohnte Häuser in der Innenstadt von den Straßen- und Marktbenutzern sowie den Besuchern als Bedürfnisanstalt missbraucht werden. Wie aus einem empörten Hörerbrief, der verlesen wurde, an das ostpreußische Funklokalprogramm hervorgeht, wurden auf diese Weise im Laufe der Jahre Dutzende von Häusern unvorstellbar verunreinigt. Einige der Gebäude kamen dadurch in einen solchen Zustand, dass sie wegen des Gestankes und wegen Verbreitung ansteckender Krankheiten abgerissen werden mussten. Die Abbruchkommandos räucherten die Häuser vorher aus, weil sich die Arbeiter weigerten, ohne diese vorbeugende Maßnahme mit dem Abriss zu beginnen.

 

Seite 3   Keine Reiseerlaubnis

Die polnischen Bewohner von Sangnitten — in der Nähe der sowjetisch-polnischen Demarkationslinie — im Ermland dürfen neuerdings ihren Wohnort auch zu Reisen nach Ostpreußen oder Polen nicht mehr verlassen. Ob ähnliche Verfügungen auch für andere Orte getroffen worden sind, ist nicht bekannt. Angeblich sollen die Reisebeschränkungen mit der gespannten politischen Lage zusammenhängen. Wie es heißt, haben die Sowjets an der Demarkationslinie entlang große Truppenkonzentrationen vorgenommen. Die Wojewodschafts-Kommandanturen der Bürgermiliz haben ferner für einige Grenzorte die Verfügung bekanntgegeben, dass nach hier keine Aufenthaltsgenehmigungen für Besucher aus dem Westen ausgegeben werden dürfen. Auch der lokale Telefonverkehr unterliegt großen Sperren. Auslandsgespräche werden schon seit langem nicht mehr vermittelt

 

Seite 4   Ostdeutsche Monatshefte / Gestern und Heute.

Ein Geburtstagsgeschenk

Wer vor nun fast 40 Jahren das Erscheinen der ersten „Ostpreußischen Monatshefte“ miterlebt und die Entwicklung dieser Zeitschrift — bis zu ihrem Verbot durch die NSDAP — anderthalb Jahrzehnte als eifriger Leser und Mitarbeiter verfolgt hat, der begrüßte vor einem Jahre die Neuherausgabe dieser wertvollen Kulturzeitschrift mit größter Freude. Allerdings wollte sich in diese Freude eine leise Sorge mischen, ob der nun schon siebzigjährige Herausgeber Carl Lange und sein Verleger Dr. Helmut Rauschenbusch sich in dieser täglich materialistischer werdenden Welt nicht eine zu schwere Aufgabe gestellt hätten. Aber Carl Lange, der unerschütterliche Optimist und Idealist packte sein Werk mit der Schwungkraft des in zahllosen Kämpfen bewährten Sportsmannes und mit der Tatkraft des alten Soldaten an, unbekümmert um die Nöte der Zeit. Und nachdem das erste und schwerste Jahr nun vorüber, kann man dem Geburtstagskinde wohl die herzlichsten Glückwünsche auch für sein neues Jahr und die weitere Zukunft aussprechen.

 

Die Bedingungen, unter denen die Ostdeutschen Monatshefte seinerzeit begründet wurden, glichen vielfach denen zur Zeit ihrer Neugeburt. Damals wie heute stand man nach einem verlorenen Kriege vor Trümmern und damit vor der Aufgabe des Wiederaufbaus, und jedes Mal bestand die Gefahr, dass bei den besonders dringlichen wirtschaftlichen Aufgaben die inneren, die kulturellen Dinge vernachlässigt werden könnten. In der Erkenntnis, dass eins ohne das andere undenkbar, ja, dass ein wirtschaftlicher Aufstieg ohne die kulturelle Unterbauung nur einen Scheinerfolg bedeuten würde — und in der Erkenntnis, dass die damals vom Reiche getrennte „Insel Ostpreußen" und die Deutschen in den anderen Ostgebieten geistig unbedingt eine Einheit bleiben müssten, schuf Carl Lange damals seine politisch über allen Parteien stehende — und darum kulturell dem Ganzen dienende — Zeitschrift, eine Brücke des Verstehens über alle trennenden Grenzen hinweg. Dies Verbindliche und Verbindende war ja seit je, ein besonderes Charakterzeichen für den Herausgeber, der Ostdeutschen Monatshefte.

 

 Ähnliche Aufgaben gibt es für ihn auch heute wieder; nur dass diese noch weit größer und schwerer und notwendiger geworden sind. Die „Insel Ostpreußen" und die weiten östlichen Siedlungsgebiete der Deutschen sind nun von der großen Flut völlig verschlungen, fremder Herrschaft ausgeliefert — und niemand weiß, wie lange diese währen wird. Umso mehr gilt es jetzt, dahin zu wirken, dass diese Räume uns nicht auch geistig aus dem Gesichtskreis kommen; denn erst dann wären sie für uns tatsächlich verloren.

 

Die Ostdeutschen Monatshefte sind glücklicherweise nicht das einzige Blatt, das sich diese Aufgabe gestellt hat. Und die Befürchtung wohlwollender Freunde bei ihrem Neuerscheinen fand vielleicht gerade darin seinen Grund, dass zu den zahlreichen heimatgebundenen Zeitungen und Zeitschriften nun noch eine weitere kommen sollte. Aber — Hand aufs Herz — kann von kulturellen Dingen je zu viel gesprochen werden? Dass die kleinen heimatlichen Mitteilungsblätter, aber auch die großen Heimatzeitungen neben den rein kulturellen immer noch viele Aufgaben zu erfüllen haben, weiß wohl ein jeder: die heimatpolitische Führung, die sachliche Beratung und Betreuung der Vertriebenen, die Pflege der landsmannschaftlichen Gemeinschaft, die Sucharbeit nach den Verschollenen usw. Und im Übrigen dienen solche Blätter ja sowieso im Wesentlichen naturgemäß in erster Linie den Belangen der eigenen Landsmannschaft.

 

Aus diesem Grunde ergab sich schon seit langem die Notwendigkeit, neben jenen engeren Heimatblättern eine alle und alles umfassende Zeitschrift zu gründen. So sollen die Ostdeutschen Monatshefte „jetzt über die früheren Aufgaben hinaus das Recht auf die Heimat verfechten, im Geiste der Charta der Heimatvertriebenen, und die aus der Vertreibung entspringenden wichtigsten Fragen und Probleme ... dem ganzen deutschen Volke eindringlich vorführen. … Denn die ostdeutsche Not ist eine gesamtdeutsche, ja, eine europäische Not…." So schrieb Dr. Ziehm, der ehemalige Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig beim Wiedererscheinen der Ostdeutschen Monatshefte in seinem Geleitwort. Inzwischen ist fast ein Jahr vergangen, und man kann aus vielen zustimmenden Presseberichten, aus Zwiegesprächen im Funk, aus der steigenden Bezieherzahl und nicht zuletzt aus der Tatsache, dass die Zeitschrift von maßgebenden Stellen ernstlich gefördert wird und dass sie gerade in Schulen und sonstigen Stätten der Bildung weite Verbreitung gefunden hat, man kann aus all diesen Tatsachen schließen, dass die Zeitschrift und damit ihr Herausgeber und Verleger auf dem besten Wege sind, die sich selbst gestellte Aufgabe wirklich zu erfüllen.

 

Aber wozu die Meinung anderer erfragen, wenn man die Möglichkeit hat, sich vom Werte dieser Zeitschrift selbst zu überzeugen? Ein ganzer Jahrgang liegt bereits vor uns. Vielen älteren Mitarbeitern mit besten Namen begegnet man mit Freude und Dank. Dazu kommen aber immer wieder auch junge, schöpferische Kräfte. Auch in dieser Hinsicht kennen die Ostdeutschen Monatshefte keine Grenze. Das gesamte deutsche Sprachgebiet ist in die Betrachtung und Betreuung eingeschlossen. Kulturelle Werte vergangener Zeiten stehen neben denen aus heutigen Tagen. Und den großen Geistern des Ostens sind ganze Sonderhefte gewidmet. Nicht immer eine leichte Kost und doch allgemein verständlich; nicht jeder Beitrag gleich wertvoll, wie könnte es anders sein; dennoch das alles fesselnd und anregend; niemals im üblichen Sinne politisch und trotzdem auch von höchster politischer Bedeutung.

 

So liefern diese Hefte den Beweis dafür, wie groß, wie tief und gewichtig das ostdeutsche Kulturschaffen für den gesamten deutschsprachigen, ebenso aber auch für den europäischen Raum immer war und ist. Eine Tatsache, die sich auch auf die Führenden der Fremdvölker auswirken müsste, wenn diese einmal Wert darauf legen würden, unantastbare geschichtliche und kulturgeschichtliche Tatsachen und Wahrheiten gelten zu lassen. Hoffen wir, dass die Stunde solcher politischen und menschlichen Einsicht doch, eines Tages kommt — aller geistigen Finsternis heutiger Zeit zum Trotz!

 

Seite 4   Junge deutsche Lyrik fand in die Vereinigten Staaten

Die junge deutsche Lyrik, die in Deutschland nicht selten stiefmütterlich behandelt wird, fand in den USA zwei großherzige Gönner. Prof. Ralph Charles Wood, Executive Director der Carl Schurz Memorial Foundation in Philadelphia und die Chefredakteurin der deutsch-amerikanischen Kulturzeitschrift „American-German Review": Alice H. Finckh gaben die erste, nach dem Krieg in den USA erscheinende Anthologie jüngster deutscher Lyrik heraus. Das Werk der beiden Herausgeber geschah aus einer tiefen Verehrung Woods der deutschen Sprache und Kultur gegenüber, die sich nicht zuletzt darin äußerte, dass sich das literarische Schaffen Ralph Charles Woods durchwegs der deutschen Sprache bedient. Sein jüngstes Werk, die liebenswerte Erzählung „Klumpendal", Schilderung des deutsch-amerikanischen Ortes Wooden Shoe Valley, erschien 1955 im Franz Westphal-Verlag, Wolfshagen-Scharbeutz. Mit der Herausgabe dieser deutschen Lyrik-Anthologie, deren Gedichte Gerhard Riedel den Herausgebern vermittelte, gewinnen junge deutsche Lyriker erstmals den Zugang zu einem amerikanischen Leser- und Interessentenkreis.

 

Seite 4   Ost- und Westpreußen in Geschichte und Kultur

Die Universitätsbibliothek Münster zeigte anlässlich der beiden in Münster stattgefundenen Veranstaltungen zur Hundertjahrfeier des Historischen Vereins für Ermland und der Jahresversammlung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung eine Ausstellung „Ost- und Westpreußen in Geschichte und Kultur".

 

Seite 4   Neue volkspolnische Zollsätze

Die volkspolnische Presse hebt hervor, dass die ab 1. Oktober geltenden neuen Zolltarife eine „beträchtliche Gebührensenkung" enthielten, was vor allem für Schuhwerk, Bekleidung, Wäsche sowie für Medikamente gelte. Die bisher gültige Zolltabelle enthielt 268 Positionen, während die neue Tabelle jetzt 408 enthält, was auf eine „bedeutend detailliertere Aufzählung der Artikel" zurückzuführen ist. Bei Schuhwerk wurde die Zollgebühr für gebrauchte Schuhe um 75 v. H. gesenkt, desgleichen bei Kinderschuhen. Für Bett-, Unter- und Tischwäsche aus Kunstseide, Nylon und ähnlichen synthetischen Fasern wird jetzt 800 Zloty pro Kilogramm Zollgebühren verlangt, gegenüber 2000 Zloty gemäß den Zolltarifbestimmungen vom 9. Februar 1954, die nunmehr außer Kraft gesetzt wurden. Die Zolltarife für Medikamente sind angesichts des Medikamentenmangels in Polen und den Oder-Neiße-Gebieten erheblich gesenkt worden. Während bisher für 300 Gramm Medikamente (einschließlich Verpackung) 30 Zloty Zollgebühren entrichtet werden mussten, beträgt die neue Zollgebühr 10 Zloty je Kilogramm Medikamente, jedoch nicht weniger als 10 Zloty pro Medikamentensendung.

 

Seite 4   Ostdeutscher Weihnachtsmarkt in Kiel

In der Ostseehalle findet vom 13. bis 21. Dezember 1956 erstmalig ein „Ostdeutscher Weihnachtsmarkt" statt. Er steht unter dem Protektorat des Landesverbandes der vertriebenen Deutschen und des Verbandes der Heimatvertriebenen, Kreisgruppe Kiel. Er soll den heimatvertriebenen Betrieben Gelegenheit geben, sich mit ihren Erzeugnissen ihren Landsleuten bekanntzumachen. Da Schleswig-Holstein zu den größten Vertriebenen-Aufnahmeländern zählt, darf man mit einem gewiss sehr hohen Besuch und gutem Ausstellungserfolg rechnen. Anmeldungen nimmt entgegen und Auskünfte erteilt: Ausstellungsleitung, Kiel, Ostseehalle, Ruf 4 19 00.

 

Seite 4   Liebesgaben nach Ungarn zollfrei

Radio Budapest gab bekannt, dass von sofort an aus dem Ausland an Privatpersonen in Ungarn versandte Lebensmittel, Bekleidung und Medikamente zollfrei sind. Zollfreiheit werde auch gewährt für Bekleidung, Lebensmittel und Medikamente, wenn sie Hilfsorganisationen oder karitativen Einrichtungen in Ungarn zur unentgeltlichen Verteilung übersandt worden sind.

 

Seite 4   Weihnacht im Schnee. Von Felicitas von Zerboni di Sposetti.

Maria sich zum Christkind neigt,

das in der Krippe müde schweigt.

 

Die alten Hirten knien im Schnee,

und eisgefangen liegt der See.

 

Zur engen Stalltür dringen ein

die Hirsche und die Eichkätzlein.

 

Es faltet still der Wind die Schwingen,

will keinen Laut zu Jesu bringen,

 

verhält — ganz sacht — des Atem Hauch,

bis Christkind schläft, Maria auch.

 

Der ganze Wald zum Kinde sieht,

und alle Liebe zu ihm zieht.

 

Felicitas von Zerboni di Sposetti feiert am 18. Dezember 1956 ihren 65. Geburtstag

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 10, Dezember 1956.

Weihnacht. Von Adalbert Stifter.

Wenn der tiefe, weiße, makellose Schnee die Gefilde weithin bedeckt und in heiteren Tagen die Sonne ihn mit Glanz überfüllt, dass er allerwärts funkelt, wenn die Bäume des Gartens die weißen Zweige zu dem blauen Himmel strecken und wenn die Bäume des Waldes ihre Fächer mit Schnee belastet tragen, als hätte das Christkindlein schon lauter Christbäume gesetzt, die in Zucker und Edelsteinen flimmern, so schlägt das Gemüt der Feier entgegen, die nun kommen soll. Und selbst wenn düstere, dicke Nebel die Gegend decken oder in schneeloser Zeit die Winde aus warmen Ländern bleigraue Wolken herbeijagen, die Regen und Stürme bringen, und wenn die Sonne tief unten, als wäre sie von uns weg zu glücklicheren Ländern gegangen, nur zuweilen matt durch den Schleier hervorblinkt, so würden fromme Kinder den Glanz durch den Nebel oder die blaugrauen Wolken ziehen sehen, wie das Christkindlein durch sie hindurchschwebt: denn das Christkindlein rüstet sich auch schon lange Zeit zu einem Geburtstagsfeste, um den Kindern zu rechter Zeit ihre Gaben zu bescheren.

 

Unsere Großmutter hatte uns Kindern oft davon gesagt. Sie hatte viele Sprüche, die unser Gemüt erfüllten und mit einer Gewalt überschütteten. „Sehet Kinder", sagte sie einmal, „so groß ist die Seligkeit im Himmel, dass, wenn von dem himmlichen Garten nur ein Laubblättlein auf die Erde herabfiele, die ganze Welt von dieser Süßigkeit vergehen müsste“.

 

Und endlich kommt die Heilige Nacht. So kurz die Tage sind, so hat doch an diesem Tage die Nacht gar nicht kommen wollen, und immer und immer dauerte der Tag. Das Christkind aber gibt die Gaben nur in der Nacht seiner Geburt. Die Lichter brennen schon in dem schönen Zimmer.

 

Nun aber öffnen sich die Flügeltüren, und die Kinder, welche gekommen sind, die Freude zu teilen, gehen in das verschwiegene Zimmer. Dort steht der Baum, der sonst nichts als grün gewesen ist. Jetzt sind unzählige flimmernde Lichter auf ihm und bunte Bänder und Gold und unbekannte Kostbarkeiten hängen von ihm nieder. Und der Gaben ist eine Fülle auf ihm, dass man sich kaum fassen kann. Die Kinder sehen ihre liebsten Wünsche erfüllt, und selbst die Erwachsenen und selbst der Vater und die Mutter haben von dem Christkindlein Geschenke erhalten, weil sie Freunde der Kinder sind und die Kinder lieben.

 

Die Bangigkeit der Erwartung geht jetzt in Jubel auf, und man kann nicht  enden, sich zu zeigen, was gespendet worden ist. Man zeigt es sich immer wieder und freut sich, bis der Erregung die Ermattung folgt und der Schlummer die kleinen Augenlider schließt.

 

Und wenn die Millionen Kinder, die in dieser Nacht beteilt worden sind, schon in ihren Bettchen schlummern, und ihr Glück sich noch in manchem Traum nachspiegelt, und nun von dem hohen Turme des Domes in der großen Stadt die Schläge der zwölften Stunde die Nacht herabgeläutet haben, so erschallt das Geläute der Glocken auf allen Kirchtürmen der Stadt, und das Geläute ruft Menschen in die Kirchen zu mitternächtichem Gottesdienst. Von allen Seiten wandeln die Menschen in die heiligen Räume. In dem hohen gotischen Dome strahlt alles von einem Lichtermeer. Die Priesterschaft des Domes feiert den Gottesdienst.

 

Wie um Mitternacht die Glocken der großen Stadt zum Gottesdienst rufen, so rufen in derselben Stunde alle Kirchenglocken der kleineren Stadt, der kleinsten Stadt, des Marktfleckens, des Dorfes, es rufen die Glocken aller Kirchen zu dem heiligen Feste. Und es sind Millionen Tempel, in denen man das Geburtsfest des heiligen Kindes begeht. Und wie die Mitternacht von Osten gegen den Westen heraufrückt, so rückt das Geläute von Osten gegen Westen, bis es an das Meer kommt. Dort macht es eine Pause und beginnt nach einigen Stunden jenseits des Ozeans.

 

Seite 5   Weihnacht. Von Joseph von Eichendorff (Großes Foto: Weihnachtslandschaft)

Markt und Straßen stehn verlassen,

still erleuchtet jedes Haus,

sinnend geh' ich durch die Gassen,

alles sieht so festlich aus.

 

An den Fenstern haben Frauen

buntes Spielzeug fromm geschmückt,

tausend Kindlein stehn und schauen,

sind so wunderstill beglückt.

 

Und ich wandre aus den Mauern

bis hinein ins freie Feld,

hehres Glänzen, heilges Schauern!

Wie so weit und still die Welt.

 

Sterne hoch die Kreise schlingen,

aus des Schnees Einsamkeit

steigt's wie wunderbares Singen —

O, du gnadenreiche Zeit!

 

Seite 5   Für unsere Leseratte.

Liebe Leseratten!

Heute fällt uns die Auswahl schwerer denn je zuvor. Vieles könnten wir für den Weihnachtstisch empfehlen. Der begrenzte Raum aber zwingt uns zu einer knappen Auswahl, wir können gewissermaßen also nur die schmackhaftesten Leckerbissen herauspicken.

 

Beginnen wir mit einem Buch, das wir als das Jugendbuch dieses Jahres bezeichnen und möglichst vielen von euch in die Hand wünschen möchten:

 

Erlebnis der Welt. Ein Lese- und Vorlesebuch für die reifere Jugend. Herausgegeben von E. W. Balk und A. Kraft. Adam Kraft Verlag, Augsburg. 304 Seiten mit 50 Bildern u. 8 Kunstbeilagen. Leinen 9,80 DM.

Es unterscheidet sich vortrefflich von anderen Jugendbüchern durch die Aufgabe, die es sich gestellt hat: mehr den Ewigkeitswerten zu dienen, als sich in tausenderlei — morgen vielleicht überholte — Dinge unseres schnelllebigen Zeitalters zu verlieren, freilich, ohne jedoch auf das Bleibende auch unserer Zeit zu verzichten. Es will wegführen von der Scheinwelt der Flimmerleinwand, der Illustrierten- und Revolverblätter einerseits und den nur technischen und nur sportlichen Interessen, die heute zum größten Teil unsere Jugend beherrschen. Das Buch hat sich die Aufgabe gesetzt, den jungen Menschen von heute wieder zu verwurzeln, zu verwurzeln in einer geistigen und geschichtlichen Tradition, ohne die auch der heutige Mensch des Atomzeitalters nur ein bindungsloses Stück Treibholz ist. Zusammengefegt wohl ein riesiger Haufen, aber ohne jede gemeinsame Bindung, einfach Masse. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort zitieren, das wie kein anderes die Situation unserer Zeit erfasst: Auch die höchsten Türme beginnen beim Fundament. Dieses Fundament zu schaffen, ist Absicht dieses Buches. Es entbehrt dabei nicht der fesselnden Erzählung, der Spannung des Abenteuers, der Vermittlung von Wissen keineswegs. Die weite Welt ersteht vor dem Leser, die, aus der wir kommen, und die jenseits der Ozeane. Die glanzvollsten Namen der deutschen Literatur sind in diesem Bande vereinigt. Mit einem Wort: Ein wertvolles Jugendbuch!

 

Für die Kleinsten unter uns empfehlen wir ein Märchenbuch, das getrost neben denen der Brüder Grimm, von Bechstein, Hauff und Andersen genannt werden kann:

Sophie Reinheimer: Meine Märchenwelt. Für Jungen und Mädchen ab 6 Jahren. Franz Schneider Verlag, München. 176 Seiten, Großformat, mit vielen ein- und mehrfarbigen Bildern. 7,80 DM.

Dieser Band vereinigt die als Einzelausgaben erschienenen Märchenbücher der Autorin. „Bunte Blumen", „Von Sonne, Regen, Schnee und Wind" sowie „Tannenwalds Kinderstube". Zarte Märchengebilde aus der Wunderwelt der Natur, ein wahrer Schatz für das Kinderherz. Begleitet werden die Texte von vielen Illustrationen und einer Reihe schöner ganzseitiger mehrfarbiger Bilder, die das Auge jedes Kindes entzücken werden. Gert und Ute.

 

Seite 5   Lieber Weihnachtsmann!

Ich wünsche mir vor allen Dingen ein gutes und schönes Buch. Ich habe mir schon welche in den Schaufenstern angeguckt, und die mir da am besten gefallen haben, schreibe ich Dir auf. Bei den vielen Kindern kannst Du ja nicht wissen, was jeder am liebsten möchte. Nimm also für mich eins aus dieser Liste, bitte, bitte.

 

Erlebnis der Welt.

Ein Lese- und Vorlesebuch für die reifere Jugend. (304 Seiten mit 50 Bildern und 8 Kunstbeilagen, Leinen DM 9,80).

 

Meine Märchenwelt.

Von Sophie Reinheimer. Für Jungen und Mädchen ab 6 J. (DM 7,80).

 

Die Schatzinsel.

Von Robert Louis Stevenson. Ein Buch für richtige Jungen. (264 Seiten, Leinen DM 4,80).

 

Ost- und Westpreußischer Sagenborn.

Neuerzählt von Jochen Schmauch. (68 Seiten, DM 3,90).

 

Der geheimnisvolle Stein.

Eine abenteuerliche Geschichte um den Bernstein von Gerhard Bedarff. (40 Seiten, DM --,95).

 

Alles um eine Maus.

Von Walter von Sanden-Guja (72 Seiten, Leinen DM 4,80).

 

Wolf der Struter.

Von Max Worgitzki. Eine Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen (100 Seiten, DM 3,80).

 

Auf Tiefgang in Afrika.

Von Moritz Pathé. Für Jung und Alt. Erlebnisse und Abenteuer im afrikanischen Dschungel (DM 3,80).

 

Diese und alle anderen Jugendbücher durch Ostpreußen-Buchdienst, Elchland-Verlag. Braunschweig, Donnerburgweg 50

 

Seite 5   Für unsere Bastelfreunde, mit Foto.

Liebe Freunde,

nun ist es aber allerhöchste Zeit, wenn das Pferdchen für den kleinen Bruder oder die kleine Schwester noch mit unterm Weihnachtsbaum stehen soll. Also keine Zeit versäumt und frisch ran ans Werk! Das lustige Spieltier lässt sich aus festen Stoff-, Plastik oder Wachstuchrestchen leicht nacharbeiten. Ihr übertragt zuerst einmal den verkleinert wiedergegebenen Schnitt in der gewünschten Größe auf ein Blatt Papier, auf das ihr zuvor ein Kästchennetz aufgezeichnet habt. Die einzelnen Karos macht ihr am besten 2 cm breit und hoch. Dieses Netz soll euch als Hilfestellung dienen. Nun könnt ihr zuschneiden, zweimal, und nicht die Nahtzugabe vergessen! Die beiden Teile werden durch einen 4 cm breiten, geraden Streifen verbunden. Unter dem Sattel bleibt ein Stück Naht offen, von hier aus wird die Hülle mit Sägemehl oder Kapok fest ausgestopft. Nachdem die Naht geschlossen ist, legt man den aus zwei roten Teilen verstürzt zusammengenähten Sattel auf, bringt Mähne und Schwanz aus Wollfäden, sowie das Zaumzeug aus roter Schnur an und befestigt zwei schwarze Perlen als Augen.

 

Natürlich könnt ihr auf diese Weise auch andere Tiere auf den Weihnachtstisch zaubern. Und nun mutig ans Werk!

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

Johann Gottfried Harder, mit Foto von ihm.

Am 25.08.1744 in Mohrungen geboren, ist er einer der großen Ostpreußen, deren gewaltiger Einfluss auf die deutsche Welt und darüber hinaus schwer zu überschätzen ist. Viele haben sich auf ihn und seine Lehre berufen. Er hat zuerst dem modernen geschichtlichen Sinn Worte verliehen; im Zusammenhang damit ist er der Erwecker dessen, was man den Volksgeist genannt hat. Man macht Herder zum Vater des modernen Nationalismus. Endlich hat er seinen großen Freundeskreis fast im entgegengesetzten Lager, indem man in ihm einen Begründer der an antikem Wesen geschulten Lehre von der Humanität verehrt.

 

Sein äußeres Leben hat er in der vorgeschriebenen Bahn des Theologen verbracht. Mit den Großen seiner Zeit stand er in Beziehungen, die freilich fast ausnahmslos in Irrungen endeten. Der begeisterte Schüler Kants sah am Ende seines Lebens und schon früher im Lehrer einen scharfen Gegner. Goethe, der jüngere Freund, der ihn in die große Stellung des Weimarer Generalsuperintendenten gebracht und seinem Leben den festen Boden unterstellt hatte, war ihm schließlich zum Gegenstand des Neides geworden. Dem Gelehrten Herder wurde nach seiner Auffassung nicht die verdiente Anerkennung zuteil. Alles aber, was dieses große Dasein verdüsterte, hatte wohl seinen Ursprung in einer nicht hinreichenden Formkraft des Trägers dieses Lebens, das des gewaltigen Ideenreichtums nicht Herr geworden ist. Das Erbe des Ostens, das dieser Mann in sich trug, hat ihm selbst wohl die Seele verdunkelt, aber es strömte durch ihn hindurch seinem Volk zum Segen und zur Erweckung. Herder starb am 18. Dezember 1803.

 

Seite 6   Weihnachtsbriefe großer Deutscher

Gott weiß es, wie es mir in der Seele wehe tut, dass ich diese Zeit über noch von Euch fern gehalten werde, es ist aber einmal nicht anders. Von Euch, mein einziges Volk, denke ich mir, dass Ihr von einem oder dem andern unserer Freunde geladen sein werdet. Wenn Ihr aber das auch nicht wollet, so bittet doch Meyerhöffer zu Euch, und trinkt hinter den Fischen ein ordentliches Glas auf meine Gesundheit, ich werde im Geist mitten unter Euch sein. — Jetzt zur Bagage. Also Du, Telematz, überreichst zuvorderst beikommendes Glas nebst Signatur Deinem edlen Mentor, und vermeldest demselben Gruß und Heil zuvor. Sonach nimmst Du ein paar Ducatons in Deine Hände und begibst Dich in einen Musikladen und erhandelst daselbst eine Opera oder dergleichen Seelenspeise. Ferner lege in beikommenden Handschuhen die Insignien höherer Zivilisation an. — Den Handleuchter aber übergebt nebst Signatur dem Freund Eitner und drückt ihm in meinem Namen die Hände“. Adolph von Menzel an seine Geschwister (1847)

 

Du nimmst so freundlich und lieb auf, was ich Dir geschickt habe. Ich weiß, ich fühle ganz, warum. Es ist ein Hohes, ein Tiefes zwischen den Geschlechtern, den Menschengeschlechtern, meine ich, und auch zwischen den verschiedenen Geschlechtern im Volksgeschlecht. Mir nimmt kein Sterblicher, was ich empfunden habe, als ich Dich zuerst sah; und es ist hinfort so geblieben, und so soll es bleiben unter uns! Dazwischen liegt ein Urältestes, was wir glauben, und doch sind wir keine Engel. Gott behüte uns hienfeden vor solchen Gedanken. Wir wollen aber tapfer sein beide mit irdischem und himmlischem Mut im Glauben auf höhere Güter. Und so bleibe es und so wollen wir uns liebst behalten“. Ernst Moritz Arndt an Charlotte von Kathen (1841)

 

Als Ihre lieben Geschenke bei mir eintrafen, war's Heiliger Abend, und einige Freunde aus Leipzig und Gotha waren bei uns, und wir tanzten recht kindlich um den Christbaum. Ihr Teppich wurde auf den Tisch gebreitet, der Kuchen darauf gesetzt, und nun wurde ringsum ein Ah! und Oh! laut, welches deutlich die höchste Bewunderung aussprach, es jedoch noch unnentschieden ließ, ob es mehr dem Kuchen oder dem Teppich galt. Dieses wurde jedoch am folgenden Tage gründlich entschieden, denn alles fiel voller Entrüstung über den Kuchen her, weil er es gewagt hatte, sich dem Teppich ebenbürtig zu halten. Er wurde jämmerlich zerfetzt (der Teppich wurde nicht zerschnitten), und nur der Geistesgegenwart meiner Frau hat der Prahlhans es zu verdanken, dass wenigstens sein innerstes Innere für den Augenblick verschont wurde. Aber seinem Richter wird er dennoch nicht entgehen ... Fritz Reuter an Fräulein Tiessen in Königsberg (1865)

 

Ich bin dies Leben sehr müde, der ewige Jude ist weniger hin- und hergezogen als ich, ich habe alles verloren, was ich auf dieser Welt geliebt und geehrt habe, ich sehe mich umgeben von Unglücklichen, deren Leiden ich nicht abhelfen kann. Meine Seele ist noch gefüllt mit den Eindrücken der Ruinen aus meinen besten Provinzen und der Schrecken, welche eine Horde von unvernünftigen, mehr Tieren als von Menschen dort verübt hat... Friedrich der Große aus Schlesien (1751)

 

Seite 6  Aus Bund und Gruppen.

Ost- und westpreußische Gruppen ausgezeichnet.

Bei den Bezirkswettkämpfen der DJO in Baden-Württemberg im Vormonat zeichnete der Landesleiter Karl Knötig folgende Gruppen mit einem Preis aus: das Fähnlein „Marienwerder" aus Stuttgart unter der Leitung von Gerhard Hubatschek mit dem 1. Jungenschaftspreis (eine Kothe); Roland Hoffmann mit seinem Fähnlein „Marienburg" erhielt den 2. Preis (einen Handball). Bei den Mädelscharen fiel der 1. Preis (eine Gitarre) auf die Mädelgruppe Stuttgart-Weil im Dorf unter Leitung von Helga Schwarz, während der 2. Preis (drei Blockflöten) die muntere Schar der Büsnauer Mädel bekam. Den 1. Preis der Jugendkreise (eine Gitarre) errang die Gruppe der Ost- und Westpreußen aus Stuttgart unter Alfred Rieß. Franz Lackinger mit seiner Böhmerwaldjugend aus Fellbach platzierte sich an zweiter Stelle (einen Handball).

 

Die Wettkämpfe sollten einen Aufschluss über die bisher geleistete Arbeit in den einzelnen Gruppen geben und gleichzeitig informieren, welchem Arbeitsgebiet in Zukunft besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

 

In folgenden Arbeitssparten traten die Gruppen an:

 

Jungenschaft: Singen, Fahrten- und Staatsbürgerkunde, Laufspiele; Mädelschaften: Singen, Werkarbeit, Staatsbürgerkunde, Laufspiele; Jugendkreise: Singen, Ostkunde, Laienspiel.

 

Das Ergebnis dieses Wettkampfes war sehr ermutigend. Die Wettkämpfe sollen im nächsten Jahr in allen Bezirken durchgeführt werden, wobei sich die besten Gruppen der Bezirke wieder auf Landesebene im „Wissenswettkampf" messen werden.

 

Ostpreußen-Zimmer in Berlin

Im Westberliner „Haus der ostdeutschen Heimat" wurde jetzt nach ostpreußischen Vorlagen von Mitgliedern der „Deutschen Jugend des Ostens" ein Ostpreußen-Zimmer geschaffen. Es zeigt eine ostpreußische Zimmereinrichtung mit Truhe, Bord, Tisch, Stühlen und Bänken. Nicht einmal das Spinnrad fehlt. Die ostpreußische Landsmannschaft Berlin hat das Zimmer in ihre Obhut genommen.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. (9. Fortsetzung)

Und wenn du jetzt deinen Blick, weiter wandern lässt, längs jener schmalen Rinne, die, einem Fluss gleich, das Wasser des Sees nach Süden trägt, dann siehst du hinter dem Forst, fast schon im Blau der Ferne verschwimmend, eine Kuppe aufragen. Das ist der Skomandberg. Dort haust er, den wir suchen“.

 

Der Struter schwieg und blickte lange stumm versonnen über See und Land. So friedlich in der Abendstille lagen sie vor seinen Augen gebreitet, und sollten doch der Schauplatz einer unerhörten Tat werden, die dem, der sie unternahm, nur den Sieg oder den Tod bringen konnte. Auch Jörge hörte die Stimme des Schicksals durch das Schweigen der Natur. Er fühlte deutlich: was er bisher in der Wildnis erlebt hatte, das war ein Spiel, ein fröhliches Abenteuer gewesen. Jetzt aber klopfte der Ernst des Lebens, vielleicht gar des Sterbens an seine junge Brust. Und doch, als Wolf die Stille brach und sich wieder zu ihm wandte, da schaute er fest und mutig zu seinem Gefährten auf. Wolf lächelte ihm erfreut zu.

 

„Dich brauche ich nicht zu fragen, ob du dich fürchtest. Nur eines will ich dir sagen und merke es dir gut. Von nun ab ist jeder Schritt, den du tust, vom Tod umlauert. Drum sollst du mutig sein, aber nicht weniger vorsichtig und klug. Denn wenn sie uns erwischen, so erschlagen sie uns und uns verbleibt vielleicht der Ruhm. Wenn wir aber unser Leben zu erhalten wissen und unsere Tat vollbringen, dann nützen wir unserem Land. Willst du also immer daran denken, Jörge: erst die Tat, dann der Ruhm... auch wenn es mal ans Ausreißen geht?"

 

Jörge gelobte es. Doch im Stillen hoffte er, dass es dazu niemals käme. Denn Ausreißen wollte seinem jungen Heldentum gar nicht behagen. Wolf aber, als hätte er in seiner Seele gelesen, reichte dem Knaben die Hand, schaute ihm prüfend in die Augen und sagte mit tiefem Ernst:

 

„Ich baue darauf, dass du jedem Wort, jedem Wink von mir ohne Zögern folgen wirst“.

 

„Ich werde gehorsam sein, jederzeit!" So schlicht wahr, sprach es Jörge, dass Wolf ihm noch einmal die Hand drückte.

 

Sie folgten dem nördlichen Ufer des Sees, bogen dann nach Süden ab, und nach vier Stunden ununterbrochenen Wanderns türmte sich vor ihnen die schwarze Masse des heiligen Waldes auf.

 

Aufatmend blieb Wolf stehen, das Ziel war erreicht.

 

Kühl hauchte es sie aus der Tiefe des Gehölzes an, und ein hohles Wehen sang hoch oben in den unsichtbaren Wipfeln ein unheimliches Lied. Sie lauschten, und fast wollte es wie ein Erschauern in ihre Seele dringen. Da fasste Wolf Jorges Hand und zog ihn mit sich in die abgründige Finsternis. Nicht ein Schimmer mehr leuchtete ihnen auf dem Weg. So drangen sie langsam und vorsichtig von Baum zu Baum in das Innere des Waldes vor, bis Wolf auf ein dichtes Kadickgebüsch stieß. Das gab guten Schutz, da wollten sie den Tag erwarten.

 

Als sie nach kurzem Schlaf erwachten, grüßte sie der helle Morgen, und die Bäume des Waldes nickten ihnen freundlich zu. Rundum reckten sich die starken Stämme und trugen ihre Kronen hoch empor zum blauen Himmel. Tannen und Kiefern, Birken, Buchen und Eichen, alles wuchs da durcheinander, dicht bei dicht, und ließ doch noch Platz für ein üppiges Unterholz. Und alles prangte bereits im frischen Laub. Nur die Eichen standen noch kahl im Winterschlaf. Die Sonne aber schoss ihre goldenen Strahlen, wo sie nur ein Löchlein fand, durch das dichte Blätterdach und füllte die Dämmerung des Waldes mit warmem Schein.

 

Wolf und Wolfson hatten sich vorsichtig erhoben und blickten, wohl gedeckt durch das Gesträuch, mit frohen Augen in die lachende grüne Welt rundum. Ohne ein Wort zu sprechen, sah der Struter seinen jungen Gesellen an, als ob er sagen wollte:

 

„Siehst du, wie schön Gottes Natur ist? Das soll uns ein gutes Zeichen sein“. Dann horchten sie lange in die Morgenstille hinaus. Aber nichts war zu hören, als hier und da das fröhliche Lied eines Vogels, und irgendwo in der Ferne hackte der fleißige Zimmermann, der Specht.

 

„So", sagte Wolf befriedigt und ließ sich wieder auf den Boden nieder, „hier hat es keine Gefahr, Jörge. Wir können unbesorgt miteinander reden, wenn auch leise. Doch zuerst soll der Magen zu seinem Recht kommen“.

 

Gegen Abend, als die Dämmerung langsam niedersank, machte sich Wolf auf, um den Wald zu erkunden, und Jörg blieb allein zurück. Gewiss hatte er keine Furcht. Als aber Stunde um Stunde verrann, das Dunkel immer dichter wurde und die tausend geheimnisvollen Stimmen der Nacht zu raunen anhuben, da begann sein Herz doch rascher zu schlagen, und seine Hand krampfte sich um den Griff des Messers. Erleichtert atmete er auf, als endlich sein Gefährte unhörbar aus dem schwarzen Schatten auftauchte.

 

Wolf hatte Glück gehabt Er hatte seinen Weg ins Ungewisse genommen und war doch geradezu auf das Heiligtum der Sudauer gestoßen. Inmitten einer kleinen Lichtung stand der heilige Baum, eine gewaltige Eiche. Am Rande der Lichtung aber war ein schlichtes Blockhaus errichtet, in dem der Kriwe wohnte. Und nur ein einziger breiter Weg führte zu dem Heiligtum hin, schnurgerade mit der Axt durch den Wald gehauen. Vorsichtig hatte Wolf die Lichtung umschlichen, sie lag still und tot da, und kein Mensch war zu erblicken. Dann hatte er, immer durch Bäume und Unterholz gedeckt, den Weg verfolgt, bis er sicher war, dass er vom Skomandberg herkam. Nun wusste er, wo er seinen Beobachtungsposten einzurichten hatte.

 

Als der Morgen kaum graute, machten sich Wolf und Wolfson erneut auf die Wanderung. An dem Heiligtum vorbei, das immer noch im tiefsten Frieden zu schlafen schien, drangen sie längs der Straße bis zum Waldrand vor. Hier öffnete sich die Landschaft weithin dem Blick. Gerade vor sich, eine halbe Wegstunde entfernt, sahen sie den Skomandberg ansteigen. Steil fiel er nach der Seeseite zu ab. Auf der Höhe der Kuppe erkannten sie deutlich den Ringwall, den ein hohes Pfahlwerk sicherte, ein großes und mehrere kleinere Holzhäuser und einen hohen viereckigen Turm. Am Fuße des Berges aber drängten sich zahlreiche Hütten eines großen Dorfes, als ob sie den Schutz der Burg suchten. Und noch ein zweites Dorf erblickten sie auf der anderen Seite des Gewässers. Hier wie dort grüßten zarte Rauchwimpel den jungen Tag und zeugten von erwachendem Leben.

 

Feindliches Volk war also nahe genug und in großer Zahl da. Doch Wolf verspürte keine Sorge. Er wusste, kein Fuß eines Sudauers betrat den Boden des heiligen Waldes außerhalb des gebahnten Weges. So waren sie sicher vor Menschen, und, was fast noch wichtiger war, auch vor den Hunden der Jäger. Ein gutes Versteck hatten sie bald gefunden und richteten sich häuslich ein. Denn es ließ sich ja nicht absehen, wie lange sie würden ausharren müssen. Ohne Ergebnis, das war ihr fester Entschluss, kehrten sie nicht heim.

 

Die beiden Wölfe lagen auf der Lauer. Wolf am Waldrand und Wolfson am Wege nach dem Heiligtum. Tag um Tag lagen sie da, vom frühesten Morgen bis tief in die Nacht hinein. Still, regungslos und doch mit unablässig scharf gespannten Sinnen. Das erforderte eine eiserne Willenskraft.

 

Darum fühlten sie sich beglückt und erleichtert, als endlich am vierten Tage eine menschliche Gestalt sich blicken ließ. Gebückt unter einer Traglast humpelte es am Stock daher, wohl um den Göttern wie dem Kriwen eine Gabe darzubringen. Aber es war doch ein lebendiges Wesen, das in ihren Gesichtskreis einbrach und die Gedanken aus dem lähmenden Bann der Untätigkeit riss. Drei Tage danach kam des Weges eine kleine Schar Frauen und Kinder. Und wieder ein paar Tage später waren es einige Männer. So sahen sie ihre Wachsamkeit immer aufs Neue angespornt und waren darüber froh. Doch, wie eifrig sie auch ausspähten, der, dem es allein galt, blieb aus. Vierzehn Tage mochten darüber vergangen sein. Das mächtige Dunkel, das sie auf dem letzten Teil ihres Weges zum heiligen Wald so sicher beschirmt hatte, war immer stärker werdender Helle gewichen. Hoch am Himmel zog der Mond seine Bahn. Seine Sichel rundete sich zur glänzenden Scheibe. Milchiges Licht schwamm durch die Weite der Nacht und breitete sich als ein schimmernder Hauch über die schlafende Erde. Im Walde aber rieselte es durch das Dach der Wipfel gleich silbernem Regen.

 

Die Nacht des Vollmonds kündete sich an. Gerade gedachte Jörge sich zu erheben, auch dieser Tag hatte nichts gebracht, da vernahm er hinter sich schleichende Schritte. Er fühlte sie mehr, als dass er sie hörte, und lautlos schob sich der Struter an seine Seite. Dann flüsterte es an seinem Ohr:

 

„Skomand kommt!"

 

Jörge zuckte, als ob er aufspringen wollte. Doch Wolfs Hand lag fest auf seiner Schulter und hielt ihn nieder.

 

„Ruhig! Er kommt nicht allein, sondern mit einer großen Menge. Sie werden ein Opfer darbringen. Willst du es ansehen?"

 

„Wenn nur der verwünschte Mondschein nicht wäre! Verrät er uns und fallen wir denen in die Hände, dann ist das Opferfeuer auch für uns angezündet."

 

Schließlich beschlossen sie doch, es zu wagen. Sie glitten unhörbar in die Tiefe des Waldes zurück, schlugen einen Bogen und näherten sich der Lichtung von Norden her. Dort stieg der Boden leicht, so dass sie, durch ein dichtes Gestrüpp gedeckt, den Platz und auch die Straße gut übersehen konnten.

 

Noch einmal flüsterte der Struter seinem Gesellen mahnend zu: „Kein Laut! Keine Bewegung! Du tust wie ich ... da sind sie!"

 

Die Straße herauf kamen die Sudauer. Ein langer Zug, viele Hunderte von Menschen und an ihrer Spitze ein einzelner Reiter. Jetzt hatten sie die Lichtung erreicht und nahmen im Halbrund vor der Eiche Aufstellung. So verharrten sie in ehrfürchtiger Stille. Fortsetzung folgt.

 

Seite 7   Sieben Jahre in sowjetischen Zwangsarbeitslagern. Königsberger Junge kehrte nach neun Jahren zu seiner Mutter zurück. Von unserem M. H.-Sonderkorrespondenten.

Wie hunderttausend andere, erlebte auch die Familie Piotrowski im April 1945 in Königsberg die „Hölle auf Erden", als die Russen den monatelang um Königsberg gezogenen Ring durchbrachen und am 8. und 9. April in die in Schutt und Asche liegende ostpreußische Provinzhauptstadt am Pregel einrückten. Damals wohnte Familie Piotrowski in der Vorstadt Speichersdorf, Lemmerweg 13, nachdem sie beim letzten Großangriff aus der Luft im Sommer 1944 ihre Wohnung in der Borchertstraße 8 verloren hatte.

 

Von diesen Tagen an begann das Leid und Elend dieser fünfköpfigen Familie — Eltern und drei Kinder im Alter von 10 bis 19 Jahren —, das sich über elf Jahre hinzog, bis in diesen Tagen Frau Helene Piotrowski in Marburg (Lahn), August-Rohde-Straße 18, ihren jetzt 25 Jahre alten Sohn Rudolf nach über neunjähriger Trennung in die Arme schließen konnte. Ihren Mann, der bis Kriegsende als Zivilist in einem Heereskraftfahrzeugwerk tätig war, verlor Frau Piotrowski im Mai 1947, nachdem er von den Russen zweimal festgenommen war. Er starb, seelisch zusammengebrochen, an Hunger und Entkräftung. Ihre damals 19-jährige Tochter, Helferin beim Deutschen Roten Kreuz, verschwand gleich bei der Einnahme Königsbergs. Bis heute fehlt von ihr jede Spur. Ein damals 10-jähriger zweiter Sohn war schon 1944 in ein Kinderheim bei Dresden evakuiert worden. Er ist kürzlich nach Kanada ausgewandert. Bis 1948 in Königsberg allein geblieben, hat Frau Piotrowski die schwerste Not und das große Elend erlebt. Im April wurde sie mit dem letzten Transport der Deutschen nach Westdeutschland gebracht.

 

Im Juni 1947 wurde Rudolf Piotrowski, kurz nachdem der Vater gestorben war, der Mutter entrissen. Damals, kaum sechzehn Jahre alt, holte ihn die GPU aus den Trümmern ab, wo sich Frau Piotrowski mit ihren Sohn nachts aufhielt, und lieferte ihn ins Königsberger Gefängnis am Nordbahnhof ein. Nach tagelangem Kreuzverhör verurteilten ihn die Russen wegen angeblicher Sabotage zu sieben Jahren Gefängnis.

 

Einige Wochen lebte Rudolf Piotrowski dann im Gefängnis in Tapiau und kam Mitte November 1947 mit weiteren 42 verurteilten Burschen und Mädchen, von denen der jüngste 12 Jahre alt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt war, in ein Zwangsarbeitslager an der litauischen Grenze. Aber auch hier blieb er bei harter und schwerer Arbeit auf einem landwirtschaftlichen Gut und in einer Kraftfahrzeugschlosserei nur einige Monate. Denn im März 1948 brachte man ihn wieder ins ehemalige Heeresbekleidungsamt Rothenstein in Königsberg. Im Sommer 1948 befand er sich als Landarbeiter in einem Zwangsarbeitslager an der litauischen Grenze und dann in der Artillerie-Kaserne in Preußisch-Eylau. Im Februar 1949 kam er wieder mit einer Anzahl jugendlicher Schicksalsgefährten nach Königsberg, wo sie in der Zellulose- und Papierfabrik schwer arbeiten mussten. Wieder gab es Verschiebungen nach dem ehemaligen Magdalenenstift und dem Straflager in der ehemaligen Panzerkaserne Charlottenhof sowie der ehemaligen Schweinemästerei in Juditten. Bis zum Herbst 1949 arbeiteten die Jungen zusammen mit älteren Gefangenen an dem Wiederaufbau einer russischen Schule und bei anderen Bauarbeiten. Im August 1950 wurde Rudolf Piotrowski — inzwischen 19 Jahre alt geworden — zusammen mit weiteren Jugendlichen aus Königsberg abtransportiert. Sie landeten über Leningrad etwa 400 Kilometer von Swerdlowsk in einem Zwangsarbeitslager. Dort arbeiteten bereits über 2000 Gefangene beim Holzeinschlag, bei der Flößerei und der Holzbearbeitung. Zwischendurch erlebte er auch in der Nähe liegende Gefängnisse, von wo aus er zur Arbeit in einem Autopark als Schlosser, Kraftfahrer und Schweißer eingesetzt wurde. Im März 1952 musste er noch ein Lager für „sozialgefährliche Subjekte" kennenlernen.

 

Nach etwas über einem Jahr — es war der 22. Mai 1953 — schlug endlich auch für Rudolf Piotrowski die Freiheitsstunde. Mit einem zeitweiligen Entlassungsschein wurde er in die Zwangssiedlung Rogatschew (Weißrussland) eingewiesen. Er konnte sich innerhalb der Stadtgrenzen wohl frei bewegen, wurde aber ständig durch die Polizei kontrolliert. Fast zwei Jahre, bis 1955, arbeitete er in einem Torfwerk als Elektroschweißer und Autoschlosser. Während dieser Zeit gelang es ihm, über das Deutsche Rote Kreuz die Anschrift seiner Mutter zu erfahren, und 1954 erhielt er bereits ein Schreiben von seiner Mutter, mit der er seit dieser Zeit in brieflichem Verkehr stand. Seine Bemühungen um die Ausreise nach Deutschland stießen immer wieder auf Schwierigkeiten, da er als staatenlos erklärt worden war. Obwohl er im August 1954 von seiner Mutter die deutsche Staatsangehörigkeitserklärung erhielt, wurde er noch im Juli 1955 für einen Brückenbau über den Dnjepr verpflichtet. Bis Oktober 1956 arbeitete er dort, und dann endlich bekam er die Ausreisegenehmigung nach Deutschland.

 

Am 12. Oktober 1956 bestieg er die Bahn, die ihn in mehrtägiger Fahrt nach Frankfurt an der Oder und dann über Berlin und Friedland nach Marburg brachte, wo er am 24. Oktober eintraf. Nur mit einem Trainingsanzug und Mantel bekleidet — die übrige Garderobe war ihm unterwegs gestohlen worden — lag er seiner überglücklichen Mutter in den Armen.

 

Jetzt will sich Rudolf Piotrowski nach jahrelanger Odyssee erst einmal bei der Mutter gründlich erholen und hofft dann mit Unterstützung wohltätiger und behördlicher Stellen ein neues fruchtbares und freies Leben beginnen zu können. Vorerst will er noch den Kfz-Führerschein erwerben und sich ein eigenes Auto kaufen.

 

Seite 7   Ostpreußischer Vater wartete und baute

In Friedland gab es ein besonders frohes Wiedersehen, als Adolf Falk seine Familie nach zwölf Jahren der Trennung wiedersah, seine Frau, seine Schwiegermutter und seine Töchter Erika und Renate im Alter von 13 und 16 Jahren. Herr Falk hat seit Jahren auf diesen Tag gewartet, voller Zuversicht gewartet und gearbeitet. Zwar kam er selbst erst 1950 aus russischer Gefangenschaft nach Melle und fand in einer Möbelfabrik Beschäftigung. Von dem Zeitpunkt an versuchten er von hier aus und die Frauen von Ostpreußen aus, die Ausreisegenehmigung zu erhalten. Der Vater baute inzwischen ein Haus in der Königsberger Straße, Frau Hedwig schlug sich kümmerlich durch. Den eigenen Hof in der Allensteiner Gegend durfte sie nicht behalten, sie konnte aber schließlich doch etwas Land pachten, musste aber mit der alten Mutter zusammen hart arbeiten. In Melle sah sie auch Edith, ihre älteste Tochter wieder, die schon seit 1945 dort lebt, inzwischen verheiratet ist und selbst ein Kind hat. Als die Russen nach Ostpreußen kamen, zählte Edith zehn Jahre und war zur Tante zu Besuch gefahren. Die große Flucht setzte ein, durch die sie nach Melle kam.

 

Es ist nicht viel Erfreuliches, was die Frauen und Mädchen von den vergangenen zwölf Jahren berichten können. Sie bestätigen, was alle sagen, die aus Ostpreußen kommen: Es leben noch viele Deutsche dort, die auch ausreisen möchten. Sie haben es nicht leicht, aber ihre Schaffenskraft und ihr Fleiß sind begehrt. Es gab nur eine polnische Schule, die die beiden Mädchen besuchen mussten. Nun werden sie hier allerhand zu lernen haben, aber die Hauptsache ist ja, dass die Familie wieder beisammen ist.

 

Seite 7   Ein neunzigjähriger Wanderer

Die Ostpreußen sind zähe Menschen, die so schnell nichts umwirft, das hat sich allmählich herumgesprochen. Aber so rüstig wie Opa August Fritz ist doch so leicht keiner: Trotz seiner 90 Jahre wandert er noch stundenweit und erobert sich die zweite Heimat. Er hat es sich in seiner Jugend gewiss nicht träumen lassen, dass er nun auf diese Weise die enge und weitere Umgebung von Sande-Neufeld kennenlernen würde. Wie hätte er auch auf diese Idee kommen können, saß er doch als eigener Herr auf seiner Scholle in der westpreußischen Heimat und ahnte nicht, dass er eines Tages im Jahre 1945 Haus und Hof im Stich lassen musste und tage- und nächtelang in undichten Zügen Richtung Westen rollen würde. Schließlich gab es eine Erlösung aus dieser eisigen Kälte. Einige Jahre später, 1949, konnte August Fritz sogar wieder eine hübsche Wohnung beziehen in Sande-Neufeld.

 

Und nun ging das Wandern los; denn auch die neue Heimat war schön, und Opa Fritz wollte sie kennenlernen. Dabei kann er seinen Gedanken nachhängen, die oft zurückgehen in das Dorf Schönfeld im Kreis Konitz, wo er geboren wurde, zu seinem Hof mit den 65 Morgen Land und auch zu seinen neun Geschwistern, die in alle Winde zerstreut wurden. Seine Frau — er heiratete 1895 — liegt bald zwanzig Jahre unter der Erde. Vier Töchter und zwei Söhne hatten sie, einer ist seit dem letzten Krieg vermisst.

 

Wir wünschen dem rüstigen Westpreußen, dass er noch recht lange munter und guter Dinge des Weges dahin ziehen kann.

 

Seite 7   Er wohnt und schläft im Wald

Ein alter Mann aus Königsberg führt seit einem Jahr ein höchst ungewöhnliches Leben. Ein kleiner Wald unweit Hildesheim ist sein Heim, Beeren und Früchte sind seine Nahrung. Gelegentlich brachten ihm auch mitleidige Menschen etwas, die von ihm wussten. Ein langer Bart wuchs ihm und macht ihn fast unkenntlich. Ein Forstbeamter überbrachte die Kunde von dem Einsiedler der Polizei, die den 77-jährigen Mann sogleich mit einem Besuch beehrte. Sie traf ihn in seiner Winterkleidung auf dem Lager an, eine alte Steppjacke, darüber drei alte Mäntel. Selbstverständlich meinten sie es gut mit ihm und verschafften ihm in Hildesheim in einem Altersheim eine Bleibe. Aber schon am nächsten Tage ward er nicht mehr gesehen. Wo mag er nun sein?

 

Seite 7   Silbermedaille für Königsberger Konditormeister (Foto: Christian)

Der Königsberger Konditormeister Walter Lehmann, heute in Bad Soden am Taunus (Adlerstraße) errang mit seinem Marzipan-Relief „Ostpreußischer Elch" bei der Sonderschau der Konditoren-Innung Frankfurt auf der „Internationalen Kochkunstausstellung" in Frankfurt (30.09. bis 07.10.) eine Silbermedaille. Damit setzt Konditormeister Lehmann die Reihe seiner Erfolge für sein Königsberger Marzipan fort; er wurde bereits auf den letzten beiden Internationalen Kochkunstausstellungen in Frankfurt 1951 und 1952 mit je einer Goldmedaille und einem Ehrenpreis ausgezeichnet. Wir gratulieren unserem Landsmann Lehmann recht herzlich zu seinen Erfolgen.

 

Seite 7   Gold für Danzigerin, Silber für Ostpreußen

Der deutsche Zweier mit Steuermann gewann auf den Olympischen Spielen in Melbourne die Silbermedaille im Rudern. Das Boot war besetzt mit den beiden Ostpreußen Karl-Heinrich von Grodneck und Horst Arndt und dem Steuermann Rainer Borkowsky. Die Goldmedaille errang USA mit einem Vorsprung von zwei Bootslängen, während die Russen knapp hinter den Deutschen durchs Ziel kamen und die Bronzemedaille bekamen. Wenn es schon eine beachtliche Leistung war, dass die deutsche Mannschaft durch die Ausscheidungskämpfe siegreich hindurch ging, so erfüllt es uns natürlich mit besonderer Freude, dass es gerade dem Boot mit unseren beiden Landsleuten gelang, den zweiten Platz zu belegen.

 

Die Danzigerin Ursula Happe errang im 200 m-Brustschwimmen die Goldmedaille für Deutschland. Mit der glänzenden Rekordzeit von 2:53,1 Minuten siegte sie vor der Ungarin Eva Szekely aus Ungarn und Eva-Maria ten Elsen aus Leipzig. Ursula Happe ist schon seit ihren Kinderjahren Schwimmerin, hat aber wiederholt jahrelang aussetzen müssen. So begann sie mit dem Olympia-Training erst im April. In der Heimat erhielt sie bereits als Jugendschwimmerin mehrfach Auszeichnungen kam durch das Kriegsende nach Fehmarn, 1949 nach Kiel, ist jetzt in Dortmund verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Ihre „Goldene" in Melbourne will Ursula Happe als Abschluss ihrer sportlichen Laufbahn betrachten. Über ihren olympischen Sieg freuen wir uns alle mit ihr.

 

Seite 7   Lange Jahre voller Elend und Angst. Der mühevolle Weg einer Memelländerin.

Zuweilen scheint es, als ob einem Menschen besonders viele Steine in den Weg gelegt werden. Da kam kürzlich eine 62-jährige Memelländerin völlig unerwartet zu ihrem Mann nach Fahrendorf bei Bremervörde, den sie seit zwölf Jahren nicht gesehen hatte. Nach harten, bitteren Jahren voll Elend und Angst, schwerster Arbeit und Betrug erhielt Frau Bertha Kerpa plötzlich die Ausreiseerlaubnis aus Schudinnen im Memelland. Schon seit einiger Zeit stand sie mit ihrem Mann im Briefwechsel, aber zu guter letzt ging alles so rasch, dass sie ihn nicht von ihrem Kommen verständigen konnte. Martin Kerpa war nach dem Kriege in Bremervörde geblieben, weil er nicht mehr in die Heimat zurückkehren konnte. In dieser Zeit musste seine Frau vor den russischen Truppen fliehen und den eigenen Hof hinter sich lassen. Da sie aber zu Fuß nur mühselig vorwärts kam, wurde sie von Danzig aus nach Tilsit zurückgeschickt und musste zwei Jahre bei den russischen Soldaten in der Küche und in der Wäscherei arbeiten. Dann begann ein unmenschlich hartes Leben für die Frau, die auf einer Kolchose schaffen musste. Allerdings konnte sie dabei einiges Geld sparen, mit dem sie die Ausreise bestreiten wollte. Eines Tages gelang ihr die Flucht, aber in Schudinnen — dorthin kehrte sie zurück — war das Leben auch nicht leichter, denn auf ihrem Hof wohnten jetzt Litauer. Für einen Deutschen war alles mit Gefahr verbunden. Frau Kerpa konnte sich immerhin als Wintervorrat Kartoffeln zusammentragen, doch sie wurden ihr gestohlen. Es kam nicht selten vor, dass die Diebe und Einbrecher die Bewohner umbrachten, damit keine Zeugen da waren. Frau Kerpa bemühte sich unentwegt um die Ausreise-Genehmigung. Endlich hatte sie aus Moskau das nötige Visum bekommen, und ein Polizeibeamter versprach ihr, die übrigen Papiere zu besorgen. Tausend Rubel entrichtete sie ihm dafür, von den Papieren sah sie nichts Stattdessen las sie auf einer Ehrentafel, dass sie das Geld dem Staate gestiftet habe. Die Polizeibehörde gab ihr den Rat, den Polizisten anzuzeigen. Frau Kerpa bemühte sich jedoch lieber um die Ausreisegenehmigung, denn die Frist des Visums drohte abzulaufen. Endlich, endlich wurde ihr Wunsch erfüllt. Zwar mussten auch weiterhin Beamte durch „Trinkgelder" bewegt werden, sie weiterfahren zu lassen, aber sie kam doch über Brest bis Ostberlin und weiter über Friedland zu ihrem Mann nach Fahrendorf.

 

Seite 7   Rufe, Glocke!

Rufe, Glocke! Schwinge

weit dich in den Raum!

Töne, Glocke! Klinge

bis zum weißen Saum

hellen Bernsteinstrandes!

Grüß ihn! Grüß ihn sehr!

Lass dein schweres Läuten

suchen übers Meer.

Lass sie voll erdröhnen,

deine Stimme — ja?

Weil wir uns so sehnen,

bring die Heimat nah!

Hol sie! Musst nicht klagen!

Hol den alten Dom!

O — ich helf dir tragen!

Läute nun — und komm!

 

Dieses Gedicht auf die Silberglocke vom Königsberger Dom wurde anlässlich der feierlichen Einweihung des ostdeutschen Glockenturms auf Schloss Burg an der Wupper, über die wir in unserer letzten Ausgabe berichteten, von dem früheren Domorganisten zu Königsberg, Prof. Wilhelmi, zum Vortrag gebracht.

 

Seite 7   Zwei Fotos. Gruß der Heimat in alle Welt.

Der Ostvertriebenenchor Herne unter Leitung von Otto Weber bei einer Rundfunkaufnahme des WDF für eine Rundsendung nach Übersee (mit Richtstrahlern nach Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika und Australien). Lieder unserer Heimat zur Weihnachtszeit grüßen unsere Landsleute in aller Welt

 

Seite 8   Göttingen empfiehlt sich den Landsleuten (Werbung)

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpford.

XI. Der Domhof

Nicht jeder alte Königsberger wird wissen, dass der Domplatz früher mit dem Namen Petersplatz bezeichnet wurde; im Mittelalter und später war dieser Name aber für Plätze um die Bischofskirche herum nach dem Vorbilde Roms häufig.

 

Mit seinen stolzen Barockhäusern an der Südseite, dem Schindelmeißerschen Hause an der Westseite, den alten Häuschen am stillen Pauperplatz und der wundervoll gegliederten Riesenwestwand des Domes aus leuchtendem roten Backstein verfehlte der Domplatz auf keinen Fremden seinen Eindruck.

 

Aber von ihm gelangte man durch das Tor links neben dem Dom in einen Königsberger Winkel, der von allen der ehrwürdigste war. Denn hier war die monumentale Grabstätte eines der größten Weisen, die je gelebt hatten.

 

Hier ruhte Kant, und er war Königsbergs größter Sohn.

 

Doch ehe wir in der Erinnerung in diesen hochheiligen Winkel hineingehen, wollen wir wenigstens noch einmal das Schindelmeißersche Haus betrachten. Es wurde 1793 gebaut, war in seiner Anlage durchaus barock, wenn das Mittelrisalit, besonders das Portal, auch bereits Embleme und Verzierungen im Stile Ludwigs XVI. schmückten. Der Freund Kants, der blinde Professor von Baczko, nannte das Haus „das größte und stattlichste Privathaus Königsbergs". Auf seiner Rückseite, am kleinen Domplatz standen noch alte Barockhäuser mit Wolmen, in denen die Professoren der nahen Albertina wohnten. Später, nach Auszug der Familie Schindelmeißer ins Blutgericht, zog die Reichsbank für lange Jahre in das Haus ein, denn in seinen festen, dick-maurigen Kellern waren die Goldvorräte des Staates ebenso gut verwahrt, wie vorher die Weinfässer. Auf der Rückwand des Hauses am Kleinen Domplatz sah man sonderbare große Türen mit Rundbögen, die zugemauert waren — das waren die ursprünglichen Weinkellereien, die nachher der Reichsbank als Tresor dienten. Nach dem Neubau der Reichsbank an der Stelle der alten Kürassierkaserne — früher Marstall des Schlosses —, wo einst die erste Burg Königsberg stand, wurde das Schindelmeißersche Haus dem Landeskulturamt zugewiesen.

 

Wenn man nun durch das erwähnte Portal links vom Dom trat, so hatte man zur linken Hand die Turnhalle des Kneiphöfischen Gymnasiums. Nach Zusammenlegung mit dem Altstädtischen Gymnasium in den zwanziger Jahren nannte sich das Kneiphöfische Gymnasium dann Stadtgymnasium. Die Turnhalle also stand genau auf der Stelle, wo für den im Schloss Fischhausen (= Bischofshausen) residierenden Bischof 1542 ein Stadthaus erbaut wurde. Hier hatte noch Georg von Polenz, der einzige regierende evangelische Bischof zeitweilig gewohnt, später war in ihm der berühmte und berüchtigte Andreas Osiander gestorben. Es stand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

 

Schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war die mit schönem Beischlag und zwei Giebeln verzierte bischöfliche Kanzlei, die daneben auf der Stelle des Artushofes stand, der Spitzhacke zum Opfer gefallen.

 

Stand man nun auf dem von Linden bestandenen Platze, auf dem in den Schulpausen die Gymnasiasten tollten, so hatte man links am Wasser das Gymnasium vor sich, erbaut auf der Stelle des „Neuen Kollegienhauses" aus der Zeit Albrecht Friedrichs. Dieses bildete mit dem anschließenden „Alten Kollegienhause" die Universität und bis zuletzt als Stadtbibliothek.

 

Die Alte Universität hatte Herzog Albrecht gestiftet und diese Tat selbst wohl für die wichtigste seiner langen Regierungszeit gehalten. Auch seine erste Gemahlin, die Dänenprinzessin Dorothea, hatte aus ihrer Privatschatulle zum Bau des mächtigen Gebäudes, dem auch der Carcer nicht fehlte, eine erhebliche Summe beigesteuert.

 

Die Feier der Einweihung der Universität bat uns der Chronist der Altstadt, Freyberg, der unter den Zuschauern weilte, aufbewahrt:

 

Auf dem Platz vor den mächtigen Mauern des im rechten Winkel am Pregel z. T. auf den Fundamenten der gotischen Mauern und Türme erbauten „Collegium" standen am 17. Ernting 1544 vor dem Haupteingange die zwei Pedellen mit den Universitätssceptern, wie eine Leibwache den Haufen der Professoren flankierend. An deren Spitze wartete der Rektor, die dicke goldene Amtskette mit dem Bildnis des Stiftres um den Hals, voller Würde.

 

Es war der bisherige Direktor des „Partikulars", aus dem sich die Volluniversität entwickelt hatte, der Professor der Beredsamkeit und Dichtkunst und der klassischen Philologie, Georg Sabinus, damals 37-jährig, der Schwiegersohn Melanchthons, der vorher an der kurmärkischen Universität Frankfurt a. O. gewirkt hatte.

 

Er sah höchst würdevoll aus in seiner schwarzen Kleidung und seinem schwarzseidenen Mantel, über dem ein kurzer, nur die Schultern bedeckender Purpurmantel hing.

 

Hinter ihm standen die zehn zu ordentlichen Professoren berufenen Gelehrten, unter ihnen der Professor der Jurisprudenz D. Christoph Jonas, der Bruder des Reformators Justus Jonas, dann der Professor der Medizin Dr. Johannes Brettschneider, der sich gräzisiert Plakotomus nannte, und der Theologe Professor Stanislaus Rapagelanus, ein um seines Glaubens willen vertriebener Litauer.

 

Neben den Gelehrten hatten, unter Führung des Bürgermeisters der Altstadt Joachim Streckfuß, die Abgeordneten der Räte Köngisbergs und der Standesvertretungen ihre Plätze eingenommen.

 

Seitwärts standen die 314 neu zu immatrikulierenden Studenten — eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, dass bei der Neugründung Marburgs 1527, das doch im Herzen Deutschlands lag, nur 104 Studenten eingeschrieben worden waren. Sie waren größtenteils Kinder des Landes.

 

Punkt 1 Uhr fuhr der Wagen des 54-jährigen Herzogs vor. Sein Vollbart enthielt schon viele Silberfäden, doch lag eine stolze Freude auf seinem Gesicht, als er nun mit seiner hohen Gemahlin und dem greisen Bischof von Polenz, welcher Conservator der Universität war, dem Rektor unter dem Jubel der zahlreichen Königsberger entgegentrat.

 

Der Herzog führte den Rektor an der Hand ins Auditorium maximum, wo er ihn mit markigen Worten als Rektor einsetzte.

 

Dann hielt Professor Jonas eine zierliche Rede in mustergültigem Latein, in der er die Verdienste des Herzogs um die Universität hervorhob und dem Dank der neuen Hochschule tiefgefühlten Ausdruck verlieh.

 

Nach der Rede wurden die Universitätsgesetze verlesen und der Tag der Immatrikulation bekanntgegeben.

 

Unter dem anhaltenden Jubel der Bevölkerung begab sich Herzog Albrecht zurück ins Schloss. Freyberg aber schließt seinen Bericht mit den Worten: „Gott gebe Glück, Heil und seinen Segen dazu, dass es wohl gerate!" - -

 

In dem mit dem steinernen „Albertus" und der Inschrift „Insignia Academiae Regiomontanae" geschmückten „Collegium" also hatte die Königsberger Universität über 300 Jahre lang - 1544 bis 1862 - ihren Sitz. Ihr Lehrkörper bestand bei der Stiftung aus zwölf, im letzten dort verlebten Semester aus 57 Mitgliedern. Die Professoren der Universität — ohnehin dem Kneiphof und Domplatz durch Wohnung und Lehramt verschworen — hatten seit 1588 das Vorrecht, an der Nordwand des Domes in einer offenen Halle beigesetzt zu werden.

 

So fand auch Immanuel Kant hier am 28. Februar 1804 seine letzte Ruhestätte.

 

Wie volkstümlich der Philosoph bei seinem Tode war, davon erzählt Stettiner eine bemerkenswerte Anekdote: Der 12. Februar 1804, der Todestag Kants, war sonnig und klar. Nur oben am azurblauen Himmel schwebte ein kleines, leichtes Wölkchen. Ein einfacher Soldat, der auf der Schmiedebrücke stand und es bemerkte, rief den Umstehenden zu: „Das ist Kants Seele!"

 

Fünf Jahre später aber ließ der Kriegs- und Domänenrat Scheffner, Kants Freund, aus dem verfallenden Gewölbe einen Wandelgang (= Stoa) mit ganz einfachem Ziegeldach bauen, an dessen Ostende Kants Sarg beigesetzt wurde. Davor fand die bekannte, im Besitz der Königsberger Universität befindliche Büste Kants von dem Schadowschüler C. Friedrich Hagemann Aufstellung.

 

Hören wir, was Scheffner in seinem hochinteressanten Buch „Mein Leben" selbst darüber erzählt:

 

„Da mir im ganzen Leben nichts Ausgezeichnetes begegnet, noch von mir ausgerichtet ist, so weiß ich auch nichts Erhebliches anzuführen, es wäre denn, dass ich im Jahre 1809 auf den Gedanken kam, das ganz unbrauchbar gewordene Professorengewölbe an der Kneiphöfischen Kirche, in dem auch Kant seine ganz unbemerkt gebliebene Grabstätte erhalten hatte, in einen Spaziergang für die in dem Collegio Albertino Wohnenden zu verwandeln und bei der Gelegenheit auch etwas zu Kants Andenken zu stiften. Es wurde zu diesem Ende die 136 Fuß lange und 15 Fuß breite Galerie mit Ziegeln ausgelegt, Kants Sarg auf einem Flügel des Ganges angebracht … , und hab ich über den Haupteingang mit großen Buchstaben STOA KANTIANA und inwendig in eben der Art das aus meinem schlechter geratenen Hexameter und Pentameter vom Staatsrat Süwern verwandelte Distichon setzen lassen:

 

„Hier, von den Geistern umschwebt, ehrwürdiger Geister der Vorzeit, Sinne, dass, Jüngling, auch dich rühme noch spätes Geschlecht“.

 

In der Folge wurde beschlossen, die Marmorbüste Kants, die der Baumeister des hiesigen, vorzüglich geratenen Neuen Schauspielhauses, der Regierungsrat Müller, mit einigen Freunden und Verehrern Kants durch Schadow in Berlin hatte besorgen lassen, auf die mit einem Stein und der Aufschrift

 

Sepulcrum Immanuelis Kant nati a. d. X. Calend. Maii a MDCCXXIV. denati pridie I d. Februar, a MDCCCIV. hoc monumento signavit amicus Scheffner MDCCCIX bezeichnete Stätte zu stellen.

 

Die Jahrzehnte vergingen; 70 Jahre später war durch die „Stoa Kantiana" derart verfallen, dass eine neugotische verputzte Kapelle errichtet wurde, die, bedeutend kürzer, als die Stoa, dennoch den bisherigen Namen zu Unrecht erbte und behielt.

 

Bei dieser Gelegenheit wurden im Juli 1880 Kants Gebeine ausgegraben. Der Leiter der Aktion war der Professor an der Kunstakademie, Heydeck, der bereits eine ganze Reihe derartiger Ausgrabungen für die Altertumsgesellschaft Prussia durchgeführt hatte.

 

Man wusste, dass als letzte Professoren am Ostende der Stoa Immanuel Kant und der Professor der Theologie Johann Ernst Schultz beigesetzt worden waren.

 

Professor Heydeck hob persönlich die Grube aus. Die zahlreichen anderen anwesenden Gelehrten sahen mit Spannung zu.

 

Nicht lange dauerte es, so legte sein Spaten ein Schädeldach frei. Mit der größten Behutsamkeit grub er weiter und bald konnte er das zum Schädel gehörende Skelett bloßlegen.

 

Etwas weiter nördlich fand er die Bruchstücke einer Platte, welche, aneinandergefügt, deutlich die Worte „Cineres mortales immortalis Kantii" erkennen ließen. Die eisernen, mit dickem Rost bedeckten Sarggriffe lagen an der richtigen Stelle, von dem Sarg war nichts mehr vorhanden.

 

Das gefundene Skelett war unzweifelhaft das eines alten Mannes — aber war es das Kants, oder das von Schultz?

 

Deshalb grub Heydeck weiter, während die anderen Männer in atemlosem Schweigen zuschauten.

 

Da stieß der Spaten in der Tiefe der Grube auf ein weiteres Skelett, dessen Sarg ebenfalls völlig vermodert war, während die stark verrosteten Sarggriffe auch hier am richtigen Orte lagen.

 

Vorsichtig legten Heydeck und seine Helfer auch dieses Skelett frei; es war ebenfalls das eines alten Mannes und dem ersten an Gestalt und Größe ähnlich.

 

Doch eine genaue Untersuchung der einzelnen Knochen ergab, dass das tiefer gelegene zweite Skelett das Kants war.

 

Von dieser Szene gibt es einen seltenen Kupferstich, der sich auch im Kantzimmer des Stadtgeschichtlichen Museums befand. Er zeigt Professor Heydeck in der Grube stehend in Hemdärmeln, mit dem Hut auf dem Kopfe, in der einen Hand den Spaten, mit der anderen reicht er den soeben ausgegrabenen Schädel einem seiner Mitarbeiter herauf. Diese umstehen auf beiden Seiten die Grube: Oberlehrer Witt, Vorsitzender des Komitee zur Wiederherstellung der Grabstätte Kants; Dr. Walter, Professor der Philosophie; Privatdozent Dr. Arnold; Dr. Reicke, Kustos an der Kgl. Universitätsbibliothek; A. Wittich, Archivassistent und Bibliothekar; Particulier C. Schmidt; Stadtkämmerer H. Hoffmann; Professor der Anatomie Dr. C. Kupffer; Dr. P. Albrecht, Prorektor an der Anatomie; Cand. med. E. Besselhagen.

 

Dann setzte man Kants Gebeine wieder an der alten Stelle bei.

 

Diese gotische Kapelle am Dom, die man beim besten Willen kaum ein würdiges Grabmal des großen Weisen von Königsberg nennen konnte, wurde nur an Kants Geburts- und Todestag — 22. April und 12. Februar — mit Blumen ausgeschmückt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

Zum 200. Geburtstage des großen Philosophen aber brach man diese inzwischen baufällig gewordene Kapelle ab und errichtete auf Kosten von Hugo Stinnes nach dem Entwurf von Friedrich Lahrs ein großliniges Grabmal aus rotem Rochlitzer Porphyr und schwarzem Granitsarkophag. Die Gebeine Kants blieben unberührt an Ort und Stelle.

 

Die hohen Pilaster sollten wohl den Flug der Gedanken des großen Weisen versinnbildlichen und der Granitsarkophag die Wucht seiner Maxime.

 

So würdig und großzügig dieser Bau an sich war, so brachte man bei seiner Betrachtung nie die Frage zum Schweigen: durfte man an den gotischen Backsteindom dieses moderne, ganz anders geartete — im Kunstwerte sicher gleichwertige — Bauwerk ankleben? Es ist die gleiche Frage, die vor der Scembeckkapelle am Frauenburger Dom auftaucht und den Betrachter vor der herrlichen Schönbornkapelle Balthasar Neumanns am romanischen Dom zu Würzburg bewegt. Darf man ganz verschiedene Kunstepochen so hart nebeneinanderstellen? Eine Frage, über die man sich niemals einig werden wird.

 

Aber auch eine andere Frage taucht auf: Wie hätte man es besser machen sollen?

 

Aber jedem, der in diesem ernst-stillen Winkel, vor diesem Kenotaphion den großen Sohn Königsbergs wieder lebendig werden ließ in der erhabenen Größe seiner strengen Pflichtauffassung und großartigen Moral, dem schien diese Frage kleinlich und klein. Jeder beugte sich in Demut vor der Sternengröße dieses kleinen verhutzelten ostpreußischen Greises, dessen gewaltige Lehre das Deutschtum unserer Stadt Königsberg und Ostpreußens in alle Ewigkeit bezeugen wird!  

 

Seite 9   Mit 120 Stundenkilometern über das Eis.

Zeichnung: Frisches Haff in Eis und Schnee.

Winter über ostpreußischen Haffen und Seen! Unser Bild erinnert an dieses natürliche Geschehen, das auf ostpreußischem Boden nicht nur als Naturereignis vom warmen Ofen aus betrachtet wurde. Hier machten sich die Sportler zunutze, wenn das Eis auf den Seen dick genug war, um einen Sport auszuüben, der im übrigen Deutschland kaum bekannt ist: Das Eissegeln!

 

Die „klassischen" Bereiche dieser Sportart waren allerdings weniger das Frische oder das Kurische Haff. Die Seen zwischen Angerburg und Lötzen waren ihr eigentliches „Paradies". An der Nordgrenze des Masurenlandes gelegen, waren sie groß genug dazu.

 

Etwa ab Januar begann auf dem Schwenzait-See bei Angerburg die große Zeit der segelführenden Eisschlitten. Bei günstigen Windverhältnissen wurden hier bei Renn-Veranstaltungen Spitzengeschwindigkeiten bis zu 120 km pro Stunde amtlich registriert. Es waren nach dem Stromlinienprinzip raffiniert konstruierte „Schlitten", mit denen sich ein solches Höllentempo erreichen ließ.

 

Das Eissegeln in Ostpreußen zog jeden Winter viele Sportfreunde nach Angerburg. Es kamen Baltendeutsche und Berliner, auch Angehörige der westlichen Länder steckten die Nase gelegentlich in den „rauhen Osten", um sportliche Erlebnisse zu durchkosten, die aus klimatischen Gründen im westlichen Europa selten oder gar nicht möglich sind.

 

Seite 9   Mach mich bereit

Mit Ernst, o Menschenkinder,

das Herz in euch bestellt,

bald wird das Heil der Sünder,

der wunderstarke Held,

den Gott aus Gnad allein

der Welt zu Licht und Leben

versprochen hat zu geben,

bei allen kehren ein.

 

Bereitet doch fein tüchtig

den Weg dem großen Gast;

macht seine Steige richtig,

lasst alles, was er hasst;

macht alle Bahnen recht,

die Täler all erhöhet,

macht niedrig was hoch stehet,

was krumm ist, gleich und schlecht.

 

Ein Herz, das Demut liebet

bei Gott am höchsten steht;

ein Herz, das Hochmut übet,

mit Angst zugrunde geht,

ein Herz, das richtig ist

und folget Gottes Leiten,

das kann sich recht bereiten,

zu dem kommt Jesu Christ.

 

Ach, mache du mich Armen

zu dieser heil'gen Zeit

aus Güte und Erbarmen,

Herr Jesu, selbst bereit.

Zeuch in mein Herz hinein

vom Stall und von der Krippen,

so werden Herz und Lippen

dir allzeit dankbar sein.

Valentin Thilo (1607 – 1662)

 

Seite 10   Auf jeden Weihnachtstisch ein Heimatbuch

Das heutige Ostpreußen

Ein Bild- und Reisebericht aus dem polnisch besetzten Teil Ostpreußens. 91 Bilder auf 68 Kunstdrucktafeln u. 12 Seiten Text. Geb. 5,80

 

Erlebnis der Welt.

Ein Lese- und Vorlesebuch für die reifere Jugend. Ein Hausbuch bester Art. 304 Seiten, 50 Bilder u. 8 Kunstbeilagen. Als Weihnachtsgeschenk besonders geeignet. Ln. 9,80

 

Wind, Sand und Meer.

Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung mit ergänzenden Textbeiträgen ostpreußischer Autoren. Format 20 X 26 cm. 108 S. Ln. 11,50 Halbleder mit Karton 15,--

 

Königsberg.

Ein Buch der Erinnerung, erschienen anlässlich der 700-Jahrfeier Königsbergs mit 66 Bildern und Beiträgen Königsberger Autoren. Format 20 X 26 cm, 128 S. Ln. 11,80 Halbleder mit Karton 15,50. Mit Stadtplan 14,30 bzw. 18,--

 

Ostpreußen

Unvergessene Heimat in 116 Bildern, sorgf. zusammengestellt, mit Prosa- und Gedichtbeiträgen ostpreußischer Autoren. Ein repräsentatives Dokumentarwerk. Format 20 X 26 cm, 160 Seiten. Ln. 13,80. Halbleder mit Karton 18,50

 

Stille Seen – Dunkle Wälder

Masuren und Oberland in 48 Bildern. Spiegelt den Zauber der alten Grenzlandschaft, begleitet von ausgewählten Texten ostpr. Autoren. Format 20 X 26 cm. 100 S. Ln. 11,80. Halbleder mit Karton 15,50

 

Foto: Dies Land bleibt Deutsch.

 

Merian-Heft Königsberg

Die alte Krönungsstadt wie sie war und heute ist, mit zahlreichen, teils mehrfarb. Bildern. 104 S. 3,20

 

Königsberg in 144 Bildern.

Ein Bildwerk von der einstigen Größe und Schönheit der Hauptstadt Ostpreußens, kart. 6,90 Ln. 9,50

 

Von Memel bis Trakehnen

Ein prächtiger Bildband vom nordöstlichen Teil Ostpreußens, von Memel angefangen bis in das Paradies der Pferde. kart. 6,90 Ln. 9,50

 

Wilhelm Matull:

Liebes altes Königsberg.

Ein Buch der Erinnerung mit zahlr. Bildern. 190 S. Hln. 5,80

 

G. Werner:

Bittersüße Erinnerungen an Königsberg.

Neuauflage des beliebten Erinnerungsbüchleins. 99 S. mit 10 ganzseitigen Kohlezeichnungen. kart. 4,80 Ln. 6,80

 

Ein preiswerter Bildband:

Quer durch Ostpreußen.

100 Aufnahmen aus Ostpreußen mit Begleittext. Eine Wanderung durch die Heimat. Format 20 X 21 cm. 60 S. Kunstdruckpapier 3,85 Geschenkausgabe Ganzl. 6,--

 

Susanne von Balbus:

Paradies an der Memel.

Ein echtes ostpreußisches Familienbuch, zugleich ein schönes Gedenkbuch an Ostpreußen. Mit 6 ganzseitigen Zeichnungen von A. W. Sauter. 192 Seiten. Ln. 7,80

 

Das neue Buch von Alfred Lau:

Auguste in der Großstadt, mit Abbildung 2,--

 

Eichland-Verlag

Abt. Ostpreußen-Buchdienst. Braunschwelg, Donnerburgweg 50

 

Seite 10   Königsberger Randmarzipan / Von Gertrud Wensky

Das Marzipanbacken in Ostpreußen zu Weihnachten war nicht nur eine hausfrauliche Tätigkeit, sondern es barg — zumindest noch im vorigen Jahrhundert — eine kultvolle Handlung in sich. Da waren festgefügte Gesetze vererbt durch Generationen, die den Töchtern und Schwiegertöchtern mit geheimnisvoller Würde übermittelt wurden. Dass oft komische Situationen sich ergaben, bedingte die ungeheure Wichtigkeit und die damit verbundene Aufregung dieses zeremoniellen Vorganges.

 

Ich will hier etwas davon erzählen.

 

Auf dem Gut meines Onkels in Masuren begannen die Vorbereitungen des Marzipanbackens am Sonntag vor dem Weihnachtsfest. Das war Tradition, nur schwere Erkrankung, Kinderkriegen oder Feuer konnte diesen Brauch abbiegen. Also am letzten Sonntag vor Weihnachten, wenn morgens der Frühstückstisch abgeräumt war, wurde der Esstisch in voller Länge ausgezogen und blitzsaubere Laken darüber gebreitet. Dann kam das ganze weibliche Hauspersonal, Wirtin, Stuben- und Küchenmädchen, in frischgewaschenen Schürzen und mit blankgescheuerten Händen herein. Jeder bekam ein Reibeisen und ein großes Stück Hutzucker (damals wurde fast nur Hut- und Würfelzucker im Haushalt auf dem Lande verwandt) und setzte sich an den Tisch. Die Hausfrau, Besuch und erwachsene Töchter hatten die Mandeln zu bearbeiten. Die waren schon den Abend vorher gebrüht, abgezogen und getrocknet und wurden nun auch auf kleinen Reibeisen gerieben.

 

Mein Onkel, als Hausherr, saß obenan, las eingangs ein Stück der Weihnachtsgeschichte vor und stimmte dann einen Weihnachtschoral an, den alle stehend mitsangen. Danach begann nun ein emsiges Reiben, der Zucker knirschte und rappelte, die Mandeln benahmen sich sanft und gedämpft dagegen. Da wurde gelacht und erzählt, dann wieder zwischendurch die alten schönen Weihnachtslieder, und alle Augen glänzten in Vorfreude und Feststimmung. Die kleinen Kinder, besonders die Jungens, die noch nicht zur „Tafelrunde" zugelassen waren, passten wie die Schießhunde auf die „abgeglitschten" Mandelstückchen auf, die natürlich gleich in die Münder verschwanden. War nun alles gerieben, wog der Hausherr Mandeln und Zucker zu gleichen Teilen ab, und nun begann die wichtige Arbeit des Knetens. In einer großen Schüssel wurde die Masse solange durcheinander gearbeitet — eine schwere muskelbeanspruchende Sache —, bis eine ölig-glänzende Kugel die Mühe krönte. Meist war es dann Mittag geworden, das Essen gab die Arbeitspause, und am Nachmittag begann dann das Ausrollen der Masse, was von Madamchen und Mamsellchen vollführt wurde. Die Töchter halfen beim Ausstechen der Herzen, Halbmonde und Rundstücke, die Ränder wurden geschnitten und mit Rosenwasser angefeuchtet aufgesetzt.

 

Wenn jetzt alles geformt war, wurden die zierlichen Kostbarkeiten auf einem großen Brett über Nacht in die „gute Stube" gestellt. Einmal, als meine Tante am nächsten Morgen die Stücke zum Bräunen holen will, durchgellt ein entsetzlicher Schrei das Haus. Die Töchter stürzten herein und sehen bleich und starr auf ihre marzipanernen Kunstwerke. In der Mitte des großen Brettes, das über Stühle gelegt war, gähnte ihnen eine höhnische Leere entgegen ...

 

Wer war daran gewesen? Wer hatte gewagt, sich an diesen ehrwürdigen Leckereien zu vergreifen? Alle Kinder wurden verhört; sie beteuerten heulend ihre Unschuld. Das Personal wurde gerufen, mit von Abscheu erfüllten Reden und Gebärden verbaten sich alle auch nur den leisesten Verdacht.

 

Alles war empört und ratlos. Da kam, von dem brandenden Aufstand herbeigelockt, der alte Großvater angeschlurft. Er hatte eine schlechte Nacht gehabt und war noch in seinem Schlafrock.

 

„Wwwas is denn los?" fragte er. „Großvaterchen", schrie ihm meine Tante, seine Tochter, ins Ohr, „sieh bloß, hat doch einer unsern Marzipan gestohlen ---"

 

„Neiche, nei, sowas aber auch, Erbarmung, nei, nei wie kann einer doch bloß ---" ereiferte sich nun auch Großvaterchen, dabei schlurfte er zu dem beraubten Brett und bückte sich, um besser sehen zu können. Da erscholl ein zweiter Schrei aus allen Kehlen — aller Augen starrten auf Großvaterchens Sitzflächen, an ihr klebten, zu scheußlichen Klumpen geballt, die fehlenden Marzipanstücke!!! Meine Tante fasste sich zuerst:

 

„Großvaterchen, Erbarmung, — Du hast Dich ja in meinen Marzipan reingesetzt", schrie sie ihm ins Ohr.

 

„Wwwas hab ich, Tochterchen?" fragte der halbtaube Opa. Nun schrien alle durcheinander, ein unbändiges Lachen löste die Empörung. Aber Großvaterchen begriff erst, als man ihm den Schlafrock auszog und die schöngarnierte Hinterseite vorzeigte.

 

„Ach Herjechen, neiche nei, mir wurd nämlich nach den aufjebratnen Appelkeilchen in der Nacht so koddrig, un da wollt ich mir aus dem Schrank hier einen Magenbittern holen, na, un da muss ich mich doch woll aus Versehn auf das Marzipanbrett gesetzt haben. Ach nei, ach nei, mein Trautsterchen, ich geb Dir n paar Thaler, kaufst neie Mandelchens, nu sei man nich weiter unglicklich, ach nei, ach nei . . .", jammerte nun Opa, und alle mussten ihn trösten und fanden sein Unglück größer als den „versessenen" Marzipan.

 

Eine andere Geschichte, die immer mit Schmunzeln erzählt wurde, war die:

 

Im Pfarrhaus, das zu unserer Gemeinde gehörte, waren viele Kinder, das war meist so. Da die Pfarrfrau ihr Wirtschaftsgeld sehr einteilen musste, war sie zwar immer gastfreundlich zu den Besuchern, die allsonntäglich nach dem Gottesdienst, bis der Kutscher vorfuhr, im Pfarrhaus „Guten Tag" sagten, aber es war ihr ja nicht zu verdenken, dass sie den kostbaren Marzipan, der auch bei ihr gebacken wurde, nicht gerade den Gästen vorsetzte.

 

Aber an einem Weihnachtsfest tat sie es doch. Die Gäste wunderten sich ob dieser noblen Geste, lobten das Aussehen und fingen an zu essen — sie lobten nicht weiter, nahmen auch kein zweites Stück, das ihnen freundlich angeboten wurde — der Marzipan war aus Versehen auf einem Zwiebelbrett ausgerollt worden! — Böse Zungen behaupteten später, dass Frau Pfarrer bis Ostern ihren Besuchern den Marzipan vorgesetzt hätte . . .

 

Aber nun muss ich noch zu Ende beschreiben, wie dieser Königsberger Randmarzipan den letzten Schliff erhielt. Nachdem die Ränder, die mit Streichhölzchen eingekerbt waren, mit rotglühenden Bolzen gebräunt wurden, kam der berühmte Guss hinein, dessen Rezept Familiengeheimnis war, und dann erst begann das schöne Garnieren. Aus eingemachten grünen Walnüssen und roten Hagebutten schnitt man feine Figuren, die in jedes Stück kunstvoll eingelegt wurden (Foto). Kein Wunder, wenn diese kleinen Wunder am Weihnachtsabend sehr sparsam obenauf auf unseren bunten Tellern prangten, und wir Kinder uns eine besondere Feierstunde aussuchten, in der wir, im neuen Märchenbuch lesend, „unsern" Marzipan verzehrten! Der jeweilige Besuch nahm auch stets mit Andacht diese Kostbarkeit entgegen, und Stolz und Freude erfüllte die Hausfrau, wenn Aussehn und Aroma gepriesen wurden.

 

Man war damals doch bescheidener, und — man hat mehr Genuss in dieser Bescheidenheit gehabt. Vor allen Dingen galt der geistige Hintergrund, besonders des Weihnachtsfestes, als die Hauptsache und alles andere: Geschenke und Gebäcke, waren nur Nebendinge, die die eigentlich Festesstimmung vorbereiten und erhöhen halfen!

 

Seite 10   Bild: Gute Rezepte für’s Weihnachtsgebäck:

Königsberger Marzipan.

Um Marzipan herzustellen, brühen wir süße Mandeln, unter denen auch ein paar bittere sein sollen, schälen sie und lassen sie trocknen. Dann werden sie fein gemahlen; man siebt die gleiche Menge Puderzucker und gibt so viel Rosenwasser zu dem ganzen, dass man die Masse gut kneten kann. Wenn der Marzipan recht schön geschmeidig ist, wird er zu einer dicklichen Platte ausgerollt. Dann sticht man große Figuren aus und legt noch einen dicken Rand darum, der mit dem Messer hübsch eingekerbt wird. Damit der Marzipan oben etwas gelblich wird, muss er kurz in den Backofen geschoben werden, der nur Oberhitze hat. Aus Puderzucker und Zitronensaft rühren wir einen Guss an, den wir in den Rand gießen. Außerdem verzieren wir den Marzipan mit Zitronatstückchen oder kandierten Früchten.

 

Schokoladenkringel

250 g Weizenmehl, 25 g Kakao und zwei gestrichene Teelöffel Backpulver sieben wir auf ein Backbrett und machen in die Mitte eine Vertiefung. Dahinein geben wir 150 g Zucker und ein Päckchen Vanillezucker. Langsam geben wir 6 Esslöffel Wasser oder Milch dazu und vermengen das Ganze mit einem Teil des Mehls zu einem dicken Brei. 60 g Butter oder Margarine schneiden wir in Stücke, die wir mit Mehl bedecken. Von der Mitte aus verkneten wir alles zu einem glatten Teig, der aber nicht kleben darf; notfalls müssen wir etwas Mehl dazugeben. Aus dem Teig formen wir nicht zu dicke Rollen, aus denen wir Kringel oder Brezel formen. Auf gefettetem Blech backen wir etwa 10 Minuten bei starker Hitze.

 

Christstollen

750 g Weizenmehl und 250 g Mondamin versieben wir miteinander. Von 50 g Hefe stellen wir ein Hefestück her, das mit dem Mehl und Mondamin und 150 g Schmalz, 250 g Fett, 250 g Zucker, ¼ Liter Milch, 150 g Sultaninen, 150 g Korinthen und 50 g Zitronat, 125 g Mandeln und abgeriebene Schale einer halben Zitrone verknetet wird. Nachdem der Teig in der Wärme gegangen ist, formen wir einen Stollen daraus, den wir auf gefettetem und leicht gemehltem Blech 40 - 50 Minuten abbacken. Mit 50 g flüssigem Schmalz bestreichen wir den noch heißen Stollen und bestreuen ihn mit Zucker.

 

Seite 10   Das geistige Gut ist nicht zu nehmen. Ostdeutsche Kulturtage in Düsseldorf.

Es war ein glücklicher Griff des Ostdeutschen Kulturrates bei seiner inhaltsreichen und eindrucksvollen Jahrestagung in Düsseldorf, gerade Probleme des Südostdeutschtums in den Mittelpunkt der gebotenen Referate zu stellen. Prof. Valjavec nüchterne Analyse der Donaumonarchie, ihrer inneren Struktur und Geschichte hat viel dazu beigetragen, jenen die Augen zu öffnen, die glauben, die Erinnerungen an die goldenen Zeiten des guten Kaisers Franz oder selbst Josefs wieder in bare politische Münze umprägen zu können. Aus den Worten Prof. Valjavec klang der unverhohlene Stolz auf eine Welt, aus der er selbst stammt und die ihn maßgeblich geprägt. Auf die Leistung, die dieser Staat in der geschichtlichen Vergangenheit vollbracht hat. Es war aber auch die Warnung nicht zu überhören, man solle sich davor hüten zu glauben, aus Vergangenheit Gegenwart oder gar Zukunft machen zu können.

 

Prof. Saris ausgezeichnete Darstellung der Geschichte des Südostdeutschtums, seiner völkischen und soziologischen Struktur, brachte selbst für die viel Neues, die sich mit den Problemen des Südostdeutschtums befasst haben. Auch dem kritischsten Zuhörer wurde aus seiner Darstellung klar, welch ein geistiger und wirtschaftlicher Substanzverlust die Austreibung und menschliche Entrechtung des Südostdeutschtums für alle in diesem Raum Europas lebenden Völker bedeutet.

 

Der feierliche Staatsakt am zweiten Tag der Tagung stand im Zeichen der Anwesenheit höchster Regierungsstellen. Seinen Höhepunkt bildete die Verleihung der Ehrenmedaille des Ostdeutschen Kulturrates an Agnes Miegel und den Historiker Hermann Aubin durch den Präsidenten des Kulturrates Graf Henkel von Donnersmarck (MdB). Man kann dem Kulturrat für die Wahl dieser ersten Träger seiner höchsten Auszeichnung nur beglückwünschen. Sie gab der Ehrung das bestmöglichste Gewicht.

 

Der Festvortrag Prof. Herzfelds über das Thema „Menschenrecht und Grenze" zeigt mit einprägsamer Klarheit den geradezu ungeheuerlichen Verstoß, den die Grenzziehungen der Nachkriegszeit gegenüber allen geschichtlichen Gesetzen bedeuten, auf. Seine Abrechnung mit Miss Wiskemann hatte nicht nur Format, sie war auch von einer derart zwingenden Logik, dass sich ihr kein Mensch entziehen konnte, der Anspruch auf eine historische oder geistesgeschichtliche Vorbildung erhebt.

 

Die stilvolle musikalische und künstlerische Umrahmung der Tagung zeigte, dass hier im Ostdeutschen Kulturrat ein Erbe gewahrt und erhalten wird, das auch den um die Probleme des Ost- und Südostdeutschtums ringenden politischen Kräften nicht nur Waffen für den Kampf der Geister liefert, sondern auch das Gefühl vermittelt, einer Aufgabe zu dienen, für die es sich einzusetzen lohnt

 

Seite 10   August Winnig gestorben.

Der frühere Oberpräsident Ostpreußens und namhafte Schriftsteller Dr. h. c. August Winnig verstarb Anfang November 1956 im 79. Lebensjahr. Dr. Winnig wurde nach Ende des ersten Weltkrieges zum Generalbevollmächtigten des Reiches für die baltischen Lande nach Riga berufen. Im Januar 1919 erhielt er das damals so entscheidend wichtige Amt des Reichs- und Staatskommissars für Ost- und Westpreußen in Königsberg, wo er zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung entscheidend beitrug. Im gleichen Jahre wurde er Oberpräsident von Ostpreußen. In späteren Jahren wurde August Winnig, der sich als gebürtiger Mitteldeutscher dem deutschen Osten stets verbunden fühlte, vor allem als bedeutender Autor bekannt.

 

Seite 10   Arthur Lenz, dem aus Danzig stammenden Schriftleiter i. R., wurde vom Bundespräsidenten wegen besonderer Verdienste um Volk und Staat aus Anlass seines 70. Geburtstages das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

 

Theo Urtnowski, der als „Meister des Danziger Stadtbildes" in weitesten Kreisen bekannte Danziger Maler, beging am 7. November 1956 in Aachen seinen 73. Geburtstag.

 

Rot ist die Liebe heißt ein Film um Hermann Löns. Mit den Dreharbeiten wurde jetzt in Göttingen begonnen. Die Rolle des Löns wird von Dieter Borsche gespielt.

 

Seite 11   Das Kind in der Wiege / Von Lena Merker

Wie eine aufgeplusterte Glucke duckt sich das altersschiele Bauernheus unter seinem sturmzerrauften Dach in den Bergwald droben auf der Einschicht. Es ist ein Witwenhof. Den Altbauern hat ein starrgrindiger Zechkumpan im Streit erstochen, den Sohn, kaum dass er nach dem Krieg aus langer Gefangenschaft heimgekehrt war; ein durchgehendes Ross erschlagen. Seit kurzem erst liegt in der eichenen Wiege, die noch vom Großvater her auf dem Boden gestanden hat, der nachgeborene Erbe des Unglücklichen, der kleine Xav.

 

Eben sind sie alle zur Mitternachtsmesse gegangen, Austräglerin, Jungbäuerin und die Ehehalten; dick in Schals und Tücher gemummt, in den Händen die Windkerzen, die so getrost durch die Finsternis schimmern. Es ist still und dunkel geworden in dem winkligen Haus. Nur aus dem Giebelfenster des Obergeschosses fällt noch ein heller Strahl auf die schneeglitzernde Gred Pudentia, die kreuzlahme Altmagd, steht hinter den Scheiben und sinniert mit leerem Blick in die Nacht hinaus. Ihre gichtigen Füße tragen sie nimmer ins Kirchdorf. Aber auch bei der häuslichen Feier unten in der behaglich geräumigen Kuchel mit einzusitzen, hat sie sich brummend geweigert: hüten werde sie sich! Solch Klappergestell zahnloses, das allweil nur noch krächze und lamentiere, tauge nicht unter das gesunde Leben.

 

Humpelnd wendet sich die Bresthafte vom Fenster zurück. Ob sie noch einmal beim Dikerl drüben in der Kammer einschauen soll? Ihr ist, als habe sie vor einer Weile mit halbem Ohr ein sonderliches Rumoren dort gehört.

 

Dikerl, der ist der einzige hier, der sie noch braucht. Dikerl, Benedikt, der alte Schweinehirt, der Fallsüchtige. Gegen den genommen, geht es ihr noch zehnmal gut. Sie ist doch wenigstens im Kopfe noch ordentlich beisammen. Und sie hat ihre schönen Zeiten gehabt, mag es auch unausdenklich lange her sein: damals, als der blonde Sepp sie in der Fasching und bei der Kirchweih im Tanze gedreht hat; und auch nachher, als sie ihr Lediges aufgezogen. Aber Dikerl, die arme Haut, der ist seit eh und je ärger dran wie das liebe Vieh. Vor wenigen Tagen erst hat sie ihn gefunden, wie er im Abendrot zwischen Reisig und Ackergerät an der wettergrauen Schupfenwand hockte: selber fast nur ein Ding. Das Haar schweißverklebt, das Gesicht blutig zerschrammt, Schaum um die großen Lippen; der Kittel besudelt, von außen und wohl auch von innen. Die Krämpfe hatten ihn wieder gebeutelt; schaudernd hat sie mitangesehen, wie er sich unter Ächzen und Augenverdrehen aus dem Duster der Ohnmacht zurückquälte in sein stumpfes Halbwachsein.

 

Schlurfend tastet sich die Besorgte über den schmalen, mit Kisten und Kasten verstellten Gang und lauscht an der Türe. Nichts regt sich, der Erschöpfte mag wohl eingeschlafen sein.

 

Vorhin am Abend noch, als sie drunten in der Kuchel ihre Milch holen und gesegnete Feiertag wünschen wollte, hat sie gehört, wie der Einfältige in ohnmächtiger Bedrängnis sich plagte, der Bäuerin ein Anliegen verständlich zu machen, das ihm offensichtlich hart zusetzte. Mit Mühe hatte man seinem verworrenen Lallen entnommen: er wolle mit den anderen in die Mette, das Christkindl sehen. Gerade das aber konnte nicht sein. Noch saß allen der Schreck vom Karsamstag in den Gliedern. Da war der Unselige, als Pauken, Posaunen und Trompeten die Auferstehung unseres Herrn und Heilandes kündeten, aus stierem Dösen aufgefahren und in die grässlichen Zustände verfallen und hatte mit seinem Stöhnen und Rumpeln die heilige Handlung peinlich gestört. Seither hatte man sich gescheut, ihn mitzunehmen. Er hat auch heute Abend bald wieder von seinem Verlangen abgelassen und ist, unter beschwichtigendem Kopfnicken mit sich selbst brabbelnd, schleppenden Schrittes zu seiner Lagerstatt hinaufgetappt.

 

Die Greisin kehrt in ihre Stube zurück. Dem Christabend zu Ehren wirft sie noch ein paar der sonst ängstlich zusammengehaltenen Scheite in die Glut ihres eisernen Öfchens. Ins Bett gehen wird sie doch nicht so bald, die Erinnerungen machen ihr heute gar zu viel zu schaffen. Sie denkt an ihre Lieben: an die, die sich irgendwo in der Fremde um ihr tägliches Brot rackern, und an die, die auf dem nahen Gottesacker in ihrer engen Truh Ausruh halten bis zum Jüngsten Tag. Umständlich putzt sie die Brille, die am Bügel mit einem Wollfaden zusammengeknibbelt ist, in den Falten ihres Kleides und kramt die vom vielen Begucken und Durchbuchstabieren stumpfen und abgegriffenen Bilder und Briefe aus der wurmstichigen Erlenkommode, die das bisschen Habe birgt, das so ein alter Scharb für den Rest seiner Tage braucht.

 

Da poltert jemand mit gellendem Schrei die hölzerne Stiege herauf, Fäuste hämmern gegen die Tür: „Macht auf, Pudenz, macht auf, um Christi willen! Das Kind ist fort, das Kind ist fort!" Und als die so grausam Aufgescheuchte mit fliegenden Händen den Riegel zurückschiebt und die Türe öffnet, steht, bebend und bleich, Nandl, die Jungdirn, draußen, die in der Stunde des Kirchgangs bei dem schlafenden Säugling hat bleiben sollen. Heulend bekennt sie: sie sei auf einen Husch zum Jungknecht in den Nachbarhof hinübergelaufen, ihm die Socken zu bringen, die sie für ihn gestrickt, und das Schmalzgebackene, das sie sich vom Munde abgespart und in ihrem Sacktüchel versteckt hatte, und als sie wiederkommen, sei die Wiege leer gewesen. „Helft mir, Frau, sie schlagen mich tot, wenn wir den Jung' nicht finden! Heilige Muttergottes, erbarme dich meiner!" Und die von ihrer Verzweiflung Geschüttelte bekreuzigt sich und faselt törichtes Zeug von Unholden, die in den Zwölf Nächten ihren fürchterlichen Spuk treiben sollen, wie schon ihre Muhme selig immer gemunkelt habe.

 

Entsetzt hatscht die Sieche hinunter, so schnell ihre schmerzenden Knochen es zulassen. Es kann doch nicht sein — — ist das Dirndl, das frische Blut, etwa unklug geworden? Sie war auch sonst nicht die Gescheiteste.

 

Aber als sie in die Kuchel tritt, sieht sie es mit eigenen Augen: die Wiege ist leer, die Polster herausgerissen. Es schwankt um die Fassungslose, sie sinkt auf einen Stuhl und ringt nach Luft. „Nandl, hol die Nachbarn, renn, renn!" Doch da fällt ihr ein, dass auch bei denen nebenan niemand daheim ist außer den einen halbwüchsigen Hallodri, um dessentwillen das ganze Maleur geschehen. Sie ruft die Davongehetzte zurück. Und während noch ihre Gedanken in wilder Ratlosigkeit durcheinandertaumeln, kommen die Kirchenleut' heim. Unsagbar Gejammer und Wehklagen hebt an, Schreien und Hasten die Kreuz und Quer. Die gebrochene Mutter, halb von Sinnen, wirft sich zur Erde und ringt die Arme; hadert mit ihrem Schöpfer und fleht im gleichen Augenblick, er möge einen Fingerzeig geben, der auf die Spur des Vermissten führe.

 

Man will nach verdächtigen Fußtapfen suchen — ein müßiges Beginnen in dem von ungezählten Schritten zerwühlten Schnee. Man schaut nach dem Hund — der schläft in seiner Hütte, die Daheimgebliebenen behaupten, er habe in der ganzen Zeit nicht einmal angeschlagen, das Hoftürl nicht einmal in seinen rostigen Angeln gequietscht.

 

Plötzlich, mitten in dem unheilvollen Aufruhr, stutzen alle in äußerster Erregung, war da nicht irgendwo ein klägliches Wimmern aufgeklungen? Keiner wagt zu atmen. Aber es bleibt still. Doch halt — jetzt wieder. Oder mauzte eine Katze, klagte ein Nagetier? Wieder und wieder durchsucht man das Haus von oben bis unten in kopfloser Hast, späht in alle Löcher, reißt Stadtl- und Stalltüren auf. Da — oh mein Gott, was ist das? Ein verzuckender Lichtschein dort hinten bei den Kühen?

 

Alle stürzen darauf zu, die junge Mutter voran. Sie schreit auf und bleibt wie angewurzelt stehen: in der äußersten Ecke des dumpfig-warmen Raumes, bei der mächtigen Rotbunten, liegt in der Krippe auf Heu und Stroh das Kind, ihr Bub, ihr Xaver, und schläft. In dunkler Verwunderung glotzt das Muttertier auf den Fremdling, beschnuppert ihn mit dampfenden Maul; mochte ihn wohl auch, wie es bei seinem Kalbl tat, mit der breiten, weichen Zunge liebevoll beleckt haben, denn das rosige Gesichtchen glänzte feucht um und um.

 

Vor der Krippe aber kniet einer, kaum kenntlich im blakenden Glimmen der niedergebrannten Stalllaterne, in sich zusammengesunken, die knollig-plumpen Hände ungefügig gefaltet: Dikerl. Doch als sie ihn empört aufstoßen wollen, prallen sie zurück: Dikerl ist tot. —

 

Keiner kann in dieser Nacht schlafen. Sie bleiben alle, die vom Haus und die Nachbarn und auch die leutscheue Pudenz, zusammen wach in der großen Bauernküche, wo zu Krapfen und Striez noch einmal Kaffee gekocht, noch einmal der Christbaum angezündet wird. Die Frauen murmeln fromme Danksagung, indes die junge Mutter den Wiedergefundenen unter Lachen und Tränen an ihrer Brust hetscht. Das Mannsvolk pafft und raunt Schauergeschichten von Kindsraub und anderen abenteuerlichen Begebenheiten. Die kleine Dirn, von der Alten ob ihres eigenmächtigen und leichtsinnigen Tuns streng vermahnt, sitzt in einer Ecke, schamglühend über ihr Strickzeug gebeugt.

 

Draußen in der schwarzen Flöz aber liegt Dikerl, der blöde Dikerl, der noch einmal, ehe er davonmusste, das Kindlein in der Krippe hatte anbeten wollen, und der in der Unordnung seines Herzens irdisches und himmlisches zutraulich vermengte. Vom hohen Firmament leuten die Sterne, der ewige Lichterbaum, groß und ernst in das weiße Antlitz des Toten, das jetzt selbst so klar und voller Friede ist wie das des göttlichen Neugeborenen.

 

Seite 11   Maria mit dem Sohn. Von Käthe Kamossa

Die du über Sterne steigst

Und dich allen Herzen neigst,

Alle Welt umfleht dich schon,

Heilige Mutter mit dem Sohn!

 

Ewiglich gebenedeit,

Leuchtest du durch laute Zeit

Mit dem Lächeln, das versöhnt

Und den ärmsten Bettler krönt.

 

Nimm die Kalten in das Licht,

Dass der letzte Hass zerbricht –

Die du Gott am Herze trugst

Und den Bann der Welt zerschlugst!

 

Seite 11   Bild: Daniel Chodowiecki / Anbetung

 

Seite 11   Der bunte Weihnachtsteller

Zwei Besitzer treffen sich auf der Grünen Woche. Nach der freudigen Begrüßung: „Menschenskind, das wor'n Winter!" — „Und denn der Schnee!" — „Je und mein Nachbar, der Schinkat, der hett ja noch mal so viel Schnee gehabt wie ich!" — „Erbarmung! Wie kam das denn?" — „Na, dem sein Grundstück is ja noch emal so groß wie meins“.

 

Tantchen kam von einer Besorgungsfahrt in die Kreisstadt mit dem Schlitten abends zurück. Unter ihren vielen Paketen hatte sie auch eine Tüte mit einem Dutzend schöner, großer Berliner Pfannkuchen für Sylvester. Es war schon düster, und im unsicheren Mondlicht sah der Kutscher zu spät einen verschneiten Steinhaufen. Die rechte Kufe stieg gen Himmel, und schon kippte die Fuhre ihre Ladung, Tantchen mit all ihren Päckchen auf die glattgefahrene Chaussee.

 

„Ach 'chot, ach 'chot! Meine Bärliner!" Und emsig machte sie sich ans Einsammeln der herumkugelnden Krapfen. Mit Erfolg! — Denn als sie sie zu Hause die Tüte leerte, fand sie sogar vierzehn Stück!

 

Um die Jahrhundertwende hatten wir wieder einmal einen sehr harten Winter. Als wir Jungens morgens zur Schule gehen wollten und an die Holzbrücke kamen, war die Brücke erst halb geschlossen, da das Räderwerk stark vereist war. Wir Schüler jubelten im Stillen, denn wenn die Brücke nicht geschlossen werden konnte, brauchten wir nicht zur Schule zu gehen. Die Passanten wurden ungeduldig, die Brückenwärter versuchten immer wieder, die Eisenräder und Ketten vom Eis zu befreien. Da drängte sich ein Offizier in die vorderen Reihen. Es war der Kommandierende General von Königsberg. Ein Arbeiter, welcher den General erblickte, rief darauf einem der Brückenwärter zu: „Du Koarl, drell man, drell! Ek und der Herr General stoane hier wie e paar Ape!"

 

Diese herzhaften ostpreußischen Späßchen entnahmen wir dem soeben bei Gräfe und Unzer, München (früher Königsberg) erschienenen Bändchen „Hier lacht Ostpreußen" 76 S., kart. 3,25 DM, Leinen 4,40 DM). „Hier lacht Ostpreußen" ist der Fortsetzungsban von „Humor aus Ostpreußen" mit vollkommenen neuem Material, geschmückt mit zahlreichen Holzschnitten.

 

Seite 11   „… Wer ermäße die Tiefe?“

Rainer Maria Rilke an seine Mutter.

Schloss Berg am Irchel, Kanton Zürich, Schweiz am 17. Dezember 1920.

 

Meine liebe Mama,

wieder zu unserer gesegneten Stunde das liebevollste Gedächtnis vergangenster Weihnachstage und der Wunsch, es möchten Dir nun nach so böser Zeit mit jedem Jahr stillere Feste, friedlichere und endlich auch wieder solche in einem kleinen, wirklich eigenen Heim vergönnt sein!

 

Da dies ausgesprochen ist, ist eigentlich alles ausgesprochen, denn nun heißt's nicht lesen, sondern in sich gehen und der heiligsten Feierstunde des Jahres die Krippe im eigenen Herzen bereiten, dass sie drin, und der Heiland in ihr recht innig wieder zur Welt kommen möge!

 

Was ich Dir wünsche, liebe Mama, ist, dass an diesem weihevollen Abend das Erinnern aller Not, ja das Bewusstsein der nahen Sorge und Unsicherheit des Daseins ganz aufgehalten und gewissermaßen aufgelöst sein möchte in jenem innersten Wissen um die Gnade, der ja keine Zeit zu dicht im Verhängnis und keine Bangheit so verschlossen ist, dass sie nicht zu ihrer Zeit — die nicht die unsrige ist! - einzutreten und das scheinbar Unüberwindliche mit ihrem milden Sieg zu durchdringen wüsste. Es gibt keinen Moment im langen Jahre, wo man sich ihre immerfort mögliche Erscheinung und dann Allgegenwärtigkeit so lebhaft ins Gemüt zu rufen vermöchte wie diese über die Jahrhunderte hin unabhängige Winternacht, die durch die unvergleichliche Hinzukunft jenes alle Wesen unwandelnden Kindes die Summe aller übrigen Erdenmächte an Wert mit einem Schlag überwog und übertraf.

 

Mag der glücklichere Sommer uns mit Tröstungen verwöhnen — was sind sie alle gegen die unermesslichen Trostschätze dieser außen unscheinbaren, ja armen Nacht, die nach innen zu plötzlich offen steht wie eine wirklich mit Schlägen ihres glockentönigen Herzens antwortet auf unser Hineinhorchen in den innersten Gewahrsam!

 

Alle Verkündigungen der Vorzeit reichten nicht hin, diese Nacht anzusagen, alle Hymnen, die zu ihrem Preise gesungen worden sind, reichten nicht an die Stille und Spannung heran, in der Hirten und Könige niederknieten — so wie ja auch wir, keiner von uns, je imstande gewesen sind, während diese Wundernacht ihm geschieht, die Masse seines Erlebens anzugeben.

 

Es ist so recht das Mysterium von dem knienden, von dem tief knienden Menschen: dass er größer sei, seiner geistigen Natur nach, als der stehende! Der Knieende, der sich ganz ans Knien gibt, verliert allerdings das Maß seiner Umgebung, selbst aufschauend, wüsste er nicht mehr zu sagen, was groß und was klein ist. Aber ob er gleich in seiner Abgebogenheit kaum die Höhe eines Kindes hat, so ist er, dieser Kniende, doch nicht klein zu nennen. Mit ihm verschiebt sich die Skala, denn er, indem er der eigentümlichen Schwere und Kraft in seinen Knien folgt, und die Stellung einnimmt, die sich zu ihnen hinbezieht, gehört bereits zu jener Welt, in der Höhe — Tiefe ist — und wenn schon Höhe unserem Blick und unseren Apparaten unermesslich bliebt: wer ermäße die Tiefe.

 

Dieses aber ist die Nacht der aufgetanen strahlenden Tiefe: Möge sie Dir, liebe Mama, geweiht und gesegnet sein. Amen.

 

Für die Sechs-Uhr-Stunde der Weihnacht 1920. Rainer

 

Zum 30. Todestag des größten Lyrikers unserer Zeit am 29. Dezember 1956.

 

Seite 12   Auf jeden Weihnachtstisch ein Heimatbuch.

Erminia von Olfers-Bartocki:

Ostpreußische Dorfgeschichten.

Die Verbundenheit von Haus, Hof, Tier und Mensch spiegelt sich in diesen Geschichten. 128 S. 3,90

 

Ernst Wiechert:

Wälder und Menschen.

In diesem Erinnerungsbuch schildert der Dichter seine Kindheit in den Wäldern um die Crutine. 260 S. 9,50

 

Walter von Sanden-Guja:

Das gute Land.

Der Lebensbericht des Dichters, in dem er von seiner Jugend auf den Gütern seiner Eltern in Ostpreußen erzählt. 6. Aufl., 208 S. Ln. 8,75

 

Hier lacht Ostpreußen.

Der Fortsetzungsband von „Humor aus Ostpreußen". Ausgestattet mit zahlreichen Holzschnitten. 76 S. kart. 3,25 Ln. 4,40

 

333 Ostpreußische Späßchen.

Echter urwüchsiger Volkshumor. 148 S., 16 Zeichnungen. geb. 4,80

 

Abgebildet ist das Deckblatt. Schöne Heimatkalender! Ostpreußen im Bild 1957.

Jeder Kalender mit 24 Ansichtskarten aus der Heimat in bestem Kunstdruck nur 2,50

 

Und nicht vergessen:

 

Die bunten Bändchen der kleinen Elchland-Reihe.

Band 1:

Elisabeth Pfeil:

Hunger, Hass und gute Hände. Erlebnisse und Begegnungen jenseits der Memel.

 

Band 2:

Fritz Kudnig:

Herz in der Heimat.

Erzählungen aus der Heimat und Kindheit.

 

Jeder Band für unsere Leser zum Einführungspreis von 1,60

Elchland -Verlag Abt. Ostpreußen-Buchdienst, Braunschweig, Donnerburgweg 50

 

Seite 12   Ein blaues Band für Fredegunde / Von Tamara Ehlert.

Die Häuser waren groß, aber ich war klein. Aber ich kam mir keineswegs verloren vor. Der Wind brachte das Weihnachtsgeläut der Domglocken über den vereisten Fluss, und ich freute mich auf Fredegunde. Ich malte mir aus, wie ich das blaue Seidenband um ihren weißen Hals winden würde, ganz vorsichtig natürlich, um ihr nicht weh zu tun. Ab und zu fasste ich in die Manteltasche und sah nach, ob das Band noch da war. Es war noch da und fühlte sich kühl und glatt an wie frisch gefallener Schnee.

 

In der Altstadt wurden die Straßen enger und die Häuser kleiner. Minnas Haus gehörte zu den ganz kleinen. Eine einsame Gaslaterne streute honiggelbes Licht auf das verhutzelte Dach. Ich klingelte.

 

„Aber nei! sagte Minna, als sie mir aufmachte. Das „Nei" war so breit wie ihr gutes Gesicht. Minna stammte aus einem Grenzdorf, dessen Namen ich nie aussprechen konnte. Als junges Mädchen war sie bei meinen Großeltern in Stellung gewesen, meine Eltern hatten sie geerbt, und als altes Mädchen heiratete sie Jula. Ab und zu durfte ich sie besuchen. Ich ging gern hin. Es war ein Abenteuer, in der Küche zu essen, ganz ohne Tischtuch. Und dann Jula! Er trank sehr viel Schnaps und erzählte aufregende Geschichten dazu. „Als ich noch Krankenpfleger war ..." Minna nahm ihm beides übel, den Schnaps und die Geschichten. „Ach Gottchen", sagte sie zu meiner Mutter, „dann sauft er den Fusel und erzählt grausige Sachen, und dabei schielt er mit dem einen Auge in die Höll und mit dem anderen in die Dachrinn“. Ich verstand nicht, warum Minna so böse darüber war. Wenn Jula zu schielen anfing, wurden seine Geschichten am schönsten.

 

„Hast denn auch dürfen?" fragte Minna und nahm mir den Mantel ab“. Ja, für eine Stunde. Du, Minna, in der Manteltasche — fass mal rein“. Minna tat es. Sie hielt das blaue Seidenband hoch und streichelte es. „Schönes Band, mein Katzsche. Soll ich das haben?"

 

„Nein, Fredegunde“.

 

„Ach —" sagte Minina, und ihr breites Gesicht wurde lang.

 

„Minna", sagte ich rasch, „ich bring dir das nächste Mal was mit, ganz bestimmt. Was meinst du, ob Fredegunde sich freuen wird? Wir binden es ihr um den Hals und machen eine Schleife, und du hältst ihr einen Spiegel vor, damit sie sich begucken kann“. Ich wollte in die Küche laufen, aber Minna hielt mich fest.

 

„Nu komm man in die Stube, heute ist nichts mit Küche“. Ich war enttäuscht. Ich trabte hinter Minna drein. In der Stube war der Tisch gedeckt, ein blendend weißes Tischtuch lag auf — die zweite Enttäuschung. Ich verwand sie rasch, denn am Ofen hockte Jula und daneben stand die Flasche. Auch ein Christbaum war da, ganz bunt geschmückt. Jula tätschelte meine Hand und sagte: „Nein, so eine Freude!" Minna wollte ihm die Flasche wegnehmen, aber da kam Grete herein und sagte: „Gönn ihm doch das bisschen Weihnachtsfreude“. Jula bedachte sie mit einem liebevollen Blick. Er schielte schon ein wenig.

 

Grete arbeitete in der Zellstoff-Fabrik, und Jula hielt sehr viel von ihr. Sie war schon immer da gewesen, auch als Minna noch nicht verheiratet war. Ich hatte einmal gehört, wie Großmama zu meiner Mutter sagte: „Gretes Vater? Ja, weißt du, Minna war eben noch so jung. Irgend so ein Kerl hat sie ihrer Sinne beraubt“. Auf Minnas Vertiko stand eine Fotografie in rotem Plüschrahmen. „Das ist mein Papa", hatte Grete mir erklärt. So sah also der Kerl aus, der Minna ihrer Sinne beraubt hatte. Ich konnte mir absolut nichts darunter vorstellen.

 

„Grete", sagte ich, „ich habe ein Geschenk für Fredegunde. Sieh mal!" „Ach —" machte Grete. Ihr langes Gesicht wurde noch länger.

 

Ich war gekränkt, aber nicht sehr, und Minna sagte schnell: „Gleich gibts Essen“. Sie ging mit Grete in die Küche, und Jula fing an, mir eine Geschichte zu erzählen. Sie handelte von einem vermögenden Herrn, der sich dem Trunk ergeben hatte. Julas Aufgabe war es, ihn von jeglicher Versuchung fernzuhalten. Das ging eine Weile gut, bis die Schwester dieses Herrn ganz plötzlich verreisen musste. Ihr Bruder suchte so lange, bis er den Schlüssel zum Weinkeller gefunden hatte. „In der Kommode vom gnädigen Fräulein, zwischen lauter Neklischees!!“ Als die Dame wiederkam, blies der Herr auf einer Gießkanne die Rosen aus dem Süden", und Jula tanzte dazu. „Sie hat mich rausgeworfen. War schade, so ein angenehmer Posten. Prost!"

 

Minna brachte ein Gedeck für mich. „Scham dich, Jula", sagte sie, „sofort hörst auf“.

 

Grete kam mit einer großen Schüssel. Es roch wundervoll. „Au fein", sagte ich. „Gansebreten!" Jula hustete.

 

Wir setzten uns um den Tisch. Grete legte mir ein Stück Gänsebrust auf den Teller, goldbraun und fettglitzernd, dazu Schmorkohl und einen Berg Kartoffeln. „Das wird aber schmecken", sagte ich.

 

„Na, denn is ja schön, sagte Minna. Sie sah irgendwie erleichtert aus. Jula sah mich an und rasch wieder weg. Grete lächelte mir ängstlich zu.

 

Ich sah alle drei an, dann das Fleisch auf meinem Teller, und dann begriff ich. „Ihr habt ..." Ich sprang auf, stürzte in die Küche und zog die Blechwanne unter dem Tisch hervor, in der Fredegunde gelebt hatte. Sie war leer.

 

Ich setzte mich auf den Fußboden und weinte. Fredegunde war tot. Geschlachtet. Gebraten. Sie hatte in der Wanne unter dem Tisch gelebt war in der Küche spazieren geführt, war gepäppelt und gepflegt worden — nur um am Heiligen Abend aufgegessen zu werden, von Minna, von Jula, von Grete — und von mir.

 

Aber ich würde sie nicht essen. Ich nicht! Von vielen Weihnachtsgänsen hatte ich schon gegessen, aber noch von keiner, die ich gekannt und geliebt hatte. Und ich hatte Fredegunde geliebt! Ihren stolzen Gang, ihr schneeiges Gefieder — alles an ihr hatte ich geliebt. Ich beulte, und mir war sehr übel.

 

Minna kam und hob mich auf. „Katzche", sagte sie traurig, „wir konnten es dir doch nicht sagen. Du hast doch so an ihr gehangen. Und wie könnt ich wissen, dass du heute zu Besuch kommst?"

 

Ich weinte. Grete tauchte auf und hinter ihr Jula mit der Flasche.

 

„Bloß ein Schluckchen", sagte er sanft, „bloß ein ganz kleines Schluckchen. Wirst sehen, das hilft“.

 

„Aber!" sagte Minna, doch Jula setzte mir die Flasche an den Mund, und ich trank.

 

Minna brachte mich nach Hause. Sie hielt mich ganz fest an der Hand.

 

Die Domglocken läuteten nicht mehr. Ich sah brennende Kerzen hinter gefrorenen Fensterscheiben. Julas Schluck glühte tröstlich in mir fort. Die Welt war weiß und still und wieder gut.

 

„Minna", sagte ich, „das blaue Band — vielleicht kannst du es brauchen. Zum Wäsche zusammenbinden oder so“.  

 

„Aber ja", sagte Minna gerührt. „Aber ja, mein gutes Katzche“.

 

Seite 12   Dreikönigslied

Kind, wir sehen deinen Schein,

der dem Stern entquoll;

suchten dich im Schnee allein

und des Sehnens voll;

 

und du kamst — das neue Licht

lernten wir verstehn:

neugeborne Zuversicht

irdischem Vergehn.

 

Suchst uns auf und legst dich noch

in das Krippenstroh.

Wäre unsre Liebe doch,

unsre Güte so!

 

Doch wir irren, eingeschneit:

Könige im Wind.

Unser später Weg ist weit,

aber nah das Kind!

Gerhard Riedel.

Aus Schweige und Sieh. Gedichte von Gerhard Riedel. Martin-Verlag, Buxheim/ Iller.

 

Seite 12   Zeichnung

 

Seite 12   Weihnachten 1945. Auch eine Weihnachtsgeschichte. Von Jochen Hoffbauer.

Die gnadenlose Flucht aus Schlesien hatte meine Frau und mich nach Bayern verschlagen. Wie schön auch der späte Herbst seine bunten, verschwenderischen Farben über die Hänge des Bayrischen Waldes verstreute, uns konnte er doch nicht darüber hinwegtäuschen, wie ungebeten und übrig wir hier in diesem Notstandsgebiet des Landes waren und wie fragwürdig und leer unsere ganze Existenz überhaupt.

 

Meine Frau erwartete ihr erstes Kind. Nach den Wochen auf der Landstraße ging es mit ihren körperlichen Kräften dem Ende zu; das Herz wollte nicht mehr. Der Arzt verordnete dringend Ruhe, — aber wo sollten wir sie finden? Tag für Tag, Woche um Woche lief ich von Amt zu Behörde, von Haus zu Haus. Alles vergeblich. Nicht verstehende harte Augen, beleidigende und bittere Vorwürfe, vage, hoffnungslose Versprechungen, offensichtliche, verlegene Lügen: eine ganze Skala menschlicher Erbärmlichkeiten prasselte auf unsere kranken Seelen und Körper hernieder. Wo blieb Gott, den jene täglich auf den Knien verehrten. Wann sprach er sein Gericht? Wann schickte er uns die ersehnte Hilfe? Zudem erklärten sich die Bekannten, bei denen wir mehr geduldet denn aufgenommen waren, außerstande, uns zu behalten; der Dorfpfarrer ließ sich verleugnen. Und es kam eine Nacht, die wir am Rande der Straße hockten; meine Frau mit dem kleinen Leben unterm Herzen.

 

O bittere Nacht mit dem feinrieselnden Herbstregen, den Wolkenfetzen am dunklen Himmel, den fernen Lichtern der Geborgenen, dem irren Ruf des Käuzchens. Sollte dies das Ende sein?

 

Schließlich „erbarmte" sich das Flüchtlingsamt und gab die Einweisung in ein Barackenlager. Dort war es fast unerträglich. Unter 40 Menschen hausten wir in einem engen, ausgeplünderten, kalten und zugigen Geräteraum.

 

Da schrieb — o Hoffnungsschimmer! — eine Freundin aus dem Hessenland. Wir fuhren kurzentschlossen hin und bekamen tatsächlich ohne größere Schwierigkeiten Unterkunft in einem abgelegenen Dorfe. Fast wollten wir es nicht glauben. Am 25. Dezember kam unsere Tochter zur Welt.

 

Später sagten die Bauersleute, wie seien damals angekommen, kurz vor dem Fest, wie Maria und Josef auf der Herbergssuche. Und in jedem Jahr unter dem Lichterbaum mischt sich diese, unsere ganz persönliche Erinnerung unter die frohe Botschaft Gottes. Und er, der unsere Wege so wundersam geführt, wird es verstehen und verzeihen. Denn ihm allein sei Lob und Dank in Ewigkeit

 

Seite 12   Die Überraschung / Von Hermann Sudermann.

Als der harte ostpreußische Winter hereinbrach, wurde das Elend erst recht groß. Wahrhaftig, die eigene Not verschwand hinter der, die sich schlotternd und zähnefletschend tagtäglich rund um uns auftat. Und die Not erst, die sich nicht mehr sehen ließ! — Mama war tapfer wie immer. Mit den anderen Vorsteherinnen des Frauenvereins fuhr sie von Dorf zu Dorf, lindernd und helfend überall, wo Hilfe und Linderung gerade noch als Wunder vom Himmel herabfallen konnten.

 

So nahte das Weihnachtsfest. Und uns Kindern wurde bedeutet, dass diesmal infolge der großen Not an eine Bescherung nicht zu denken war; wir möchten uns zufrieden geben und uns derer erinnern, denen im Leben nie ein Weihnachtsbaum brennt. Das kam uns hart an, und von allen Entbehrungen, die das Notstandsjahr auferlegte, war dies entschieden die härteste…

 

Doch meldeten sich gewisse Anzeichen, dass allerhand Vorbereitungen im Schwange waren, die auf Großes und Heimliches hinweisen. In der Weihnachtswoche konnten wir nicht mehr einschlafen, und wenn Großmama hinter ihrem Bettschirm tiefer atmete, dann schlüpften wir leise zur Tür hinaus und die Treppe hinunter, um zu erforschen, was unten geschah. In unseren Hemden standen wir frostzitternd im eiskalten Hausflur, bald der eine, bald der andere mit dem rechten Auge vorm Schlüsselloch, dessen Lichtschimmer bewies, dass Mama immer noch auf war. Mochte es zwölf sein oder zwei oder drei, Mama saß vor ihrem Arbeitskasten und nähte. Aber niemals zeigte sich ein Baumbehang oder ein vergoldeter Apfel.

 

In dieser Weihnachtsnacht schlossen wir drei kein Auge. Als die Uhr zwölf schlug, tappten wir zum ersten Male hinunter — da saß Mama noch vorm Nähzeug. Um eins zum zweiten Male — da war das Schlüsselloch verhängt.

 

Hatten wir in den vorigen Nächten Großmama erweckt, und hatte sie uns verraten? Oder waren wir vorher im Hausflur zu laut gewesen? Wie dem auch sein mochte, Schlimmes konnte die neue Heimlichkeit nicht bedeuten. Um zwei war noch Licht. Um drei auch noch. Um vier wurde es dunkel. Um fünf saßen wir fertig angezogen auf unseren Stühlen, um, wenn wirklich die Glocke klang, den großen Augenblick nicht zu versäumen.

 

Um sechs erwachte Großmama und sagte: „Ich habe diese Nacht keine Auge zugemacht, so unartig seid ihr gewesen“.

 

Um sieben zündete sie Licht an und begann sich hinter dem Bettschirm anzuziehen. Das tat sie freilich auch sonst um diese Zeit, aber heute war Feiertag, — warum heute? Und dann schalt sie: „Kinder, die so böse sind, dass sie ihre alte Großmama nicht schlafen lassen, die wollen auch noch eine Bescherung haben?"

 

Da war es mit unserer Zuversicht von neuem zu Ende.

 

Um halb acht brach der erste Morgenstrahl durchs Fenster. Nun war gar nichts mehr zu hoffen, denn bei Tage können die Weihnachtsbäume nicht brennen.

 

Aber plötzlich, und heute wo ich dies niederschreibe, macht mein Herz einen Sprung — ging es tieftönig wie eine Kirchenglocke „Bum, bum, bum" durchs ganze Haus.

 

Und als wir hinunterstürmend die Tür des Wohnzimmers aufrissen, da brannte der Weihnachtsbaum genau so hell, wie er in glücklichen Jahren gebrannt hatte. Und ringsum standen die bunten Teller und lagen die Geschenke in nicht geringerer Fülle, als sie uns sonst beschert worden waren. Zwar, sah man genauer hin, so fand es sich, dass in dem Stall ein Pferdchen fehlte, und dass der Säbelgriff mit einer Drahtschlinge an der Klinge befestigt war. — Böswillige hätten sagen können, es seien alte Bekannte — wir aber staunten und jubelten und hatten nie eine reichere Weihnacht erlebt.

 

Später, als wir größer waren, hat meine Mutter uns erzählt, wie die Bescherung zustande gekommen war. Sie hat alles in allem nach heutigem Gelde drei Mark fünfundsiebzig gekostet. ---

 

Seite 13  Weihnachtlicher Büchertisch.

Das „Paradies an der Memel" von Susanne von Baibus (Eugen-Salzer-Verlag, Heilbronn. 192 Seiten, Ganzl. DM 7,80) ist ein echtes ostpreußisches Familienbuch, und das Land an den Ufern der Memel, nahe der litauischen Grenze, und es lebt in den Herzen seiner Menschen. Fünf Kinder wachsen auf dem Gut Tussainen auf, und sie erleben hier beglückend die Wunder der Natur. Einzigartig ist in dem Kapitel „Weihnachten auf Tussainen“ die geheimnisvolle Adventszeit und das Weihnachtsfest mit seinem echt rnemelländischen Brauchtum eingefangen. Der Verlag gab dem Buch mit einfühlsamen Zeichnungen und Vignetten von A.W. Seuter eine einmalige Prachtausstattung. Nicht nur Freunden, auch sich selbst sollte man die Freude machen, dieses Buch zu besitzen und das eigene Paradies in ihm wiederzufinden.

 

Als nicht weniger schmackhaften Leckerbissen unter den diesjährigen Neuerscheinungen darf man den modernen Eulenspiegelroman „Ein Windhund" des jungen ostpreußischen Dichters Heinz Panda (Georg Westermann Verlag, Braunschweig. 317 Seiten, Ganzl. DM 12,80) ansprechen. Ein Roman, der, nach seinem vielbeachteten Erstling „An Liebe ist nicht zu denken" nicht enttäuscht, sondern neue, unentdeckte Seiten dieses erzählerischen Talentes freilegt. Das Buch erzählt die Geschichte von Glen, dem „Windhund", der, in eine kleine Stadt verschlagen, von seinem ersten Auftreten an mit spielerischem Griff in eine Reihe von Schicksalen greift, bis er sich selbst in dem von ihm gesponnenen Netz verfängt. Da rettet ihn die Frau, die er bislang wie alle anderen Personen nur als Figur in seinem Spiel betrachtet hatte, vor dem Gefängnis. Ein Buch, das an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt, durchzogen von einem feinen Humor; man darf es getrost zum Besten zählen, was der deutschen Literatur in diesem Jahre geschenkt wurde.

 

Wie ein bunter Teller unter dem Lichterbaum soll unser Büchertisch sein. Hier ein Roman ganz anderer Art: „Die Kronacker" von Gerda von Kries. Ein Familien- und Heimatroman im besten Sinne. Vielen unserer Leser von früher her bekannt, erschien dieses Buch jetzt in einer einmaligen, ungekürzten Ausgabe in der Reihe „Der Siebenstern" (Eugen Salzer Verlag, Heilbronn. 432 Seiten, Ganzl. DM 8,80). Der Roman erzählt die Geschichte der Familie Kronacker in dem Zeitraum von 1780 - 1866, vier Generationen vor dem Hintergrund der Geschichte Westpreußens. Im Mittelpunkt steht das Schicksal einer tapferen Frau, der Sabine Kronacker, gezeichnet von Liebe, Verzicht und stiller Erfüllung an der Seite ihres aufrechten, wortkargen Mannes. Die Gestalten leben; Land, Menschen und Brauchtum sind treffend erfasst und spiegeln zugleich ein Stück deutschen Schicksals im Osten.

 

Seite 13   Eine Weihnachtsgabe für alle Ostpreußen.

Dr. Wilhelm Gaerte: Volksglaube und Brauchtum Ostpreußens. Beiträge zur vergleichenden Volkskunde. Band 5 der „Marburger Ostforschungen im Auftrage des Johann Gottfried-Herder-Forschungsrates e. V.“, Holzner - Verlag, Würzburg (früher Tilsit). 160 Seiten, 16 Tafeln, 13,80 DM.

 

Der Verfasser Dr. Wilhelm Gaerte, in der wissenschaftlichen Welt ebenso gut bekannt und anerkannt wie allen heimatliebenden Ostpreußen, hat mit diesen Beiträgen zur vergleichenden Volkskunde eine Lücke im Schrifttum geschlossen, so dass man mit höchster Anerkennung und Dank das Werk begrüßen muss. In seiner 25-jährigen Tätigkeit als Direktor des „Ostpreußischen Landesmuseums" (Prussia-Museum) in Ostpreußens Hauptstadt, hat der Autor Gelegenheit gehabt, Beobachtungen anzustellen, Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln, die nicht jedem zugänglich waren. Mit Bienenfleiß sind Einzelstücke zu einem Ganzen zusammengetragen und geformt, welches nicht nur uns Heutigen, sondern auch der Nachwelt als bleibendes Heimatdenkmal gelten darf.

 

Das Buch bietet selbst für Kenner ostpreußischer Verhältnisse so viel Neues und Unbekanntes, die die unvergleichliche Heimatliebe und Gründlichkeit des Herausgebers erkennen lassen.

 

Der Leser erlebt bei der Lektüre und dem Studium des Stoffes zunächst aus dem Jahreslauf einen verschollenen Fastnachtsbrauch des Samlandes, wird mit der alten Königsberger Stockwerklinde bekannt, erfährt Interessantes über den „Klingerstock“, nimmt teil an dem Königsberger Brückenkampfspiel, erinnert sich in dem „Rosemockjagen" an die Sitten in der Altjahrsnacht, hört vom Löffelzauber im Drescherbrauch und sieht förmlich eine „Regenbeschwörung".

 

Seltsame Bräuche aus dem Lebenslauf werden uns vor Augen geführt: die Frauenberger Braut-und Totenkrone, „Spitznickel" als Hochzeits- und Begräbnismädchen, der todbringende „Mutterbalken und als Beitrag zum Brotaberglauben: „Knust und Kind“. Zwiesel-, Henkel- und Lappenbäume, die Pesteiche von Rossitten. Königsberger Nagelpfeiler, Rollen auf dem Grab. Schlafen auf dem Friedhof sowie „wiegen" berichten vom Heilzauber vergangener Zeiten. — „Die Haffmoje" Ist ein eigenartiges Beispiel des Dämonenglaubens, und die "Brudermordkeule" am Rathaus des Kneiphofs zu Königsberg gibt uns einen eindrucksvollen Einblick in einen Rechtsbrauch von ehedem.

 

Weitere Kapitel sind dem „Schrift- und Ringzauber", „Spiel und Tanz" gewidmet. Mit 34 Abbildungen auf 16 Bildtafeln werden zu vielen Ausführungen aufschlussreiche Anschauungen vermittelt. Ostpreußen ist ein altes Kolonialland, in welchem nicht nur deutsche, sondern auch europäische Ansiedler (z. B. Schweizer, Holländer, Hugenotten, Schotten) Aufnahme und neue Heimat fanden. Es ist somit kein Wunder, dass vom Brauchtum der vielen Zuwanderer aus allen möglichen Gebietsteilen im Lande jenseits der Weichsel viel zutage kommt.

 

Leider lässt sich in dem zur Verfügung stehenden Raum nicht alles so eingehend werten, wie es das Buch eigentlich verdient. Nicht nur für die Wissenschaft und für die ostpreußischen Heimatvertriebenen ist das Werk von großer Bedeutung, sondern auch für alle anderen Stämme in West und Süd; das Buch schlägt gewissermaßen eine Brücke von hüben nach drüben.

 

Abschließend kann man mit dem Verleger bekennen: „Mit dieser vergleichenden Methode wird das Werk zu einem Abriss ostpreußischer Geistesgeschichte auf volkskundlicher und volkstümlicher Grundlage“.

 

Wir Ostpreußen sollten uns aus diesem Schatzkästlein unserer Heimat recht oft ein wenig Besinnung auf uns selbst, vielleicht auch ein freudiges stilles Lächeln, eine innere Aufrichtung in der Fremde holen. Somit könnte das Buch auch zu einem Familienbuch werden, in dem Sinne, wie es Dichtermund ausspricht: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!“ H. B.

 

Seite 13   Mehr ein Plaudern soll es heute sein, von Leser zu Leser, und die Bücher, die wir aus der schier unübersehbaren Herbstproduktion deutscher Verlage herausgreifen, sollen sich, wie auch die Überschrift ausdrückt, für den Weihnachtstisch eignen. Diese Plauderei will also mehr eine Hilfe sein bei dem weihnachtlichen Bucheinkauf, denn eine kritische Wertung und Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Werk. Sie sollen sich für den Weihnachtstisch eignen, das heißt doch, sie sollen Freude schenken, und so gesehen liegt dieser Auswahl doch schon von vornherein eine gewisse Wertung zugrunde: Es sind Geschenkbücher, die man getrost einem lieben Menschen auf den Gabentisch legen kann.

 

Nach welchem Buch greife ich jetzt? Es drängt mich zu einem schmalen gelben Leinenband: fünf Erzählungen von Hans Lipinsky-Gottersdorf, vereint unter dem Titel „Gesang des Abenteuers" (Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. 85 Seiten, DM 4,80). Nach seinem Erstling, der Erzählung „Wanderung im dunklen Wind" und dem großen Roman deutscher Gegenwart „Fremde Gräser" nun fünf ausgesuchte Perlen der kleinen Form, in der sich Lipinsky als der wahre Meister erweist. Hier spürt man den Dichter in jeder Zeile. Er rafft die Sprache zu eindringlichen Bildern, die man so leicht nicht wieder verliert, so in „Geruch des Frühlings", in der er Menschen und Landschaft seiner östlichen Heimat in einer Weise lebendig werden lässt, die ihresgleichen sucht. Daneben „Der Strick", die preisgekrönte Erzählung aus dem ostdeutschen Erzählerwettbewerb des Brentanoverlages. Diesem Bändchen möchte man von Herzen eine weite Verbreitung wünschen, es verdient es.

 

Von diesem Buch fällt mir der nächste Griff nicht schwer. Es ist ein schmales, aber in gleicher Weise gewichtiges Bändchen: „Das späte Lied". Zwei Erzählungen von Johannes Weidenheim (Kreuz-Verlag, Stuttgart. 64 Seiten, Ganzl. m. Cellophanumschlag DM 2,80). Mit seinem Roman „Das türkische Vater unser" ist Weidenheim schlagartig in die vorderste Linie der zeitgenössischen deutschen Literatur gerückt, diesem folgte „Treffpunkt jenseits der Schuld", zeitproblematisch und vieldiskutiert. Wie in allen seinen Büchern geht es auch in den vorliegenden beiden Erzählungen um Schuld und Sühne. Da ist der arme „Schneggretz" Philippi, keines Freund, einsam am Rande der dörflichen Gemeinschaft, jedes höhere Gefühl in ihm längst abgestumpft und begraben. Da findet er eines Nachts einen ausgesetzten Säugling und in diesem sich selbst. Dieses Erwachen reißt ihn zu jähen Handlungen hin, die ihn zum Mörder werden lassen. — In der zweiten Erzählung ist es der alte Zigeuner-Primas Matyi, der am Sterbebett seiner Tchter das Lied empfängt, das weder er, noch vor ihm ein anderer den Saiten entlocken konnte. Der Hintergrund dieser Erzählungen, wie immer bei Weidenheim, die Landschaft seiner donauschwäbischen Heimat. Will man eine Prognose stellen, was bleiben wird von den zeitgenössischen Stimmen, so kann man diese Erzählungen getrost unter die ersten zählen.

 

Ob aber alles bleiben wird, was Marianne Bruns, Lipinsky-Gottersdorf, Heinz Rusch und Johannes Weidenheim unter dem Titel „Deutsche Stimmen 1956" (Neue Prosa und Lyrik aus Ost und West) sammelten und zugleich im Kreuz-Verlag, Stuttgart und im Mitteldeutschen Verlag, Halle/Saale erscheinen ließen, muss abgewartet werden. Als zeitliche Aussage aber muss diese Sammlung als ein mutiges und notwendiges Unternehmen — sowohl der Herausgeber als auch der Verleger — gewertet werden. Pate stand der gemeinsame gute Wille, mit dieser Veröffentlichung zu bekunden, „dass wir trotz aller Differenzen ein Volk sind, dass wir eine Sprache und ein Schicksal haben". Dass dieser erste Versuch trotz des vorhandenen ehrlichen und guten Willens, der keinem der Herausgeber beider Seiten abgesprochen werden soll, nicht ganz geglückt erscheint, zeigt beängstigend klar, wie weit wir uns schon auf den getrennten Wegen voneinander fortbewegt haben und dass es hoch an der Zeit ist, einem Werk, wie dem vorliegenden, unser aller Förderung zuteil werden zu lassen. Es wäre grundfalsch, Herausgeber und Verleger mit kleinlicher Kritik den Mut für die Fortführung dieses Werkes zu nehmen. Unter dem Ensemble finden wir: Reinhold Schneider, Georg Schwarz, Hans Bender (sehr stark vertreten mit seiner Erzählung „Iljas Tauben"), Karl Rauch, die Mitherausgeber Lipinsky-Gottersdorf und Weidenheim („Stipo will leben"), Heinz Rusch, Manfred Hausmann, unter den Lyrikern die junge Ostpreußin Tamara Ehlert, nur um einige der hervorstechendsten Namen zu nennen. Möge das Buch beitragen, Brücken von hüben nach drüben zu schlagen, deren wir so dringend in unserer Zeit bedürfen.

 

Ein Buch, das in gleicher Weise bei Jung und Alt großen Anklang finden wird, ist die

Herbstneuerscheinung der Franckhschen Verlagshandlung, Stuttgart: Bernstein, Davids Hirsch und Bambusbär, mit dem Untertitel Natur — romantisches Abenteuer von Willy Ley (308 Seiten, Ganzleinen DM 16,80). In den lebendigen Szenen dieses Buches erleben wir die Natur als spannendes und erregendes romantisches Abenteuer. Bernsteineinschlüsse aus dem Samland, die Schieferfossilien von Holzmaden, die Abdrücke im hessischen Buntsandstein sind die Quellen, aus denen der Paläontologe die Kenntnisse vom Leben in vorgeschichtlichen Zeitaltern schöpft. Doch auch Dinge und Ereignisse, die uns noch nahe sind, weiß er ins Licht zu rücken: Die Entdeckung von Davidshirsch und Bambusbär, die Ausbreitung der Wollhandkrabbe und des Kartoffelkäfers. Vielerlei Seltsames und Überraschendes aus dem wundersamen Reich der Natur weiß Willy Ley fesselnd zu erzählen Ein schönes Geschenk für alle Naturfreunde. Der Verlag gab dem Band eine Prachtausstattung, zahlreiche Fotos und Zeichnungen begleiten den Text.

 

Ein schönes Weihnachtsbuch, das man vor allem jungen Menschen unter den Lichterbaum legen möchte, ist das soeben erschienene Goethebuch von Ernst Frank: Goethes Böhmische Wanderungen. Der Heimreiter-Verlag, Frankfurt (Main). 176 Seiten mit 16 Stichen aus der Goethezeit und Zeichnungen von Karl Stratil, Ganzl. DM 6,80. Das Buch ist das Ergebnis langjährigen Quellenstudiums über Goethes Bindungen an Karlsbad, an das Egerland und an Böhmen. Der Hauptwert ist auf eine flüssige, leicht lesbare, ja unterhaltsame Darstellung gelegt, so dass es sich wie ein Roman liest. Denn Goethes Wanderungen in Böhmen bergen ja alles, was den Menschen packt: Liebe, Naturliebe und ein unfassbar großes, verstehendes Herz. — Und nochmals: Ein Buch zum Verschenken.

 

Seite 13   Herrliche Bildbände – Schöne Geschenke.

Bildbände sind seit je gerngesehene freudebringende Geschenke. Da liegt uns der neue Band aus der Reihe ostdeutscher Städte und Landschaften „in 144 Bildern" vor. Danzig (Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. Format 19,5 X 27 cm, kart. DM 7,50, Leinen-Geschenkausgabe DM 9,80), herausgegeben von Dr. Hans Bernhard Meyer. Die Auswahl ist sorgfältig getroffen, der Band birgt einige nicht alltägliche schöne Motive Danzigs. Mit einbezogen in das Stadtbild ist Oliva und das weltbekannte Ostseebad Zoppot, gewissermaßen als Rahmen für das Kleinod deutscher Städte. Für alle Danziger und jene, die einmal in dieser Stadt zu Gast sein konnten, ist dieser Band ein unvergleichliches Erinnerungswerk.

 

In diesem Zusammenhange sei auch noch einmal auf die früheren Veröffentlichungen in dieser Reihe hingewiesen: Königsberg in 144 Bilder, von Memel bis Trakehnen in 144 Bildern und Masuren in 144 Bildern, alle in gleicher Prachtausstattung und gleicher Preislage.

 

Als eine literarische Kostbarkeit muss die Neuerscheinung des Verlages W. Kohlhammer, Stuttgart, bezeichnet werden: Das Königsberger Schloss von Prof. Dr. Friedrich Lahrs, herausgegeben in der Reihe „Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens" im Auftrage des Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates Marburg (Reihe B, Band I. 103 Seiten und 60 Schwarz-Weiß-Abbildungen, DM 13,50). Der Band schildert in Wort und reichem Anschauungsmaterial die Baugeschichte des Königsberger Schlosses von der Gründung der Burg bis zum Ende des Mittelalters. Das Werk ist deshalb umso mehr zu begrüßen, da dieser Abschnitt bisher nur in großen Zügen bekannt und mit allerlei Irrtümern belastet war. In jahrzehntelanger Arbeit hat der Verfasser bei baulichen Erneuerungsarbeiten und durch Grabungen Form und Verteilung der alten Bauten festzustellen versucht, ihre Reste zeichnerisch festgehalten und — soweit dies möglich war — ihre ehemalige Gestalt rekonstruiert. Das Werk gewinnt umso mehr an dokumentarischen Wert, nicht allein für diese Fachwelt, sondern für jeden Königsberger, als das Schloss im letzten Krieg durch Brand größtenteils vernichtet wurde.

 

Wer einen schönen Wandkalender verschenken will, der greife nach dem Ostpreußenkalender 1957 (Gräfe- und Unzer-Verlag, München. Format 14,8 X 21 cm, DM 3,50). Vielen bereits ein lieber alter Freund, der schon zum zwanzigsten Male in die ostpreußischen Familien kommt. Auch diesmal wieder mit 24 ausgesuchten Heimatmotiven auf feinem Kunstdruckkarton. Gedichte, Aphorismen und Sprüche geleiten durch das Jahr. Die Bilder können ausgeschnitten und als Postkarten verwendet werden.

 

Seite 13   „Auguste ist wieder da"

Endlich ist sie wieder da, möchten wir ausrufen. Welcher Ostpreuße kennt nicht diese einfältigen, derbkomischen Briefe der Auguste Oschkenat aus Enderweitschen, die sie aus der Großstadt nach Hause schreibt und in denen sie über die vielfältigen Tücken, die sie hier umlauern, klagt und in denen sie ihre kleinen Abenteuer und Erlebnisse treuherzig und in rührender Einfalt niederschreibt. Natürlich macht sie auch Bekanntschaft mit der Liebe, und das gibt ihr, neuen Gesprächsstoff. Dr. Lau, der sich nach dem Kriege mit seinen „Schabbelbohnen", mit „Plidder - Pladder" und seinem neuen Gedichtband „Kriemelchens" wieder einen weiten dankbaren Leserkreis schaffen konnte, ist der Schöpfer dieser Briefe, die vor dem Kriege mit einer Gesamtauflage von über 100 000 verbreitet waren. Von vielen alten Freunden seit langem sehnsüchtig erwartet, wird auch dieses Bändchen wieder seinen Weg zu Tausenden von Landsleuten finden und ihnen Freude bringen. Es hat in den Jahren nichts an Ursprünglichkeit und Reiz eingebüßt.

 

„Auguste in der Großstadt. Heimatbriefe der Auguste Oschkenat aus Enderweitschen. Ausgediftelt von Dr. Lau. Gräfe und Unzer Verlag München. 48 Seiten, kart. 2,-- DM.

 

Seite 13   Zwei Bücher, die auf jeden Weihnachtstisch gehören.

Elisabeth Pfeil

Hunger, Haft und gute Hände. Erlebnisse und Begegnungen Jenseits der Memel.

In diesem Bändchen erzählt die Autorin in schlichter, ungekünstelter Sprache ihre Erlebnisse und Begegnungen in ihrer Heimatstadt Königsberg in den Hungerjahren nach dem Kriege und auf ihren abenteuerlichen Fahrten in das benachbarte Litauen, die sie und Tausende ihrer Leidensgenossen immer wieder unternehmen, um dem Hungertod zu entrinnen. Sie lernen in den Litauern ein gastfreundliches, stets hilfsbereites Volk kennen, das in einer Zeit des Hasses und trotz der bestehenden Verbote nie die helfende Hand versagt. So wird dieses Büchlein gleichzeitig zum Hohen Lied der Menschlichkeit.

 

Seite 13   Kleine Elchland-Reihe

Eine ost-westpreußische Kleinbuchreihe wie sie ein jeder wünscht. Die Reihe wird laufend ergänzt. Jeder Band 2,20 DM, im Abonnement (jährlich 4 Veröffentlichungen) 1,60 DM. Sonderprospekt anfordern!

 

Seite 13   Fritz Kudnig. Herz in der Heimat.

Erzählungen aus Heimat und Kindheit.

Damit legt der Verlag den ersten Prosaband des weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannten ostpreußischen Lyrikers vor. Auch diese Erzählungen sind eine Hymne auf die unvergessliche, unverlierbare Heimat des Dichters. Der ganze Zauber des gottgesegneten Nehrungsstreifens zwischen Haff und Meer ist in der Schilderung einer „romantischen Nehrungsfahrt" eingefangen. Dass der Dichter auch über einen feinen, erfrischenden Humor verfügt, weist er mit den ersten beiden Erzählungen aus, in denen er von seiner „dunklen Vergangenheit" und der ergötzlichen „Schlacht bei Sedan" in einem masurischen Dorfe erzählt.

Elchland-Verlag Göttingen. Bestellungen an: Ostpreußen-Buchdienst Braunschwelg, Donnerbugweg 50

 

Seite 14   Ost- und Westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

Diamantene Hochzeit

Eheleute Hermann Luft und Frau Rosalie Luft, geb. Wittkowski aus Marienwerder (Westpr.) in Vordorf, Krs. Gifhorn-Land.

 

Eheleute Heinrich Meissner und Frau Wilhelmine Meissner, geb. Pohl aus Ellerwald (Westpr.), 80- und 86-jährig am 17.11.1956 in Altenbruch, Niederelbe.

 

Eheleute Leopold Reuter und Frau Margarete Reuter, geb. Bajehr aus Rucken bei Tilsit am 26.11.1956 in Leer/Ostfrsld., Mühlenstraße.

 

Eheleute Gottlieb Sander und Frau Pauline Sander, zuletzt in Rosenberg (Westpreußen) wohnhaft, am 01.11.1956 in Osten/Niederelbe.

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Friedrich Bartsch und Frau Pauline Bartsch, geb. Kruschinsky, früher Rittergut Gr. Nipkau, Kreis Rosenberg/Westpr., wo der Jubilar 20 Jahre lang als Wirtschafter tätig war, am 11.11.1956 in Ahausen Nr. 112, Krs. Rotenburg/Hann.

 

Eheleute Andreas Hausmann und Frau Veronika Hausmann, geb. Lange aus Elbing am 19.11.1956 in Borgloh Nr. 119.

 

Eheleute Bernhard Kalb und Frau Elisabeth Kalb, geb. Breier, aus Langwalde und Braunsberg aus Ostpreußen stammend, am 07.11.1956 in Nordenham, Oldenburger Straße 23.

 

Eheleute Max Klatt und Frau Antonie Klatt, geb. Hahn, aus Glasberg, Danzig-Land und Boschpol in Ostpreußen gebürtig, am 05.11.1956 in Sandhorst/ Ostfrsld.

 

Eheleute Anton Kolberg und Frau Maria Kolberg aus Allenstein am 06.11.1956 in Nordhorn, Emsland.

 

Eheleute Anton Marquardt und Frau Martha Marquardt, geb. Hallmann aus Braunsberg am 14.11.1956 in Altendorf/Niederelbe.

 

Eheleute Karl Pawloski und Frau Emilie, geb. Bastian aus dem Kreis Mohrungen in Franzenburg/Niederelbe.

 

Eheleute Johann Mittmann und Frau Julie Mittmann, geb. Sobolewski aus Sablau/Ostpr. am 02.11.1956 in Thedinghausen, Grfsch. Hoya.

 

Eheleute Friedrich Sooth und Frau Auguste Sooth, geb. Zoyke, zuletzt wohnhaft in Marienwerder, im Altersheim Buer, Krs. Melle.

 

Eheleute Ferdinand Scheumann und Frau Amalie Scheumann, geb. Gröning, aus Stawken, Krs. Angerburg und Wossau, Krs. Lötzen gebürtig, am 14.11.1956 in Uelzen, Achterstraße 35.

 

Eheleute Gustav Schütz und Frau Emilie Schütz, geb. Schruhl aus Adlich-Rewalde, Krs. Graudenz, zuletzt wohnhaft Marienwerder, am 07.11.1956 in Bülkau/Niederelbe.

 

Eheleute Hermann Schulz und Frau Wilhelmine Schulz, geb. Schirrmacher, jahrzehntelang als Landarbeiter auf Gut Gabditten tätig gewesen, am 18.11.1956 in Osterholz, Koppelstraße.

 

Eheleute Emil Stornier und Frau Selma Stornier, geb. Wittulski aus Elbing, wo sie eine gutgehende Bäckerei besaßen, am 06.11.1956 in Neuenkirchen, Krs. Soltau.

 

Eheleute Carl Witt und Frau Hanna Witt aus Bischofswerder am 06.11.1956 in Spechtshorn, Krs. Celle.

 

93. Geburtstag

Johanna Mill, geb. Brosell, verw. Falk aus Königsberg/Pr. am 27.11.1956 in Sandhorst/Ostfrsld., wo sie bei ihrer Tochter lebt.

 

84. Geburtstag.

Malermeister Franz Eisenberg aus Braunsberg am 15.12.1956 in Berlin-Neukölln, Briststraße 86. Seine Ehefrau Martha, geb. Alshut wird am 01.01.1957 ihren 83. Geburtstag begehen. Im nächsten Jahr kann das Ehepaar die „Diamantene" feiern.

 

83. Geburtstag

Maria Fox, geb. Schwarz aus Wormditt am 06.12.1956 im Altersheim „Rosenhöhe" Brackwede in Westf. Ihr Ehegatte Eduard Fox starb 1951, nachdem sie gemeinsam die schweren Strapazen der Flucht über das Eis des Frischen Haffes und der Internierung in Dänemark überstanden hatten.

 

82. Geburtstag

Lokführer a. D. Eduard Schischke von der Haffuferbahn Braunsberg-Elbing am 15.12.1956 in Seesen a. H., Bornhäuserstraße 4.

 

72. Geburtstag

Auguste Nehls aus Königsberg/Pr., Steindamm 174/75 am 17.12.1956 in Tönning/Eider, Neuweg 33, wo sie bei ihrer jüngsten Tochter lebt, die, die augenblicklich kranke Mutter aufopferungsvoll betreut. Fünf Kinder, acht Enkel und eine Urenkelin wünschen ihr baldige Genesung von ihrer schweren Krankheit und noch viele gesegnete Lebensjahre.

 

70. Geburtstag

Lehrerin i. R. Helene Veidt aus Königsberg/Pr. am 23.12.1956 in Bornhausen 2 über Seesen a. H.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig - Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg Oldb.), Gotenstraße 33.

Herzlichste Glückwünsche zum Geburtstage den Kindern des Christmonats, ganz besonders den 50-jährigen:

 

am 03.12.1956:  Annemarie Pawlowski-Jagno (Tgm. Danzig), 50 Jahre

am 04.12.1956: Alfred Schilling (TV Palmnicken), 50 Jahre

am 06.12.1956: Adelheid Lüneberg (MTV Lyck), 50 Jahre

am 17.12.1956: Helmut Quiring (ETG Elbing) 50 Jahre und den

 

70-jährigen:

am 06.12.1956: Kurt Feyerabend (MTV Wehlau), 70 Jahre

am 11.12.1956: Katarina Schieck (TV Insterburg), 70 Jahre sowie dem

 

75-jährigen

Karl Knie (TV Zoppot) und als ältestem Geburtstagskind dem

 

83-jährigen

Paul Ortmann (TCD Danzig).

 

Die Patenschaft für den Männer-Turnverein Pillau von 1864 hat im Frühjahr 1956 der Eckernföder Männerturnverein von 1864 übernommen. Wir danken diese erfreuliche Ausdehnung der Pflege der Überlieferungen unseres nordostdeutschen Turnertums der einsatzfreudigen Zusammenarbeit des letzten 1. Vorsitzenden des MTV Pillau Tbr. Erich Bruchmann mit dem Schleswig-Holsteinischen Turnverband. Auf seine Anregung wird auch die seit 1924 in Pillau innerhalb der Veranstaltungen der Pillauer Woche alljährlich gelaufene Gedenkstaffel für die Gefallenen des 1. Weltkrieges wieder erstehen und als Veranstaltung beim Heimattreffen der Pillauer in ihrer Patenstadt Eckernförde ab 1957 in jedem Jahre vom Eckernförder Männerturnverein ausgeschrieben werden. Das Denkmal des großen Kurfürsten, das in Pillau am Bollwerk stand, ist nach Eckernförde gebracht und dort wieder aufgestellt worden. Wie von 1924 bis 1943 wird es von 1957 ab wieder Start und Ziel der Gedenkstaffel sein. Die Staffel besteht aus Läufern über verschieden lange Strecken, Schwimmern, Radfahrern und Gepäckmarschierern und stellt so besonders die Vielseitigkeit der in den Turnvereinen betriebenen Leibesübungen heraus. Es ist eine ebenso starke Beschickung durch die Vereine wie in der Heimat zu erhoffen.

 

Der Weihnachtsbrief 1956 wird etwa ab Mitte Dezember an alle in meiner Turnerkartei vermerkten Anschriften verschickt werden. Wer ihn nicht bekommt, den bitte ich um Anforderung bei mir.

 

In die Kartei wurden neu aufgenommen:

Tgm Danzig

Ilse Becker-Steinhauer,

Friedel Guttmacher-Lemke,

Irmgard Horn-Schultze,

Anneliese Kolbert-Silz,

Waltraut Wolf-Droß;

 

FrauenTurnverein Danzig:

Hildegard Andres-Folchert,

Eva Derfert-Blech,

Dagmar Gehlert,

Ingrid Lessiew-Gehlert,

Helga Mix-Belitz,

Jutta Schlechter-Schollendorf,

Gerda Schwetzau-Leo,

Gerda Suchanka,

Ida Woesner-Paetz;

 

MTV Lyck:

Kurt Schwarzin;

 

MTV Graudenz: Wilhelm Will Skodoschütz;

 

TV Marienwerder:

Robert Kaatz,

Arthur Moesle,

Paul Schwertin

Gisela Schwertin

Paul Skodowski,

Erich Vater,

Erna Vater,

Paul v. Witzke,

Ernst Wolter

 

MTV Pillau:

Carl Bewernick,

Lita Broszeit-Schreiber,

Liselotte Bubolz-Pusch,

Hermann Ellrath,

Günter Goll,

Ulrich Goll,

Willi Jeltsch

Frau Jeltsch,

Otto Kühn,

Werner Löffler,

Albert Mack

Anni Mack,

Richard Maschuw,

Frieda Nehm-Schulz,

Anni Pahlke,

Fritz Pradelt,

Paul Rücker,

Horst Sarnowski,

Elfriede Schaedler,

Hildegard Schaedler,

Fritz Schuknecht,

Käte Schuknecht,

Erika Schulte-Arndt,

Hans Umlauff,

Werner Umlauft;

 

MTV Tilsit:

Hans-Günter Klein.

 

Wohin ist Gertrud Mey (KTC Königsberg) verzogen?

 

Adventszeit und Weihnachten beschert uns der Dezember. Liebe Turnschwestern und Turnbrüder, wir wollen versuchen, die Zeit und den Lauf des Jahres richtig zu verstehen, d. h. besinnlich und still dem Vergangenen und Vergehenden nachzudenken und mit frohem Mut in freudiger Hoffnung in die Zukunft zu schreiten. Jeder arbeite an sich, ein williges und hilfsbereites Glied der menschlichen Kette zu sein, aufs tiefste verankert in der eigenen Familie und opferbereit darüber hinaus für die Gemeinde, das Volk, ja für alle Menschen auf der Erde, wo immer sie in Not sind. Das ist wahres Menschentum, aufgebaut auf Volkstum, Turnertum und Bescheidenheit. Wenn wir die Adventszeit und Weihnachten so verstehen, dann haben wir auch Christus, den Heiland verstanden, dessen Lobgesang wieder aus Millionen Kehlen durch Kapellen und Dome und in vielen Familien unter dem Tannenbaum erschallen wird. Möge es nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Mögen sie alle dem Heiland auch ihr Herz weihen, dass er davon Besitz ergreifen kann. Hiermit wünsche ich Euch allen recht fröhliche und gesegnete Feiertage! Gut Heil! Onkel Wilhelm

 

Weihnachtswunsch (22 b) Dame, 65/1,68, ev. alleinsteh, naturverb. Ostpreußin, jugendl. gepfl. Ersch., gute Hausfrau, sucht Heimat und Geborgenheit bei gebdid. anhängl. Herrn mit Wohnung.

Zuschr. erbeten unter „Leserpost" D 2265 an die Ostpreußen-Warte, Göttingen, Postfach.

 

Seite 14   An Auguste. Von Alfred Lau

Was ich frieher sonst nlch wusste,

Weiß ich nu durch dir, Auguste,

Wahre Liebe lärnst du mir,

Daderwegen lieb ich dir!

Ach ich winschd, es mechd mir glicken

Innes Auge dir zu kicken,

Und du kickdest auch in meins

Mechden doch die Arme langen,

Dir bis hinten umzufangen,

Und denn weiter um und um,

Noch emal bis vorne rum.

Denn mechd ich dir an mir pressen,

Dass du alles möchst vergessen,

Bis dein Herzche klopfd und bulfd,

Dass dir wegblieb foorts de Luft!

Aber wenn du denn möchstd brlllen,

Dass ich tu de Blus' zerknillen,

Sagd ich: „Was zerrebbelst dich!

Wahre Liebe knillt doch nich!“

Tu nlch mitte Ohren schlackern,

Kick, wie ich mir muss zerrackern,

Mittes Dichten wegen dir,

Drum, Auguste, liebe mir!  

 

Aus Dr. Lau's neuestem humorvollen Mundart-Büchlein „Auguste in der Großstadt", auf das an anderer Stelle eingehender hingewiesen wird. Gräfe und Unzer Verlag, München

 

Als berufene Mittler der Deutschen zwischen Ost und West erscheinen wieder Ostdeutsche Monatshefte. Herausgeber Carl Lange. Die Ostdeutschen Monatshefte werden im alten Geist ihre neuen in der Gegenwart noch bedeutsameren Aufgaben wieder aufnehmen und erscheinen ab Oktober 1955 im 22. Jahrgang. Jährlich 12 Hefte – Reich bebildert. Jedes Heft für sich abgeschlossen. Bezugspreise: Einzelheft 2,50 DM, vierteljährlich 7,-- DM. Bestellungen nimmt jedes Postamt entgegen. Helmut Rauschenbusch Verlag Stollhamm (Oldb.)

 

Seite 14   Lesersuchdienst. Wohlfahrtsamt Königsberg

Wer kann Auskunft geben über Stadtoberinspektor Rudolf Dembowski vom Wohlfahrtsamt Königsberg/Pr. Der Vermisste war zuletzt in der Burgschule am Landgraben tätig, wo er zirka dreihundert Leute des Städt. Altersheims betreute. Seit dem 6. April 1945 fehlt jede nachweisbare Spur. Nachricht erbittet: Frau A. Dembowski, Burg i. Dithm., Birkenallee 14.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (40)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nu kommt all das zwölfte Mal Weihnachten nach Kriegsschluss. Einer soll es gar nich fier meeglich halten, wie de Jahre hingegangen sind. Und wie weit liegt nu all de Kinderzeit zerick, wo wir keine Sorgen nich hadden, wie heechstens, dass der Weihnachtsmann alles hibsch bringen solld, was wir uns winschden. E großem Zettel haben wir ihm geschrieben, dass er bloß nuscht vergaß. Und fier e halbem Dittche kriegden wir inne Schul e Weihnachtswunsch auf rosanes oder lilanes Papier, wo wir denn auswendig lernen und unterm Weihnachtsbaum aufsagden. Mein Bruder war zwei Jahr älter wie ich, der missd e langem Gedicht aufsagen, ich brauchd man e kurzem. Und wie scheen waren de Wochen vor Weihnachten. Erst wurden immer noch abends bei e Pitroljumslamp aus sämtliche alte Kodders Streifen geschnitten zu Flickerdecken, wo de Muttche denn weben tat. Und ganz spät, wenn einem all bald de Augen zufielen, wurd noch emal de Sturmlaternen angestochen und im Stall gegangen, wo de Gänse all auf die Schrotkeilchens lauern taten, wo se inne Gurgel reingewirgt kriegden. Aber jedes Jahr pinktlich am ersten Dezember kam de Tante Jule bei uns, de Frau vom Vatche seinem einzigen Bruder. Der hädd zu Haus nuscht zu sagen, denn de Tante Jule wog knapp zwei Zentner und hädd de Bixen an. Das kriegden wir auch zu spieren, denn se iebernahm gleich am andern Morgen das Regement und kommandierd uns aller rum wie e Feldwebel. Aber de Muttche sagd, se is vor Weihnachten unentbehrlich, und deshalb missden wir kuschen. Es gab aber auch allerhand zu tun, bis am Weihnachtsbaum de Lichter brannden. Erst wurd e Schwein geschlacht, und wir Jungens hielden uns de Ohren zu, weil wir das Quieken nich heeren wollden. De aufgebratene Gritzwurst schmeckd aber gut. Denn kamen de Gänse ran, und es gab Schwarzsauer mit Keilchen und getrocknete Kruschkes. De Schinken vonne Gänse und vonnem Kuigel wurden im Rauch gehongen. Wenn soweit war, ging de Backerei los. Erst Pfeffernisse und Marzepan, und denn große Streiselfladen, Apfelkuchen und Mohnstritzel. Und ieberall wurden wir gebraucht und missden rumhopsen. De Tante Jule konnd es nich leiden, wenn wir uns mal e paar Minutchens verpusten taten, gleich gab Dunst. Nich emal abends hädden wir Ruh, wenn wir all bald ieber unsre Fieße fielen. Denn missden wir noch Sternchens mit Silber bepinseln und aus Totes, blaues und grienes Papier Kettten fierem Baum zusammenkleben. De Tante Jule war ieberall und nirgends. Immer tat se so, als wenn se wer weiß was tat, dabei konnd aber das, was se wirklich tat, de Katz unterm Zagel wegtragen. Hauptsach se kommandierd, und wir missden flitzen. Dass wir nich einschliefen, wenn all auf zehn ging, erzähld se de dollste Spukgeschichten, bis wir aller rote Ohren kriegden. Wie bein Sinzens de Steppdeck von allein aufgestanden und durch alle Stuben gelaufen war und wie bei Borcherts mitten inne Nacht e großes Bild vonne Wand runterfiel und dem andern Morgen der Onkel Theodor gestorben war. Und wie bei ihr zu Haus um zwölf einer durches Fenster kickd, und der hädd zwei Hörner gehabt und einem Pferdefuß. Ganz grausig wurd einem bei das Erzählen, und an Einschlafen war natierlich nich zu denken. Das war es aber gerad, was se erreichen wolld. Wenn einem denn schucherd, dass ihm e Gänsehaut ieberm Puckel lief, denn freid se sich und prahld mit ihre Tapferkeit. Deshalb konnd ich ihr nich leiden, mein Bruder auch nich, und wir simmelierden, wie wir ihr mal orndlich ärgern konnden. Da fing mit eins an, Steine auße Erd zu frieren. Nu waren wir nich zu halten, auch nich mit Pfeffernisse und Bratäpfel. Im Teich wurd e großer Pfahl eingekloppt und e lang Stang riebergenagelt. Denn holden wir dem Schlittche vonne Lucht runter und banden ihm annes End vonne Stang. Einer huckd sich rauf, und der andre missd drehen. Das war das scheenste Karissell. Aber nach e Weil wurde mir das langweilig, weil immer einer aufem andern angewiesen war. Deshalb beschloss ich, mir selbständig zu machen. Ich wolld mir Schienen unterm rechten Klump nageln zum Schorren. Zwei Sticker dickem Draht hadd ich bald gefunden, de Enden umgebogen und breitgekloppt. Aber wie ich nu dem Draht runternagel, da platzt mit eins der krätsche Klump, wahrscheinlich, weil er verspakt war. Was aber nu. ich knipfd e Stick Bindfaden rum, wo ich inne Fupp hädd, dass er bei wenigstens e bissche zusammenhield, und schraggeld vorsichtig zu Haus. Schnell rauf aufe Lucht, dass mir keiner sah. Da versteckd ich ihm untre Okel, wo allerhand Gemill rumlag. Dem heilen stelld ich im Hausflur inne Reih und zog mir Schlorren an. Inne Stub missden wir sowieso Pasorren tragen, da fiel es nicht weiter auf. Und dem andern Tag schimpfd ich rum, dass einer meinem Klump genommen hädd, Vleicht wäre auch alles gut gegangen, wenn de Tante Jule nich gewesen wär. Die schlieft oben aufe Lucht in e kleines Stubche. Nu ging se rauf und kramd ieberall rum, bis se meinem entzweinen Klump gefunden hädd. Natierlich kriegd ich e anständge Schicht, sehn Se, und das brachd nu de Tonn bei mir zum ieberlaufen. Nu war se reif! Nu missd se e ordentlichen Denkzettel kriegen! Ich besprach mir mit meinem Bruder. Erst wollden wir ihr e Schissel mit kaltem Wasser innes Bett stellen oder e paar Reisstifte aufem Bettvorleger streien. Aber zuletzt beschlossen wir, ihre Tapferkeit aufe Prob zu stellen, indem dass wir ihr schichern taten. Wir holden e große Bruk außem Keller, machden ihr hohl und schnitten Löcher rein, dass es aussah wie e Gespenstergesicht. Denn klebden wir rotes Papier vore Löcher und stellden e Talglicht rein. Das sah richtig grausig aus. Nu nahm mein Bruder sich e Laken um und stelld sich de Bruk aufem Kopp. So ging er in Tante Jule ihre Stub und machd das Fenster auf. Es kam, wie es kommen mussd. De Tante ging im Diestern rauf schlafen, und wie se mit eins des Gespenst zu sehen kriegd, kreischd se los. Wie sich nu aber im Gegenzug auch noch das Laken bewegen tat und das Gespenst auf ihr zukam, machd se aufem Absatz kehrt und kam brillend de Trepp runtergesockt. Dabei stolperd se und haud lang hin. Kreideweiß und bibbernd fanden wir ihr unten hucken und sich das Kreiz schobben. In die Aufregung hädd mein Bruder Zeit gehabt, sich iebre zweite Trepp schnell zu verkriemeln, de Bruk inne Dranktonn zu schmeißen und innes Bett zu kriechen. Und wie wir nu aller raufgingen, war vonnem Gespenst nuscht mehr zu sehen. Meinem Vatche kam die Sache e bissche verdächtig vor, aber er konnd de Tante Jule auch nich leiden, deshalb sagd er zu ihr: „Das kommt bloß von deine dammlige Schauergeschichten. Da hat dir de Einbildung mal e geheerigen Streich gespielt!" Aber se blieb dabei, dass se das Gespenst ganz genau gesehen hädd und dass es auf ihr zugekommen war und ihr bestimmt umgebracht hädd, wenn se nich weggelaufen wäre. Und dem andern Morgen wolld se bestimmt abreisen. Wir freiden uns, dass se ihrem Denkzettel weg hadd und dass nuscht rausgekommen war. Aber Pems kriegd ich doch mittem Siebenzagel, weil ich fier alle Fälle noch e Ieberraschung fiere Tante Jule eingefädelt hadd, wo dem andern Morgen rauskam. Ich hädd ihr nämlich Sirup inne Wuschen geschmiert, dass se mitte Strimpfe kleben blieb, wie se morgens aufstand. Und wie se e paar Schritt machd, haud se wieder lang hin aufes Kreiz, weil ich auch de Sohlen von die Wuschen mit Sirup eingerieben hadd, dass es glitschd wie auf Glatteis. Dem Sirup inne Wuschen konnd se sich nich einbilden, dem konnd jeder sehn, und deshalb kriegd ich meine Schicht. Aber mittags haud de Tante Jule ab, drei Tage vor Weihnachten, und wenn ich auch schlecht aufem Stuhl hucken konnd glicklich war ich doch, dass se weg war. O selige Kinderzeit mit Pfeffernisse und dumme Streiche! Wir haben aller unsere Jugend-Erinnerungen, und zu Weihnachten werden se besonders lebendig. So winsch ich Ihnen ruhige und fröhliche Weihnachtstage, wo Se Ihre Kinder von zu Haus erzählen können, und e gutem Rutsch in das Neie Jahr 1957. Herzliche Ostpreißengrüße! Ihr Ernst Trostmann. Landbriefträger  z. A.

 

Seite 15   Das Lied im Dienste der Heimat. Leiter ostdeutscher Chöre tagten in Düsseldorf.

Die Chorleiterinnen und Chorleiter der Ostdeutschen Chöre des Regierungsbezirks Düsseldorf trafen sich auf Einladung des Kulturausschusses des Bezirksvertriebenenbeirates am 10./11. November zu einer Arbeitstagung in der Schulungsstätte Hassels bei Düsseldorf. Der Vorsitzende des Beirates, Pfarrer Wohl ermutigte in seiner Begrüßungsrede die Teilnehmer, ihre Kräfte auch weiterhin in den Dienst der Heimat zu stellen, über Aufgabe und Bedeutung der Chorarbeit sprach der Vorsitzende des Verbandes der Ostdeutschen Chöre im VdL Nordrhein-Westfalen, Dr. Schnabel. Er wies darauf hin, dass sich aus dem Bedürfnis, das Lied als wichtiges Bindeglied zur Heimat zu pflegen, überall ostdeutsche Chöre gebildet haben. In Nordrhein-Westfalen hat sich ein enger Zusammenschluss der über 100 Chöre als notwendig erwiesen. Für den Regierungsbezirk Düsseldorf wurden vier Untergruppen mit dem Sitz in Viersen, Düsseldorf, Essen und Solingen errichtet. Auch die praktische Arbeit kam auf der Tagung nicht zu kurz. Landeskirchenmusikdirektor Gerhard Schwarz musizierte mit den Teilnehmern seinen Liederzyklus „Stimme der Heimat" nach Gedichten von Friedrich Bischoff und sprach über die Notwendigkeit, sich mit den lebenden Komponisten zu beschäftigen. Über „Stimmbildung und Lautbildung in unserer Chorarbeit" referierte der frühere Dozent an der Pädagogischen Hochschule Beuthen, Studienrat Th. Eistert, und gab viele praktische Hinweise zur Behebung immer wieder auftretender Fehler und zur stimmlichen Verbesserung der Chöre. Ein wertvolles Verzeichnis von Chorwerken verschiedener Schwierigkeitsgrade haben Dr. Schnabel und Dozent Gotthard Speer für die praktische Arbeit in den ostdeutschen Chören zusammengestellt.

 

Um eine bessere Breitenarbeit durchführen zu können, werden die Leiter der bisher nicht erfassten Chöre oder Singekreise gebeten, sich beim jeweiligen Bezirksvorsitzenden zu melden: Reg.-Bez. Düsseldorf: Studienrat Dr. Schnabel, Viersen, Bismarckstraße 29; Reg.-Bez. Arnsberg: Otto Weber, Herne, Amalienstraße 11; Reg.-Bez. Köln: Walter Mahnke, Köln-Rhiel, Barbarastraße.

 

Die nächste Tagung des Landesverbandes der Ostdeutschen Chöre in Nordrhein-Westfalen findet für den Regierungsbezirk Arnsberg Anfang März in Herne statt.

 

Seite 15   Immer wieder den Blick nach Ostdeutschland lenken. Freundschaftssingen ostdeutscher Chöre in Castrop-Rauxel.

Der Ostdeutsche Heimatchor in Castrop-Rauxel feierte im Oktober sein zehnjähriges Bestehen. Acht Nachbarchöre kamen zu Gast und boten Frau Musika zu Ehren ihr Bestes. Der große Saal des Zeichenkasinos Schwerin war bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Leiter des Jubiläumschores, Gerhard Kube, die Gäste begrüßte. Nach dem Auftakt „Kommt zum Singen" von Langhans und einem gemeinsam gesungenen Lied traten alle neun Chöre nacheinander auf und sangen zur Ehre Gottes, der Natur und der Heimat alte und neue Weisen. Es zeigte sich, dass das große Chortreffen im Sommer schon nach wenigen Monaten Früchte getragen hat. Damals wurde nachdrücklich die Forderung erhoben, strenge Maßstäbe an die Auswahl der Literatur zu legen und intensive Schulungsarbeit innerhalb der Chöre zu betreiben. Auch dieses Treffen in Castrop Rauxel fand in einem Rundgespräch der Chorleiter seine Ergänzung. Neben der Erörterung der technischen Aufgaben, wie Stimmlenkung, Atem und Sprecherziehung, Schattierungen, dynamische Abstufungen wurde von der Aufgabe der ostdeutschen Chöre gesprochen, heimatliche Kulturpflege zu betreiben, die in den Programmen ihren Niederschlag finden müsse. Neben den klassischen Werken der Chor-Chorliteratur müssen die nennenswerten Komponisten aus den Ostgebieten stärker in Erscheinung treten. In seiner Begrüßungsansprache hatte auch Otto Weber, der Leiter des Verbandes der Ostdeutschen Chöre im Regierungsbezirk Arnsberg, betont, dass die Arbeit des Verbandes über alle Schranken hinweg uneigennützig nur dem einen Ziele dient, in weitesten Kreisen immer wieder die Blicke nach Ostdeutschland zu lenken.

 

Seite 15   Ostpreußenteller für Dr. Lau (Foto: Der Ostpreußenteller)

Diesen schönen, kunstvoll gearbeiteten Erinnerungsteller, der die Wappen sämtlicher ost- und westpreußischen Städte in Originalfarben zeigt, wurde dem ostpreußischen Mundartdichter und langjährigen Intendanten des Reichssenders Königsberg, Dr. Lau, von der Ostpreußischen Landsmannschaft Holzminden überreicht, .zur Erinnerung an seine ostpreußischen Landsleute in Holzminden", wie es in der Widmung auf der Rückseite heißt, und als Dank für den von Dr. Lau gestalteten ‚Fröhlichen Heimatabend'. Landsmann Grentz hat ihn aus dem Holz einer ostpreußischen Birke gearbeitet, die wahrscheinlich aus der Rominter Heide stammt. Er fand das Holz schon vor sechs Jahren auf einem Lagerplatz, und als der Platzmeister ihm erklärte, dass der Baum einst in Ostpreußen gestanden habe, erwarb Grentz das brauchbare Stück einer Planke, um es für eine besondere Gelegenheit zu verwerten. Schließlich kam ihm der Gedanke, einen Wappenteller daraus zu drehen. Es dauerte lange, bis er endlich sämtliche Wappenbilder zur Hand hatte. In mühsamer Arbeit übertrug er dann mit der Hand Wappen für Wappen in den Originalfarben auf den Teller. Von einer besonderen Anerkennung seiner Arbeit will Grentz nichts wissen. „Es gibt Dinge, die man nur einmal machen kann, und die man dann verschenken muss, um ein Höchstmaß an Freude daran zu haben", erklärte er in seiner bescheidenen Art. „Der Teller möge ein Symbol sein für die Herzlichkeit und Zuneigung, die Dr. Lau seitens der ostpreußischen Landsleute entgegengebracht wird“.

 

Seite 15   Nordwestdeutsche Umschau

Seesen i. H.

Als Interpreten des ostpreußischen Humoristen Dr. Lau ernteten mit dem „Landbriefträger Trostmann" Lina Fahlke, Frida Jung, Bruno Scharmach und Obmann Papendick reichen Beifall. Die urwüchsigen, von echtem Volkstum sprudelnden Mundartvorträge lösten wahre Lachstürme aus. Im geschäftlichen Teil des Heimatabends der Ost- und Westpreußen sprach dann Max Wilbudies über wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. Eingeleitet war der gelungene Abend mit einem weit- und heimatpolitischen Kommentar des Vorsitzenden. Die Adventsfeier findet am 15. Dezember, 20 Uhr, und die Vorweihnachtsstunde für die 120 Kinder am Sonntag, den 16. Dezember, 16 Uhr, statt. Die Programmgestaltung liegt in den bewährten Händen der Kulturleiterin Lieselotte Donnermann und Dipl. Musiklehrerin Annemarie Patett.

 

Eschwege/Werra

Unsere alte Heimat zeigte sich in all ihrer ruhigen und erhabenen Schönheit, als die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen ihren Mitgliedern und Freunden Filme aus Ost- und Westpreußen vorführte. Alte Erlebnisse wurden wieder wach. Vielen Landsleuten war die Ergriffenheit anzumerken, da sie wiederum erkannten, was sie verloren haben. Zwischendurch brachte der Frauenchor nette Weisen aus unserem ostdeutschen Liederschatz zu Gehör.

 

Bad Essen.

Auf dem Heimatabend der Ost- und Westpreußen wurden Bilder aus der Heimat gezeigt, die im letzten Sommer fotografiert wurden. Einen trostlosen Anblick bieten noch immer die Städte. Der Vorsitzende, Konrektor Zimmermann, sprach davon, dass es den Polen noch immer nicht gelungen sei, die Landwirtschaft und die Industrie wieder aufzubauen, und dass viele Neusiedler wieder in ihre alte Heimat zurück möchten.

 

Braunschweig.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hatte an einem Heimatabend den früheren Intendanten des Königsberger Rundfunks, Dr. Lau, zu Gast. Er trug in ostpreußischem Platt Anekdoten und eigene Gedichte vor. Vorsitzender Friedrich Kuhn wies darauf hin, dass wir gerade angesichts der gegenwärtigen politischen Lage verpflichtet sind, unsere Muttersprache lebendig zu erhalten.

 

Bonn.

Auf der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen wurden der 1. Vorsitzende Dr. Suckow, Stellvertreter Gerhard Voß, Schriftführer Franz Mantel und Kassierer Paul Nautsch wiedergewählt. Für den aus beruflichen Gründen zurückgetretenen Kulturwart Dr. Adomeit wurde Lehrer Paselack als Stellvertreter gewählt. Am 9. Februar wird im Bundeshaus-Restaurant das Winterfest gefeiert, an dem Dr. Lau, der frühere Intendant des Senders Königsberg, teilnehmen wird.

 

Bersenbrück

Zum ersten Male seit ihrer Gründung im Mai 1955 trat die Kreisgemeinschaft Bersenbrück der Landsmannschaft Ostpreußen zur Jahreshauptversammlung zusammen. Kreisvorsitzender Fredi Jost gedachte des Freiheitskampfes der Ungarn, der gerade bei den Vertriebenen besonderes Verständnis findet. Aus dem Bericht des Geschäftsführers Willi Hartwich ging hervor, dass die Kreisgemeinschaft sich einer guten Weiterentwicklung erfreuen kann: 872 Mitglieder werden verzeichnet. Die Kreisgemeinschaft hat nun auch eine eigene Satzung und soll in das Vereinsregister eingetragen werden. Der Kreisvorstand wurde einstimmig wiedergewählt; 1. Vorsitzender Fredi Jost, Quakenbrück, 2. Vorsitzender Erich Rosin, Bersenbrück, Schriftführer Willi Hartwich, Quakenbrück, Kassierer Fritz Siegmund, Quakenbrück. Voraussichtlich wird das Kreisfest am 11. Mai in Bramsche abgehalten.

 

Hildesheim

Die Monatsversammlung der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen begann mit einem Gedenken der verstorbenen Landsleute und der Toten in Ungarn. Als Hilfe für Ungarn wurden 100 DM gesammelt, die dem Roten Kreuz zugeleitet wurden. Herr Markwald erfreute die Anwesenden mit einem Lichtbildervortrag über die Heimat. Für den 21. Februar steht ein Faschingsfest im „Berghölzchen" auf dem Programm.

 

Göttingen.

Der Berliner Journalist Willi-Michael Beutel, der im Anschluss an den Besuch der Posener Messe im Juli 1956 nach Ostpreußen weiterreiste, berichtete in der letzten Versammlung der Landsmannschaft Ostpreußen über die jetzigen Zustände dort und zeigte in zahlreichen Aufnahmen den fortschreitenden Verfall der Städte und Dörfer. Für die Anwesenden war es ein trauriges Wiedersehen der Heimat, das sie nur noch in ihrer Forderung bestärken kann, dass bald ein Wandel geschaffen werden muss.

 

Elze.

Aus Lyck am Lycksee kam jetzt über Friedland der 73jährige Heinrich Bubel zu seiner Frau und seiner Tochter nach Elze. Fast zwölf Jahre hatte er seine Familie nicht mehr gesehen.

 

Bayern.

Hof/Saale

Die November-Monatsversammlung des Kreisverbandes der Ost- und Westpreußen Hof/Saale fand diesmal in Schwarzenbach/Saale statt. Der erste Vorsitzende Lm. Stud.-Rat Bergner sprach eingehend über die Aufgaben der Landsmannschaft. Da die Schwarzenbacher Landsmannschaft praktisch seit langer Zeit nicht mehr bestanden hat, brachte diese Versammlung neuen Auftrieb in die Reihen der dort ansässigen Landsleute. Sie entschlossen sich gemeinsam der Landsmannschaft Hof anzuschließen. Einige Male im Jahr sollen künftig die Veranstaltungen in Schwarzenbach stattfinden. Im weiteren Verlauf des Abends wurde ein Tonband „Das war Königsberg" (nach einer Sendung im Bayrischen Rundfunk) zu Gehör gebracht.

 

Bayreuth

Zu einem Erlebnis wurde die landsmannschaftliche Veranstaltung am 2. November, bei der Lm. Kurt Bandilla einen eindrucksvollen Vortrag über „Ostpreußen — Schicksalsweg eines deutschen Landes bis zum Untergang" hielt. Lichtbilder und der Film „Land der Stille" gaben eine gute Ergänzung. Nach einem geschichtlichen Überblick über das Land zwischen Memel und Weichsel und die Hauptstadt Königsberg schilderte der Redner den Leidensweg Königsbergs, einst wirtschaftliche und kulturelle Metropole des deutschen Ostens, der mit den Bombenangriffen der Engländer anfing und mit der Kapitulation am 09.04.1945 endete. Heute sollen nur fünf Deutsche in Königsberg leben, nachdem die Stadt insgesamt etwa 100 000 Einwohner, z. T. aus dem asiatischen Russland, umfassen soll. Eine Wandkarte Ostpreußens, wie man sie seit der Schulzeit leider kaum mehr zu sehen bekommen hatte, verhalf außerdem die Heimat äußerst anschaulich vor den Augen entstehen zu lassen. Der Vorsitzende Dr. Dullek dankte dem Redner für den wertvollen Vortrag, der vor allen Dingen seine Bedeutung auch für die Schuljugend und einheimische Bevölkerung hatte. Gleichzeitig ermahnte er die Eltern, ihre Kinder in die Jugendgruppe zu schicken, deren Leitung die in der Generalversammlung einstimmig gewählte Lehrerin Frl. Margot Weiß übernommen hat.

 

Traunstein/Obb.

Die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, Ortsgruppe Traunstein nahm an Allerheiligen an der vom VdL. auf dem Waldfriedhof abgehaltenen Totengedenkfeier teil. In der am 3. November stattgefundenen Monatsversammlung gedachte der Vorsitzende Schadau in würdigen Worten aller Toten unserer Heimat. Er ließ die Gedanken zurückwandern in jenes Land zwischen Haff und Ostsee, zwischen Memel und Weichsel und den Wäldern Masurens. An diesem Gedenktag wurde auch die Erinnerung lebendig an alle Landsleute, die in zwei Weltkriegen im besten Wollen und Glauben ihr Leben für Deutschland hingaben, ebenso aber auch an jene Toten der Heimat, die auf den Straßen der Flucht, im Bombenhagel oder an Epidemien und unsagbarer Not als Kriegsgefangene, Verschleppte oder Internierte fern der Heimat starben. Wenn wir den Toten keine steinernen Standbilder errichten und ihre Gräber auch nicht pflegen können, so können wir doch, wie der Vorsitzende erwähnte, für sie alle eines tun: ihnen unsere Herzen aufzuschließen, damit sie hier eine ewige Stätte haben. Die nächste Versammlung mit einer kleinen Weihnachtsfeier findet am 16. Dezember, 15.30 Uhr, lm „Aubräu-Keller" statt, zu der alle Landsleute herzlich eingeladen werden.

 

Seite 16   Familienanzeigen

CM! Wir betrauern tief das Ableben unserer lieben Corpsbrüder Erich Haslinger, Reeder, Konsul und Gerichtsassessor a. D., Senior der Firma Robert Meyhoefer Bremen/Königsberg Pr., Inhaber des großen Verdienstkreuzes des Bundesverdienstordens, Ehrenvorsitzender der Vertretung heimatvertriebener Wirtschaft aktiv WS 00/01 gestorben am 21. Juli 1956 zu Hamburg; Martin Kunitz Dr.-jur., Rechtsanwalt und Notar aktiv SS 17 gestorben am 12. November 1956 zu Treysa, Bez. Kassel. Der Altherrenverein des Corps Masovia. Das Corps Palaiomarchia-Masovia, Kiel.

 

Aufs tiefste bewegt beklagen wir den Tod unseres lieben Turnbruders, des Bernstein-Drechslermeisters Fritz Schulz der nach kurzer, schwerer Krankheit am 11.11.1956 im Alter von 66 Jahren verstorben ist. Viele Jahre hindurch hat er als Vorturner in der Männer- und in der Jugendabteilung und in der Verwaltung des Vereins einsatzfreudig und fröhlich gewirkt, der Jugend vor allem aufs engste verbunden. In der Geschichte des Vereins bleibt sein Name für alle Zeiten ein leuchtendes Beispiel echten Turnertums. Sein Andenken werden wir hoch in Ehren halten.

Königsberger Männer-Turnverein von 1842. Wilhelm Alm

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