Ostpreußen-Warte, Folge 12 vom Dezember 1953

Ostpreußen-Warte
Folge 12 vom Dezember 1953

 

Seite 1   Unsere Weihnachten in dieser Zeit. Unbekanntes vom bekanntesten Fest. Von Dr. h. c. Gerhard Jacobi, Generalsuperintendent von Berlin

Foto: Ostpreußische Winterlandschaft: Partie am Allensteiner Stadtwald. Aufn.: H. Gross

Fast alle Menschen in Deutschland feiern das Weihnachtsfest, aber nur die wenigsten kennen seine Geschichte. Seit wann wird eigentlich Weihnachten gefeiert? Die Urchristenheit feierte nur einen einzigen Tag, an dem Christus auferstanden war. Jeder Sonntag war Auferstehungstag für die Urgemeinde. Auch ihren Geburtstag feierten die ersten Christen nicht. Sie feierten die Todestage der Gläubigen, vor allem die Todestage der Märtyrer. Der Tag des Todes war den ersten Christen ein Freudentag; so stark lebten sie schon in der Ewigkeit. Im Laufe der ersten Jahrhunderte wurde zuerst das Osterfest festgelegt, sodann das Pfingstfest. An welchem Tage aber sollte man Weihnachten feiern? Ein Datum kannte man nicht.

 

Im Jahre 221 stellte man folgende Berechnung auf: Gott hat die Welt im Frühling erschaffen, folglich legte man den Beginn der Schöpfung auf den Frühlingsanfang, der damals am 25. März begangen wurde. Hieran schloss sich folgender Gedankengang: Jesus Christus ist die neue Schöpfung, er ist der zweite Adam. Der zweite Adam müsse auch am 25. März angefangen haben zu leben. Folglich sei der Engel der Verkündigung der Maria am 25. März erschienen. Tatsächlich feiert noch heute die katholische Kirche am 25. März „Maria Verkündigung“. Neun Monate später sei dann die Geburt Jesu erfolgt, also am 25. Dezember. Uns erscheint diese Berechnung ziemlich willkürlich. Immerhin hat sie eine biblische Wahrheit als Hintergrund: Christus ist die neue Schöpfung. Diese Berechnung schlug im Allgemeinen durch. In Rom wurde das Weihnachtsfest erstmals im Jahre 353 gefeiert, an anderen Orten später. Der Bischof Chrysostomus lud für den 25. Dezember 388 alle Gläubigen in seine Kirche ein und verkündete ihnen dort, dass von jetzt ab der Geburtstag des Herrn gefeiert würde, ein Fest, nach dem er sich schon lange gesehnt habe.

 

Wie bei Chrysostomus ablesbar, hat die Kirche die Geburt des Herrn zunächst nur mit einem Gottesdienst gefeiert. Später stellte man dann die Krippe in einer Seitenkapelle auf. Zu bemerken ist noch, dass bis zum Jahre 1582, bis zur Einführung des Gregorianischen Kalenders, Neujahrsanfang und Weihnachten zusammenfielen. Beachtlicherweise erwähnt aber Luther in seinen Predigten Neujahr niemals, sondern nur die große Gabe Gottes in der Heiligen Nacht.

 

Das Wort Weihnachten stammt nicht aus dem kirchlichen Sprachgebrauch, sondern aus dem nordisch-germanischen. Geweihte Nächte waren die Nächte um die Wintersonnenwende. Die Kirche sprach vom Geburtstag des Herrn, vom Fest der Geburt. Wenn uns deutlich ist, dass jene Nacht eine durch Geburt des Weltheilandes geweihte Nacht ist, dann können wir getrost und mit Freuden das Wort Weihnachten gebrauchen.

 

Ochse und Esel an der Krippe

Mit diesen beiden Tieren verhält es sich sehr eigenartig. Das Weihnachtsevangelium führt

sie nicht an. Und doch sind von alters her Ochse und Esel der Krippendarstellung beigefügt. Hätte man lediglich die Tiere des Stalles aufführen wollen, dann müsste man mindestens auch Schafe und Ziegen, Kamele oder Federvieh auf den alten Darstellungen finden. Diese findet man aber nicht. Es handelt sich um eine höchst ernsthafte, symbolische Darstellung, um ein ganz tiefes Sinnbild. Der Prophet Jesaja sagt nämlich: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel (das Volk Gottes) kennt's nicht und mein Volk vernimmt's nicht." Schon Origenes (184 bis 254) hat diese Jesajastelle auf Christus und seine Geburt gedeutet. Ochse und Esel sind die heimlichen Ankläger in der Weihnachtsgeschichte: Der Mensch kennt seinen Herrn nicht, obwohl sein Herr in die Tiefe der Menschlichkeit hinabgestiegen ist und des Menschen Bruder geworden ist. Jeder also, der Ochse und Esel bei der Krippe sieht, sollte sich von diesen Gestalten fragen lassen: Wie steht es mit dir, kennst du deinen Herrn?

 

Der Weihnachtsbaum

Immer wieder findet man die Behauptung, der Weihnachtsbaum stamme aus dem 19. Jahrhundert. Es ist aber urkundlich bezeugt, dass der Weihnachtsbaum bereits in der Reformationszeit aufgestellt wurde, nämlich im Jahr 1539 in Straßburg. Schon damals hängte man Äpfel an den Weihnachtsbaum. Da nur der Tannenbaum im Winter brauchbar ist, nahm man diesen. Aber die Äpfel daran? Der Baum mit Äpfeln ist der Baum des Paradieses, der Lebensbaum. Der Weihnachtsbaum sagt alles: der Weg zum Paradies ist durch die Geburt des Gottessohnes wieder frei. Ein Dichter aus der Reformationszeit hat diesen Tatbestand besungen: „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis“. Der Weihnachtsbaum ist kein Natursymbol, sondern ein christliches Zeichen! Bald nach der Reformationszeit brachte man auch Kerzen an dem Tannenbaum an. Berichtet ist aus dem Jahre 1611, dass Dorothea Sibylla, Herzogin von Schleswig, „einen Saal herrichtete mit grünen Tannen, auf dem viel hundert Wachslichtlein brannten". Die Kerzen sollten zum Ausdruck bringen, Christus ist das Licht der Welt. Diesen Gedanken finden wir auch in vielen Weihnachtsliedern, so in einem Lied von Luther: „Das ew'ge Licht geht da herein, gibt der Welt ein' neuen Schein: es leucht' wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht".

 

Die Christenheit übernahm die Sitte der Geschenke aus dem Heidentum, verband damit aber einen ganz anderen Sinn. Man erwies sich gegenseitig Zeichen der Liebe, weil Gottes Liebe am 25. Dezember den Gläubigen besonders gegenwärtig wurde.

 

Weihnachten in dieser Zeit

Um Weihnachten herum ist alles voller Wunder, weil wir dort vor dem zentralen Wunder stehen: Gott naht sich der Erde. Sonst erleben wir nur die Weltferne Gottes und die Gottesferne der Menschen. Fern der Welt lebt Gott in seiner geheimnisvollen Ewigkeit und unerreichbaren Jenseitigkeit, und fern ihrem Gott leben die Menschen. Aber Weihnachten! Da ist es auf einmal Wirklichkeit: Geburt Gottes in unserer Welt, Nähe Gottes bei den Menschen. Die Weltferne Gottes ist aufgehoben.

 

Weihnachten: Gott vergisst seine Geschöpfe nicht; er liebt sie, er neigt sich zur Erde, zur gottlosen Welt — und sendet seinen Sohn.

 

Seite 1   Ostpreußen kamen aus Sensburg

Nach langer Zeit sind in einem West-Berliner Flüchtlingslager wieder ostpreußische Vertriebene eingetroffen, die unmittelbar aus der Heimat kamen. Es handelt sich um drei junge Männer aus der Sensburger Gegend, denen die Ausreise aus dem jetzt polnisch verwalteten Teil ihrer Heimat über Allenstein und Stettin glückte. Sie sind die besten Augenzeugen für die Zustände in der Heimat.

 

In Sensburg wohnen noch verhältnismäßig viele Deutsche, der größere Teil der Bevölkerung wird aber in der zu etwa einem Viertel zerstörten Stadt von Polen gestellt, die erst nach 1945 aus den Curzon-Gebieten hierher kamen. Alle diese „Neubürger" fühlen sich aber nicht heimisch und rechnen damit, dass die vertriebenen Deutschen einmal zurückkommen werden. Kaum verwunderlich also, dass der Wiederaufbau der Stadt und überhaupt das gesamte Leben unter diesem bei den Polen herrschenden Gefühl der Fremde leiden.

 

Die Wälder um Sensburg sind durch übermäßigen Holzeinschlag stark gelichtet. Tag und Nacht wird in den verstaatlichten Sägewerken gearbeitet, die vor allem Holzschliff für die Papiererzeugung produzieren.

 

Die landwirtschaftliche Nutzung dieses Gebietes ist stark zurückgegangen, so sind nur etwa ein Viertel der Felder bebaut. Der größte Teil ist versteppt oder wird als Exerzierplatz benutzt. Herdbuchvieh gibt es nicht mehr, das von Polen eingeführte Milchvieh gibt pro Tag höchstens 3 - 4 Liter Milch. Häufig brechen unter den Viehbeständen Seuchen aus. Der einst recht erhebliche Schafbestand in den Sensburger Wirtschaften ist eingegangen. Das Schlachtvieh muss bis Allenstein gebracht werden, von wo auch Sensburg mit Frischfleisch und Wurstwaren beliefert wird.

 

Auch die Wege und Chausseen sind in einem vernachlässigten Zustand. Überall sind große Schlaglöcher. Der Eisenbahnverkehr ist erheblich eingeschränkt, der Hauptverkehr wird von Autobussen bewerkstelligt Die große Eisenbahnbrücke auf der Strecke Sensburg—Rudczanny ist abgebrochen. Auch wurde der Verkehr nach Rothfließ, einst als Umschlagbahnhof nach Königsberg von hoher Bedeutung, still gelegt.

 

Zwischen der eingesessenen deutschen Bevölkerung und den zugezogenen Polen hat sich im Allgemeinen ein korrekter Verkehr herausgebildet, der jedoch durchaus zurückhaltend geübt wird. Auf den Straßen wird wenig deutsch gesprochen, dafür aber in den Häusern umso mehr. Auf heftigen Widerstand stößt die Anordnung der polnischen Verwaltung, dass neugeborenen deutschen Kindern ausschließlich polnische Vornamen gegeben werden sollen. Bei gottesdienstlichen Handlungen — wie etwa bei Trauerfeiern — wird von den evangelischen Pfarrern zweisprachig gesprochen, so segnet man die Leiche im Hause deutsch ein, aber auf dem Friedhof predigt man polnisch.

 

Seite 2   Preußen lebt!

(hvp) Der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP von Nordrhein-Westfalen, Dr. Erich Mende, MdB, hat auf dem Landesparteitag der Freien Demokraten in Köln darauf hingewiesen, dass die FDP die Wiedererrichtung eines neuen, demokratischen Preußens als einer ihrer wichtigsten Ziele betrachte. Er hat dies begründet, indem er die ethischen Werte echten Preußentums hervorhob und zugleich feststellte, dass die Alliierten mit der Zerschlagung Preußens einen schweren Fehler begingen, den es baldmöglichst wiedergutzumachen gelte.

 

Diese Ausführungen des FDP-Abgeordneten sind umso bemerkenswerter, als sie zeigen, dass die historische Leistung Preußens in der politischen Öffentlichkeit Westdeutschlands nunmehr in zunehmendem Maße anerkannt wird. Denn es ist nicht an dem, dass etwa allein eine einzige Partei sich zu Preußen und seinen Werten bekannte: In der CDU ist der Bundestagspräsident Dr. Ehlers wiederholt für eine Wiederbelebung echten preußischen Geistes eingetreten, seitens der Deutschen Partei hat eine ganze Reihe von Sprechern den gleichen Standpunkt mit Nachdruck vertreten, der Vorsitzende des „Gesamtdeutschen Blocks" (BHE), Bundesminister Waldemar Kraft, hat ebenfalls vor nicht langer Zeit ein „preußisches Programm" verkündet, und auch in den Reihen der großen Oppositionspartei, der SPD, hat man sich dem preußischen Gedankengut durchaus aufgeschlossen gezeigt.

 

Aber nicht nur die Politiker und Parlamentarier der Bundesrepublik haben sich in den letzten Jahren um die Frage bemüht, was Preußen und sein Geist für uns Heutige bedeuten kann: Auch in der wissenschaftlichen Arbeit der Universitäten und in der allgemeinen Pub???istik tritt Preußen mehr und mehr in den Vordergrund. Das gilt für die Rektoratsrede des derzeitigen Rektors der Göttinger Georgia Augusta, Prof. Dr. Heimpel, ebenso wie für verschiedene Veröffentlichungen von Prof. Schoeps -Erlangen und für das von Prof. Goetz von Selle herausgegebene „Preußenbrevier", in dem die Grundzüge preußischen Denkens durch Stimmen aus der vielhundertjährigen Geschichte jenes Staates deutlich gemacht wurden, der ein wahres Vermittlungsland Europas gewesen ist, bis eine Politik des Hasses und der Rachsucht ihn zerstörte. Und vor allem auch die Landsmannschaften der ostdeutschen Heimatvertriebenen haben in ihrer ganzen Arbeit immer wieder darauf hingewiesen, dass der Heimatgedanke gerade dadurch seine bildende Kraft erhielt, dass er für die Vertriebenen aus den alten preußischen Ostprovinzen sich unlösbar vereinte mit dem preußischen Staatsdenken, das der Vereinzelung ebenso entgegenwirkt wie der Vermassung.

 

So ist Preußen in den Herzen von Millionen Deutschen lebendig geblieben, ja es erlebt heute in der Vertreibung seine Wiedergeburt, der zur gegebenen Stunde auch seine Wiedererstehung als Staat und politischer Pfeiler, der Gesamtdeutschland trägt, folgen wird.

 

Seite 2   Volle Freigabe im Währungsausgleich

Auf Grund des Beschlusses des Kontrollausschusses, wonach die Mittel für den Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener um 50 Millionen DM erhöht werden, hat das Bundesausgleichsamt in einer dritten Weisung alle Ausgleichsguthaben in der Höhe von 6,5% des verlorenen Reichsmarknennbetrages zum 1. Dezember 1953 freigegeben.

 

Seite 2   Ein Buch über Polen erregt Ärgernis

Das kürzlich in den USA erschienene Buch von Samuel Sharp „Poland: White Eagle on a Red Field", Harvard University Press hat in polnischen Kreisen eine scharfe Ablehnung erfahren. Warum das Buch des früheren Warschauer Anwaltspraktikanten und gegenwärtigen politischen Beraters des „Committee Free Europe" als „gefährliche Schmähschrift gegen Polen" verdammt wird, ist einer Besprechung im „Dziennik Polski" (London) Nr. 257 vom 28.10.1953 zu entnehmen.

 

Dort heißt es u. a.: Die Lektüre dieses Buches ist ein völlig ungewöhnliches Erlebnis. Auf über 300 Seiten bemüht sich der Verfasser, den Nonsens des Bestehens Polens zu beweisen. Er tut das ruhig und gelassen, scheinbar objektiv und historisch genau und hält sich strikt an die Tatsachen. Er stellt die These auf, dass Polen ein großer Irrtum sei und dass er als Staat, reale Macht und nationaler Organismus des Interesses anderer Völker eigentlich niemals wert gewesen sei.

 

Was ist der Zweck dieses Buches? Wie konnte es einen solchen Verlag wie die „Harvard University Press" finden? Warum ließen sich Rezensenten bedeutender amerikanischer Blätter von jener „Objektivität" auf den Leim führen; warum haben sie das Buch von Sharp als Arbeit von großem Wert qualifiziert? Es gibt keine genaue Antwort auf diese Fragen. Trotz der Bemühungen des Autors, sein Amerikanertum zu unterstreichen, wird er „leider" weiterhin als Pole angesehen.

 

Was findet ein Rezensent in den Blättern dieses Buches? Vor allem die These, dass Polen keine Chancen besitzt, seine politische Selbständigkeit zu behaupten und dass es eine solche Selbständigkeit nicht verdiene. Was ist denn Polen? Ein kleines Land, das ein Machtvakuum darstellt und dadurch ungewollt seine stärkeren Nachbarn zur Aggression reizt. Sharp jongliert mit polnischen und fremden Zitaten, um seine These zu unterbauen. Talleyrand beispielsweise habe gesagt, dass er als guter Europäer die Polen hasse. Briand sagt etwas Ähnliches. Und diejenigen Amerikaner, die bereit sind, im Namen der polnischen Sache Krokodiltränen zu vergießen, erinnert Sharp im Vorwort, dass niemand als Marshall Pilsudski Polen ein Volk von Idioten genannt habe.

 

Die polnische Frage sei ein Symbol und keine Frage der realen Politik. Das wurde sogleich nach der dritten Teilung Polens klar, über die Sharp schreibt, dass sich die politischen Führer und viele ehemalige Offiziere zur Auswanderung veranlasst sahen. Aber die Bauernschaft habe kaum Änderungen wahrgenommen.

der Adel habe sich schnell den neuen Verhältnissen angepasst und die polnischen Magnaten hätten den Okkupationsmächten ihre Ergebenheit bekundet. Mit anderen Worten — die dritte Teilung Polens war nur für eine Handvoll wenig bedeutender Idealisten und einiger Karrieremacher schmerzlich. Sharp zitiert wieder, diesmal den preußischen Gesandten in Warschau, der behauptete, dass der polnische Adel zufrieden war, denn die letzte Teilung Polens befreite ihn von der Verpflichtung, die Wahlkosten zu decken. In der Regel sei es eine leichte Sache gewesen, die polnische Unterstützung für politische und militärische Pläne zu gewinnen, die der polnischen Staatsraison völlig entgegengesetzt waren. Die Polen seien Menschen von einer Mentalität des 15. Jhs., unterwürfige Bürger eines unterwürfigen Staates, der sich mit der Feder irrealer Romantik schmückt. Da das polnische Volk historisch unreif ist, da es geographisch in hoffnungsloser Weise placiert ist, da das Merkmal der polnischen Diplomatie in der Jagd nach Prestige bestand und noch besteht und schließlich Amerika niemals gemeinsame Interessen mit den Polen gehabt habe — so ist die Befreiungspolitik ein Irrtum. Polen ist der Gegenstand lebenswichtiger Interessen Russlands und nur zweitrangig durch Zufall ein Terrain amerikanischer Interessennahme.

 

Damit kehrt der Verfasser zu der alten sowjetischen These der Aufteilung der Interessensphären zurück. Diese These (Rückkehr zur rein sowjetischen Konzeption Polens als Objekt, für das sich zu interessieren Russland ein volles Recht besitzt) ist verwunderlich. Immer wieder kommt der Verfasser darauf zurück, dass Polen als Gegenstand des Interesses der Amerikaner zu bestehen aufhören sollte. Polen sei ein Land, das aus dem Gedächtnis des Westens verwischt werden müsste. Es sei ein Land des Ostens, ein Land stets zu fremden Diensten bereiter Agenten.

 

Als das Buch Sharps auf dem Markt erschien, verbreitete sich das Gerücht, das „Committee Free Europe" haben den Verfasser auf die Liste seiner politischen Berater gesetzt. Das Gerücht bestätigte sich.

 

Wenn Sharp weiter auf seinem Posten verbleiben sollte, könnte das Komitee sich eines Tages darauf gefasst machen, dass einer seiner Berater die Liquidation dieser Organisation empfiehlt, denn Samuel Sharp ist ja der Auffassung, dass alles, was Amerika bisher für die polnische Sache getan habe, verfehlt gewesen sei.

 

Seite 2   „Und es tanzte viel Prominenz"

In der „Welt", Hamburg, berichtete die Bundestagsabgeordnete und Pressereferentin des BHE (Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten), Eva Gräfin Finckenstein, über den Presseball in Bad Neuenahr. Wir glauben, diesen Artikel unseren Lesern nicht vorenthalten zu dürfen und geben ihn kommentarlos wieder:

Bad Neuenahr.

„5000 DM sind geboten worden für einen Platz am Tisch von Minister sowieso . . .", so tuschelte das Gerücht über die Platzverteilung auf dem Presseball, mit dem die Wintersaison im „Bundesdorf Bonn" ihren glanzvollen Auftakt zu nehmen hat. Warum auch nicht? Nur nicht kleinlich, wenn sich jemand soweit versteigern will, um die Tombola zu spicken und die Menge der freundlichen Gaben aufbringen zu helfen. Und in der Tat, die Tombola-Gewinne waren so zahlreich, dass sich manche Ballbesucherin für den Heimtransport ein Marktnetz gewünscht haben mag, um Schokolade, Blumen und Palmolivetuben, bunte Blätter, Sekt und Seife heil heimbringen zu können, von schwierigen Sachen wie Eisschränken und Herden nicht zu reden . .

 

Der Presseball ist nun einmal der Ball, bei dem man gewesen sein muss, und der Sturm auf die 1500 Karten soll furchtbar gewesen sein.

 

Großzügig und lustig

Kleinlich war niemand auf diesem freundlichen Fest der Journalisten, steif auch nicht, und die zehn Säle des Spielkasinos in Neuenahr waren von lauter gemütlichen Grüppchen bevölkert. „Bürgerlich" wäre zu viel gesagt, denn schließlich gab es doch nur blendend weiße Frackbrüste, große und fast immer schulterfreie Kleider, wunderhübsch gedeckte Tische und überhaupt viel Pracht und Glanz. Aber über all dem lag irgendein Hauch des Familiären. Vielleicht lag es daran, dass die unvermeidlichen Filmstars, Schönheitsköniginnen, Starmannequins und Radiotenöre völlig fehlten.

 

Eine Zwischenstellung nahmen die Journalisten ein, diese musischen Tatsachenmenschen, die Wirte und doch die eigentlichen Könige des Festes mit ihren reizvollen Frauen, angefeuert von der eleganten Gattin des Pressechefs v. Eckard in hellblauem Haar.

 

Man sah . . .

Landesvater Heuss plauderte leutselig mit dem schwedischen Gesandten und ließ sich von fünf hübschen Frauen an seinem Tisch väterlich anhimmeln; der junge und forsche Innenminister, Dr. Schröder, gewann mit guter Fassung einen grüngestreiften Damenpullover; Dr. Dehler studierte tiefsinnig die auf Samt gebettete historische Glückskugel, die nach dem Kriege die Spielsaison in Neuenahr zu eröffnen die Ehre hatte; Vertriebenenminister Oberländer redete eisern auf den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, Beyer, ein; Mellies musste immerfort Glückwünsche mit seiner SPD-Fraktionskollegin und frischgebackenen Ehefrau entgegennehmen; Ollenhauer blinzelte sphinxhaft vor sich hin, und Justizminister Neumayer gewann alle Herzen in seiner reizenden Altherrenart. Bundesminister Kraft erfüllte eine besondere Aufgabe, indem er mit der Frau des gastgebenden Landesministers Nowak von Rheinland-Westfalen fleißig tanzte.

 

Und man trug . . .

Was für Ballkleider man sah? Eine weißgoldene Tunika, ein blaugoldenes Brokatkleid, zwei verwirrend raschelnde Taftkleider, von denen man nicht wusste, ob sie rosa, bleu, taubengrau oder alles miteinander waren, ein liebliches weißes Kleid mit Diamanten und Tressen von Tüllrüschen, viele kühne Querstreifen, ein enganliegendes Kleid aus steifer, schwarzer Frackseide, eine Meerjungfrau in durchsichtigem Aquamarinblaugrün.

 

Ein wenig weniger schulterfreie Roben und ein wenig weniger Schmetterlingsbrillen würden nichts geschadet haben.

 

Heuss ist jetzt schon fort, nachdem zur allgemeinen Freude einer seiner unauffälligen Beschatter höchst überraschend den Mercedes 180 D, den Hauptgewinn, eingeheimst hatte. Die schönsten Frauen und die sturen Spieler ziehen sich schließlich in die hintersten Spielsäle zurück, um dort, einander missachtend, dem Roulette zu verfallen. An den Bars beginnen sich die Trauben derjenigen festzuhängen, die mit dem eigentlichen Vorsatz auf den Ball gekommen sind, hier nicht so schnell wieder zu weichen.

 

Es wird vier Uhr. Wir gehen mit den letzten Offiziellen. Es ist genau der Augenblick, wo die Zurückbleibenden behaupten: „Kinder, jetzt wird es erst gemütlich!"

 

Seite 2   Gefährliche Situation

Im Zusammenhang mit der Bermudas-Konferenz und der neuen überraschenden Note der Sowjets, in der diese sich für eine Viererkonferenz in Berlin ausgesprochen haben, bezeichnete der Bundeskanzler die augenblickliche Situation als die gefährlichste, die es für seine Politik gegeben hat.

 

Seite 2   Fahrpreisermäßigung für Vertriebene — Fristablauf!

Wir weisen darauf hin, dass die Frist für die 50-prozentige Fahrpreisermäßigung an Heimatvertriebene am 31. Dezember 1953 abläuft. Es empfiehlt sich daher, dass Vertriebene die letzte ermäßigte Fahrt für den Besuch von Angehörigen zur Weihnachtszeit und Neujahr vornehmen. Das Bundesvertriebenenministerium hat zwar Verhandlungen mit der Hauptverwaltung der Bundesbahn über die Verlängerung der Ermäßigung über den 31. Dezember 1953 hinaus aufgenommen. Eine positive Entscheidung steht jedoch aus und ist sehr zweifelhaft, da die Bundesbahn bereits Im vorigen Jahr die Fahrpreisermäßigung für Heimatvertriebene nur unter der Bedingung verlängert hatte, dass ihr die Kosten von der Bundesregierung rückerstattet werden.

 

Seite 2   „Die Bilanz des deutschen Ostens"

Soeben erschien im Holzner-Verlag, Kitzingen/Main, als Veröffentlichung Nr. 82 des Göttinger Arbeitskreises „Die Bilanz des deutschen Ostens" von Hans Raupach und Peter Quante. In zwei Abhandlungen wird zur Frage der Ostodergebiete als Wirtschaftsstandort und Bevölkerungsraum Stellung genommen.

 

Seite 2   Einmalige Unterstützungen für unsere Kriegsopfer

Mit dem am 1. Oktober 1950 in Kraft getretenen Bundesversorgungsgesetz — Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges — ist eine bundeseinheitliche Regelung in der Kriegsopferversorgung eingetreten.

 

Weiten Kreisen der Heimatvertriebenen ist nun nicht bekannt, dass den nach diesem Gesetz rentenberechtigten Kriegsbeschädigten, Witwen, Waisen und Kriegereltern zur Behebung oder Milderung einer vorübergehenden Notlage, aus der sich die Betroffenen nicht durch eigene Kraft oder anderweitige Hilfe zu befreien vermögen, neben der Rente einmalige Unterstützungen gewährt werden können. Diese Unterstützungen werden jedoch nur auf Antrag gewährt, das heißt, man erbittet vom zuständigen Versorgungsamt ein Antragsformular, füllt es aus und lässt die Angaben vom Bürgermeisteramt bestätigen. Die Bürgermeisterämter leiten daraufhin diese Unterstützungsanträge gegebenenfalls befürwortend an die Versorgungsämter weiter. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei den von den Versorgungsämtern gewährten Unterstützungsmitteln um keine Almosen handelt. Den rentenberechtigten Hinterbliebenen stehen schuldlos geschiedene Ehefrauen sowie Empfänger einer Witwen- und Waisenbeihilfe gleich. Somit ist auch diesem Personenkreis die Möglichkeit gegeben, im Falle einer Notlage Unterstützungsmittel zu beantragen Als rentenberechtigt gelten ferner Empfänger einer im Wege des Härteausgleichs gewährten Versorgung. Darüber hinaus können auch nicht rentenberechtigte Kriegereltern einmalige Unterstützungen beantragen, wenn sie den einzigen Sohn (das einzige Kind) oder mindestens zwei Kinder infolge einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes, das heißt durch Kriegseinflüsse, verloren haben.

 

Hinterbliebene können ferner Unterstützungsmittel als Beihilfe zur Deckung von Unkosten erhalten, die durch Überführung verstorbener Beschädigter entstanden sind.

 

Bei Notständen, die durch Krankheitskosten entstanden sind, können auch rentenberechtigte Hinterbliebene, denen wegen der Höhe ihres Einkommens kein Anspruch auf Krankenbehandlung zusteht, einmalige Unterstützungen beantragen. Der Gesetzgeber hat also an jede Möglichkeit gedacht, den in Not geratenen Kriegsopfern zusätzliche Mittel zukommen zu lassen.

 

Bei Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 bis 40 v. H. ist eine etwaige Notlage in der Regel nicht auf Schädigungsfolgen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes zurückzuführen.

 

Haben diese Beschädigten jedoch das 65. Lebensjahr vollendet oder sind sie im Zusammenwirken mit Gesundheitsstörungen, die auf anderen Ursachen beruhen, erwerbsunfähig, so kann ihnen im Falle einer Notlage ebenfalls eine einmalige Unterstützung gewährt werden.

 

Die Angehörigen der Versorgungsämter stehen den Heimatvertriebenen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und sind bemüht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die die versorgungsrechtlichen Bestimmungen bieten, um Notlagen zu beheben oder zu lindern.

Helmut Wegner.

 

Seite 2   Vorauszahlungen können geleistet werden

Eine entsprechende Weisung an die unteren Verwaltungsstellen hat das Bundesausgleichsamt herausgegeben. Danach sind alle Anträge auf Vorauszahlung von Entschädigungsrenten beschleunigt zu behandeln, wenn über den Verlust von wenigstens 20 000 Mark keine Zweifel bestehen. Die Ausgleichsämter können in diesen Fällen als Vorausleistungen auf die Entschädigungsrente monatlich 20,-- Mark auszahlen.

 

 

Seite 3   Das Licht im Saal. Von Carla von Bassewitz

Foto: Der Gartensaal mit venetianischem Spiegel, Bronzekronleuchter und Chippendale-Möbel

Foto: Fuchshöfen: Der Gartensaal – Gesamtansicht. Im Hintergrund Fenster nach der Pregelseite

Foto: Ecke im Gartensaal mit Wappenkachelofen von etwa 1702 und Gobelins

1685. — „Nach einem Blick aus den Fenstern, --- sagte der Hausherr, --- werden Kurfürstliche Gnaden verstehen, warum ich mein Haus auf dieser Stelle und auf keiner anderen errichtete!"

 

Friedrich Wilhelm III. von Brandenburg, der Große Kurfürst --- nickte --- schüttelte die mächtige Lockenperücke und legte nachdenklich die Stirn an das Fensterkreuz.

 

„Ja, weiß Gott, mein viel lieber Minister ich verstehe es!" In was für ein herrliches Land sieht man von diesen Fenstern! Und wie verheert ist dies Unser östliches Herzogtum von zahllosen Kriegen. Schon Unser in Gott ruhender Vater wollte es wieder zur Blüte bringen. Wir werden dies in die Tat umsetzen, und Ihr sollt dabei Unsere Stütze sein. Ihr seid ja nun in unseren Landen Grundeigentümer--- "

 

„Durch die Gnade meines Kurfürstlichen Herrn bin ich es!" versetzte der Minister sich verneigend. „Und deshalb sollen der Brandenburg-preußischen Dynastie in meinem Hause stets treue Helfer im Dienst an diesem Lande heranwachsen!"

 

Beide traten zurück in den hohen hellen Raum. Er maß viele Meter Länge und hatte nach der Vorderfront des Hauses drei, nach der Pregelseite zwei hohe breite Fenster, durch die der goldene, klare, östliche Herbst hineinleuchtete.

 

1725 — Vierzig Jahre später — stand an der gleichen Stelle ein junges Mädchen in Reifrock und zierlich gepuderter Lockenfrisur. Mit Tränen in den Augen murmelte sie: „Nein, ich verlasse Großvaters Land nicht. Und wenn meines Stiefvaters Leichtsinn mich um den größten Teil meines Erbes gebracht hat, so will ich erhalten, was geblieben ist, und verfügen, dass es sich nur noch von Frau zu Frau vererben darf — denn die Frau ist die Hüterin des Herdes!"

 

So geschah es. Immer zogen die Besitzerinnen mit ihren Männern, die vielfach im Staatsdienst waren, aber keine gab es weg. Nur im Sommer rumpelte die Reisekutsche vor die Tür und der Saal stand im strahlenden Sonnenlicht zum Empfang geöffnet. Dann trat wohl manche Besitzerin mit ihrer Tochter und Erbin an die hohen Fenster und wies hinaus ins Pregeltal: „Siehst Du, das wird alles einmal Dein! Das hüte Du!"

 

Dann aber stand der Saal wieder monatelang leer. Allmählich verblassten und schlissen die seidenen Möbelbezüge — die gepressten Goldledertapeten vermoderten und fielen in Fetzen vom Mauerwerk.

 

1880. Eines Tages kam die alte Regine Föhrke, die Kastellanin bei der Urgroßmutter des letzten Besitzers war und während der Winterstürme warm und sicher im oberen Stockwerk hauste — auf einen guten Gedanken. Sie legte die besten Äpfel von den Bäumen auf den Rasenplätzen hinter dem Hause auf der schönen großen Fußbodenfläche aus. Besonders die „Hasenköpfe“ von dem alten Baum rechts am Park — die aß das junge Fräulein so gern — und die hielten sich in den tiefen feuchten Kellern so schlecht . . .  

 

So wurde der Saal allmählich zum Apfelkeller. Da lagen sie — duftend und rotwangig — wo die Geigen beim Kerzenglanz gejubelt hatten, und im tiefen Dekolleté und seidenen Fracks die Paare bei der Gavotte in langer Reverenz voreinander versunken waren … Nur die alte Kastellanin Regine wanderte in Häubchen und schleppenden Röcken mit einem Kerzenstumpf durch den kahlen Raum und sah sie sorgfältig nach. . .

 

1897. Als aus dem jungen Fräulein ein altes Fräulein geworden war, und der Wagen wieder einmal vor die Haustür rumpelte -- sagte es zu der alten Kastellanin: „Nun kommt Leben ins Haus, Reginchen! Nun zieht bald mein Neffe mit seiner jungen Frau hierher und wird dies alles für mich verwalten. Da ich keine Töchter habe, ist mein Gnadengesuch bewilligt, und er darf mich auch ein männlicher Verwandter beerben. Dann wohnt hier wieder die Familie des Besitzers, und die Arbeiter wissen, zu wem sie gehören, und an wen sie sich halten können. Nun auf mit allen Fenstern des lieben alten Hauses und tüchtig gescheuert!“ So sagte das alte Fräulein und strich mit einem liebevollen Aufleuchten der blauen Augen der Alten über den Arm.

 

In einigen Jahren schallte Kinderjubel und Getrappel von vielen kleinen Füßen die Treppen auf und ab. Aber der Saal blieb Apfelkeller. Der neue Herr war sparsam, und die Familie wohnte im oberen Stock bis zu seinem Tode — der nur zu bald kam.

 

„Reginchen —", sagte da die junge Witwe mit traurigen braunen Augen, „nimm doch die letzten Reinetten aus dem Saal — wir wollen den Herrn dort aufbahren; ein anderer Platz ist ja nicht, und es kommen Leute aus der Stadt, die ihn herrichten und schwarz ausschlagen sollen."

 

Das kahle Mauerwerk wurde schwarz verhangen, und zwischen Armleuchtern mit feierlichen Kerzen und Fluten von Frühlingsblumen stand vor den Fenstern nach der Pregelseite der Sarg. Verwandtschaft und Nachbarschaft versammelten sich um die junge Frau mit den fünf Kindern, die den kleinen blonden Erben, ihren ältesten Sohn, an der Hand hielt. Aufmerksam und wie besitzergreifend schweiften die klaren Augen des Siebenjährigen über all die düstere Pracht durch den hohen Raum …

 

Er wurde nicht mehr Apfelkeller. Die junge Frau fand auf dem Boden die kostbaren Wandteppiche des Erbauers mit ihren Jagd- und Tierszenen und hängte sie auf. Sie fand Teile venetianischer Spiegel, bei denen auch die Rahmen aus Glas sind, und ließ sie zusammensetzen. Sie fand die alten Chippendale Möbel, die früher darin gestanden hatten, und ließ sie beziehen. So bekam der Saal ganz langsam wieder sein ursprüngliches Gesicht.

 

Und Weihnachten stand in der Mitte eine hohe grüne Fichte mit ungezählten Kerzen, und? die fünf Kinder spielten selig darum herum. Wie freute sich das alte Reginchen an ihnen! Sie wurde immer älter und versah schließlich nur noch das Amt des Kaffeemachens für alle Hausgenossen. Daran hielt sie eisern fest!

 

1921. Geigenklang und Kerzenglanz — Tanzende Paare wie in alter Zeit. — Der junge Besitzer feierte seine Braut . . .

 

Und nach einigen Jahren wieder Kinder treppauf, treppab, selig unter dem Weihnachtsbaum mit der alten Regine, die nun die fünfte Generation erlebte — selig bei den Taufessen der jüngeren Geschwister. Dann stand im Saal die große Festtafel in Hufeisenform, geschmückt je nach der Jahreszeit mit Blumen in den verschwenderischen Farben des Sommers oder schön geflochtenen Adventskronen aus duftender Tanne. Zu den Konfirmationen der älteren Söhne waren in alte chinesische Porzellanschalen blühende Töpfe gesetzt, wie bunte Ostereier in Bilderbüchern. Auch die Hochzeitstafel der jüngsten Schwester des Besitzers im goldenen Schein von Primeln und Narzissen sah der Saal. Auch der Sarg von seiner Mutter hatte hier gestanden. Sie hinterließ die Verfügung, dass für die Gutsarbeiter allein eine Trauerfeier veranstaltet werde, damit sie bei der zu erwartenden Anzahl der auswärtigen Teilnehmer auch alle Platz fänden. So füllte sich zweimal der Saal mit Trauernden und die Trauer war echt — um diese Gutsfrau und Mutter …

 

Noch weitere zwei Male nahm er die sterbliche Hülle eines zum Hause gehörigen Menschen auf. Niemals in einer Familie ist nur Freude. Aber auch Leid schafft ein Band mit Haus und Raum . . .

 

1934. Als der älteste Sohn sich zehnjährig dem Klavier zuwandte — da klang auch ernstere Musik als die zum Tanz an den alten Wänden empor. Künstler und Laien vereinigten sich nun hier in der Liebe zur Kammermusik wie sie zur Zeit Friedrichs des Großer, gepflegt wurde. Trotzdem längst in der Hohlkehle der Stuckdecke elektrische Leitungen lagen — die Birnen von altmodischen Bronzeblättern sorgsam verhüllt — wurde bei Kerzenbeleuchtung gespielt wie in jener Zeit, als die Quartetts und Trios in ihrer herrlichen Reinheit und Klangfülle komponiert wurden. Dazu flammten in dem breiten Kamin neben dem alten Wappenkachelofen die mächtigen Holzscheite auf dem eisernen Dreibock. Raum, Künstler, Instrumente, Zuhörer — alles war in weiches feierliches Licht getaucht...

 

Und im Sommer wie strömten da die Gäste durch die geöffnete Gartentür aus und ein. Draußen sah man die roten Phloxe und blauen Rittersporne sich im Winde und vom Druck des Alltags befreite Menschen an weißen Tischen auf den Rasenplätzen oder unter dem rauschenden Nussbaum sitzen —, wo bei Einbruch der Dunkelheit Lampions eingehängt und Windlichter hingestellt wurden. Oft wurde nach dem Grammophon getanzt. — Die Kinder rasten dazwischen hin und her und hinterließen auf der spiegelnden Fläche stets etwas weißen Staub von ihren leichten Leinenschuhchen.

 

Am Parkrand wanderten einige Paare und sahen ins Pregeltal hinunter, wo die Sterne sich im Fluss spiegelten, oder hinauf zu der dunklen wuchtigen Masse des Hauses mit den erleuchteten Saalfenstern. Was für schöne Feierabende das waren nach der Arbeit des Tages — und wie viele Städter genossen es glücklich.

 

1942. Das alles ging vorbei — nun war der Saal Aufenthaltsraum für verwundete Offiziere, die oben in den Gastzimmern des Hauses schliefen und hier unten schrieben, lasen, auf dem braunpolierten Flügel alte Kenntnisse erneuerten — oder auf Liegestühlen vor der Gartentür lagen. Sie wurden abwechselnd auf Wunsch der Familie vom Lazarett Yorkstraße zur Erholung herausgeschickt.

Manche waren noch sehr krank und mussten regelmäßig für Stunden mit Militärautos zur Behandlung ins Lazarett geholt werden. Manchmal kamen auch der Chefarzt oder die Oberin, Schwester Auguste, und saßen mit ihnen und der Familie um den runden Tisch im Saal vor der riesigen blauen Glasvase mit den leuchtenden Goldballzweigen …

 

Einer, dessen Arm völlig bewegungsunfähig war, erhielt während seines Aufenthaltes eine hohe Kriegsauszeichnung — vom Hausherrn begeistert mit damals schon knappem Wein gefeiert. … Nachdenklich sah die kleine Rokokodame von dem roten französischen Gobelin auf das alles herab .. .

 

1944. Es kamen keine Verwundeten mehr. Ein Lastauto fuhr vor, und Kisten über Kisten wurden abgeladen und im Saal gestapelt. Schon war er halb voll von Möbeln aus den Wohnstuben, die für Flüchtlinge von der Grenze eingerichtet waren — nun sah er ganz aus wie ein Warenlager. Die Kisten enthielten kostbares wissenschaftliches Material der Universität Königsberg, das auf dem Lande durch Bombenangriffe weniger gefährdet schien. Der Professor und sein Familir, die es begleiteten, sprachen der Hausfrau gegenüber nicht aus, was sie von der tatsächlichen „Sicherheit" dieser Unterbringung dachten ... Der Hausherr war nicht da — er lag in einem Lazarett in Österreich mit 15 Splittern von der Front bei Dorpat... Das Treckgepäck der Familie in der Ecke des Saales blieb stehen — es hatte auch noch Platz.

 

Die Flüchtlinge verließen das Haus zum größten Teil freiwillig gen Westen. Soldaten bevölkerten es noch kurze Zeit — — dann bebte es einige kurze Wochen unter den Detonationen der feindlichen Geschosse in den näher rückenden letzten Kämpfen und musste endlich verlassen werden. Die Russen brannten es nieder mit Gobelins, Öfen, Möbeln und dem Forschungsgut der Universität — — doch nein, nicht ganz. Das Erdgeschoß blieb stehen.

 

1949 wurde eine Siedlerfrau aus der Nachbarschaft nach Westen ausgewiesen und brachte eine Zeichnung ihres 16-jährigen Sohnes mit, aus der man ersah, dass auf die eingestürzten Decken ein Strohdach gesetzt und die hohen hellen Fenster vermauert waren. Sie erzählte, dass die Russen in dem großen Saal nach der Pregelseite Kartoffeln und Gemüse lagerten, die sie in großer Menge anbauten. —

 

Da fiel der Frau des letzten Besitzers auf, dass dies alles in der 260-jährigen Geschichte ihres Hauses in ähnlicher Form schon einmal dagewesen war.

 

Die alte Kastellanin Regina Föhrke hatte in dem unbenutzten und verfallenen Festsaal des Erbauers ja schon Äpfel gelagert, als die Eigentümer in Westdeutschland lebten! Dann haben sie ihn nach Jahren aufs Neue in sein Feiertagsgewand gekleidet. Das war, als sie heimkehrten, um wieder in ihrem Erbe zu wohnen und ihr Land zu bebauen. So war es der Wille ihres Ahnen und seines Kurfürstlichen Schirmherrn, dem das Aufblühen dieses östlichen Landes so am Herzen lag...

 

Freilich ist diesmal die Zerstörung gründlicher. Die kunstvolle Einrichtung ist verbrand, das Land wüst, und die rechtmäßigen Besitzer verjagt und arm geworden ...

 

Und doch — — sollte es nicht noch ein zweites Mal möglich sein, einen Lagerraum für Früchte des Landes umzuwandeln in eine Heimstätte für die Familie?

 

Oh des Tages, da wir wie einst die alte Regine mit einem Lichtstümpfchen — — — denn die elektrische Leitung ist wieder zerstört — — durch den hohen kahlen Raum wandern und uns umsehen, wie wir ihn — — wenn auch nicht festlich, so doch wohnlich herrichten könnten — auch unter dem Strohdach!

 

Gott steh uns bei — damit wir dies noch zu unseren Lebzeiten vollbringen!

 

 


Seite 4   Schlachtfest bei uns zu Hause. Von Berta Gross

 

Welche ostpreußische Landfrau, die heute halb- oder viertelpfundweise den Speck aus dem Laden holt oder zum Sonntag ein bescheidenes Stückchen Fleisch kauft, denkt nicht mit Wehmut an die einst wohlgefüllte Speckkammer zu Hause, an die fleisch- und wurstgefüllten Weckgläser und an die Schmalztöpfe in der Vorratskammer. In die Wochen vor Weihnachten fielen meistens die ersten Schlachtfeste des Jahres. Mochten noch so viele Enten, Gänse und Puten zur Verfügung stehen, zum Weihnachtsfest gehörte immer ein ordentliches Stück von ,,der Sau" auf den Tisch, gehörten frösche Worscht und Sülze.

 

Täglich prüften kritische Augen den Puckel des Schlachttieres, ob er breiter wurde, und wenn es eines Tages am Futtertrog ,,oppe Noarsch huckd", d. h. sich zum Fressen nicht mehr erheben mochte, dann war es richtig, dann war es reif zum Schlachten.

 

Es war bei uns im Dorfe nicht üblich, dass der Fleischer zum Schlachten bestellt wurde. Unser alter Dorfschmiedemeister, genannt „Meister Schmödt" besorgte dieses Geschäft. Es gab kaum einen Bauernhof in unserer Gemeinde, auf welchem Meister Schmödt nicht schlachtete. Rechtzeitig schon musste man ihn „bestellen" und mit ihm den Tag der Schlachtung verabreden. Er ermahnte dann, rechtzeitig das Brühwasser kochend zu halten, denn er fing früh an. Unsere Lina, der für das rechtzeitige Kochen des Wassers verantwortliche Geist, füllte schon am Abend vorher den Kessel des Kartoffeldämpfers mit Wasser und legte trockenes Holz bereit. Die erste Arbeit am nächsten Morgen war das Anheizen des Dämpfers in der Futterküche, damit das Wasser heiß war, wenn der Meister eintraf. „Goode Morge! Koakt de Woater?" Da stand er auch schon in der Türe. Gleich, Meister, ös et so wiet! „Wo sönd de Manns? Ös wedder nuscht besorgt!" Unser Meister war poltrig und derb, aber herzensgut und bei allen beliebt. Er machte gerne Spaß, aber er konnte auch wundervoll wettern und schimpfen, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Meinen Brüdern machte es riesigen Spaß, den Meister schimpfen zu hören und sie forderten ihn aus diesem Grunde oft dazu heraus. Er nahm dann kein Blatt vor den Mund, ob er den Bauern selbst oder den Knecht vor sich hatte.

 

„Na, los! Messerschliepe! Wo ös de Schlieptrog?! Verfluchte Bommelie! De Woater ward omsonst koake." Er packte seine Schlachtmesser aus, die er in einer alten Aktentasche immer mitbrachte. Diese war außen und innen fett wie eine Speckschwarte, denn in ihr trug er auch den Lohn für die Schlachtarbeit heim. Dieser bestand nie aus Geld, sondern aus Fleisch und Speck.

 

Inzwischen war der Schleiftrog mit Wasser gefüllt und einer, der Jungens, drehte den Schleifstein. Ein Weilchen ging es gut, dann aber wurde die Sache langweilig und der Schleifstein wurde ungleichmäßig oder gar mal in verkehrter Richtung gedreht.

 

„Wie drellst nu? Langsam! Torigg! Krät hörscht nich?! Böst verröckt? Sull öck mie önne Klaue schniede? Hewst woll noch nich utschloape, wat?!" So kam der Meister in Fahrt.

 

„Meister, de Woater koakt!" Diese Worte Linas elektrisierten den Meister, „ös alles doa? De Trog? De Ströck? Walter, häwst dem Teschning?" Walter, mein jüngster Bruder, betäubte das Schwein durch einen Schuss aus dem Tesching, was ihm immer vom Meister ein anerkennendes Lächeln eintrug. „Goot so, Walter! Dat Oas liggt möt eenem Schoß!" „Na nu zuck, stoat nich on kickt wie de Oape un hoolt nich de Tung önne Muul! Karl hier ran! Paul, du nömmst dissem Koschel! Un de Ohler (mein Vater) bedröckt em hier!"

 

Diese energischen Kommandos brachten bald alle an den ihnen zugewiesenen Platz. Ich hatte die Aufgabe, das Schlachtmesser bereit zu halten, um es im gegebenen Moment dem Meister zu reichen. Lina stand mit Schüssel und Holzlöffel bereit, das Blut aufzufangen, welches sich nach dem wohlgelungenen Stich mit einem kräftigen Strahl in die untergehaltene Schüssel ergoss.

 

„Utgeete! Rasch!", kommandierte der Meister, und während er das Stichloch zuhielt, goss Lina das Blut in einen Eimer, wo ich es weiter rührte, während sie neues auffing.

 

Na, rennt nich got dat Bloot?! Na, wat wöll ju! Seht man, wat dat Oas väl Bloot hefft! Se ös noch nich fett genog!"

 

„Na röhr möt dem Koschel, dat aller rutkömmt", fuhr er einen der Männer an. So ging das fort, bis der Blutstrom versiegte.

 

„Weg! Os genog to Blootworscht!" Mit diesen Worten beendete Meister Schmödt das Abstechen. Schnell malte er noch mit seinem blutigen Finger Lina und mir einen Schnurrbart ins Gesicht. „Nu oaber ran möt dem Trog! Beielt Sick, beeilt sick, eh se koolt ward!"

 

Inzwischen hatte ich aus dem Hause eine Flasche Korn geholt und mein Vater schenkte sich und dem Meister ein. Sie stöhnten, wenn sie das Glas ausgetrunken hatten, verzogen das Gesicht und schüttelten sich. Das gehörte sich so beim Schnapstrinken. Und nun ging es unter der Assistenz der männlichen Hofbewohner an das Brühen und Abschaben. Den Kopf nahm er selber vor, das machte ihm keiner gut genug. Meine Brüder konnten es nicht lassen, sich bewusst dumm zu stellen und forderten so den Meister zum Schimpfen heraus.

 

Wenn das Schwein hing und ausgenommen war, wurde der Schweinerücken durch einen sauberen Schnitt der Länge nach gespalten. Durch Einlegen der Hand in den Schnitt wurde die Dicke des Speckes gemessen. Dann gab es ein kräftiges Frühstück, wobei die angebrochene Flasche leer gemacht wurde. Bald darauf kam auch schon der Fleischbeschauer auf seinem Motorrad angebraust, besichtigte das Fleisch und stempelte es ab, so dass wir schon zum Mittag in den Genuss der frischen Spirkel kamen.

 

Seite 4   An alle Altmaiden der Landfrauenschule Metgethen

Der Reifensteiner Verband hat seine Landfrauenschulen im Bundesgebiet damit beauftragt, die Tradition der verloren gegangenen Landfrauenschulen des Ostens zu übernehmen und zu bewahren.

 

Die Sammelstätte für Metgethen ist die Landfrauenschule Chattenbühl in Hann.-Münden geworden.

 

Da mich das Schicksal in die Nähe von Hann.-Münden geführt hat, habe ich 1952 und 1953 an den Stiftungsfesten der Landfrauenschule Chattenbühl teilgenommen, musste aber in beiden Jahren feststellen, dass die allerwenigsten Metgethener Altmaiden etwas davon wissen, dass wir in Chattenbühl eine neue Heimat finden sollen.

 

Der 1. Schritt, der darum zunächst gemacht werden muss, ist nun der, die Anschriften von all denen zu sammeln, die sich nach wie vor in Treue und Dankbarkeit der Landfrauenschule Metgethen verbunden fühlen.

 

Bitte melden Sie sich möglichst schnell mit vollständiger, deutlich geschriebener Adresse und Angabe der Jahreszahl Ihres Jahrganges (verheiratete Altmaiden vergessen bitte nicht den Mädchennamen) in der Geschäftsstelle des Reifensteiner Verbandes, (20b) Goslar, Claustorwall 28.

 

Jede Altmaid, die diese Nachricht erreicht, fühle sich verpflichtet, die Aufforderung zur Meldung an alle ihr bekannten Metgethener Altmaiden weiterzugeben.

 

Ich hoffe, in Ihrer aller Namen gehandelt zu haben, dass ich bei  den Stiftungsfesten in Chattenbühl unseren Dank dafür, dass wir uns dort zugehörig fühlen dürfen, aussprach und versicherte, dass wir Metgethener Altmaiden die Ausstattung einer Erinnerungsecke übernehmen würden. Darüber hinaus habe ich aber zum Ausdruck gebracht, dass wir vor allem den Wunsch haben, von all dem, was uns in Metgethen reich und glücklich machte, zu künden, um alle Chattenbühler Maiden mit dem deutschen Osten und seinen Aufgaben vertraut zu machen.

 

Sobald die Anschriftensammlung beendet ist, wird der 2. Schritt dann sein, die Verwirklichung der oben erwähnten Vorschläge gemeinsam zu überprüfen und in Angriff zu nehmen. Käthe Lemke, Altmaid der Landfrauenschule Metgethen 1915/1917

 

 

Seite 4   Klunkermus und Schmand mit Glumse

 

 

Jedes Land hat gewisse Spezialitäten auf seiner Speisekarte, die nur dort so ganz richtig schmecken, wo sie bodenständig sind. Ostpreußen war besonders reich an solchen Speisen und Getränken, deren Zubereitung zum Teil auf uralte, nur mündlich weitergegebene Rezepte zurückging, die in keinem Kochbuch richtig zu finden sind. Jeder Ostpreuße wird daher zunächst einmal ein misstrauisches Gesicht machen, wenn er etwa in West- oder Süddeutschland Königsberger Klops essen soll. Was ihm da in einer farblos-durchsichtigen Soße mit Kapern vorgesetzt wird, entspricht durchaus nicht dem, was er aus der Heimat als Königsberger Klops kennt Dort nämlich war die Hauptsache an diesem Gericht eine lange, weiße etwas säuerliche Soße, in der die Klops wie in einer Suppe schwammen. Dazu wurden meist Pellkartoffeln gegessen, und vielfach nicht mit Messer und Gabel, sondern wegen der Menge der Soße gleich mit dem Löffel. Die echten Königsberger Klops, die in ihrer Heimat übrigens „gekochte Klops" hießen, waren ebenso sehr Tellergericht wie Suppe.

 

Außerhalb Ostpreußens weniger bekannt, aber noch bezeichnender als ausgesprochene Spezialität war ein Gericht, das den Besuchern des Landes im ersten Augenblick fast immer ein bedenkliches Kopfschütteln abnötigte. Wenn ihnen Königsberger Fleck vorgesetzt wurde, mussten sie gewöhnlich erst ein halbes Dutzend Vorurteile überwinden, ehe sie den Löffel zur Hand nahmen, um sich von dem Wohlgeschmack dieses eigentlichen Königsberger Leib- und Magengerichts zu überzeugen. Königsberger Fleck bestand aus Rinderdärmen und gewissen Teilen des Rindermagens, die sorgsam gereinigt, in kleine Stücke geschnitten, lange gewässert und dann 24 Stunden lang gekocht wurden, wobei den Töpfen zunächst kein sehr angenehmer Duft entstieg. Aber ihr brodelnder Inhalt machte zuletzt eine wunderbare Verwandlung durch und schmeckte ausgezeichnet, wenn er je nach Geschmack mit einem Schuss Essig, etwas Senf und auf jeden Fall mit Majoran vermischt wurde. Unter der Bezeichnung „Kutteln" ist die Fleck auch in anderen Gegenden heimisch, aber sie erreicht nirgendwo die Feinheit der Zubereitung, die in Königsberg zu Hause war.

 

Wenig zu sagen ist über zwei weitere Spezialitäten, die zwar ihrem Namen und ihrer Her

Stellung nach mit Ostpreußen verknüpft sind, sich aber über ganz Deutschland, wenn nicht gar über die ganze Welt verbreitet haben. Gemeint sind der Tilsiter Käse und der Königsberger Marzipan, die sozusagen zu den repräsentativsten Erzeugnissen Ostpreußens gehörten. Immerhin ist der echte Tilsiter Käse mit seinem charakteristischen Geschmack gar nicht so häufig anzutreffen, denn was im Allgemeinen unter dieser Bezeichnung verkauft wird, hat mit dem Original oft nicht viel mehr als den Namen gemein. Der Königsberger Marzipan wurde früher zur Weihnachtszeit in alle Welt versandt; einige Königsberger Konditoreien, die jetzt im Westen ansässig sind, setzen diese Tradition fort. Im Gegensatz zu dem ebenfalls recht bekannten Lübecker Marzipan wird der Königsberger Marzipan im Ofen gebacken, so dass er von der Oberhitze schöne braune Ränder erhält. Sonst wird er ebenso aus fein geriebenen Mandeln, Puderzucker und Rosenöl hergestellt. In ihm findet der Jahrtausende alte Mautopan der Araber und Perser seine höchste Veredelung.

 

Nun aber zu den eigentlich bodenständigen Gerichten, die Ostpreußen in großer Fülle aufzuweisen hatte. Da ist zunächst das Klunkermus zu nennen, ein grober Brei aus Roggenmehl mit vielen kleinen „Klunkern“, der mit Specksoße übergossen wurde. Nicht weniger beliebt waren graue Erbsen mit Speck; gekochte, unzerdrückte dunkle Erbsen, die trocken auf den Tisch kamen und mit einer süß-sauren Soße gegessen wurden.  In manchen Gegenden wurden sie auch mit Sahne oder frischer Butter angerichtet, und auf jeden Fall gehörten Spirkel — gebratene Streifen Räucherspeck — dazu. Die Spirkel waren auch unentbehrlich bei den Heilsberger Keilchen: Klößen aus rohen und gekochten Kartoffeln, die länglich geformt wurden. Mit Vorliebe wurde überall in Ostpreußen Beetenbartsch gegessen, eine dicke Suppe aus verkochten roten Beeten, der kleingeschnittenes Rindfleisch und Pellkartoffeln beigegeben wurden. Kalt oder warm, jeweils im Gegensatz zu der gerade herrschenden Jahreszeit, kam Sauerampfersuppe auf den Tisch, die durch einen Eierauflauf oder klein gehackte hartgekochte Eier schmackhaft gemacht war. Ostpreußisches Schwarzsauer wurde aus Gänse- oder Entenklein zubereitet. Die Kochbrühe wurde mit getrockneten Pflaumen, allerlei Gewürzen, Salz und Zucker versetzt, und als wesentlichster Bestandteil kam dann das mit Essig verquirlte Gänse- oder Entenblut hinzu. Sehr erfrischend schmeckte Schmand mit Glumse: trockener Quark in süßer oder saurer Sahne. Die Glumse allein, die stets krümelig sein musste und nicht glatt verrührt werden durfte, wurde auch gerne zu Bratkartoffeln gegessen und zu Glumskuchen verbacken.

 

Alle diese Gerichte stellen nur eine kleine Auswahl aus der Vielzahl der ostpreußischen Spezialitäten dar. Überall gab es noch weitere Besonderheiten und Abarten dieser allgemein beliebten Speisen. Erwähnt werden muss auch der Reichtum des Landes an wohlschmeckenden See- und Süßwasserfischen, von denen die Cranzer Räucherflundern, die Nikolaiker Maränen und der Maifisch, der bei Pillau gefangen wurde, die bekanntesten waren. Und schließlich die lange Reihe der ostpreußischen Getränke! Ihre schier endlose Zahl reichte vom berühmten Bärenfang, der nach altem Rezept aus Sprit und Honig unter Zusatz von Tannenknospen hergestellt wurde, bis zum Kosakenkaffee, der in Ostpreußen erfunden wurde und heute als Kaffee- oder Mokkalikör überall bekannt ist. Außerdem gehörten hierher — um nur einige Beispiele zu nennen — Pepperinnes, ein Pfefferschnaps; Machandel, ein reiner Wacholder; Pillkaller, ein „Weißer" mit einer Scheibe Leberwurst und Mostrich; Dreidraht, eine Mischung aus Korn, Bitterm und Ingwer; Flüssiges Heu, Elefantendups mit Setzei, Kartoffelsupp, Windstärke 11, und wie sie sonst noch alle hießen. Ostpreußens Spirituosen waren weit und breit beliebt — nicht nur in ihrem Ursprungsland. Der Ostpreuße selbst trank jedoch mindestens ebenso gerne seinen Grog, der auch Maitrank oder Wasserpunsch genannt wurde.

 

 

Es scheint unvermeidlich, dass viele der bodenständigen ostpreußischen Rezepte allmählich in Vergessenheit geraten oder durch die Einflüsse der neuen Umgebung, in der die Ostpreußen jetzt leben, verändert werden. Was überdies als ostpreußische Spezialität in den Kochbüchern steht, ist meist auf den nichtostpreußischen Geschmack abgestimmt und besitzt nicht die kernige Kraft, die den Speisen und Getränken in der Heimat innewohnte. Vielleicht wäre es an der Zeit, die echten ostpreußischen Rezepte zu sammeln und als kleines Ostpreußen-Kochbüchlein herauszugeben.  

 

 

 

 

 

Seite 4   Klops und Glumse

 

 

Robert Johannes, Klops und Glumse, Band l und II, je Band 2,50 DM. Gräfe und Unzer Verlag München.

 

Zwei reizende Bändchen hat der Verlag Gräfe und Unzer herausgebracht, die alle bekannten und beliebten Gedichte und Plaudereien von Ostpreußens berühmtem Dialektrezitator Robert Johannes enthalten. Jeder wird sie schmunzelnd, voller Freude und mit leiser Wehmut lesen und ganz besondere Freude werden sie beim Vorlesen bereiten, denn erst laut vorgetragen entfalten sie den ganzen heimatlichen Zauber ihrer Sprache. Wir wollen nichts vorwegnehmen und nur sagen, auf jeden ostpreußischen Weihnachtstisch gehört ein Gericht „Klops und Glumse“!

 

 

Seite 4   Unsere Weihnacht jetzt. Von Gertrud Papendick

 

 

Wir, die wir vielleicht schon nahe am Rande sind, hinter langen Jahrzehnten des Lebens, gehen durch diese Zeit mit einer kleinen, verwunderten Frage: Kann man das denn immer noch? Ist es möglich, immer wieder, jedes Jahr von neuem, jene Wärme aufzubringen und zu verbreiten, die allein mitten im kalten Winter die Christrosen zum Blühen bringt?

 

Wir sind einen weiten Weg hergekommen, und es ist so vieles anders geworden seit den Tagen der Kindheit, die das Herz erzitterte, wenn daheim in der frühen Dunkelheit des Heiligen Abends durch die verschneiten Straßen der kleine Trupp der Weihnachtsbläser zog. Sie bliesen so falsch auf ihren verstimmten Instrumenten, und doch gehörte das dazu, es war trotz allem der reine, echte Klang der himmlischen Verkündigung.

 

Die Welt hat sich vielfach und erschreckend verwandelt seit damals. Wir sind durch so furchtbare Engpässe des Schicksals gegangen, dass sie nicht nur unsere Haut verletzt haben. Vielleicht ist doch, ohne dass es uns deutlich bewusst wurde, auch der Kern getroffen und verändert worden.

 

Liegt nicht die Fähigkeit zur Freude unter Schutt begraben wie all das andere, Unnennbare, in der großen Gruft der Zeit. Wir haben den Frieden nicht mehr, der einst in unsern Räumen wohnte und unser Leben trug. Sie ist nicht mehr da, die schöne Besinnlichkeit, die uns sonst zur Dämmerstunde am Fenster stehen und in die Stille lauschen ließ. Die Unrast ist auch unser, der Alten und Älteren, Teil geworden, dieses Danaergeschenk der Zeit. Wir sind nicht mehr Menschen des Heimes, dessen Begriff so fragwürdig wurde, sondern Menschen der Straße, die im Strom treiben und nur dann und wann mühsam und vergeblich gegen ihn drängen.

 

 

 

 

Weihnachten war in der langen Kette der Jahrhunderte immer und immer das stillste der Feste, hineingesetzt in die dunkle Zeit des Jahres, die doch schon die Ahnung des steigenden Lichtes barg. Nun ist es so laut geworden, als wären die Menschen ganz und gar von seinem Ursprung hinweggeraten.

 

Es ist unsagbar viel Glanz um uns her, dass er fast nicht mehr ertragen werden kann. Überall der ungeheuren, gleißenden Kunstfertigkeit, bestimmt zu berauschen und verführen, wird es so leicht vergessen, dass doch immer noch die Sterne am Himmel stehen. Und doch war es der Stern über dem Stall von Bethlehem, von dem das ewige, unlöschbare Licht seinen Ausgang nahm.

 

Wenn die Stunde da ist und die Glocken ihre Stimmen erheben, ihr Menschen unserer Zeit, dann sucht ihn dort oben wiederzufinden, auf dass der Sinn erfüllt werde, und werdet ein paar Tage lang einmal wieder voll Frieden, voll Stille und nicht zuletzt voll Dankbarkeit, wenn auch ein warmes Nest und ein guter Tisch beschert wurde.

 

Es ist so viel Armut in der Welt, so viel Hunger, Leid und Einsamkeit, niemals noch gab es so viel Einsamkeit wie heute auf unserer überfüllten Erde. Ein Heer ist die Zahl der Beraubten und Entrechteten, die um Weihnachten allein und mit leeren Händen dastehen.

 

Vergesst sie nicht und sendet ihnen durch die Heilige Nacht einen Gedanken zu. Gedanken sind Spenden des Geistes, ihre Kraft reicht in alle Ferne, und ausgesandte Wünsche sind Werke eines am andern.

 

Seite 5   Luisenschule Allenstein feierte ihren 80. Geburtstag

Am 8. November 1953 hatten sich in Berlin fast 100 ehemalige Schülerinnen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern zusammengefunden, um des Tages zu gedenken, an dem vor 80 Jahren die Luisenschule in Allenstein am 3. November 1873 gegründet worden war. Nach den Festgottesdiensten, die um 9 Uhr in der evangelischen Kirche am Südstern von Herrn Superintendenten Rzadtki und in der katholischen Johannes-Basilika am Südstern von Herrn Probst Meier gehalten worden waren, trafen sich die ehemaligen Lehrer, Lehrerinnen und Schülerinnen fast aller Jahrgänge im Schulheiß-Restaurant Hasenheide.

 

Die Feierstunde wurde eingeleitet durch das Adagio cantabile aus der Sonate pathetique von Beethoven, gespielt von Frau Antonie Brösicke. Nach der Begrüßung der erschienenen Schülerinnen und Gäste, der Kreisvertreter des Stadt- und Landkreises Allenstein des Kreisvertreters Allenstein in Berlin, Herrn Kunath, und des letzten Superintendenten von Allenstein, Herrn Rzadtki, fand die Ehrung der seit 1945 verstorbenen (9), Lehrer (5) und Schülerinnen statt. Eine in Allenstein 1938 geborene Schülerin sprach das Gedicht „Es war meine Heimat, mein Allenstein".

 

Oberstudiendirektor Brösicke, der die Luisenschule von 1925 bis 1945 geleitet hat, entwarf dann ein Bild, wie sich die Luisenschule in den 80 Jahren ihres Bestehens nicht weniger als fünfmal innerlich umgestaltet hat, von der 1873 gegründeten „Höheren Töchterschule" über das neunstufige Oberlyzeum neuen Stils zur Oberschule für Mädchen mit sprachlichem und hauswirtschaftlichem Zweig. Der Plan, das am 17. Oktober 1888 von der Luisenschule bezogene neu erbaute Schulhaus Kronenstr. 37 durch ein modernes neues Schulgebäude auf dem Moltkeplatz zu ersetzen, konnte aus mehrfachen Gründen nicht verwirklicht werden. Oberstudiendirektor Brösicke wies darauf hin, dass über die Lehrerinnen, Lehrer und Direktoren, die in den 80 Jahren an der Luisenschule tätig waren, und über die kulturelle Bedeutung, die die Luisenschule für die Stadt Allenstein gehabt hat, das „Erinnerungsbüchlein an die Luisenschule" Aufschluss gibt, das er 1951 veröffentlicht hat und das anlässlich des Jubiläums Allensteins zum Sonderpreis von 50 Pfg. von ihm bezogen werden kann. Oberstudienrat Tuchel verlas die Glückwünsche, die zum 80. Geburtstag der Schule eingegangen waren. Forstmeister H. L. Loeffke überbrachte die Glückwünsche des Stadt- und Landkreises Allenstein und würdigte mit ehrenden Worten die Arbeit der Luisenschule. Mit dem gemeinsamen Gesang des Liedes „Land der dunklen Wälder, der kristall'nen Seen" schloss der offizielle Teil.

 

Die Freude des Wiedersehens nach Jahren der Trennung war bei allen Anwesenden besonders groß und herzlich, der Austausch von Erinnerungen wollte kein Ende nehmen. Besondere Freude empfanden die ehemaligen Schülerinnen darüber, dass die Oberschullehrerin Frl. Viertel aus dem Schwarzwald zur Feier nach Berlin gekommen war.

 

Ein unverzagter Held siegt auch mit schwachen Händen. J. Ch. Gottsched, gestorben 1766.

 

 

Seite 5   Aus den Landsmannschaften

Berchtesgaden

In der Jahreshauptversammlung im November 1953 benutzte der 1. Vorsitzende der Vereinigung der Ost- und Westpreußen seinen Jahresbericht dazu, um die Landsleute zu ernster Arbeit für die Landsmannschaft abzurufen. Diese Arbeit dürfe nicht auf das Niveau eines Kaffeekränzchens herabsinken, sondern habe im Dienste der verlorenen Heimat und unserer Schicksalsgenossen zu stehen. Die Arbeit des letzten Jahres habe einen erfreulichen Mitgliederzuwachs eine Erhöhung der Einnahmen und eine Senkung der Ausgaben gebracht, ferner eine Stärkung des Ansehens der Vereinigung, was durch die Vertretung unserer Landsleute in verschiedenen Ausschüssen und Gremien bewiesen sei. Bei der Neuwahl der 1. Vorsitzende Marian Hepke einstimmig wiedergewählt. Ferner wurden gewählt: Frl. Loeffel als Schriftführerin, Frl. Neiß als Kulturreferentin, Herr Vogel als Kassenwart. Da beschlossen worden war, den Namen der Vereinigung zu ändern in „Ost- und Westpreußen und Pommern“ und die Vereinigung als Kreisvereinigung der Landsmannschaft Pommern anzuschließen wurde als 2. Vorsitzender Herr Wutzmann (Pommer) und Herr Tümmler (Pommer) neben den Herren Sturmhöfel und Wolf in den Beirat gewählt. Für treue langjährige Mitarbeit erhielten Frl. Loeffel und Herr Vogel die Silberne Ehrennadel überreicht. — Die Weihnachtsfeier findet am 20. Dezember 1953, um 14 Uhr statt.

 

Heimattreue Ost- und Westpreußen, Deggendorf

Im November fand die diesjährige Generalversammlung des Bundes statt, die sich eines guten Besuches erfreute. Hans Vorwald, der 1. Vorsitzende, rief zunächst zur Bruderhilfe Ostpreußen auf und bat um Spenden, die bei Frau Meitz, Pferdemarkt 2, abzugeben sind. Dann, folgte der Geschäftsbericht und der Kassenbericht. Besonders erwähnt wurden u. a. die Heimatabende, die fast monatlich durchgeführt werden. — Dem Vorstand wurde Entlastung erteilt und Stud.-Rat Tausendfreund dankte im Namen aller Deggendorfer Landsleute dem Vorstand für die geleistete Arbeit. — 1. Vorsitzender wurde Hans Vorwald; Landsm. Winkel ist nach Bayreuth dienstlich versetzt worden. An seine Stelle wurde Frau Eva Hurtig-Christeleit zur 2. Vorsitzenden gewählt. Sie übernimmt auch weiterhin das Kulturreferat. Kassiererin: Frau Gisela Meitz, der ein besonderes Lob über ihre bisherige Tätigkeit ausgesprochen wurde; Schriftführer: Franz Temlitz, Familienbetreuerin: Frau Luise Templitz. Der Veranstaltungsausschuss setzt sich zusammen aus Frau Charlotte Krumm, Fritz Bols, Fritz Täubler, Karl-Heinz Böhm und Ernst Josuweit. — Als Abschluss der Generalversammlung wurde der Film „Unter Elchen und Wildschweinen" gezeigt.

 

Am 09.12.1953, 20 Uhr findet im großen Rathaussaal im Rahmen der „Ostdeutschen Vortragsreihe", die von der VHS in Verbindung mit den ostdeutschen Landsmannschaften nun bereits das 2. Jahr mit großem Erfolg durchgeführt wird, der Vortrag von unserer Landsmannschaft statt. Es spricht unser Vorsitzender Prof. Dr. Ferd. E. Müller-München.

 

Alle Landsleute, auch die auswärtigen, werden gebeten, sich vollzählig zu dem Vortrag einzufinden. Es wird nur ein ganz kleiner Unkostenbeitrag erhoben.

 

Am 12.12.1953 ist eine Adventsfeier wieder im Baumgartnersaal. Näheres aus den Tageszeitungen und den Rundschreiben ersichtlich.

 

Seite 5   Ost- und Westpreußen Nürnberg

„Wär dem Popp dem Näs affschloog" erfuhren die zahlreichen Gäste und Mitglieder der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Nürnberg im Verlaufe eines vortrefflich gelungenen „Schabberabends".

 

Nach kurzer Erledigung interner Programmpunkte nahm der Geschäftsführer der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft Ostpreußen, Herr Polixa, München, das Wort zu einigen aufschlussreichen Erklärungen, u. a., dass unsere Landsmannschaft in Nürnberg bereits ab 01.01.1953 der Landesgruppe Bayern angehört, wie auch in absehbarer Zeit die Organisation des Bezirksverbandes Mittelfranken mit der ersten Wahl eines Vorsitzenden durchgeführt werden wird.

 

Mit Freude und Genugtuung stellte er fest, dass sich unsere Vereinigung eine solch großartige Aufwärtsentwicklung aufzuzeichnen vermag. Eine enge und förderliche Zusammenarbeit wurde allerseits begrüßt und gefordert.

 

Von Ldsm. Breit inszeniert und Ldsm. Hahn, Fürth, unter Assistenz „Sprachkundiger", unnachahmlich und spritzig serviert, wurde köstlicher ostpreußischer Humor dargeboten, von stillem Schmunzeln bis zu knatternden Lachsalven begleitet. Aber auch für den, der einst landauf-landab gewandert war, bot sich Gelegenheit, Ausdrucksfähigkeit unseres heimatlichen Platt, Treffsicherheit und Mutterwitz unserer Kleinen und Großen wiederum zu erleben.

 

Die musikalische Darbietung der Hauskapelle stand den Wort-Capriolen nicht nach und verleitete die Jugend dazu, den gemütlichen Abend mit fröhlichem Tanz zu beschließen.

 

Reutlingen.

Die alljährliche Feierstunde am Totensonntag, ein Heimat- und Totengedenken, vereinte die Ost- und Westpreußen von Reutlingen im Volksbildungshaus. Der große Saal, der würdig und geschmackvoll geschmückt war, fasste kaum die Zahl der Erschienenen. Im Mittelpunkt der Feierstunde standen die Gedenkrede von Rektor Downar und ein Lichtbildervortrag von Studienrat Dr. Portzehl, Tübingen. Verschönt wurde die Feier durch Sologesänge von Fräulein Sendner und Gedichtvorträge von Helmut Münchow. Die Schlussansprache hielt der Ortsvorsitzende Hans Biedritzki, in der er zur Unterstützung der Bruderhilfe durch Geld- und Sachspenden aufforderte.

 

Seesen a/Harz

Die Heimatfilme „Deutscher Bernstein", „Waldarbeit zur Winterszeit" und ,“Von Wildschweinen und Elchen" wurden in der gut besuchten Kulturstunde der Ost- und Westpreußen am 07.11.1953 durch Heimatfreund Hilfsschullehrer Fenske vorgeführt. — Die Adventsstunde am 12.12.1953 wird im Zeichen heimatlichen Brauchtums stehen und mit einer Verlosung von Königsberger Randmarzipan verbunden sein.

 

Seite 5   Wir gratulieren!

Seinen 80. Geburtstag begeht am 06.12.1953 der ehemalige Bahnspediteur und Kohlenhändler Franz Plotzki, aus Bischofsburg, Ostpreußen in geistiger und körperlicher Frische. Herr Plotzki musste im Herbst 1945 seine Heimatstadt verlassen und wohnt jetzt mit seiner ältesten Tochter bei seinem Schwiegersohn Fritz Radau in Verden/Aller (23). Maulhoop 31.

 

Der Männer-Turn-Verein Lyck 1877 und die Turnerfamilie Ost- und Westpreußen wünschen Dir, lieber Turnbruder Emil Korbanka, zu Deinem 70. Geburtstag am 06.12.1953 alles Gute. Mögest Du im Kreise Deiner Lieben und Deiner Freunde noch recht lange weilen. In der Heimat hätten wir Dir mehr Ehrungen zu teil werden lassen. Nun können wir Dir nur für Deine treue Mitarbeit in unserem Verein, in dem Du im Laufe der Jahre mehrere Vorstandsämter inne hattest, danken. Ein frohes Gut Heil! M. T. V. Lyck. H. Gronen.

 

Die Bäuerin Maria Fröse aus Schönsee, Krs. Großwerder/Westpreußen, jetzt in Seesen a/Harz, Engelader Str. 313, vollendet am 8. Dezember 1953 ihr 70. Lebensjahr.

 

Der Lokführer a. D. Eduard Schischke aus Braunsberg, Ostpreußen, jetzt wohnhaft in Seesen a/Harz, Bornhäuserstr. 4, wird am 15. Dezember 1953, 79 Jahre alt.

 

 

Seite 5   Goldene Hochzeit

Am 27. November 1953 konnten der Schmiedemeister Gottlieb Smoydzin und seine Ehefrau Auguste, geb. Dzieran, das Fest der Goldenen Hochzeit begehen. Die Jubilare, die zuletzt in Lyck/Ostpr., Lycker Garten 55, wohnhaft waren, leben jetzt in Satjendorf, Kreis Plön. — Schon im ersten Weltkrieg hatte das Jubelpaar seine Existenz durch den Russeneinfall verloren. Die damals in Prostken stehende Schmiede wurde vernichtet. Der zweite Weltkrieg und die Flucht lichtete, die Reihen der so zahlreichen Nachkommenschaft, erheblich. Zwei Söhne sind gefallen, einer wird noch vermisst und sechs Enkelkinder fanden den Tod auf den Fluchtstraßen. Dennoch standen am Jubeltage drei Töchter und ein Sohn neben den Jubilaren.

 

Lübbecke/Westf.

Die ostpreußische Landsmannschaft in Lübbecke/Westf. hielt ihre Monatsversammlung ab, welche zunächst als Begrüßungsfeier für den Heimkehrer, Herrn Willy Hunke, Eberfelde, Kreis Lyck, ausgestaltet war. Dazu waren die Tische des Saales reich mit Herbstblumen geschmückt. Dann gedachte man des gefallenen Heimatdichters Karschies, gab Proben aus seinem Roman „Der Fischmeister", wodurch man eine Brücke schlug zu einem schönen Lichtbildervortrag des Herrn v. Haugwitz über den Vogelflug und über die Tätigkeit der Vogelwarte, insbesondere über die in Rossitten.

 

Am Volkstrauertag nahmen die Ostvertriebenen zunächst an der allgemeinen Gedenkfeier der Einwohnerschaft am Kriegerdenkmal der Stadt teil. Darauf versammelten sie sich unter dem 15 m hohen Mahnmal auf dem Gallenkampberge, welches vor 3 Jahren von ihnen errichtet worden war. Hier hielt der Sprecher der Landsmannschaft, Herr Hardt, eine zu Herzen gehende Trauerrede.

 

Seite 5   Weihnachtlicher Büchermarkt

Das schönste Sanden-Buch

Walter von Sanden-Guja: Ingo — die Geschichte meines Fischotters, 96 Seiten, mit 16 Phototafeln, Halbleinenband 5,80 DM, Frank'sche Verlagshandlung Stuttgart 1953.

 

Eine große Freude ist es für alle Tierfreunde und vor allem für die große Schar der Freunde Walter von Sandens: es gibt den Ingo wieder! Im neuen schönen Kleid, mit vielen Bildern, liegt dies, ich möchte fast sagen, schönste Buch des Schriftstellers uns wieder vor. Es ist etwas Besonderes, dieses Buch von der großen Freundschaft eines Fischotters mit zwei gütigen, die Tierseele verstehenden Menschen. Ingo ist ja kein Hund oder eine Katze deren Vorfahren durch Generationen das Leben der Menschen teilten und ihre Sitten und Art kannten, er ist ein Tier der Freiheit und Ungebundenheit und es gehört ein ungeheures Verstehen und unendliche Geduld dazu, zu begreifen, zu erfühlen, was dieser kleine Kerl will, wenn er vor sich hinkichert, oder wenn seine blanken Augen unruhig herumsuchen. Nur ein solcher Tierfreund und Kenner wie W. v. Sanden kann das. Reizend sind die Beschreibungen von Ingos Spaziergängen — er begleitet seine Besitzer auf weiten Wegen — und von seinen Streichen. Man sorgt sich mit, ob er wiederkommt, als er einmal davongelaufen ist. Meisterhafte Fotos, die Sanden von seinem drolligen kleinen Freunde aufgenommen hat, schmücken das Buch. Man legt es mit dem Gedanken aus der Hand: ich möchte auch einen Fischotter haben! G. v. Selle.

 

 

Miegel, Gesammelte Balladen

Agnes Miegel, Gesammelte Balladen. Neue Gesamtausgabe, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf 1953. (Gesammelte Werke Band 2) 212 Seiten. 9,80 DM.

 

Ganz der herrlichen Ausgabe der Gesammelten Gedichte unserer Frau Agnes sprechend, liegt nun der zweite Band ihres gesammelten Werkes vor. Ein dritter Band soll noch folgen. Man muss diesen zweiten Band in einem Zuge lesen und man wird einen der stärksten Eindrücke verspüren welchen deutsche Gegenwartsdichtung auszuüben vermag Die geschlossene Wucht dieser tiefangelegten Kunst vermittelt dieser Band beispielhaft Ja, man ist versucht zu sagen, dass in diesem Balladenbuch der Kern dieser Dichtung am klarsten sichtbar wird. Hier entspringt die Quelle der aufrüttelnden Gabe der Agnes Miegel, hier ist für sie der eigentliche Zugang zum Wesen des Menschen, von hier aus wird deutlich, wie der Weg gebahnt worden ist, der die Dichterin zum Herzen der Menschen ihrer Heimat geführt hat. Es ist schwer zu sagen, was uns mehr bewegt, die bis ins Innerste gehende Erschütterung oder die tiefe Dankbarkeit, die wir der großen Meisterin zollen.

Professor G. von Selle  

 

Gertrud von le Fort, Gelöschte Kerzen, Zwei Erzählungen, 120 Seiten, Ganzleinen 5,80 DM. Ehrenwirth Verlag München.

 

Die siebenundzwanzigjährige Dichterin, die uns viele historische Werke geschenkt hat, bringt uns diesmal zwei Erzählungen, bei denen ein zurückliegendes historisches Geschehen mit Ereignissen aus der jüngsten Vergangenheit, dem Kriege und dem Zusammenbruch in Zusammenhang stehen. In der Erzählung „die Verfemte" geht es um den Geist des wirklichen, unbesiegbaren Preußens. In großer Reife und Menschlichkeit bereichert die Verfasserin von der Ahnfrau eines märkischen Geschlechts, die verfemt wurde, weil sie warmherzig und menschlich handelte gegen einen Feind und damit die altpreußischen Ehrbegriffe verletzte. Erst nach Jahrhunderten wird ihr vom Schicksal Gerechtigkeit, die Nachfahren verstehen in dem grausigen Zusammenbruch des Jahres 1945 plötzlich, warum ihre Ahne so handeln musste. Die zweite Erzählung verbindet eine schauerliche Familienüberlieferung aus dem 30-jährigen Kriege mit einer großen Schuld aus diesem letzten Weltkriege. In dem Tagebuch eines kleinen Jungen spiegelt sich das Geschehen. Beide Geschichten sind nicht Tatsachenberichte oder Reportagen über die Erlebnisse der letzten Jahre, wie man es gewöhnt geworden ist, sondern sie sind eine Dichtung und erst an dem Zauber dieser großen Dichtung spürt man, was einem bei den meisten heutigen Büchern fehlt. Wir danken der Dichterin für das schöne Kunstwerk. G. v. Selle.

 

Dr. Peter Gerrit Thielen, Die Kultur am Hofe Herzogs Albrechts von Preußen (1525 bis 1568). Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft. Heft 12. Göttingen 1953. Wissenschaftlicher Verlag „Musterschmidt".

 

Mit Recht bemerkt der Verfasser dieser wertvollen Arbeit, dass über der ostpreußischen Geschichtsforschung ein günstiges Geschick gewaltet hat. Seine eigene Arbeit ist der schönste Beweis für die Richtigkeit dieser These. Mit großer Umsicht und feinem Instinkt hat Dr. Thielen aus dem Königsberger Staatsarchiv, bisher in Goslar, jetzt in Göttingen befindlich, Materialien geschöpft, welche eine Ansicht vom kulturellem Leben am Hofe Albrechts in einer bisher nicht gekannten Anschaulichkeit und Ausführlichkeit vermitteln. Der Verfasser hat die ihm durch die Gunst der Lage und die gediegene wissenschaftliche Führung durch Professor Hubatsch sich bietende Gelegenheit in schönster Weise genutzt. Es ist ihm gelungen, ein glänzendes Bild jener Zeit zu zeichnen, von der nur wenige Menschen wissen, die aber einen Höhepunkt nicht nur der ostpreußischen Geschichte bedeutet, sondern eine Grundlage der deutschen Geschichte, die gern übersehen wird. Der Persönlichkeit des ersten Herzogs in Preußen ist ein würdiges Denkmal errichtet worden. Dr. Thielens Arbeit bedeutet eine Tat.

 

Nicht nur hat er so manchen vorhandenen Ansatz zu dem Thema in selbständiger Weise zu einem Gesamtbild zusammengefasst, sondern er hat die in erstaunlichem Umfang im Archiv befindlichen Briefe, Entwürfe und Aufzeichnungen verschiedenster Art dazu verwandt, dass zum ersten Male ein geschlossenes Bild dieser so wichtigen Zeit entsteht. Kunst, Wissenschaft, Musik, Buchwesen stehen im Vordergrund der Darstellung. Von besonderer Bedeutung ist die Darstellung des ostpreußischen Humanismus. Die Rolle, welche Herzog Albrecht in all diesen kulturellen Beziehungen einnahm, kann gar nicht hoch genug angeschlagen werden. Was sich dort in Königsberg abgespielt hat, ist in Wahrheit das Werk einer Kolonisation im hohen Sinne. Die Fäden, die von dem Norden her über einen großen Teil von Europa gesponnen wurden, bestimmen dieses imponierende Bild eines mächtigen Kulturwillens. Dr. Thielen hat zu einem Teil die Forderung, die er für Herzog Albrecht am Schluss seines Buches erhebt, in vorbildlicher Weise erfüllt. Die Erfüllung seiner Mahnung: halten wir sein Andenken in Ehren, hat er allen, die nach ihm kommen leichter gemacht. Prof. von Selle.

 

 

Das weiße Gold

Alfred Mülhr: Das weiße Gold, Geheimnis und Macht des Porzellans, Roman, 480 Seiten, 3 Karten, 16,80 DM. Verlag Kurt Desch, München.

 

Er liest sich wie ein Märchenbuch, wie eine atemraubende Abenteuergeschichte, dieser authentische Roman über das Porzellan. Was wissen wir denn davon, wenn wir einen Teller oder eine Tasse benutzen, eine kleine Figur auf unserem Tische abstauben, wann und wie dieses Wunder geschaffen wurde, und wann es zu uns kam. Alfred Mühr, der ein berufener Sachkenner ist, führt uns durch die Jahrhunderte der Geschichte und erzählt uns den Kampf um das weiße Gold, das zuerst im rätselhaftesten Lande der Erde, in China, gefunden wurde, und dessen Geheimnis zahllose Menschen mit dem Tode bezahlen mussten, und dessen Besitz gemordet und mit Menschen gehandelt, geschmuggelt und bestochen wurde. Er berichtet von der Gründung berühmter Manufakturen, wie Meißen, Nympfenburg und Selb. Zauber und Glanz des Porzellans überdauern alle Epochen, alle Kriege. Immer wieder wird etwas Neues, Schöneres geschaffen das die Menschen aller Länder und Zeiten beglückt. Das Buch ist ein großartiges Kulturbild. Über tausend Jahre Geschichte spiegeln sich im zarten Glanz des Wunders Yao. G. v. Selle

 

 

 

Drei neue Bücher aus dem Rufer-Verlag Max Wedemeyer. Und in der Welt habt ihr Angst. Russland 28.—30. Januar 1943. Taschenausgabe, 2,-- DM.

 

Ein Pfarrer schildert drei Tage aus dem russischen Winter 1943, in denen sich eine kleine deutsche Einheit aus einem eingeschlossenen  Dorfe zu befreien sucht. Es ist ein erschütterndes, eindringliches Buch, erfüllt von einem starken Glauben. Besonders ergreifend sind die Gespräche, die der Pfarrer mit einem jungen Leutnant in dieser fast ausweglosen Situation über Religion und Technik führt. Und das Unvergesslichste, um dessentwillen allein man das Buch lesen müsste, ist die Szene vom Abendmahl, das inmitten der unendlichen Schneewüste mit Kommissbrot und gefrorenem Sekt gehalten wird. Eine ungeheuer plastische, farbige Schilderung des winterlichen Russlands gibt den Rahmen zu diesem tiefen Buch.

 

 

Kurt Vethake, Henri Dunant, Ein Leben für die Barmherzigkeit, DM 3,80.

 

Auch das zweite Buch beschäftigt sich mit dem Kriege und mit dem Helfen aus der Not. Es schildert das Leben und den Kampf Henri Dunants, des Mannes, dem die Welt das Rote Kreuz verdankt und der Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Auf dem Wege zu Napoleon II., den er um eine Lizenz für Mühlenbetriebe bitten will, kommt Dunant auf das Schlachtfeld von Solferino. Das furchtbare Elend, das er dort sieht, ändert sein ganzes Leben. Er widmet seither alle Kraft der Hilfe und Rettung der Verwundeten. Sein ganzes Leben kämpft er um die Organisation des Roten Kreuzes. Die eingehenden, interessanten Schilderungen von den damaligen Zuständen in Lazaretten und auf Kriegsschauplätzen lassen das Buch zu einem wichtigen kulturhistorischen Werk werden.

 

 

Joh. I. v. Wiese, Fährmann Franziska. 1953. 227 Seiten, 6,80 DM.

 

Das dritte Buch spielt ebenfalls im Kriege, und zwar in den napoleonischen Feldzügen am Beginn des 19. Jahrhunderts, und in ihm wird an Hand eines persönlichen Schicksals das Problem von Schuld, Vergebung und Gnade behandelt. Die Heldin des Buches hat in den Feldzügen, um den Preußen zu helfen, eine Fähre mit Franzosen zum Kentern gebracht und sie somit in den Tod getrieben, und unter dieser Schuld steht ihr Leben. Die Schriftstellerin hat das Thema sehr behutsam und schön ausgestaltet.

 

 

Der Deutsche Soldaten-Kalender 1954. Schild-Verlag GmbH, München 27. 2,90 DM.

 

Auf rund 200 Seiten Umfang bringt es der 2. Jahrgang des Soldaten-Kalenders. Dementsprechend ist auch der Inhalt sehr vielseitig. Besinnliches und Erinnerungen wechseln in bunter Folge mit Grundsätzlichem und Tatsachen der Jetztzeit. Am Schluss befindet sich eine Zusammenstellung aller soldatischen Verbände. Alte und junge Soldaten sowie die Vielen, die es werden wollen, finden Anregung und Freude an dem reich bebilderten Kalender. Dr. P.

 

 

Seite 6   Begegnung mit Eduard Bischoff. Hans-Helmut Lankau.

Foto: Prof. Bischoff bei der Arbeit. Aufn.: H. – H. Lankau

Foto: Ostpreußische Fischerfamilie. (Öl) Aufn.: R. Scheibe

Glasfenster in der Schalker Kirche. Aufn.: Lankau

„Indre und Endrick“ – Flüchtlingskinder – Doppelbildnis – (Öl)

Strand bei Pillkoppen – Dünenbefestigung (Öl) Besitzer: Prof. Wissel

Wir hatten Glück! Bei der Führung durch eine der alten und zufällig unzerstört gebliebenen Kirchen an der Ruhr nahm uns der Kirchenmeister plötzlich beim Arm und machte uns mit dem Schöpfer der neuen farbigen Kirchenfenster, dem ostpreußischen Maler Professor Bischoff, bekannt. Zusammen saßen wir dann im weiten Kirchenschiff und lauschten schauend den sparsamen Worten des Künstlers, der nach dem Verlust der Heimat im Herzen des Ruhrgebietes vorerst eine neue Wirkungsstätte gefunden hat. Und wie bei jeder Begegnung mit einem echten Kunstwerk erlebten wir das wahrhafte Glück, das dem Begegnen mit dem Großen und Einfachen eigen ist: jenes Glück, das der Ruhe und Sicherheit dessen gleicht, der einer Wahrheit sicher wurde in einem Frieden, der Gottes ist. So war dieses Wiedersehen mit Eduard Bischoff unter den neugeschaffenen Kirchenfenstern von einem Licht überstrahlt, das nicht von dieser Welt - zu kommen schien. Denn Kunstwerke reden zu uns in ihrer Sprache, und diese Sprache müsssen wir begreifen und lernen.

 

Es war ein weiter, mühsamer Weg, den Eduard Bischoff aus dem stillen Land der tausend Seen bis in das leben- und lärmerfüllte Land der Arbeit unter den tausend Feuern der Hochöfen, Eisenhütten und Schachtanlagen hinter sich bringen musste. Schwieriger aber noch als die Vertreibung aus der Heimat, die Preisgabe des Heimes, die Auflösung des großen Freundeskreises und der Verlust aller  persönlichen Habe und fast des gesamten künstlerischen Schaffens eines Menschenalters war das  sich einfügen in die so ganz neue Industrielandschaft an der Ruhr, die Auseinandersetzung mit der doch vollkommen andersgearteten Mentalität der Menschen und das sich durchsetzen und anerkannt werden in seinem künstlerischen Wirken und Schaffen. Hinzu kam, dass in der neuen Heimat alles fehlte, was einst in Ostpreußen mit dem Namen Bischoff unlösbar verbunden war: die donnernde See, die unendliche Weite des Landes, die Schönheit der herbstlichen Wälder und stillen Gewässer, die stolzen Pferde Trakehnens, die im Sonnenglast verschwimmenden Dünen der Nehrung, die kraftvollen Gestalten der Fischer von Nidden und Pillkoppen.

 

Im Ruhrgebiet hingegen wühlen fleißige Kumpel fern der Sonne emsig unter Tage, hier gibt es keine Seen und keine Fischer, und der verrußte, graue Horizont ist eingeengt von Hochöfen und begrenzt von Fördertürmen und qualmenden Schloten. Aber von allem hat sich Eduard Bischoff kaum beeinflussen und schon gar nicht unterkriegen lassen: er ist auch hier der Künder Ostpreußens geblieben und in seinen Werken zum Mahner an das verlorene Paradies geworden. Und so spürt man in seinen Bildern neben der Eigenwilligkeit seines Charakters die Größe seiner Persönlichkeit und erlebt den Hymnus aus eines der schönsten Gebiete Deutschlands: auf Ostpreußen:

 

Beim Durchblättern einiger geretteter Skizzenbücher aus der Zeit des 1. Weltkrieges stoßen wir auf Zeichnungen, die — obwohl zwischen der Entstehung dieser Skizzen und den heutigen Werken des Künstlers fast ein Menschenalter der unablässigen Arbeit und einer ständigen künstlerischen Vervollkommnung liegt — doch auf den ersten Blick bereits den großen Könner und künftigen Meister verraten. Was Bischoff damals empfunden und zeichnerisch festgehalten hat, fand z. T. später Ausdruck auf einem Gebiet, das erst in den letzten Jahrzehnten in stärkerem Umfang gepflegt wurde der Wandmalerei, der sich Eduard Bischoff stets ganz besonders angenommen hat. Sie stellte ihn manchmal vor völlig neue und schwierige Aufgaben, weil sie ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten hat, die vielfach erst aus der Erfahrung heraus begriffen werden können. So erlebten wir das Werden der monumentalen und richtungsweisenden Wandgemälde und Fresko-Arbeiten in Königsberg (u. a. Stauerhaus und Handelshochschule), Tilsit (Krematorium), Insterburg (Stadthalle), Stuhm, Pr.-Eylau, Zichenau und anderen Orten Ostpreußens, wobei der Künstler eine ungewöhnliche Gestaltungskraft und lebensnahe Eindringlichkeit an den Tag legte. Für Eduard Bischoff als einem echten Sohn Ostpreußens, der mit allen Fasern seines Herzens in der heimischen Erde wurzelte, ergab sich dies ganz von selbst, ist doch die Geschichte unserer Heimat erfüllt vom ständigen Kampf um die Behauptung dieses Bodens und ihres freien Deutschtums.

 

Heute ist neben die Wandmalerei die Mosaikarbeit getreten, bei der vor allem dem vielbeachteten Mosaik mit allegorischen Figuren in der Haupteingangshalle der Landeszentralbank in Gelsenkirchen Erwähnung getan werden muss. Wunderbare Kirchenfenster aber, für die sich u. a. auch das Interesse des Auslandes in zunehmendem Maße regt, schuf Eduard Bischoff nach dem Zusammenbruch für die Kirchen in Schalke, Ueckendorf und Hattingen. Im Innersten aufgewühlt und gepackt steht man vor den leuchtenden und flutenden Farben der Fenster, die — von den markanten Linien der Bleivergasung straff konturiert — die ungemein reizvollen Kompositionen gebändigt und doch voller Spannung lebendig werden lassen. Hier zeugt jede Einzelheit vom Willen des Künstlers, den Überschwang und die Fülle der inneren Anschauung voll zu erfassen und in ein strukturelles Gerüst einzufangen. Unbestreitbar groß ist ihre manchmal heiß, manchmal kalt anmutende Schönheit; und ganz von selbst kommt man jenem Etwas nahe, in dem Wirklichkeit und Kunst wie Zwillinge im Mutterschoß ruhen, jene schöpferische Kraft, aus der auch die Kunst entstanden ist, die Eduard Bischoff zur Berufung wurde.

 

Als Prof. Bischoff vor kurzem von seiner achtmonatigen Afrika-Reise, die ihn mit all den überwältigenden und unmittelbaren visuellen Offenbarungen nach Liberia und durch Belgisch-Kongo führte, zurückkehrte und aus diesem Anlass vor der offiziellen Afrika-Ausstellung eine interne Kollektivausstellung eröffnet wurde, da hatte man die wirklich einmalige Gelegenheit, das Schaffen des Künstlers im Laufe seines reichen Lebens wie einen bunten, spannenden Film ablaufen zu sehen. Wer aber über das mehr oder minder zufällige Genießen einzelner Meisterwerke hinaus Eduard Bischoff und seiner Persönlichkeit gerecht werden wollte, wer nicht nur ästhetilierend und geschmacklerisch an die Dinge herantrat, der musste sich diese Schau Bild für Bild erobern, um den Weg und die Entwicklung klar erkennen zu können, die von der Mitte der Jahre des 1. Weltkrieges bis in unsere Zeit hineinreichen. Auch die aufgeregte Ära der 20-er Jahre, wo der Expressionismus die Elemente der Natur selbstherrlich formte und der Farbe über dem Sinnlichen zugleich einen sittlichen Wert zu geben versuchte, ist nicht ohne Einfluss auf Bischoffs Malweise geblieben. So offenbaren sich in der Periode von 1920 bis 1930 schwere Kämpfe, aus denen er sich nur mit aller Anstrengung zu lösen vermochte und die auch durch ausgedehnte Studienreisen nach Italien, der Schweiz, nach Schweden, Österreich, Frankreich, Holland und Belgien nicht leichter für ihn wurden. Allmählich aber glätteten sich die Wogen; starke Farben und sichere Formen fanden sich zu einem schönen, klaren ruhigen Spiel zusammen, über dem zauberhaft und zugleich die Phantasie beflügelnd der Abglanz einstiger Kämpfe liegt. Jetzt erscheinen sie, die wir alle so lieben: jene eindrucksvollen, mächtigen Männer und Frauen von der Nehrung, diese Fischergestalten, die nichts erschüttern kann, die Mäher und Schnitterinnen Masurens, die tapferen Grenadiere und Reiter kampferprobter ostpreußischer Regimenter. Daneben die in einem einzigen fließenden Rhythmus empfundenen Landschaften der Heimat, die Dünen und Wolken der Nehrung, die Wellen des Haffs und der See, die Weite und Stille der Felder und Wälder, die eindrucksvollen, herrlichen Pferdebilder, denen Bischoff, von jeher ein großer Pferdeliebhaber, stets ein besonderes Interesse und seine ganze Liebe entgegenbrachte. So erfasste er die Seele der heimatlichen Landschaft auf eine immer ganz neue, von aller Konvention freien Art, denn es ist ja gerade der geheimnisumwitterte Zauber Ostpreußens, dass neben dem erdhaften Ernst oft wirklich südlich anmutende, heitere Idyllen stehen, so dass man selbst frei und froh, aller Schwere entbunden vor diesen Bildern zu stehen glaubt.

 

Von seinen Landschaften in Öl, Aquarell und Tempera kommen wir zu den vielen meisterhaften Portraits und vor allem Kinderbildnissen Professor Bischoffs. Wie lebt hier das Persönlichste in dem gemalten Abbild, das doch so unendlich viel mehr gibt als nur die Ähnlichkeit, wie wird das menschliche Wesen in seiner ganzen Tiefe offenbar gemacht und wie vielfältigen Ausdruck vermag er ihm zu geben Und so gehört nicht viel dazu, sich beim Anblick des Portraits seines am Silvesterabend 1942 im Kaukasus gefallenen Sohnes Fridolin oder beim Betrachten der Flüchtlingskinder Bildnisse, die weitere Entwicklung des Malers Eduard Bischoff vorzustellen, die sein Können mit der Fülle seiner Phantasie noch inniger zu einer inneren Einheit verbinden und die ihm auf allen Gebieten noch Großes ermöglichen wird. Alle seine bisherigen Erfolge haben ihm jedoch seine menschliche Bescheidenheit nicht genommen: er gehört zu den echten Künstlern, die sich selbst als nie vollendet ansehen, die zu immer höheren Zielen streben und jede neue Arbeit mit neuer Demut vor der schöpferischen Begnadung beginnen. Sein Schaffen ist heute zu der hohen Reife gediehen, die das Natürliche meistert und treu und sachlich liebt und sieht, hinter dem Äußeren aber überall die Seele sucht und erkennt, die den Zauber und die Transparenz der Sprache der Farben tief begreift und doch auch die Gestalt verehrt, das plastische Element, seine Ordnung und Schönheit.

 

Seine zukünftigen Pläne? „Nachdem ich jetzt — von Neptun persönlich beim Überschreiten des Äquators „Silberaal" getauft — Afrika kennengelernt habe und mich dem großartigen malerischen Reiz dieses Erdteils voll hingeben konnte, würde mich eine Malerfahrt nach Indien oder in die Südsee reizen." Und wer sich erinnert, dass Professor Bischoff lange vor dem ersten Weltkrieg als „Moses" bei der christlichen Seefahrt auf schwankenden Windjammern durch das Mittelmeer und Schwarze Meer geschippert ist und dabei die Levante und den Vorderen Orient kennenlernte, der weiß auch um sein Fernweh und seinen Drang in die weite fremder Länder und traut ihm die baldige Verwirklichung seiner Pläne, an die er mit dem Impetus eines Jünglings herangeht, ohne weiteres zu.

 

Aber unsichtbar liegt vielleicht doch über allem die unstillbare Sehnsucht nach der verlorenen Heimat Ostpreußen, der Eduard Bischoff immer ein treuer Sohn war und es auch bleiben wird — so, wie wir alle ihn in seinen Nehrungs- und Fischerbildern, in seinen Landschaften aus Masuren und vom Haff in seinen großen Werken der Wandmalerei, der Mosaik- und Glasfenstergestaltung schätzen und lieben. Immer aber bleibt eine Betrachtung seiner Werke hier im Westen für uns Ostpreußen eine Begegnung mit der Heimat, die wir in unseren Herzen tragen, und eine Gewissheit des Sieges des Lebens. –

 

Seite 8   Im Geiste Herders. (Foto: Johann Gottfried Herder)

Der große Sohn unserer ostpreußischen Stadt Mohrungen wurde am 25. August 1744 geboren. Dort war sein Vater Mittelschullehrer und Kantor zugleich. Königsberg und Riga sind die großen Stationen seiner geistigen Entwicklung und seines Wirkens als Lehrer und Prediger. Ein Vierteljahrhundert wirkte Herder dann als Generalsuperintendent in Weimar. Erst 59-jährig ist Herder am 18. Dezember 1803 gestorben.

 

Aus Anlass des 150. Todestages Johann Gottfried Herders am 18. Dezember 1953 erschien, herausgegeben vom J. G. Herder-Forschungsrat in Marburg/Lahn, ein Gedenkbuch „Im Geiste Herders". Johann Gottfried Herder, in Ostpreußen geboren und mehrere Jahre in Riga tätig, von den östlichen Nachbarvölkern als Erwecke/ ihres nationalen Selbstbewußtseins verehrt, war dem deutschen Osten eng verbunden.

 

Im Geiste Herders" führt der J. G. Herder-Forschungsrat in Marburg/Lahn seine wissenschaftlichen Arbeiten der Ostforschung durch und legt in der soeben erschienenen Gedenkschrift dar, wie im Geiste Herders Ostforschung betrieben werden kann.

 

Prof. Dr. Erich Keyser (Marburg) hat für unsere Gegenwart wegweisende Gedanken Herders zusammengestellt und ihre Bedeutung für uns dargelegt. Prof. Dr. Konrad Bittner (Bochum) behandelt Herders Beurteilung der slawischen Völker und der russischen Politik im 18. Jahrhundert und bietet wesentliche neue Aufschlüsse über die Gedankenwelt des großen Denkers. Prof. Dr. Wiora (Freiburg) führt aus, welche Einsichten die moderne Musikwissenschaft dem Werke Herders entnehmen kann. Aus dem Nachlass von Prof. Leonid Arbusow (Riga-Göttingen) wird eine größere Abhandlung veröffentlicht, in der gezeigt wird, wie Herder seine berühmte Sammlung der „Stimmen der Völker" zusammengebracht hat. Prof. Dr. Juan C. Probst (Buenos Aires) schildert die starken Einwirkungen Herders auf das argentinische Geistesleben. Dr. Dieter Berger (Bonn) hat alle wichtigen Schriften über Herders Leben und Werk, die seit 1918 erschienen sind, bibliographisch erfasst.

 

Das Buch bietet eine wertvolle Grundlage für eine neue Herder-Forschung und ist für alle Forscher, Institute, Bibliotheken und Seminare, die sich mit Herder und der deutschen Geistesentwicklung um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert beschäftigen unentbehrlich. Das Werk umfasst 240 Seiten, Ganzleinen und kostet 14,50 DM. Zu beziehen durch den Elchland-Verlang Göttingen.

 

 

Seite 8   Neuer Stützpunkt ostpreußischer Forschung

Der 16. November 1953 bedeutet einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der historischen Erforschung Ostpreußens. Denn an diesem Tage wurde in Göttingen das sogen. Archivlager der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Bestände des Königsberger Preußischen Staatsarchivs, welche 1944 nach Grasleben bei Braunschweig ausgelagert und von da an mehrere Jahre hindurch in der Goslarer Pfalz untergebracht waren. Nach langwierigen Verhandlungen sind diese wertvollen Archivalien nach Göttingen überführt worden, wo sie nun als ein selbständiges Institut dem hierher berufenen Archivdirektor Dr. Forstreuter unterstellt sind.

 

Gewiss ist nicht der Gesamtbestand von Königsberg nach Göttingen gekommen, wohl aber bei weitem der wichtigste Teil der älteren Akten, so vor allem das Archiv des Deutschen Ordens, das herzogliche Briefarchiv, d. h. die erstaunlich weitgreifende Korrespondenz Herzog Albrechts, von der Professor Hubatsch vor einigen Jahren einen guten Begriff gab in seinem Buche: Europäische Briefe im Reformationszeitalter. Endlich sind aus späterer Zeit die Akten des sogenannten Etatministeriums, d. h. die Zentralakten der ostpreußischen Verwaltung nach Göttingen gekommen.

 

In einer eindrucksvollen Feierstunde wurde diese Sammlung von Urkunden und Akten der wissenschaftlichen Forschung übergeben. Staatssekretär Skiba brachte die aufrichtigsten Wünsche des Ministerpräsidenten Kopf und der niedersächsischen Staatsregierung; Regierungsdirektor Dr. Grieser, der sich um die Überführung des Königsberger Archivs besondere Dienste erwarb, berichtete von den Schwierigkeiten, die schließlich aber überwunden wurden. Der Rektor der Universität Göttingen, Professor H. Heimpel, fand besonders warme Worte, um das neue Institut in Göttingen zu begrüßen. Herzlich gern gewähre man dem Archiv die Göttinger Gastfreundschaft, der schönste Dienst aber wäre es wohl, wenn einmal der Tag käme, an dem die Göttinger die Königsberger wieder mit heißen Wünschen in die alte Heimat entlassen könnten.

 

Im Mittelpunkt der Feier stand wohl der Bericht Professor Hubatsch's, der längst vor der Überführung des Archivs die Erschließung dieses wertvollen Aktenmaterials in die Hand genommen hat. In den Jahren 1947 - 1952 sind in Goslar 23 im Druck erschienene Arbeiten vollendet worden. In dem soeben erschienenen vierten Band des in Göttingen erscheinenden vom Göttinger Arbeitskreis herausgegebenen Jahrbuchs der Albertus-Universität hat Professor Hubatsch in einem Aufsatz von dieser geleisteten Arbeit eingehend berichtet. Der größte Teil der Arbeiten erschien als Dissertationen, die Schüler Prof. Hubatsch's zum Verfasser haben. Launig bemerkte Magnificenz, offenbar könne kein noch so großer Schicksalsschlag die Menschen davon abhalten, Dissertationen zu schreiben. Mit Recht konnte verschiedentlich betont werden, dass mit der Neueröffnung des Königsberger Archivs, dessen Geschichte Archivdirektor Forstreuter in wenigen markanten Strichen aufzeigte, ein neuer Anfang jener Forschungen beginnt, welche nicht nur für die Erforschung der Landesgeschichte von Ost- und Westpreußen, sondern auch für die preußische Geschichte im Rahmen der deutschen und nicht zuletzt im Zusammenhang mit der ost- und mitteleuropäischen Geschichte von größter Bedeutung sind. Gerade heute.

 

Der Feier wohnten außer den genannten Persönlichkeiten der Oberbürgermeister der Stadt Göttingen Föge, der Kurator der Universität, Ministerialdirektor Dr. Bojunga, der Vorsitzende des Göttinger Arbeitskreises, Prof. H. Kraus, mehrere Herren des Lehrkörpers der Universität und der Akademie der Wissenschaften, welche sich nachhaltig für den Verbleib der Königsberger Archivalien in Deutschland unter Einsatz ihrer internationalen Beziehungen durch Herausgabe einer Denkschrift eingesetzt hatte, bei. Auch Brigadier Kenington war zu der Feier erschienen. Das Archiv zeigte zum Schluss in einer kleinen Aufstellung wichtigste Stücke aus seinen Schätzen.

 

Am Nachmittag desselben Tages hielt die Historische Kommission für Ost- und Westpreußen unter Leitung Prof. Erich Keysers ihre Jahrestagung ab. Die Arbeit dieser verdienstreichen Kommission, die in der Heimat unter Führung von Max Hein und Erich Keyser vorzügliche Beiträge zur Landeskunde und der politischen Geschichte veröffentlichte, steht jetzt unter dem Protektorat des Johann Gottfried Herder-Forschungrates in Marburg, dessen geschäftsführendes Mitglied Prof. Keyser ist. Der Kommission gehören gegenwärtig dreißig Mitglieder an, von denen etwa die Hälfte jetzt in Göttingen tagte. Am 17. November 1953 wurde eine öffentliche Sitzung abgehalten, auf der nach Begrüßungsworten des Vorsitzenden, zuerst Oberarchivrat Dr. Weise über die Bedeutung des Jahres 1454 sprach, dieses Schicksalsjahr in der Geschichte des Landes Preußen. Dr. Weise brachte völlig neue Gesichtspunkte zur Beurteilung jener verwickelten Verhältnisse zwischen dem Hochmeister, der Krone Polen, und den Ständen, wobei er aber mit Nachdruck die Ansicht vertrat, dass es sich hier nicht um die landläufigen Gegensätze persönlicher und politischer Art handelte, sondern im Grunde ging es um die Frage des Rechts, um die naturrechtliche Begründung eines Widerstandsrechts.

 

In höchst geistreicher Weise ließ der Vortragende die eigentlichen Probleme des Ordensstaates aufleuchten, vor allem den tragischen Charakter dieser Vorgänge. Im Anschluss daran sprach Bibliotheksdirektor Dr. Wermke über die ostpreußische Literatur von 1939 bis 1951 unter Zugrundelegung seiner an diesem Tage erschienenen Bibliographie: zur Geschichte Ost- und Westpreußens. Dieses Buch kann nur als eine glänzende Leistung angesprochen werden. Der Band enthält rund 4500 Titel, von über 2000 Verfassern.

 

Imponierend ist seine Leistung, wie dies schon bei seinem großen Werk von 1931 der Fall ist: imponierend ist aber auch die Leistung der Ostpreußen — wir wollen uns ruhig einmal loben — denn allein 2500 Titel fallen in die Zeit nach 1945.

 

Dr. Wermke gab in seinem aufschlussreichen Vortrag einen glänzenden Überblick über dieses fast überreiche Material, aus allen Gebieten mit sicherem Instinkt die wesentlichen Arbeiten hervorhebend, diese Autoren ehrend, aber auch sie selbst das Zeugnis eines hervorragenden, ja des besten Sachkenners dieses großen Gebietes gebend. Die Sitzung wurde beschlossen durch einen Vortrag Dr.Bahrs über die polnischen Arbeiten im jetzigen preußisch-pommerschen Raum. Auch hier war zu merken, wie der Vortragende ganz aus dem Vollen schöpfte. Der Eindruck, dass es sich hier um bedeutsame, nicht zu übersehende wissenschaftliche Arbeit handelt — wenn auch unter uns fremden Vorzeichen stehend — wurde vom Vortragenden den Hörern überzeugend vermittelt.

 

 

Seite 8   Neuer Bertelsmann-Roman. Bernt von Heiseler, Versöhnung, Roman, 878 S. Ganzl. 16,80 DM, C. Bertelsmann Verlag Gütersloh.

Der bekannte Dichter Bernt von Heiseler hat einen großen Familienroman auf christlich ethischer Grundlage geschrieben. Es ist der Roman unserer Zeit. Das Geschehen in Deutschland der Jahre 1928 - 1945 spiegelt sich im Schicksal einer weitverzweigten Familie. Im Mittelpunkt des Lebens dieser Menschen steht ein Gutshaus in Oberbayern, das ihnen allen Heimat und dessen Geist ihnen Leitstern ihres Lebens ist. Und in der dämmrigen Halle dieses Hauses hängt ein Kruzifix der „Versöhner" genannt. Und der Versöhner ist immer da, auch wenn man manchmal achtlos an ihm vorübergeht, ist immer da, auch in den Jahren der dunklen Schatten. Viele Menschen und viele, verschiedene Schicksale begegnen in diesem Buch, Menschen beider Konfessionen, verschiedenster Berufe und aus den verschiedensten Landstrichen kommend. Die Handlung spielt in Bayern und Österreich, England, Frankreich, Berlin und Ostpreußen, in Frieden und Krieg und kehrt immer wieder aus Sorgen und Not, aus Schuld und aus lebendigem Leben zurück in die Halle des Grünschwaiger Hauses. Man lebt mit den Gestalten des Buches. Sie denken, fühlen, erleben viele Dinge, die man in den gleichen Jahren auch gedacht, gewünscht, gewollt hat und die einem vielleicht erst jetzt klar werden, wo man sie in dieser dichterischen Form und gepflegten Sprache, wie sie nur ein großer Künstler beherrscht, liest. Das Buch gehört zu den großen Romanen der Weltliteratur. G. v. Selle.

 

 

Seite 8   Göttinger Universität beispielhaft

Man hört es immer wieder, dass die deutschen Universitäten sich wenig genug den Wünschen der Heimatvertriebenen aufgeschlossen zeigen. Gerade dort hat man das Gefühl, als handele es sich um eine Sache, die den Universitäten nicht vollwertig erscheint. Man ist versucht festzustellen, als denke man hier eher daran, die Pflege osteuropäischer Probleme sei ein Anliegen der Universitäten, als die Geschichte der ostdeutschen Provinzen, die heute ein unseliges Geschick von Deutschland losgelöst hat. Und doch sind erst die Lande der heutigen Bundesrepublik mit dem Preußen, Pommern und Schlesier-Land das eigentliche Deutschland. Unaufgebbar ist die Leistung dieser Länder für das ganze Deutsche Reich, unaufgebbar muss daher die Aufgabe für die deutsche Wissenschaft sein, die Geschichte und die Erforschung der Lebensbedingungen dieser Gebiete zu pflegen. Wer sollte hier stärker angesprochen sein, als die deutschen Universitäten der Gegenwart! Es soll nun nicht in eine Untersuchung eingetreten werden, was hier alles nicht geschieht, sondern es sei auf ein Ereignis hingewiesen, das als beispielhaft wirken sollte, als eine ernste Mahnung:

 

In diesem Wintersemester hält der um die Geschichte Ost- und Westpreußens sehr verdiente Professor Walter Hubatsch an der Göttinger Universität eine zweistündige Vorlesung über die Geschichte Ost- und Westpreußens.

 

Jeden, der an der Geschichte seiner Heimat Interesse nimmt — und wer sollte dies nicht tun — wird diese Nachricht, mit freudiger Genugtuung erfüllen und es ist zu hoffen, dass recht viele Studierende im weitesten Sinne des Wortes diese Gelegenheit wahrnehmen, diese Vorlesung zu besuchen. Denn — man hört es ja immer wieder — es ist eine seltene Gelegenheit.

 

 

Seite 8   Wissen Sie schon?

dass die sicher auch Ihnen in der Erinnerung lieb behaltene Konditorei Schweriner/ Königsberg jetzt wieder ein kleines Unternehmen aufbaut? Aus Bad Wörishofen erhält man bereits seit einigen Jahren von der Versandabteilung dieser Firma die — einem Ostpreußen unentbehrliche — Spezialität, den Königsberger Marzipan, der nach wie vor in alter Qualität wie einst in alle Erdteile verschickt wird und dazu beiträgt der Heimat ein Andenken zu wahren.

 

 

Seite 8  Ostpreußische Frauen beim Rupfen der Weihnachtsgänse. Foto: Aufnahme: Wiemers

Wer mochte nicht einmal wieder so ein bisschen hubberig im kalten Stall, in der Waschküche oder im Küchenvorbau sitzen, lustig mit den andern schabbern und dabei eine fette Gans nach der andern fein  säuberlich rupfen und für den Verkauf in der Stadt fertig machen? Draußen schneit es vielleicht, ebenso weiß und weich, wie drinnen die Federn auf den Boden fallen. Vor kurzem liefen die Gänse noch als stolze Schar frech schnatternd über den Hof, gefürchtet von manchem kleinen Lorbas, der sich ängstlich von ihnen an die Wand drückte, und nun … fas tuts einem ein bisschen leid, aber daran zu denken ist keine Zeit. Was hat die Nachbarin da eben erzählt? Beim Gänserupfen kann man so schön schabbern, und bald wird eine fette Weihnachtsgans in der eignen Pfanne prischeln, im nächsten Jahr laufen ja neue über den Hof.

 

Es ist zu allen Zeiten ein hübsches Bild gewesen, die Frauen bei dieser leckeren, winterlichen Arbeit. Ein so hübsches Bild, dass es den Maler Liebermann zu seinem berühmten Gemälde „Die Gänserupferinnen“ angeregt hat, das noch heute in der Berliner Nationalgalerie hängt.

 

 

Seite 9   Erinnerungen an Weihnachten. Von Lic. theol. Ruth Fuehrer, Kirchenrätin.

Foto: Die Kirche von Lappienen mit ihrem Rundbau

Foto: Unser liebes altes Königsberg: Blick auf das Hundegatt

Damals, vor ungefähr 40 Jahren, war der Adventskranz in unseren ostpreußischen Häusern noch unbekannt. Wandervogel-Studenten sollen kurz vor dem ersten Weltkriege die Adventszeit hoch im Norden Skandinaviens verlebt, und dort Adventskränze in Bauern- und Fischerhäusern gesehen haben. Sie erzählten davon zu Hause in ihren Wandervogel-Gruppen, die Mädchen flochten den einfachen grünen Kranz und hängten ihn zum ersten Advent im „Nest", dem Raum, in dem die Wandervögel zusammenkamen, auf.

 

So lernte auch ich den ersten Adventskranz kennen. Vom ersten bis zum vierten Licht führte der Weg durch die Wochen vor Weihnachten, begleitet von Liedern, Gedichten und Geschichten. Was sangen wir? Die Marienlieder aus dem „Zupf": Maria durch ein Dornwald ging .... Es blühen drei Rosen auf einem Zweig ..., Meerstern, ich dich grüße ..., Und unser lieben Frauen, der traumete ein Traum.., und manch anderes. Hin und her sprach einer ein Wort vom Licht, ein Gedicht, eine Strophe aus einem alten Liede. Eines der Mädchen sagte wohl auch ein Bibelwort. Es war alles sehr still und besinnlich und ein großer Friede streifte unsere jungen, unruhigen Herzen.

 

Das erste Krippenspiel

Auch Krippenspiele waren damals noch unbekannt. So bedeutete es schon etwas, als einer unserer Wandervogelbrüder nach schwerer Verwundung aus dem Lazarett heimgekehrt, eines Abends ein Heft aus der Tasche zog und vorzulesen begann. Da war der Weg nach Bethlehem, die Herbergssuche, die Hirten auf dem Felde — die ganzen Stationen der Weihnachtsgeschichte bis zur Flucht nach Ägypten. Und dann entstand die Frage: Wollen wir üben? Wollen wir spielen? Hier, ganz für uns?" Ja, wir wollten, mit ganzem Herzen! Alle waren dabei, freilich nicht in ,,Rollen", sprechend und handelnd herausgestellt. Es musste auch Chöre geben, Musikanten mit Lauten und Geigen. Es gab keinen Streit darüber, wer Maria und Josef sein sollte.

 

Eines Abends besuchte uns der Leiter der Volksschule. Und er gab den Anstoß dazu, dass es ganz anders wurde. „Kinder, so etwas Schönes wollt ihr für euch behalten? Da ist doch unsere Jugend auf dem Sackheim, die nie so etwas zu sehen bekommt. Seht, wir weihen am ersten Weihnachtstag das neue Jugendheim dort ein. Kommt, zeigt das Krippenspiel den Jungen und Mädels und ladet am zweiten Feiertag eure Eltern ein! Wie wärs"? Ein langes Schweigen war die Antwort, keine jubelnde begeisterte Zustimmung. Dann fragte eine leise Stimme: „Ja, geht das denn? Ist das nicht zu fein und zart für die Vielen? Werden sie nicht lachen und unruhig sein? Es geht doch um das Kommen des Herrn Christus". Und wieder war Schweigen, bis der alte Herr sagte: „Kinder, überlegt es euch! Aber vergesst nicht, der Herr Christus ist zu den Armen gekommen, mitten hinein in den Lärm und die Unruhe der Welt". Dann ging er.

 

Es wurde nicht viel diskutiert. Aber auch ohne das wurde es klar: Wir gingen ins Jugendheim auf dem Sackheim. Es war nicht nötig, die Proben nun besser und straffer zu gestalten. Für uns selbst war das Beste gerade gut genug. So würde es auch vor andern jungen Menschen bestehen.

 

Und es bestand, — das erste Krippenspiel im „städtischen Jugendheim Sackheim", vor einer Jugend, die seit ihrer Konfirmation kaum in der Kirche gewesen war.

 

Ich gehöre zu den Musikanten, mit Laute und Geige, und konnte durch den Spalt eines Vorhanges immer wieder in den Saal hineinsehen. Da saßen junge Menschen unseres Alters zwischen 15 und 20 Jahren. Damals standen sie noch in andern Lebenskreisen als wir und saßen an jenem Abend doch wie verzaubert da, hingegeben und hingenommen.

 

Wir aber gingen still hinaus nach dem Sackheimer Tor, auf dem Wallgraben entlang zum Königstor und dann nach Hause.

 

Wintersonnenwende

Am 23. Dezember feierten wir im Nest am Nachmittag „Julklapp" und fuhren dann in den nahen Wald am Frischen Haff zur Wintersonnenwende in die Kaporner Heide.

 

So saßen wir in unserem Nest, aßen Bratäpfel aus der Röhre des großen grünen Kachelofens, Pfefferkuchen, den unsere Mütter uns extra gestiftet hatten (es war das dritte Jahr des ersten Weltkrieges), sangen und — warteten.

 

Worauf? — Auf den Weihnachtsmann! Bald kam er mit Holterdipolter die schmale, steile Treppe herauf, Schnee auf Mütze, Rock und Stiefeln, den dicken Sack auf der Schulter. Manchmal hatte der Weihnachtsmann auch ein Gefolge von Zwergen und Heinzelmännchen. Diese mussten ihm beim Austeilen der Gaben helfen.

 

Dann ging es auf den Pillauer Bahnhof zum Zuge nach Metgethen, das damals noch ein kleiner verschlafener Villenvorort der Provinzhauptstadt war, und auf stillen verschneiten Wegen in die Kaporner Heide.

 

Das Schneetreiben des Nachmittags hatte aufgehört, der Himmel lichtete sich und die Sterne kamen hervor. Je länger wir in den Himmel blickten, desto mehr Sterne sahen wir. War das möglich, so viele Sterne, soviel Leuchten? Dieser tief dunkle, Hyazinth-blaue Himmel! Und dazu die beschneiten Fichten und Kiefern, die weiße glitzernde Erde. Gab es sonst auf der ganzen Welt noch solche Schönheit oder sind uns besonders die Augen aufgetan, weil morgen die Heilige Nacht kommt und mit ihr die zwölf Heiligen Nächte?

 

Leise und ehrfürchtig schweigend gehen wir dahin, hingegeben dem Zauber dieser.

 

Da leuchtet eine Strecke vor uns am Wegrande ein Lichtschein auf. Wie? Hier ein Haus? Mitten im Walde?

 

Leise summt eine Stimme: „Es blühen drei Rosen an einem Zweig, o Maria. Sie blühen all drei ins Himmelreich, o Maria." Und beim Näherkommen sind es drei Lichtlein auf einer verschneiten Tanne, darunter einige unserer Jungen, die nun aus dem Krippenspiel die Hirten auf dem Felde darstellen.

 

Nach Strophe und Gegenstrophe, nach Fragen und Vermuten kommt der Verkündigungsengel mit seiner Botschaft. Dann gehen wir mit den Hirten hinein in den dunklen Wald, der seltsam durchlichtet ist, und stehen nach kurzer Zeit vor einem brennenden Lichterbaum, mitten im Schnee unter dem Sternenhimmel.

 

„... mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht."

 

Eine von uns liest das Weihnachtsevangelium, ein Lied nach dem andern erklingt, bis zum „Eia, wärn wir da", und dann machen wir uns auf den Heimweg.

 

Wir wandern zu Fuß nach Hause, denn um diese Zeit fährt kein Zug mehr.

 

Nach einer guten Stunde kommen wir aus dem Wald auf freies Feld und bleiben wie verzaubert stehen. O, diese Pracht! Sterne, Sterne, Sterne, soweit das Auge blickt! Dann sagt jemand: „Seht, dort den Bärenreiter"! — und ein anderer: „Dort der Polarstern"! und wieder: da die Kassiopeia — der Orion — die Plejaden! Und so gings weiter, einer zeigte dem andern, was er sah und wusste und ließ sich zeigen und sagen, was er nicht wusste. Wie nah und vertraut wurde uns da der Sternenhimmel!

 

Wieviel lebendiger wird doch alles, wenn wir seine Namen wissen und nennen können, bei Stern, Pflanze, Tier und Mensch, bei allem Geschaffenen auf dieser Erde.

 

Weihnachtssingen

Es ist der erste Weihnachtstag, früh 5.30 Uhr. Ein leises, aber anhaltendes Schneetreiben hat über Nacht weiße Berge und Wälle aufgehäuft. Noch ist kein Schneepflug über die Fahrbahn gegangen, noch kein Weg auf den Fußsteigen getreten.

 

So muss ich selbst „spuren", über die Honigbrücke, Lindenmarkt, Holzbrücke, Münchenhofplatz, den Anger hoch bis zum Roßgärtenmarkt. Dort Treffpunkt 6 Uhr.

 

Da stehen drei vermummte Gestalten, mit hochgeschlagenem Kragen und heruntergezogenen Pelzkappen. Nun müssen wir noch auf 6 Mädel warten. Sie kommen aus allen Stadtteilen, von den Hufen, aus Maraunenhof und dem Oberteichviertel, vom Haberberg und der Königsstraße, dem Regierungsvierte. Und sie müssen alle zu Fuß kommen. Es ist Inflation, die Stadt spart mit Kohlen und Strom, die Straßenbahnen fahren erst ab 6 Uhr.

 

Wir wollen die erste benutzen und zum Sackheim fahren, zum Weihnachtssingen in den Hinterhöfen. In diesen Häusern hat wohl kein Weihnachtsbaum gebrannt, nicht einmal ein Zweig mit einer Kerze.

 

Wie wird es werden? Werden sie die Lieder hören?

 

Meine Gedanken gehen 5 Jahre zurück, als wir im Jugendheim das Krippenspiel zeigten. O, welche fünf Jahre! Kriegsende, Revolution. Wir sind inzwischen zur „Insel" geworden, durch den „Korridor" abgeschnitten vom „Reich". Viele von unseren Wandervogel-Bundesbrüdern sind zurückgekommen, aber manche auch nicht. Memel gehört nicht mehr zu uns, auch Danzig nicht.

 

Unruhe ist in unsere Herzen gekommen, die Unruhe der Kulturkrisis. Freilich kennen wir dieses Wort noch nicht, aber die Tatsache umso mehr.

 

Und noch eine andere Unruhe ist zu uns gekommen: Die Unruhe um Jesus Christus. Ein lebendiger Christ ist uns auf den Weg gestellt worden, eine Frau, dir irgendwoher kam und für die Jugendbewegung einen Vortrag hielt, der uns ins Herz traf. Da haben sich Menschen aus dem Wandervogel, der freideutschen Jugend, der Kunstakademie, Abiturientinnen und Studentinnen zu einem „Kreis" zusammengefunden, in dem es um die Fragen des Glaubens geht.

 

Auch auf dem Sackheim ist es anders geworden, und wie anders! Viele Männer sind zurückgekehrt aus dem Kriege, die Frauen aus der Munitionsfabrik. Die Arbeitslosigkeit hat begonnen für die Alten, die nicht wieder in ihre früheren Stellen zurückkönnen, und für die Jungen, die keine Arbeit finden und in Rudeln auf den Straßen herumlungern. Und nun Kälte und Schnee, keine Kohle, wenig Essen.

 

Aber noch ist Hoffnung da und Warten. Die Menschen sind wie ein aufgebrochener Acker, der auf das Saatkorn wartet.

 

Ich schrecke auf, als eine von uns sagt: „Du, die Straßenbahn kommt wohl nicht! Sie kann ja auch nicht durch den hohen Schnee. Wollen wir nicht gehen?" — Tatsächlich, es ist schon 10 Minuten über 6 Uhr. Aber grade, als wir uns einen Weg quer über den Platz zur Königsstraße bahnen wollen, biegt der Wagen um die Kurve, Linie 2 nach Kalthof, vor sich den Schneepflug.

 

Nach kurzer Zeit sind wir am Litauer Wall, der letzten Zugangsstraße zum Sackheim.

 

Nun hinein in das erste Haus! Wohl selten sind wir mit solchem Herzklopfen in ein Haus hineingegangen!

 

Sollen wir hier schon singen? Nein, wir gehen durch noch zwei Hausgänge, bis wir in den Hof des dritten Hinterhauses kommen. Alles liegt schwarz und dunkel. Wie sollte es auch anders sein um diese Zeit?

 

Wir haben ein festes Programm nach Liedern und Zeit aufgestellt. Für jeden Hof 7 - 10 Minuten, damit wir bis 8.30 Uhr ungefähr an zehn Stellen gesungen haben können. Programm: Bekanntes und Unbekanntes. Es muss auch „Stille Nacht" und „O du fröhliche" dabei sein, weil diese beiden Lieder in die Volksseele hineingesenkt sind seit fast 100 Jahren. Denn was helfen den Menschen lauter fremde Lieder, deren Texte sie doch nicht im dritten oder vierten Stock verstehen können? Sonst gehörte zum „eisernen Bestand": Es ist ein Ros entsprungen, Nun singet und seid froh, Kommt und lasst uns Christum ehren, Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Frauen, und vor allem: Vom Himmel hoch, da komm ich her. Denn mit diesem Choral wurde seit Generationen durch Bläser, die durch die Stadt zogen, der Heilige Abend eingeblasen.

 

Und mit diesem Lied beginnen wir, das jeder Erwachsene und jedes Kind, auch auf dem Sackheim, durch unsere Weihnachtsbläser kennt.

 

Zunächst bleibt alles dunkel, auch bei der zweiten und dritten Strophe.

 

Kleine Pause.

 

Dann „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart."

 

Da: Hinter einem Fenster wird es hell. An einem andern wird ein Vorhang zur Seite geschoben, ein Jungenkopf wird sichtbar. Ein drittes wird sogar geöffnet, einige Augenblicke sieht eine Mutter mit zwei Kindern heraus.

 

Nun das dritte Lied „Stille Nacht". An den drei Fenstern bleibt es wie vorher, sonst rührt sich nichts.

 

Weiter, nächster Hof, der zweite in diesem Häuserblock. Dort geschieht nichts, gar nichts, bei den drei Liedern.

 

Nun also in den ersten Hof. Beim ersten Liede bleibt alles still. Als zweites singen wir „Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Frauen" mit seiner beschwingten Weise.

 

Plötzlich wird ein Fenster aufgerissen und eine Männerstimme dröhnt herunter: „Unerhört!! Einen noch vor 7 Uhr aufzuwecken! Macht, dass ihr weiter kommt!"

 

Wir sangen unser Lied noch zu Ende und gingen.

 

Nun, zunächst mal weiter! Es wird schon ein wenig hell.

 

Hatten wir wirklich zu früh mit unserem Weihnachtssingen begonnen? In den nächsten 7 Höfen begegnete uns nur Freundlichkeit. Es wurde licht hinter den Fenstern, manche wurden trotz der Kälte geöffnet und Mütter mit Kindern schauten heraus. Ja, Kinder kamen zu uns herunter, stellten steh vor uns auf und sahen uns unverwandt an.

 

Es war gut, dass wir vorsorglich etwas Gebäck und Süßigkeiten mitgenommen hatten und jedem der Kleinen auch einen sichtbaren Weihnachtsgruß geben konnten.

 

Nun war es Tag geworden. Wie still doch die Straßen auch jetzt noch waren! Hin und wieder Straßenkehrer, die Schnee schippten, um die Bürgersteige frei zu machen. Hier und da ein vereinzelter Fußgängen Der Himmel grau in grau, wieder setzte das leichte Schneetreiben ein.

 

Obgleich wir durch die Spannung des Erlebens und das Singen warm geworden waren, freuten wir uns, nach Hause zu kommen in die warme Stube.

 

Noch einmal im alten Jahre gingen wir singen, zu einigen alten kranken Leuten, Frauen und Männern. Die meisten kannten wir bereits, denn wir hatten einen Besuchsdienst eingerichtet, gerade für solche Menschen, nach denen sonst niemand fragte.

 

Letztes Weihnachten daheim

Noch einmal steht Weihnachten vor mir, das letzte in der Heimat, 1944.

 

Der Heilige Abend fiel auf einen Sonntag und ich hatte zwei Gottesdienste zu halten: am Vormittag einen in einem Dorfe im Samland, am Abend die Christvesper in einem andern, 15 km südlich der Stadt.

 

Früh fuhr ich mit der Straßenbahn bis Rothenstein, dann ging ich eine knappe Stunde nach Quednau. Noch stand die alte Ordenskirche in ihrer wuchtigen Schönheit.

 

Es sollte die Weihnachtsfeier des Kindergottesdienstes sein, die ich schon manches Jahr gehalten hatte. Die Kinder des Dorfes spielten das Krippenspiel, die Dorfgemeinde war mit Liedern singend, hörend und betend beteiligt.

 

Der Platz hatte sonst gut für alle ausgereicht.  Aber dieses Mal standen die Menschen in den Gängen, unter der Kanzel bis dicht zum Altar. Es waren Fischerfamilien von der Kurischen Nehrung, die in den Tagen des Juli und August von dort hatten aufbrechen müssen, der vordringenden Russen wegen. Nun wollten sie dabei sein, obgleich am Abend die Christvesper für die Erwachsenen gehalten wurde. Und die Kinder, die sonst wilde Rangen waren und durchaus nicht immer den gehörigen Respekt vor dem Raum der Kirche hatten, sprachen und sangen mit einer Hingegebenheit und Andacht, als ob sie etwas von dem Warten und der Not der jetzt schon Heimatlosen spürten.

 

Was sollte ich ihnen in der kurzen Ansprache sagen? Von den Wanderwegen und der Heimatlosigkeit des Herrn Jesus Christus, von der Passion, die zur Weihnacht beginnt und am Kreuz endet, von den Wegen, die wir nur hinter Ihm hergehen können.

 

Der Gesang der Gemeinde erfüllte so stark die Kirche, dass die Orgel völlig übertönt wurde.

 

Zum Segen knieten viele nieder, wie es in den Dörfern der Kurischen Nehrung alte Sitte ist.

 

Als ich nach der Feier aus der Sakristei kam, um zurückzugehen in die zerstörte Stadt, warteten viele auf mich und gaben mir die Hand. „Meinen sie, dass wir bald nach Hause können?" - O, diese Frage, diese immer wiederkehrende Frage! Ich wusste es nicht und ich glaubte es auch nicht. Ich konnte nur sagen: „Es steht in Gottes Hand".

 

In knapp drei Stunden war ich am entgegengesetzten Ende der Stadt. O, du zerstörte Heimatstadt! Nicht einmal Schnee deckt deine Wunden! Es ist „graue Weihnacht", ein blass-blauer Himmel sucht sich durchzukämpfen, aber auf den Wegen ist der richtige ostpreußische Matsch.

 

Am Ende der Straßenlinie 5 erwartet mich ein Wagen des Gutes Friedrichshof, deren Herrin eine Anzahl von Ausgebomten aufgenommen hat, unter diesen auch meine alte Mutter und Tante. Der Pfarrer des Dorfes ist sehr krank und hat mich um die Übernahme der Christvesper und des Silvestergottesdienstes gebeten. Ich habe von Herzen gern zugesagt.

 

Auf meine Bitte lässt mich der Kutscher die Leine nehmen. O, diese Lust, mit Pferden über Land zu fahren! Hier draußen liegt noch ein wenig Schnee, an den Wegrändern und in den Ackerfurchen. Trotz des sechsten Kriegsjahres sind die Felder sauber gehalten und gut bestellt, die Wintersaat steht gut. Die Pferde spüren die ungewohnte Hand und sind zuerst mit den Köpfen unruhig. Aber es sind alte brave Tiere, sie machen keine Schwierigkeiten.

 

Nach einer guten Stunde fahren wir in den Gutshof ein, von Menschen und Hunden mit Halloh begrüßt. Ein kräftiges, kurzes Mittagessen, einen Schluck heißen Kaffee gibt es, noch ein wenig Einkehr und Stille.

 

Kurz vor 5 Uhr fährt mich der Wagen ins Pfarrhaus, in welchem ich den kranken Pfarrherrn kurz besuche und mir die letzten Anweisungen hole. Als ich zur Sakristei hinübergehe, ist der Platz vor der Ordenskirche schwarz von Menschen. Und als ich mich in der Sakristei fertig mache, sagt der Küster: „Der ganze Kirchplatz steht gestopft voll. Wir müssen die Türen offen lassen. Sie werden wohl zwei Feiern nacheinander halten müssen".

 

Als ich während des Eingangsliedes an den Altar ging und mich zur Gemeinde umwandte, bot sich ein überwältigender Anblick da. Kopf an Kopf in den Bänken und Gängen, auf den Emporen. Über den dichtgefüllten Mittelgang ging der Blick zu den geöffneten Kirchentüren, hinaus auf den Kirchplatz, auf dem in der Dunkelheit schattenhaft eine wohl ebenso große Menge stand, wie in der Kirche selbst.

 

Wir feierten die Christvesper nach dem ostpreußischen Advents- und Weihnachtsbüchlein, in welchem die Lieder und Lesungen vorgedruckt waren und das wohl jeder Kirchgänger in Ostpreußen kannte. Bei dieser Menge reichten die Hefte nicht aus. Aber die Lieder konnten sie alle auswendig. Auch die draußen vor der Kirche sangen mit in der Dunkelheit.

 

Was war hier zu sagen, angesichts dieser Menschen, die Haus und Hof verlassen hatten

— sie kamen aus den Grenzkreisen Pillkallen, Gumbinnen und Eydtkuhnen — und auf die Heimkehr warteten? Die, wenn es gut ging, in einem der Bauern- oder Gutshäusern aufgenommen waren und sonst in Baracken hausten?

 

 „Und sie kamen eilend, und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegend."

 

Vom eilenden Kommen und Finden versuchte ich zu sprechen, von der Bewährung der Weihnacht in Elend und Not. Ach, Fragwürdigkeit und Gestammel des Menschenwortes, das versuchen soll, das in der Bibel aufgezeichnete Geschehen den Menschen ins Herz zu sagen! Ich konnte es auch nur versuchen als eine der Ihren, die selbst nichts mehr hatte, aus den Flammen der brennenden Stadt herausgerettet war, die mit den Angehörigen selbst auf die Freundlichkeit und Aufnahmebereitschaft derer angewiesen war, die noch ein Dach über dem Kopf hatten. Wie sollte man sonst in dieser Stunde reden dürfen?

 

Eine zweite Feier war nicht nötig. Die Menschen vor der Kirche gingen mit den andern nach Hause.

 

Und dann saßen wir im Gutshause, alle noch in der Heimat Ostpreußen. Es gab das übliche kalte Abendbrot, der Weihnachtsbaum wurde angesteckt. Jeder hatte ein kleines Geschenk für Jeden. Und es wurde gesungen, erzählt vorgelesen und auch gelacht. Ja, wir waren damals trotz allem noch fröhlich!

 

Am Silvesterabend stand ich wieder in dieser Kirche. Altjahrsfeier mit Abendmahl. Auch hierfür waren die Lieder und Schriftworte festgelegt.

 

Wer vor der Abendmahlsfeier weggehen wollte, wurde mit dem Segen entlassen. Aber — es ging niemand weg! Und die Kirche war voll von Menschen wie bei der Christvesper. Nur draußen stand niemand, die Türen konnten geschlossen werden.

 

„Erhebet eure Herzen!" — „Wir erheben sie zum Herrn." — Wie sie sangen! Wie das brauste! „Recht ist es und wahrhaft würdig, Dir, Allmächtiger, Dank zu sagen ... und mit allen Engeln und Erzengeln und dem ganzen Heere der himmlischen Heerscharen singen wir Dir und Deiner unendlichen Herrlichkeit den Lobgesang: ..." und dann fiel die Gemeinde ein mit dem „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth", dass ich mich kaum der Tränen erwehren konnte.

 

So hatte ich diesen Lobpreis noch nie gehört, auf der Schwelle eines Jahres, das ganz schwarz und undurchdringlich vor uns lag. Was klang da an Glaubensgewissheit, Sehnsucht, Not und Hoffnung!

 

Die Einsetzungsworte und das Vaterunser beteten alle laut mit, viele knieend.

 

Und dann traten sie an den Altar, je zwölf, und empfingen die Wegzehrung für die Tage, die auf sie warteten. Lange, lange dauerte es, bis die Letzten gespeist waren. Zuletzt nahm ich selbst Brot und Wein.

 

Abschied vom alten Jahr, Abschied von der Heimat.

 

Als ich die Kirche verließ, schlug es Mitternacht und das Jahr 1945 zog herauf.

 

 

Seite 10   Die „Geheimbde Rätin“

„Die Geheimbde Rätin" Zu dem Artikel von Carla v. Bassewitz.

 

Die Geheimbde Rätin" in der Oktober-Ausgabe unserer Zeitung sind der Redaktion zahlreiche Zuschriften aus dem Leserkreise zugegangen, in denen nach dem Namen der „Geheimbde Rätin" gefragt wird. Carla v. Bassewitz schreibt uns nun:

 

„Die Geheimbde Rätin" ist Frau Frieda Unterberger, geb. Rose aus Döhlau, Kreis Osterode/Ostpr., Tochter und Schwester der beiden letzten Besitzer, Ehefrau des Geheimrats und Professors Dr. med. Reinhold Unterberger, Leitender Arzt der Frauen-Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigkeit in Königsberg — dessen Stelle nach seinem Tode sein Neffe Prof. Dr. Heinz Unterberger, gestorben 1945, innehatte. Ihr Sohn von dessen 9 Kindern, Schwiegerkindern und 2 Enkeln, ihren Urenkeln, noch 3 leben, war der bekannte Edelschweinzüchter Gutsbesitzer Franz Unterberger (gestorben 1945) in Kl.-Rödersdorf bei Bladiau, verheiratet mit Lena, geb. Rose-Lichteinen (gestorben 1945). Ihre Tochter ist in Potsdam verheiratet."

 

 

Seite 10  Schlesische, fälische und holländische Laute in der ostpreußischen Mundart

Hannover. Ein Vortrag, den der frühere Direktor des Prussia-Museums in Königsberg/ Pr., Dr. Wilhelm Gaerte, auf einer gemeinsamen Veranstaltung von Landsmannschaft Ostpreußen und Niedersächsischer Heimatbund hielt, machte die Tatsache deutlich, dass auch heute noch das geschichtliche Werden der ostpreußischen Mundart aus den Dialekten der verschiedenartigen Siedler, die vor 70 Jahren in das Land jenseits der Weichsel kamen, sprachlich erkennbar ist. Schlesisch-Lausitzer Laute klingen genauso mit wie holländische und fälische, so dass in Ostpreußen (im Oberland und Ermland) sowohl ein „Hochpreußisch" als auch (an der Küste, in Natangen und Barten) ein „Niederpreußisch" gesprochen wurde.

 

 

Seit 10   600 Jahre Allenstein

Mit zahlreichen Gästen aus der Bundesrepublik und der sowjetisch besetzten Zone beging die Berliner Landsmannschaft der Ostpreußen in der großen „Ostpreußenhalle" am Funkturm den 600. Jahrestag der Gründung der Stadt Allenstein. Senator Dr. Kielinger sprach als Vertreter der Stadt Berlin. Er betonte, dass eine neue Ordnung der Verhältnisse im Osten nur auf der Basis des Rechts erfolgen werde, dass sich der selbst aufgibt, der sich des Rechts auf die Heimat begibt. Eine Stiftung des Senats von 500 Spendenpaketen wurde unter den anwesenden Landsleuten aus der Sowjetzone verteilt. Es wurde berichtet, dass in Allenstein heute noch 500 Deutsche unter polnischer Verwaltung leben, von denen eine Anzahl durch Terror zur Zwangsoption für Polen veranlasst wurde.

 

Seite 10  Elbinger Dampfer auf dem Main

Nach einer achtjährigen Odyssee hat unlängst das Elbinger Fahrgastschiff „Möwe" wieder seinen Dienst auf einem deutschen Fluss aufnehmen können. Das auf der Elbinger Schichau-Werft gebaute und 1908 in Dienst gestellte Schiff befuhr früher die Routen zwischen Elbing und Memel, Zoppot und Danzig. Als Lazarett- und Flüchtlingsschiff erreichte es noch nach der Kapitulation den Hafen Kiel, wo es für eineinhalb Jahre von der britischen Besatzungsmacht interniert wurde. Nach der Freigabe ging es in Rendsburg vor Anker, um dort als Hotelschiff zu dienen. Von 1946 bis 1951 hat es über 40 000 Vertriebenen Obdach geboten. Während dieser Zeit überholte die Schiffsmannschaft die „Möwe" und beseitigte weitgehend die Kriegsschäden. Dann gelang es dem Kapitän Kurt Arendt, sein Schiff auf dem Neckar und Main einzusetzen. Kürzlich erhielt er sein Eigentumsrecht an der „Möwe" gerichtlich bestätigt

 

 

Seite 10   Bei den Ost- und Westpreußen in Reichenhall

Im August fuhren wir mit der Post nach Schneizelreulh, einem an der herrlichen Alpenstraße gelegenen Dörfchen. Von dort wanderten wir nach Melleck. Der Weg führte durch ein Wiesenthal, rechts und links stiegen die Felswände steil empor, durch die Wiesen rauschte die Saalach. An alten Bauernhöfen vorbei führte der Pfad; bei schönstem Sonnenschein eine prächtige Wanderung. Am Ziel musste man vom Talgrund zur Passhöhe emporsteigen, denn Steinpass-Melleck ist der Grenzübergang von Deutschland nach Österreich. Von der Passhöhe hatte man einen wundervollen Blick auf die gewaltige Bergwelt des oberen Saalachtales in Österreich bis zu den Loferer Steinbergen. Bei Kaffee und Kuchen und Herz und Gemüt erfreuenden Klängen und Vorführungen einer urbayrischen Musik- und Tanzgruppe erholten sich auch die Älteren von der Wanderung. Mit ??? gings dann wieder heim.

 

Den Höhepunkt des Sommers bildete aber dann die Fahrt im September zum Dachstein. Als wir in Österreich die Stadt Salzburg hinter uns gelassen hatten, schwand der Nebel, und klarer Sonnenschein begleitete uns auf der ganzen Fahrt. Durch die Industriestadt Hallein, das romantische Golling, am Untersberg entlang fuhren wir nach Süden. Am Tennengebirge vorbei stieg die Straße an zum Pass Gschüt. Weiter ging es durch Dorf Gosau zum ersten Ziel: dem Gosausee. In einer Mulde im Wald hielt der Wagen. Einen Hang stiegen wir empor, und dann standen wir am Gosausee, und vor uns ragte der Dachstein empor, ein überwältigender Anblick. Hier machten wir Rast. Der Weg am See entlang war ein Hochgenuss. Schließlich mussten wir auch von diesem Juwel der Natur, scheiden. Vom Gosausee führte der Weg zum zweiten Ziel, der uralten Stadt Hallstatt. Von Hallstatt fuhren wir dann über Bad Ischl, am Wolfgangsee vorbei zurück nach Salzburg. ??? fuhren wir von der Höhe in den Talkessel. Ein Lichtermeer leuchtete uns entgegen, aus der stillen Bergeinsamkeit kamen wir in das brodelnde Leben der Stadt. Eine Rundfahrt durch die strahlenden Straßen und Plätze, und dann ging es heim nach Reichenhall. Es war ein herrlicher Abschluss der Sommerzeit.

 

Kurz nach der Fahrt verließ uns einer unserer Treuesten, unser lieber Landsmann und Freund Otto Bewernick mit Frau und Sohn. Er ist in einen Vorort von Düsseldorf gezogen. In einer kleinen Feier nahmen wir von ihm Abschied. Auch hier noch einmal: herzlichen Dank, lieber Freund Bewernick, für deine Mitarbeit und alles Gute für deine und deiner Familie Zukunft! Im Oktober hatten wir zwei Erlebnisse, ein trauriges und ein frohes.

 

Nach langem, sehr schwerem Leiden starb unser getreuer Landsmann Franz Pawel, aus Königsberg, Polier im Baugeschäft Dipl.-Ing. Fritz Baltrusch. Königsberg, jetzt Reichenhall. 25 Jahre war er in der Firma tätig; treu hat er stets zu uns gehalten. Wir begleiteten ihn auf seinem Weg zur letzten Ruhe. Oberstudienrat Neudorff, der 1. Vors. und Dipl.-Ing. Baltrusch, der 2. Vors., sein alter Chef, entboten

die letzten Grüße. Reiche Kranzspenden zeugten von der Achtung und Liebe, die der Verstorbene genossen hat.

 

Mitte Oktober 1953 kehrte Landsmann Otto Steinau, früher Polizeibeamter in Labiau, aus russischer Gefangenschaft heim. Jahrelang hatten seine Frau und sein Sohn auf seine Rückkehr gewartet. Endlich durften sie den Gatten und Vater umarmen. Am 25. Oktober 1953 feierten wir in unserem Kreis seine Heimkehr.

 

Im November starten wir zur Adventsfeier und unserem Stiftungsfest am 2. Adventssonntag, am 6. Dezember.

 

Seite 10   Heimattreue Ost- und Westpreußen Hannover Weihnachtsfeier:

Am Sonntag, den 20. Dezember 1953, um 16 Uhr, findet unsere diesjährige Weihnachtsfeier mit einer großen Kaffeetafel und Bescherung der Mitgliederkinder in den Konferenzzimmern der Hauptbahnhofsgaststätten Hannover statt. Mitglieder, die Gäste und Gästekinder mitzubringen wünschen, müssen diese bis spätestens zum 13. Dezember 1953 gegen Zahlung des Selbstkostenpreises für das Kaffeegedeck und evtl. Kinderbescherung bei Landsmann Wilhelm Hellwig, Hannover, Bödekerstr. 96 angemeldet haben.

 

 

Seite 10   Silvesterfeier:

Der Teilnehmerpreis für die angekündigte Silvesterfeier beträgt 3,50 DM; er schließt neben den Fahrtkosten usw. die Verabreichung eines Glases Glühwein und eines Silvesterkrapfens um Mitternacht ein. Für diese Veranstaltung stehen nur noch 20 Plätze zur Verfügung. Anmeldung und Ausgabe der Teilnehmerkarten bei Landsmann Horst Frädrich, Hannover, Herrenhäuserstraße 126 bis spätestens zum 15.12.1953.

 

 

Seite 10   Seesen a/Harz

Für die „Bruderhilfe Ostpreußen" wurden jetzt als Ergebnis der letzten Sammlung über 21 Ztr. Sachspenden (Kleidung. Lebensmittel pp.) mit einem sehr vorsichtig geschätzten Gesamtwert von DM 5200,— und außerdem DM 1042,62 in bar nach Hamburg abgeschickt. Einschließlich der im laufenden Jahre bereits in kleineren Mengen eingesandten Spenden hat unsere Kleinstadt (12 000 Einwohner) dem Hilfswerk dank der Initiative von Schulrat a. D. Papendick und Frau Donnermann rund 28 Ztr. Kleidung pp. und DM 1102,62 zugeführt. — Die Adventsfeier am 12.12.1953 und die Vorweihnachtsstunde für unsere Kinder am 22.12.1953 werden im Zeichen heimatlichen Brauchtums stehen.

 

 

Seite 12   Ostpreußenfamilie in Flensburg

Im Advents- und Weihnachtsmonat können die nachstehend aufgeführten Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern:

 

Am 01.12.1953: Frau Helene Anders, Holm 61, früher: Angerburg, Kehlnerstraße 33, 78 Jahre;

 

Am 02.12.1953: Frau Marie Kollex, Flurstraße 19, früher: Königsberg, Preußen, Dinterstraße 10, 74 Jahre;

 

Am 02.12.1953: Hermann Schröder, Glücksburger Straße 27, früher: Godnicken, Kreis Samland, Ostpreußen, 70 Jahre;

 

 Am 03.12.1953: Frau Helene Dagott, Buchenstraße 2, früher: Rantau, Kreis Samland, 71 Jahre.

 

Am 03.12.1953: Julius Korzen, Lager zur Exe, 71 Jahre;

 

Am 03.12.1953: Frau Elise Neumann, Nerongsallee 12, früher: Königsberg, Preußen, Steindamm 106/7, 83 Jahre;

 

Am 04.12.1953: Frau Meta Link, Teichstraße 15, früher: Königsberg, Preußen, Stiftstraße 1, 71 Jahre.

 

Am 05.12.1953: Josef Erdmann, Egerstieg 2, früher: Königsberg, Preußen, Rippenstraße 23, 72 Jahre;

 

Am 06.12.1953: Anna Falkowski, Mühlenholz 25, früher: Königsberg, Preußen, Kalthöfsche Straße 15, 70 Jahre;

 

Am 06.12.1953: Frau Anna Kunz, Apenrader Straße 9, früher: Tilsit, Kl. Gerbersztraße 5, 81 Jahre;

 

Am 06.12.1953: Frau Maria Mussel, Lager Strandweg, früher: Elchwerder, Kreis Labiau, 80 Jahre;

 

Am 07.12.1953: Frau Margarethe Richter, Munketoft 32, früher Königsberg, Preußen, Rippenstraße 17, 71 Jahre;

 

Am 07.12.1953: Frau Auguste Schulz, Heinrich-Voß-Straße 28, 84 Jahre;

 

Am 09.12.1953: Hermann Streich, Hafermarkt 19, früher: Schippenbeil, Färbergasse 4, 71 Jahre;

 

Am 10.12.1953: Frau Käthe Witt, Flurstraße 14, früher: Königsberg, Preußen, Altroßgärtner Kirchenstraße 14, 79 Jahre;

 

Am 12.12.1953: Bernhard Wiese, Lager An der Reitbahn 17, früher: Insterburg, Gerichtsstraße 40. 74 Jahre;

 

Am 14.12.1953: Frau Anna Annuscheit, Johannisstraße 11, früher: Tilsit, Fleischerstraße 12, 74 Jahre;

 

Am 14.12.1953: Frau Auguste Ludszuweit, Feldstraße 7 früher: Dudzen, Kreis Pillkallen, 82 Jahre;

 

Am 16.12.1953: Frau Anna Breuer, DRK-Altersheim, Baracke am Bahnhof, früher: Königsberg, Preußen, Besselstraße 17, 75 Jahre;

 

Am 17.12.1953: Frau Henriette Isanowski, Dorotheenstraße 10, früher: Labiau, Dammstraße. 71 Jahre;

 

Am 20.12.1953: Gustav Habermann, Bismarckstraße 40, früher: Königsberg, Preußen, 74 Jahre;

 

Am 23.12.1953: Frau Helene Kasokat, Lager Westerallee, früher: Tilsit, Gr. Gerberstraße 6a, 76 Jahre;

 

Am 27.12.1953: Adolf Müller, Lager Kielseng, früher: Königsberg, Preuße, Lange Reihe 8, 73 Jahre;

 

Am 27.12.1953: Frau Amalie Siegmund, ‚Fruerlundhof, früher: Königsberg, Preußen, Vorder-Anger 13, 82 Jahre;

 

Am 30.12.1953: Anton Harnau, Apenrader Straße 93, früher: Braunsberg, Bahnhofstraße 47, 71 Jahre;

 

Am 30.12.1953: Otto Schwellnus, Große Straße 61, früher: Saugen, Kreis Heyderk, 74 Jahre.

 

Allen Geburtstagskindern wünscht die große Ostpreußenfamilie, insbesondere der Vorstand, eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und gratuliert aufs allerherzlichste. Armoneit

 

 

Seite 11   Sommer im Bernsteinland. Von Alexis. 7. Fortsetzung

Foto: Blick auf den Bahnhof von Metgethen. Aufn.: Fr. Scheffel

Foto: Winterpracht im Alkgebirge – Galtgarben

Die Kapelle befindet sich ebenfalls im ersten Stock. Man gelangt zu ihr über eine Wendeltreppe vom Innenhof aus, die auf eine hölzerne Galerie mündet. Diese Galerie ist erst in jüngster Zeit wiederhergestellt, wie überhaupt Vieles von glücklicher Hand mit staatlicher Hilfe in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden konnte.

 

Zwei Torbogen aus glasierten Ziegeln führen hinein, von denen der eine für die Geistlichkeit, der andere für die Brüder bestimmt war. Der farbige Schmuck lehnt sich an uralte mesopotamische Vorbilder an, die der Orden im Heiligen Land kennen gelernt hatte. Dort lehrten ihn auch byzantinische Baumeister die rechteckigen Türme aufzuführen, die an römische Kastelle erinnern. Erst in Preußen gelang es in einer zweckmäßigen Verschmelzung des überkommenen, eine eigene Ordensbaukunst auszubilden. Neben den Türen befinden sich als sichtbare Erinnerung strenger Ordenszucht winzige Büßerzellen.

 

Das Innere der Kapelle, in der noch heute Gottesdienst abgehalten wird, enttäuscht. Während ein prächtiges Gewölbe und ein mit Rankenwerk ornamentierter Fries aus gebranntem Ton die Hand des Meisters verraten, stören ein neuer Altar, ein buntes Glasfenster und die Orgelempore mit schlechten spätbarocken Figuren den Gesamteindruck, fast, als wollten sie den Wert alten Kunsthandwerks gegenüber neuzeitlicher Massenware herausstellen. Hier wurde auch über die Sünder Gericht gehalten, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, wobei Bernsteindiebstähle am häufigsten waren. Schwebend beförderte man die fragwürdigen Engel durch ein kreisrundes Loch im Boden ins Erdgeschoß, wo sie im Flur in Empfang genommen und gleich noch ein Stockwerk tiefer ins Burgverließ hinabgestoßen werden konnten. Es trug den Namen „böses Rößlein" und war mit seinen Erfindungen grausamen Strafvollzugs wahrhaft dazu angetan, seinen Reiter für immer aus dem Sattel zu werfen.

 

Eine Mauernische beherbergte den Schwerverbrecher, der in Ketten gelegt, seiner Aburteilung harrte. Er wurde enthauptet, eingemauert oder von einem Stein, der einen Schacht bedeckte in einen Kanal herabgestoßen, der mit dem Haff in Verbindung stand.

 

Die Eingangspforte war doppelt gesichert. Da sowohl die Burg als auch der Wirtschaftshof auf allen Seiten von Wasser umgeben war, galt es erst, zwei Brücken zu überwinden, um zu ihr zu gelangen. Neben der spitzbogenüberwölbten Zelle des Pförtners lag die Wachstube. Wie alle Räume des Erdgeschosses mit sparsamen Fensteröffnungen versehen, muss sie an Winterabenden in der warmen Erleuchtung durch das Kaminfeuer am traulichsten gewesen sein. Gegenüber befindet sich die Schatzkammer, in der man den abgelieferten Bernstein nach Sorten und Größen in Fässer verpackte, um ihn zur Bernsteinkammer nach Königsberg zu bringen Der Erlös daraus war in manchen Jahren so bedeutend, dass der gesamte Haushalt des Hochmeisters daraus bestritten werden konnte.

 

Ein architektonisches Wunder ist auch die geräumige Küche mit einem Speisenaufzug zum darüber gelegenen Coenakel, von der man überall schnell hingelangen konnte, wie überhaupt alle Räume irgendwie in offener oder geheimer Verbindung stehen; ein sinnvolles Labyrinth, gleich einem Ameisenhügel; Behausung einer Gemeinschaft, in der einer dem anderen diente und dennoch dem Willen des Einen in seinen bescheidenen drei Zimmern untergeordnet war.

 

In Fischhausen galt es für uns, das preußische Paradies aufzusuchen, das der Königsberger Professor der Naturwissenschaften C. H..Rappolt hier entdeckte — „hier, wo das Haff einen schönen halbrunden Busen machet und das Wasser eine Menge Schwanen, Miewen, wildte Endten, Schnepfen und andere Wasservögel in gantzen Scharen aufweiset. Wenn wir uns auch nicht gleich ins Paradies versetzt fühlten, fanden wir doch dass die sogenannte „Gardine", ein breiter Streifen alter Bäume und dichten Unterholzes, wo es stark nach Brennnesseln roch, für die zahlreichen gefiederten Sänger, die vor uns aufflogen, ein kleiner Garten Eden war.

 

Von fern erblickten wir das Wäldchen, in dem das Erinnerungskreuz für den Märtyrer Adalbert verborgen liegt der hier bei Tenkitten, das Christentum heidnischen Preußen predigend, als erster Apostel des neuen Glaubens im Jahr 997 den Tod gefunden haben soll.

 

Über Weidegärten, in denen wir würzig duftende weiße Nelken sammelten schlugen wir uns hindurch. Doch fanden wir die Stätte mit dem Kreuz recht verwahrlost. Der Boden war noch warm von der Lagerung eiervertilgender Ausflügler; weiterhin aber am Strand leuchtete zwischen den tamariskenähnlichen Büschen des Sanddorns bronzefarbenes Fleisch in Fülle, so als hätte die Firma Nivea-Creme unter dem Motto „sonnengebräunt ohne Sonnenbrand“ eine Freiluftschau preisgekrönter Epidermis an Rücken, Bäuchen und Schenkeln veranstaltet. Ohne prüde zu sein, mussten wir dem heiligen Adalbert recht geben, der die spärlich bekleidete Nachbarschaft als Erregung öffentlichen Ärgernisses empfunden hätte.

 

Sein Leben und seine Mission in Preußen ist so von Legenden umrankt, dass man sich durch ihr Gestrüpp nicht recht hindurchfindet. „Es erblühte eine Purpurblume in den böhmischen Landen; ein Knabe, noch größer als seine hochgeborenen Eltern, ein goldener Apfel an edlem Reis“ – mit diesen Worten beginnt der heilige Bruno seine Lebensbeschreibung.

 

Dieser Knabe Woytech wurde in Magdeburg zum Priester erzogen, wobei er den Namen Adalbert erhielt. Er ist weit gereist und hat sich gern in Rom aufgehalten, in dessen Klöstern das Dasein beschaulicher sein mochte, als in seiner Heimat. An ihm bewahrheitete sich das Sprichwort, dass der Prophet nichts in seinem Lande gilt, denn so oft er als Bischof von Prag ansetzte, seinen Leuten ins Gewissen zu reden, wurde er höchst ruppig behandelt. Er hatte eben die auch heute noch gültige Regel nicht beachtet, dass die Menschen nichts mehr übelnehmen, als wenn man ihnen in ihr Vergnügen hereinredet.

 

Einst fand sich bei ihm eine Frau zur Beichte ein, die vor ihrem Ehegemahl in berechtigter Angst schwebte. Er versteckte sie hinter dem Altar, wo sie von den Häschern einfach hervorgezerrt und einen Kopf kürzer gemacht wurde. Dabei soll ihm erstmalig der Gedanke gekommen sein, dass er sein Leben als Märtyrer beschließen müsse. Doch zog er es vor, nach diesem Ereignis erst noch einmal die „süße Roma" aufzusuchen.

 

Später trat er mit dem Polenkönig Boleslaus in Verbindung, in dessen Land es viel Heiden gab. Oft wurde er bei seinen Bekehrungsversuchen angefeindet. Als er sich einmal im vollen Ornat einer Stadt näherte, erkannte ihn einer aus der Menge und rief seinen Leuten zu: „da kommt der, der uns durch Untertauchen im Wasser verderben will", was einen Steinhagel und schleunige Umkehr zur Folge hatte.

 

Der Zug ins Preußenland geschah zu Wasser. Zwei Gefährten nur betraten mit dem Bischof das Land; die Schiffsknechte suchten bei Nacht das Weite. Die erste Begegnung mit den Heiden wird uns durch den heiligen Bruno so geschildert: während Adalbert, „Honigtau im Mund" seinen Psalter liest, kommen sie, „keuchend, zähneknirschend und barbarische Worte ausstoßend" herbei, um ihn auszufragen. Da er den Namen Boleslaus nennt, hat er es schon verdorben, denn auf die Polen war man nicht gut zu sprechen. Einer gibt ihm mit dem Ruder Saures und fordert ihn auf, sofort umzukehren, wenn er nicht sein Leben aufs Spiel setzen wolle.

 

Dennoch nimmt der Bischof den Weg nach einem Dorf auf, wo ihn Menschen mit „Hundeköpfen" umgeben, die sicherlich nichts weiter, als schlecht rasiert waren und „blutgierige Reden“ führen, deren Inhalt freilich nicht erwiesen ist, da keiner des Preußischen mächtig war.

 

Man muss jedenfalls seiner Predigt eine ganze Weile zugehört haben, die die Preußen ganz unvorbereitet traf und die mit ihrer fremden Gedankenwelt keinerlei Wirkung ausüben konnte. Als rechte Kinder der Natur wandten sie ein, dass ihnen der neue Glaube nichts nütze; deswegen könne die Erde auch nicht mehr Früchte hervorbringen, die Bäume würden auch so blühen, neue Tiere geboren werden und alte sterben. Sie dringen in ihn, ihr Land zu verlassen, um einem sicheren Tod zu entrinnen.

 

Damit sah Adalbert ein, dass er bei diesen Dickköpfen nichts ausrichten könne. Auch der Grund für diesen Fehlschlag ist ihm abträglich gewesen. Er hat bereits einen neuen Plan gefasst. In Pommerellen will er seine Bekehrungsversuche wieder aufnehmen und sich dabei ein Äußeres geben, das nicht zu dem Aussehen seiner Schäflein in geradezu aufreizendem Gegensatz steht. Nach dem Beispiel der Apostel will er unten den Leuten leben, mit ihnen arbeiten und seine Gebete heimlich sprechen, bis die Zeit gekommen ist, wo er mit seiner Lehre hervortreten kann. Aber es war anders bestimmt.

 

Kurz darauf wird Adalbert von den Preußen getötet. Es scheint, als habe er auf einem Boden gerastet, der ihnen heilig war, denn seine Gefährten, die sich sogleich entfernten, als sie die feindselige Haltung der Heiden erkannten, wurden nicht vom selben Schicksal ereilt.

 

Sein Leib wurde vom Polenkönig um eine hohe Geldsumme ausgelöst  und nach Gnesen überführt. Fünf Gotteshäuser am Gestade der Ostsee nach dem Heiligen benannt. Neben Tenkitten erhielten die Kirchen zu Riga, Danzig, Wollin und Stettin seinen Namen.

 

Da uns die Küste gefiel, unternahmen wir eine Strandwanderung nach Palmnicken. Ein Fenster nach dem Westen zeigt die See hier stärkerer Belebung, als bei Rauschen und Cranz. Wir gewahrten manchen Dampfer, der von Pillau auslief und dem wir im Stillen ein Päckchen Sehnsucht nach dem Reich mit aufluden.

 

Die Bernsteinküste ist von einem besonderen Nimbus umgeben. Wir wissen, dass man zu ihr schon im Altertum vordrang, um das Gold des Nordens einzuhandeln. Zahlreich sind die Geschichtsquellen, die davon erzählen. Es war daher kein Wunder, dass die Heimatliebe preußischer Gelehrter auch hier das Paradies suchte, für das der naturbegeisterte Rappolt im engeren Sinn die Gegend um Fischhausen wegen ihrer ornithologischen Ausbeute erklärte. So hat Hasse „Preußens Ansprüche, als Bernsteinland das Paradies der Alten und das Urland der Menschheit gewesen zu sein" aus biblischen, griechischen und lateinischen Schriftstellern erwiesen . . .

 

Auf Hennenbergers Landtafel von Preußen, die ein reizvolles Landschaftsgemälde darstellt, sehen wir längs der Küste Bernsteinfischer mit Netzen und Bernsteingalgen eingezeichnet — letztere zur bequemen Benutzung für Diebe, die man auf frischer Tat ertappte.

 

Auch unser Wunsch war es, ein Stückchen Bernstein zu stibitzen, wobei uns, unbescheiden genug, ein schöner runder Einschluss vorschwebte: ein Blatt, eine Ameise, eine ganze Libelle!

 

Wir zogen die Schuh aus und patschten im Wasser entlang. Gleich Tautretern bildeten wir uns ein, von Minute zu Minute gesünder zu werden. Hier fanden wir ein Stück vom Alter geschwärztes Holz, dort einen stacheligen Fisch, bisweilen auch das gesuchte Harz. Aber es waren nur kleine Stückchen. Immer wieder gab es Anlass zu Neckereien, wenn wir auf die dem Bernstein so ähnlichen Blasen des Seetangs hereinfielen, nach denen wir uns wohl hundertmal vergebens bückten. Als wir begannen, die Täuschung voreinander verbergen zu wollen, wurde es doch offenbar, wenn ein Fehlgriff die notwendige Reinigung der Finger nach sich zog, was das starke Geschlecht am Hosenboden, das schwache am Taschentuch besorgte.

 

Langsam schritten wir vorwärts. Einmal war die Küste so nah an die See herangetreten, dass wir klettern mussten. Wir benahmen uns dabei wie rechte Salontiroler, woran, wie wir uns rechtfertigten, die Ermangelung von Nagelschuhen Schuld trug. Freilich sind die verweichlichten Sohlen von Asphalttretern nichts für spitzes Gestein. Der Fels, der eine braune Farbe hatte, ähnelte Schokolade.

 

An einer gefährdeten Stelle warteten wir ein Weilchen, bis der nächste Brecher vorbei war. Die vorüberstreichenden Möwen schienen uns auszulachen. Dann aber kam die nächste Welle doch um einige Sekunden zu früh, so dass wir bis an die Knie durchnässt wurden. Zu allem Überfluss erwies sich der Stein, auf dem wir vorsichtig die Füße aufsetzten, plötzlich als Schlick. Die Schokolade war weich geworden. Ich beteuerte, diesen Weg nicht noch einmal zu machen, es sei denn, um jemand durch den Kakao zu ziehen. Als wir endlich den sandigen Uferstreifen wieder gewonnen hatten und die Spuren des Moorbades beseitigen konnten, blickten wir vor Stolz zurück, so als sei uns die Querung des Marinellivuloirs geglückt.

 

Nach so viel Gefährlichkeit war unser Wunsch, einen hübschen Einschluss mit nach Haus zu bringen, schon bescheidener geworden. Deshalb dünkte uns auch ein kleines Stückchen, aus dem wir — sieh und staune — ein winziges Mückenbeinchen hervorschimmern sahen schon als Schatz.

 

Der Fund hatte unserem Ehrgeiz so weit gestillt, dass wir den Weg zielstrebig aufnahmen und bald die Höhe von Palmnicken erreichten, in dessen Park wir einen wahrhaft paradiesischen Sonnenuntergang in die See verfolgten während der Bernsteinsplitter im Schnapptäschen verwahrt, uns an die „Bernsteinpalme" erinnerte, die „Palm“-nicken ihren Namen gegeben haben soll.

 

Die Bernsteinindustrie, die hier zu Haus ist macht sich von weitem schon durch ein paar hohe Schornsteine bemerkbar Nachdem man einstmals das kostbare Harz hauptsächlich durch Stechen und Schöpfen mit dem Koscher gewann, so, wie es uns im großen Haushaltungsplan der Natur gegeben erscheint, bewegt man jetzt ganze Berge im Tagebau, um ihren bläulich-tonigen Schichten, der „Blauen Erde", danach zu suchen. (Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 12   De scheenst Wihnachtsboom. Von Wanda Wendlandt

 „Kinder, Kinder, ös dat e Wedder – e Wedder wo eener „Heere Se“ to segge mott! Dat sackt ömma wi möt Schöffels“. Damit zog der alte Michel seine Schlorren aus und klopfte sich die Spreuhacheln von seinen Manchesterhosen. Guste, die mit hochrotem Kopf in der Küche „Fladen beschmierte“, fuhr ihn an: „Na man ook de ohle Wuschs runder! Et ös all jeschiert und at kunn mi passe, mötte natte dreckje Wusche on all de ohle Spriehachels oppe witte Dähle!“ – „Wenn de Wiewer wasche un backe, hebbe se dem Diewel önne Nacke!“ brummte Michel, aber er bequemte sich doch dazu, die „Wuschen“ (beim Neuanstricken der Wollsocken abgeschnittene alte Fußlinge, die er zwecks größerer Wärme und zur Schonung der neuen Socken über diese zog)von den Füßen zu streifen, „denn“, zischelte er uns Kindern zu, „dat motte söck all e poor ohle Wiewer hiede opjehange hebbe, weil dat so e gruurije Wedder ös, on amend hängt söck denn ons Just okk noch op on wie krieje keine Flaode!“ –

 

„Na, häst Du ook de Päpernät orndtlich rösch jebacke, dat se orndtlich praoßle biem Kaue?“ fragt er im Vorbeigehen, „Aoh! Praohl doch man bloß nich ömma so mit Diene ohle Tähne – wieder ös jao sowieso nuscht dran an Di ohl knäkschäwje Uhlespeegel!“

 

Guste hat kaum noch Zähne und ihr leiser Neid sind die noch vollständigen tadellosen Zähne Michels, die ihm bis zu seinem Tode hoch in den Achtzigern treu blieben und mit denen er seine sämtlichen Weihnachtsnüsse knackte, welchem Beispiel wir Kinder begeistert folgten.

 

Unter Necken und behaglichem Plaudern wurde das Mittagessen, Kartoffelsuppe mit würziger Rauchwurst, eingenommen und Guste spendierte als Nachtisch einen noch warmen prächtig duftenden Glumsfladen. Dann stopften die Männer ihre Pfeifen, denn am Nachmittag des „Hölje-Aowend“ wurde nicht mehr gearbeitet. Mein jüngerer Bruder pirscht sich an Michel heran: „Michel, bitte erzähle uns doch mal wieder eine Geschichte!“ – „Ach ja, Michel“ unterstütze ich ihn: „Du hast uns doch noch die Geschichte versprochen, wie Du als Kind mit Deinem Onkel auf Zweibelreise warst und Dich dann verirrtest und beinahe ertrunken warst in der Kacksche Balis!“ „Mechel“, scharf fällt Guste ein, „Die Frau häwt verbaode, de Kinder schlechte Wörd to lehre!“ – Aber Guste, „Kacksche Balis ist doch ein großesHochmoor!“ lache ich. Alle lachen, aber Guste sieht Michel misstrauisch an: „Davon hab ich aber nie was jehert! Aber ganz egal, mits Erzählen is nuscht, Ihr kommt jetz baden un denn nuscht wie rein inne Posen, dass Ihr heit abends hibsch munter seid!“ – Michel tröstet uns, dass diese Weihnachten ja „dree Hölje Daog“ haben und wir also immer noch Zeit für die Geschichte finden werden.

 

„Aower Du kannst ons wörklich maol wedder e Jeschicht vatelle, Möchel!“ heißt es am Tisch. „Et ös jao hied dem ganze Dag schemmrich wie önne Uhleflocht, wenn Diene Jedanke und Jeschichte utfleege!“ – Aower denk dran, dat hiede Hölje-Aowend ös und leej ons nich wedder dem Puckel voll!“ – „Laote m man, e boske Leeje ziert de Red, sejjt die Sprichwoard!“ – „De Mechel leejt jao gaornich, he mott jo bloß ömma dem Jeschicht e böske utputze!“ –

 

Michel schiebt gemächlich den Priem auf die andere Seite: „Na wenn Ju partu wat heere wölle – dit Wedder lijt mit sowieso önne Knaoke on mi ös all morjens önne Bödd öntjefalle, dat dat hieder jenau fiewendärtig Jaohr sön, dat mi de Jeschicht passeert ös. Aower dao ös ook nuscht dran jelaoge, nich e Starwenswordke nich! –

 

Dat weer es klaor Frostmorje, bloß e breed rod Bleisch leej äwre Haff, wat nuscht Goods verspreckt, dao säd mien leew Korlin, denn dao läwt se jao noch, bi e Morjesopp to mi: „Weetst! Du kunnst doch hiede naoh N. loope, et ös doch so good Ies blank wi oppe Dösch. Duweetst doch, dat bi mien Schwester morje Kindelbeer ös un nu hebbe se doch dem Borch to Wihnachten noch nich schlachte könnt, weil se nuscht tu futtre hadde on de noch so e Puckel häwt wi e Saog. Du kunnst se doch e böske wat von un Önjeschlacht bringe, dat se bei wat färe Jevaddersch oppe Dösch to sätte hebbe. Eck kann jao morje doch nich hengaohne!" Un se kickt op ährem Buuk, denn se wachd all alle Daog oppem Haodebaor. Na eck secht mi denn mien Schrietschoh und se packd dem Löschke und denn rennd eck los. Et jing wi jeschmärt on dat Renne oppe blanke Ies flucht mi wi dat Kielke-eete. Na, Ju könne söck jao denke, wi de söck freide, wi eck möttem volle Löschke ankeem, mien Schwoger hold gliek dem Buddel möt Schnaps, wat färe Kinddoop dem andre Dag sön sulld, un eck mußd partu daobliewe un noch Möddag eete. Mötdewiel weer buute de Sönnke wech un keem ganz diester ropp. Na, nu weer kein Hohle mehr, nu maokt eck denn doch, dat eck oppe Haff ropper keem. Eck weer denn noch good ahlw Wech jekaome, dao ging et los. Himmel un Eerg weere tosamme und dat sackd wi möt Schöffels graods so wi hiede all dem ganze Dag. Na, wat weer to dohne, eck bendßeld mien Schrietschoh los, denn bi dem Schneestorm weer jao kein Värwartskaome, un jing to Food wieder. Et weer jao man e grot Gottesjlöck, dat all jefuhst weer (Fusen sind junge Kiefernstämme, die, wenn die Eisdecke des Haffs fest genug war, in gewissen Abständen in diese eingehauen wurden und die Fahrtrouten, aber auch offene Stellen, „Windwaoke“ bezeichneten), sonst hadd eck mi ganz bestömmt vabiestert. Weil aower de Storm ömmer doller wurd, bog eck naoh e Land runder, dat he mi dao undre Barje nöch so önkrieje sulld. Möt eens aower toch eck mienem Steewel trigg, als wenn eck möt barwt Foot oppe Adder jebascheld weer: Dicht fär mi treckd söck e ziemlich breed Rät, so wied eck kicke kunn. Bi dissem Wedder un Diesternis kunn eck jao nich mi darp önlaote, dao vleicht stundelang entlang to loope, dao hulp nu wieder nuscht als de Hart ute Böxe wedder rutjetaoge, e ordntlich Anloop jenaohme un denn räwer!

 

„Help de leewe Gottke!“ schreej eck wi eck räwersätt, un keem ook räwer. Aower knapp weer eck räwer, dao kickd eck mi kort öm un dao keem mi de Rät daonich mehr so jefährlich var. „Schied“ säd eck, „hattst ook nich to helpe jebruukt, eck weer ook äwer so e Rätke noch alleen räwer jekaome!“

 

Ju motte bedenke, eck hadd manchen Schnapske jenehmigt! Na, eck hadd dat knappjebrommt, dao jlötschd eck u tun plauksch! Leej eck önne Waoter! Dat köhld jao nu nich schlecht mienem Äwermot – Kinder, Kinder, eck hadd denn noch nie nich jedocht, dat de leewe Gott so äwelnehmrisch sönn kunn!! Eck bälkt nu wat eck kunn, aower wer sull mi woll höre, Hölje-Abend weer jao kein Föscher oppe Haff un denn noch bei so e Wedder, un de Post weer ook all lang dorch. Mötte Spötzke Steewel keem eck jao op Grund, aower wat kun at helpe: De Kantes vonne les droge nich und brooke ömma aw, wenn eck mi dao hochtehen wull, na un denn wull eck jao bold sachtkes verklaohme ön dem iesekohöe Waoter. Nu verläd eck mi denn op Bödde: Aoh Du leewet Gottke, aoh Du truutstet Gottke, so weimert eck, eck weet jao, dat eck e groot Sinder bön und at vadeen, dat eck hier an so e heilje Dag elend vasuup mott! Aower denk doch bloß an Dien Groot Gnad an mien aorm Korlin on ehr aorm Wormke, wo noch nich maol oppe Welt un nu all Wais ös!

 

So wuid eck und pracherd und pranzeld, dat dem leewe Gottke woll doch to väl wurd, denn möt eens, dao keem e groot Ihlig (Wirbelsturm), dat hield und roahrt un juhld, als keem de Leibhaftje sölwe anjeprescht, de Ies boj söck un e Schwauks Waoter jing mi äwre Kopp, dao schlog doch wat dicht bi mi daol dat mi de Händ vonne Ies awglötschde. Aower gliecks grawweld eck wedder naoh baowe un kej doch e Boom to faote, de leej dwars äwre Rät. Na, nu angelt eck un stangelt mötte Beene un tog mi hoch und hachelt un kachelt un ampelt un strampelt un keem denn ook endlich jlöcklich to Ried oppem Booem to hucke. Nu leed eck mi längs un mien grawwemnde Finger kreeje Äst to packe un eck kunn mi denn, so vaklaohmt eck ook all weer, doch jlömplich oppe Ies ropschuwe. Dao seej eck denn, dat enn vonne Fuhse weer, wo die Ihling voll mott utieräte und heriekrieselt hebbe. Na eck socht mi nu Schrietschoh un Löschke tosamme, de hadd eck all värher räwerjeschmäte, un denn brook eck dem buuterste Endke Wöppel vonne Ficht un denn maokt eck mi oppe Socke, denn mi klapprde de Tähne nich schlecht.

 

Aower Ju könne söck denke, wat mien Korlin fär Ooge maokt, wi eck natt wi e Katt önne Där keem und ehr dem Fichtewöppel präsentiert. „So e ohl Ficht – wi hebbe doch all e hibsch Dannke als Wihnachtsboom!“ muhld se. Aower wi se nu to heere kreej – Kinder, Kinder, dao mußd eck mi ook noch Ooge un Näs möttem Ärmel wösche un kein Wihnachtsboom ni nich mehr weer fär ohns so scheen wie dis oh Fichtewöppel!“

 

Seite 12   Heimat / Von Siegried von der Trenck, verstorben

Wer die Heimat liebt, ist geborgen

In weit und breiter Welt.

Heimat ist heut‘ und morgen,

was tränkt und was gefällt.

 

Heimat ist Kerkergitter,

ist Freiheit, riesengroß.

Heimaten sind wie Mütter:

Dunkel ist ihr Schoß.

 

Heimat hat Blutgewalten,

die singt kein Wort, kein Lied

Heimat wird fest dich halten,

wenn längst du ausgeglüht.

 

Mit ihren weißen Sanden

Deck sie dein Denken zu.

Heimat – von allen Landen

Seligste Heimat du!

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (5)

Liebe ostpreißische Landsleute!

Es ist hubbrig geworden, der Regen rennt längs e Fensterscheiben runter, de Hundchens klemmen dem Zagel ein, und der Reismatismus meldet sich auch wieder in das klapprige Gebein. Das is das richtge Grogwetter, Se wissen doch: Rum muss, Zucker kann, Wasser brauch nich! Eigentlich is der Alkohol ja unser Feind deshalb vertilgen wir ihm auch, wo wir ihm bedricken, aber einer kann sich mit die Zeit auch sehr mit ihm befreinden, und denn erlebt einer dolle Dinger. Einmal traf ich einen nachts inne Stadt, der hädd dem Schlissel im Mund und wolld nu mit Gewalt seine Haustier mitte brennende Ziehgarr aufschließen. E Stickche weiter stand einer untre Latern, - es war Sonnabend, und es hädd Geld gegeben – der bemiehd sich, alles aus seinem Magen wieder loszuwerden. Das ging auch ganz gut, bloß mit eins kam e kleines, schwarzes Hundche gelaufen und fing an zu friehsticken. Nu machd der Mann aber große Kulleraugen, kickd noch e mal ganz geniau hin und meind denn zu mir: „Ich hab ja heite allerhand intus, aber sagen Se mir, wo hab ich bloß dem schwarzen Hund gefressen?“ Und nu kommt der große Schreck, wo ich schon das letzte Mal von erzählen wolld. Natierlich hädd auch der Kornus schuld. Wer Insterburg kennt, der kennt bestimmt auch de Friehsticksstub on Laurinat aufem Alten Markt. Da gab gut und billig zu essen und zu trinken. Aufem Tisch stand immer e Korb mit Brötchen, wo nich gezählt wurden. Damals gab es ja 6 Stick fier e Dittche. Von die konndst essen, soviel wie bloß reinging. Also einem Abend hucken wir jung und knusprig mit e paar Bekannte bei Lauriant und kippen immer einem nachem andern auf die Milledie: „Sup on denk ön dienem Sönn, wat noch bute ös, mot rönn!" Es wurd spät und immer später. De Kleinbahn nach Kraupischken war längst weg, und es blieb mir nu garnuscht anders iebrig, wie zu Fuß nach Kamswutschen zu gehen. Aber erst können vor Lachen! Die andern blieben noch hucken, denn die waren aus Insterburg. Ich mißd aber los, denn wer solld Sonntag de Post austragen! Was e ordentlicher Beamter is, dazu noch vonne Post, dem gnagt das Pflichtgefiehl innem Busen und läßt ihm keine Ruh, bis er sich hochreißt und dem schweren Gang nach Hause antritt. (Meistens lauerd de Emma all mittem Schlorr inne Hand, aber das bloß nebenbei!) Wie ich inne frische Luft kam, da rutschen mir de Beine untrem Bauch weg, und ich huckd mit eins patärr. Miehsam wieder hoch — und wieder runter, wie bei die Preißen: Auf! — Nieder! Das ging so e ganze Weil. Spaß machd es ja nich, aber einer kam doch langsam, sehr langsam weiter. Aber wie ich mir denn ausrechend, dass ich auf die Art bis zu Haus ungefähr vierzehn Tage brauchd, da faßd ichdem kiehnen Entschluß, bei meinem Freind Schneidereit zu bleiben, wo inne Theaterstraß bei eine rundliche Witwe wohnd. Das war nich ganz ungefährlich in meinem Zustand. Aber es blieb mir nuscht andres iebrig, wie in dem sauren Appel, das hieß in die rundliche Witwe, zu beißen. Aber wie kommst nu inne Theaterstraß? Meine Freinde hädden mir dem guten Rat gegeben, mir immer mitte Hand anne Heiser festzuhalten, das ist das Sicherste, sagden se. Das tat ich denn nu auch, und es ging auch einigermaßen. Aber denn kam mit eins der große Schreck, wo ich das ganze Leben nich vergessen hab. Denn, wissen Se, auf einmal grapschd ich mitte Hand inne Luft, de Heiser waren weg!! Ich dachd, mir riehrt der Schlag. Ich suchd und suchd, links und rechts, oben und unten, nuscht zu machen, kein Haus nich mehr zu finden. Ich sah mir all elendiglich umkommen, denn es war stockediester und es goß wie mit Eimers. Verzweifelt huckd ich mir hin und brilld aus Leibeskräften: Heiser her! Heiser her! Aber es kamen keine Heiser, und es kamen auch keine Menschen, denn se pennden aller war mund trocken zu Haus, bloß ich Unglicklicher war rettungslos dem Schicksal ausgeliefert. So ergab ich mir und schlief ein. E paar Stunden später wachd ich auf. Es wurd all e bißche heller, und ich kickd mir um. Da huckd ich an die Eck, wo de Miehlenstraß vom Alten Markt abbiegt, gegenieber von das Koddergeschäft Robert Brendel, und ich hädd statt anne Heiser immer inne Miehlenstraße reingegrabbelt. Fragen Se nich, wie ich zu Haus gekommen bin! Aber de Emma war sehr gnädig. Wie ich ihr mein schreckliches Erlebnis erzähld, legd se dem Schlorr weg und hold das Biegeleisen. Denn packd se mir aufem Tisch und hat mir die Verkiehlung auße Knochen rausgebiegelt. Das is e altes Hausmittel, sagd se, von dem beriehmten Professor Busch. In seine Biecher steht: „ .... und e heißes Biegeleisen, auf dem kalten Bauch gebracht, hat es wieder gut gemacht!“ Denn bin ich dem Kornus aber e ganze Weil außem Weg gegangen, bis der alte Herr Lehrer Geburtstag hädd. Das war immer e großes Ereignis. Er tat sich viele Frauen zu Kaffee und Streiselfladen einladen, se waren ja aller bei ihm inne Schul gegangen. Denn huckd er mittenmang und erzähld in eine Tur seine Spaßchens, dass einer sich rein bekullern konnd vor Lachen. Abends um zehn kamen dann de Männer ihre Frauens abholen. Aber es wurd nuscht mittes Aufbrechen. Denn nu ging es erst richtig los, und nu kamen die Herren zu ihrem Recht. Weil es die Frauen denn zu lang dauerd, gingen se so gegen zwölf allein zu Haus, und denn kam immer all der Sonnche hoch, bis wir Herren außer Tier rausfanden. Was waren das doch fier ruhige und gemietliche Zeiten. Jeder machd seine Arbeit, und de Feste wurden gefeiert, wie se fielen, aber denn grindliche! Heite rennt einer dem andern um, jeder is dem andern sein Deiwel, gegenseitig machen sich de Menschen das Leben schwer. Warum bloß? Nich emal Weihnachten halten se Ruh, und ds is doch das Fest der Liebe. Vorgte Weihnacht hat der Bäcker hier im Dorf unsrem Faden nich gebacken, weil wir bei ihm nich das Brot kaufen. Das is aber so schlecht abgebacken, dass de Hand untre Kirst runterschieben kannst, und so sauer, dass sich der Magen umkrempelt, Fier unsre paar Rentnerdittchen wollen wir doch bei wenigstens gutes Brot haben. Nu huckden wir ohne Fladen da. Aber es mißd auch gehen. Der Bauerochse winschd uns zu Weihnachten, dass wir bald aus seinem Haus rauskommen sollden, dabei dachd er aber nich an uns und an dem Aerger, wo er uns dauern macht, sondern an sich selbst. Er will uns partuh raushaben. Zu Haus hat keiner einem belästigt. Da hädden wir e scheenem, großen Backofen, oben inne Röhr prischelden de Bratäpfel, und untern waren die Pfeffernisse drin. Wir steckden de Pitroljumslamp an, rollden dem Teich in lange Wirmer aus, schnitten mittes Messer kleine Stickerchens ab und legten die aufes große Blech, wo de Emma scheen eingefett hädd. Ein Blech raus außem Ofen, eins rein! Und de ganze Stub hat so richtig weihnachtlich gerochen, das war immer all es große Vorfreid. Einem wird ganz wehmietig untres Schemisett, wenn einer so zurickdenkt. Kurz vor Heiligabend hold ich denn e großem Baum außem Wald, de Emma suchd dem Schmuck zusammen, wo aufe Lucht in alte Kartons aufbewahrt wurd, und denn wurd der Baum mit blanke Kugels behängt, mit Lametta und Sternchens. Und aufe Spitz kam e Glockenspiel, wo sich drehd, wenn die brennende Lichter ihm erwärmen. Wer hädd damals gedacht, dass wir mal hier in die Fremde hucken werden und uns rumschlagen missen wie die Vagabunden! Dass wir uns beleidigen und kujenieren lassen missen. Aber wenn es einem auch manchmal rein zu viel wird, wir dürfen nich dem Mut sinken lassen. Je stärker wir uns an unsre Heimat anklammern und an unsre Erinnerung, desto sicherer werden wir auch einmal wieder zu Haus sein. Immer daran denken, niemals vergessen! Seine Se man nich bees, dass der zweite Teil von diesem Brief nich so freehlich is wie sonst, aber wenn es auf Weihnachten geht, denn kommen ebend sone Gedanken. Iebrigens können Se auch mal an mir schreiben, was Se so alles erleben und runterwirgen missen. Denn is unsre Verbindung nich so einseitig, und geteiltes Leid is halbes Leid. Schicken Se Ihrem Briefche man ruhig anne Redaktion, ich krieg ihm schon! Und nu winsch ich Ihnen – trotz allem – und trotz allem! – freehliche und gesunde Weihnachtstage! Essen Se nich zu viel Marzepan und verderben sich nich dem Magen mit dem fessten Gänsebraten – Diät ist besser und gesinder. Das is der alte Trost fier viele, viele Flichtlinge, wo keinem Marzepan und keinem Gänsebraten nich haben. In alter Treie mit herzlichem Heimatgruß! Ihr Ernst Trostmann. Landbriefträger z. A.

 

Seite 12   Immer gemietlich

Der August Schneidereit aus Neu-Stobingen, fuhr mitte Bimmelbahn nach Insterburg. Er wolld dem Schwestersohn e Happche Schmeckwurst bringen, weil er noch mal geschlacht hädd zwischendurch.

Er huckd, dem kalten Knösel mang e Lippen, De Wurst im Schuhkartong, mit Band beschniert, Und wolld gerad e bißche iebernippen, Da kam e fremder Kerdel reinspaziert. Der war in Tammowischken eingestiegen und hädd e großem Koffer inne Hand. Er ging de Leite aufes Land betriegen. Mit Schuhwichs, Schreibpapier und Fitzelband. „Mensch, Fritz, wo kommst du her, du alter Sinder?

Sinder? Wie lang hab ich dir nu all nich gesehn? Was machen deine Frau und deine Kinder? Du häddst doch frieher Sticker acht bis zehn!" So redt er los mit Hände und mit Fieße, „Daß ich dir traf! Ich bin direkt beglickt! Und nu bestell zu Haus man scheene Grieße Mein lieber Fritz!" Der August huckt und kickt „Ich muß nu raus, wir sind in Pieragienen " Und rietz, da hoppsd er auch all außem Zuq — Jetzt fing der Ernst Padeffke an zu grienen, „Na August, nu war auch all meist genug! Was hat der sich da bloß zurechtgedrechselt? Du hast nich Frau, nich Kind, du heißt nich Fritz. Der hat dir ganz bestimmt mit wem verwechselt' Vleicht hädd er auch all einem untre Mitz. Was sagst dem Dussel das nich gleich beizeiten, Und wenn er foorziq außem Anzuq fällt?" „I, Mensch, ich fang mir doch nich an zu streiten. Da weiß nie keiner nich, wer recht behält!"

 

 

Seite 13   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen.

Oldenburg (Oldb.) Gotenstraße 33.

Unser Turnbruder, der Bücherrevisor Karl Blaesner. Völlig unerwartet verschied plötzlich am 08.11.1953, im Alter von 63 Jahren. Seiner tieftrauernden Gattin, unserer Turnschwester Margarete Blaesner, geb. Pohl, Hannover-Lnden, Stockmannstraße 12, mit der er noch im August gesund und frisch zum Wiedersehenstreffen nach Hamburg gekommen war, gilt unsere herzlichste Anteilnahme.

 

Acht Tage nach ihm, am 15.11.1953, erlöste der Tod unseren Turnbruder, Architekct B. D. A. Henry Gross, in Berlin, im Alter von 77 Jahren, von einem langen, schweren Leiden. Obwohl seit langem in Berlin ansässig, hat er uns die Treue gehalten.

 

Beide gehörten dem KMTV 1842 an. Ihr Andenken wird von uns in Ehren gehalten werden!

 

Allen im Dezember Geborenen gilt unser besonderer Gruß! Einen besonderen Glückwunsch senden wir den Geburtstagsjubilaren:

 

Paul Ortmann, TC Danzig. 05.12.1953 = 80 Jahre;

 

Elisabeth Schmidt, KMTV 1842. 14.12.1953 = 75 Jahre

 

Emil Korbanka, Lyck. 06.12.1953 = 70 Jahre

 

Grete Scheffke, geb. Baasner, Zoppot. 14.12.1953 = 65 Jahre

 

Rudolf Edse, KMTV 1842. 23.12.1953 = 65 Jahre

 

Hertha Pech, Danzig-Heubude. 16.12.1953 = 60 Jahre

 

Gerhard Mierau, Zoppot. 14.12.1953 = 50 Jahre

 

Gustel Thienert, KMTV 1842. 24.12.1953 = 50 Jahre

 

Allen Geburtstagskindern ein dreifaches kräftiges Gut Heil!

Für das 8. Wiedersehenstreffen in Verbindung mit dem 4. Bundesalterstreffen des DTB vom 03. Bis 06.09.1954 in Hameln habe ich bereits mit Turnbruder Jagusch die Gasträume besichtigt. Näheres bringt der im Dezember erscheinende Jahresrundbrief.

 

Das bereits seit langem angekündigte Anschriftenverzeichnis geht den Bestellern voraussichtlich bis Ende Januar 1954 zu. Wer kann die heutigen Anschriften nachgenannten Turnbrüder und Turnschwestern mitteilen?

 

Kurt Dahl, KMTV 1842

 

Franz Hellwich, Lyck

 

Gertrud Kaiser-Traeder, Zoppot

 

Gretel Kanis, Zoppot

 

Irmgard und Jürgen Kaulbarsch, Zoppot,

 

Gerda Kinski, Langfuhr

 

Fritz Klein, Elbing

 

Rudolf Kobelt, Neufahrwasser

 

Hans-Harald Köppen, TuF Danzig

 

Heinrich Kollmann, Allenstein

 

Horst Kossack, KTC

 

Kowalczyk, KMTV 1842

 

Gert Krumrey, TuF Danzig

 

Christa Lange-Harder, KTC

 

Thomas Lange, TuF Danzig

 

Fritz Lempert, KTC

 

Brigitte Leonhard, Zoppot

 

Fritz Makoschey, Lyck

 

Helmut Mangold, TuF Danzig

 

Max Mankowski, Zoppot

 

Ilse Mattausch-Schütz, KTC

 

Helmut Matzpreiksch, Heydekrug

 

Fritz May, Zoppot

 

Helmut Meissner, Zoppot,

 

Hans Mertens, Neufahrwasser

 

Mertinat, Lyck

 

Martin Mildt, Labiau

 

Frank Moeller, KMTV

 

Helmut Moschall, Neufahrwasser.

 

(wird fortgesetzt)

Nachricht erbittet Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.) Gotenstraße 33.

 

Seite 13   Aus den Landsmannschaften

Peine

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Peine erfreut sich seit ihres Bestehens bei allen Veranstaltungen eines lebhaften Besuches aller mit der Heimat verbundenen Landsleute. Zahlreiche Veranstaltungen wurden in den letzten Jahren zur Durchführung gebracht. Zurzeit setzt sich der Vorstand der Landsmannschaft aus Herrn Lehrer Hinterleitner, dem Schriftführer Herrn Sperber und dem Kassierer Herrn Waloch zusammen. Dem weiteren Vorstand gehört als 2. Vorsitzender Herr Cuhls an.

 

An jedem 1. Donnerstag im Monat finden die Versammlungen im Saal des Deutschen Hauses in Peine statt. Auch die Bruderhilfe wurde bisher 2 Mal durchgeführt und beide Male wurde ein nennenswerter Erfolg erzielt. Am 3. Dezember 1953 findet die Adventsfeier im Versammlungslokal statt und bei dieser Gelegenheit wird die bekannte Rezitatorin Frau Schneider-Finger Auszüge aus Werken und Gedichte von Agnes Miegel zum Vortrag bringen und die Hausmusikkapelle sowie der wieder ins Leben gerufene gemischte Chor werden Adventslieder spielen und singen, so dass eine besinnliche und frohe Adventsstimmung zu erwarten ist.

 

Im Laufe des Winters wird das traditionelle Fleckessen 1 oder 2 Mal stattfinden. Außerdem wird am 30.01.1954 ein Kreistreffen und im Anschluss daran ein Fest im Saal Hagenschänke in Peine durchgeführt.

 

Seite 13   Martha Maria Bosch: Christine, Kleiner Roman für junge Damen, 112 Seiten, 1,95 DM. Kreuz Verlag GmbH Stuttgart.

Auf dem Gebiet der Literatur herrscht solcher Mangel, wie an guten zeitgemäßen Mädchenbüchern. Umso erfreulicher ist es ein Buch wie „Christine“ in der Hand zu haben. Es ist ein sauberes, frisches Buch, das sich mit allen Problemen befasst.

 

Seite 13   Suchanzeigen

Gesucht wird Gerhard Burdin, geb. 02.01.1922 in Hohenstein, Ostpreußen, zuletzt Gefreiter bei der schwer. mot. Artill. in Stalingrad, Feldpostnummer 14443. Wer kann über seinen Verbleib Auskunft geben und war mit ihm zusammen? Nachricht erbeten an: Gerhard Burgner, Meensen 7 über Hannover Münden.

 

Welcher Russlandheimkehrer kann Auskunft geben über meine beiden Söhne: Leo Grunwald, geb. 21.02.1926 und Bruno Grunwald, geb. 09.01.1925, aus Wormditt. Letzter Aufenthalt meiner Söhne war in Ostpreußen. Auskunft erb. Paul Grunwald, Friedrichstal/Baden, Hauptstraße 34, Kreis Karlsruhe

 

Welche Kameraden können Auskunft geben über den Verbleib meines Sohnes Horst Günter Moser, geb. 12.08.1927 in Königsberg. Wohnhaft in Königsberg. Seit Oktober 1944 bei der 4. SS-Funker-Nachr. Ausbildung und Ers.-Abt. 2, Feldpostnummer 18610. Letzte Nachricht vom 13.01.1945, eingesetzt im Osten. Nachr. erbet. an Frau Berta Moser, Neumünster, Stegerwaldstraße 23

 

Alfred Borrmann, aus Tilsit, Jägerstraße, sucht Herbert Eisenack und Walter Bauszat, aus Tilsit, oder dessen Angehörige aus Tilsit. Nachricht erb. nach Hambühren 2 über Celle

 

Suche meinen Neffen Kurt Stanzik (auch als Kurt Sandt bekannt), aus Königsberg, Gr. Domplatz 3, geb. 26.08.1917. Er war bis Januar 1945 beim Ersatz- und Ausb.-Batl. in Borna bei Leipzig. Wer kann Auskunft geben? Unkosten werden erstattet. Anna Noß, Neumünster (Holstein), Breslauerstraße 13, bei Drews

 

Hermann Werner, geb. 18.12.1874, aus Marienhagen, Kreis Samland, geflüchtet von dort Januar 1945, vermutlich auf der Flucht verstorben. Wer kann nähere Angaben machen über den Verbleib des Vermissten? Wo befinden sich Frau Bartsch und Frau Braun, aus Marienhagen? Nachricht erbeten an Frau Bertha Werner, geb. Rahn, Elmshorn, Stubbenbruck 89

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder, Pol.-Wachtmeister Hans Thimm, Bischofsburg. Letzter Einsatz Juni 1944 Mittelabschnitt Russland. Nachr. erbittet Anton Thimm, Klüsserath bei Trier/Mosel

 

Suche Feldwebel Johannes Jordan, Lehrer in Peitschendorf, Kreis Sensburg, geb. 15.08.1903, in Rosoggen, Kreis Sensburg. Er kämpfte zuletzt im ostpreußischen Raum, Feldpostnummer 05833. Letzte Nachricht vom 11.02.1945. Wer war mit ihm zusammen? Um Auskunft jeder Art bittet Mia Jordan, Lehrerin. Wedel / Holstein, Elbstraße 13 (früher Peitschendord, Kreis Sensburg).

 

Wer weiß etwas über meinen seit 1945 verschollenen Mann Willy Goltz, geb. 37.05.1880, bis 1945 bei der Stadtverwaltung Königsberg tätig gewesen. Nachr. erbittet Frau Hedwig Goltz, Lüneburg, Grenzstraße 7

 

Gesucht wird Frau Erna Meta Wassel, geb. 05.12.1917 in Königsberg, zuletzt wohnhaft in Königsberg, General-Litzmann-Straße 70. Letzte Nachricht von dort. Erna Wassel war noch 1947 in Königsberg mit einer Frau Wiludda (jetzt in Erlangen, Hindenburgstraße 44) zusammen. In welchem Lager ist Erna Wassel gewesen und gesehen worden? Wer kann Auskunft geben? Nachricht erbittet Frau Anna Wassel, Hirnstetten, Haus 16, über Eichstätt/Mainfr.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über den Verbleib meiner Mutter Frau Margarete Schmidt, geb. Ullke, aus Königsberg, Nasser Garten 39. Gleichzeitig suche ich Freunde und Bekannte aus der alten Heimat. Frühere Adresse: Königsberg, Oberrollberg 17, jetzt Charlotte Lipka, München 58, Dachsteinstraße 26

 

Wer kennt das Schicksal der Frau Martha Geschke aus Königsberg, Unterhaberberg, Vertreterin bei der Firma Franz Floess. Nachricht erbittet Frau Charlotte Half, Berlin W 30, Motzstraße 70

 

Wer kann Auskunft geben über Frau Franziska Lindenau, geb. Sudau, aus Aulenbach, Kreis Insterburg, verschollen seit Herbst 1944. Auskunft erbittet Anna Müller, Söder bei Derneburg

 

Gesucht wird Fräulein Helene Ohnesseit aus Insterburg, Jordanstraße 1, geb. 15.03.1891 in Gandrinnen, bei Jodlauken. Letzte Nachricht im Februar 1945 aus Daberkow (Vorpommern). Nachricht erbittet Otto Glang, Bad Godesberg, Uhlandstraße 8

 

Achtune! Stabgsgefreiter Rudolf Ablaß, geb. 17.10.1916, Wohnort: Königsberg, Horst-Wessel-Straße 11, Feldpostnummer 08058, Einheit Gr.-Deutschland, zuletzt in Brandenburg Ostpreußen, letzte Nachricht vom 10.02.1945, SS-Soldat Bernhard Krause, geb. 24.01.1926, Königsberg, Horst-Wessel-Straße 11, zuletzt Panz.-Gren.-Ers.-Batl. 18, Breslau, Waterlooschule, letzter Brief vom 18.12.1944, und Frau Dora Lauschke, geb. Weber, aus Königsberg, Seligenfelder Straße 23. Wer kann Auskunft über die Genannten geben? Nachr. erb. Frau Klara Ablaß, geborene Krause, Springe, Echternstraße 33

 

Suche meinen Bruder Fritz Zeffner, geb. 08.09.1903, in Passarien, Kreis Bartenstein. Mein Bruder hat sich 1945 bei der Suchstelle Hamburg-Altona von einer Samitäts-Kolonne aus Wilten gemeldet. Die Sanit.-Kol. Sollte nach Bad Nenndorf bei Hannover verlegt worden sein, sie ist dort aber nicht zu ermitteln gewesen. Wer kann Auskunft geben? Nachr. erb. Frau Paula Bendrich, Ohrum, Post Hedwigsburg, Kreis Goslar

 

Welcher Ostpreußen kann Auskunft geben über meinen Schwager Karl Meletschus aus Kalkfelde, Kreis Labiau. Er war auf der Flucht in Tapiau zuletzt im Januar 1945 gesehen worden. Seitdem fehlt jede Spur. Außerdem suche ich meinen Bruder Fritz Neumann aus Gr.-Keylau, Kreis Wehlau. Er ist zuletzt im Januar 1945 in Neukuhren, Kreis Samland gesehen worden. Auskunft erb. an Hermann Neumann, Borsum 56, Kreis Hildesheim

 

Wer kann Auskunft geben über Fräulein Johanna Steiner, Wirtschafterin bei E. Maleyka, Sommerkrug (Tarpupoenen), Kreis Ebenrode, Angaben erbeten an K. Zenthoefer, Karlsruhe (Baden), Zeppelinstraße 40

 

Ich suche meine Eltern: Friedrich Broszeit und Frau Johanna, geb. Steinke, früher Labiau, Reg.-Bezirk Königsberg, Fritz-Tschierse-Straße 40; Alter 78 und 83 Jahre; meine Schwester: Anna Mäk, geb. Broszeit, früher Königsberg, Friedemannstraße 9, Alter 34 Jahre und meine Nichte: Hildegard Wegner, geb. Möck, früher Königsberg, Friedemannstraße 9, Alter ungefähr 30 Jahre. Nachricht erbeten an Walter Broszeit, Siddinghausen, Nr. 34 über Unna i. W.

 

Otto Liedke, geb. 23.10.1892, wohnhaft in Cranz, Gartenstraße 1. Zuletzt bei O. T. in Gotenhafen, seit Februar 1945 vermisst. Hermann Liedtke, geb. 02.09.1906. Zuletzt bei Tel.-Abt. Mittelaschntt „Ost“, Dienstpostnummer 12736 E – Ja -, seit 14. Januar 1944 vermisst. Hermann Liedtke war Grundstückseigentümer in Cranz, Gartenstraße 1. Nachricht erbittet gegen Kostenerstattung Artur Liedtke, Gend.-Msr. i. R., 20b Allershausen bei Uslar.

 

Wer kann Auskunft geben über Schicksal und Verbleib von Franz Ritter, Heizer in der Reichsbank, Königsberg, seiner Frau Berta, geb. Heppner und Tochter Lotte? Wer weiß die Anschrift eines der Herren Bankbeamter der Reichsbank? Nachricht erb. Frau Else Altschaffel, Bad König, (Odenwadld), Kreuzäckerweg 5

 

Gesucht werden die Anschriften oder eine Nachricht über den Verbleib von Frau Edith Knoch, geb. Schön, Frau des Dr. med. Harald Knoch, der seiner Zeit Leiter des Hindenburg-Hauses in Königsberg war und von Frau Erika Felske, geb. Kundt, Königsberg, Roßgärtner Markt 1. Nachricht erb. Dr. Martin Lück, Preetz (Holstein), Bahnhofstraße 11.

 

Familie Sall aus Rheinsfelde bei Rhein/Ostpreußen, wird gesucht von Pfarrer Nietzki, Ötlingen/Teck, Tobelstraße 6

 

Suche Fräulein Herta Schmiedtke, wohnhaft Königsberg, Alt-Roßgärtner-Predigerstraße. Sie war noch 1948 von den Russen als Lehrerin eingesetzt. Ferner suche ich Familie Albert Tauchert, aus Königsberg, Friedrichswalde, sie arbeiteten 1948 an der Lichtleitung der Straßen in Königsberg. Wer kann Auskunft geben? Nachricht erb. Emma Ziffert, Göttingen, Bergenstraße 17

 

Insterburger! Wer kann mir Angaben über das Schicksal und den jetzigen Aufenthalt folgender Mitbewohner meines ehem. Hauses, Insterburg, Gerichtsstraße Nr. 15, machen? Baltruschat, Gudd, Hessel, Hoffmann, Munier, Pawelzig, Reichardt, Rettig, Richter, Spill und Urmoneit. Auch Verwandte und Bekannte dieser Personen bzw. Familien werden um gefl. Angabe ihrer jetzigen Anschriften gebeten von Kurt Wessolowski, früher Insterburg, jetzt Eilemsen Nr. 43, Kreis Einbeck (Hannover)

 

Sämtliche Angehörigen werden von Witwe Emma Kirstein, geborene Joppien, Ostzone, gesucht. Sie ist die Schwerster der zu 1. – 3. Genannten:

1.     Wer kann Auskunft geben über das Hinscheiden meiner Schwester, Martha Schneidau, geb. Joppien, geb. 20,07.1892 in Königsberg. Wohnung: Sackheim 100. Soll angeblich im Krankenhaus in der Jorkstraße verstorben sein.

2.     Bernhard Joppien, geb. 06.03.1899 in Königsberg. Letzte Wohnung: Sternwarstraße 24. Kam Oktober 1948 aus russ. Gefangenschaft und verließ Anfang Januar 1949 die sowj. Zone, um nach Lübeck zu seiner Familie zu kommen. B. Joppien ist aber dort nicht angekommen.

3.     Rudolf Joppien, geb. 19.05.1911 in Königsberg, ledig, Wohnung: Sternwartstraße 24. Zuletzt Panzerjäger. Vermisst Mitte Januar vor Leningrad. Letzte Nachricht Anfang Januar 1944.

4.     Ellie Bortz, geb. Oktober 1912 in Königsberg. Wohnung: Gebauerstraße. Straßenbahnschaffnerin. Befand sich in der Frauenklinik in Georgenswalde und von dort Frauenklinik Greifswalde in Pommern. Letzte Post Anfang Februar 1945.

Auskunft an Gend.-Mst. i. R. Artur Liedtke, 20 b Allershausen bei Uslar.

 

 

Seite 14   Erich Reichelt 70 Jahre alt, mit Foto

Seinen 70. Geburtstag konnte am 27. November 1953 Herr Landesoberinspektor a. D. Erich Reichelt aus Königsberg, jetzt in Stuttgart-Botnang, Brucknerstraße 15, begehen. Erich Reichelt war mehr als 40 Jahre in der Provinzialhauptverwaltung zunächst im Kassenwesen und später in der Fürsorgeerziehung der Provinz tätig. Er war als pflichttreuer, zuverlässiger, fleißiger und über den Durchschnitt begabter Beamter bekannt. Seine innere christliche Einstellung, sein preußisch-aufrichtiger Charakter und sein gesundes unbestechliches Urteilsvermögen machten ihn zu einem der rührigsten und befähigsten Verwaltungsbeamten unserer Provinz.

 

Besondere Verdienste erwarb sich Herr Reichelt bei dem Aufbau der Jahrhundert-Ausstellung, die im Jahre 1912/1913 in Königsberg stattfand und unter der Leitung von Prof. Friedrich Lahrs stand. Auch als Schriftführer des Kunstgewerbe-Vereins für die Provinz Ostpreußen hat er sich einen Namen gemacht. — Unseren Lesern ist Herr Reichelt aus zahlreichen heimatkundlichen Beiträgen schon seit vielen Jahren bestens bekannt. Aber auch in der Heimat war er als Mitarbeiter der Zeitschrift „Unsere Heimat" und vor allem der „Königsberger Hartungschen Zeitung" sehr rührig und betätigte sich sehr eifrig als Verfasser von heimatkundlichen und historischen Abhandlungen. Beamten- und Verwaltungsfragen waren ebenfalls Gegenstand seiner zahlreichen Veröffentlichungen.

 

Nach dem Kriege stellte er seine langjährigen reichen Erfahrungen auf sozialpolitischem Gebiet weiterhin in den Dienst der Allgemeinheit. Lange Zeit leitete er als 1. Vorsitzender die Landsmannschaft Ostpreußen in Stuttgart-Württemberg. Nach Niederlegung seiner Ämter infolge schwerer Erkrankung widmet er sich auch weiterhin der sozialen Betreuung unserer Landsleute. Seine ganze Kraft gilt aber der publizistischen Arbeit für seine geliebte Heimat Ostpreußen. Wir verbinden unsere Glückwünsche mit der Hoffnung, dass es Herrn Reichelt noch lange vergönnt sein möge, diese Arbeit im Dienste unserer Heimat fortzusetzen.

 

 

Seite 14   60 Jahre Uhrenhaus Bistrick

Das allen Königsbergern und Ostpreußen bekannte Uhrenhaus Walter Bistrick konnte in diesen Tagen auf sein 60-jähriges Bestehen zurückblicken. In einem harten und standhaften Ringen ist es dem jetzigen Inhaber gelungen, die Firma in Stuttgart wieder aufzubauen. (Wir haben seinerzeit ausführlich über den Werdegang der Firma berichtet.)

 

Aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums hatte die Firma am 28. November 1953 zu einer kleinen Feier in ihren neuen Räumen in Stuttgart, Hausmannstraße 70, eingeladen. Gleichzeitig wurde in den neuen Räumen eine ständige Bernstein-Ausstellung eröffnet. Vorweg sei bemerkt, dass die Besichtigung der Werkstatt und Verkaufsräume einen bleibenden Eindruck bei allen Erschienenen hinterlassen hatte. Was in Bezug auf Symphonie der Farben geleistet worden ist. stellt Frau Bistrick, der Lebenskameradin des Chefs der Firma, ein glänzendes Zeugnis aus.

 

Der 1. Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen in Stuttgart, Herr Krzywinski, würdigte als alter Königsberger das Wollen und Vollbringen der Firma, die in der Kaufmannschaft der Provinzialhauptstadt eine führende Rolle gespielt hat. Er überreichte einige schöne Aufnahmen vom Samland-Strand als Anerkennung dafür, dass die Firma das „ostpreußische Gold“ auch im Süden zur Geltung bringen wolle. Auch der 2. Vorsitzende der Landsmannschaft, der Ostpreußen in Württemberg-Baden. Perband, beglückwünschte die Firma herzlichst zu ihrem Jubiläum und Wiederaufbau. Die Glückwünsche der Stadt Stuttgart überbrachte der Vertreter des Oberbürgermeisters. Den zahlreichen Glückwünschen schloss sich auch unser Vertreter mit den besten Wünschen für das Gedeihen des Hauses an, zumal er selbst durch besondere Bande mit dem Gründer der Firma, Walter Bistrick, in Treue jahrelang befreundet und verbunden war. Mannigfache Reden, auch launiger Art, würzten die Feierlichkeit. Reges Interesse fanden die umfangreiche Bernstein-Sammlung und die zahlreichen Bilder und Schriftstücke aus dem Archiv der Firma.

 

Dass die Gäste auch einen Bärenfang mit Worten treuesten Gedenkens an die Heimat vorgesetzt bekamen, soll unseren Lesern nicht verschwiegen werden.

 

Unsere Wünsche für die Jubilarin vereinigen sich mit denen unserer Leser dahingehend, dass die jetzige Generation ihr Erbe in Aufbau und Erfolg weiterführen möge.

 

 

Wir gratulieren.

Seinen 75. Geburtstag begebt an 28.12.1953, Postbetriebswart i. R. Albert Heidenreich aus Braunsberg, Arendstr. 38, jetzt wohnhaft Kassel, Grüner Weg 10.

 

 

Seite 14   Pfarrer Richard Paluk gestorben. Mit Foto.

Im Alter von 53 Jahren verstarb in Hamburg überraschend an den Folgen einer schweren Wehrdienstbeschädigung der frühere Pfarrer von Thierenberg, Richard Paluk.

 

Seit 1931 war er als Provinzialsiedlungspfarrer und regelmäßiger Mitarbeiter der Wochenzeitschrift der Landwirtschaftskammer und späteren Landesbauernschaft „Die Georgine" weithin bekannt geworden. Als Vorsitzender der Ostpreußischen Dorfkirchenfreunde arbeitete er mit dem ländlichen Genossenschaftswesen, der Volkshochschularbeit, den volkskulturellen Bestrebungen und der landwirtschaftlichen Fakultät der Albertus-Universität eng zusammen.

 

Von Hamburg-Rissen aus betreute er durch regelmäßige Rundbriefe seine weitverstreuten Gemeindemitglieder.

 

 

Goldmanns Taschenbücher

„Goldmanns Taschenbücher". München, Wilhelm Goldmann Verlag. Je Band 1,90 DM. Wiederum sind eine Reihe bedeutsamer Bände in dieser sich schnell ihren Platz erobernden Sammlung erschienen. Es gereicht zu besonderer Freude mitzuteilen, dass wir hier an erster Stelle Sudermanns Katzensteg nennen können, dieses vielleicht wichtigste Buch unseres ostpreußischen Dichters. Der Charakter der Goldmann-Sammlung zeichnet sich weiter deutlich ab, indem der Verlag das Beste Schrifttum einer bestimmten Richtung bevorzugt. Man ist versucht zu sagen, dass es sich hier um die beste Heimatliteratur der Welt handelt. So finden wir jetzt den schönen Roman von Richard Voss Alpentragödie. Heinrich Seidels ewig junges Buch vom Lebrecht Hühnchen, dazu Kristmann Gudmundsons Bücher Morgen des Lebens und Helle Nächte. Sodann das entzückende Buch von Friedrich Huch, Pitt und Fox, die Liebeswege der Brüder Sintrup. In die Geschichte hinüber greifen die berühmten Bücher von A Dumas vom Grafen von Monte Christo und Lucile Decauxs Darstellung von Napoleons großer Liebe, der Maria Walewska.

 

Aus einer anderen Produktionsreihe übernahm der Verlag erfreulicherweise einen Band der Afrika-Romane von Edgar Wallace, der Band Sanders vom Strom ist wohl auch der charakteristische dieser berühmten Romane, von denen man sagt, dass sie die besten Arbeiten des bekannten Kriminalschriftstellers seien. Endlich sei noch auf zwei Bücher hingewiesen, die den Charakter der Goldmannschen Taschenbücher in willkommener Art erweitern. Das eine ist das hervorragende Werk von A. Gervais „Ein Arzt erlebt China", das andere die romanhafte Biographie des großen Lokomotivkönigs August Borsig. Man kann nur wünschen, dass der Verlag diese so wirkungsvoll begonnene Reihe fortsetzen und ausbauen möchte. Sie hat schon jetzt ihr eigenes Gesicht.

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Ihre Vermählung geben bekannt, Rudi Pfeider, Gertrude Pfeifer, geb. Lehmann. Göttingen, den 12.12.1953. Landsberg, Ostpreußen, Poststraße 159a

 

Fern seiner lieben Heimat Ostpreußen entschlief nach einem arbeitsreichen Leben im Dienste für die Jugend und für den deutschen Rasensport unser lieber Kamerad Max Goetz, geboren 27.09.1886, gestorben 20.10.1953 in Hedwigenkoog (Holstein). Mit unserem Max Goetz geht ein Stück Vereinsgeschichte des VfB dahin, dem er seit den Gründerjahren um die Jahrhundertwende angehörte. Mit seinem Namen verbunden ist nicht nur sein Wirken im Baltischen Rasen- und Wintersportverband, sondern auch im Deutschen Fußball-Bund, dem er an maßgeblicher Stelle seine ganze Kraft und sein Können zur Verfügung stellte. Um ein Gedenken für unseren lieben Verstorbenen bittet der Kameradschaftsdienst des VfB Königsberg. Willi Krawzick. Dortmund-Hörde, Nervierstraße 20

 

Heute entschlief sanft nach langjährigem Leiden im Alter von 53 Jahren mein geliebter Mann, unser guter Sohn, Schwager und Onkel, der frühere Pfarrer von Thierenberg, Samlandkreis Fischhausen, Ostpreußen, Richard Paluk. In tiefer Trauer: Hildegard Paluk, geborene Bode. Ida Paluk, geb. Schmelz und alle Anverwandten. Hamburg-Rissen, den 16. November 1953, Sülldorfer Landstraße 379

 

Nach langer Krankheit starb am 19. Oktober 1953 im 82. Lebensjahr mein lieber Mann, Vater und lieber Opa, Malermeister Ernst Noß. In tiefer Trauer: Anna Noß und alle Angehörigen. Früher: Königsberg Preußen, Charlottenstraße 13. Jetzt: Neumünster, Breslauer Straße 13

 

 

Seite 16   Das neue Johanniter-Krankenhaus in Neidenburg (Foto). Von Chefarzt a. D. Dr. med. Richard Gutzeit

Foto: Das neue Johanniter-Krankenhaus in Neidenburg

Das Johanniter-Krankenhaus in Neidenburg, Ostpreußen, wurde im Jahre 1869/1870 auf alleinige Kosten des Johanniter-Ordens erbaut und in Betrieb genommen. Es lag am Ostausgange der Stadt, schräg gegenüber der Ordensburg, die im 14. Jahrhundert vom Deutschen Ritterorden erbaut war.

 

Das Haus war ein Ziegelrohbau mit anschließendem kleinem Nebenbau und umfasste etwa 60 Betten. Als diese nicht mehr ausreichten, um alle eingelieferten Kranken aufzunehmen, wurden im Hof- und Gartenraum zwei Döckersche Baracken aufgestellt. Die eine diente zur Versorgung ansteckender Kranker. Um das Jahr 1900 erstand dann noch eine ebenfalls im Ziegelrohbau ausgeführte Leichenhalle mit einer Kapelle und Sektionsraum. Der sich an das Haus anschließende große Garten diente den Kranken zur Erholung und durch reichliche Gemüse- und Obstanlagen auch zur wirtschaftlichen Versorgung des Krankenhauses. Auf dem Bodenraum des Hauptgebäudes war noch eine Abteilung für Granulosekranke eingerichtet, die der Chefarzt mit zu versorgen hatte. Die Küchen- und Vorratsräume lagen im Kellergeschoss.

 

Ich übernahm das Haus am 1. April 1901 von meinem Vorgänger Kreisphysikus Dr. Seiffert, der nach Mühlhausen in Thüringen versetzt war. Seine Vorgänger waren Medizinalrat Dr. Herrmann und Sanitätsrat Dr. Hecht.

 

Die Verwaltung hatte der Kreisausschuss Neidenburg übernommen. Den Hauptanteil der Johanniterorden. Wir hatten uns in allen Kostenfragen immer der freundlichen Fürsorge des Ordenssekretärs Exz. von Berg, Markienen/Kreis Bartenstein und des Johanniterritters Herrn von Schaack, Oschekau zu erfreuen, der gleichzeitig das Johanniter-Ordensgut in Oschekau verwaltete. Die Schwestern stellten das Diakonissenmutterhaus der Barmherzigkeit in Königsberg, zu dessen Leitern den Herren Pfarrer Götz, Borrmann und Stachowitz und den Oberschwestern Rose von Bronsart und Gräfin Renata von Stolberg - Wernigerode immer ein sehr herzliches Verhältnis bestand. Verschiedentlich arbeiteten aber auch Johanniterschwestern im Hause.

 

Bald reichte das Haus nicht mehr aus, und es war mir eine große Freude, im Jahre 1909 einen Neubau durchzusetzen, der unter baulicher Leitung des Regierungebaumeisters Otto Lindemann in den Jahren 1909 bis 1911 ausgeführt und im Oktober 1911 eingeweiht wurde. Dazu erschien auch mit vielen Ordensrittern der damalige Herrenmeister Prinz Eitel-Friedrich von Hohenzollern. Jedes Stück, jede Einrichtung wurde wie der ganze Bau aufs liebevollste geplant und ausgeführt, so dass ein herrlicher Musterbau erstand, der auch anderen ostpreußischen Kreisverwaltungen zum Vorbild bei der Errichtung von Krankenhäusern diente. Die beiden Bilder zeigen die Straßen- und je eine Seitenfront des Hauptgebäudes.

 

Da auch jede Einzelheit des Baues wie der Einrichtung ausgeschrieben wurde, kamen die Baukosten zu denen der Orden 100 000 M beigesteuert hatte, auf nur 470 000 M zu stehen. Das alte Haus wurde dem Kreise als Alters- und Siechenheim kostenlos vom Orden überlassen. Zum Neubau leistete der Orden einen baren Zuschuss von 52 000 M Auf der Nord- und Gartenseite des Hauptgebäudes war ein geräumiges Isolierhaus mit Tracheotomiezimmer erbaut. Im Kellerraum war ein ganz moderner Dampfdesinfektionsapparat eingebaut.

 

Den Bemühungen meines sehr verdienten Landrates Dr. jur. Deichmann, jetzt in Koblenz, verdanke ich die Aufstellung einer ganz modernen Röntgeneinrichtung der Siemens-Reiniger-Werke, Erlangen für etwa 25 000 M. Er war nicht nur für die Röntgendiagnostik, sondern auch für Bestrahlungen eingerichtet. Ich habe das Haus bis Juni 1935 verwaltet mit Ausnahme der Zeit vom 1. August 1914 bis Juli 1917, während der ich als Stabsarzt am Weltkriege teilnahm. Vom 28. August 1917 befand ich mich in russischer Gefangenschaft in Irkutsk in Sibirien und war dort an einem Militärhospital beschäftigt.

 

Aus der Geschichte des Johanniter-Krankenhauses

Im Jahre 1868 stellte der Johanniterorden den Neubau eines Krankenhauses in Neidenburg in Aussicht, wenn der Kreis einen Bauplatz von mindestens 2 Morgen dazu hergäbe. Der Kreis verpflichtete sich bereitwilligst, Grund und Boden bis zum Werte von 1500 Talern zur Verfügung zu stellen. Die Grundstücke Schröder und Rautenberg in der Burgstraße wurden angekauft. Sie kosteten im Ganzen 3060 Taler. Der Hilfsfonds für Krankenhauszwecke steuerte zu den 1500 Talern des Kreises 833 Taler, der Johanniterorden 800 Taler bei, so dass die Kosten des Grunderwerbes reichlich gedeckt waren.

 

Der Johanniterorden erklärte sich nunmehr bereit, die Baukosten des Hauses zu tragen und zum Unterhalt des Hauses einen jährlichen Beitrag von mindestens 200 Talern zu leisten. Die Baukosten waren auf 12 500 Taler veranschlagt, der Voranschlag wurde um 441 Taler überschritten.

 

Wegen des Krieges 1870/1871 konnte die Einweihung erst am 11. Juni 1871 stattfinden. Landrat von Schrötter, Pr, Holland stellte bereitwilligst verschiedene Einrichtungsgegenstände zur Verfügung. Die Krankenpflege übernahmen zunächst 2 Schwestern aus dem Diakonissenhause „Bethanien" in Berlin. Sie wurden 1879 von Diakonissen des Mutterhauses der Barmherzigkeit in Königsberg abgelöst. 1872 wurde dem Haupthaus ein Nebengebäude angebaut, das zunächst als Schwesternheim diente, seit 1877 aber als Isolierhaus benutzt wurde. 1903 wurde im Erdgeschoss des Hauptgebäudes ein Röntgenzimmer eingerichtet. Die immer noch wachsende Belegungsziffer des Hauses ließ es als dringend ratsam erscheinen, sich mit dem Gedanken eines vollkommenen Neubaus vertraut zu machen, zumal das Haus neuzeitlichen Ansprüchen nicht mehr genügte. Ein Erweiterungsbau hätte doch nichts Rechtes geschaffen. Außerdem bestand für den Kreis ein dringendes Bedürfnis nach einem Alters-, Armen- und Siechenhaus, zu dem sich das bestehende Johanniterkrankenhaus vorzüglich eignete. Der Kreistag fasste deshalb im Einvernehmen mit dem Johanniterorden am 4. Juli 1908 folgenden Beschluss:

 

1. In Neidenburg wird mit Hilfe. des Johanniterordens ein neues Krankenhaus errichtet: der Kreisausschuss wird ersucht, die erforderlichen Pläne auszuarbeiten und vorzulegen.

 

2. Das Haus für ansteckende Kranke soll beschleunigt, wenn möglich noch in diesem Jahre erbaut werden.

 

3. Nach Fertigstellung des ganzen Baues soll das jetzige Haus in ein Armen- und Siechenhaus umgewandelt werden.

 

4.Zur anteiligen Deckung der Baukosten soll von der Landesversicherungsanstalt ein Darlehn von 120 000 M aufgenommen werden, das mit 3 ½% zu verzinsen und mit 2% zu tilgen ist. Auf die Ausführung und Einweihung des Baues ist bereits im 1. Abschnitt dieses Berichtes eingegangen. Das neue Haus nebst Isolierhaus hatte zunächst 102 Krankenbetten, so dass sich die Baukosten für jedes Bett auf 3431 M bezifferten, mit Einrichtungen auf 4200 M.

 

Durch bessere räumliche Ausnutzung konnten noch 10 Betten dazu aufgestellt werden, ohne dass der vorgeschriebene Luftraum unterschritten wurde. Den Beitrag des Johanniterordens zu dem Neubau des Hauses verdankt der Kreis Neidenburg vor allem dem Kommendator der Preußischen Genossenschaft Fürsten zu Dohna, Schlobitten und dem Kurator des Hauses, Exz. von Berg, Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen. Er war mir immer ein väterlicher Freund und Berater, dem ich stets ein treues, dankbares Gedenken bewahre Sein Wahrspruch:

 

„Das Ewige ist stille,

laut die Vergänglichkeit,

Schweigend geht Gottes Wille

über den Erdenstreit" (Mörike)

 

kommt mir immer auf die Lippen, wenn ich an ihn denke.

 

Die medizinischen Einrichtungen des Hauses

Im Kellergeschoss des Hauptgebäudes finden wir eine reichhaltige Bäderabteilung nebst einem Ruhe- und Massageraum. Kohlensäure-, Sauerstoff-, Moorbäder mit je einer eigenen Wanne, elektrisches Licht- und Wannenbad, Heißluft- und Dampfkastenbad, Duschbad mit Duschkatheder, Sitzdusche, römisch-irisches Bad mit einem vorgewärmten Abteil standen hier zur Verfügung. Im Kellergeschoss war auch ein Zimmer für unruhige Geisteskranke vorhanden, deren Aufenthalt im Krankenhause für Stunden oder Tage sich nicht umgehen ließ Ein elektrischer Aufzug, auf dem ein vollständiges Krankenbett mit Begleitung Platz hatte, befördert uns ins Erdgeschoss und weiter bis ins Dachgeschoss. Im Erdgeschoss befindet sich die Frauenabteilung mit zwei Krankensälen, mehreren Einzelzimmern, Loggia und Tagesraum. Zwischen den Sälen liegt ein Verbandzimmer, so dass größere Verbandwechsel den Augen der Mitkranken entzogen sind. In ihm wurden auch septische Operationen vorgenommen. Im größeren Krankensaal ist ein Wasserbett zur Behandlung schwerer und ausgedehnter Verbrennungen, Eiterungen oder Lähmungen aufgestellt. Pflege und Beaufsichtigung sind dadurch erleichtert. Chefarzt-, verdunkelbares Untersuchungs- und Röntgenzimmer sind von den Krankensälen und -zimmern durch den Korridor getrennt. Teeküche, Bibliotheksschrank, Apothekenraum, Wartezimmer finden sich ebenfalls im Erdgeschoss.

 

Über dem Röntgenzimmer liegt im Obergeschoss, der geräumige mit Oberlicht versehene aseptische Operationssaal mit Vorbereitungs- und Sterilisationszimmer und ein mit modernen Apparaten ausgestatteter Saal für Heilgymnastik.

 

Die Krankenräume im Obergeschoss entsprechen denen im Erdgeschoss; in ihnen ist die Männerabteilung untergebracht. Im Dachgeschoss befinden sich eine kleine Lungenabteilung mit Liegehalle, das Unterrichtszimmer für die Schwesternschule, das Laboratorium, das Schwesterngemeinschaftszimmer, ein Zimmer für die Höhensonne und Inhalationsapparate und noch ein geräumiges Krankenzimmer.

 

In den letzten Jahren meiner Chefarzttätigkeit konnte sich das Krankenhaus aus den Pflegekosten selbst unterhalten. Für alle Neuanschaffungen trug der Kreis die Kosten. Der Johanniterorden zahlte weiter den jährlichen Zuschuss von 600 Mark.

 

Ich widme diesen Bericht unserem Herrenmeister Prinzen Oskar von Preußen und allen Johanniterrittern, die so treu für den Ausbau und die Fortentwicklung des Hauses gesorgt haben.

 

 

Seite 16   In Memoriam Max Braun (Foto)

Wieder ist ein aufrechter Ostpreuße von echtem Schrot und Korn, einer unserer Besten, in die Ewigkeit abgerufen worden. Fern der neuen Heimat, die er sich in Hess.-Oldendorf im Weserbergland vor sieben Jahren geschaffen, ging am 11.04.1953 im Bayrischen Wald, wo er Erholung von schwerem Leiden suchte der Rektor i. R. der Mittelschule Max Braun nach dreimonatigem Krankenlager heim.

 

Geboren am 03.12.1886 in Klein-Ottenhagen/ Ostpreußen als Sohn eines Lehrers, wuchs er im Kreise von sieben Geschwistern in ländlicher Umgebung auf, um sich dem vom Vater überkommenen Lehrerberuf zu widmen. Nach Versetzung seines Vaters als Rektor an die Volksschule zu Königsberg-Kalthof erhielt er in Königsberg und Waldau die damals übliche Vorbildung auf Präparandie und Seminar und wurde schon mit 22 Jahren als Präparandenlehrer an die Königsberger Anstalt berufen. Mit 24 Jahren machte er die Mittelschullehrerprüfung und mit 26 Jahren das Rektorexamen; danach, kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges, die Seminarlehrerprüfung. Nach dem Kriege wurde er als Lehrerbildner an das Seminar Karalene bei Insterburg berufen. Nach Auflösung der Seminare wurde ihm 1922 die Rektorstelle an der Volksschule Palmnicken-Bergsteinwerke übertragen, wo er die dortige Mittelschule ins Leben rief und aufbaute und beide Schulen leitete. 1930 meldete er sich nach Cranz und erhielt unter ca. 200 Bewerbern die Rektorstelle an der großen Volksschule, um auch dort eine Mittelschule aufzubauen und unter Beförderung zum Mittelschulrektor beide Schulen als vorbildliche Anstalten Ostpreußens bis zur Flucht 1945 zu leiten.

 

Seine ganze Liebe galt der wissenschaftlichen und charakterlichen Ausbildung der ihm anvertrauten Jugend, wovon noch bis heute Briefe und Aufmerksamkeiten von Generationen seiner ehemaligen Zöglinge Zeugnis ablegen. Neben seiner Lehraufgabe hatte er in Palmnicken Gelegenheit, sich auf der nahen Universität Königsberg weiter zu bilden in Philosophie, Literatur Geschichte und Geologie, seinem Lieblingsfach.

 

In Hess.-Oldendorf fand er eine neue Wirkungsstätte an der im Aufbau begriffenen Mittelschule, die er mit großem Eifer förderte, wobei er bei dem herrschenden Lehrermangel eine große Anzahl von Studenten in fast allen Fächern übernahm. Wie in Ostpreußen fand er auch hier die Anerkennung der vorgesetzten Stellen und Liebe und Verehrung der Jugend und erreichte so sein Ziel, die Anstalt zur staatlich anerkannten Mittelschule auszubauen.

 

Unvergessen ist seine große Rede zur 200-jährigen Goethefeier 1949 und anlässlich seines Abschieds am 28.03.1952,  als er wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand treten musste.

 

Mit einer großen Schar von Freunden trauert seine Gattin Rose geb. Stettin um den Verlust des prächtigen Menschen und weisen gütigen Erziehers und Gelehrten, dessen Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft bei aller Strenge die hervorstechendsten Merkmale dieses treudeutschen tiefen Charakters waren den keiner vergessen kann, der das Glück hatte, mit dieser äußerlich verschlossenen und zurückhaltenden, bei näherem Bekanntwerden aber Vertrauen erweckenden und schenkenden, naturverbundenen, frohen und aufgeschlossenen Persönlichkeit in Berührung zu kommen.

 

So wird er fortleben in seinem Werk der Oldendorfer Mittelschule, in der man ihn nie vergessen wird.

 

Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem. Wir haben einen guten Mann begraben mir aber, war er mehr.

Have pia anima. Dr. Ernst-Hubert Gallasch

 

 

Seite 16   Institut für Auslandsbeziehungen

Institut für Auslandsbeziehungen, gegründet 1917 als Deutsches Auslands-Institut. Mitteilungen, Jahrg. 3. Sep./Nov. 1953 (Nr. 9 – 11). 3 DM

Auf den ersten Blick mag es so erscheinen, als ob dieses Heft des Auslandsinstituts nicht in den Interessenkreis der Ostpreußen-Warte hineingreift. Indes in einem weiter gefassten Sinn ist es doch wichtig, wenn gerade auf dieses – außerordentlich inhaltsreiche – Heft hingewiesen wird. Es ist den deutsch-französischen Beziehungen gewidmet, und wer wollte bestreiten, dass die Beobachtung dieser so wichtigen Fäden gerade für die Problematik des deutschen Osten von ganz besonderer Bedeutung ist. Von der Einstellung Frankreichs wird weitgehend das Schicksal unserer Heimat mitbestimmt werden. Es mag auffallen, dass unmittelbare Beziehungen zwischen französischen und ostdeutschen Fragen kaum in dem Heft anklingen. Aber das ist gewiss gut so. Wenn indes gute Nachbarschaft zu Deutschland hergestellt wird, so kann damit nicht allein Westdeutschland gemeint oder betroffen werden, sondern auch hier muss es heißen: das ganze Deutschland soll es sein. Und dies im Dienst eines Europas.

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