Ostpreußen-Warte, Folge 11 vom November 1956

Ostpreußen-Warte
Folge 11 vom November 1956

 

Seite 1   Foto: Ehrenmal bei Lyck. Hier ruhen deutsche Gefallene aus den Kämpfen von 1914.

 

Seite 1   Echter Ausgleich Voraussetzung echten Friedens. Kenntnis der osteuropäischen Entwicklung notwendig.

Manche Politiker und Journalisten, die der sachlichen Notwendigkeit einer Aufnahme von normalen Beziehungen mit den Staaten des Ostblocks das Wort redeten, werden bald nicht mehr im Mittelpunkt unsachlicher Angriffe stehen. Die Bundesregierung ist dabei, die von ihnen gehrauchten Argumente im Wesentlichen zu sanktionieren und dem allgemeinen Trend der Weltpolitik zu folgen. Der Bundeskanzler selbst hat in Berlin — in etwas resigniertem Ton — den bedeutungsvollen Satz gesagt: „Was vergangen ist, ist vergangen, wir müssen an die Zukunft denken". Diese scheinbar oberflächliche Redewendung erhält ihr Gewicht aus der Tatsache, dass sie Adenauer als Antwort auf eine Frage nach der Behandlung des früheren Sowjetbotschafters in Bonn, Sorin, gab.

 

Die Bundesregierung berät gegenwärtig die Möglichkeiten eines Modus, mit den Staaten des Ostblocks wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen aufzunehmen, die offiziell sanktioniert werden, ohne dass jedoch eine Situation geschaffen wird, nach der Pankow das Recht ableiten kann, von Bonn als Regierung anerkannt zu werden. Diese Aufnahme von Beziehungen ist zwar durch die einschränkende Klausel zur Pankower Existenz immer noch aus der alten Generallinie hergeleitet, nach der die offiziellen Beziehungen mit Oststaaten ein Ganzes sind, aber man ist sich bereits klar darüber, dass schrittweise vorgegangen wird. Das gilt sowohl für den Umfang der Beziehungen als auch für die einzelnen Staaten.

 

So ist eher damit zu rechnen, dass ein Austausch von Missionen mit Ungarn und Rumänien stattfindet, als etwa mit Polen oder der Tschechoslowakei. Auch China wäre eines der Länder, die in Frage kommen würden — nur beabsichtigt Bonn hier auf den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen zu warten, weil es nicht den „großen Bruder" verärgern möchte. Im Großen und Ganzen aber werden schon in den nächsten Monaten erhebliche Verbesserungen im Verkehr mit einzelnen Oststaaten eintreten, was den Austausch von Wirtschaftsgütern und kulturelle Fragen angeht. Wieweit man sich dann politisch engagiert, hängt nach einem on dit aus Kreisen der Bundesregierung von der Entwicklung ab.

 

Das schwierigste Problem ist in diesem Komplex Polen. Man kann dies deutlich aus der Reaktion Polens auf die „Oder-Neiße-Rede" von Carlo Schmid herauslesen, übereinstimmend wird erklärt, dass man gern zu allgemeinen Verhandlungen bereit ist, aber Besprechungen über einen territorialen Kompromiss vollkommen ablehnt. Bei uns ist heute die Situation so, dass ein solcher Kompromiss bereits von weiten Kreisen als einzige reale Möglichkeit angesehen wird, das Problem des Friedens und der guten Nachbarschaft mit Polen zu lösen. Damit sind wir einen Schritt weiter. Doch wenn die Polen nicht zu der gleichen Einsicht kommen, ist unsere wertlos, weil die Annektion der ostdeutschen Gebiete als einseitig geschaffenes fait accompli von uns nie anerkannt werden kann. Man kann gewisse Sympathien für die Polen haben, muss es aber für unmöglich halten, dass es bei der jetzigen territorialen Situation bleibt.

 

An der gegenwärtigen Meinung in Polen wird sich durch weitere Kompromissangebote vorläufig nichts ändern. Man sollte sich darüber keine Illusionen machen. Diese Tatsache braucht uns nicht davon abzuhalten, zu Polen gute wirtschaftliche Beziehungen zu schaffen, diese auszubauen und durch einen Kulturaustausch zu ergänzen. Die Entschlossenheit, es wegen dieser Grenze nicht auf einen Schießkrieg ankommen zu lassen, hindert nicht den Willen, einen echten Ausgleich anzustreben, der auch einen echten Frieden bringen kann. Bis dahin ist alles provisorisch, und — das wird auch Polen einsehen — gefährlich für den Frieden. Bis dahin wird es für beide Seiten für das Endziel einer realen Verständigung von Nutzen sein, wenn sich der Austausch von Wirtschafts- und Kulturgütern und nicht zuletzt der gegenseitige Reiseverkehr erweitert.

 

Wie lebendig es inzwischen in der deutschen Politik wird, hat die Berliner Tagung des Bundestages gezeigt. Zum ersten Mal hatten da westdeutsche, prominente Politiker Diplomaten des Ostblocks zu einem Essen eingeladen und über die Modalitäten der Aufnahme von Beziehungen und die deutschen Vorstellungen über ein wiedervereinigtes Deutschland gesprochen. Das — wiederum von der FDP — aufgenommene Gespräch soll fortgesetzt werden.

 

Die Berliner Tagung zeigte aber auch, wie wenig die Masse der bundesdeutschen Politiker von der Wirklichkeit mitteldeutscher und osteuropäischer Existenz weiß. Ihnen fehlen sogar gewisse Grundbegriffe, von einer Kenntnis der Entwicklung ganz zu schweigen. Wozu haben wir eigentlich ein „gesamtdeutsches Ministerium" — mit Millionen dotiert —, wenn es nicht einmal in der Lage ist, den Abgeordneten ein reales Bild der Situation zu vermitteln? Ist es für Herrn Thediedk wichtiger, dem hannoverschen Kultusministerium zu „empfehlen", der Greifswalder Universität nicht den „Croy-Teppich" zu ihrem 500-jährigen Jubiläum zu übergeben? Hannover hat auf diesen Brief aus Bonn sauer reagiert, und wir sind auch nicht davon entzückt, denn eine Politik der Kleinlichkeiten gehört zum Gerümpel des kalten Krieges. Ohne großzügige, dabei aber zielstrebige Energie kommen wir in der Frage der Wiedervereinigung nicht mehr voran. In Berlin haben das viele Bundestagsabgeordnete eingesehen — Gott gebe, dass sie sich diese Einsicht in Bonn erhalten und danach handeln. W.M.B.

 

Seite 1  Der Friede der Welt. Von Reinhold Schneider.

Ein Schriftsteller kann sich nicht damit abfinden, dass er nur für einen Teil seines Volkes, die Hälfte oder zwei Drittel, schreiben kann. Natürlich denkt er nicht daran, dass alle ihn lesen. Aber er möchte doch aus allen den und jenen erreichen, dem er vielleicht etwas sagen kann. Das Gebiet der Sprache ist doch für ihn geschlossen: unteilbar. Und nun bemerkt er, dass die Sprache sich teilt; dass diesseits und jenseits etwa die Wörter: Person, Freiheit, Staat, Macht, Volk, Arbeiter und Arbeit, Glaube, Geschichte, Kunst, Forschung, Erziehung, Freude, Natur, Spiel, Erholung, deutsch, europäisch wenigstens in offiziellen Verlautbarungen eine widerspruchsvolle Bedeutung erlangen. Und unabwendbar — wir haben das ja schon erlebt — kommen die von den Machthabern oder ihren Beauftragten geprägten Münzen in Umlauf: es ereignet sich eine Entfremdung, die unannehmbar bleibt.

 

Die Frage ist also nun: wie die beiden konträren Machtgestalten sich einigen können über den Frieden der Welt. Die Einigung ist in der gegenwärtigen Phase in hohem Grade unwahrscheinlich, und es wäre ganz verkehrt, sie mit heiterer Zuversicht zu erwarten. Wenn wir uns aber hier versammelt haben, so doch wohl, um den Glauben an die Macht geistiger Veränderungen zu bezeugen, die Johann Gottfried Herder aus Mohrungen in Ostpreußen — als führende Kraft der Geschichte erkannt hat.

 

Wir können in dieser unserer Zeit noch Natur empfinden. Ob das künftigen Geschlechtern beschieden oder zugänglich sein wird, weiß ich nicht. Wir können noch eine Mondnacht an den unberührten Schilfufern der Mälar erleben oder über die im Sonnendunst schwelende Stille finnischer Kiefernwälder fliegen; uns einen Abend gönnen in einem rebenüberdachten Garten des nördlichen Portugal beim Rascheln der Palmen und sanftmütigen Schritt der hoch bejochten Ochsen oder einen Morgen im Angesichte des Schwarzwalds, wenn die Bauern die Ställe offenhalten und der Hauch durch die Täler herunterweht in die Stadt: auch das steht auf dem Spiele mit allem, was lebt und webt, mit der schuldlosen Kreatur. Und also, in Gottes Namen, wollen wir versuchen, den Frieden zu tun.

 

Freilich ist es wahr: Friede als solcher ist nicht der höchste Wert; sittlich-personale, geistige, religiöse Werte sind ihm übergeordnet. Friede aber als geschichtliche Darstellung glaubensstarker Liebe zu Gott, der Menschheit und aller Kreatur könnte wohl der höchste Wert sein.

 

Unsere Aufgabe ist: durch unser ganzes Sein und Wirken eine nach Tyrannis strebende Ideologie, eine höchst unzureichende, auf längst überholten Voraussetzungen ruhende Auffassung von Mensch und Geschichte durch eine überlegene Erkenntnis und Haltung zu beantworten. Die Antwort finden wir leicht, und sogar in Russland selbst, in dem Geiste, der es vor einem Jahrhundert ahnend und freilich auch irrend geführt hat: in dem, was Dostojewskij als Ergründer der Menschenseele von der ins Metaphysische reichenden Tiefe, dem Ankergrund der Menschenseele, gesagt hat: Es ist der Abgrund der Liebe und des Bösen, dem kein Programm beizukommen vermag. In diesem Sinne ist die Geschichte Manifestation des Menschen, des sich wandelnden und bleibenden, in Abhängigkeit und Freiheit zwischen Himmel und Hölle.

 

Aus der Rede Reinhold Schneiders anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche.

 

Seite 2   Polnische Bauern verlassen Ostpreußen. Heimliche Abwanderung nach Zentralpolen – Ukrainer wollen in ihre Heimat.

In den letzten Monaten mussten die Behörden der Woiwodschaft Ortelsburg wiederholt feststellen, dass die polnischen Bauern, die auf verlassenen deutschen Höfen angesiedelt wurden, heimlich die ihnen zugewiesenen Höfe verlassen, um nach Zentralpolen zurückzukehren. So verschwanden in Rummau, Passenheim und Theerwisch, Bezirk Ortelsburg, innerhalb der letzten sechs Wochen etwa 15 polnische Bauern, ohne Nachbarn oder Gemeinderat davon zu unterrichten. Das Verschwinden der Bauern wird oft erst Tage später bemerkt, wenn kein Rauch aus dem Schornstein mehr aufsteigt und das zurückgelassene, nicht geschlachtete Vieh vor Hunger brüllt. Als Grund dieser Abwanderung, die den polnischen Landwirtschaftsbehörden außerordentlich unangenehm ist, wird einerseits das hohe Abgabesoll und die ständig drohende Kollektivisierung genannt und andererseits die Ungewissheit darüber, ob dieses Land immer polnisch bleiben wird. Die Bauern gehen heimlich fort, weil sie wissen, dass die kommunistischen Behörden alles daransetzen, sie in dieser Gegend zu halten und auch vor Bestrafungen nicht zurückschrecken.

 

Ukrainer sollen bleiben.

Die Warschauer Regierung hat — nach Berichten aus polnischen Quellen — Maßnahmen eingeleitet, um die ukrainische Bevölkerung zum Verbleiben im südlichen Ostpreußen zu veranlassen. Die Zahl der hier lebenden Ukrainer, denen 10 460 deutsche Wirtschaften zugeteilt wurden, wird auf rund 60000 geschätzt. Die Ukrainer hatten bereits vor einigen Monaten erklärt, sie würden unverzüglich nach der Einbringung der diesjährigen Ernte in ihre eigene Heimat zurückwandern, nachdem ihnen grundsätzlich wieder die freie Wahl ihres Wohnortes zugestanden worden war. Durch einen Beschluss der volkspolnischen Regierung wurde ein Betrag von 15 Millionen Zloty bereitgestellt, der ausschließlich an Ukrainer, die in den polnisch verwalteten Oder-Neiße-Gebieten angesiedelt wurden, ausgeschüttet werden soll. Es handelt sich um nicht rückzahlbare Unterstützungen, die es den Ukrainern ermöglichen sollen, „sich in den Westgebieten wirtschaftlich einzugliedern".

 

Massenaustritte aus den Agrarkollektiven Warschau. Die „Demokratisierungsmaßnahmen" haben jetzt auch auf dem polnischen Land ihre Reaktion gefunden. Die seinerzeit gewaltsam geschaffenen Kollektivwirtschaften beginnen sich in immer stärkerem Umfang wieder aufzulösen. Allein in den Wojewodschaften Breslau und Bromberg haben bis jetzt mehr als 2000 Bauern ihre Austritts- und Rückerstattungsgesuche eingereicht. Auf einer Sejmsitzung erklärte dazu der Vorsitzende des gesamtpolnischen Rates für Kollektivierung, Javorski, dass die meisten dieser zwangskollektivierten Wirtschaften ohnedies nur dank verschiedenartigster staatlicher Finanzspritzen noch vegetierten. Aus den Äußerungen Javorskis war zu entnehmen, dass augenscheinlich auch auf diesem Sektor mit einigen Neuregelungen zu rechnen ist.

 

Seite 2   Felder und Weiden liegen ungenutzt. Anwerbung von Einzelbauern.

Hier wurde auf einer Felderbesichtigung öffentlich festgestellt: „Von der landwirtschaftlich nutzbaren Ackerfläche sind 88 Prozent bebaut und von den nutzbaren Weideflächen werden nur 71 Prozent genutzt“. Mit diesem Eingeständnis erfolgt zum ersten Mal seit langer Zeit die Anerkennung westlicher Presseberichte, dass entgegen der offiziellen Warschauer Feststellung, alles Land werde von den Polen in Ostdeutschland bebaut, viele Ländereien brach liegen oder wie die Weiden versauern. Da die staatlichen Agrarwirtschaften im Gebiet von Wuslack nicht mehr fähig sind, weiteres Land zu nutzen, will man sich in Heilsberg jetzt im Lodzer Gebiet um Anwerbung von Einzelbauern bemühen.

 

Kreis Rössel

Im Kreis Rössel leben neben den einheimischen noch einige Dutzend deutsche Kinder, die während des Krieges nach Ostpreußen vor den Bombenangriffen evakuiert worden waren. Die polnischen Behörden versuchen jetzt, diese Landsleute gewaltsam durch Einberufungen zu Polen zu machen. Die männlichen Jugendlichen werden in Garnisonen in der Nähe der Hauptstadt rekrutiert, während man die Mädchen in Arbeitsdienstlager bei Bialystock bringt. Man hört auch wieder davon, dass ostpreußische Familien, die sich vor mehr als einem Jahrzehnt dieser einsamen Kinder angenommen haben, davor gewarnt werden, diese in ihrem Deutschtum zu bestärken.

 

Von Haus zu Haus.

In Tiefensee kurz vor der sowjetisch-polnischen Demarkationslinie in Ostpreußen herrschen seltsame Zustände. Aus polnischen Zeitungsberichten ist zu entnehmen, dass die Ansiedler aus Polen in kurzer Zeit jeweils ein Haus verwohnen, dieses verlassen und das Nützlichste abbrechen, dann einfach ein anderes leer stehendes Gebäude beziehen und dort dasselbe von vorne beginnen. Auf diese Weise würde langsam aber sicher der ganze Ort ruiniert. Bekümmert fragt die Zeitung: „Und was soll werden, wenn — was bald zu erwarten — alle Häuser auf diese Weise heruntergewirtschaftet sind? Wo wollen dann die Neusiedler wohnen? Ob sie sich auch so verhalten würden, wenn sie diese Häuser selbst gebaut hätten? Leider ist es mancherorts, so im nördlichen Ermland .... "

 

Seite 2   Nur noch Einzeltransporte aus den polnisch besetzten Gebieten-

Warschau. Auf einer Tagung der Sejmabgeordneten in Oppeln erklärte Mitte dieser Woche ein Vertreter des polnischen Innenministeriums, dass die Familienzusammenführung der in Polen lebenden Deutschen mit ihren Angehörigen in den beiden Teilen Deutschlands in letzter Zeit etwas nachgelassen habe. Vom 1. Januar 1957 an werde die Abfertigung von Sammeltransporten überhaupt aufhören. Von diesem Zeitpunkt an werde es dann verstärkte Einzelreisegenehmigungen geben, wobei an eine Überweisung der Ausreisegenehmigungskompetenz vom Innenministerium an die Volksräte der Wojewodschaften gedacht sei, was zweifellos zu einer wesentlichen Beschleunigung des Genehmigungsvorganges beitragen würde.

 

Seite 2   Heimatliebe ungebrochen Umfrage des Instituts für Heimatforschung.

Wie stark und ungebrochen die Liebe der Ostdeutschen zu ihrer Heimat geblieben ist, lässt eine Umfrage des Bielefelder Institutes für Meinungsforschung EMNID erkennen. An 2000 Personen wurde die Frage gestellt: „Wenn morgen die Ostgebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie (Ostpreußen, Pommern und Schlesien) wieder zu Deutschland gehörten, würden Sie dann wieder in diese Gebiete gehen wollen, um dort zu leben oder nicht?" 57% der befragten Vertriebenen antworteten mit ja, 22% ließen die Frage offen, weil nach ihrer Auffassung die jeweiligen Bedingungen und Umstände bei einer möglichen Rückkehr in die Heimat eine entscheidende Rolle spielten. Der Rest lehnte eine Rückkehr aus vorwiegend persönlichen Gründen ab.

 

Wir betonen auch bei der Wertung dieses Ergebnisses, dass die geringe Zahl von 2000 Befragten keineswegs verbindliche Aufschlüsse über die Rückkehrwilligkeit der Vertriebenen geben kann. Trotzdem ist das Resultat außerordentlich eindrucksvoll, denn es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die erwähnten unentschiedenen 22% bei einer politisch und wirtschaftlich zufriedenstellenden Regelung der Oder-Neiße-Frage im deutschen Sinne sich für eine Rückkehr in die Heimat entschließen würden. Die Umfrage ist auffälligerweise in die Diskussion um die Carlo-Schmidt-Äußerungen hineinpubliziert worden. Sie ist Lehre und Abfuhr für die Verzichtpolitiker.

 

 

Zwei deutsche Staaten jetzt amtlich.

Berlin. Wie aus einem Hinweis des Pankower Justizministeriums hervorgeht, soll jetzt in Mitteldeutschland offiziell in amtlichen Schriftstücken und im täglichen Gebrauch von zwei deutschen Staaten als Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches gesprochen werden. Das Justizministerium weist in seiner Zeitschrift „Neue Justiz" auf eine bereits im Mai dieses Jahres erlassene Sprachregelung hin, nach der es offiziell nur noch „Deutsche Bundesrepublik" und „Grenze" heiße. Bisher sei von „Westdeutschland" und der „Demarkationslinie" gesprochen worden.

 

Privathäuser. In Elbing soll es zukünftig besonders verdienten Arbeitern bzw. „Aktivisten" möglich sein, sich mit staatlichen Krediten eigene Zweifamilienhäuser zu bauen. Die Bauherren müssen sich jedoch verpflichten, mit ihren Familienangehörigen mindestens 20 v. H. der anfallenden Arbeiten zu leisten. Auch deutsche Bestarbeiter sollen Anträge auf einen Hausbau stellen können, bisher wurde für diesen Personenkreis aber noch nicht ein Bau genehmigt. Die Bauten selbst müssen nach einem bestimmten Schema angefertigt werden, das für den Bau für Ein- und Zweifamilienhäuser in ganz Polen verbindlich ist.

 

Klage aus Zinten.

Den Kolchosenbauern in Zinten an der Stradiek wird vorgeworfen, bis zum Herbst dieses Jahres noch nicht einmal ein Viertel des veranschlagten Getreidesolls abgeliefert zu haben. Und dabei habe sich noch herausgestellt, dass die wenigen gelieferten Tonnen „einen Feuchtigkeitsgrad aufwiesen, der ihre Verwertung und Weiterverarbeitung unmöglich machten". „Es heißt, in Zinten versuchten die Kolchosenbauern besser als die Allgemeinheit zu leben. Man droht der Genossenschaft jetzt, man werde sie in ein Staatsgut umwandeln, so dass „sie am Status der Landarbeiter ermessen kann, wie die tatsächlichen Verhältnisse in der Landwirtschaft sind". Auch aus anderen Teilen dieses Gebietes werden solche Maßnahmen bekannt, um die Kolchosniken unter Druck zu setzen.

 

Seite 2   Der letzte Monat.

In Polen kam es zu Aufständen gegen das herrschende Regime. Der seit 1949 in Gefängnis gehaltene Titoist Wladislaw Gomulka wurde zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Polens gewählt. Gomulkas enger Mitarbeiter Spychalski wurde vom Politbüro zum stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt.

 

Im Zusammenhang mit den Aufständen in Polen kehrte der katholische Primas von Polen, Kardinal Stephan Wyszinski aus dem Arrest nach Warschau zurück. Seit 1953 hatte das kommunistische Regime ihn an der Ausübung seines Amtes gehindert. Nach seiner Rückkehr übernahm er wieder seine kirchlichen Funktionen.

 

Die polnische Regierung verbreitete über Radio Warschau eine Warnung an die Bevölkerung, an antisowjetischen Demonstrationen und Kundgebungen teilzunehmen. Bisher sei die polnische Westgrenze nur von der Sowjetunion anerkannt worden und es sei eine reine Frage der Sicherheit und der nationalen Existenz, dass weiterhin Sowjettruppen in Polen stationiert bleiben. Die Forderung nach Abzug der Truppen könne erst dann gestellt werden, wenn die westlichen Großmächte bereit seien. Polens Westgrenze anzuerkennen.

 

Eine Verstärkung der antisowjetischen Bestrebungen in Polen besonders innerhalb der Studentenschaft wird aus Warschau gemeldet. Es heißt jedoch, dass bewaffnete Auseinandersetzungen nicht zu befürchten seien.

 

Israel unternahm eine überraschend große militärische Aktion gegen Ägypten. In Richtung auf den Suezkanal marschierten israelitische Truppen mit der offiziellen Begründung ein, dass in diesem Gebiet ständig ägyptische Angriffe auf Israelische Bürger und Verbindungswege Israels zu Lande und zu Wasser erfolgten.

 

England und Frankreich forderten ultimativ, dass Ägypten und Israel die Feindseligkeiten einstellen. Beide Staaten entsandten Streitkräfte, die pausenlos Bombenangriffe auf Ägypten starteten. Die Forderung der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die Angriffe einzustellen, wurde nicht beachtet Inzwischen ist die ägyptische Luftwaffe praktisch ausgeschaltet, und britische und französische Truppen landeten unter Missachtung der UN-Forderung auf dem Festlande. Port Said hat sich bereits ergeben.

 

In Budapest begann der blutigste und grauenvollste Aufstand seit langer Zeit, der sich schnell auf das ganze Land ausdehnte. Regierung und Parteiführung wurden umgebildet. Ministerpräsident Nagy kündigte Ungarns Mitgliedschaft im Warschauer Pakt und protestierte gegen den Einmarsch neuer sowjetischer Truppen. Zugleich richtete er einen dringenden Apel an die Vereinten Nationen, die Neutralität und Unabhängigkeit Ungarns zu schützen. Nachdem die russischen Panzer sich Infolge der Aufstände zunächst aus Budapest absetzten, gab die Regierung bekannt, die sowjetischen Truppen werden Ungarn verlassen, und forderte die Aufständischen auf, zuerst die Waffen abzugeben. Als sich die Bevölkerung bereits dem Befreiungsjubel hingab, griffen die sowjetischen Truppen erneut die Hauptstadt an. Verzweifelte Hilferufe an den Westen wurden über verschiedene Sender aufgefangen, bis auch der letzte verstummte.

 

In vielen deutschen und europäischen Städten fanden Protestkundgebungen gegen das russische Vorgehen in Ungarn statt.

 

Ministerpräsident Grotewohl erklärte vor der Volkskammer, dass Mitteldeutschland nicht den Weg Ungarns gehen werde. Er betonte, dass die Sowjettruppen aus Mitteldeutschland nicht abgezogen werden sollen.

 

Auf Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Ostgrenze will die englische Labourpartei die Regierung drängen. Die Regierung solle unverzüglich eine neue Deutschlandkonferenz veranlassen, die freie Wahlen und machtpolitische Neutralisierung als Ausgangspunkt für die Wiedervereinigung Deutschlands durchsetzen soll. Als Voraussetzung sieht die Labourpartei jedoch die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als endgültige deutsche Ostgrenze an.

 

Der „Sonderausschuss Radioaktivität", der auf Grund eines Bundestagsbeschlusses gebildet wurde, trat in Bonn zu seiner ersten Sitzung zusammen. Aufgabe des Ausschusses ist es, festzustellen, ob die westdeutsche Bevölkerung durch die erhöhte Radioaktivität infolge der Atomversuche gefährdet wird. Das Ergebnis der Untersuchungen ist erst in zwei Jahren zu erwarten. Nach Aussagen des Vorsitzenden Professor Rajewsky vom Max-Planck-Institut für Biophysik, wird die Öffentlichkeit „die ungeschminkte, aber auch nicht übertriebene Wahrheit" erfahren.

 

Im Bundestag besteht die Absicht, Berlin zur Hauptstadt der Bundesrepublik zu erklären, teilte Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und dem Präsidenten des Bundesrates mit. Auf Antrag von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion soll festgestellt werden, dass Berlin Hauptstadt Deutschlands und daher Hauptstadt der Bundesrepublik" ist. Im Zusammenhange damit soll der Bau eines neuen Parlamentsgebäudes in Westberlin angekündigt werden. Dort soll der Bundestag öfter als bisher zusammentreten.

 

Damit der neue Sowjetbotschafter in der Bundesrepublik, Smirnow, bis zum Jahrestag der sowjtischen Oktoberrevolution, dem 7. November, seine Arbeit aufnehmen kann, ist er bereits in die Bundesrepublik geflogen.

 

Erörterungen zur sowjetischen Antwort auf das Bonner Wiedervereinigungsmemorandum stellte die Sowjetunion den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs in gleichlautenden Noten zu. Darin wird erneut betont, dass gegenwärtig der einzige Weg zur Wiedervereinigung in der Annäherung zwischen Bonn und Pankow zu finden sei.

 

Die sowjetischen Heerestruppen in Deutschland sind durch junge Soldaten aufgefüllt worden. Sie ersetzen die auf Befehl des Verteidigungsministeriums der UdSSR entlassenen Soldaten und Sergeanten.

 

In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen fanden gleichzeitig Kommunalwahlen statt. Bei guter Wahlbeteiligung konnte die SPD einen Stimmenzuwachs verzeichnen, die CDU behauptete sich gut, die FDP erlitt stellenweise erhebliche Einbußen.

 

Der Saarvertrag und die damit zusammenhängenden Verträge über die Moselkanalisierung und den Rheinseitenkanal haben die Außenminister von Brentano und Pineau in Luxemburg unterzeichnet. Am 1. Januar 1957 wird die politische Rückgliederung der Saar erfolgen, der wirtschaftliche Anschluss soll bis zum 31. Dezember 1959 abgeschlossen sein.

 

Seite 2   Pressespiegel

Politik der Tatsachen

„Es wird eine bittere Frage sein, die im Wahljahr 1957 der Bundesregierung zu stellen sein wird. Was hat Bonn für die deutsche Wiedervereinigung getan? Da hilft kein Reden von europäischer Integration, sondern nur die nüchterne Antwort. Die aber ist Schweigen. Schweigen oder ein Vertuschen der bitteren Tatsache, dass unsere vielgepriesene Politik die Wiedervereinigung weiter entfernt hat als je zuvor in den Jahren der unseligen Spaltung. Das weiß man in Bonn und deshalb klammert man sich an das faszinierende Bild der „Europäischen Föderation". Man spürt die tiefe Unzufriedenheit im Volk, die sich immer stärker äußert. Der Bundespräsident hat die Dinge klar angesprochen mit seiner Mahnung, dem gefährlichen Wort von dem Auseinanderleben der Deutschen in beiden Teilen des Landes die Kraft zu nehmen. Diese Kraft aber absorbiert nicht der abendländische Traum, sondern die Politik der realen deutschen Tatsachen“. Neue Politik, Hamburg

 

Das Schicksal in die Hand nehmen

„Der Tag ist nahe, an dem die Bonner politische Repräsentanz jedweder Parteifarbe einsieht, dass die Lebensfrage staatlicher Einheit nur dann gelöst werden kann, wenn die Deutschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Sieben Jahre lang hat sich die Bundesrepublik damit begnügt, die Sieger- und Teilermächte an das Recht zu erinnern. Und eine Konferenz endete trostloser als die andere. Nur eine gesunde Unruhe in der deutschen Politik wird die Großen in Ost und West überzeugen, dass sie sich selbst und dem Weltfrieden einen Gefallen tun, wenn sie auf ihre militärischen und politischen Vorpostenstellungen im geteilten Deutschland verzichten. Das verbündete Ausland wird von den neuen Tönen aus Bonn nur dann peinlich überrascht sein, wenn es versäumt hat, seinen Denkapparat zu benutzen. Sollte irgendwer in der Welt wirklich geglaubt haben, die Deutschen würden auf die Dauer ein fadenscheiniges Wirtschaftswunder anbeten und hinter dem halben Dutzend von Kolonialvölkern zurückstehen, die sich Ihre Freiheit erkämpft haben — seine Schuld!" Mittelbayerische Zeitung, Regensburg

 

Mut zur „Dritten Form"

„Wir Deutschen müssen nicht nur lernen, die Vorgänge rund um die Erde zu erkennen, sondern auch die für uns vergleichbaren Folgerungen daraus zu ziehen. Sollte nicht unschwer für uns Deutsche der Gedanke auftauchen können, dass Gesamtdeutschland einmal zur Gruppe der Völker der „Dritten Form" gehören muss? Der Gedanke wird da sein, wenn die deutschen Menschen erst die Bedeutung des Beispiels der anderen erkannt haben. Bisher sind noch die Männer nicht da und nicht die politischen Parteien, die eindeutig und unmissverständlich allen Deutschen und der ganzen Welt erklären: „Wir wollen zur Gruppe der „Dritten Form" gehören". Noch fehlt der Mut, den großen Sprung zu tun. Noch sind sie alle tief in den schrecklichen eigenen Lebensumständen befangen, die

man als solche einer vierten Gruppe betrachten kann. Es ist die Gruppe der kriegszerteilten Nationen. Zu ihr gehört Korea, Indochina und Deutschland. Sie sind noch hilflos der Ost-West-Spannung verfallen. Auch Österreich gehörte bis vor kurzen dazu. Der Weg Deutschlands ist der Weg zur Dritten Form. Man muss einen Entschluss fassen. Wenn die Parteien es nicht können, müssen Männer es tun. Soll Asien mutiger bleiben als eine Nation, die einen Friedrich und einen Luther ihr Eigen nannte?" Der Ruf, Hannover.

 

Mehr Verbindendes als Trennendes.

Zitate zum Deutschland-Thema Nr. 1

„Es gibt in Wirklichkeit mehr Verbindendes als Trennendes zwischen den Deutschen hüben und drüben. Man darf sich nur durch die gegenteilige Behauptung nicht daran hindern lassen, es zu suchen und immer wieder gemeinsam testzuhalten“. Wolf Schenke in „Realpolitik", Hamburg

 

„Wiedervereinigung der Herzen muss im Vordergrund unserer Arbeit stehen, und wir werden jede Gelegenheit wahrnehmen, mit unseren Brüdern und Schwestern jenseits des Eisernen Vorhanges ins Gespräch zu kommen, um das Gemeinsame zu pflegen und so die Wiedervereinigung über das Stadium nur westdeutscher Selbstgespräche hinauszuführen“. T. N. Schreiber, Landesvorsitzender des „Deutschen Saarbundes" in Hessen

 

„Europa darf gegen niemand gerichtet sein, für uns Deutsche am allerwenigsten gegen die Sowjetunion, in deren Hand sich 17 Millionen Deutsche befinden“. Abg. Mommer im Hessischen Rundfunk

 

Seite 3   Gumbinnen – Stadt der toten Seelen. Wasserversorgung und Kanalisation lahmgelegt / Alles Deutsche  ausgelöscht.

Foto: Gumbinnen.  Blick in die Wilhelmstraße mit dem Turm der Altstädtischen Kirche (Aus „Von Memel bis Trakehnen in 144 Bildern“, Verlag Gerhard Rautenberg, Leer)

Wenn heute die Züge über Kybartei und Eydtkuhnen aus Russland in das nördliche Ostpreußen kommen, bringen sie immer Leute mit, die in den Städten und Dörfern an der Pissa und Angerapp angesiedelt werden sollen. Es sind Menschen, die mit zurückhaltendem Optimismus ankommen — nach den Ausführungen der Werber erwarten sie zumindest bessere Verhältnisse als sie in ihrer Heimat bisher gewöhnt waren. Aber andererseits hat inzwischen jedermann auch schon gehört, dass die Verhältnisse im sowjetisch verwalteten deutschen Ostpreußen sich immer mehr den innerrussischen angeglichen haben. So sind es doch zwiespältige Empfindungen, die die Ankommenden beherrschen.

 

Ernüchternd wirkt für sie auch die Ankunft in Gumbinnen, wo die meisten Ansiedler für den östlichen Landesteil ausgeladen werden. In der ausgebombten und von Granatfeuer zerstörten Siedlung Preußendorf, wo sich heute eines der Auffanglager für Ansiedler befindet, verliert dann spätestens jeder die letzten Illusionen. Von dem sagenhaften Reichtum Ostpreußens, den die Deutschen hier zusammengetragen und erarbeitet haben, ist nichts mehr übrig als die Erinnerung. Einige Leute, die gleich 1945 oder 1946 kamen, wissen noch davon zu erzählen. Aber was sie berichten, ist so unglaublich, dass man sie oft für Aufschneider hält.

 

Die Stadt Gumbinnen existiert in unserem Sinne nicht mehr. Sie ist unter den Bombenangriffen, der Feuerwalze der Hauptkampflinie und während der Demontage- und Plünderungswellen verschwunden. Geblieben sind nur die Straßen und einige Häuser in den Straßenzügen. Und wie auch haben sie sich verändert! täuschen wir uns nicht: dem Russen scheint die Überfremdung besser zu gelingen als dem Polen! Während viele deutsche Städte im Osten auch nach über elfjähriger polnischer Herrschaft noch immer deutsche Züge aufweisen, so wirkt die Russifizierung im sowjetisch verwalteten Nord-Ostpreußen viel durchdringender.

 

Ein Grund mit ist es, dass sich in Gumbinnen heute überhaupt keine Deutschen mehr befinden. Die Russen sind hier völlig unter sich und haben keine bevölkerungspolitischen Schwierigkeiten wie beispielsweise die Polen in den Städten und Dörfern Masurens. Zudem ist Gumbinnen so zerstört, dass es allein schon dadurch sein früheres Gesicht verlor. Am meisten hat die Stadt jedoch die Praxis der sowjetischen Trümmerräumung, Verwaltung und die des Wiederaufbaues verändert.

 

Kennzeichnend dafür ist, dass man von vorneherein die Frage der Kanalisation nach russischem Muster löste: man hielt die Kanalisation nämlich für überflüssig. Nach der Besetzung waren sämtliche Pumpen und andere notwendige maschinelle Anlagen demontiert worden, so dass auch die Wasserversorgung in Frage gestellt wurde. Bis heute hat sich an diesen Zuständen nicht viel geändert!

 

In keiner Straße ist das Abflusssystem wieder in Ordnung gebracht worden. Die Leute schütten die Abwässer aus den Fenstern oder sammeln sie in Eimern und bringen sie in die Gärten. Bei starkem Regen oder während der Schneeschmelze kommt es regelmäßig vor, dass viele Straßen einfach unpassierbar geworden sind. Niemand machte sich bisher die Mühe, die seit langem verstopften Abflüsse wieder in Ordnung zu bringen und für den Ablauf des Wassers zu sorgen. Erst vor einigen Wochen stand darüber in einer sowjetischen Zeitung folgender Absatz: „Stellenweise glaubten wir in Gumbinnen, wir befänden uns in Venedig. Das Wasser in den überschwemmten Straßen stand so hoch, dass man nur noch mit Mühe mit dem Lastkraftwagen hindurch kam. Nur die Kinder freuten sich über diesen unglaublichen Zustand, denn sie paddelten in Holzbottichen auf dem Wasser umher“.

 

Das Wiederaufbaubüro der Sowjets in Gumbinnen hat nach Kriegsende mehrere Male versucht, wenigstens die Wasserversorgung wieder instand zu setzen. Aber bisher ist es nicht gelungen, erst einmal das Wasserwerk in Gertschen in Betrieb zu nehmen. Wurde in Gertschen auch nicht alles hundertprozentig demontiert, so fehlen doch einige unersetzliche technische Einrichtungsgegenstände, die nicht zu beschaffen sind und ohne die die Inbetriebnahme nicht möglich ist. Gegenwärtig wird der Versuch gemacht, aus der Sowjetzone die fehlenden Anlagen zu beschaffen und danach mit ostzonalen Technikern das Wasserwerk wieder in Gang zu bringen.

 

In der Frage der Kanalisation wird dagegen von dem Aufbaubüro gar nichts unternommen. Es heißt, die geringe Bevölkerungszahl lasse einen derartigen Aufwand nicht zu... Womit die Frage nach der Zahl der heutigen Einwohner gestellt ist. Man ist bei der Beantwortung natürlich auf russische Angaben angewiesen. Leider widersprechen sich die Verlautbarungen der sowjetischen Verwaltung hierüber sehr, so dass man sehr vorsichtig zu Werk gehen muss. Im vergangenen Jahr hieß es einmal, in Gumbinnen lebten 10 000 Zivilisten und 5 000 Soldaten.

 

Nun, das entspricht nicht der Wahrheit, denn in diesem Jahr gab die Stadtverwaltung zu, dass in den bisherigen bevölkerungsstatistischen Angaben bezüglich der Zivilisten auch immer die Personen mitgezählt wurden, die sich als Neusiedler im Gumbinner Auffangs- und Verteilungslager befinden. Zudem zählte man zu der städtischen Bevölkerung auch solche Personen, die weit außerhalb in Dörfern der Umgegend wohnen. Tatsächlich wurden diese Gemeinden aber inzwischen nicht eingemeindet, so dass auch ihr Hinzuzählen einen weiteren falschen Eindruck von der Einwohnerzahl vermittelt.

 

In Wirklichkeit kann man die Bevölkerung des heutigen Gumbinnen etwa folgendermaßen annehmen: zu jeder Zeit rund 1 500 Neusiedler aus Innerrussland im Verteilungslager, 1 000 Personen in nicht eingemeindeten Dörfern der Umgebung, 3 500 Mann Soldaten der Garnison und somit höchstens nur 8 000 reguläre Zivilisten als Einwohner. Bei der letzten Volkszählung vor dem II. Weltkrieg registrierte man in der Stadt dagegen eine deutsche Bevölkerung von 22 181 Personen!

 

Legt man etwa 8 000 Zivileinwohner im heutigen Gumbinnen zu Grunde, so muss man sich aber vergegenwärtigen, dass diese Menschen sich mit viel weniger Wohnraum zufrieden geben müssen als etwa früher die gleich große Anzahl Deutscher. Das heißt: man darf auf Grund der 8 000 Einwohner (rund ein Drittel der früheren Bevölkerungszahl) nicht schließen, nun müsse auch noch ein Drittel der Stadt erhalten sein. Tatsächlich ist nur ein Fünftel oder Sechstel Gumbinnens unzerstört aus den Kriegswirren hervorgegangen. Da die Russen in der Wohnungsfrage viel bedürfnisloser als die Deutschen sind, ist die Belegung des übriggebliebenen Wohnraumes viel stärker, als es zu unserer Zeit denkbar gewesen wäre.

 

Die heute in Gumbinnen herrschenden hygienischen Verhältnisse sind sehr besorgniserregend. Die Überbelegung der Häuser, das fehlende Leitungswasser und die nicht funktionierende Kanalisation sind daran in erster Linie schuld. Es wäre nun falsch, anzunehmen, die russischen Einwohner fühlten sich allesamt ganz wohl in dieser Unordnung. Aber sie haben keine Möglichkeit, auf die Verwaltung in besserndem Sinne einzuwirken. Eine große Lethargie liegt über der Stadt.

 

Wo pulsiert heute überhaupt noch Leben in Gumbinnen? Vor allem in der Siedlung Annahof, in der Stallupöner- und der Bismarckstraße, an der Freiheit sowie in der Königsstraße, im Regierungsgebäude und in der Kirchstraße. Dagegen sieht man viele Trümmer in der Koch-, Goldaper-, Luisen-, Meelbeck,- Soldauer- und Meiserstraße. Am Friedrich-Wilhelm-Platz ist beispielsweise als einziges Gebäude die alte Raiffeisenbank erhalten geblieben. Ruinen sind auch die Post, die Baptistenkirche, die ganze Dammstraße, die Reformierte Kirche und das neue Rathaus. Erhalten oder repariert wurden der bekannte „Kaiserhof", zwei Pissabrücken, ein Verwaltungsgebäude in der Poststraße, das Kreiskrankenhaus, das Brenkesche-Haus in der Kirchstraße, das Ostpreußenwerk, das Bahngebäude und das Druckereihaus in der Insterburgerstraße. Umfangreiche Schäden sind auch in der Zeppelinstraße, am früheren Proviantamtsgelände und beiderseits Königs-, der Blauen- und der Karl-Brandt-Brücke festzustellen. Zurzeit wird im Wiederaufbau nur in der Nähe des ehemaligen Kreishauses und an der Hindenburgstraße gearbeitet.

 

Die russische Bevölkerung, die bisher ansässig gemacht werden konnte, ist vorwiegend in landwirtschaftlichen und handwerklichen Staatsbetrieben zusammengefasst. Sie gilt immer noch als eine Art Pioniertruppe, um für die später nachkommenden Neusiedler bessere Verhältnisse zu schaffen. Allein im Gumbinnener Bezirk will man in den nächsten Jahren noch 85 000 bis 100 000 Russen ansiedeln! Mit dem Pioniergeist der jetzt schon hier Befindlichen ist es aber nicht weit her. Außer den aufgezeigten Missständen mangelt es vor allem an Elan und Arbeitsfreude. Auf sowjetischer Seite wird immer wieder über die Apathie der Menschen geklagt, denen es an sozialistischem Bewusstsein fehle. In zwölf Jahren russischer Herrschaft, hier wurde so wenig geleistet, dass man von Gumbinnen immer öfter als von der Stadt der toten Seelen spricht.

 

Seite 3   Blick nach Osteuropa.

Russland.

Einen langfristigen Handelsvertrag mit der Sowjetunion will Frankreich als erstes unter den wichtigen westlichen Ländern abschließen. Die Verhandlungen darüber haben in Paris begonnen. Sie werden für die Sowjetunion vom stellvertretenden Außenhandelsminister in Moskau, Kumikin, geführt, was als Zeichen für die Bedeutung gelten kann, die man in Moskau diesem Vertrag beimisst. Es ist daran gedacht, den Vertrag bis 1959 gelten zu lassen.

 

Rund ein Drittel der gesamten diesjährigen Ernte ist einer Meldung des Senders der georgischen Hauptstadt Tiflis zufolge bereits auf dem Schwarzen Markt verschwunden. Der Ministerrat der Republik hat jetzt schärfste Maßnahmen gegen Spekulation und Schwarzhandel beschlossen und einen entsprechenden Erlass herausgegeben.

 

Als Ersatz für die bisher in den sowjetischen Schulen verwendeten Geschichtsbücher ist dieser Tage den Lehrern eine Broschüre zweier Mitarbeiter der Akademie der pädagogischen Wissenschaften mit einem Schreiben zugesandt worden. Darin heißt es. dass für eine Übergangszeit diese Ausarbeitung als notwendige Stütze für Geschichtslehrer zu betrachten sei, weil alle sowjetischen Lehrbücher der Geschichte, angefangen von der Gründung des Kiewer Reiches bis zum Bürgerkrieg, völlig vom Geist des Personenkults durchdrungen seien und einer Revision bedürften.

 

Polen.

Im Kernforschungsinstitut der polnischen Akademie der Wissenschaften sind die ersten Transporte von Bestandteilen und Einrichtungen für den Bau eines Atomreaktors eingetroffen. Der Reaktor wird bei Warschau im Zentralen Kernforschungsinstitut montiert, das sich bereits im Bau befindet. Mit der Inbetriebnahme wird Mitte 1957 gerechnet.

 

Das Warschauer Nationalmuseum konnte anlässlich der „Internationalen Woche der Musen" vom 6. bis14. Oktober erstmals nach dem Kriege wieder seine Tore öffnen.

 

Die Freilassung aller wegen einer Beteiligung am Posener Aufstand festgesetzten Personen hat der Generalstaatsanwalt am 23. Oktober angeordnet, soweit diese nicht wegen Mordes oder Plünderungen in Haft genommen worden sind. Darüber hinaus hat er die sofortige Überprüfung sämtlicher in diesem Zusammenhang angelegter Prozessakten verlangt.

 

Tschechoslowakei.

Das tschechoslowakische Verteidigungsministerium ordnete am 26. Oktober morgens die Bereitschaft der tschechoslowakischen Armee in der ganzen Republik an. Besondere Anweisungen wurden an die Aktive  des Verteidigungsministeriums in Prag und Preßburg gegeben, die ihre Unterkünfte nicht verlassen dürfen.

 

Verschärfte Zollbestimmungen im Grenzverkehr mit Polen hat die Prager Regierung auf dem Verordnungswege kürzlich eingeführt, da polnische Touristen in der Tschechoslowakei einen schwunghaften Schwarzhandel entwickelt haben. Die Mitnahme einiger Waren, wie z. B. von Spirituosen aller Alt, ist grundsätzlich verboten worden.

 

Seite 3   Unsere Heimat heute.

Aus der Niederung.

Durch immer neue Ansiedlertransporte aus der Sowjetunion ist das Küstengebiet der Niederung von Karkeln bis Elchwerder (Nemonien) regelrecht überbevölkert. Die Verwaltung brachte so viele Russen nach hier, dass diese trotz der Unversehrtheit der meisten Haff-Dörfer und trotz der Anspruchslosigkeit in Wohnungsfragen nicht genug Platz haben. Dagegen lässt die Ansiedlung im Inneren der Niederung bis nach Tilsit-Ragnit nach wie vor zu wünschen übrig. Die Besiedlung des Haffs in diesem starken Maße rührt daher, dass eine innerrussische Umsiedlungskommission, die sehr aktiv ist, ausschließlich Fischerfamilien für diesen Teil Nord-Ostpreußens anwirbt. Nach wie vor holt sie arme Fischer von Seen und Flüssen der Sowjetunion unter großen Versprechungen fort und setzt sie an der nördlichen ostpreußischen Küste an. Die Werbung läuft noch immer unter dem Motto: „Wir bieten euch deutsche Komforthäuser!"

 

Ragniter Zellstoff-Fabrik

In der Ragniter Zellstoff-Fabrik, die wieder in vollem Umfang arbeitet, sind auch noch deutsche Arbeitskräfte beschäftigt. Man beschäftigt sie bei dem Antransport der Rohstoffe sowie direkt in der Produktion. Schon seit einiger Zeit sind diese Landsleute, die teilweise aus dem Memelland stammen und nach hier dienstverpflichtet worden sind, in Lohn und Rechten den russischen Arbeitern gleichgestellt. Dagegen kommt es von russischer Seite immer noch zu Benachteiligungen litauischer Arbeitskräfte. Ein beträchtlicher Teil der Belegschaft besteht aus Frauen, die trotz der angeblichen Gleichberechtigung nicht dieselben Löhne wie ihre männlichen Kollegen erhalten. Die Erzeugung des Betriebes kann für russische Verhältnisse als zufriedenstellend bezeichnet werden.

 

Deutsche aus dem Norden. In der Bauerngemeinde Reddenau (Kreis Bartenstein) leben auf vielen deutschen Höfen Landsleute aus dem nördlichen Ostpreußen. Nach Vertreibung aus ihrer Heimat durch die Russen wurden sie hier ansässig. Die Polen sind sehr mit ihnen zufrieden, sie sind wesentlich besser als die hier angesetzten galizischen Neusiedler? Von den Deutschen, die ursprünglich hier lebten, sind viele ausgewiesen oder verschleppt worden. Die Polen behielten die später aus Nordostpreußen kommenden Landsleute nur hier, weil sie mit der Bewirtschaftung allein nicht weiterkamen. Um die Erzeugung noch weiter zu steigern, wurde jetzt bekanntgegeben, dass auch deutsche Bauern Kredite erhalten können. Polen gibt man nur ungern längere Darlehen, da sie sie nicht zurückzahlen und die Beträge nicht für ihre Betriebe verwenden.

 

Seite 3   Chronik

Kurzmeldungen aus der Heimat.

Allenstein. Etwa drei Dutzend deutsche Jugendliche aus dem Allensteiner Bezirk haben sich schnell entschlossen zum Einsatz im Bergbau gemeldet, um dadurch ihrer bevorstehenden Einberufung in die polnische Armee zu entgehen. Die Behörden bestätigten ihnen, dass sie nach zwanzigmonatiger Arbeit unter Tage auf keinen Fall mehr der sonst üblichen 24-monatigen Militärpflicht unterliegen.

 

Brandenburg. Russische Haff-Fischer in Brandenburg an der Frisching beschäftigen in ihrer Genossenschaft bereits seit Jahren zwei deutsche Kriegsgefangene, die aus dem Samland stammen. Die beiden wurden als „sowjetische Staatsangehörige" nach Nord-Ostpreußen entlassen, wo sie jedoch keine Familienangehörige mehr vorfanden. Man teilte sie darauf der Brandenburger Fischerei-Genossenschaft zu, bei der sie auf Grund ihrer Kenntnisse inzwischen zu „Aktivisten" avancierten. Sie erhielten russische Namen und haben keine Möglichkeit, nach etwa in den Westen vertriebenen Verwandten zu forschen.

 

Cranz. In einer von einer sowjetischen Zeitung veröffentlichten Reportage über das Hochmoor bei Cranz heißt es, „dort leben Menschen, die sich von Beeren und vom Fang der Wildenten ernähren. Man hat ihnen die Trockenlegung des Moores versprochen, das aber vergessen und ihnen verboten, ihre Elendsunterkünfte zu verlassen, weil die Besiedlung und Urbarmachung des Moores kurz bevorsteht“.

 

Rössel. In den Wäldern von Bischofstein im Kreis Rössel haben sich die Wildschweine so vermehrt, dass jetzt mehrere große Rudel regelrecht die Gegend unsicher machen. Nach der schon kurz nach Kriegsende erfolgten radikalen Abholzung der Hochwaldbestände ist das Gebiet jetzt von Buchholz bestanden, in dem sich die Wildschweine sehr wohl fühlen. Die Jagdgemeinschaften haben erklärt, in einem solchen Gelände könnten sie unmöglich jagen.

 

Saalfeld. Die polnischen Behörden haben die Absicht verlauten lassen, das Postamt und die Molkerei der ostpreußischen Stadt Saalfeld wiederaufzubauen. Bisher lagen diese beiden Gebäude der Stadt am Ewing-See in Trümmer, es bestanden lediglich eine Posthilfsstelle und ein Milchsammelpunkt. Saalfeld ist noch immer sehr zerstört, die Bevölkerungszahl ist erschreckend niedrig.

 

Schloßberg. Die sowjetische Verwaltung in Schloßberg hat anscheinend großes Interesse daran, dass in dieser Stadt auch nicht mehr ein einziger Deutscher lebt. Nachdem die Vertreibung usw. schon alle Landsleute aus dieser Stadt entfernt hatte, versuchten sich in den letzten Monaten Deutsche aus dem Memelgebiet anzusiedeln. Theoretisch ist das möglich, nachdem Umzüge aus dem Gebiet nördlich der Memel nach Süden nicht mehr verboten sind. Praktisch aber wird es immer wieder verhindert, dass dadurch Deutsche nach Ostpreußen kommen. So veranlasste man auch die nach Schloßberg gekommenen Deutschen wieder zum Abzug.

 

Seite 3   Mais als Strafe.

In Königsberg hat man sich eine neue Methode ausgedacht, um schlecht bewirtschaftete Kolchosen bzw. deren Mitglieder zu bestrafen. Es wurde verfügt, dass diese Betriebe — wie auch entsprechende Sowchosen — nur noch Maisbrot zugeteilt erhalten. Normale Brotsorten dürfen ihnen erst dann wieder geliefert werden, wenn sich die Verhältnisse auf dem betreffenden Staatsbetrieb gebessert haben. In Nadrauen und im Samland wurden von dieser Maßnahme bisher drei Dutzend Kolchosen und Sowchosen betroffen. Zynisch bemerkten bereits einige Parteiblätter, dass „sich die Kollegen auf den meisten dieser unrentablen Wirtschaften damit abfinden müssen, in den nächsten Jahren ständige Maisverbraucher zu sein".

 

Seite 3   Adoptionen

In den vergangenen Monaten wurde eine größere Anzahl deutscher Waisenkinder im nördlichen Ostpreußen von russischen Familien adoptiert. Die Genehmigung dazu erhielten mittlere Offiziere und Funktionäre, wogegen Adoptionen bei Höhergestellten oder „kleinen Leuten" nicht gern gesehen sind. Gründe für die Adoptionen und deren Differenzierung sind nicht bekannt. Wahrscheinlich hofft man hierdurch, die schon älteren Kinder völlig dem Deutschtum zu entfremden.

 

Seite 4   Wo blieben die Testamente

Auf zahlreiche Anfragen geben wir folgendes bekannt:

 

Soweit Testamente aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße in das Bundesgebiet ausgelagert waren, wie z. B. Testamente vom Amtsgericht Zoppot, sind sie bei dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg niedergelegt worden. Hier werden auch alle Testamente aus diesen Gebieten verwahrt, die in dem Bundesgebiet aufgefunden sind.

 

Testamente aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie, die in der SBZ gefunden sind, werden bei dem Bezirksnotariat Berlin-Mitte, Berlin C 2, Littenstraße, verwahrt.

 

Nachfragen nach dem Verbleib von Testamenten in den polnisch besetzten Gebieten jenseits der Oder-Neiße können an die Polnische Militärmission Berlin W 15, Schlüterstraße 42, gerichtet werden. Die Anfragen müssen in polnischer Sprache abgefasst sein. Ob und wieweit diese Anfragen beantwortet werden, ist in das Belieben der Mission gestellt, da der Bundesregierung wegen der fehlenden diplomatischen Vertretung eine Einflussnahme nicht möglich ist.

 

Seite 4   Deutsch erste Fremdsprache.

Im Prager staatlichen Sprachinstitut ist Deutsch jetzt wieder zur führenden Fremdsprache geworden, mehr als 60 Prozent der über 11 600 eingetragenen Schüler in 480 Kursen des Instituts haben sich für Deutsch als erste Fremdsprache entschieden. Weitere 20 Prozent haben Deutsch als zweite Fremdsprache belegt.

 

Auch in den höheren Schulen der Tschechoslowakei — wie auch Polens — rückt Deutsch langsam an die traditionelle erste Stelle.

 

Eine ähnliche Entwicklung ist in den anderen östlichen Balkanstaaten zu verzeichnen, wo Deutsch früher den Charakter der „Mittlersprache hatte. In Rumänien ist beliebteste Fremdsprache Französisch: in den anderen Staaten führt Englisch knapp vor Deutsch.

 

Seite 4   Alte Jahrgänge der Ostpreußen-Warte.

Die Suchmeldung nach alten Jahrgängen der Ostpreußen-Warte in unserer September-Ausgabe brachte eine so große Anzahl von Angeboten, von denen wir bislang nur einen Teil an Interessenten vermitteln konnten. Wer noch Interesse an alten Jahrgängen hat, schreibe bitte an die Redaktion der OW, Göttingen, Postfach; wir werden dann eine direkte Verbindung vermitteln.

 

Seite 4   Winterbilder aus der Heimat.

Wir suchen laufend Heimatfotos unserer Leser, z. Zt. besonders solche mit winterlichen Motiven für die Wiedergabe in unserem Heimatblatt. Die Bilder werden, so es sich um eigene Aufnahmen handelt, nach verlagsüblichem Satz honoriert. Einsendungen bitte an die Redaktion der OW, Göttingen, Postfach.

 

Seite 4   Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule.

Im Rahmen des diesjährigen Herbstfestes der Bundessiedlerschule ist am 14. Oktober die neue Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule (Landfrauenschule) in Katlenburg durch den Herrn Niedersächsischen Landwirtschaftsminister von Kessel in einer Feierstunde ihrer Bestimmung übergeben worden. Zahlreiche Vertreter des Bundes, von Landesregierungen und der Niedersächsischen Behörden, des Deutschen Bauernverbandes, des Bauernverbandes der Vertriebenen, des Bundes der vertriebenen Deutschen, der Ostdeutschen Landsmannschaften und der Deutschen Jugend des Ostens brachten zum Ausdruck, dass sie diese Schule als Schwesteranstalt der schon seit vier Jahren tätigen Siedlerschule begrüßen und ihrer Ausbildungs- und Erziehungsaufgabe einen vollen Erfolg wünschen.

 

Die Katlenburger Schulen wollen vor allem der Landjugend der Vertriebenen und Flüchtlinge eine Lebenshilfe sein. Die neue Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule wird ihren ersten Lehrgang am 11. Februar 1957 beginnen. Die Ausbildung wird der Unterklasse einer Landfrauenschule entsprechen, insbesondere aber die Belange der ländliche Siedlerfrau berücksichtigen und zusätzlich die deutsche Heimat im Osten in ihrer Vergangenheit und Gegenwart den Lehrgangsteilnehmerinnen nahe bringen.

 

(Der Lehrplan sieht vor u. a. Kochen und Ernährungslehre, Nadelarbeit und gestaltendes Wirken, Gartenbau, Tierhaltung, Haushaltsführung, Technik im Landhaushalt, Kleintierhaltung und gärtnerische Praxis, Gesundheits- und Kinderpflege, deutsche Heimat- und Ostkunde, Singen, Sport.)

 

Die Schülerinnen werden in einem neu errichteten geschmackvoll eingerichteten Heim untergebracht werden.

 

Als Aufnahmebedingungen gelten: abgeschlossene Volksschule und landwirtschaftliche Berufsschule und mindestens drei Jahre ländlich-hauswirtschaftliche Praxis oder Lehrzeit. Alle Einzelheiten sind dem Prospekt zu entnehmen, der bei der Verwaltung der Siedlerschule Katlenburg/Harz ebenso wie die Aufnahmeanträge angefordert werden können.

 

Seite 4   Professor Dr. Goetz von Selle verstorben.

Nach schwerer Krankheit starb am 6. Oktober 1956 in Göttingen Professor Dr. Goetz von Selle. Er war als hervorragender Wissenschaftler bekannt, der sich vorwiegend mit dem ostdeutschen Geistesleben befasste. Er wurde am 28. Januar 1893 in Torgau geboren und entstammt einer ostpreußischen Offiziersfamilie. Nach dem Studium in Göttingen leitete er dort das Universitätsarchiv und wurde 1939 stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek in Königsberg/Pr.

 

Das Kriegsende brachte den Gelehrten wieder nach Göttingen, wo er sich in der Hauptsache der Erhaltung, Überlieferung und Weiterführung ostdeutschen Geistesgutes widmete. Er war Vorstandsmitglied des Göttinger Arbeitskreises, leitete die Meldestelle der Ostuniversitäten und förderte die Gesellschaft der Freunde Kants, die sich 1947 in Göttingen neu bildete. Seit fünf Jahren war er auch als Redakteur des „Jahrbuches der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr.“ tätig.

 

Überall all dieser Ämter hinaus hat Prof. von Selle noch Zeit zu zahlreichen Veröffentlichungen gefunden, die sich vor allem mit der Königsberger Universität, dem Preußentum und der ostpreußischen Geistesgeschichte befassen.

 

Mit Goetz von Selle ist ein Mensch von uns gegangen, der mit seinem Wissen und seiner Kraft unendlich viel dazu beitrug, dass das ostdeutsche Geistesleben bewahrt und weitergegeben wird.

 

Seite 4   Einst verbannt – heute umsorgt.

Das Witwenproblem gewinnt heute immer mehr an Bedeutung. Die hohe Zahl der verwitweten Frauen in Deutschland ist nicht nur eine Folge der beiden Weltkriege, sondern steht auch in engem Zusammenhang mit dem Altersunterschied des Ehepaars und der unterschiedlichen Sterblichkeit der Geschlechter. Nach einer neueren Statistik ist der Mann bei 72% der Eheschließenden älter als die Frau. Das Durchnittsalter der eheschließenden Männer beträgt 30 ½ Jahre, das der Frauen 27 Jahre.

Die durchschnittlichen Lebenschancen betragen für diese Altersstufen beim Mann noch 41 Jahre, bei der Frau noch etwa 47 Jahre. Jede Braut muss daher mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, Witwe zu werden. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt nach amerikanischen Untersuchungen, bei gleichaltrigen Ehepartnern 60 %, falls die Frau um 5 Jahre jünger ist 70 %, wenn sie aber um mehr als 10 Jahre jünger ist bereits 80%. Nach diesen Untersuchungen werden die Frauen durchschnittlich mit 56 Jahren Witwe, ein Viertel der Frauen sind, wenn sie Witwe werden, noch nicht 45 Jahre alt. Die Witwenschaft dauert im Durchschnitt über 20 Jahre, bei 25 % der Witwen sogar mehr als 30 Jahre.

 

Eine traurige Statistik, die jeden Mann, der eine Familie hat, und jede Frau, die von diesem Schicksal betroffen werden kann, aufhorchen lassen wird. Denn heute sind uns Möglichkeiten gegeben, wenigstens die materielle Not der Witwen zu mildern. Das war nicht immer so.

 

Bei den germanischen Stämmen der Frühzeit war die Frau unfrei, sie galt als Eigentum des Mannes, der sie sogar töten, verspielen oder verkaufen konnte. Nach seinem Tode wurde sie, wie sein anderes Eigentum, mit ihm begraben oder verbrannt, wenn sie sich nicht auf seinem Grabhügel selbst den Tod gab. Später, im 6. Jahrhundert etwa, sah man es zwar nicht mehr als ihre Pflicht an, ihr Leben mit dem ihres Mannes enden zu lassen. Das weitere Leben der Witwe war aber auf jeden Fall sehr schwer, weil sie unweigerlich von der Verachtung ihres Stammes getroffen wurde.

 

Ähnlich war das Los der Witwen in Indien bis in unsere Zeit, und nur durch energische Gesetze konnte den grausamen Sitten dort Einhalte geboten werden. In manchen Gegenden Neuguineas mussten die Witwen ein Jahr lang mit weißem Ton beschmiert wie Gespenster umherlaufen, anderswo mussten sie Röcke und Schleier aus Gras tragen. Noch um die Jahrhundertwende schickten die Holländer Kanonenboote nach Bali, weil der dortige Fürst die beiden Witwen seines Vorgängers mit allem Pomp verbrennen wollte.

 

Im Abendland besserte sich die Lage der Witwe mit dem Beginn des Mittelalters. Die Frauen, die bis dahin von der Erbfolge ausgeschlossen waren, durften nun wenigstens Eigentum besitzen und z.B. ihre Mitgift, die Morgengabe oder einen Gnadenteil, der ihnen vom Sohn zugebilligt wurde, als Witwenversorgung behalten. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit die Einrichtung des „Wittums", einer regelrechten Witwenversorgung. Die Witwe erhielt dann sogar das Recht auf „Leibzucht, d. h. des Nießbrauchs von Grundstücken, Bauten und ähnlichem.

 

Die Formen der Witwenversorgung haben sich inzwischen vielfach verändert, geblieben ist das Bestreben, das jeden fürsorglichen Familienvater erfüllt: vorzusorgen — z.B. durch eine Lebensversicherung, die schon von der ersten Prämienzahlung an einen zuverlässigen Risikoschutz bietet — für den Fall, dass er selbst eines Tages nicht mehr für seine Familie arbeiten und sorgen kann.

 

Noch vor wenigen Jahrhunderten kaufte der Mann, wenn er reich war, seine Frau fürsorglich in ein „Witweninstitut" ein. War er arm, konnte sie in einem „Baginenhaus" gegen Hausarbeit ihr Leben fristen. Beide Möglichkeiten waren wohl eine Hilfe — eine wirkliche Lösung des Problems, wie sie heute ist, stellten sie aber nicht dar.

 

Seite 4   Aufgefundene Sparbücher Vertriebener.

Das Bundesausgleichsamt hat zu dem Verzeichnis der herrenlosen Sparbücher einen zweiten Nachtrag herausgegeben, der wiederum eine erhebliche Anzahl neu gemeldeter herrenloser Sparbücher Vertriebener enthält. Es handelt sich um im Bundesgebiet befindliche Sparbücher, die auf der Flucht oder während der Vertreibung verlorengegangen oder anderen zum Verwahren übergeben worden waren. Das Hauptverzeichnis wie die Nachträge können von den Geschädigten bei allen Geschädigtenorganisationen und Ausgleichsämtern eingesehen werden. Anträge auf Rückgabe der Sparbücher sind nur an die zuständigen Ausgleichsämter zu richten.

 

Seite 4   Arbeitslosenversicherung für alle Arbeitnehmer.

Der Bundestagsausschuss für Arbeit hat die jetzt fertiggestellte Novelle zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Bonn veröffentlicht. Der wichtigste Abschnitt dieses Abänderungsvorschlages besagt, dass der versicherungspflichtige Personenkreis nunmehr alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe des Gehaltes umfasst und alle Arbeitnehmer Arbeitslosenversicherung abzuführen haben. Bis jetzt scheiden alle Gehaltsempfänger aus der Arbeitslosenversicherung aus, die mehr als DM 750,-- im Monat beziehen. Die künftigen Beiträge und Leistungen sollen jedoch höchstens nach einem Entgelt von 750 DM monatlich berechnet werden. Die Novelle sieht ein Arbeitslosengeld vor, das höchstens für die Dauer von 52 Wochen in Anspruch genommen werden kann, wobei für den Empfang dieser Unterstützung eine dreijährige Beschäftigung vorausgesetzt wird. Die Höhe des Arbeitslosengeldes wird durch die Novelle zum Teil erheblich verbessert, in keinem Fall soll der Hauptbetrag weniger als 55 Prozent des Netto-Gehaltes (Entgeltes) betragen. Durch Familienzuschläge erhöht sich die Unterstützung beträchtlich. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll auf zwei Prozent ermäßigt werden. Das abgeänderte Gesetz soll drei Monate nach seiner Verkündigung in Kraft treten, doch rechnet man damit, dass dies keinesfalls vor dem 1. März 1957 der Fall sein wird, da über die Novelle lebhafte Auseinandersetzungen im Bundestag erwartet werden.

 

Seite 4   Kredite für Vertriebene erhöht

In der Sitzung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundestages wurde auf Antrag des CDU-Abgeordneten Samwer aus dem ERP-Sondervermögen der Ansatz für die Vertriebenen- und Kriegssachgeschädigten-Betriebe um 5 Millionen DM auf 30 Millionen DM erhöht. Davon können 20 Millionen für Vertriebenen- und nunmehr 10 Millionen für Kriegssachgeschädigten-Betriebe zu dem billigen Zinssatz von 3 Prozent über die Lastenausgleichsbank ausgeliehen werden. Außerdem erhalten Kriegssachgeschädigten-Betriebe Kredite von weiteren 10 Millionen DM über die Industrie-Kreditbank zu unter dem normalen Bankzins liegenden Zinssätzen und verringerten Sicherheiten, an deren Stelle Landesbürgschaften treten können. Erstmalig, so wurde in Bonn betont, sind damit die schwachen Kriegssachgeschädigten-Betriebe der Vertriebenenwirtschaft in der Bewilligung von Kreditmitteln gleichgestellt worden.

 

Seite 4   Novelle zur Kriegsgefangenen-Entschädigung. Antragsfrist verlängert — Nun auch Hinterbliebene antragsberechtigt.

Da der Bundesrat in seiner letzten Sitzung am 19. Oktober 1956 der vom Bundestag beschlossenen Novelle über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener  Kriegsentschädigungsgesetz) zugestimmt hat, ist dieses neue Gesetz verkündungsreif geworden. Es bringt eine wesentliche Hilfe für die ehemaligen Kriegsgefangenen. Nach dem Willen des Bundestages — der in einer einstimmigen Entschließung zum Ausdruck kam — soll dieses neue Gesetz nicht den Buchstaben nach einengend, sondern so ausgelegt werden, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise den Personen zugutekommt, denen mit diesem Gesetz geholfen werden soll. Da die unübersehbare Vielseitigkeit der Verhältnisse während und nach dem Zusammenbruch eine Erfassung aller Tatbestände durch Anführung im Einzelnen praktisch nicht zulassen, wird es daher auf eine aufgeschlossene, menschliche Auslegung der Gesetzbestimmungen ankommen, die für den Bundestag bestimmend und leitend für die Schaffung dieses Gesetzes waren.

 

Das neue Gesetz gibt ehemaligen Kriegsgefangenen, die bisher die Antragsfrist versäumt haben, die Gelegenheit, dies nachzuholen. Man schätzt ihre Zahl auf etwa 30 000 Personen. Der Antrag auf Entschädigung ist innerhalb von sechs Monaten zu stellen. Außerdem wurde festgelegt, dass auch diejenigen Personen, die zwischen dem 1. Januar 1947 bis 2. Februar 1955 ihren Wohnsitz oder Aufenthalt vorübergehend aus dem Bundesgebiet ins Ausland verlegt haben, Ansprüche aus dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz anmelden können.

 

Das neue Gesetz bringt ferner eine klare Abgrenzung der Begriffe „Kriegsgefangenschaft" und „politischer Gewahrsam".

 

Weiterhin wird die Vererblichkeit des Anspruchs der Entschädigung auch den Angehörigen von Kriegsgefangenen und ehemaligen Kriegsgefangenen, die in der Gefangenschaft verstorben sind, zuerkannt, ohne dass die Bedürftigkeit als Voraussetzung verlangt wird.

 

Eine weitere Ergänzung der bisherigen Bestimmungen zu § 28 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes stellt klar, dass bei der Gewährung von Darlehen zum Existenzaufbau, zur Wohnraum- und Hausratbeschaffung die allgemeine Entschädigung nicht berücksichtigt werden muss.

 

Das Gesetz erfordert Mehraufwendungen von rund 100 Millionen DM. Das Bundesfinanzministerium will sicherstellen, dass durch die Bereitstellung der Mittel die Auszahlung der Kriegsgefangenenentschädigung bis Ende 1957 durchgeführt werden kann.

 

Seite 4   Überbrückungszulage für Rentner beschlossen

Der Bundestag hat am 26.10.1956 beschlossen, den Rentnern der sozialen Rentenversicherung noch im Dezember eine einmalige Zulage in der Höhe des dreifachen Rentenmehrbetrages, mindestens aber Versicherten DM 21,--, für die Witwen DM 14,-- und für die Waisen DM 10,-- zu gewähren. Rentner, die nicht unter das Rentenmehrbetragsgesetz fallen, sollen ebenfalls DM 21,-- bzw. Witwen DM 14,-- erhalten.

 

Diese Regelung war notwendig, weil die im vergangenen Jahre gewährte Sonderzulage mit November 1956 ausläuft. Die Dezemberzulage basiert auf den Rentenmehrbeträgen, die nach dem Rentenmehrbetragsgesetz (RMG) vom 23.11.1954 bewilligt wurden. Nach diesem Gesetz wurden die Rentenmehrbeträge mit bestimmten Vonhundertsätzen von folgenden Steigerungsbeträgen zuerkannt:

 

a)     für die bis zum 31.12.1923 entrichteten Steigerungsbeträge in der Invalidenversicherung mit 80 vH

 

in der Angestelltenversicherung mit 120 vH

in der Knappschaftsversicherung für

Knappschaftsvollrenten (Witwenvollrenten) 40 vH

für Knappschaftsrenten (Witwenrenten) 70 vH

 

b)    für die vom 01.01.1924 bis zum 31.12.1938 entrichteten Steigerungsbeträge in der Invalidenversicherung mit 40 vH

in der Angestelltenversicherung mit 60 vH

in der Knappschaftsversicherung

für Knappschaftsvollrenten (Witwenvollrenten) 20 vH

für Knappschaftsrenten (Witwenrenten) 35 vH.

 

Als Höchstbetrag war nach dem RMG ein Betrag von DM 30,-- monatlich vorgesehen. Die Dezemberzulage kann daher bestenfalls dreimal DM 30,-- = DM 90,-- betragen. Nur in der Angestelltenversicherung dürfte die Höchstzulage von DM 30,-- monatlich erreicht werden. In der Invalidenversicherung liegen diese Zulagen gewöhnlich wesentlich niedriger. Die Folge davon ist, dass in diesem Versicherungszweig auch die dreifache RMG-Zulage keine DM 90,-- monatlich erreicht, sondern sich niedriger bewegt.

 

Die Auszahlung der Zulage besorgen wieder die Rentenzahlstellen der Post. Die Versicherungsträger sind an dem Auszahlungsverfahren selbst nicht beteiligt. Sie müssen nur von den Kosten von ungefähr 250 Millionen DM ungefähr 175 Millionen DM tragen, der Rest von 75 Millionen DM geht zu Lasten des Bundes.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußn-Warte. Nummer 9 vom November 1956.

Das „Gold des Nordens“ Kleine Bernsteinkunde.

Vor vielen, vielen Tausenden von Jahren, in der Tertiärzeit, standen dort, wo heute die Ostsee liegt, große Wälder, die Wind und Wetter ausgesetzt waren. Niemand hegte und pflegte sie, Vögel, Insekten und pflanzliche Schmarotzer nagten und bohrten an den Bäumen und brachten ihnen unzählige Wunden bei. Da floss gelbes Harz aus den kranken Stellen, um sie zu schützen und zu heilen. Es tropfte von Ast zu Ast, es floss den Stamm entlang oder wuchs in Rinden und Ritzen ein und bekam, als es durch Kälte erhärtete, die unterschiedlichsten Formen. Oft wurde ein Käferchen oder eine Fliege von einem Harztropfen überrascht und eingeschlossen, oder das Harz fiel auf ein Blatt, dessen Umrisse sich in der weichen Masse abzeichneten und einprägten.

 

Die Sonne brannte damals viel heißer in diesem Landstrich als heute. Länder und Meere auf unserer Erde verändern sich ständig. Das Gebiet mit den großen harzbildenden Wäldern senkte sich und wurde schließlich vom Meere überspült. Mehrere Erdschichten bildeten sich, von denen eine, die sogenannte Blaue Erde besonders reich an Harzausflüssen ist. Durch die eingetretene Kälte ist das Harz sehr fest geworden und wurde bald von den Meereswellen an Land gespült, denn es ist meist nicht schwerer als das Meerwasser. Wir nennen es Bernstein.

 

Als später der Handel aufkam, nannten die Griechen diesen Stein Elektron. Sie beobachteten, wenn sie an ihm rieben, zuerst elektrische Erscheinungen. Es waren die Phönizier, ein wagemutiges Handelsvolk, die die ersten Verbindungsstraßen zwischen den nordischen und den südlicheren Ländern errichteten. Der Bernstein wurde schnell als Schmuckstück, als Pfeifenkopf, sogar als Heilmittel beliebt und begehrt. Große Mengen wurden schon vor mehreren tausend Jahren den Rhein entlang nach Südfrankreich und über Oder, Weichsel, Donau nach Griechenland befördert. In etruskischen Gräbern aus dem 7. Jahrhundert vor Christi hat man Bernstein gefunden, in ostpreußischen Gräbern lagen die dafür eingehandelten Bronzestücke und Gold.

 

Zeitweise ging die Kenntnis der Handelswege den Südvölkern verloren, sie wurden aber wiederentdeckt. Der römische Kaiser Nero schickte im Jahre 54 n. Chr. eine Expedition nach Ostpreußen, die eine unmittelbare Verbindung zur Bernsteinquelle herstellte und jeglichen Zwischenhandel ausschaltete. Später haben die Araber den Handel übernommen. Der Bernstein wurde nicht immer gleich hoch eingeschätzt. Den Griechen galt er während der Blütezeit ihrer Kunst nicht viel, weil er sich nicht gut formen lässt Unter den ersten römischen Kaisern dagegen war selbst die kleinste menschliche Figur in Bernstein kostbarer als ein Mensch. Der Ursprung dieses Schmucksteins war schon im 4. Jahrhundert dem Griechen Aristoteles bekannt, später jedoch, im Mittelalter, hatte man die merkwürdigsten Vorstellungen davon. Erhärteter Honig sollte es sein, verdichtete Dünste des Meeres oder Urin von Tieren. Erst um 1800 kamen die Forscher wieder dahinter, dass es sich um uraltes Baumharz handelt. Aus den vielen Einschlüssen an Tieren und Pflanzen ist zu erkennen, wie es in der Tärtiärzeit dort aussah. Vieles ist in unseren europäischen Ländern heute nicht mehr heimisch, gedeiht aber noch in Nordamerika. Auch eingeschlossene Holzsplitter geben Kunde vom Schicksal vieler Bäume: Sie sprechen von Waldbrand, Blitz und Hagel, Windbruch und Baumschlag und den Schäden durch Tiere und Pflanzen. Sogar Eidechsen, Vogelfedern und Tierhaare sind schon im Bernstein gefunden worden.

 

 Möglicherweise wurde ursprünglich an der Ostseeküste mehr Bernstein gefunden als in anderen Gegenden. Hier wie an der Ostsee jedoch beschränkte man sich lange darauf, die vom Meer herangetragenen Stücke zu sammeln. Später nahmen die Strandläufer auch Netze zum Auflesen, andere stachen den Bernstein vom Boot aus. Sie wendeten mit hakenförmigen Gabeln die Steine auf dem Meeresgrund und holten den darunter liegenden Fund mit Netzen ein. Besonders reiche Bernsteinvorkommen hat das Samland aufzuweisen. Vor der Küste liegt die Blaue Erde bis zu 15 m unter dem Wasserspiegel. Mit großen Zangen und Flaschenzügen haben die Fischer im vorigen Jahrhundert die Steinklumpen vom Grund auf ein Floß geholt und mit den Netzen den Boden abgesucht. Auch Dampfbagger wurden eingesetzt, und Taucher stiegen hinab, den Bernstein zu sammeln, bis man dazu überging, ihn im Bergbau zu gewinnen. Starke Wasserstrahlen übernehmen dabei die Arbeit des Meeres und waschen den Bernstein aus.

 

An der Ostsee war die Bernsteingewinnung seit langer Zeit eine Gerechtsame der Landesherren, zuerst der Herzöge, dann des Deutschen Ritterordens, später des Preußischen Staates. Alle Funde mussten abgeliefert werden, auf Verheimlichung stand Todesstrafe. Durch den starken Handel entstanden in den Hansestädten Bernsteinlagerhäuser, die Dreher und Schnitzer schlossen sich als „Paternostermacher" in Zünften zusammen.

 

Foto: So wurde früher der Bernstein geborgen. Schöpfen, Stechen, Tauchen, Tiefenweck

 

Foto: Unser Bild zeigt einen in Gold gefaßten Bernstein-Anhänger mit zwei Käfern. Seitlich ein kleines Bernsteinstück mit einem eingeschlossenen Tausendfüßler und darunter einen Zierkorken aus Bernstein in Silberfassung mit einem prächtigen Pflanzeneinschluss. Sämtliche Stücke stammen aus dem Hause Walter Bistrick, früher Königsberg, heute in Stuttgart.

Die schöne Aufnahme, die hier erstmalig veröffentlicht wird, wurde uns freundlicherweise von der Firma Walter Bistrick zur Verfügung gestellt.

 

Seite 5   Bernsteinfischen an der ostpreußischen Küste.

In dem 1779 in Wien erschienenen Buch „Schauplatz der Natur und der Künste" heißt es in einem Beitrag über das Bernsteinfischen an der ostpreußischen Küste: „Der Bernstein ist ein versteinertes Erdharz (so glaubte man damals!), welches besonders die Ostsee, nach den Stürmen, an die Preußischen Ufer, mit Seemoos vermengt, auswirft und die Strandbauern mit Hamen in ihre vor der Brust hängende Säcke sammeln; oder es wird dasselbe aus den Sandbergen, in schwarzer harziger Holzerde und blauem Thone, mit Spaten ausgestochen. Der meiste Bernstein kommt stückweise aus der See, da man ihn zuweilen nach heftigen Stürmen zu zehn und mehr Tonnen in drey oder vier Stunden sammelt, ohne Unterschied der Jahres-Zeiten“.

 

Seite 5   Für unsere Leseratten

Liebe Leseratten!

Nachdem wir Euch in der letzten „Kogge" so stiefmütterlich behandelt haben, sollt Ihr heute auf eine recht angenehme Weise entschädigt werden. Zwei Bücher sind es, die wir Eurer Aufmerksamkeit empfehlen wollen, und wir sind sicher: sie werden Euch gefallen.

 

Das erste ist die Geschichte des kleinen Elefanten „Timpu", so abenteuerlich und bewegt wie es kein Menschenschicksal sein kann. Sie führt Euch in seine Heimat, ins Himalaya-Gebirge, wo KleinTimpu friedlich mit seinen Artgenossen in einer großen Herde zusammen lebt. Da bringt eine große Naturkatastrophe Unheil, Angst und Not über die Herde und alle Tiere dieses Tales, und es ist für Timpu gar nicht so einfach, sich gegen diese Naturgewalten zu behaupten. Aber unser kleiner Freund wächst unter diesen außerordentlichen Umständen über sich hinaus und — wäre er ein Mensch — würde man sagen, er sei ein Held. Denn er rettet nicht nur sich selbst, sondern bringt auch noch Hilfe für die anderen. Das Buch müsst Ihr lesen, und Ihr werdet Timpu genau wie wir in Euer Herz schließen.

 

(Paul Alverdes: Timpu. Die Geschichte eines kleinen Elefanten. Franz Schneider Verlag, München, 112 Seiten mit vielen Zeichnungen, 3,50 DM).

 

Das zweite Buch erzählt die Geschichte eines Waisenkindes, das von seiner Tante zu einem Besuch nach Kopenhagen eingeladen wird. Während der Fahrt lernt die dreizehnjährige Ingrid in Flensburg eine junge dänische Malerin kennen. Sie finden auf den ersten Blick Gefallen aneinander und schließen eine unzertrennliche Freundschaft, die allen Belastungsproben standhält. Es ist ein schönes Buch der Freundschaft junger Menschen, die an erste Stelle das Wohl des anderen setzt. Bücher dieser Art müsste es mehr geben! Lest es, Ihr werdet begeistert sein.

 

(Berte Bratt: Das kleine Reiseandenken. Franz Schneider Verlag, München. 135 Seiten, 4,20 DM.) Das nächste Mal mehr. Gert und Ute

 

Seite 5   Briefmarkenecke

Schreibt uns Uwe F. aus Flensburg: „Ich bin Briefmarkensammler. Kann die „Kogge" nicht auch uns ein Fleckchen einräumen? Ich habe eine ganze Serie „Kogge-Marken von Danzig. Das wird sicher auch die anderen Kogge-Fahrer interessieren, dass es so was gibt. Es sind aber auch noch viele andere Marken, die nicht weniger interessant für uns sind: mit Abbildungen bedeutender Bauwerke und großer Männer der alten Heimat. Ich habe mich zum Beispiel ganz auf dieses Motivsammeln „Ostdeutsche Heimat" spezialisiert. Das Gebiet ist viel umfangreicher als mancher vielleicht glaubt. Vielleicht kann die „Kogge" von Zeit zu Zeit Anregungen geben und besonders schöne Marken aus diesem Spezialgebiet veröffentlichen. Vielleicht kommen dann noch mehr Briefmarkensammler auf den richtigen Geschmack.

 

Wir danken Dir. lieber Uwe, für Deine wirklich wertvolle und interessante Anregung. Wir fangen heute gleich damit an und zeigen den Kogge-Fahrern die Danziger Kogge-Marke. Es handelt sich hier um die erste eigene Briefmarken-Serie Danzigs, 1921 als Gedenkausgabe zur Konstitution der Freien Stadt Danzig in zehn Werten erschienen (die 5 Pfennig-Werte wie Abbildung, die 5 Mark-Werte mit geringer Änderung und größer im Format).

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzähöimg aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. 8. Fortsetzung.

Immer noch blickten die Struter stumm, mit großen Augen auf ihren Führer. Der aber fuhr fort: „Ja, ich! Doch nicht ganz allein. Wolfson wird mich begleiten!"

 

Jörge schnellte aus dem Sitz empor, die Röte der Freude schoss ihm ins Gesicht und aus seinen Augen sprühte der Stolz. Wolf reichte ihm lächelnd die Hand.

 

„Dazu habe ich ihn mir ja erzogen. Und es kann wohl sein, dass ich eines Boten bedarf. Denn, liebe Genossen, ich vertraue, dass mein Werk gelingt; doch nur, wenn ihr alle, alle mir helft. Wenn ich auf jeden von euch und zu jeder Stunde bauen kann!"

 

Jetzt endlich lösten sich die Zungen der Struter, und ein schier endloses Staunen, Wundern und Fragen hub an. So saßen sie fast den ganzen Tag noch beisammen, erwogen und berieten, bis Wolfs kühner Plan immer sichtbarer, immer deutlicher hervortrat, bis er schließlich klar und scharf umrissen vor ihnen stand. Da drückten sie sich froh bewegt noch einmal die Hände und gingen auseinander, ein jeder auf seinen Posten.

 

Kaum eine Woche war seit der Tagfahrt der Struter am Helledanger Moor vergangen, als Henke, der Wartsmann, sein Ross satteln ließ, um nach der Ordensburg Bartenstein zu reiten. Ein Knecht begleitete ihn. Mit dem Frührot brachen sie auf und erst im Abendrot stieg der Schattenriss des festen Hauses und seines, hohen Turmes am Horizont empor. Die Nacht sank, als sie über die Zugbrücke durch das hallende Tor einzogen.

 

Während des ganzen langen Tages aber hatten die beiden Männer kaum ein Wort gewechselt. Nicht, als ob es Herrn Henke unziemlich erschienen wäre, sich mit seinem Knecht zu unterhalten. O nein, solche Überheblichkeit lag ihm fern. Aber es gebrach ihm ganz einfach an der Zeit. Denn seine Gedanken waren unablässig mit dem beschäftigt, was ihn zu seiner Reise veranlasste. Das war eine Unterredung, die er am Tage vorher mit Wolf gehabt hatte. Sechs geschlagene Stunden hatten sie beisammen gesessen, von der Mittagszeit bis in den sinkenden Abend hinein. Sesshaftigkeit war sonst des Struterführers Art nicht, und Geschwätzigkeit gar am allerwenigsten. Es musste also schon sehr Gewichtiges gewesen sein, das da in Rede und Gegenrede geklärt und festgelegt wurde. So gewichtig, dass Herr Henke nicht nur die ganze Nacht, sondern auch den langen Reisetag daran gab, es noch einmal zu überdenken.

 

So ist es nicht verwunderlich, dass auch der Komtur, Herr Ludolf von Wildenau, der seinen Wartsmann also gleich empfangen hatte, die Nachtruhe vergaß und immer nur hören und hören wollte. Als Herr Henke seinen langen Bericht erstattet hatte, über dem ihm selbst alle Müdigkeit wieder gewichen war, saß der Komtur eine lange Zeit schweigend da und sann dem Vernommenen nach. Dann schlug er plötzlich mit der Hand auf die Lehne seines Stuhles und blickte Herrn Henke scharf ins Gesicht.

 

„So! Nun müsst Ihr mir noch eine Frage beantworten. Die wichtigste: Wer ist Wolf?"

 

Herr Henke stutzte und blickte ratlos drein. Der Komtur bemerkte es und fuhr fort:

 

„Versteht mich recht. Der Wolf der Wildnis ist auch mir wohl bekannt. Das heißt — seine Taten. Hohen Dank schuldet ihm die Christenheit, der Orden, dieses Land. Und recht ist es, dass sein Ruhm auf allen Gassen klingt. Aber ein anderes sollt Ihr mir sagen, Henke! Wer ist dieser Mensch? Wer von uns hat ihn je gesehen, außer Euch? Selbst unter den Strutern, wie ich höre, hält er sich allein. Und doch folgen sie ihm blindlings, wo er sie ruft, und wo es einen großen Schlag gilt, weiß seine Hand sie straff zusammenzuhalten, als ob er ihr Gebieter wäre. Erklärt mir das Herr Henke. Ihr seid doch sein Freund“!

 

Der Wartsmann überlegte, wie er die Worte setzen sollte. Denn auf diese Frage war die Antwort nicht leicht. Endlich begann er, doch so, als ob er, in Grübeln verloren, zu sich selbst spräche. „Ja! Es ist etwas Geheimnisvolles um diesen Menschen. Mehr noch! Er legt es darauf an, den Schleier immer dichter zu weben und immer enger um sich zu ziehen. Und doch habe ich nie eine offenere Rede gehört, nie in ein klareres Auge geschaut, als bei ihm. Das ist es, darum trägt ihm jedermann, der ihn nur einmal gesehen, sogleich sein Vertrauen mit beiden Händen entgegen. Ich kenne ihn seit fünf Jahren, und lange vorher schon hörte ich Wundersames von ihm durch die Struter. Wenn Ihr mich nun fragt, Herr Komtur, ob wir Freunde sind, so sage ich von Herzen ja! Freilich... ich bin sein Freund. Ob aber auch er? ... Doch! Ja! Gewiss! Auch er ist mein Freund. Und doch weiß ich, dass er mir so fern ist, so fern, als ob wir auf zwei verschiedenen Erden lebten. Seltsam ist das, aber es ist so!"

 

„Ich muss gestehen, liebe Herr Henke", sagte der Komtur, als Henke schwieg, „klüger bin ich durch Eure Worte nicht geworden. Warum dieses Geheimnis? Woher kam er, was trieb ihn in die Wildnis? Wisst Ihr davon zu sagen?"

 

 „Herr", entgegnete Henke, „es ist ein Gesetz der Wildnis, den Mann so zu nehmen, wie er ist. Nicht aber zu fragen, was er vorher war. Denn wer die Wildnis sucht, um dort zu kämpfen und zu sterben, sucht zumeist auch Stille und Verschwiegenheit, ein schweres Schicksal darin zu bergen. Drum weiß ich wenig von Wolf. Aber wer ihn einmal sah und hörte, dem ist gewiss: er ist ein Thüring und entstammt einem Herrengeschlecht“.

 

Auch diese Auskunft genügte dem Komtur noch nicht. Und so erzählte Herr Henke dann noch vielerlei, was er selbst mit dem seltsamen Mann erlebt hatte, und was über ihn umging in den Reden der Struter und des Grenzvolks. Auch Wolfson vergaß er dabei nicht. Und kam schließlich doch nur zu diesem Ergebnis:

 

„Ich weiß nicht, was von all dem Wahrheit und was Mär ist. Aber eins weiß ich gewiss: er ist ein deutscher Mann, klug, furchtlos und treu. Drum nehmt auch Ihr ihn, Herr Komtur, wie er ist. Fragt nicht, sondern vertraut!"

 

Damit gab sich der Komtur dann endlich zufrieden.

 

Herr Henke aber sollte die Ruhe, deren er wohl bedurft hätte, auch in dieser Nacht nicht finden. Denn schon am frühesten Morgen brach der Komtur auf, um nach Elbing zum Landmeister

zu reisen, und sein Wartsmann musste ihn begleiten. Doch den focht es nicht weiter an. Wer Jahr um Jahr dicht am Feinde sitzt, ist es gewohnt, die Nacht zum Tage zu machen. Am Abend hatten sie ihr Ziel erreicht, und wurden sogleich vor den Landmeister geführt.

 

Herr Konrad von Tierberg, der immer noch kraftvoll seines hohen wie beschwerlichen Amtes waltete, hörte den Bericht des Komturs mit gespannter Aufmerksamkeit an. Er fragte auch Herrn Henke dies und das, kurz und knapp, dann waren die beiden entlassen.

 

Am folgenden Tage, schon nach der Frühmesse, rief der Landmeister das Kapitel zusammen und trug ihm seinen Entschluss vor. Einmütig stimmten die Brüder zu, und so sollte denn geschehen, was Wolf gefordert hatte. Die Blockhauslinie am Saum der Wildnis wurde mit starken Kräften besetzt, und in allen Wildburgen längst der ganzen Grenze des Sudauerlandes wurden die Besatzungen so verstärkt, dass sie jederzeit einen Vorstoß unternehmen konnten.

 

Herr Henke machte sich sofort auf den Heimweg, um Wolf die erfreuliche Nachricht zu übermitteln. Doch wo war Wolf? Als der Wartsmann am Abend des fünften Reisetages wieder am Tor seiner kleinen Festung hielt, überreichte ihm einer seiner Knechte ein Schreiben.

 

„Von Wolf!" Herr Henke las es noch im Sattel. So schrieb ihm der Struter: „Liebwerter Freund Henke! Ich vertraue auf Euch, dass Ihr mir die Zustimmung des Landmeisters mitbringt. Habt Dank dafür. Da es nicht gut tut, mit Warten die Zeit zu vergeuden, bin ich bereits unterwegs. Es wird ein Ende sein in diesem Jahr. Vorerst aber geduldet Euch, Ihr sollt von mir hören. Wolf“. Über dem Lesen waren Herrn Henkes Augen immer größer geworden. Dann schlug er sich mit der Hand klatschend auf den prallen Schenkel und lachte dröhnend auf.

 

„So ein Teufelskerl! Hat Vertrauen zu mir! Der weiß sogar im Voraus, was der Herr Landmeister tun wird“. Und während er das Blatt bedächtig zusammenfaltete, nickte er selbstzufrieden. „Sollst dich nicht getäuscht haben, Wolf!"

 

Wolf und Wolfson aber zogen indes rüstig fürbass durch die Wildnis. Auf verschwiegenen Schleichpfaden drangen sie unbemerkt immer weiter nach Osten vor. Mühsam war die Wanderung. Hügelauf, hügelab führte sie durch dichten Wald und wirres Gestrüpp. Jede Lichtung, jeder See zwang zu zeitraubenden Umwegen. Flüsse und Bäche mussten durchwatet werden, mochte das Wasser auch eiskalt sein. Denn frisch und kühl ist der Lenz im Sudauerland. Der Schein der Sonne ist trügerisch, und die Nächte treiben den Menschen immer noch zum wärmenden Feuer. Aber Struter auf Kriegspfad ist auch das verwehrt, denn leicht könnte die Flamme sie feindlichen Späheraugen verraten. Was tut es! Sie wissen es zu tragen. Wenn sie, steifgefroren, der Morgen weckt, schütteln sie Schlaf und Kälte aus den Gliedern, ein kurzer Lauf lässt sie rasch wieder geschmeidig werden, und vorwärts geht es mit neuer Kraft.

 

So hatten auch Wolf und Wolfson trotz allen Hindernissen Tag für Tag ihren Weg gemacht. Zu derselben Stunde, da Herr Henke vor seiner Wachtbude aus dem Sattel sprang, standen sie unter den Bäumen am hohen Ufer des Nebotinsees und schauten über die weite Wasserfläche nach dem Ziel ihrer Reise hinüber. Wolf wies es mit der Hand.

 

„Sieh, dort drüben, Jörge, den dunklen Forst! Er birgt das Heiligtum der Sudauer, die heilige Eiche von Solamedien. Dort wohnt ihr Kriwe, der letzte der preußischen Heidenpriester. Fortsetzung folgt.

 

Seite 6   Gedenkenblatt des Monats.

Hermann Sudermann. Foto: (Lithographie von Hans Fechner)  

„Der Vorderwald und der Hinterwald und dazwischen ein Gutshof, tief eingebettet in grünes Geheimnis. — Auf diesem Gutshof kam ich zur Welt. Doch nicht etwa im Herrenhause. So hoch verstiegen sich meines Lebens Sterne nicht. Gleich links am Torweg lag eine Brauerei — kein Fabrikpalast mit Mälzereitürmen und Dampfmaschinenbetrieb, mit kupferner Phantastik und eisstarrenden Wölbungen — o nein, ein dürftiger Feldsteinbau, durch nichts für seinen Beruf gebildet als vielleicht eine hölzerne Lukenreihe, durch die an manchen Tagen, in Dampfwolken gekleidet, ein Würzgeruch in die Weite zog. — Nach vorne hin angebaut waren zwei Stuben. Die Vorder- und die Hinterstube. Und in dieser Hinterstube kam ich zur Welt. In ihr verdröselte ich die Tage des ersten Traumes“. So beginnt der am 30. September 1857 in Matzicken/Ostpreußen geborene Dichter Hermann Sudermann sein „Bilderbuch meiner Jugend", in dem er ein zeitlos gültiges Bild seiner ostpreußischen Jugendheimat entwirft und sich in Liebe zu ihr bekennt.

 

Er entstammte einer mennonitischen Familie, der Vater war zuletzt Bauer in Heydekrug. Der junge Hermann, ursprünglich für den Apothekerberuf vorgesehen, abiturierte in Tilsit und ging dann auf die Hochschule nach Königsberg wo er Philologie studierte, später nach Berlin. Zu einem Abschluss seiner Studien kam er aber nicht, da er sich immer mehr seinen literarischen Interessen widmete Er veröffentlicht Novellen und Erzählungen und mit 30 Jahren kann er das erste große Werk. „Frau Sorge", vorlegen, ein Roman der Heimat, dem im Jahre darauf ein zweiter folgt: „Der Katzensteg". 1889 geht sein erstes Drama „Die Ehre" über die Bühne, in dem er die sozialen Kämpfe jener Zeit aufgreift und in ähnlicher Weise wie Björnson und Ibsen behandelt.

 

Immer ist es die Heimat und seine Menschen, die er in seinen Werken in allen dichterischen Formen gestaltet. Ein herrliches Zeugnis die „Litauischen Geschichten", nicht zuletzt das schon eingangs zitierte „Bilderbuch meiner Jugend". Hermann Sudermann hat, wie es Agnes Miegel einmal ausdrückte, den Ostpreußen erst für die Literatur entdeckt.

 

Er starb am 21. November 1928 in Berlin, fern seiner über alles geliebten Heimat.

 

Seite 6   Aus Ostpreußens Sagenborn.

Das fischreiche Schloss bei Ragnit.

Nicht weit von der Stadt Ragnit an der Memel hat vor Zeiten ein Schloss gestanden, welches sehr fest war und von den alten Preußen als der letzte Zufluchtsort und Bollwerk gegen die benachbarten Russen benutzt wurde. Viele Jahre vor Ankunft des Deutschen Ordens hatten einst die Russen mit großem Volke einen Überfall in Preußen gemacht; sie hatten die Preußen geschlagen und in dieses Schloss zurückgetrieben. Neun Jahre lang belagerten sie nun das Schloss und hatten es so fest eingeschlossen, dass keine Maus, geschweige denn ein Mensch heraus oder hinein konnte. Dennoch gelang es ihnen nicht, es zu erobern. Da gingen sie endlich an die Mauern heran und fragten die Preußen, wovon sie denn die ganzen neun Jahre gelebt hätten. Die Antwort lautete, es wäre ein Teich im Schlosse, der wäre so fischreich, dass sich alle Belagerten davon ernähren könnten. Darauf sahen die Russen ein, dass sie durch eine weitere Belagerung nichts ausrichten konnten und zogen ab.

 

Der Teich ist noch unweit von Ragnit, doch sind keine Fische mehr darinnen, nur Frösche und Kröten, und die Litauer sagen, das sei so, seitdem die Christen im Lande wären.

 

Der Biss des Teufels.

Vor vielen Jahren lebte in dem Schlosse zu Ragnit ein Schütze, ein Bayer von Geburt. Der hatte die Gewohnheit, wenn er des Abends zu Bette ging, machte er ein kleines Kreuz vor sich hin. Als er nun einmal schläft, erwacht er von großen Schmerzen, und er fühlt deutlich, dass ihn etwas an einem bestimmten rückwärtigen Körperteil beißt. Er fängt an zu schreien und fragt: Wer beißt mich da? Darauf bekommt er zur Antwort: Ich, der Teufel, beiße dich! — Der Bayer fragt weiter: Und warum beißest du mich an dieser Stelle? Und der Teufel antwortet: Du machst das Kreuz zu kurz, wenn du dich segnest. — Von diesem Tage an machte der Schütze, wenn er zu Bett ging, das Kreuz vom Scheitel bis zur Sohle, und er ist niemals wieder gebissen worden. Aber die Wunde, die ihm der Teufel gebissen, ist Zeit seines Lebens nicht verheilt.

 

Der Bauer aus Plibischken.

Anno 1577 um Maria Empfängnis ist zu Plibischken, eine Meile Weges von Taplaken, ein Bauer aus dem Kruge, in welchem er schrecklich und gräulich auf seinen "Pfarrherrn geschimpft, nach Hause gegangen. Als er aber zu seiner Wohnung kam, hat ihn der Teufel mit grässlichem Geschrei hinweggeführt. Erst nach einigen Tagen hat man ihn in einem Gestrüpp wiedergefunden, sein Leib war aber so zerrissen, dass man ihn nur an den Kleidern, die in Fetzen an den Sträuchern hingen, hat wiedererkennen können.

 

Die singende Meeresjungfrau.

Zu Nidden an dem Gestade des Kurischen Haffs wohnt, so erzählt die Sage, in dem Wasser eine Jungfrau, die mit süßen Klängen den einsamen Wanderer zu sich heranlockt, die Schönheit ihres Aufenthalts rühmt und ihm, wenn er ihr Folge leistet, ein Leben voller Freuden und das Glück der Liebe verheißt. Wenn nun aber der Verblendete, betört von den Verheißungen und dem zauberischen Gesang, sich in die Fluten stürzt, um nach dem Eilande, auf welchem er die Jungfrau vor sich zu sehen glaubt, hinüber zu schwimmen, so öffnet sich plötzlich der Abgrund und verschlingt den Schwimmer nebst der Insel. Schon viele Opfer hat die Jungfrau so zu sich hinabgezogen.

 

Der Riese Miligedo.

Es lebte in Preußen, als der Orden ins Land kam, ein großer Riese, der hieß Miligedo und war im ganzen Lande wegen seiner Größe und Stärke bekannt und gefürchtet. Er bekehrte sich zum christlichen Glauben, trat unter das Heer der Ordensbrüder und tat seinen Landsleuten viel Schaden. Darum, und weil er so ausnehmend stark war, fürchteten ihn die heidnischen Preußen sehr und suchten ihn in ihre Gewalt zu bekommen. Als nun die Kreuzherren das Schloss Bartenstein mit vierhundert Mann besetzt hielten, darunter auch Miligedo, belagerten die Preußen das Schloss unter ihrem Obersten Mattingo und trachteten danach, Miligedo mit List aus dem Wege zu räumen. Sie hatten einen unter sich, der sehr groß war, aber dem Miligedo doch bei weitem nicht gleichkam. Dieser trat nun ins Feld und forderte den Miligedo aus dem Schlosse zum Zweikampf heraus. Miligedo ließ sich nicht lange nötigen und kam ganz allein auf den Platz. Er trug bloß eine Keule, deren Kopf voller Blei gegossen war. Ehe ihn sein Herausforderer noch mit seiner Waffe erreichen kann, hat er ihm schon mit dem ersten Streich den Hauptharnisch und den Schädel zerschlagen. Aber nun springen zwanzig Preußen aus dem Hinterhalt und fallen zugleich über ihn her; doch Miligedo achtete ihrer nicht groß und schlägt auf sie ein, dass binnen kurzem ihrer fünfzehn auf dem Platze bleiben; die übrigen ergreifen die Flucht. Ungehindert konnte er selbst wieder in die Burg ziehen. Bad darauf brachten ihn die Preußen doch „in die Kluppen"; denn als er gar zu kühn und keck wurde und einmal schon zehn Mann besiegt hatte, fielen noch fünfzig über ihn her und machten ihm den Garaus.

 

Maß ist zu allen Dingen gut. Inschrift am Remter der Burg Lochsted. Älteste Hausinschrift deutscher Sprache.

 

Seite 6   Weißt du ...

... dass Ostpreußen vor genau 300 Jahren am Rand des schwedisch-polnischen Krieges unter einem furchtbaren Tatareneinfall zu leiden hatte.

 

 ... dass Danzig schon vor der Deutschritterzeit durch Urkunden nachgewiesen ist. Die erste bekannt gewordene Urkunde datiert aus dem Jahre 997.

 

... dass der Oberlandesgerichtspräsident von Königsberg in der Kaiserzeit noch aus früheren Jahrhunderten her den klingenden Titel „Kanzler des Königreichs Preußen* führen durfte.

 

... dass Ostpreußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur gerade etwas mehr als 400 000 Einwohner hatte, zu Beginn des zweiten Weltkrieges dagegen über 2,6 Millionen.

 

Seite 7   Königsbergs Silberglocke läutet über das Bergische Land. Feierliche Einweihung des ostdeutschen Glockenstuhls.  

Bei der Einweihung des neuen Glockenturmes auf Schloss Burg an der Wupper hielt Pfarrer Lic. Erich Riedesel (früher Königsberg/Pr.-Lauth.) die feierliche Ansprache, die wir in vollem Wortlaut wiedergeben:

 

„Denn wo sich Menschen nicht mehr beugen,

da sinken Städte in die Knie;

wo alte Dome nicht mehr Zeugen

lebendiger Epiphanie,

da stürzen Türme und Gewände

zertrümmert von Dämonenhand,

und In die Straßen fallen Brände,

die keine Menschenmacht mehr bannt“. (R. Syberberg)

 

So hat es uns vor 14 Jahren einer unserer Dichter zugerufen. Liebe Brüder und Schwestern aus West und Ost, wem stände bei diesen Worten nicht der Untergang seiner Heimat vor Augen! Die Silberglocke des Königsberger Doms hat uns heute und hier begrüßt. Ihre Stimme ist dieselbe geblieben, die wir In der Heimat so viel hundertmal in Freud und Leid vernahmen. Aber: sind wir dieselben geblieben?!

 

Anno Domini 1736, so sagt sie uns, wurde sie in Königsberg gegossen. 220 Jahre preußischdeutscher Geschichte hat sie miterlebt. Angefangen bei jenem letzten Besuch des greisen Soldatenkönigs, dem unsere Heimat nicht nur 2500 Volksschulen und die Einwanderung der Salzburger verdankt: Er war allezeit ein Vater unserer Heimat, der noch am Tage vor seinem Tode 645 persönlich ersparte Taler in sein Preußenland sandte. Im Jahr darauf wurde hier der junge Friedrich zum König in Preußen gekrönt. 17 Jahre später fällt Königsberg den Russen zum ersten Mal in die Hände, und 50 Jahre später zieht Napoleon in die Stadt am Pregel ein. 1803 wird Immanuel Kant am Dom begraben, und 1813 ruft Yorck die Preußischen Stände zu den Freiheitskriegen hier auf ... So könnten wir weiter wandern durch die Geschichte bis hin zu den Tagen von Tannenberg, bis hin zu jenem Tag, da man unsere Silberglocke auf den Glockenfriedhof fuhr und so zum Schweigen verurteilte, bis hin zu jenem Tag, da ihre Schwester im Feuer des Krieges schmolz, als unsere Heimat „in die Knie sank“.

 

Es wäre fürwahr eine lange Geschichte von Treue und Tränen, von Stolz und Sterben, als deren ehrwürdige Zeugin wir diese Glocke bestaunen könnten, so wie man heute in einem Museum das Hifthorn Karls des Großen oder den Handschuh eines Götz von Berlichingen ehrfürchtig berührt.

 

Aber damit wäre noch nichts Entscheidendes gesagt. Eine Glocke kann und will niemals ein Museumsstück sein: Ist es doch das Wesen ihres Klanges, dass er niemals rückwärts in die Vergangenheit schallt, sondern allezeit vorwärts, der Gegenwart und Zukunft lebt. Wenn der Klöppel unserer Silberglocke anschlägt, dann trifft er die Stelle, auf deren Mantel unsere Väter vor 220 Jahren die drei Worte: „SOLI DEO GLORIA!" gegossen haben: „Gott allein die Ehre!' So wie man den großen Thomaskantor Johann Sebastian Bach, der diese drei Worte über seine Werke schrieb, mit Recht den „fünften Evangelisten" nannte, so könnte man eine jede rechte Glocke den „sechsten Evangelisten“ nennen. „Gott allein die Ehre!“ so ruft es uns diese Glocke zu — und wir wären schlecht beraten und würden schlecht fahren, wenn wir diesen ihren Ruf überhören wollten: Ob der alte König scheidet oder ein neuer gekrönt wird: Gott allein die Ehre! — Ob Russen oder Franzosen durch die Tore der Stadt einziehen: Gott allein die Ehre! — Ob Geburt oder Tod, ob Sieg oder Niederlage: Gott allein die Ehre! Das ist die alte Botschaft, die schon den Hirten auf dem Weihnachtsfeld die Nacht zum Tage machte und die Furcht in Freude wandelte. Und wir tun allezeit gut daran, diesem Totalitätsanspruch gehorsam zu werden. Einst waren die Brüder des Deutschen Ritterordens unter dem Kreuz in den Osten gezogen und hatten Gott zur Ehre auch den Dom zu Königsberg erbaut und viele ihrer Hochmeister hier begraben. Als wir aber den Totalitätsanspruch dieses Kreuzes zugunsten jenes anderen Kreuzes aufgaben, da bahnte sich zugleich das Ende einer 700-jährigen deutschen Geschichte im Osten an: „denn wo sich Menschen nicht mehr beugen, da sinken Städte in die Knie!“

 

Jenes Wort Leopold von Rankes „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott", d. h. doch wohl, dass Gott der Herr der Geschichte ist und Er allein sie macht, das haben wir ja mit Blut und Leid in unsere Lebens- und Heimatgeschichte geschrieben bekommen. Darum gilt es, mit neuen Ohren den Ruf unserer alten Glocke aus der verlorenen Heimat zu hören: Gott allein die Ehre! Gott ruft seine verlorenen Söhne und Gott allein führt uns auch wieder heim!

 

Ob der Ruf unserer Silberglocke über das weite Pregeltal und unsere ferne, schöne Heimat erklang oder hier durch das enge Tal der Wupper und über die Höhen des Bergischen Landes hin schallt: Gott allein die Ehre! So will und kann uns jede Zeit und jeder Ort „unmittelbar zu Gott" sein, uns seiner Gnade — und das heißt doch auf Deutsch: seiner Nähe — auch in seinem Gericht gewiss sein lassen. Ob ihr täglicher Ruf uns forthin mahnt, der Heimat, ihrer Gefallenen, Verschollenen und Verschleppten zu gedenken, oder sie hier sonntäglich die Gemeinde zum Gottesdienst ruft: immer will sie doch rufen, Gott zu dienen, ihm allein die Ehre zu geben. Denn ohne diesen Dienst und ohne diesen Ruf wäre sie und wären wir ein tönend Erz und eine klingende Schelle, wären wir hohl und tot. Wo ihr Ruf „Gott allein die Ehre!" recht gehört wird, da gibt es keine Heimatlosigkeit und keine Fremde mehr, da gibt es keine Einsamkeit und keine Furcht. Wie sich immer ihre und unsere Zukunft gestalten mag: Gott, der die Heimat nahm, vermag allein sie auch zurückzugeben! Eben darum: SOLI DEO GLORIA: Gott allein die Ehre allezeit!

 

Gott gibt, Gott nimmt, Gott nimmt und gibt zugleich,

und immer wächst auch unterm ärmsten Dache und unter Trümmern Gottes ewges Reich. Es liebt der Herr die armen, leeren Hände, denn Seine Gnade hat nicht Maß und Ende.

 

Seite 7   Unser Herz hängt daran. Unvergessliches Grenzlanderlebnis.

Man muss das Land mit seinen traubenbehangenen Rebenhügeln und früchteschweren Obstgärten in diesen Tagen gesehen haben, um zu wissen, was Südtirol heißt. Für jeden, der aus dem unerfreulich kalten Sommer des Nordens über den Brenner kommt, scheint es in der Tat so, als würde sich ein kleines Stück des Paradieses öffnen.

 

Seit 1939 hat die Ebene an der Etsch zwischen Meran und Bozen, welche in einer Länge von über 30 km und einer Breite von 3 - 4 km tausende von Obstbäume trägt, keine gleichreiche Obsternte mehr erlebt wie in diesem Herbst. Die Äste brechen unter den Lasten wunderbarer rotbackiger Tiroler Äpfel. Trotzdem haben die Südtiroler Bauern Sorge. Die Sorge nach dem Absatz dieses reichen Segens. Wenn auch nur die besten Stücke dieses Obstes zum Verkauf kommen und ein großer Teil als Futtermittel Verwendung findet, so ist doch die Schwierigkeit des Exports nach Deutschland in diesem Jahr besonders groß. Auch die anderen italienischen Provinzen wollen ihr Obst nach Deutschland verkaufen, und der italienische Staat ist den Südtiroler Bauern und ihren wirtschaftlichen Anliegen nicht wohl gesonnen.

 

Die politische Spannung der letzten Wochen liegt unausgesprochen über dem Land. Für den 30. September hatten die Südtiroler Bauern in Bozen eine große Protestkundgebung gegen die Ausführungen des italienischen Innenministers Tambroni vorgesehen. Sie wurde verboten, weil die neofaschistische italienische Partei eine Kundgebung zum gleichen Zeitpunkt in Bozen vorbereitete und Zwischenfälle befürchtet wurden. So war es richtig, dass die Südtiroler den für 23.09. anlässlich der Bozener Messe vorgesehenen Fest- und Trachtenzug ebenfalls absagten. Zurzeit gebe es in  Südtirol nichts zu feiern und die Tracht der Tiroler ist zu gut, um als Mittel der Fremdenverkehrswerbung zur Schau gestellt zu werden, erklärte uns ein führendes Mitglied der Sudtiroler Volkspartei.

 

Die Spannung des Grenzlandes ist heute in Südtirol in gleicher Weise bei dem einfachen Bauern, wie bei den politischen Verantwortlichen, zu spüren.

 

In diese Spannung hat die Deutsche Jugend des Ostens in diesem Jahr ihr Haus an die Etsch gestellt! 60 - 70 Personen sind es täglich, welche in dem sauber eingerichteten Sommerquartier und in den Pensionszimmern dieses unweit von Bozen in der Gemeinde Eppan liegenden Hauses täglich Unterkunft finden. Es sind Jugend- und Trachtengruppen. Mit Absicht hatte die Deutsche Jugend des Ostens im Oktober zwei große Arbeitstagungen in ihrem Haus an der Etsch vorgesehen. Geht es doch darum, den heute im binnendeutschen Raum lebenden heimatvertriebenen Jugendlichen das besondere Erlebnis des Grenzlandes beispielhaft vor Augen zu führen und auf besondere Weise eine lebendige Erinnerung an die eigene Heimat zu erwecken. Den Südtirolern gibt die Anwesenheit so vieler aufgeweckter deutscher Jungen und Mädels viel Freude und Zuversicht und in schlichten Worten danken immer wieder ganz einfache Menschen schon dafür, dass die Deutsche Jugend des Ostens einfach da ist.

 

Unvergesslich wird für alle, die es miterleben durften, die Feierstunde zum Ende des Sommerlagers am Montigler See in der Ruine der Burg Siegmundskron bleiben. Südtiroler und heimatvertriebene Jugend bildeten einen großen Kreis um den Feuerstoß, dessen Flammen in die warme Luft eines schon südlichen Abends schlugen. Es gab ein stummes und wortloses Verstehen, das auch ein Versprechen für die Zukunft war. Dr. Herbert Fleißner

 

Seite 7   Graf Dohna gestorben.

Im August 1956 starb in seinem Bauernhaus am Simssee in Bayern nach langer schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren der Kapitän zur See a. D. Nikolaus Burggraf Dohna-Schlodien. Dohna war Träger des Ordens Pour le mérite und des Bayerischen Militär-Max-Joseph-Ordens. Als Kommandant des berühmten deutschen Hilfskreuzers „Möwe" ist der Verstorbene im ersten Weltkrieg in der ganzen Welt bekannt geworden. Die „Möwe" versenkte auf zwei Kaperschiffen im Mittel- und Südatlantik unter Führung des Grafen Dohna in den Jahren 1916 und 1917 rund 200 000 Tonnen Schiffsraum. So gefürchtet die „Möwe" auf dem Meere war, so edelmütig verhielt sich der Kommandant gegenüber den Besatzungen der gekaperten Schiffe. Dies wurde ihm von vielen ausländischen Schiffskapitänen anerkannt. Graf Dohna hat seine Erlebnisse als Kommandant des Hilfskreuzers „Möwe" in zwei Büchern geschildert. Die Titel der Bücher sind „S. M. S. Möwe" und „Der Möwe zweite Fahrt".

 

Seite 7   Foto: In Anwesenheit des Bundespräsidenten Prof. Dr. Heuss und des nordrhein-westfälischen Minister Präsidenten Steinhoff wurde am 21. Oktober auf Schloss Burg an der Wupper ein Glockenturm eingeweiht, in dem drei ostdeutsche Glocken hängen, welche vom Königsberger Dom und der St. Jakobus-Kirche zu Breslau stammen. Die Glocken hingen bislang in einem provisorischen Holzgerüst auf dem Burgvorplatz. Der neue Turm schließt sich an den Wehrgang an, der von der Burg bis zum sogenannten Turm des Deutscher Ostens führt, und fügt sich harmonisch in die mittelalterliche Bauweise ein.

 

Der Bundespräsident wies in seiner Ansprache darauf hin, dass das deutsche Volk in der Frage der Wiedervereinigung das Recht auf die Heimat im Osten, aber unter Verzicht auf Vergeltung, proklamiert habe. Die Glocken in der „Gedenkstätte des deutschen Ostens" auf Schloss Burg sollen diejenigen trösten, welche in die Heimatlosigkeit gezwungen worden seien, und denjenigen eine Mahnung sein, deren Heimat erhalten blieb.

 

Die Ausgestaltung der Feierstunde lag zu nicht geringem Teil in den Händen des Verbandes der Ostdeutschen Chöre. Unter Stabführung des Landesvorsitzenden Dr. Alois Schnabel sangen die großen Ostdeutschen Heimatchöre aus Viersen, Mönchen-Gladbach und Herne mit nahezu 250 Stimmen Beethovens „Die Himmel rühmen", „Heimatliche Erde" von Gerhard Strecke (Text Hans Niekrawietz) und „Fern doch treu" von Jos. Thamm.

 

Seite 7   Diamantene Hochzeit in einer Ostpreußenfamilie. 17 Kinder, 19 Enkel und 11 Urenkel hat das Ehepaar Plau.

Heinrich Plau und Frau Wilhelmine, geb. Fischer haben in ihrem langen Leben viel, viel Arbeit gekannt. Mühe und Plage gehörten zum täglichen Brot, und nun, im Alter, denken sie zurück an die Heimat im Norden Ostpreußens, an das Haus, in dem sie wohnten. Ein Pfarrer aus Hannover, der nach Kriegsende dort war, berichtete, dass es noch steht. Es ist eins von den acht Bauernhäusern des Dorfes Bärwalde im Kreis Samland. Heinrich Plau arbeitete im Walde, seine Frau versorgte ihn und die Kinder, siebzehn an der Zahl. Und außerdem fand sie noch Zeit, beim Bauern mitzuarbeiten.

 

Wir halten es heute kaum noch für möglich, dass ein Mensch so viel leisten kann. Aber Frau Plau macht kein großes Gewese daraus; sie erzählt es doch nur, weil sie danach gefragt wird. Ihren Lebensabend verbringt sie mit ihrem Mann in Hannover, beide sind noch wohlauf; Frau Wilhelmine ist noch flink bei der Hand und läuft munter umher, macht Einkäufe und geht spazieren und meint dabei, es geht ihr nicht mehr schnell genug. Wir haben das Ehepaar Plau besucht, als es jetzt die Diamantene Hochzeit feierte. Von den 60 Ehejahren haben die beiden über vierzig in Bärwalde zusammen verbracht. 38 lange Jahre ging Heinrich Plau der Waldarbeit nach und schaffte dann noch fünf Jahre auf dem Flugplatz. Viele von den Kindern deckt nun schon der kühle Rasen; einige sind als Kinder gestorben, andere waren schon groß. Das Kriegsende erlebten nur sieben von ihnen, und ein Sohn ist vermisst. Am 26. Januar 1945 war es so weit, dass die Familie die Heimat verlassen musste. Mit einem Fuhrwerk ging es nach Pillau und dann weiter mit einem Dampfer, zunächst bis Gotenhafen, später bis Rügen. Aber auch dort gab es keine Endstation, der Zug brachte die Plaus nach Dänemark, wo sie am 1. März ankamen. Auch hier war ihnen nicht viel Ruhe beschieden. Die Lager waren unterschiedlich: Wenn in dem einen gut für die Flüchtlinge gesorgt wurde, so kamen sie auch in andere, in denen Hunger und Elend herrschten. Endlich gab es einen Lichtblick, als eine der Töchter, deren Mann in Hannover lebte, die Eltern nach dort holen konnte. Das Lagerleben fand jedoch auch hier kein Ende, weitere sechs Jahre dauerte es an; schließlich aber konnte Familie Plau eine hübsche Wohnung beziehen. Ein großer Balkon führt um die Ecke des Hauses, und der Blick schweift die Leine entlang. „Ja", sagt Opa Plau, „schön ist es, aber es ist ja kein Sommer hier“. Aber er will nicht undankbar sein — wer kann denn auch schließlich etwas für das Wetter — und fügt hinzu: „Wenn es aber irgend geht, sitze ich immer draußen“.

 

Opa Plau will gar nicht so recht mit der Sprache herausrücken, als wir ihn fragen, wie er denn eigentlich seine Frau kennengelernt hat. Er wird so ein klein bisschen verlegen und meint schließlich, da sei gar nichts zu erzählen. „Es war eben ganz einfach. Ich war zu einer Kindtaufe eingeladen in das Dorf, und da haben wir uns kennengelernt“. So einfach war es. Und nun sind darüber sechzig Jahre vergangen, in denen die beiden treu zueinander gehalten haben. Gewiss, die Gedanken wandern viel in die Heimat zurück. Aber die Kinder, die neunzehn Enkel von 36 bis 7 Jahren und die elf Urenkel sorgen schon dafür, dass sich Oma und Opa nicht einsam fühlen. So ganz genau wussten sie alle nicht, wie viele Nachkommen von Heinrich und Wilhelmine Plau jetzt leben, aber mit Hilfe der anwesenden Töchter und eines Enkels gelang es dann doch, alle in die Reihe zu kriegen. Manchmal drohte jedoch eines in die falsche Generation zu kommen.

 

Woran nun Oma Plau besonders viel denken muss, das ist ihr Seppl, der Gebirgsdackel, der treu an ihr hing. Aber sie konnte ihn nicht mitnehmen. Und dann erzählen die beiden Alten noch von der Weitläufigkeit ihrer Heideheimat. Bis zur Kirche musste man eine Stunde laufen, daher wurde für Bärwalde der Gottesdienst im Waisenhaus abgehalten. Die Konfirmanden jedoch mussten Sommer und Winter den weiten Weg zurücklegen, und das war oft sehr beschwerlich. Am 22. November wird Herr Plau 83 Jahre alt. Frau Wilhelmine zählt 79 Jahre. Mögen ihnen noch viele schöne Jahre im Kreise ihrer Kinder und Kindeskinder beschieden sein!

 

Seite 7    Kommt es auf ein paar Wochen an? Das verzögerte Wiedersehen nach 11 Jahren - DRK führt Familie zusammen.

Noch immer gibt es viele unter den Heimatvertriebenen, die Angehörige suchen und von der Ungewissheit über deren Schicksal gepeinigt werden. Und wenn dann hier und da eine Familie wieder zusammenfindet, gibt es Freude über Freude, und die Worte reichen nicht aus, das Glück zu beschreiben. Jeder Unbeteiligte muss sich da mitfreuen — sollte man meinen. Dass es aber auch Menschen ohne Verständnis für die Wiedersehensfreude gibt, zeigt eine Begebenheit, die aus Altenau im Harz bekannt wird.

 

Dort lebt Frau Michel aus dem Wartheland. Eigentlich stammt die Familie aus, dem Baltikum, wurde jedoch 1939 nach Leslau umgesiedelt. Als 1945 alles zusammenbrach, wollte Mutter Michel wenigstens die beiden jüngsten Söhne gerettet sehen und gab sie einem Transport Richtung Westen mit. Es fiel ihr gewiss nicht leicht, aber die Jungen — sie waren 15 und 12 Jahre alt — kamen durch, wurden bei Bauern und im Lager in Mecklenburg untergebracht und schließlich von einem Onkel in die Gegend von Magdeburg geholt. Der ältere der Brüder ging später zur Volkspolizei, Benno aber, der jüngere, wollte dort nicht bleiben. Er fand auf einer Zeche in der Nähe von Krefeld Arbeit, ging dann jedoch wieder in die Landwirtschaft.

 

Niemals konnten die beiden etwas über ihre Eltern und den ältesten Bruder erfahren. Sie ahnten nicht, dass die Mutter 1946 in den Harz kam und dort ein Jahr später den Ältesten in die Arme schließen konnte, als er aus dem Westen aus der Gefangenschaft kam. Ihren Mann hatte sie in der Heimat lassen müssen. Elf Jahre lebten sie alle getrennt, bis jetzt der Suchdienst des Roten Kreuzes die richtige Spur fand und der seit zehn Jahren suchenden und forschenden Mutter angeben konnte, wo ihr jüngster Sohn lebt. Sofort schrieb sie an die Gemeinde dort, sofort erhielt sie die heiß ersehnte Antwort, und sofort ging der Stadtdirektor persönlich zu Benno Michel, ihm den Brief seiner Mutter zu zeigen. Benno konnte es kaum begreifen, eilte dann aber zu seinem Arbeitgeber und erbat sich Urlaub. Nun wollte er allerschnellstens nach Altenau zur Mutter fahren, das begreift doch wohl jeder. Gewiss, nur sein Chef nicht. Er fand, es käme jetzt auf ein paar Wochen auch nicht mehr an, nachdem es elf Jahre gedauert habe, bis Benno seine Mutter fand.

 

Seite 8   Lesersuchdienst Achtung Königsberger!

Wer kann Auskunft geben über:

Frau Else Dreyer (Dreier) aus Königsberg (Pr.), jetzt zirka 40 Jahre alt. Frau D. war beim Kreiswirtschaftsamt des Kreises Samland in Königsberg (P.), das nach der Ausbombung im September 1944 nach Fischhausen verlegt wurde, beschäftigt. Ihr Ehemann befand sich im Felde bei einer Pioniereinheit. Ende Januar 1944 war sie noch in Fischhausen. Sie soll die Absicht geäußert haben, nach der Tilsiter Niederung zu gehen, wo sie Verwandte (Eltern) hatte.

 

Renate Sonnabend aus Königsberg (Pr.), Ortsteil Liep, Olmützweg 31, geb. am 02. oder 03.09.1927 in Königsberg. Sie war beschäftigt bei der Geschäftsstelle der UFA in Königsberg (Pr.) und wurde mit dieser im September 1944 nach Heiderode (Kr. Konitz, Westpreußen) verlagert. Ihr Vater, Paul Sonnabend, Schlossermeister bei der städt. Krankenanstalt, wurde nach dem Einmarsch der Russen erschossen. Nachricht erbittet Bruno Thermann, (14 b) Reutlingen, Charlottenstraße 117.

 

Gesucht wird: Charlotte Braun, geb. in Königsberg/Pr., letzte Wohnung: Königsberg/Pr., Gebauhrstr. 3c. Tätig gewesen zuletzt beim Wehrkreisverwaltungsamt I, Cranzer Allee. Nachricht erbittet Frau Frieda Heinicke, Karlsruhe/Bd., Kaiserstr. 170.

 

Russlandheimkehrer sucht Vater. Wer kennt Friedrich Mohr, geb. 13.10.1865 in Plicken bei Stallupöhnen, zuletzt wohnhaft in Restgut Wendtsche Erben, Pokarben bei Allbehnen, Kr. Königsberg. Der Sohn erhielt vor seiner Gefangennahme von seinem Vater die letzte Nachricht am 25.01.1945. Wer war mit Friedrich Mohr nach diesem Tage noch zusammen: in der Heimat, auf der Flucht oder in einem Lager? Jede Nachricht, die zur Aufklärung dieses Schicksals führt, erwünscht. Zuschriften an die Redaktion der „Ostpreußen-Warte", Göttingen, Postfach.

 

Fortsetzung der Suchliste für den Luftgau I

Philipp, Regierungsamtmann, ferner die Angestellten Waldemar Nachtigall und Otto Dörfer von der Abt. Stokraft, gesucht von Hans Hesse, Offenburg-Süd, Lilienweg 11.

 

Oberst Kopper, die Majore Scherbaum und Moritz vom Lw-Nachr.-Rgt. 1 Körnigsberg-Ballieth, gesucht vom ehem. Kantinenpächter in Ballieth, Wilhelm Rußmann, Otterndorf/NE (Holstein), Marktstraße 30. — Wer kann bestätigen, dass Rußmann Kantinenpächter in Ballieth war?

 

Kersting, Fl.-Stabsingenieur, Böhnke, Fl.-Ing., und der Angestellte Schlappe, vom Fl.-Horst Heiligenbeil, gesucht von Otto Biallas, Hattingen/ Ruhr, Akazienstraße 12.

 

Die Reichsangestellten Ernst Quednau und Otto von der U- und K-Stelle der Hufenkaserne Königsberg/Pr., ferner Heizungsmeister Kurt Schidat sowie die Vorarbeiter Paul Wegner und Lux, gesucht von Rudolf Große, Herford/Westf., Stadtholz-Straße 234. Wer kann sonst noch bestätigen, daß Große bei der U- u. K.-Stelle Hufenkaserne tätig war?

 

Wer kennt Hermann Nagrotzki, geb. 03.07.1892 zu Köndgsberg/Pr.? Letzte Wohnung Sedanstr. 4 in Königsberg/Pr. vom Baulager Hadershof, Außenstelle Kraußen. Nagrotzki ist im Mai 1946 verstorben. Die Witwe sucht Zeugen, um ihre berechtigten Ansprüche gegenüber der Invalidenversicherung geltend zu machen. In diesem Zusammenhange wird gesucht: Hauptmann Lorenz, früher Kraußen, und Oberzahlmeister Kimm oder Himm. Nachricht erbeten an Frau Antonie Nagrotzki, Berlin NW 87, Gotzkowskystraße 4, IV.

 

Kameraden! Es existiert kein Fond, aus dem Portokosten usw. gedeckt werden können. Auch die Kosten für unsern am Ehrenmal in Göttingen niedergelegten Kranz haben wir durch freiwillige Spenden und zusätzlich durch eine Sammlung unter allen Umständen, bei allen Anfragen Rückporto beizufügen. Andernfalls müsste ich zukünftig alle Rückschreiben unfrankiert absenden. Wilhelm Gramsch 20a) Celle, Waldweg Nr. 83, Telefon 47 34

 

Seite 8   Königsberger Suchdienst.

Es werden gesucht:

Fritz Abramowsky, geb. 14.05.1888 in Elbing, früher Königsberg, Aschmannallee 32, seit der Flucht Januar 1945 vermisst. Gesucht von Tochter Ida.

 

Helene Abramowsky, geb. Brüggemann, geb. 14.0618 93, früher Königsberg, Asmannallee 32, seit der Flucht Januar 1945 vermisst. Gesucht von Tochter Ida Abramowsky.

 

Frieda Babin, geb. Müller, geb. 15.06.1 01, früh. Kbg., Albertstr. 15, und Tochter Ruth Babin, geb. 11.11.1925.

 

Paul Chory, geb. 04.07.1892, Betriebsleiter, früher Kbg., Krausallee 116.

 

Elisabeth Dalüge, geb. Kroschewski, geb. 27.03.1894, früher Kbg., Am Bahnhofswall 9.

 

Erich Eichler, geb. 07.08.1922, früher Kbg., Beethovenstr. 46. Bis 16.10.1942 als Steuermannsgefreiter auf Küstenschutzboot Nordsee, seitdem vermisst.

 

Elisabeth Engel, geb. Bindszus, geb. 06.09.1893 in Meyken, Kreis Labiau, früher Kbg., Kaporner Str. 14 a.

 

Frida Felchner, früher Königsberg, Münzstr. 19; 1945 oder 1946 in Königsberg vermisst. Gesucht von ihrem Sohn

 

Max Funk, geb. 18.05.1906 in Königsberg, früh. Kbg., Speichersdorfer Str. 121 b. Graf, Willi, geb. 12.08.1906, früh. Juditten, Gottschedstr. 9; vermisst seit 1943. Soll Anfang Juli 1956 in Aschaffenburg gesehen worden sein.

 

Gesucht von seiner Schwester Otto Grenz, , geb. 19.09.1892, früh. Kbg., Wrangelstr. 18 a.

 

Gerhard Hartmann, geb. 27.12.1925 in Königsberg, früh. Kbg. Hagenstr. 83; als Gefreiter bei der Wehrmacht vermisst.

 

Gerhard Hochfeld, geb. 15.02.1922 in Königsberg, früher Kbg., Auguste-Vikoria-Allee 16.

 

Johanna Käske, geb. Sempf, früher Kbg., Am Hufeisen 4 c. Gesucht von ihrem Sohn. Fritz Lankau, geb. 18.06.1902 in Löpönen, früh. Kbg., Thomasstr. 10 II.

 

Paul Lessheim, geb. 25.01.1925, Elektriker, früh. Kbg., Cranzer Allee 108.

 

Willy Matuschat, geb. 05.05.1918, Schiffer, früh. Kbg., Kl. Domplatz 5.

 

Ulrich Neßlinger, geb. 01.07.1923 in Wehlau, früh. Kbg., Aweider Allee 104. Gesucht von seiner Mutter.

 

Anneliese Onischke, geb. 16.07.1936, Schülerin, früh. Kbg., Oberhaberberg 26. Seit 12.04.1945 vermisst; angeblich nach Russland verschleppt.

 

Walter Podoll, , geb. 01.06.1900, früh. Kbg., Lavendelstr. 6; vermisst seit 1945 in Königsberg. Gesucht von seiner Tochter.

 

Ferdinand Pasewark, geb. 19.10.1903, früh. Kbg., Tierbergweg 9; 1945 in Metgethen vermisst.

 

Waldemar Rattensberger, geb. 1912, Einkäufer früh. Kbg.-Ratshof, Langenbeckstr. 9; 1944 als Soldat in Litauen vermisst.

 

Walter Samland, geb. 27.0519 07 in Königsberg, Bäcker, früh. Kbg., Tuchmacherstr. 10/11; 1945 in Italien vermisst.

 

Benno Schäfer, geb. 21.06.1907 in Lauphargen Kreis Tilsit, früh. Kbg., Hoffmaonstr. 11 II.

 

Ilse Stiemer,  geb. 26.01.1926 in Königsberg, Schneiderin, früher Kbg., Farenheidstr. 28 und Barbarastr. 22. Ilse Stiemer ist mit ihrer Schwester Elli und deren Kindern Rudi und Bernd am 16.03.1945 von Danzig nach Gotenhafen gefahren. Seitdem vermisst.

 

Charlotte Tautkus, geb. 16.07.1895 in Kbg., früh. Kbg., Straße der SA 9. Seit der Besetzung Königsbergs vermisst.

 

Elisabeth Unterberger, geb. 21.01.1892, techn. Lehrerin an der Kneiph. Mädchen-Mittelschule, früh. Kbg., Hammerweg 4, nach Ausbombung Brahmstr. 17. Gesucht von ihrer Schwester.

 

Fritz Vogel, geb. 29.06.1902 in Pobethen, Kreis Fischhausen; früh. Kbg., Schreberstr. 5 II,

Triebwagenführer.

 

Kurt Witt, geb. 11.12.1895 in Königsberg, Kapellmeister, früh. Kbg., Haberger Neue Gasse II. Vermisst seit Januar 1945.

 

Günter Wenski, geb. 06.01.1926, früh. Kbg., Karl-Baer-Str. 1.

 

Kurt Wamsat, geb. 21.05.1917 in Rucken Kreis Tilsit, früh. Kbg., Hechtweg 13. Im April 1945 als Unteroffizier bei den Gebirgsjägern vermisst.

 

Auskünfte und Hinweise erbittet die Stadt Duisburg, Auskunftsstelle Königsberg.

 

Seite 8   Beihilfen für Besucher aus der Sowjetzone.

Besucher aus der sowjetisch besetzten Zone können, wenn sie im Westen erkranken, Beihilfen erhalten. Sie wenden sich an die örtlichen Fürsorgeämter und stellen einen Antrag. Dazu ist eine Personalbescheinigung notwendig, aus der hervorgeht, dass der Besucher seinen Wohnsitz in der Sowjetzone hat. Es wird dann geprüft, ob er im Bundesgebiet Einkünfte oder Vermögen hat, oder ob Unterhaltspflichtige in der Bundesrepublik ohne Beeinträchtigung ihres eigenen Lebensunterhaltes die Krankenkosten übernehmen könnten. Die gewährte Hilfe erstreckt sich auf ärztliche Behandlung, Arzneien, Operationen und Krankenhausaufenthalte.

 

Seite 8   Prof. Dr. Wilh. Starlinger verstorben.

Oldenburg. In Oldenburg verstarb am 4. Oktober 1956 nach schwerer Krankheit Prof. Dr. Wilhelm Starlinger, der nach der Besetzung der Stadt Königsberg durch sowjetische Truppen als Leiter der deutschen Seuchenkrankenhäuser sich große Verdienste um die deutsche Bevölkerung der ostpreußischen Hauptstadt erworben hat. Nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft im Jahre 1953 veröffentlichte er unter dem Titel „Grenzen der Sowjetmacht" einen ärztlichen Bericht über die Leiden der Königsberger Bevölkerung in den Jahren 1945 bis 1947. Zugleich enthält dieses Buch eine grundlegende Analyse der innen- und außenpolitischen Situation der Sowjetmacht. Die Darstellung fand im In- und Auslande große Beachtung und wurde auch in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Das Material hatte er in einem sowjetischen Regimelager in Gesprächen mit internierten hohen sowjetischen Funktionären und Militärs gesammelt.

 

Prof. Dr. Starlinger, der 1898 in Wien geboren wurde und seit 1934 als Professor für Innere Medizin an der Königsberger Universität tätig war, gehörte nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion dem „Göttinger Arbeitskreis" ostdeutscher Wissenschaftler als Beiratsmitglied an.

 

Kindersteckbriefe mit Foto.

Name: Gnaß.

Vorname: Peter.

Geb.: 22.08.1940 in Königsberg/Ostpr.

Augen: grau.

Haar: dunkelblond

Der Knabe erinnert sich Im Zusammenhang mit einem Luftangriff an die Mutter und einen jüngeren Bruder in Königsberg. Er weiß auch, dass er früher wegen eines Ohren- und Nasenleidens bei einem Arzt gewesen ist. — 01418

 

Name: Stubbe.

Vorname: Peter Günther Helmut

Geb.: 13.03.1942.

Augen: blaugrau.

Haar: blond.

Der Knabe kam aus dem Säuglingsheim Königsberg. Die Mutter heißt Dora Ida Stubbe, war von Beruf Näherin und soll im August 1944 in Königsberg bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sein. 01037 a

 

Name: unbekannt.

Vorname: unbekannt.

Geb. in etwa 1951 (ich denke Schreibfehler:1941)vermutlich in Königsberg.

Augen: braun.

Haar: dunkelblond.

Der Knabe kommt aus dem Waisenhaus Königsberg-Ponarth. Nach Angabe desselben wohnten die Eltern in Königsberg in einem kleinen Siedlungshaus in der Nähe einer Wäscherei (Siedlung der Arbeiter des Elektrowerkes). Angeblich flüchtete er im November 1944 mit seinen Eltern und Geschwistern von Königsberg nach Palmnicken. Dort soll der Vater verstorben sein. Die Mutter und der Bruder Heini sollen ebenfalls unterwegs verstorben sein. Der Junge spricht von einer Schwester „Waltraud", die während des Krieges nach Sachsen evakuiert wurde. — 01024

 

Seite 9   O holde Kunst / Eine Erinnerung an das Musikleben Königsbergs.

Man muss älter geworden sein und auf vieles zurückblicken können, um zu begreifen, was damals, in der Zeit unserer Jugend, in Königsberg unter der genialen Leitung von Hugo Hartung Jahre hindurch in der musikalischen Erziehung einer ganzen Stadt geschah.

 

Ich war Obertertianer, wenn ich mich recht erinnere, als ich ihn in der Aula unseres Hufengymnasiums zum ersten Mal vor der ganzen Schulgemeinschaft sah. Er wählte aus der ‚Menge' der Schüler die Mitglieder seiner Chöre aus, und es war — unvergesslich die erregenden Augenblicke — für uns Musikbegeisterte merkwürdig zu sehen, mit welcher unerschütterlich überlegenen Strenge er sich gegen die Proteste des Schülerrates zur Wehr setzte, um gleich am Anfang allen zu sagen: „Wir beginnen entweder freiwillig eine Epoche der Hingabe und des Idealismus, oder ich werde unerbittlich und mit Strenge euch dazu erziehen ..."

 

Die Proteste gegen diesen Aristokraten im Dienste der Musik flauten ab, die Widerstände ließen nach, und die kleinmütig gewordenen Rebellen standen schließlich allein gegenüber den drei großen Chören, die in einer hingebenden Gemeinschaftsarbeit im Laufe einiger Jahre das Musikleben Königsbergs mitbestimmen sollten. Der Chor A, die Ausgewählten, die fast jeden schwierigen Satz vom Blatt singen, der Chor B, die große, willige Schar der Begeisterten, die dem ersten gegenüber kaum zurückstehen, und der Chor C, der zwar nicht so Befähigten, aber Aufgeschlossenen, die wenigstens versuchen wollen, das ihre zu tun. Daneben das Schülerorchester, dem ich selbst angehörte und in dem ich jahrelang alle großen Oratorien mitgespielt habe.

 

Es beginnt mit der ersten Aufführung in der Stadthalle. Wir proben Haydns „Schöpfung", und ich erinnere mich der vielen Proben an den Sonntagvormittagen, der letzten besonders, der Generalprobe, als Hugo Hartung im Schillerkragen auf dem Podium steht und mit wunderbarer Gelassenheit und ingrimmigem Ernst dem Konzertmeister des städtischen Orchesters, der zu spät kommt, bedeutet, dass wir hier glühende Idealisten und nicht irgendwer seien, und dem hier und dort laut werdenden Publikum eröffnet, es möge sich ein Caféhaus lieber als einen Konzertsaal während der Hauptprobe eines Oratoriums zum Unterhalten aussuchen.

 

Wie liebten wir diese unbedingte Strenge, dieses nicht Abweichen von der hohen Forderung. Auch dort noch, wo es das Maß scheinbar überschritt und den Tadel der Neider oder Gekränkten erfuhr. Wir fragten als Jugend nach dem Unbedingten einer Hingabe, und hier fanden wir sie, so glühend, rein und bewegend wie die Musik, der sie geweiht war, oder den Menschen, die diese Musik in einem Leben heiligen Dienens geschrieben und uns geschenkt hatten.

 

Die erste Aufführung dann, der erste Abend im Glanz der Lichter des Stadthallensaales unter der schönen Goldstuckatur des Deckengewölbes und den weithin sichtbaren Worten über der Orgel: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre ..."

 

Die Chöre unseres Gymnasiums und die des Bismarcklyzeums, das städtische und philharmonische Orchester mit unserem Schülerorchester, und später, als unsere Aufführungen zur Tradition werden, dazu die Chöre des Bachvereins und der Singakademie. Solisten mit bekannten Namen, die aus dem Reich kommen, Henny Wolf, Walter Ludwig, der Bassist Fischer, der Königsberger Erwin Roß ... bei jeder Aufführung andere und neue. Am Cembalo mein Klassenkamerad Ernst Cohn, der Sohn meiner unvergesslichen Geigenlehrerin, der Konzertmeisterin des Philharmonischen Orchesters.

 

Unvergessliche Proben für Händels „Messias" in der Aula der Hindenburg-Oberrealschule, als

Hugo Hartung einmal im Zorn übe das hölzerne Spiel unseres Orchesters den Stab wegwirft, den Saal verlässt, nach einer langen Zeit zurückkommt und voller Gram die Worte sagt, an die ich alle Jahre hindurch denken muss: „Wenn ihr einmal eine Nacht hindurch über die Bosheit der Menschen geweint hättet, würdet ihr wissen, wie man diese Musik spielt“. Und die Augenblicke danach, als es eine Musik in der beengten Fülle ihrer Schönheit wurde und Hugo Hartung uns ansieht und glücklich lächelt.

 

In fast regelmäßigem Abstand von vier Monaten folgen die Aufführungen aufeinander, die ‚Johannes- und Matthäuspassion', die ,Missa solemnis' mit verstärkten Chören im ,Haus der Technik', Haydns „Jahreszeiten", Bachs /Weihnachtsoratorium' usw. Jedes Mal vor der Aufführung im Chorprobesaal der Stadthalle die gleiche Aufregung und Erwartung, und während des ganzen Abends im überfüllten Saal die Hingabe der vielen Begeisterten an das Überwältigende der Töne. Ernst Wiechert hat davon ein bewegtes Zeugnis in einem seiner Aufsätze abgelegt, und die Beteiligten, soweit sie heute noch leben, wissen, was sie jener Zeit danken.

 

Als junger Referendar bin ich einige Jahre später an einem Nachmittag bei Hugo Hartung in seinem neuen Heim in Amalienau. Er hat am Abend eine Probe, und er ist abgespannt von vielen Proben und mancherlei Missgunst, gegen die es sich zu wehren gilt. Aber das ‚Menschliche' der Atmosphäre ist unverändert, er nennt uns (seine Frau, meine Verlobte, meinen Freund und mich) ,Kinder‘, trägt wie immer den offenen Schillerkragen, zeigt uns voller Stolz das neue Haus, sitzt für einige Augenblicke am Flügel und schlägt ein paar Akkorde an. „Ja, das Leben ... Kinder", sagt er ernst, „das Leben ..." Und erzählt von den Menschen, die ihm nahestehen, und von den anderen, die ihn nicht begreifen.

 

 

Zum letzten Mal erlebe ich ihn auf der großen Bühne im ‚Haus der Technik' beim ,Lied der Tausend'. Ich selbst kann nun nicht mehr mitsingen und sitze auf der hohen Galerie und blicke auf den überfüllten und riesigen Saal, in den immer neue Scharen hineinströmen. Es ist ein Bekenntnis zum Volkslied unserer Heimat, und das Herz wird mir schwer, als mir (der ich seit Jahren im Rheinland mein Studium weiterführe) alle Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend in Ostpreußen bei diesen Klängen lebendig werden.

 

Es waren schöne Jahre, vielfach beglänzt von der Hingabe unserer Erzieher und von der Größe und Weite unserer Heimat. Und die sie erlebt haben, werden sie nicht vergessen. Gerhard Kamin.

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpford  

X. Der Burgkirchenplatz.

Durch die Französische Straße brodelt der Großstadtverkehr. Kaum konnte man in Ruhe vor dem Geburtshause E. T. A. Hoffmanns die dort am 25. Juni 1922 — seinem hundertsten Todestag — angebrachte eherne Tafel betrachten. Sie war von dem Königsberger Bildhauer Stanislaus Cauer gefertigt und betonte das Dämonische in Hoffmanns Antlitz. Im Hause selbst, in dem Bayers Buchhandlung viele Jahrzehnte ihren Sitz hatte, war nur noch ein Rest der ehemaligen Rokokoausstattung in einer Tür erhalten. Dem großen Sohne zu Ehren hatte die Stadt die von der nahen Ecke zum Burgkirchenplatz abbiegende Straße nicht E. T. A. Hoffmannstraße genannt, sondern Kreislerstraße.

 

Und gerade wie man, eine Erzählung Hoffmanns lesend, in eine andere Welt kommt, so kam man auch, kaum dass man die Kreislerstraße betreten hatte, in eine andere Welt. Aber nicht in eine Gesellschaft skurriler, dämonischer Gestalten, hinter denen die Sehnsucht nach einem besseren Dasein geistert, sondern in eine Welt schweigsamer Stille, ja, fast verlassener Öde.

 

Dazu trug bei, dass der weite Platz, den man vor sich sah, völlig baumlos und mit Spitzkopfpflaster belegt war. Auch die beherrschende Kirche in ihren großen Formen war nicht geeignet, ein Gefühl der Traulichkeit aufkommen zu lassen. Aber zu einem eignete sich der Platz vorzüglich: als Kampfplatz ausgedehnter Steinwurfschlachten zwischen Burgschülern und Friderizianern, die in meiner Jugendzeit dort tobten. Denn aus mir unbekannter Ursache — (vielleicht weil die Oberrealschüler der „Burg" sich mit dem abgelegten Gebäude des Friedrichskollegiums zufrieden geben mussten?) — herrschte zwischen beiden Schulen eine erbitterte Feindschaft, die mit dem Verlegen der Burgschule in ein neues Gebäude auf den Hufen aufhörte und nur noch als alte Sage herüberklingt.

 

Zwei weitere Zugänge zum Burgkirchenplatz gab es vom „Schiefen Berg" her, einer durch einen Torweg in die Französische Schulstraße, der andere aber war der „offizielle", feierliche, typisch für die Barockarchitektur, die jeden bedeutenden Bau durch ein Portal zum Vorhof und Seitengebäude betonte, ehe man das Hauptgebäude erreichte.

 

Auch hier begann die Kirche — architektonisch gesehen — bereits am Portal. Dieses dreitorige schöne Portal war mit drei prächtigen Rokokofiguren, welche die Gerechtigkeit ... die hier ausnahmsweise das Schwert in der Linken und die Waage in der Rechten haltend dargestellt war, die Liebe und die Barmherzigkeit darstellten, geschmückt. Es wurde 1727 von dem Königsberger Kommerzienrat Charles Cabrit gestiftet. Die Figuren wurden übrigens kurz vor dem 2. Weltkrieg getreu nach den Originalen, die ins Stadtgeschichtliche Museum wanderten, erneuert.

 

Das Portal war eingefasst von zwei kubischen niedrigen Häusern, die, als Gesamtbild betrachtet, der schönen Kirche den im Barock so beliebten Vorhof ersetzten. Das rechte dieser Häuser stand noch; es ließ schmerzlich ahnen, wie schön das unzerstörte. Ganze, dessen ich mich noch gut entsinne, wirkte. Es war ganz unverständlich, wie man um die Jahrhundertwende glauben konnte, durch die abscheuliche Mietskaserne das Portalhaus der anderen Seite „ersetzen" zu können!

 

Wenn man den dritten Zugang zum Burgkirchenplatz von der Weißgerberstraße her wählte, so führte der Weg durch die Kleine Schloßteichstraße, in der ein Haus stand, das so niedrig war, dass ich als kleiner Junge keinen größeren Wunsch hatte, als an seine Dachtraufe heranreichen zu können. Aber so sehr ich mich reckte, ich schaffte es nicht, so dass mein Vater ermunternd zu sagen pflegte: So musst du eben noch ein paar Pfund Salz mehr aufessen!

 

In dieser Dachrinne fanden größere Kinder gelegentlich ein Spatzennest.

 

Die Grundstücke, die dort an den Schlossteich heranreichten, waren als Wohnungen sehr beliebt; hatten sie doch den wundervollen Ausblick auf den Schlossteich und die Schlossteichbrücke! Dort wohnte zuletzt ein Mann, dessen zu gedenken mir die Pflicht der Dankbarkeit gebietet, umso mehr, als wohl kaum noch einer da ist, der es außer mir tun könnte. Denn schon 1918 war die Zahl meiner Conabiturienten gehälftelt und von den wenigen, die heute noch leben mögen, war wohl keiner mehr Zeuge der Liebe und Frömmigkeit, mit der dieser Mann als gütiger Lehrer unsere Kindheit umgab. Er war mit uns jung und doch unser Erzieher, der dank seinem Kindergemüt und seiner Gradheit zu diesem Amte berufen war wie keiner. Er war von 1899 bis 1904 Vorschullehrer am Friedrichskollegium, denn dieses besaß vor dem 1. Weltkrieg eine angegliederte Grundschule, an der damals fünf Volksschullehrer unterrichteten. Durch eisernen Fleiß arbeitete sich dieser Mann zum „Oberlehrer" hinauf — was damals gar nicht einfach war — und wurde schließlich Oberregierungs- und Schulrat am Oberpräsidium und hatte als solcher das gesamte Volksschulwesen der Provinz unter sich. Selbst den Nazis schien er unentbehrlich, obwohl er in seiner geraden Überzeugung sich standhaft weigerte, der NSDAP beizutreten. Für mich blieb er immer unser geliebter Lehrer Otto Konopka.

 

Zuletzt stand vereinsamt auf der Nordostseite des Burgkirchenplatzes nur noch ein altes Haus, flankiert von einer alten Linde: die Brockensammlung. Noch in meiner Kindheit waren hier ganze Konglomerate alter Kabacken gewesen, die im Laufe der Jahre der Spitzhacke weichen mussten. Auch das anspruchsvolle und geschmacklose Pfarrhaus, das den Blick auf die Burgkirche von den verschiedensten Blickpunkten aus empfindlich störte, ist erst eine Bausünde des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts. Davor standen hier noch Häuser der Barockzeit im Stile des Hauses des Segelklubs Rhee in der Kreislerstraße. Sie waren Besitz des alten Dr. Hay, eines ehrwürdigen Greises mit prachtvollem Charakterkopf, dem man allenthalben in der Stadt begegnen konnte.

 

An der Einmündung der Kreislerstraße in den Burgkirchenplatz soll früher ein ähnliches Portal gestanden haben, wie am Schiefen Berg.

 

Nach dem 2. Weltkriege war mit der gärtnerischen Umgestaltung des Platzes begonnen worden. Vielleicht hätte sie, nachdem die Sträucher eingewachsen waren, diesen sehr stillen Winkel auch zu einem Idyll gemacht.

 

Einst war dieser Platz der „Geköchsgarten" des am Bergplatz wohnenden Obermarschalls. Als Graf Ahasverus von Lehndorff dieses Amt bekleidete, kaufte ihm der Große Kurfürst das Grundstück ab und schenkte es der deutschreformierten Gemeinde, deren Bekenner er bekanntlich war. Denn diese Kirche hatte noch kein eigenes Gotteshaus; ihr stand nur das Schloss zur Verfügung. Der Grundstein zur Burgkirche selbst aber wurde erst nach seinem Tode, am 25. Mai 1690, gelegt. 1696 wurde sie fertig und am Sonntag, 23. Januar 1701 in Gegenwart des neugebackenen Königs, der dabei die Krone auf dem Haupte trug, und seiner Gemahlin Sophie Charlotte eingeweiht. Sie hieß bis 1819 „Reformierte Kirche", dann erst wurde der Name Burgkirche allgemein.

 

Nur zur Vollendung des Turmes reichte das Geld nicht. Das Gotteshaus war eins der letzten Werke Johann Arnold Nehrings, eines gebürtigen Holländers, der in preußische Dienste trat und 1695 als Oberbaudirektor starb. Er hatte es der vierzig Jahre älteren ‚Nieuwe Kerk' im Haag nachgebaut. Wenn man vor dem in den Maßen kleineren Vorbild stand und den doppelt so hohen schlanken Turm mit unserem unvollendeten im Geiste verglich, so erschien das nur provisorisch gedachte, aber in langen Jahren organisch gewordene Zeltdach unseres Baues fast ansprechender als der schöne Turm des Vorbildes.

 

Sei dem, wie es wolle, die Burgkirche war, wie sie war, im Äußeren ein großartiges Bauwerk nordischen, norddeutschen Barocks.

 

Leider entsprach das kahle weite Innere den Erwartungen nicht.

 

Barock bedeutet Prunk, Glanz, Pracht, Bewegung, Pathos. Das alles fehlte, denn die Burgkirche war die Kirche der reformierten Glaubensrichtung, die alles Nichtnotwendige aus dem Kircheninnern verbannt.

 

Barock und Kahlheit aber ist ein unlösbarer Widerspruch.

 

So vermochte die schöngeschnitzte Nussbaumkanzel des Königsberger Tischlermeisters Caspar Schreiber von 1699 das weite Innere nicht zu füllen und der Gesamteindruck blieb nüchtern und frostig, wozu die nicht glücklich gewählte Ausmalung in den kalten Farben grün und grau mit wenig Geld wesentlich beitrug.

 

Aber doch sah ich einmal diesen Kirchenraum schön: als ein Bachkonzert gegeben wurde, zu dem die Orgel des Hoforgelbauers Siegmund Caspari von 1726 ihr Bestes hergab, und als die Kerzen der schönen über zehn Zentner schweren Messingkronleuchter, die aus dem Nachlass des Kurfürstlichen Statthalters Fürsten Radziwill stammten, brannten. Denn die Burgkirche war wohl die einzige Königsberger Kirche, die kein elektrisches Licht hatte.

 

Und diese Kerzenbeleuchtung, welche die weiten Wände in graues ungewisses Dämmerlicht zurücktreten ließ, war unsagbar stimmungsvoll. Dazu die prachtvolle Akustik!

 

Die gründliche Verwüstung unserer Stadt durch die Engländer, die die Burgkirche nicht vergessen hatte, braucht nicht betont zu werden.

 

Foto: Andacht für die Toten. Holzschnitt von Rudolf Warnecke.

 

Seite 9   Kirchen-Archiv – Richtigstellung.

Das Hilfskomitee der Evangelischen aus Danzig-Westpreußen teilt mit, dass es sich bei der kürzlich durch die Tagespresse gegangenen Meldung, in dem „Haus der helfenden Hände" in Beienrode sei ein „Bundesarchiv der evangelischen Kirche Ost- und Westpreußens" errichtet worden, um ein Missverständnis handelt. Das kirchliche Archiv Danzig-Westpreußen, das die Regierungsbezirke Danzig, Marienwerder und Bromberg umfasste, befindet sich vielmehr nach wie vor beim Hilfskomitee in Lübeck, Lindenplatz 7. In Beienrode, dem Heimathaus der Evangelischen aus Ostpreußen handelt es sich um ein „Archiv für die evangelische Kirche Ostpreußens", das sich um die Sammlung von Akten, Dokumenten aller Art und nachträglichen Berichten zur Geschichte der ostpreußischen evangelischen Kirche, hauptsächlich zur Geschichte des Kirchenkampfes in der nationalsozialistischen Zeit, bemüht. Angegliedert ist ein kirchliches Bildarchiv. Das Hilfskomitee der Evangelischen aus Danzig-Westpreußen bittet gleichzeitig um leihweise Überlassung von Aufnahmen von Heimatkirchen, Pfarrhäusern, Anstalten der Inneren Mission, Gemeindehäusern und Friedhöfen zur Vervollständigung des Bildarchivs.

 

Seite 9   Letztes Leid hat keine Tränen. Von Käthe Kamossa.

Hol dir Hoffnung von den Sternen,

Die dich an die Sonne führen.

Einmal schlagen keine Uhren

Und du stehst vor letzten Türen.

 

Von den Tagen in die Nächte

Und vom Lauten in das Stille,

Geht dein Leben auf und nieder:

Einmal fällt die bunte Hülle.

 

Nimmer ist der Ewge müde,

Wenn wir uns am Ende wähnen —

Noch am Ende steht sein Lächeln:

Letztes Leid hat keine Tränen!

 

Seite 10   Wie ich zu meinem Nehrungsbuche kam. Von Fritz Kudnig.

Immer wieder werde ich gefragt, wie ich zu meinen Nehrungsgedichten gekommen bin. Ich glaube, alles, was geschieht, ist Geschick. Wir werden vom Schicksal immer gerade dahin gestellt, wo wir etwas unserem Wesen Entsprechendes zu erfüllen haben. Und so ist es wohl auch mit mir und meinem Nehrungsbuche gewesen.

 

Ich hatte mit Mühe und Not — denn mit Paragraphen habe ich mein Leben lang nur ungern zu tun gehabt — im Frühjahr 1910 mein Examen als königlich-preußischer Gerichtsaktuarius bestanden, da wurde ich zu dem allgewaltigen Rechnungsdirektor des Königsberger Oberlandesgerichts gerufen und gefragt, an welches Gericht ich nun wohl am liebsten möchte. Es war seit langem bekannt, dass dieser Herr fast immer genau das Gegenteil dessen tat, was man selber wünschte. Aber obwohl ich dies wusste, besaß ich die Kühnheit zu sagen: „Nach Memel, Herr Direktor!" — „Und weshalb gerade Memel?“ fragte er. „Ich bin Naturmensch und kann ohne Wald und See nicht leben!"

 

Der Gestrenge lächelte, was er nur selten tat, und meinte — und ich empfand es fast wie väterliche Güte in seinen Worten: „Nun, sterben sollen Sie mir nicht! Mal sehen. Sie dichten ja auch, nicht wahr? Na, dazu braucht man wohl sowas. Aber machen Sie mir nicht noch einmal solchen Unfug wie neulich in der Hartungschen Zeitung, mein Lieber. Sonst bullerts!" In jener Zeitung hatte ich nämlich vor einiger Zeit ein paar „Gedanken" veröffentlicht, auch diesen: „Der Mann gilt mir, nicht sein Stand. Vor einem Schuhmacher, der in seinem Handwerk ein Künstler ist, habe ich mehr Achtung als vor einem Minister, der schlechte Staatsverträge schließt“.

 

Während mein Vater, der immer ein bisschen Revolutionär war, seinen Spaß an dieser Frechheit gehabt hatte, war mir seitens meiner Vorgesetzten eine besorgte Vermahnung geworden. Und meine Arbeitskameraden hatten mir sogar geweissagt, man würde mich nicht zum Examen zulassen. Ich stand, als ich mein „Verbrechen" begangen, ja noch in der Ausbildung als königlich-preußischer Justizanwärter.

 

Nun, das Examen lag hinter mir. Damit nicht genug: Ich saß schon wenige Tage nach der Unterredung mit dem Herrn Rechnungsdirektor beim Amtsgericht Memel mit dem Auftrage, die dortigen Grundbücher zu berichtigen. Dafür war von oben her ein halbes Jahr vorgesehen. Doch von unten her sieht sich manches ganz anders an. Ich tat natürlich meine Pflicht, machte aber keine besondere Anstrengung, dabei in Schweiß zu geraten, so dass meine Arbeit wohl doppelt so lange dauerte, als dafür vorgesehen war. In meiner Aktentasche aber stak nachmittags immer schon meine Abendbrotstulle. Und mit ihr ging es fast täglich auf der nahen Fähre über das Kurische Half zur Nehrung hinüber.

 

Die Kurhäuser dort haben mich selten gesehen. Jeder laute Betrieb war mir schon damals zuwider. Ich suchte die Stille der Natur. Sie ist der Brunnquell des Schöpferischen. So erlebte ich in der großen Einsamkeit jenes wunderbaren Landes zwischen Haff und Meer täglich neu die innige Gemeinsamkeit mit dem Schöpfer und allem Geschaffenen. Diese einsamen Wanderungen in Wald und Dünen, am Haff und Meer gehören zu den tiefsten Tagen meines Lebens.

 

Einundzwanzig Jahre war ich alt. Und verliebt war ich auch. Aber sie liebte mich nicht. Fast sieben Jahre trug und litt ich an dieser Liebe. Warum soll ich dies nicht auch öffentlich einmal beichten, nachdem ich es damals nur vor meiner guten Mutter tat, die mit mir litt?

 

Diese unglückliche Liebe aber ist es wohl gewesen, die mich zum Dichter erst eigentlich gemacht hat. Liebe, auch unglückliche, ja, gerade sie — wie all unser Leid — ist immer schöpferisch. War es so verwunderlich, war es nicht vielmehr tief sinnvoll und bedeutsam, dass nun die gewaltige Gottesnatur der Nehrung meine heimlich Geliebte wurde, meine selig Geliebte?

 

Aus meinem kleinen, ichbedingten Herzeleid war ein namenloses Glück, eine allumfassende Liebe geworden! Und so umfing meine junge Seele nun jeden einzelnen Baum, jedes im Winde wiegende Dünengras, jede sonnenvergoldete oder mondversilberte Wolke im Himmelsblau in liebender Inbrunst. Doch oft war auch der harte Sturm mein Gefährte. Und wenn er die knorrigen Kiefern bog und zerzauste, wenn das aufgewühlte Meer in rauschender Brandung den Strand berannte und an der grünsilbernen Vordüne nagte und zerrte und sie mit dem Tode bedrohte, gerade dann sang ich dem Leben meine stärksten Lieder.

 

Manchmal bin ich am Wochenende im Mondschein noch bis Schwarzort gewandert, wo ich in dem hohen, raunenden Walde oder mitten in den windumkosten Dünen übernachtete, von dem bestirnten Himmel überdacht. Dort in Schwarzort erlebte ich die erste, ebenso erregende wie beglückende Begegnung mit einem Nehrungselch. Und dort stand ich auf dem ragenden Blocksberg, Wald, Düne, Haff und Meer zu meinen Füßen, wie ein selig Berauschter. Immer in solchen gnadenvollen Augenblicken wurden mir meine Lieder geschenkt.

 

Immer aber, wenn ich nun an dies Paradies denke, aus dem wir gewaltsam vertrieben wurden, schnürt es mir auch heute noch die Kehle zu. Und dann vermag nur der Gedanke das Herz zu trösten, dass Geschichte nicht nur von irdischen Mächten gemacht wird. So wollen wir jenen sinnvoll in und über uns waltenden Mächten, die noch um Recht und Gerechtigkeit wissen, mehr denn je vertrauen. Wenn wir im Rechte sind, wird uns eines Tages Gerechtigkeit werden. Nichts ist so sicher wie dies unerschütterliche geistige Gesetz. Wir wollen ihm nur keine Zeit vorschreiben. Denn es ist das Gesetz der Ewigkeit.

 

Aus dem Anfang Dezember erscheinenden Prosaband des Nehrungsdichters Fritz Kudnig „Herz in der Heimat", Erzählungen aus Heimat und Kindheit. Elchland-Verlag, Göttingen. Bd. 2 der „Kleinen Elchland-Reihe".

 

Seite 10   Verirrter Elch. Von Wanda Friese.

Er äugt, auf diesem schmalen Pfad verloren,

steht da, erstarrt, geheimnisvoll verbannt

in dieses laute, schreckbar fremde Land,

des' Lärm nie noch drang zu seinen Ohren.

Ein Knacken, wo des Menschen Fuß tritt auf.

Da geht durch sein Gehörn ein Zittern,

er springt, schon ist er im entsetzten Lauf,

und hört die fernen Rufe noch gewittern.

 

Seite 10   Ehrenbürger Borns in Traunstein.

Ferdinand Gregorovius, der berühmte Geschichtsschreiber Roms aus Neidenburg in Ostpreußen, suchte nach Vollendung seines achtbändigen Werkes „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter", für das er am 8. Mai 1876 die Ehrenbürgerrechte der Stadt Rom verliehen erhielt, seit dem Jahre 1872 fast regelmäßig jeden Sommer das oberbayerische Städtchen Traunstein zur Erholung auf. Seit 1860 war die Eisenbahnstrecke München - Rosenheim über Traunstein hin bis Salzburg verlängert worden und der hübsche Ort bequem zu erreichen. Es ist interessant, etwas über den bayerischen Ferienort des ostpreußischen Ehrenbürgers von Rom zu erfahren. Traunstein ist reizvoll in einer Flussschlinge über dem linken Ufer der Traun auf einer Felsterrasse gelegen und von ausgedehnten Fichtenwaldungen umgeben. Hier beginnt der an wechselnden Eindrücken landschaftlicher Schönheit reiche Naturgarten der nördlichen Voralpen, der sich bis zu den großartigen, massiven Formen der Hochgebirgsalpen hinaufzieht. Denn schon wenige Kilometer die Traun aufwärts, am Zusammenfluss der Roten und der Weißen Traun ist das Eingangstor zur Hochgebirgswelt. Als ehemalige Station an der alten Römerstraße von Salzburg nach Augsburg, die sich hier über Erlstätt nach Seebruck an der Nordspitze des Chiemsees hinzoh, ist Traunstein schon sehr alt. Doch erhielt der Ort, heute zirka 14000 Einwohner groß, nach einer Feuersbrunst von 1851 ein modernes Gepräge. — Als Gregorovius, wahrscheinlich auf Rat seiner Münchner Freunde und doch sich ganz auf eine Eingebung verlassend, Traunstein zum ersten Male von Rom aus im Sommer 1872 aufsucht, ist es für ihn eine Entdeckung, die ihn, was den Namen anlangt, zwar eines anderen belehrt, aber sonst nicht enttäuscht. Gleichwohl hält er an der symbolisierenden Deutung des Ortsnamens mit der Freiheit des Ferienreisenden fest. Er berichtet darüber der befreundeten Gräfin Ersilia Caetani-Lovatelli in einem Brief nach Rom:

 

„Ohne den Ort überhaupt zu kennen, wählte ich ihn nur wegen seines Namens zu meinem Aufenthalte: Traunstein, das, wie Sie wohl verstehen werden, soviel bedeutet wie Stein des Vertrauens. In der Tat, in meinem ganzen Leben habe ich mich immer den Göttern und den Menschen anvertraut, und um die Wahrheit zu sagen, ich hatte dies selten zu bereuen. Jetzt vollends bin ich dafür außerordentlich belohnt. Dieses Traunstein nämlich ist ein wahres Bergidyll, schön und bezaubernd, und Schöneres kann man sich nicht wünschen. Stellen Sie sich eine kleine Landstadt vor, anmutig und sauber, die auf einem lachenden Hügel liegt, zu dessen Fuße ein reißender Fluss, die Traun, lärmend dahinläuft während überall ringsherum dunkle Wälder und majestätische Berge den Ort einsäumen. Wenn ich durch jene Wälder streife, empfinde ich die ganze Wonne der Erinnerung an meine Kindheit. Ich rufe mir ins Gedächtnis all die schönen Lieder zurück, die unsere Dichter dem Wald gewidmet haben, dem Wald — der frommen Sagen Aufenthalt. Gewiss ist keine andere Dichtung so reich wie die deutsche an Waldliedern“.

 

Die Erinnerung an die Wälder der ostpreußischen Heimat, die Gregorovius tief bewegt, lässt ihn ein Jahr später, 1873, als er wieder in Traunstein weilt, die sinnbildliche Beziehung zwischen diesem Ort und seinem eigenen Leben fortsetzen. Er schreibt an Ersilia:

 

„Eine von den Kirchen Traunsteins trägt auf ihrem Turmgesims die Aufschrift: ,Per ardua ad astra' (etwa: durch Beschwernisse zu den Sternen), von deren vergoldeten Buchstaben die letzten Strahlen der sinkenden Sonne reflektiert werden. Hier haben Sie das wahre Motto für das Leben eines jeden, der sich abmüht und mit der Welt und sich selber kämpft. Sie werden lachen, wenn ich Ihnen eingestehe, dass, als ich im vergangenen Jahre nach Traunstein kam, ich von jener durch die sinkende Sonne ganz in Brand gesetzten Aufschrift dermaßen betroffen war, dass ich schon darum den Entschluss fasste, wiederzukehren“. Dr. Walter Schlusnus

 

Seite 10   Heimat Masuren.

Die masurische Landschaft ist lieblich schön, wenn heller Sonnenschein über ihr lacht. Dann erglänzen die Seen tiefblau oder dunkelgrün. Die Wälder stehen wie hohe Dome, aus denen Blätterduft und Harzgeruch wie Opferdunst zum Himmel steigen. Und selbst die Moore und Sümpfe mit ihren grünschillernden Lachen und dem dunklen Gestrüpp sehen ganz unschuldig aus...

 

 Aber wenn an regenschweren Tagen der Herbststurm die Erde peitscht, dann brüllen die großen Seen wie das aufgeregte Meer.., Die Wälder brausen und schütteln ihre Kronen, als wollten sie niederstürzen und alles zerschmettern, was sich zwischen die Riesen hineinwagt. Und aus den Mooren scheint die Heimtücke zu grinsen ...

 

Vollends zur Nacht, wenn das Auge nicht mehr seine beruhigende Wirkung auszuüben vermag, wenn das Getöse der Wellen, das Brausen des Waldes mit doppelter Kraft an unser Ohr schlägt. Dann sind die Pfade, die den Kundigen sicher durch das Moor geleiten, von der Finsternis verschlungen. Wie ein Polyp hegt der Sumpf von Dunkel umhüllt, wie ein Untier, das gierig seine Fangarme ausstreckt um alles, was in ihren Bereich gerät, zu umklammern und in den Tod zu ziehen.

 

Und in welch einen Tod! Mit freundlichem Grün überkleidet, täuscht das Moor eine Wiese vor, die zu Spiel und Tanz einladet. Aber das Aussehen ist trügerisch! Unter der dünnen Pflanzendecke lauert der Tod des unergründlichen, zähen Moders... Der Fuß bricht durch. Im nächsten Augenblick schon ist der Körper bis an die ausgestreckten Arme versunken.

 

Wehe dem Unglücklichen, dem auf sein Hilfegeschrei nicht schnell Rettung naht! Die Arme erlahmen... Zoll um Zoll sinkt der Körper ein ... Noch nie hat das Moor einen wiedergegeben …

 

Wald und See der Heimat sind mir zu lieben Freunden geworden, und vertraut grüßen sie mich, wenn ich aus weiter Ferne zu ihnen zurückkehre ... Aber ich habe auch ihre ungebändigte Kraft kennengelernt. Einmal war die Windsbraut durch einen alten Bestand hindurchgerast und hatte eine lange Reihe der Riesen gefällt... uralte Kiefern und Fichten. Und der See, an dem ich aufgewachsen bin, wie oft hat er meinen Kahn mit unwiderstehlicher Kraft ans Ufer geworfen... Fritz Skowronnek

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat. Otto Groke, mit Foto.

45 Jahre Chorarbeit.

In diesem Sommer musste Otto Groke, in Königsberg weitesten Kreisen als Chorleiter bekannt, aus gesundheitlichen Gründen den Dirigentenstab endgültig niederlegen. Musikbegeistert und innerlich noch voller Spannkraft, erfüllt von einer unendlich großen Liebe zum Gesang, hätte er die 50 Jahre noch gut und gern abgerundet. Vielleicht kann nur einer, der selbst mehr als 20 Jahre unter seiner Leitung gesungen hat, ermessen, wieviel Opfer an Zeit, an Kraft und auch an Geld die Tätigkeit eines Chorleiters verlangt und welch hohes musikalisches Verständnis sie erfordert, wenigstens, wenn der

selbe die Arbeit so ernst nimmt, wie Groke es immer getan. Gehört doch der Chorgesang zu einem der wichtigsten Mittel nicht nur der musikalischen Erziehung, sondern der menschlichen Bildung schlechthin. Die schönste Aufgabe eines verantwortungsbewussten Chorleiters liegt vielleicht darin, den singenden Menschen nicht nur zu dem Verständnis musikalischer Meisterwerke zu führen, sondern auch zu dem beglückenden Erlebnis des künstlerischen Schaffens, zu einem Erlebnis, das dem Laien sonst wohl nie zuteilwerden könnte. Seit 1911 stand der junge Lehrer Otto Groke in der Chorarbeit, anfangs, seinem Dienstort entsprechend, in Dorf und Kleinstadt. 1920 nach Königsberg versetzt, übernahm er die Leitung des großen DHV-Männerchors. Von nun an wusste Groke seinen Chören ein eigenes Gesicht zu geben. Seine erfolgreichen Konzerte in Dresden, München und Salzburg veranlassten Generalmusikdirektor Hermann Scherchen, ihn mit der musikalischen Vorbereitung der Chorkonzerte im Rahmen der Musikalischen Akademie in Königsberg zu betrauen. Das war eine zwar wenig dankbare, aber umso verdienst- und verantwortungsvollere Aufgabe, anderseits eine Arbeit, an der der Chorleiter selbst sich stark entwickeln und vervollkommnen konnte. Es galt, sich mit neuzeitlichen Werken wie Arthur Honeggers „König David" und Otto Bechs „Advents-Kantate" auseinander zu setzen, und die Sänger in die feierliche Schönheit und Größe von Beethovens „Neunter" und „Missa solemnis", in Mozarts „Vesperae solemnis de confessore", Brahms' „Ein deutsches Requiem" und Bruckners „Graduale" einzuführen. Der Höhepunkt dieser Arbeitsperiode war unzweifelhaft die Uraufführung von Conrad Becks „Der Tod des Ödipus" anlässlich des 60. Tonkünstlerfestes in Königsberg unter Grokes Leitung. Die Musikalische Akademie ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied.

 

Später schuf Groke sich einen eigenen Chorkörper und verband mit ihm ein Kammerorchester. Mit beiden hat er im kleineren, aber darum musikalisch nicht weniger wertvollen Rahmen unendlich vielen Menschen Freude und Genuss bereitet, sei es durch Chorkonzerte, Singen im Rundfunk oder Offene Singstunden, von denen besonders letztere, regelmäßig auf dem Schlosshof — oft mit feierlicher Bläsermusik — in lebendiger Erinnerung geblieben sind. Schlichte Volkslieder, Madrigale und Chorsätze zeitgenössischer Tonsetzer boten unerschöpfliches Liedgut. Gut befreundet mit dem ostpreußischen Komponisten Herbert Brust, gehörte Groke zu denjenigen, die dessen Ostpreußenlied vom ersten Tage an weitesten Kreisen bekannt machte. Grokes Programme hatten durch glückliche Verbindung von Lied und Dichtung immer eine eigene Note und ließen manchen Zuhörenden zum Mitsingenden werden.

 

Erst 1948 konnte Groke Königsberg verlassen, nachdem er dort nach der Besetzung seine tapfere Lebensgefährtin verloren hatte. Vielleicht hätte auch er, schwer erkrankt, den Weg in eine neue Heimat nicht mehr gefunden, wenn sich nicht eine kleine Gemeinschaft seiner alten Sangesschwestern um ihn geschart hätte, die für ihn eintraten und denen er dann männlicher Schutz und Berater wurde. Erschütternd sind die Briefe aus jener Zeit, denen manchmal wohl ein Notenblatt mit einem neuen Lied beilag, und die erzählten, wie diese kleine Gruppe von Menschen trotz Krankheit und Hungersnot im düsteren Kellerloch einer Ruine beisammensaß und heimlich mit leiser Stimme, aber doch innerlich irgendwie beglückt, ihre Lieder sang. Man darf es wohl als eine versöhnliche Fügung des Schicksals ansehen, dass aus dieser Notgemeinschaft für Otto Groke später eine neue, beglückende und die Einsamkeit überbrückende Lebensgemeinschaft erwuchs. — In Lemgo (Lippe), seiner neuen Heimat, übernahm Groke nach einiger Kräftigung seiner Gesundheit erneut die Leitung mehrerer Chöre, denn ohne Musik und Gesang geht es nun einmal nicht bei ihm. Diese gehören einfach zu seinem Lebensinhalt, wenn er jetzt auch jede praktische musikalische Arbeit zu unterlassen gezwungen ist. Zum Dank für seinen Einsatz für die Pflege und die Erhaltung ostdeutschen Liedgutes ernannte der Verband der Ostdeutschen Chöre, dessen Musikbeirat er war, ihn zu seinem Ehrenmitglied.

 

Vielleicht wird er jetzt erst die rechte Muße finden, seine kompositorische Arbeit, in der „er sich versucht hat", wie er sagt, wieder aufzunehmen, und der wir viele schöne Volksliedersätze und durchaus eigene, seinem geraden, aufrechten, verinnerlichten Wesen gemäße Vertonungen meist heimatgebundener Texte verdanken. Wir möchten es ihm und uns allen wünschen! P. M

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Späte Beichte / Von Lena Merker.

Ich mochte ein Mädel von neun oder zehn Jahren gewesen sein, als ich Zeuge einer seltsamen Begebenheit wurde, die mir einen unauslöschlich tiefen Eindruck gemacht hat und von der ich hier berichten will.

 

Man hatte mich für ein paar sommerfrohe Ferienwochen ins Posensche zu meinem Großvater geschickt, der, ein armer Korbmacher, irgendwo nahe der alten Reichsgrenze zwischen Wäldern und Seen in einer selbstgeklitschten Lehmkate wohnte. Noch heute, erschnuppere ich gelegentlich den herb-säuerlichen Geruch frischer Weiden, steht alles vor mir auf: die fliegen-durchsummte niedere Küche, in die die alte Robinie draußen vorm Fenster auch an hellglühenden Sonnentagen nur ein grüngoldiges Dämmerlicht filterte; in der einen Ecke Großvaters Arbeitsplatz, in der anderen der Herd. Mitten in den mit weißem Sand, Sonntags auch mit frischem Tannicht bestreuten Dielen die schwere Deckelklappe zu dem furchtsam gemiedenen, grabtiefen Kellerloch, daneben der mächtige rotgesprenkelte Kachelofen, in dessen Rohr zumeist die altersmüde graue Katze schnurrte; und über allem der Geruch von Weiden, Ziegenmilch, Kornkaffee, hausbackenem Brot und dem unter offenem Rauchfang prasselnden Bast und Reisig.

 

In diese Küche nun trat eines Tages, gestützt auf den Arm ihres Sohnes, der sie soeben von einem kleinen Panjewagen heruntergehoben hatte, ein Weib, die einst wohl stattlich aufgerichtete Gestalt gebeugt von der Last ihrer biblischen Jahre, das Gesicht verwittert wie zerfallendes Erdreich, die Augen verlöschende Lichter, die in milder Güte glimmen.

 

„Grüß dich, Noack!" sagt sie und lehnt zitternd an ihren Stecken. „Bist noch alleweil so fleißig? Ja, ja, hast dich redlich abgerackert dein Leben lang“. Wieder verhält sie und ringt nach Luft. „Wunderst dich, dass die alte Fliegnern zu dir kommt, wo doch die Leut' schon die längste Zeit sagen, es geht zu End' mit ihr“.

 

Sie humpelt zum Tisch und lässt sich auf einen Stuhl fallen. „Red' nischt dawider!" fährt sie meinen Großvater ins Wort, der wohl einen Beschönigungsversuch hatte machen wollen. „Ich spür es selbst am besten. Is ja auch Zeit — siebenundachtzig, das is ein Geschenk vom lieben Gott“.

 

Ich drückte mich scheu gaffend in der Stube herum, der Sohn, der die Sieche hergebracht, stand noch immer, die Mütze verlegen in der Hand drehend, bei der Tür.

 

„Ja, es geht zu End“, wiederholt sie und nickt bedächtig. „Die Großen, die wollen's mir nicht zugeben, merk' schon; aber die Kleinen, das unschuldige Blut, die schwätzend aus, was der Doktor gesagt hat. Na, is mir recht. Hab mein Zeug bestellt, die Mädel sind verheiratet, die Schulden runter vom Haus. Aber eins hab ich noch auszutragen: mit dir, Noack“.

 

Der Großvater horchte auf: wie? Sie wollte mit ihm ins Gericht gehen? Betreten kramte er in seinem Gedächtnis, auch ihm begann sich schon manches zu verwirren, aber seine eiligen Gedanken fanden nichts, was die, die er da als Kläger vor sich glaubte, ihm vorzuwerfen haben könnte. Sprach die Alte etwa irr? Misstrauisch äugte er zu ihr hinüber.

 

O nein, sie sprach nicht irr. Ihr Inneres war in guter Ordnung, hell und klar, bis — ja bis auf einen dunklen Punkt. Den zu bereinigen, war sie gekommen.

 

Und nun muss ich in meinem Bericht noch einmal um ein halbes Menschenalter zurückgreifen.

 

Unser Korbmacher mit seinem handfesten jungen Weib draußen am Strom, drei gute Wegstunden von seinem Häusel. Die Kinder hat man daheim gelassen, die größeren haben schon Verstand, dass sie auf die kleinen aufpassen und sie versorgen. Ab und an kommt eins auf bloßen Füßen durch Dickicht und Moor herangetappt, vermeldet, wie es zuhause steht, holt Rat, bringt Notwendiges herzu. Man steckt mitten in der großen Frühjahrsarbeit, der Weidenschäle. Leute sind angeworben, an die dreißig Menschen, rohe Hütten aus Strauchwerk werden erstellt, Feuergruben für die dickbäuchigen Kochkessel angelegt, alles regt und tummelt sich vom grauenden Morgen bis in den sinkenden Tag.

 

Eine große Blonde ist darunter, eine Derbe, die werkt für zwei. Den Kittel hochgeschürzt, steigt sie in das eisige Geflute wie ein Mann oder wuchtet sich die mächtigen Bünde auf die Schulter und schafft sie zum Stapelplatz. Es wird nach Gewicht entlohnt, ihr Haufen ist stets der schwerste. Man achtet und liebt sie wegen ihres Fleißes, ihrer Rechtschaffenheit. Sie muss für einen fallsüchtigen Bruder aufkommen, für ein Nest unflügger Kinder, für einen gewalttätigen Mann, der alles Geld, das er hätte heimbringen sollen, in der Schenke lässt. Blaue Male und blutige Strieme, die die Stolze oft vergeblich unter ihrer Gewandung zu verbergen sucht, verraten, wie er sie in seinen Säuferhalluzinationen zuschanden schlug, vermeinend, er habe es mit dem Höllischen zu tun, der ihn umkrallt. —

 

Lange war es her, viele Jahrzehnte. Das Leben war zur Neige gegangen. Nun saß die einst so tapfer Unermüdliche hier in der Küche des Großvaters und bat um Absolution. Wofür? Ja, für — die Sünde des Diebstahls. Und sie bekannte: damals, als ihnen daheim die Not wieder einmal bis zum Halse gestiegen sei und sie nimmer gewusst habe, was sie ihrem Jungchen, dem Karli, kochen sollte, der sich eben erst nach einer qualvollen Bräune wieder aufmannelte, ja, damals da habe sie in ihrer Verzweiflung in den Schmalztopf der Frau Meisterin gelangt und habe sich drei Löffel voll des guten Fettes herausgebrockt und im Sacktüchel in ihrem Bündel verborgen. Es sei das erste und, wie sie jetzt am Ende ihrer Tage sagen dürfe, einzige Mal in ihrem Leben gewesen dass sie gestohlen habe. Oft und oft sei es ihr schwer auf der Seele gelegen, dass sie ihren Kindern nicht mehr als ehrlicher Mensch habe in die Augen schauen können. Und damit sie jetzt diese Schuld nicht vor ihren himmlischen Richter mitnehmen müsse, so bitte sie ihn, den Noack, um Christi Barmherzigkeit willen: „er möge ihr vergeben“.

 

Dies also ist meine Geschichte von der späten Büßerin, der drei Löffel Schmalz eine lebenslängliche Gewissenslast waren. Vor ihr müssen wir wohl die Augen niederschlagen, wir Menschen einer gewissenlosen Zeit.

 

Foto:  Käthe Kollwitz. Pietà (Bronze). (Aus Bildkalender: Die Künstlergilde 1956)

 

Seite 11   Otto Eggenreich. Credo

Nicht Bombenwürfe

und nicht Sternenflüge

sind die Quellen der Zeit!

Die wirklichen Quellen

sind tiefer:

raunen

in halbverkohlten Wäldern im Osten

die wieder blühen

und Früchte tragen werden,

murmeln

in den Kinderliedern Europas

und. Asiens.

Der Quell entspringt

dem menschlichen Herzen,

rinnt durch die Schollen

unsrer Geburt,

und die Strömung,

die das alte Bachbett auswäscht,

gräbt mählich

eine tiefere Senke

in die menschliche Landschaft.

Aus „Abseits der Straße". Eine Anthologie jüngster deutschsprachiger Lyrik, Martin-Verlag, Buxheim/lller.

 

Seite 11   Gerhart Pohl.  Flöße aus der Wildnis.

Zu den unvergesslichen Eindrücken meiner Jugend, die ich in einer Kleinstadt des deutschen Ostens verlebte, gehörten die Geschichten des alten Siebenhaar.

 

Siebenhaar war ein winziges zartes Männlein von einigen Sechzig, der seine Mannesjahre „mit List und Lust", wie er selbst schalkisch lächelnd meinte, in den polnischen Urwäldern verbracht hatte. Puscza zielona — Grüne Wildnis: so nannte er den endlosen kaum durchdringlichen Wäldergürtel des damaligen Russisch-Polens, der heute eine einzige Ebene fruchtbarer Felder und Wiesen ist.

 

„Die verweinten Wälder hättet Ihr erleben sollen . . .", so begann der Zwerg seinen munteren Bericht. „Ich für meinen Teil war richtig wie im Traume — wohlgemerkt, helllichten Tags im Traume, als ich zum ersten Male die Grüne Wildnis sah. Allerdings war es nicht gar zu hell in den Baumgewölben, die uns umschlossen — eher wie in alten Kirchen, so ein dämmeriges Licht. Und so still wie in ihnen war's. Kein Blättchen rührte sich. Kein Vogellaut ertönte. Nicht mal die Bremsen summten. Ja, und unsere Pferde schnauften nicht. Ängstlich-leise vor dem Ungewohnten setzten sie Bein vor Bein auf dem moorigen Boden nieder. Höchstens, dass mal ein Rad des Wagens quietschte, oder die Leinen auf die Pferderücken patschten. Nur wenn ein vom Sturm geknickter Baum den Pfad versperrte, wurde unser Trüppchen laut. Dann stieg unser Chef vom Gaul. Wir schlangen eine Kette um den Stamm und spannten daran drei Pferde. So schleiften wir die Bäume — und was für Riesen gab's darunter! — in das Wachholderdickicht, das die urigen Kiefernwälder undurchdringlich machte. Doch auch jetzt sprachen wir nicht viel. Überhaupt war das Schweigen in der Grünen Wildnis heimisch“.

 

Nun schilderte der Kleine, durch die halbgeschlossenen Lider seiner Äuglein schielend, die Arbeit: „Wie eine Schützenlinie schwärmten jeden Morgen unsere sechzig, siebenzig Leute mit Axt und Säge aus. Bald war das Schweigen vom Lärm der Arbeit ausgefüllt. In das Krachen der Äxte und das kurzatmige Gekreisch der Sägen mischten sich die polnischen Lieder, welche die Leute durch ihre zottigen Bärte gröhlten:

 

Kam zu dir durch dunkle Wälder,

Warst so fröhlich, Liebchen, du,

Warum jetzt so blass und traurig? —

Raubt dein Herz dir Schlaf und Ruh'?

 

In die Hände gespuckt und angepackt; einen Gorzalka hinter die Binde, einen Happen Speck im Wanst und das Lied geschmettert — das war nach ihrem Lebenssinn. Und freitags gabs die hübschen Rubelchen. Dafür schlugen sie wie die Berserker drein..."

 

Wie sie niedersanken, die vierzig Meter hohen Fichten in ihrer stolzen Gartenschlankheit, Kiefern mit der breiten Pelerine des Geästs und solche, die das Habit der Fichten trugen; wie die riesigen Bäume den Lawinen gleich unterm letzten Axthieb niederbrachen und den federnden Boden des Waldes weithin erbeben ließen; wie die vielen Vögel der Grünen Wildnis, die schwarzen Störche, Uhus und Kolkraben, die Ringtauben, Elstern und Adler, aus ihrem angestammten Paradies gescheucht, laut schreiend die nächste Dickte suchten — das alles erzählte Siebenhaar aus der Fülle seines winkeligen Herzens, dass es unvergesslich blieb.

 

War der Einschlag beendet, fing das großartigste Erlebnis an: Die Stämme wurden mit Scheitern und langen Weidenruten aneinander gefügt. Dann rutschten die gewaltigen Tafeln über eine Gleitbahn in den Fluss, und die Flisacken begannen ihre Arbeit. Mit dem Floßhaken schoben sie Tafel neben Tafel und verbanden sie mittels der Querbäume zu Traften, die manchmal breiter als zwanzig Meter waren. Der ersten Traft, die der Floßmeister lenkte, folgten viele andere — dreißig, vierzig in der Regel — und auf jeder hätten zwei Flößer ihren schweren Dienst getan, indem sie die mächtigen Holzgebinde bald vom Ufer abstießen, bald durch die Wirbel des Hochwassers lenkten. Vom Morgengrauen bis zum Verlöschen des letzten Lichtes, ja, noch in klaren Vollmondnächten sei das Floßgeschwader auf der Fahrt gewesen — sechzig Tage ohne Rast …

 

„Sechzig Tage sahen wir kein Bett", erzählte Siebenhaar. „In Woilachs eingepackt, schliefen wir auf Fellen, die uns vor der ärgsten Nässe schützten. Sechzig Tage lebten wir von Brit und Schnaps und Speck und den paar Kartoffeln, die wir in unseren Feuerpfännchen brieten. Sechzig Tage waren wir den Elementen preisgegeben. Bald strömte Regen über den Strom, dessen Antlitz sich davon in tausend Kummerfalten legte; bald wieder heiterte sich jeder Winkel seiner rätselhaften Vergangenheit in der prallen Sonne auf. Später peitschte Sturm die Wasser zu hohen Wogen zusammen, über welche unsere Traften wie die Korken flogen. Auf einmal war alles Leben vom flockigen Einerlei des Nebels zugedeckt, dessen Undurchdringlichkeit uns zum Halten zwang. Und die feuchte Kälte, die nächtens aus dem Fluss stieg — unsere Stämme mit Gefristen und uns selber mit der Gänsehaut überziehend, die ich noch unter meinem Schoppenpelz spürte. Doch die Flisaken waren davon unberührt. Breitbeinig auf den schlüpfrigen Stämmen stehend, hielten sie die Traft im Strome oder saßen auf den Fellen um das Feuerlein. Wenn in früher Dunkelheit seine Flamme rührend tapfer gegen all das kalte Nass aus den Wassern und den klammen Feldern anzukämpfen suchte, und in feierlicher Höhe über uns der erste Stern erglomm, da nahm einer seine Ziehharmonika. Während unsere Traften in langer Reihe nacheinander leise plantschend mit dem Wasser glitten, klang das wehmutsvolle Lied in das große Schweigen:

 

Meine Weichsel, alte Weichsel,

Die du gar so traurig fließest,

Woher nahmst du deine Wasser,

Eh du dich ins Meer ergießest?

 

So zogen wir auf dem Rücken der Ströme durch das Land; durch die Dickte mancher Puscza zielona, deren letzten Erlenzweige über unsere Tafeln schweiften, längst der endlos weiten Blachen mit den noch winterlich verfilzten oder schon in speckiger Bräune aufgerissenen Feldern; vorbei an einsamen Schlössern, an Dörfern, Flecken, Städten und an den bekannten Städten Pultusk, Modlin, Rlock, Wlocawek, die mit ihren Brücken, Türmen, Häusern uns im Vorübergleiten grüßten, vorbei an den Cabaren, Barken, Krippen, die mit Segeln oder Rudern sich mühselig stromaufwärts kämpften. Und endlich kam der große Augenblick heran — Ziel der Reise — das unendliche Meer im Dunst..."

 

Seite 11   Gedankensplitter. Von Johanna Ambrosius.

Reichtum ist eine üppige Blume, die jeder bewundert; doch fragt keiner, welchem Boden sie entsprossen.

 

Der Tod ist in Deutschland der beste Empfehlungsbrief der Dichter.

 

Arm sein ist schwer, krank sein ist schlimmer, und doch: was sind alle Körperschmerzen gegen das, was eine gefesselte Seele erduldet.

 

Es ist dem, der seinen Durst aus der Quelle stillen kann, unverständlich, wie der Arme, der nur Tropfen aus Scherben bekommt, diese als Labsal preisen kann.

 

Die Weisheit der Menschen geht nicht höher, denn der Hauch ihres Mundes, und nicht tiefer, als die Spur ihrer Füße.

 

In der Wiege des Leidens wird die Seligkeit großgezogen.

 

Seite 12   Die alte Spieluhr / Von Carl Lange.

Oft ist es ein Lied, ein unscheinbares Erlebnis, ein kleines Bild, das unsere Seelen am tiefsten beglückt und uns unvergesslich in der Erinnerung bleibt. So war es für mich die alte Spieluhr aus der Großväter Zeiten. In ihrer schlichten Melodie ist der zarte, zu Herzen gehende Ton enthalten, der lange nachklingt und vergangene Zeiten wachruft. Da ich als Knabe schon den geheimnisvollen Klängen lauschte und das alte Instrument, das fast vergessen war, liebte, schenkten es mir meine Eltern. Keine größere Freude konnte mir widerfahren. So wurde die alte Spieluhr mein ständiger Begleiter. Kindheit und Jugendzeit waren mit ihr aufs innigste verknüpft. Eins meiner ersten Gedichte widmete ich der alten Spieluhr als Dank für all das Schöne, das sie mir in stillen Stunden schenkte:

 

In meinem Zimmer hab ich

ein altes Instrument,

das nur ein altbekanntes,

ein einzig Liedlein kennt.

 

Und doch hör ich so gerne

das einz'ge kleine Lied,

weil dann vergangne Zeiten

mein sehnend Auge sieht.

 

Und weil ein tiefer Friede

das alte Lied verschönt,

und aus dem Lied die Sprache

der lieben Mutter tönt . . .

 

In leidvollen Zeiten war ihr Lied lindernder Trost und in frohen Zeiten besinnliche Mahnung. Das alte Instrument wanderte vom Meeresstüblein an der See zum trauten Kämmerlein in der Großstadt und zum selbstgebauten Bunker im Weltkrieg. Immer und immer war es ein Gruß der Heimat in der Fremde. Als ein Volltreffer unser Quartier vernichtete, hatte die Spieluhr noch, hervorgerufen durch die Erschütterung, ihr leises Lied gespielt. Unter Schutt und Geröll fand ich sie, völlig unversehrt.

 

Wie einen lieben Freund nahm ich sie in meinen Arm, und — welch ein Wunder! — die vertraute Melodie erklang durch den verwüsteten Raum. Schon am frühen Morgen ertönte ihr Lied, das uns immer vertrauter wurde und das den müden, nach Ruhe sich sehnenden Seelen ein Gefühl der Verbundenheit mit der Heimat gab. Sprach zu uns nicht das tiefe Schweigen der Lauschenden mehr als viele Worte? Zauberte nicht das Lied glanzumsponnene Bilder der Erinnerung vor das Auge?

 

Und immer begleitete mich die alte Spieluhr, wohin mich das Schicksal auch führte. Ihr Klang umgab mich in stillen Schaffensnächten wie das Ticken der Uhr aus dem Hause meiner Eltern, das ich von Kindheit an gehört hatte und nie vergessen konnte . . .

 

War es nun nicht mit den eigenen Kindern das Gleiche geworden? In stillen Feierstunden umstanden sie meinen Schreibtisch. Ihre Augen sahen auf die alte Spieluhr und erstrahlten, als die ersten Töne des Liedes erklangen. So blieb sie Freundin, Trösterin, Beglückerin zu allen Zeiten, ein Bindeglied von den Großeltern bis hin zu den Enkeln. Andächtige Stille erfüllte den Raum. Die Seelen waren ergriffen, wenn die letzten Klänge des Liedes leise verhallten. Wann wirst Du einmal den letzten Ton der alten Spieluhr hören? — — — In wessen Hände wird sie einst gelegt? Darf sie noch künden von sorgsamer Hut und pflegender Liebe, von dem reichen Erleben, das ihr geschenkt?

 

Nun ist die Spieluhr ein Opfer des zweiten Weltkrieges geworden. In meinem Herzen und Ohr ist der Klang geblieben, und unvergessen steht vor mir der Augenblick, als ich sie einst von den Eltern empfing. Der Segen, den sie gebracht hat, wird er nicht auch weiter wirken? Und Du, Mutter, die Du die Kraft Deiner Liebe dem alten Instrument schenktest, lass das alte Lied nie in meiner Seele verklingen; es wird weiter sein ein Segen, ein Schutz, der das Gefühl des Geborgenseins gibt in der Sprache der Herzen, die keiner Worte bedarf, die zum Klang, zum Ton, zum Lied wird:

 

und aus dem die Sprache der lieben Mutter tönt ..."

 

Seite 12   Wie die Alten sungen …

In einer Dorfschule im Kreis Angerapp behandelt der Lehrer die Haustiere, wobei der Nutzen der einzelnen Tiergattungen und ihr Verhältnis zum Menschen gebührend gewürdigt wird. Eine Sonderstellung nimmt dabei der Hund als der treue Wächter des Hofes ein, der durch lautes Bellen Alarm schlägt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Der Lehrer fragt nun, warum man gerade den Hund zu diesem Wächteramt bestimmt habe und meint, ein Schwein wäre doch auch dazu vielleicht gut zu gebrauchen, da es sehr laut quieken und grunzen könne.

 

Prompt geht der Finger vom kleinen Fritzchen S. hoch, und im Brustton der Überzeugung schmettert er los: „Das geht nicht; denn dem stehlen wir weg!"

 

Zur Erläuterung sei hinzugefügt, dass der Vater vom kleinen Fritzchen Mein und Dein nicht sonderlich gut unterscheiden konnte und deshalb schon mehrmals hinter schwedischen Gardinen gesessen hatte.

 

Seite 12   Kulturelle Nachrichten.

Agnes Miegel beim Dichtertreffen in Bückeburg.

Zum Gedenken an die verstorbene Bückeburger Dichterin Lulu von Strauß und Torney hielt der „Freundeskreis niedersächsischer Dichter und Schriftsteller" in Bückeburg ein dreitägiges Treffen ab.

 

In einer Gedenkstunde für Lulu von Strauß und Torney sprach Agnes Miegel Worte dankbaren Gedenkens an die große Balladendichterin. Agnes Miegel, die sich nach ihren eigenen Worten mit dem Leben und dem Werk Lulu von Strauß und Torneys seit ihrem Tode besonders beschäftigt hat, fesselte die Zuhörer durch ihren ungemein lebensnahen Bericht.

 

In einer Dichterlesung lasen Waldemar Augustiny aus seiner Novelle „Der Glanz Gottes", Moritz Jahr aus seinem „Unkeputz", Georg Grabenhorst („Aus meinem Leben"), und Alma Rogge führte die Zuhörer mit einigen kleinen Geschichten an die Nordseeküste. Die „Schaumburger Märchensänger" gaben der Veranstaltung mit einigen frohen Liedern den Rahmen.

 

Erster ostpreußischer Studententag.

Der Bund ostpreußischer Studierender veranstaltete vom 27. Oktober bis 2. November im „Haus der Jugend" in Osterode (Harz) den ersten ostpreußischen Studententag. In Vorträgen wurden die europäische Bedeutung Ostpreußens in der Geschichte des Abendlandes, die geistesgeschichtliche Bedeutung der Königsberger Universität, die heutigen Zustände in Ostpreußen und die öffentliche Meinung des Auslandes zur Frage der Vertreibung behandelt.

 

Ostdichtung der Gegenwart.

Das September-Heft der Mitteilungen der ostdeutschen Akademie Lüneburg, der „Ostbrief", widmet sich eingehend dem Thema „Ostdichtung der Gegenwart"; besonders beachtenswert darin der weitgreifende Beitrag von Dr. Karlheinz Gehrmann „Heimat hinter den Blitzen rot..."

 

Ostschrifttum wird katalogisiert.

Alle in der Niedersächsischen Landesbibliothek vorhandenen Werke über die deutschen Ostgebiete werden zurzeit in einem „Katalog des Schrifttums des deutschen Ostens" zusammengefasst. Der Gesamtkatalog soll aus fünf Einzelkatalogen bestehen, von denen der Katalog „Schlesien" mit rund 4000 Titeln in diesen Tagen fertiggestellt wurde. Die anderen Kataloge umfassen allgemeines ostdeutsches Schrifttum, Preußen — Baltikum — Pommern, Brandenburg — Posen und Böhmen. Der Katalog steht allen Interessenten in der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover zur Einsichtnahme oder zum Ankauf zur Verfügung.

 

Seite 12   Kirchliches aus dem heutigen Ostpreußen.

Das kirchlich-evangelische Leben im von den Polen noch besetzten deutschen Gebiet gliedert sich nach polnischen Quellen in sechs Diözesen mit insgesamt 142 600 Seelen. Von ihnen zählte man bis zum Abschluss des zurückliegenden Jahres in Masuren, dem südlichen Ostpreußen, rund 43 600. Anfänglich überraschte diese Ziffer sehr, da um ein Jahr zuvor der Bestand der evangelischen Bevölkerung im gleichen Gebiet noch mit 46 144 Seelen angegeben worden war. Man forschte den Ursachen einer derartigen Abwärtsbewegung nach und stellte in kirchlichen Verwaltungsstellen fest, dass dieser Rückgang — 1953 zählte man in Masuren sogar mehr als 55 000 evangelische Christen — durchaus nicht mit irgendeiner Wanderungserscheinung in Verbindung gebracht werden darf. Vielmehr wird eine Erklärung des Niederganges der evangelischen Bevölkerung im besprochenen Gebiet darin zu suchen sein, dass erhebliche und beachtliche Teile der Gemeindemitglieder Südostpreußens aus dem Inhalt der evangelisch-augsburgischen Kirche übergewandelt ist zur methodistischen Kirchenbewegung, für die hier ein empfänglicher Boden schon seit Vorkriegsbeginn vorhanden war.

 

Dass die Bewohner Masurens zu guter Zeit trotz ihrer sprachlichen Anlehnung an den slawischen Akzent evangelische Christen waren und sich gläubig durchaus nicht mit dem Katholizismus des Ermlandes identifizierten, ist nichts Unbekanntes. Umso mehr verwundert es, dass die oben erwähnte Wandlung (nicht Wanderung!) sich für Ostpreußen in völlig anderer Form zeigt, wie es die gleiche Analyse für Pommern und Schlesien ergibt. Dort ist ein gewisses kirchliches Leben in deutscher Sprache noch immer vorhanden, bzw. bürgert es sich wieder ein. Von Ostpreußen ist indes das eine zu sagen, dass sein kirchliches Leben in deutscher Sprache so gut wie ganz und gar ausgelöscht ist. Lebt doch im Masurischen das Polnische wieder auf, was umso unangenehmer registriert werden muss, als in Gebieten, die zuvor bis zu 97 und 98% rein deutschsprachig gewesen sind, das polnische Sprachideom unentwegt vordringt. Hierfür bieten die Gegenden um Braunsberg, Bartenstein sehr nachdenklich machende Beweise. Wobei naturgemäß nicht zu verkennen ist, dass der Pole hier ein unbarmherziges Regime in Bezug auf den deutschsprachigen Kirchendienst anwendet. Er rottet die deutsche Sprache im Kirchengebrauch vollständig aus, untersagt der Geistlichkeit unter Androhung schwerer Strafen, die deutsche Sprache in kirchlichen Andachten zu gebrauchen und duldet sie ebenfalls nur noch beim Krankenabendmahl oder in persönlicher Seelsorge.

 

Immer wieder treten daher wehleidige Bitten an die Pfarrer und Prediger in Südostpreußen heran, in den offenen Gottesdiensten wenigstens ein deutsches Gebet sprechen zu dürfen. Aber auch das muss versagt werden, und so kommt es immer wieder vor, dass die Besucher eines Gottesdienstes im Süden Ostpreußens von Predigt und gottesdienstlicher „Erbauung" nicht mehr als das Wort „Jesus Christus" oder ein „Amen" verstehen. Alles andere verklingt auf Polnisch und bleibt deshalb unverstanden bei den Gläubigen. Auch die Vertiefung oder Verschönerung gottesdienstlicher Handlungen durch Musik und Gesang wird auf das Polnische ausgerichtet. Die Kirchenchöre dürfen nur in polnischer Sprache singen und haben, wie wir zuverlässigsten Quellen entnehmen, „große Not", weil es auch an Chornoten fehlt und damit zwangsläufig die Notwendigkeit entsteht, den Kirchengesang auf Gemeinschaftslieder zu reduzieren. Der Motettengesang kommt hierüber zum Erliegen.

 

Selbst Andachtsstunden in den Häusern, die über den Rahmen der eigenen Familie hinausgehen, sind untersagt. Christenlehre und Bibelstunden werden unaufhörlich kontrolliert, und da, wie selten anderswo, das Spitzelwesen in Polen in stetigem Wachsen begriffen ist, drängt das polnische Element jede deutsch-kirchliche Betätigung derart zurück, dass Schule und Haus hierunter nicht wenig leiden.

 

Folgt man dem polnischen Kirchenblatt als einem an sich sehr gut unterrichteten Organ, so lassen sich die vorgesagten Vorgänge auch aus einzelnen Gemeinden eindeutig belegen. So wird berichtet, dass beispielsweise zur Pfarre Schwentainen mit einer größeren Anzahl kleiner Flecken und Gemeinden zwar drei Kirchen gehören und noch 1493 gläubige Deutsche zu zählen sind, Schwentainen selbst hat aber keine Kirche. Im Pfarrhaus ist man jedoch dazu übergegangen, zwei Zimmer der Pfarrwohnung, zu vereinen und in ihr Gottesdienste abzuhalten. Was nicht ausschließt, dass sich die Gläubigen bei besonderen Anlässen in Jerutten treffen, wo eine kleine Kirche erhalten geblieben ist. Dort bilden die Dörfer Klein-Jerutten, Neu-Bartelsdorf und Wilhelmsthal ein „Kirchenkompendium", für dessen festes Zusammenhalten schon allein die eine Ziffer spricht, dass hier im zuletzt zurückliegenden Jahr mehr als 1140 Personen das Heilige Abendmahl genommen und im gleichen Zeitabschnitt 84 Konfirmationen vorgenommen werden konnten. W. Gr.

 

Seite 12   Lachendes Ostpreußen mit Dr. Alfred Lau

Unter diesem Leitsatz stehen die fröhlichen Abende, die der bekannte ostpreußische Mundartdichter und Humorist Dr. Alfred Lau, Bad Grund (Harz), Hübichweg 16, Ihnen bereitet. Er stellt sich auch in diesem Herbst und Winter wieder den landsmannschaftlichen Gruppen für ihre Veranstaltungen zur Verfügung, bittet aber, möglichst einen Sonnabend oder Sonntag zu wählen. Bitte, wenden Sie sich wegen der weiteren Einzelheiten direkt an ihn und fordern Sie ihn rechtzeitig an, denn er ist, besonders im Winterhalbjahr, sehr besetzt. Dr. Lau sichert Ihnen, volle Säle und sehr vergnügte Stunden. Seine Bedingungen sind auch für kleinere Gruppen durchaus tragbar. Klären Sie bitte die Termin- und Saalfrage und schreiben Sie dann sofort an ihn.

 

 

Seite 12   De Diamantne Hochtid.

Nu hebbe se doch noch de diamantne Hochtid gefierd, de Knustsche Ehelüd, he, Friedrich Knust, 88 Joahr old, on Moalke Knust, 82 Joahr. 60 Joahr önne Eh tosamme gelewt, 60 Joahr bi de Hand genoahme on bienander geblewe, so ohne veel Werdkes, so selwstverständlich on trie. On nu dochde wi alle Noawersch: „Woare de beide Olerkes gesund blewe? Woare s‘ seck bi dat Fest nich to sehr oprege? Woare‘s god äwerstoahne?" On wenn he e bätke hooad, gew wi em Dropkes; on wenn se bloß stähnd, moakd wi ehr Omschläg. On wenn se to arbeide anfunge, foold wi de Händ on bäde: „Man bloß nich to sehr afmarache!" Denn de Jubelbrut gung Oahre lese. Se moakd ehr kromm Puckelke noch krommer on brochd bi on bi twe Zentner Oahre to Hus. Em Harwst gung se Kartoffle stopple; fer de oarme Geerkes streckd se Stremp; on wat de Jubelbrüdgam weer, so hackd hejedrem Dag Holz, so veel he brukd.

 

Nu weer de diamantne Hochtidmorge, de twintigste November, doa, nu brok he an. De ole Lied leege noch beide em Bedd on schlepe, wenn de Jungfruens se met twee Leder weckde: „Lobe dem Härrn", on „Bis hierher hat mich Gott gebracht“. De hadde se oft geheerd on meende doch, se heerde se tum erste Moal. Et weer ehr eegnet Lewe, wo seck dren spegelt. On se kickd on kickd en dat, wat gewese weer; on se dochd, wat se alles begegnet weer, on se läd de Händ in enander, de Händ, so welk on s schromplich vom Oeller on vonne Oarbeet.

 

De Kerch hadd wi fein utgeputzt, met Bloomkes on Dannebeem on Kränz rengs rom ommen Altar on von beide Siede ok. De ol Friedrich tog sienem Gottesdischrock an, on Moalke ehr Nachtmoahlskleed Se drog op ehr wittet Scheddelkoppke e Kranz von greene on silwerne on goldne on diamantne Myrte; on he en sien Knooploch e Strutzke gliekerwies, wie he seck gewenschd hadd.

 

On wi, de Noawersch on dat ganze Derp, folgd se noah de Kerch. De Sonneke gung under. De Hömmel weer rosa-rot met witte kleene Wolkkes; binoah wie Engelköppkes seeg se ut. Dat weer de Ewigkeit, de enne Welt renschien.

 

„On Ewigkeit es noah“, dochd wi enne Kerch, wie de beide Olerkes am schoarte Altar kniede. Schoart weer de Altar behänge; denn et weer de Sönnoawend värem Dodefäst. Twee Moal hadd se all geknied vär disem Altar, — bi de greene on bi de goldne Hochtid. Nu bäde se vär em tum dredde Moal om Segen fer ehr Eh. Man schwach brennde de Lichter em Schemmer; wi kickde andächtig noah dem ole Poar, wo noch em Lewe stund on doch so dicht biem Stoarwe weer.

 

Noah de Trie gunge wi nich utenander; wi gewe se noch dat Geleit bet ent Hus. Doa seeg wi erscht, wat ferre Menschenkinners to de Hochtid gekoame weere, — de Härr Landroat on sien Seckeltöhr, on de Härr Farr on de Härr Gemeindevorsteher, on ok sonst noch Mannslüd von alle Sorte, de ole on junge Fruens nich to verjäte.

 

On se schänkd so veel, on se wünschd so veel Gleck, on doa weere Leichters met dreevertel hoge Lichters, wo dat Oeller von dat Jubelpaar met goldne Striechers markeert weer. De lichde äwer se, wie se de Ehemedalj kreejeon alle se hoch lewe leete. Wat säd dann mien Jubelbrut? Dat es äwerscheen!" säd se. He säd nuscht, denn he kunn nich mehr veel sehne.

 

Nu säd de jingste Sähn von 56 Joahr met sien Fru e Gedicht op; se hadd dat all lang nich gelehrt, odder se stoamerd nich on blewe goar nich stecke. On wi sunge ganz, ganz ole Lederkes von vär 60 Joahr; on dat weer nich anne Wand geschrewe, odder wi seege dat enne Loft schemmre: „Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Alten ehren“.

 

Dem andre Dag fierde wi noch emoal met veel Kaffee on e Waschkorw voll Koke. Wi ete on drunke on sunge bi de dreevertel Meters lange Lichters, wo dat Oeller von dat diamantne Poar met goldne Strichers markeert weer, on ginge to Hus met blanke Oge on freidigem Herzen. Luise Kalweit

 

 

Seite 13   Wo ist die Sau? Eine heitere Jagdgeschichte von Günther Schwab.

Die Jäger frohlockten. Die Friedhofsmauer war beinahe zwei Meter hoch. Über sie hinweg gab es kein Entrinnen mehr für einen wie Uff... Die gefährliche Sau war also endgültig gefangen. Der alte Sieck war doch ein schlaues und geistesgegenwärtiges Männchen! Er hatte es gut gemacht. Und er sollte auch seinen Anteil am Braten kriegen!

 

Uff lief umher und verstand sofort, dass er gefangen war. Er gab sich aber damit nicht zufrieden. Er musste aus dieser Mausefalle hinaus! Zum ersten Mal seit langer Zeit begann er wieder zu überlegen.

 

An den Mauern hin umschlichen die Männer den Friedhof. Man würde über die Mauer hinweg die Sau erlegen können, ohne in Gefahr zu kommen! Man würde solange auf sie schießen, bis sie kaputt war, klar! Nun konnte nichts mehr schief gehen! Die Krönung des Jagdtages war unerwartet, glanzvoll, unübertrefflich!

 

Allenthalben hoben sich glühende, triumphierende Gesichter über die Mauerkante, Gewehrläufe schoben sich vor, kühne Jägeraugen spähten in das Viereck des Gräberfeldes.

 

Wo war die Sau?

 

Man sah sie nicht. Sie konnte sich verborgen haben hinter einem Grabstein, hinter dem Thujengebüsch...

 

Man würde warten. Man konnte warten. Der Erfolg war sicher!

 

Man wartete. Wo blieb die Sau? Man schrie, man lärmte. Die Sau blieb unsichtbar.

 

Im Dorf hatte es sich schnell herumgesprochen: Die Sau war im Friedhof eingesperrt! Der alte Sieck hatte es getan. Sieck hatte gesiegt! Wackerer Sieck! Und hinter den Jägern versammelte sich das halbe Dorf, neben den Jägerköpfen schoben sich andere über die Mauerkante, spähten in die Arena.

 

Aber die Sau war nicht zu sehen.

 

Sollen wir die Hunde hineinlassen?

 

Lieber nicht! Sie sind unerfahren. Sie haben mit Sauen noch nicht zu tun gehabt. Sie könnten zu Schaden kommen. Weiß man denn, was der Mörder beginnen wird in seiner ausweglosen Lage?

 

Gut. Aber wie lange sollen wir noch warten? Tun wir einen Schuss . . . Bumm! Aber auf dem Friedhof rührte sich nichts. Wisst ihr, wo er ist? Jetzt geht mir ein Licht auf: er ist in das Grab gefallen, das der alte Sieck gerade gegraben hat! Sicher ist die Sau da drin! Wo könnte sie sonst sein? Es gibt keine andere Möglichkeit. Sie ist in die Grube gefallen. Hurrah!

 

Von da an freilich war die Begeisterung gedämpft.

 

Wie tief ist so ein Grab? Zwei Meter! Und hat der alte Sieck es auch schon ganz fertig gegraben?

 

Wäre es nicht möglich, dass die Sau herausspränge und sich den Feinden entgegenwürfe? Die weniger Beherzten blieben zurück. Schritt für Schritt rückte ein Häuflein Tapferer vor, die Gewehre schussbereit haltend.

 

Wo ist das Grab? Dort!

 

Führt eine Fährte dorthin?

 

Ach, der gute Uff war in seiner Angst ein dutzendmal hin und her und im Kreise gerannt. Der Friedhof war nicht allzu groß, und so war er mit Fährten überlaufen, die nicht mehr zu entwirren waren.

 

Halt! Wir werfen Schneeballen hinein! Ausgezeichnet!

 

Aber was versprecht ihr euch davon? Sollen euch die Schneeballen vermelden, ob sie die Sau in dem Grab vorgefunden haben? Oder soll die Sau etwa zurückwerfen, um zu verraten, dass sie da sei?

 

Hört auf zu schmeißen! Man war am Grab. Man stellte sich auf die Fußspitzen. Man spähte hinein. Die Grube war leer.

 

Verstört sah man um sich. War das Biest also doch anderswo versteckt? Jeden Augenblick konnte es aus seinem Hinterhalt hervorbrechen!

 

Schritt für Schritt zogen, die Jäger sich zurück, langsam rückwärts schreitend, Finger am Abzug.

 

Der alte Sieck soll das Tor gut zusperren, auf alle Fälle! Man kann nie wissen . . .

 

Oder hat der Alte geträumt? Hat er uns zum Besten gehalten? Kopfschüttelnd ging man nach Hause.

 

Wo ist die Sau? Weit ist sie, sehr weit . . .

 

Im Hintergrund des Friedhofes, durch dichtes immergrünes Gebüsch verdeckt, hatte der alte Sieck seinen Komposthaufen, oder was er so benannte. Es war ein Berg aus alten Grabkreuzen und geborstenen Gruftsteinen, aus welken Kränzen, Erde und alten Blumentöpfen. Uff hatte sogleich herausgehabt, dass hier die letzte Möglichkeit sich bot. Der Schnee hatte den an die Mauer angelehnten Hügel noch etwas erhöht. Kühn schwang Uff sich von hier auf die Mauerkrone gerade in dem Augenblick, als die Jäger mit dem Totengräber am Tor beschäftigt waren.

 

Mit einer weiten Flucht warf er sich jenseits hinab, so dass die Jäger, als sie an der Mauer entlang pürschten, seine Fährte nicht finden konnten.

 

Aus „Land voller Gnade" von Günther Schwab. Ein Buch von Wäldern, Wassern und Wildnis mit Federzeichnungen vom Verfasser; Verlag Kremayr & Scherlau, Wien.

 

Seite 13   Brücke aus Rauch. Nächtliche Fahrt. Von Otto Michel.

Zauberschiff hoch in den Lüften

will noch auf glücklicher Fahrt

nächtliche Himmel beschriften,

schwindend den Sternen gepaart.

 

Diese nur scheinen zu weilen

ehern am ewigen Ort,

aber sie ziehen in Zeilen

hin an der dunkleren Pfort.

 

Weil sie bekannt uns begleiten,

kennen ihr Wunder wir kaum,

das über Freuden und Leiden

lebt im unendlichen Raum

 

Zauberschiff zog in die Fernen,

aber der Zauber erzeigt

größer sich, kreisend in Sternen

strahlend ins Nachtmeer verzweigt. Otto Michel.

 

Seite 13   Leben in Gott.

Wie ein Gestirn so kreise ich,

O großer Gott, nun still um dich,

Der nun mein tiefstes Leben.

 

Du bist in mir wie Glut des Weins,

Du Sonne meines Erdenseins,

Die mir ihr Licht gegeben.

 

Muss einst mein Irdenes vergehn,

Dem Licht aus dir kann nichts geschehn;

Sein Leib nur geht in Scherben.

 

Es tauscht nur Not und Leid der Zeit

Mit Deinem Kleid der Ewigkeit

Und kann, wie du, nicht sterben. Fritz Kudnig.

 

Seite 13   An die Nacht.

Uralt heilige Nacht

Die meinem Herzen befahl

Dass es sich williger gab

In die vergängliche Welt:

Sieh schon winkt aus dem Gold

Inniger Sterne vereint

Tiefere Weisheit mir zu

Als sie der Tag mir je gab. Kurt Rüdiger

 

Seite 13   Abends

Abends welkt im Kelch der Seele

Eines Tages bunter Strauß,

Tragen goldne Süßigkeiten

Bienen in ihr stilles Haus.

 

Abends suchen in den Tiefen

Wünsche nach vergessner Labe,

Abends reicht ein ernster Wille

Dunkles Brot als letzte Gabe. Hannelore Küst

 

Aus „Brücke aus Hauch“, Folge 26 des Karlsruher Boten, Blätter für junge Dichtung, Karlsruhe, Weinbrennerstraße 47.

 

Seite 13   Königsberger Klopse. Wie man die Zeit zum Laufen bringt.

Es war im Winter 1929, einem der härtesten der letzten Jahrzehnte. Zwei ostpreußische Landwirte unterhielten sich im Zuge. Der eine klagte, dass der Winter gar kein Ende nähme. Da meinte sein Nachbar: „Menschke, unterschreib' du bloß e paar Wechselche, da wird dir die Zeit furchtbar schnell verlaufen!"

 

Ein freundlicher Vergleich

Der kleine Heinz verbringt seine Ferien bei der Oma in einem ostpreußischen Dorf. Es geht nicht ganz ohne Dummheiten, aber er gehorcht wenigstens im Allgemeinen. Nur beim Zubettgehen gibt es Schwierigkeiten. Der kleine Mann ist schwer zu überreden. Eines Abends versucht die Oma es mit folgenden Worten: „Die Keilchels schlafen all, für dich is auch Zeit fürs Bett", worauf Heinzchen erklärte: „Ich geh. Aber du musst auch. Die ohle Gluck' huckt auch all längst auf die Stang“.

 

Alles dräniert

In einer ostpreußischen Schule sprach der Religionslehrer von der Sintflut und ihren Schrecken. Da meinte einer der Schüler: „Na, Gott sei Dank, Herr Lehrer, bei uns kann das nicht passieren, bei uns ist alles dräniert“.

 

Seefest

In der Danziger Bucht herrschten oft starke Nord- und Nordweststürme. Wenn das Küstenschiff zwischen Pillau und Danzig in diese Stürme geriet, opferten die Fahrgäste regelmäßig dem Meergott Neptun. Einst fuhr ein Königsberger mit, der allen Gewalten trotzte und völlig seefest war. Als man ihn fragte, wo er diese Seefestigkeit erworben habe, antwortete er: „Och, ich bin das gewöhnt! In Königsberg fahr' ich jeden Tag mit der Straßenbahn!"

 

Sie weiß es besser

Ein alter Bauer sollte in Königsberg einige Beutel Gaze zum Aufbewahren der Schinken einkaufen. Im Geschäft sagte er zur Verkäuferin: „Freileinke, ick micht Schinkebiedels hebbe“. Die Verkäuferin, eine etwas anmaßende junge Dame, schulmeisterte ihn: „Mannche, bei uns wird hochdeutsch gesprochen. Das heißt nicht Schinkebiedels, das heißt Schlüpfer!"

 

Diese herzhaften und herzerfreuenden Proben ostpreußischen Humors, entnahmen wir dem Ostdeutschen Anekdoten- und Historienbuch, herausgegeben und bearbeitet von Dr. Richard Mai (Verlag Volk und Heimat, München 15, 304 Seiten, 9,80 DM), i dem viele hundert köstliche Anekdoten, Histörchen und Schelmereien aus allen ostdeutschen Gauen vereinigt sind, kräftig und  304 Seiten, 9,80 DM), in dem viele hundert Anekdoten, Histörchen und Schelmereien aus allen ostdeutschen Gauen vereinigt sind, kräftig und deftig mitunger dem Volksmund abgelauscht. Die recht umfangreichen Kapitel „Königsberger Klopse“ und „Danziger Goldwasser“ werden unseren Lesern besoders gut munden. Wer sich und anderen Freude schenken will, der greife auf dieses Buch zurück.

 

Seite 13   Wir blättern in neuen Büchern.

Stille Seen — Dunkle Wälder. Masuren und Oberland in 48 Bildern. Ein Buch der Erinnerung. Gräfe und Unzer Verlag, München. Format 20 X 26 cm, 100 Seiten, davon 48 S. Kunstdruck. Leinen 11,80, Halbleder mit Karton 15,50 DM.

In der Reihe der großen Erinnerungsbildbände von der ostpreußischen Heimat, die wir dem alt-königsberger Verlag Gräfe und Unzer verdanken, erschien nun als Band 4 ein Buch der Erinnerung über das eigentliche „Land der dunklen Wälder", über Masuren und das Oberland. Den Bildern geht ein umfangreicher literarischer Teil voraus, indem das Lob dieses Landes in einem vielstimmigen Chor aufklingt. Unter den Namen: Hansgeorg Buchholtz, Georg Hoffmann, Agnes Miegel, Walter von Sanden-Guja, Ernst Wiechert, Fritz Skowronnek, Robert Budzinski, Fritz Kudnig, Walter Heymann, Arno Holz und andere. In der Auswahl der Bilder spürt man die gleiche kundige Hand; es ist eine Freude, darin zu blättern. Der ganze Zauber dieser alten Grenzlandschaft ist hier eingefangen: Seen, Wälder. Seen, niedere strohgedeckte Bauernhäuser, ragende Kreuze, wogende Felder, das Lied der Arbeit über den Feldern, Ziehbrunnen und wieder Seen und wieder Wälder. Die Beliebtheit dieser Erinnerungsbände erkennen wir wohl am deutlichsten daraus, dass die bisherigen Titel („Ostpreußen / Unvergessene Heimat", „Königsberg. Ein Buch der Erinnerung" und „Wind, Sand und Meer / Die Kurische Nehrung") bereits in mehreren Auflagen erscheinen mussten. Wir wünschen auch diesem vierten und ebenso schönen Band einen guten Weg.

 

Das heutige Ostpreußen. Ein Bild- und Reisebericht aus dem polnisch besetzten Teil Ostpreußens. Aufstieg-Verlag, München 23. 80 Seiten, davon 68 Seiten Kunstdruck. Gebunden 5,80 DM.

Immer wieder stellen wir uns die bange Frage, wie mag es heute in der Heimat aussehen. Eine Antwort darauf gibt der soeben erschienene Bildband „Das heutige Ostpreußen", zu dem der ostdeutsche Bildberichter W. M. Beutel das Material lieferte, das er von einer Reise im Sommer 1956 durch den polnisch besetzten Teil Ostpreußens mitbrachte. Altvertraute Namen, wie Marienburg, Stuhm, Christburg, Riesenburg, Rosenberg, Preuß. Holland, Mohrungen, Osterode, Tannenberg, Allenstein, Ortelsburg, Bischofsburg, Sensburg, Rhein, Lötzen, Rastenburg, Heiligelinde. Bischofsstein, Rössel, Heilsberg, Wormditt, Frauenburg, Braunsberg, Tolkemit, Elbing, klingen auf und in Gegenüberstellungen von Einst und Jetzt wird ein eindrucksvoller Überblick geboten, wie es heute in dem Lande zwischen Weichsel und Masuren aussieht. Dieser Bildband ist mehr als eine Aneinanderreihung von Bildern — er ist ein historisches und politisches Dokument!

 

 

Rom. Ein Farbbilderbuch mit ausgewählten Texten berühmter Romfahrer. Gräfe und Unzer Verlag, München. Format" 22.5 X 24,5 cm, 96 Seiten, davon 24 Farbtafeln, 24 S. Bilderläuterungen, 48 S. Text. Leinen 12,50 DM, Halbleder 16,-- DM, Leder 24,-- DM.

Mit diesem einzigartigen Rom-Buch beginnt der Gräfe-und-Unzer-Verlag, der sich durch ein über zweihundertjähriges gepflegtes Buchschaffen einen weitreichenden guten Namen erworben hat, eine völlig neuartige Farbbildbuchreihe unter dem Titel „Farbige Welt". Der vorliegende Rom-Band unterscheidet sich in Anlage und Bildtechnik von allen anderen Publikationen über Rom grundsätzlich, indem er das Erlebnis Rom in seinen erregendsten und gewaltigsten Eindrücken erfasst. Der Bildteil mit seinen 24 großformatigen Farbtafeln, in denen Objekterfassung und Farbtreue mit Hilfe modernster Foto- und Drucktechnik bis zum Äußersten vervollkommnet sind, greift die köstlichsten Punkte aus dem unübersehbaren Gewebe der Stadt heraus und bringt sie in ihrer schönsten Erscheinung und besonderen Farbigkeit vors Auge. Der Textteil geleitet in der Einführung den Leser durch alle Teile Roms, wie sie von den ausgewählten Bildern bezeichnet und umfasst werden und richtet seinen Blick auf das ewige Leben der Stadt und in die Jahrtausende zurück, dem römischen Schicksal auf der Spur. Im Anschluss daran kommen berühmte Romfahrer und Romkenner, von Goethe über Eichendorff, Gregorovius, Mendelssohn und Feuerbach bis zu Stimmen aus unserer Zeit zu Wort und erzählen von ihrem Erlebnis der ewigen Stadt. Am Ende des Buches stehen technische Informationen des Fotographen über seine Farbaufnahmen, für jeden Amateur gedacht, der selbst fotografiert und ein ähnliches gutes Ergebnis erreichen will. Dieser Band muss in einer stillen Stunde zur Hand genommen werden — dann erschließt er dem Betrachter die Schönheiten und den Charakter der ewigen Stadt. Und wer sie kennt, wird seine Fahrt noch einmal erleben und genießen.

 

Günther Schwab: Land voller Gnade. Ein Buch von Wäldern, Wassern und Wildnis. Mit Federzeichnungen vom Verfasser. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien. 635 S., Leinen 12,50 DM.

Dank an Ostpreußen und tiefe Liebe zu dem Land, das ihn nicht geboren hat und dem er sich doch geheimnisvoll verbunden fühlte, ließen Günther Schwab dieses Buch schreiben. Für eine Weile führte ihn sein Beruf in das Land voller Gnade, dem er bekennt: „Noch aus der Tiefe des Grabes werden meine leeren Augen dich sehnend suchen am Rande der Erde. Denn du bist inwendig in mir“. Diese Verwobenheit mit der Heide, dem Wald, dem Menschen und dem Getier findet immer wieder neuen Ausdruck. Voller Verstehen und Wissen hat der Verfasser die Vielfalt der Natur erlebt und so lebendig wiedergegeben, dass der Lesende zum Miterlebenden wird. Vor allem die Tiere der Wildnis zeichnet er im Wechsel der Jahreszeiten in bezaubernder und humorvoller Weise. Sie sind kleine Persönlichkeiten geworden, um die man bangt und mit denen man sich freut. Nichts von menschlicher Überheblichkeit der Kreatur gegenüber ist zu spüren, im Gegenteil, besonders ergötzlich sind die Stellen, die die menschliche Unterlegenheit hervorkehren. Schwabs Schilderungen sind sehr anschaulich, gleich ob es sich um Alltägliches handelt oder um ungewöhnliche Begebenheiten. Erstaunliches geschieht zuweilen in diesem Buch. Da ist das gehetzte Wildschwein Uff, das zweimal beim Menschen Zuflucht und Rettung sucht und doch als Massenmörder gefürchtet ist. Und das Kranichpaar Groll und Krüh, das nach einem erfüllten Leben Im Schnee umkommt, weil Groll sich seiner Flügel nicht mehr bedienen kann und Krüh getreulich bei ihm bleibt. Zart und behutsam ist das Leben der beiden Uferläufer Tite und Tlü beschrieben, die sich finden, verlieren und wiederfinden. Alles in allem ist „Land voller Gnade" ein Buch, das viel Freude bringt und den Tierfreund entzückt.

 

Abseits der Straße. Eine Anthologie jüngster deutschsprachiger Lyrik der Jahrgänge 1920 bis 1940. Herausgegeben von Gerhard Riedel. Martin-Verlag, Buxheim/Iller. 140 Seiten, 7,95 DM.

Nachdem die Lyrik, die zeitgenössische im Besonderen, lange Zeit als Stiefkind der Literatur behandelt wurde und irgendwo an den Rändern des großen reißenden Flusses der Nachkriegsbuchproduktion ein vergessenes Schattendasein fristete, konnte man in den letzten beiden Jahren eine gewisse Wandlung feststellen. Namhafte deutsche Verlage überbieten sich in der Herausgabe von Anthologien, von der umfassenden gewichtigen Sammlung bis zur wohlfeilen Taschenausgabe, um einen Aufriss der zeitgenössischen deutschen Dichtung zu geben. Man darf dies als ein erfreuliches, hoffnungsvolles Zeichen buchen. Sind diese Sammlungen durchwegs zeitlich wie auch in der Auswahl auf das Schaffen der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts und die hervorstechendsten Namen begrenzt, konnte auf der Frankfurter Herbstmesse erstmalig eine Anthologie vorgelegt werden, die in beidem einen völlig neuen Weg geht. Sie beschränkt sich bewusst auf die jüngste deutschsprachige Lyrik, wobei als unterste Grenze der Jahrgang 1920 als Schnitt genommen wurde. Presse- und Rundfunkaufrufe brachten über 2000 Gedichteinsendungen, aus denen der Herausgeber die 100 besten auswählte und zu diesem Strauß vereinte. Die ältesten Autoren dieser Sammlung entstammen der jüngsten Frontgeneration, die jüngeren erlebten den Krieg und seine Schrecken, die Bombennächte, Entwurzelung und Flucht als Kind, die jüngsten sind kaum mehr mit diesen Eindrücken belastet. Dies gilt es zu bedenken, nimmt man diesen Band in die Hand. Wir begegnen hier der Stimme und Aussage der sogenannten „schweigenden Generation" in einer reichen Vielfalt, die durchaus nicht entmutigend wirkt (wie man das jüngste lyrische Schaffen gern in Bausch und Bogen abtut). Die Autoren stammen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es sind viele Saiten vieler Instrumente, die hier angeschlagen werden und doch irgendwie zu einem Ganzen zusammenklingen. Alles in allem: man ist erfreut. Erfreut deshalb, weil diese jungen Stimmen erkennen lassen, dass die Entwicklung der lyrischen Aussage nicht in einer geometrischen Figur oder einer abstrakten Formel enden wird. Erfreut auch über die schöne, in dieser Art völlig neue Wege gehende Ausstattung.

 

Dr. Alfred Lau: Kriemelchens. Gedichte in ostpreußischer Mundart. Gräfe und Unzer Verlag, München. 44 S., 2,-- DM. Bei diesem Bändchen, das soeben das Licht der Welt erblickte, kann man wie selten bei einer Buchneuerscheinung behaupten, dass es von vielen Tausenden Lesern mit Ungeduld erwartet wurde. „Kriemelchens", das sind die neuen humoristischen Gedichte des (Herzens-) Doktors Lau, die zum größten Teil in den Jahren nach 1945 entstanden sind. Diese Gedichte sind Medizin im wahrsten Sinne des Wortes. Wo sie aufklingen, verscheuchen sie Kummer, Trübsal und Sorgen, schenken sie Freude und Frohsinn und befreiendes Lachen. Dr. Lau geht es dabei nicht um billige Effekte, sondern er schöpft (wie auch in den beiden vorausgegangenen Gedichtbänden „Schabbelbohnen" und „Plidder-Pladder) aus dem überquellenden Born ostpreußischen Volkshumors, der sich ständig erneuert. Derb und „saftig" mitunter in den Pointen und geradeheraus; aber wo wäre der Volksmund das nicht? Gerade das gibt den Gedichten den unverwechselbaren Hauch des Echten und Urwüchsigen.

 

Wer die „Schabbelbohnen" und „Plidder-Pladder" gekostet hat, wird nicht zögern, auch nach diesem neuen Quell der Freude zu greifen.

 

Seite 14   Ost- und westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

Eiserne Hochzeit

Eheleute Adam Buscher und Frau Anna Buscher, geb. Bauer, 91 und 89 Jahre alt, konnten, am 20. Oktober 1956 in Offensen das seltene Jubiläum der Eisernen Hochzeit feiern. Sie stammen aus dem Kreise Wilkowischken, jenseits der Memel, wo sie einen eigenen Hof besaßen. 1944 mussten sie die Heimat verlassen.

 

Diamantene Hochzeit

Eheleute Julius Gertitza und Frau Minna Gertitza, geb. Philipp, aus Osterode/Ostpreußen, am 18. Oktober 1956 in Hesepe/Emsland, wo sie im Haushalt ihres Schwiegersohnes ihren Lebensabend verbringen.

 

Eheleute August Saager und Frau Johanne Saager, geb. Lenk, aus dem ostpr. Kreis Heiligenbeil, am 20. September1956 in Dornbusch, Kreis Stade.

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Ernst Brandstädter und Frau Martha Brandstädter, geb. Vouillième, früher Königsberg-Ratshof, später Nachtigallensteig 12, am 09.11.1956 in Bad Hönningen/Rhein, Hauptstraße 162a. Der Jubilar war Justizamtmann in Königsberg und 40 Jahre am dortigen Gericht tätig. Das Jubelpaar wird seinen Ehrentag im Kreise der Kinder, Schwiegerkinder und Enkel begehen.

 

Eheleute Vitalis Gerigk und Frau Maria Gerigk, geb. Matern, am 12.11.1956 in Weseke, Kreis Borken/ Westf., Dorf 309. Vitalis Gerigk ist aus Workeim, Kr. Heilsberg, die Jubilarin aus Abstich, Kr. Allenstein gebürtig. Der Jubilar war bis zur Austreibung durch 22 Jahre hindurch als Molkereiarbeiter in Allenstein tätig. Sie leben bei ihrem Sohne, ein zweiter Sohn ist heute in Mitteldeutschland ansässig.

 

Eheleute Franz Pohl und Frau Maria Pohl, geb. Hinzmann, aus Klaukendorf, Kreis Allenstein, am 22.10.1956 in Garrel/Münsterland. Das Ehepaar wohnte zuletzt in Ortelsburg, wo der Jubilar sein 40-jähriges Dienstjubiläum als Eisenbahner feiern konnte.

 

Eheleute Johann Kensbock und Frau Auguste Kensbock, geb. Brückner, beide gebürtig aus dem Kreis Allenstein, zuletzt wohnhaft in Allenstein, Warschauer Straße 35, am 05.11.1956 in Flensburg, Burgstraße 16. Die Eheleute sind noch recht rüstig, wenn man von der Gicht absieht, die Oma Kensbock bisweilen plagt.

 

Eheleute Bundesbahnassistent Josef Gürtner und Frau Anna Gürtner, geb. Kroszewski, aus Marienburg, am 07.10.1956 in Leer/Ostfriesland. Der Ehe entstammen acht Kinder, von denen heute noch vier Söhne und eine Tochter leben. Ein Sohn wird vermisst, zwei Töchter sind gestorben.

 

Eheleute Hermann Löll und Frau Justine Löll, geb. Tautorius, aus dem Kreis Samland, am 07.10.1956 in Oldendorf, Kreis Stade. Zehn Kinder sind aus dieser Ehe hervorgegangen.

 

Eheleute Franz Mittelsteiner und Frau Auguste Mittelsteiner, geb. Seidler, aus Ostpreußen, am 22.09.1956 in Sarstedt, Siedlung Am hohen Kamp.

 

Eheleute Gustav Pfeffer und Frau Auguste Pfeffer, geb. Glaas, aus Fischhausen im Samland, am 20.10.1956 in Schwaneburgermoor, Kreis Vechta. Der Jubilar stammt aus Fußlappeln, Kreis Pr. Eylau, die Jubilarin aus Globzeiten (Samland). Gustav Pfeffer ist auch heute noch passionierter Angler.

 

Eheleute Gustav Reddig und Frau Auguste am 14.10.1956 in Untenende bei Ostrhauderfehn/Oldb. Der Jubilar war durch 35 Jahre in einem großen Mühlenwerk in der Nähe von Königsberg beschäftigt.

 

Eheleute August Schottke und Frau Pauline aus Elbing Anfang Oktober 1956 in Gauensiek, Kreis Stade.

 

Eheleute August Stemminger und Frau Luise Stemminger, geb Gorny, aus Schwentainen, Krs. Angerap, am 09.10.1956 in Heidberg.

 

86. Geburtstag.

Auguste Markgraf, aus Pillau am 23.10.1956 in Flensburg-Mürwick, Blücherstraße B 7, wo sie heute bei ihrem Sohne Artur wohnt.

 

85. Geburtstag.

Seilermacher August Schritt, geb. in Tiegenort bei Danzig, am 22.09.1956 in Osnabrück, Lieneschweg 6.

 

79. Geburtstag.

Elina Schischke, geb. Schelonka, aus Braunsberg, am 26.11.1956 in Seesen/Harz, Bornhäuser Straße 4.

 

78. Geburtstag.

Franz Graf aus Ostpreußen am 19.10.1956 in Lippoldsberg 189 an der Weser.

 

77. Geburtstag.

Gendarmeriemeister i. R. Franz Stahlberg aus Ostpreußen am 15.10.1956 in Gyhum, Kreis Zeven.

 

Seite 14   November-Geburtstagskinder in Flensburg

Marie Rehahn aus Rastenburg am 07.11.1956 (76 Jahre), Flbg., Sandberg 31. —

 

Friedrich Sneikus aus dem Kreis Stallupönen am 11.11.1956 (70 Jahre), Flbg., Maaßkaserne. —

 

Olga Hinz aus dem Kreis Rastenburg am 12.11.1956 (81 Jahre), Flbg., Ochsenweg 300. —

 

Anton Lange aus Schönwiese b. Guttstadt am 18.11.1956 (70 Jahre), Flbg., Baracke Nr. 2, Kielseng.

 

Helene Marquardt aus Angerapp/Darkehne am 18.11.1956 (70 Jahre), Flbg., Angelsenderweg 4. —

 

Helene Labion aus Schippenbeil am 21.11.1956 (75 Jahre), Flbg., Karlstraße 6. —

 

Ludwig Schulz aus dem Kreis Gumbinnen am 23.11.1956 (75 Jahre), Flbg., Friedrichstraße 17. —

 

Berta Massalski aus Tilsit am 25.11.1956 (92 Jahre). Flbg.. Neustadt 56. —

 

August Broszinska aus Königsberg am 28.11.1956 (76 Jahre), Flbg., Burgstraße 27.

 

Seite 14   30 Jahre treue Dienste

Ein seltenes Jubiläum konnte am 1. November 1956 Fräulein Hedwig Gretsch begehen, die an diesem Tage 30 Jahre im Haushalt des Rechtsanwalts und Notars Blenkle, früher Stuhm/ Westpreußen, tätig ist. Auch in der neuen Heimat in Osterode/Harz führt sie mit gleicher Umsicht den Haushalt. Ein schönes Zeichen menschlicher Verbundenheit und Treue.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

Seite 14   Treffen des Lehrerseminars Hohenstein

Vor 35 Jahren fand im Seminar Hohenstein die Doppelfeier des 25-jährigen Bestehens und der Enthüllung der Gedenktafel für die Gefallenen dieser Lehrerbildungsanstalt statt. Seminardirektor Aßmann wies damals in seiner Festrede auch auf die beginnende Auflösung des Seminars hin und ließ in diesem Zusammenhang eine deutliche Verteidigung des bewährten Alten und eine Warnung vor dem noch zweifelhaften Neuen einfließen. Wer konnte es damals auch nur im Entferntesten ahnen, wie sehr berechtigt diese von seherischem Geist zeugende Warnung war! Wer hätte es damals für möglich gehalten, dass wir alten Hohensteiner uns nach 35 Jahren in Hannover treffen müssten und zu dem trauten Städtchen am Amling mit seinem Ordensritterbau, unserem Seminar, nur ein wehmütiges Gedenken aus weiter Ferne schicken würden.

 

Schon am Nachmittag des 22. September füllte sich der „Blaue Saal" der Casino-Gaststätten in Hannover. Der Begrüßung durch den Leiter des Treffens, Ernst Eissing, folgte eine Feierstunde in der Marktkirche mit einem Orgelkonzert und einer Ansprache des Superintendenten Kurth, früher Saalfeld (Ostpreußen), mit dem Grundton „Sonnige Vergangenheit". Als Vertreter der Stadt Hannover und als Leiter der Landsmannschaft Ostpreußen überbrachte am Abend Ratsherr Siegfried Saßnik die Grüße beider Körperschaften und sprach über den Wiederaufbau Hannovers und besonders der Schulen. Rektor Naujoks, ehemals Ragnit, Vorsitzender des Lehrervereins Hannover, würdigte die Vorzüge der Lehrerseminare: Pflege vorbildlicher Kameradschaft, Wahrung der Standesehre, Vermittlung einer stabilen Bildungsgrundlage. Oberschulrat Dr. Schaar erwähnte als Vertreter der Landesregierung, dass die Lehrer Ostpreußens sich so restlos durchgesetzt haben, dass es „bei der Rückkehr in unsere Heimat weit mehr beförderte Lehrer geben wird als Beförderungsstellen".

 

Der folgende Sonntag wurde durch ein „Offenes Singen" eingeleitet, das Johannes Herrmann dirigierte. Dann ergriff Oberschulrat Dr. Schaar das Wort zu seiner Festrede, die er mit der Ehrung der Toten des Seminars Hohenstein begann. Er erinnerte an jene Seminarfeier vor 35 Jahren, bei der er als Absolvent eines Nachkriegskurses zu der Enthüllung der Gedenktafel für die Gefallenen des ersten Weltkrieges ein Gedicht sprach, das in die Worte ausklang: „Das Haus mag zerfallen, der Geist lebt in uns allen“. Dann charakterisierte Dr. Schaar den vortrefflichen Geist des Hohensteiner Seminars, der vom gesamten Lehrkörper geschaffen und getragen wurde. Aus diesem Lehrkörper ragte ganz besonders Seminardirektor Aßmann hervor, der das Seminar über eineinhalb Jahrzehnte leitete und ihm durch sein universelles Wissen, seine Menschenkenntnis und seine hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten den Stempel seiner eigenen Persönlichkeit aufdrückte. Als der Redner seine Ausführungen über den Geist der Hohensteiner Lehrerbildungsanstalt in die Worte zusammenfasste: „Was wir in unserem Seminar erwarben, das trägt heute noch Früchte", fand er allseitigen lebhaften Beifall.

 

Dann sprach Erich-Oskar Schröder, Hannover, ein Hohensteiner Kind, der das Treffen ganz ausgezeichnet organisiert hatte, über die Gründung der Stadt Hohenstein, über berühmte Persönlichkeiten, die aus dem Hohensteiner Gymnasium hervorgegangen sind (Emil Behring) und schilderte dann die heutigen Verhältnisse in Hohenstein und die trostlose Lage der dort noch wohnenden Bevölkerung.

 

Seite 14   Wortgefecht

Ich traf anne Milltonn auf nichternem Magen

Zwei Weiber, die hädden sich schwer inne Woll.

Se kreischden und brillden, die Bestien die wilden,

Und was ich da heerd, das war doller wie doll:

„Du schielaugsche Saddrach, du zoddrige Zippel,

Du prachrige Schlorr, du, du alte Krabutt!“

Und denn foorts de andre: „Du brastige Kachel,

Du schlampige Flirr, du, du dusslige Schutt!“

Und wieder die erste: „Du mieriges Kodder,

Verbeilte Kastroll du, halt bloß deine Lipp!“

Und wieder de zweite: „DuStobbenkoppsche,

Du jachrige Koss, du, die schlunzige Zibb!“

Noch einmal de erste: „Du doowe Zachudel,

Du schosslige Kobbel, du o‘beinsche Null!"

De zweite: „Du Dranktonn, du mieße Fijuchel,

Du mannsdolle Fludder, verlauste Rachull!"

Nu mengd ich mir zwischen, mir war von das Keifen

Warraftig vor Augen all blau nu und grien.

Da zwitscherd de eine: „Wir tun ja bloß ieben!"

De andre: „Wir haben am Freitag Termin!“

Alfred Lau

Aus Dr. Lau „Kriemelchens", Humoristische Gedichte in ostpreußischer  Mundart. Gräfe und Unzer Verlag, München.

 

Seite 14   Turnerfamilien Ostpreußen – Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb) Gotenstraße 33

 

Zum Geburtstage herzlichste Glückwünsche allen Novemberkindern! Besondere Grüße den vollen Zehnern:

 

40 Jahre

am 16.11.1956: Liselotte Obyts-Mertinat, Lyck,

am 27.11.1956: Alfred Gliemann, Lyck,

am 29.11.1956: Dr. Adalbert Perrey, KMTV Königsberg;

 

50 Jahre

am 11.11.1956: Walter Schulz, KCT Königsberg,

am 12.11.1956: Marie Amort, Zoppot;

 

60 Jahre

am 15.11.1956: Max Kneller Danzig-Neufahrwasser,

am 23.11.1956: Margarete Schütz, Fr. TV Danzig.

 

Als älteste Monatskinder beglückwünschen wir

 

am 20.11.1956: Gottlieb Schweck, Lyck, (77 Jahre) und

am 23.11.1956: Richard Wittig, KMTV Königsberg (78 Jahre);

am 23.11.1956: Eduard Hölzler, KTC Königsberg (76 Jahre) und

am 15.11.1956: Paul Kadereit, Insterburg, Tgm. Danzig und Marienwerder (79 Jahre),

am 15.11.1956: Dr. Richard Krause (KMTV Königsberg) (80 Jahre).

 

Im Jahre 1957 Vereinstreffen durchzuführen ist eine lohnende Aufgabe, da in diesem Jahr kein Treffen der ganzen Turnerfamilie stattfindet. Um werbend mitwirken zu können, bitte ich um Mitteilung, welche Vereine voraussichtlich ein Treffen durchführen werden.

 

Fleißig sparen müssen wir alle für unser X. Wiedersehenstreffen 1958, das in Verbindung mit dem Deutschen Turnfest München durchgeführt werden soll. Für die zeitliche Festlegung gibt es drei Möglichkeiten: das Wochenende vor dem Deutschen Turnfest in der Umgebung von München oder die Tage des Turnfestes selbst unter Einschaltung in das allgemeine Festprogramm bei Vermeidung der 1953 in Hamburg aufgetretenen Mängel oder die Tage nach dem Turnfest an einem durch geschlossene Turnfahrt anzusteuernden Ort der weiteren Umgebung von München. Beteiligt Euch bitte alle an einer Abstimmung darüber, welcher der drei Vorschläge gewählt werden soll; schreibt mir recht bald Eure Meinung dazu.

 

Aus der USA schreibt Turnbruder Dr. Lothar Winter, KMTV Königsberg, der dort seit diesem Frühjahr lebt: „Viele Dinge sind hier anders als im guten alten Europa, manche besser, manche schlechter. Sollte jemand von unserer KMTV-Familie die Absicht haben, nach den USA auszuwandern, so will ich ihm gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen“.

 

Nachklang vom Wiedersehenstreffen in Espelkamp-Mittwald. Viele freudige Äußerungen des Dankes für die herzlichen Tage in Espelkamp-Mittwald sind bei mir eingegangen. Besonders beglückt bin ich von den vielen Briefen aus der Sowjetzone, die alle im gleichen Geist geschrieben sind wie der eine, aus dem ein Auszug im Wortlaut folgt: „Nach den schönen Tagen, die für uns wieder ein Erlebnis waren, davon wir lange zehren, haben wir das Bedürfnis, uns nochmal recht herzlich zu bedanken für alle Mühe und Arbeit, um uns dieses Wiedersehen zu ermöglichen und mit Euch in steter Verbindung zu bleiben. Es ist für uns das Einzige, das uns mit unserem alten Turnertum verbindet. Espelkamp war gerade der richtige Ort unseres Treffens. Heimatliche Verbundenheit, dazu die herrliche Waldruhe. Auch im Quartier, bei lieben Ostpreußen, fühlten wir uns heimisch. Wohl dem, die das Glück haben, dort eine neue Heimat zu besitzen, vor allem unter Menschen gleichen Schicksals. Gerade wir, die wir doch nicht an unsere Heimat denken dürfen, waren gerührt von dem Willen dieser Menschen, sich diesen schönen Ort aus eigener Kraft aufzubauen. - Wenn doch nur bald Einsicht in der Welt käme, dass ein friedliches Leben unter den Völkern wertvoller ist als ein ewiges Hetzen und Hassen und furchtbare Kriege, die unendliches Elend und Not bringen. Wie schön ist die Welt und wie schön könnte das Leben sein, wenn alle Menschen guten Willens wären. Ob die Zeit noch einmal kommen wird? Wir hier jagen nicht so sehr nach Geld und Gut; uns wäre ein friedliches Leben wertvoller. — Würde uns doch beim nächsten Wiedersehen keine Grenze mehr trennen! Das wäre für alle das schönste Geschenk!" Dieser Wunsch hat auch in unseren Herzen den ersten Platz und wird ihn bis zur Erfüllung behalten!

 

In die Kartei neu aufgenommen:

Waltraud Zitelmann geb. Haecker (Marienburg) und

Otto Neumann (Danzig-Neufahrwasser).

Onkel Wilhelm

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann. (39)

Liebe ostpreißische Landsleite!  

Der Mensch soll sich ieber nuscht nich aufregen, das is immer verkehrt, wie einer sich vorgte Woch Dienstag wieder emal von ieberzeigen konnd. Das ging all morgens los, indem dass ich mir ieberm Fragebogen ärgerd, wo ich nich mit zerecht kam. Ich hädd all de ganze Bleifeder von alle Seiten begnagt und schwidtzd wie e Fensterscheib inne Kich, wenn Kumst gekocht wird, aber ich kam nich weiter. Da kriegd mir der Zorn zu packen und ich dem sonntagschen Schäckert, zog mir dem verruschelten Scheitel gerad und wurgeld mir den Schlips umme Gurgel. Denn schmiss ich mir inne Brust „wie e Schwien öm Schiet", klemmd mir den Fragebogen unterm Arm und fuhr inne Stadt bei die Kreisverwaltung, indem dass se mir sollden behilflich sein. De Emma wolld mir natierlich zerickhalten und kriegd mir am Kreppschull, weil se Angst hädd, dass ich mir bei die Beheerde auffiehren könnd wie e Kuigel im Salong. Aber es nitzd nuscht, ich ging! Sehn Se, und das hädd ich nich tun solld. Denn ausgerechnet an dem Tag passierd e großes Wunder, indem dass ich e Paket kriegd, und sogar aus die Ostzone. Jahrelang hab ich kein Paket nich gekriegt, und nu genau an dem Dienstag vorgte Woch, wo ich nich zu Haus war. Es war man e kleines Kartongche, in braunes Packpapier eingeschlagen und mit Bindfaden bewickelt, aber es hädd es in sich. Wie nämlich mein großer Kollege, unser Krugwirt, wo nebenbei noch Briefträger spielt, dem Kartongche inne Hand nahm, heerd er mit eins e verdächtiges Gereisch. Es war, als ob es ticken tat wie e alter Regulatohr, bloß nich ganz so laut. Nu kriegd er es mitte Angst, denn er hädd mal was von Bomben mit Zeitzünder gelesen, und wenn das Biest nu womeeglich losging, denn war er verratzt. In Bremen hat neilich mal e Mann im Kolonalladen, weil ihm einer aufem besten Hiehneraug trampeln tat, aus Wut drei Kisten mit Eier runtergerissen und mit eingelegte Gurken rumgeschmissen. Wie der Laden und de Kundschaft nachdem aussahen, können Se sich vorstellen. Aber wenn nu erst de Bomb losging! Deshalb brachd er dem Kartongche vorsichtig hintre Schein und stelld ihm auf einem Sandhaufen rauf. Dabei schwitzd er Selter vor Angst, und seine Beine knickden ihm dreimal ein.Ganz erschöpft und außer Pust kam er zurick inne Stub, grabbeld sich dem Telefong und ließ mit der Luftschutzsirene de Feierwehr zusammenheulen. Aufe Felder schmissen de Bauern de Arbeit hin, spannden de Pferde und de Kiehe aus, hielden de Trecker an und kamen im Schweinsgalopp innes Dorf zerick, weil se dachten, es brennt. Dauerd auch nich lang, da kamen se angesaust mitte Spritz, die blaue Röcke man halb zugeknöpfelt und de Dunstkiepen aufem Dassel gestilpt. Vorneweg der Brandmeister, wo se hier Weinbrandmeister tittelieren tun. Nich weil er immer weint, wenn wo brennt, sondern weil er dem Weinbrand meistert. Der gab nu an wie e General beis Kaisermanöver. Er ließ dem Sandhaufen absperren, dass keiner nich ran konnd. Inzwischen war nämlich das ganze Dorf zusammengelaufen wie saure Milch beis Gewitter, und aller freiden sich all, dass nu bald knallen solld. Natierlich huckden se alle hintre Schein und gielden bloß umme Eck, dass se dem großen Augenblick nich verpaßden. Einer sagd dies und einer das, jeder wußd was Besseres, wie es immer bei sone Gelegenheiten is. De Emma war de einzige, wo nich gekommen war. Die hädd de Stubentier zugesteckselt und war unterm Schäslong gekrochen, wo ihr nuscht passieren konnd. Es dauerd und dauerd, aber es explodierd nuscht. Da wolld der Brandmeister zeigen, was er fier e Kerl is, und schob sich auf seinem dicken Bauch sachtche Schritt fier Schritt an dem Kartongche ran. Aber wie einer aus Versehen mittem Stiefel gegne Scheinenwand haud, da verschrak er sich und kehrd auf halbem Weg wieder um. Denn schimpfd er, dass se ihm bei seine schwierige Amtshandlung gesteert hädden, und gab dem Befehl: Wasser, marsch! Nu wurd das arme Kartongche aus alle Rohre bespritzt, bis es durchgeweicht war. Auch das half nich, es rickd und riehrt sich nuscht. Es blieb nuscht andres iebrig, wie dem Sprengmeister äußern Steinbruch ranzuholen, dass er de Bomb entschärfen solld. Der kam mittes Motorrad angeknattert, dass de Hiehner iebre Zeine flogen und im Stacheldraht hängen blieben. Machen konnd er auch nuscht, denn mit Bomben hädd er keine lebung nich, sagd er. Zuletzt kam ich, aber nich mittel Motorrad, sondern mitte Kleinbahn. Aller staunden mir an wie dem Weihnachtsmann zu Pfingsten, Mit eins war ich nich mehr wie bis jetz der Landbriefträger z. A. Ernst Trostmann, sondern e ganz beriehmte Perseenlichkeit. Denn wer macht schon e Attentat auf kleinem ganz geweehnliche Dittche-Rentjeeh! Aber wie se mir die Paketkart zu bekicken gaben, da misst ich mir innerlich doch eins lachen, ich ließ mir aber nuscht nich anmerken. Ich ging auf dem Brandmeister los und sagd: „Lassen Se mir durch!" Ganz verdutzt macht er Platz, im Stillens hielt er mir wahrscheinlich fier geistesgesteert und fier einem Selbstmordkandidat, wo billig das Leben loswerden wolld . . . Aber ich ging aufrecht wie e Held inne Schlacht auf dem Sandhaufen los und grabbeld mir das aufgeweichte Kartongche. Aller hielden de Luft an, wie ich dem Bindfaden durchschnitt, und zogen auch de Nas noch hintre Eck Schein zerick. Es tickd immer noch, aber es passierd nuscht. Nu sagd ich, se sollen dichter rankommen, bloß se kamen nich. Da zog ich e Briefche auße Brusttasch raus, wo mir mein Kusäng auße Ostzone geschrieben hädd, und fing an, laut vorzulesen, dass jeder heeren konnd. „Lieber Ernst! Ich hab eine große Bitte, wo du mir bestimmt erfillen kannst. Unser alter Wecken bockt, wo bis jetz immer so scheen gegangen is. Der Uhrmacher hier kriegt ihn nich zerecht, weil e paar Schraubchens, wo er braucht, nich zu haben sind. Deshalb schick ich ihm Dir nächste Woch, — dem Wecker natierlich, nich dem Uhrmacher. Sobald er fertig is und wieder geht, schickst ihm mir zurick. Herzlichem Dank und scheenem Gruß an Dir und Emma. Dein Kusäng Heinrich“. Nu gab es so großes Gelächter, und ich puld dem armen Weckert aus seine feichte Umhillung raus und ließ ihm rumgehen, dass aller dem Iebeltäter genau bekicken konnden. Der muss, kurz bevor ihm de Post beim Krugwirt abgab, bei das Stukern auf die schlechtte Straß e Rucks gekriegt haben, dass er sich bei eins besann und zu ticken anfing. Und wie se ihm nu aller beaugenscheinigt hädden, da blieb er wieder stehen. Als ob er wußd, dass jeder Spaß mal e End haben muss. Wie das End aber wirklich aussah, können Sie sich bald nicht vorstellen. Denn was sollden wir nu mit dem angebrochenen Nachmittag anfangen? Nuscht wie rein im Krug! Es war nuscht passiert, und das war Grund genug zum Feiern. Und wie de Männer orndlich einem intus hädden, da prahlden se mit ihre Heldentaten von frieher, dass einem grien und gelb vore Augen wurd. Vleicht kam das auch von die viele Körner, wo durche Gurgel inne Versenkung verschwanden. Ich mißd de meiste Körners schlucken, denn ich war der Held des Tages. Sogar der Wecker mißd mittrinken, indem dass se ihm e Korn ieberm Zifferblatt gossen. Spät abends ging ich denn mit schwere Schlagseite zu Haus, blau wie e Veilche und voll wie e Haubitz. Da lag de Emma immer noch unterm Schäslong und lauerd auf die große Explosion. Das ganze Kreiz hädd se sich verlegen — fier nuscht! Erst wolld se gar nich de Tier aufmachen, aber wie se mir denn anne Stimm erkannd und heerd, dass der Heinrich seinem Weckert geschickt hadd, da ließ se mir rein. Aber statt sich nu zu freien, tat se firchterlich krakeelen und hädd mit eins so viel Mut, dass auch de Hälft all genug gewesen war. Was ich da alles zu heeren kriegd, dadrieber will ich man lieber still sein, weil es mir gegne Ehre, geht. Und dabei war ich doch an die Weckert-Geschichte ganz unschuldig. Aber der Gerechte muss viel leiden! Lassen Se sich niemals nich einem Weckert schicken und seien Se herzlich gegrießt von Ihrem

Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Verzicht auf Heimat unmoralisch und verhängnisvoll. Ostpreußen und Pommern beim Erntetreffen in Weilheim.

Wolfratshausen/Obb. Anfang Oktober unternahm die Landsmannschaft der Ostpreußen und Pommern, Kreisverband Wolfsratshausen, eine Fahrt mit Kraftwagen nach Weilheim zum Erntetreffen der dortigen ostpreußischen und pommerschen Landsleute. Die stark besuchte Veranstaltung, an der auch viele alteingesessene -Familien teilnahmen, bot in ihrem umfangreichen Programm viel volkstümliches Überlieferungsgut und verknüpfte dadurch die Erinnerung an die ostdeutsche Heimat mit tief empfundenem Dank für den Erntesegen der brotspenden Fluren Oberbayerns. Nach Eröffnung durch Landsmann Streuber-Polling hielt der l. Vorsitzende der Weilheimer Gruppe, Alfred Ketelhut, die Begrüßungsansprache. Frau Boys und Frl. Stöppke trugen Erntesprüche und Herbstgedichte vor, in denen wie auch in der Aufführung „Das liebe Brot" die tiefe Verbundenheit mit heimatlicher Überlieferung zum Ausdruck kam. Gemeinsame Lieder mit musikalischer Begleitung von Landsmann Karau vereinten alle Anwesenden zum Erntedank. Höhepunkt war die Übergabe der Erntekrone an ein ostpreußisches Bauernehepaar, das in diesem Jahre im Kreise Weilheim einen Bauernhof erworben hat. Herr W. Preuß zeichnete in seiner Festrede ein Bild vom Leben der Vertriebenen zur Erntezeit in ihrer ostdeutschen Heimat, die als landwirtschaftliches Überschussgebiet früher die Hauptbasis für die Ernährung des deutschen Volkes bildete. Er erinnerte besonders an die Hungersnot vor 10 Jahren, die bei aller Solidarität von Einheimischen und Vertriebenen nur durch amerikanische Hilfe überstanden werden konnte. Der Redner verstand es, den überlieferten Sinn des Erntefestes gegenwartspolitisch zu deuten, und mahnte die Heimatvertriebenen, in ihrem gerechten Kampf um die Rückgewinnung Ostdeutschlands unbeirrbar zu bleiben und eine feste Front zu bilden. Denn erst, wenn die ostdeutschen Agrargebiete zurückgegeben seien, werde die Ernte für das tägliche Brot hinreichen. Dr. Schlusnus-Icking überbrachte in Vertretung des 1. Landesvorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen, Rechtsanwalt Thieler-München, die Grüße der Landesgruppe Bayern. Indem er kurz die Politik der vollendeten Tatsachen von 1919/1920 und 1945/1946 in einem geschichtlichen Rückblick skizzierte, warnte er dringend vor der am gleichen Tage verlautbarten persönlichen Meinung des Vizepräsidenten des Bundestages, Carlo Schmid, der zufolge man mit den „Fakten", die durch die widerrechtliche Schaffung der Oder-Neiße-Linie entstanden sind, „durch beiderseitige Verzichte fertig werden müsse". Dies bedeute eine neuerliche Anerkennung der Politik der vollendeten Tatsachen, die den Ostdeutschen schon 1919/1920 in traurigster Erinnerung geblieben sei. Unter lautem Beifall der ganzen Versammlung erklärte Dr. Schlusnus dass es unmoralisch sei, widerrechtlich geschaffene Tatsachen anzuerkennen, und dass solche Anerkenntnis sich nachweislich in der Geschichte stets als verhängnisvoll erwiesen habe. Zum Abschied sprach Herr Karl Ebert Gartenberg, der 2. Vorsitzende der Kreisgruppe Wolfratshausen, über Sinn und Gestaltung nachbarschaftlicher Beziehungen von Landkreis zu Landkreis.

 

Seite 15   Freising feiert 5-jähriges Stiftungsfest

Freising/Obb. Welche nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung die landsmannschaftliche Arbeit mancher kleiner Gruppen von Landsleuten, besonders im Süden Deutschlands, hat und mit welchem wahren Idealismus diese Landsleute um den Zusammenhalt der Ost- und Westpreußen bemüht sind, konnte man vor einiger Zeit in Freising/Obb. erleben. Hier feierten die Ostpreußen ihr fünfjähriges Stiftungsfest. Alles was dazu gehört war selbst — unter Opfern — aufgebracht und geschaffen. An der Spitze der Gruppe steht als 1. Vorsitzender vier Jahre lang Walter Schneidereit, länger schon als Kulturwart, ihm zur Seite als 2. Vorsitzender seit zwei Jahren Fritz Prengel, der nicht ein einziges Mal in fünf Jahren den Zusammenkünften der Orts- und Westpreußen ferngeblieben ist. Die kleine, so wichtige Kasse hält A. Schick zusammen — Beiden verdienten Vorständen sprach Dr. Schlusnus in Vertretung des 1. Vorsitzenden der Landesgruppe Bayern, Rechtsanwalt Thieler, den Dank der Heimat aus und überreichte ihnen als Anerkennung für ihr unermüdliches Wirken im Dienste der Heimat Ehrenurkunden und silberne Ehrennadeln. Die Feier war verbunden mit der Enthüllung der Ostpreußenfahne und eines Tischbanners. Gisela Waschulewski sprach den Prolog, Adelheid Dudda enthüllte die Fahne, Helga Kohlhoff und Hannelore Schneidereit rezitierten Gedichte. Vorsitzender Schneidereit hielt einen umfassenden Rückblick auf die fünf zurückliegenden Jahre zähen Wirkens für die Sache der Heimat und bekundete im Namen seiner Gruppe, unablässig den Kampf um die friedliche Wiedergewinnung der ostdeutschen Heimat fortzusetzen. Dr. Schlusnus legte in der Festansprache die historisch und staatsrechtlich fundierten Rechte Deutschlands an der ost- und westpreußischen Heimat dar. Mit Schärfe wandte er sich gegen kurzsichtige und verdächtige Äußerungen mancher Politiker und Publizisten, die den Verzichtgedanken populär zu machen versuchten. Der stürmische Beifall aller Anwesenden bekundete den einmütigen Willen der Ost- und Westpreußen, niemals ihre angestammte Heimat aufzugeben.

 

Seite 15   Die Grenze vor der Tür

Augsburg. Die unter maßgeblicher Mitwirkung von Oberstlt. a. D. Fritz Hammerschmidt, dem 1. Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen, Bezirk Schwaben, eindrucksvoll vorbereitete Kundgebung zum Tag der Heimat bewies eine hohe moralische und politische Verantwortung für die deutsche Notlage in der Gegenwart. Im festlich mit den Wappen aller ostdeutschen Landsmannschaften und der Stadt Augsburg, den Fahnen der Bundesrepublik und Bayerns geschmückten Ludwigsbau hielt Dr Walter Schlusnus den Festvortrag über das Thema „Die Grenze vor der Tür". Dem Redner gelang es, in einem gerafften Durchblick durch die Geschichte Ostdeutschlands an einigen Tatsachen der deutschen und europäischen Geschichte nachzuweisen, dass das Schicksal Ostdeutschlands ein Stück des eigenen deutschen Schicksals ist. Ohne Ostdeutschland sei das eigene Schicksal nicht in sichere Bahnen zu lenken, das übrig gebliebene Deutschland in jeder Hinsicht ein Torso. Gegenüber allen Verschleierungen dieser Not-Situation gäbe es nur ein Mittel: mutig an der geschichtlichen Wahrheit festzuhalten und dieser in der breiten Öffentlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Besondere Beachtung fand die Darlegung der engen Beziehungen von Bayern und Schwaben mit dem deutschen Osten im Verlauf der Jahrhunderte. Unter den zahlreichen Besuchern sah man Vertreter vieler Behörden, u. a. der Regierung Schwaben, Augsburgs Bürgermeister Wolfgang Pepper und acht Stadträte. — Anschließend sprach der ehemalige Prager Abgeordnete Sandner. Die Kundgebung wurde durch das Orgelspiel von Professor K. Lampart und Lieder des Schlesier-Chors unter Franz Müller feierlich umrahmt.

 

Seite 15   Generalversammlung in Bayreuth.

Am 14. Oktober 1956 fand die Generalversammlung des Heimatvereins der Ost- und Westpreußen statt. Der 1. Vorsitzende gab einen Rechenschaftsbericht. Eine Anzahl neuer Mitglieder konnte gewonnen werden. Eine Reihe kultureller Veranstaltungen fand im verflossenen Jahr statt, ebenso eine gelungene Adventsfeier, Fasching für Erwachsene und Kinder. Interessante Lichtbildervorträge über die ost- und westpreußische Heimat, über eine Reise nach Frankreich und Paris und nach Griechenland wurden geboten. Auf sozialem Gebiet konnte bedürftigen Mitgliedern geholfen werden, ebenso wurde der Berliner Kinderhilfe eine Spende überwiesen. Zum Jubiläum wurden ältere Mitglieder durch eine kleine Gabe geehrt. Mit den Warthegauern konnte eine Chorgemeinschaft gegründet werden. Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit in der Jugendbetreuung sollen geschaffen werden.

 

Die Neuwahlen ergaben: 1. Vors. Dr. Alfons Dulleck, 2. Vors. Hans Günther, Kassier: Arno Rio, Schriftführer Frau Ida Bonau, Sozialreferent Gerhard Sander, Pressereferent und Beisitzer Kurt Winkel, weitere Beisitzer Kurt Patzke, Frau Elisabeth Mulack, Frau Anni Günther, Asaf Bonau.

 

Seite 15   Reges Leben in Traunstein

Traunstein/Obb. In der Ortsgruppe der Ost- und Westpreußen herrscht reges Leben, wie aus dem nachstehenden Querschnitt zu ersehen ist. So hielt in der Versammlung im August der Vorsitzende des VdL Traunstein Rohdich einen interessanten Vortrag über „Tannenberg". Aus seinen Ausführungen war zu entnehmen, welche Bedeutung Tannenberg einst und bis in die letzte Zeit hatte. Es ist zum Symbol unserer Heimat geworden. Den Tag der Heimat am 8. September, den die Ortsgruppe des VdL Traunstein gemeinsam mit der Stadt Traunstein unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters Kößl beging, war ein voller Erfolg. Die Programmgestaltung und Durchführung dieses für die Heimatvertriebenen und Einheimischen bedeutsamen Tages lag in den Händen des Vorsitzenden Alexander Schadau der Ortsgruppe der Ost- und Westpreußen. Die Ortsgruppe wirkte mit und fand mit ihren Vorträgen, ganz besonders mit der Aufführung der „Königsberger Handelsfrauen" Anklang.

 

Wieder „wie zu Hause" war es bei der Erntedankfeier der Ortsgruppe am 6. Oktober. Die Mitglieder der Ortsgruppe sind inzwischen zu einer Familie zusammengewachsen und füllten den mit Herbstblumen im Aubräu-Keller geschmückten Saal fast bis zum letzten Platz, als der Vorsitzende Schadau an die schönen Erntefeste in der Heimat erinnerte und in seiner Eröffnungsansprache die Gedanken seiner Landsleute auf die einstmals so reichen goldenen Ährenfelder der ost- und westpreußischen Gebiete richtete, deren Ernteüberschuss weitere 5 bis 8 Millionen Deutsche ernährte. In bunt wechselnden Szenen aus dem Erntebrauchtum der Heimat, die mit Eifer und Hingabe unter Leitung der Kulturreferentin Romahn eindrucksvoll gestaltet wurden, erstand das Leben und Schaffen des ostdeutschen Landmanns bis zur Überreichung der Ährengarbe an das glücklich-dankbare Bauernpaar. An der Veranstaltung konnte der Vorsitzende auch Gäste, insbesondere von der Ortsgruppe Traunreut, begrüßen. Nach Verteilung einer Getreideähre an jeden anwesenden Teilnehmer wurden den in den Monaten September geborenen Geburtstagskindern durch Überreichung von Blumensträußen Glückwünsche ausgesprochen. Eine reichliche Tombola sorgte für Abwechslung, und Tanz unter der Erntekrone hielt alle Landsleute und Gäste bis zur späten Nachtstunde in bester Stimmung beisammen.

 

Für das Winterhalbjahr sind Filmvorführungen und heimatpolitische Vorträge im Einvernehmen mit dem Landesverband Bayern vorgesehen und es steht zu hoffen, dass dadurch noch alle abseits stehenden Landsleute den Weg zu unserer Gemeinschaft finden werden.

 

Die Versammlung am 3. November im Aubräu-Keller war dem Gedenken der Gefallenen und Verstorbenen gewidmet.

 

Weilheim/Obb.

Die nächsten Veranstaltungen:

10. November, 15 Uhr: Damenkränzchen im „Bach-Bräu".

17. November, 20 Uhr: Volkstumsabend in der „Birkenau". Veranstalter ist der VdL.

1. Dezember, 15 Uhr: Adventsfeier im „Oberbräu".

15. Dezember, 15 Uhr: Weihnachtsfeier im „Oberbräu".

 

Seite 15   Gymnasium Rößel

Achtung! Anschriftenänderung!

Herr Oberstudiendirektor Dr. Poschmann wohnt nicht mehr in Rüthen, sondern, (21 b) Lippstadt/Westf., Kestingstraße 77.

 

Gesucht werden die jetzigen Anschriften von:

Heinz Ellwitz (bisher Braunschweig);

Dr. med. Kurt Fox (Gifhorn);

Otto Herrmann (Niederstade);

August Kiwitt (Wiesbaden);

Hermann Kuhn (Würzburg);

Oswald Orlowski (Hannover),

Werner Raczkowski (Kiel);

Alfred Rohde (Ehingen);

Waldemar Stremetzne (Hamburg);

Erhard Wichert (Darmstadt);

Reinhold Witzler (Mannheim);

Eckhard Hoppe (Frankfurt))

Richard Bartsch (Mannheim);

Joachim Szotowski (Freiburg, Brsg.).

 

Wer weiß die neuen Anschriften?

Angaben nimmt die Gymnasialkartei entgegen. Sie befindet sich bei Erwin Poschmann, (24 b) Kisdorf üb. Ulzburg (Holst.).

 

Eine bleibende Erinnerung sind unsere Heimatpostkarten, in zwei Serien erhältlich. Serie I: Rößel mit dem „Wartburgblick"; Serie II: Die Wappen der Städte des Kreises Rößel. Interessenten erfahren Näheres durch die Gymnasialkartei.

 

Seite 15   Nordwestdeutsche Umschau.

Lobberich.

Viele Ostpreußen und Einheimische besuchten die schöne und lehrreiche Ausstellung im Strandrestaurant Ludwigs, die einen Querschnitt durch 700 Jahre Geistesschaffen in Ostpreußen gab. Sie war vom Kulturausschuss innerhalb des Bezirksvertriebenenbeirates bei der Regierung in Düsseldorf anlässlich einer Tagung auf Burg Ingenhoven zusammengestellt worden. In einer Feierstunde ging Direktor Erich Grimoni, Düsseldorf, der 2. Vorsitzende des Kulturausschusses, auf die Einzelheiten der Ausstellung ein, die sich mit den großen Ostpreußen, den Dichtern und Denkern, den Politikern und Historikern, von den Ordensrittern an bis hin zu Agnes Miegel, beschäftigt. Der ostpreußische Jugendchor aus Duisburg sang in der alten Heimattracht unter Leitung von Berufsschullehrer Werner schöne ostpreußische Volkslieder.

 

Bonn.

Es war ein schöner Gedanke, der da verwirklicht wurde, als sich unter dem Thema „Nordost trifft Südost" 600 Ostpreußen und Siebenbürger trafen. Der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Rechtsanwalt Dr. Suckow, erklärte: „Wir lehnen es ab, das uns zugefügte Unrecht als einen unabänderlichen Faktor des Zeitgeschehens tatenlos hinzunehmen, so wie wir auch jeden Schacher mit den Ostgrenzen bei den Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung ablehnen“. Dann sangen und tanzten nach den Weisen ihrer Heimat in den Karpaten 50 Siebenbürger. Sie trugen die farbenprächtigen Gewänder mit selbstgearbeiteten Spitzen und Stickereien, breiten Bordüren, reichen Hauben und Bändern. Diese Siebenbürger Sachsen mussten 1944 ihre Heimat, in der ihre Vorfahren seit 800 Jahren das Deutschtum erhielten, verlassen und wurden 1953 in Setterich bei Aachen als Bergleute angesiedelt. Sowohl die Ostpreußen als auch die Siebenbürger hatten ein umfangreiches Programm zu bieten, so dass Lieder, Tänze und Dichtung bis in die späte Nacht einander ablösten.

 

Bremerhaven.

Als wohl älteste Landsmannschaft konnten die Ost- und Westpreußen und Weichsel-Wartheländer auf eine 30-jährige Tätigkeit im Dienste der Heimat zurückblicken. Erich Munk, der 1. Vorsitzende, berichtete, wie es vor 30 Jahren zum Zusammenschluss einiger hierher verschlagener Ostpreußen unter dem Zollassistenten Plogsties kam. Es schlossen sich bald auch Westpreußen an, und die Gruppe wurde im Laufe der Zeit immer größer, 1939 waren es 600 Mitglieder. Nachdem der Gründer fortzog, übernahm Schneidermeister Knuth den Vorsitz bis 1945. Nach dem Kriegsende war die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen und Weichsel-Warthe die erste, die wieder tätig wurde. Der Festtag klang nach den Begrüßungen und verschiedenen Grußübermittelungen anderer Verbände mit Darbietungen der DJO und des ostpreußischen Humoristen Heinz Wald aus.

 

Seesen.

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen gedachte der Erntezeit und ihrer Bräuche in der Heimat. So wie früher wurde auf dem Felde eines altpreußischen Bauern die Erntekrone gebunden, die das ganze Jahr hindurch am Deckenbalken hängen bleibt, damit das Brot nicht ausgeht. Erntetänze und -sprüche, die Bauer, Bäuerin und Gesinde wechselweise sagen, wurden wieder lebendig. Der Höhepunkt dieser Festzeit war stets der große Erntezug. Viele der Anwesenden wussten auch noch eigene Erlebnisse zu berichten. — Anschließend führte der Vorsitzende die Ostpreußen mit dem Farbfilm -Zwischen Haff und Meer — Bilder vom Naturschutzgebiet Kurische Nehrung" in die Heimat. Zum guten Schluss gab es noch eine fröhliche Verlosung, bei der 14 strahlende Gewinner je 40 Pfund Feldfrüchte als Preis heimtragen konnten. Ostpreußische Landwirte aus Bornhausen waren die Stifter.

 

Uslar/Solling

Die Landsmannschaft Ostpreußen ist bemüht, wie eine Familie zusammenzuhalten, um das heimatliche Brauchtum, Sprache und Kulturgut wachzuhalten. Für den 8. Dezember ist eine Adventsfeier geplant und für die Faschingszeit ein Vergnügen.

 

Hildesheim.

Die Ost- und Westpreußen erfuhren auf ihrer letzten Versammlung, dass die jetzt in Ostpreußen lebenden Polen noch immer die Ostpreußen als die rechtmäßigen Eigentümer betrachten und ihre Güter so bewirtschaften, als müssten sie jeden Augenblick Rechenschaft darüber ablegen. Der 1. Vorsitzende, Zehe, berichtete weiter von der Teilnahme von 30 Ostpreußen aus Hildesheim am „Tag der Heimat" in Göttingen und von der großen Ostpreußenschau auf der DLG-Ausstellung in Hannover.

 

Bersenbrück

Anlässlich des zweijährigen Bestehens der Ortsgruppe Bersenbrück fand ein Kreistreffen der ostpreußischen Landsmannschaften statt. Nachdem Ortsgruppenvorsitzender Rosin auch Vertreter der Behörden begrüßen konnte, sprach Kreisvorsitzender Jost, Quakenbrück, zu dem Thema „Die Oder, Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze". Der Redner wandte sich gegen die Behauptung der Exil-Polen, das Land östlich von Oder und Neiße sei polnisch, und betonte, dass Schlesien und Pommern seit dem 12. Jahrhundert zum Deutschen Reichsverband gehörten. Wenn die Polen Ansprüche daraus ableiteten, dass das Land vor tausend Jahren einmal den Polen gehörte, dann könnte England einzelne Teile Frankreichs beanspruchen, die einmal von den Engländern besetzt waren. Deutsche hätten das fast leere Land besiedelt und in Kultur genommen. Heute, sagte Jost, würden weite Teile Schlesiens nicht mehr bebaut. — Darbietungen der Jugendgruppe Bramsche und der sechs Pawelleks umrahmten die Veranstaltung des Kreistreffens.

 

Bornhausen

Die sehr rührige örtliche Gruppe der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen unter Leitung von Erich Bluhm überreichte dem Kreisobmann Papendick gelegentlich der Erntefeier im Seesener Ratskeller für die Verlosung 14 Pakete von je 40 Pfund mit Früchten des Gartens und Feldes als symbolischen Erntedank.

 

Bad Harzburg.

Mit vielen Darbietungen an Musik, Gesang, Volkstanz und Sprachgut. mit Erinnerungen an heimatliche Erntebräuche und dem Einzug des Erntekranzes feierten die Vereinigten Landsmannschaften, die sich aus Ost- und Westpreußen, Baltenländern zusammensetzen, ihr diesjähriges Erntefest. Die Festansprache hielt der 1. Sprecher der Vereinigten Landsmannschaft, Kubatzki, der die Landsleute aufrief, an die Felder Ostdeutschlands zurückzudenken, auf denen das Erntefest in eitel Freud und Dank verlebt worden sei. Niemals könne man ihnen die Heimat aus dem Herzen reißen. Die Heimat im Herzen sei der Ackerboden, in den ostdeutsche Menschen die neue Saat legen sollten. So sollten auch sie das Erntefest mit Dank und Freude verleben.

 

Jever.

Die Ost- und Westpreußen und Danziger feierten ihr 6. Stiftungsfest, zu dessen Beginn Vorsitzender Aschmutat einen Rückblick in die vergangenen Zelten gab und mahnte, den Glauben und die Hoffnung auf die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete niemals aufzugeben. Dann traten die sechs Pawelleks auf und unterhielten die Gäste mit ihrem vielseitigen Programm. Während Vater und Sohn komponieren und dichten, tanzen die drei Töchter — die jüngste ist neun Jahre alt — und werden von der Mutter betreut, die hinter der Bühne für den reibungslosen Ablauf sorgt. Es war ein schöner und heiterer Abend für Jung und Alt.

 

Lübbecke/Westf.

Die hiesige Erntedankfeier fand in dem mit Blumen und Früchten des Herbstes reich geschmückten Saale des „Lübbecker Hofes" statt. Die Festrede wurde von dem Vorsitzenden Mittelschulrektor Hardt gehalten, umrahmt von Rezitationen und Lesungen heimatlicher Erntegeschichten.

 

Braunschweig.

Beim Erntefest der Landsmannschaft Ostpreußen im „Gliesmaroder Turm" erinnerte Lm. Goetsche an den früheren Wert der ostpreußischen Landwirtschaft für ganz Deutschland und beleuchtete die heutigen Verhältnisse in den Oder-Neiße-Gebieten. Die drei Heimatfilme „Ostpreußen — Mensch und Scholle", „Ostpreußen - Ordensland" und „Königsberg wie es war" gaben ein eindrucksvolles und geschlossenes Bild von der ostpreußischen Heimat. Umrahmt wurde der Abend von gemeinsam gesungenen Heimatliedern, von Volkstänzen der Jugendgruppe und Liedsolis. Als Sinnbild der Ernte hatte Lm. Neuwald Feld- und Gartenfrüchte zur Verfügung gestellt.

 

Braunschweig.

Lustiger Abend am Donnerstag, den 8. November 1956 um 19.30 Uhr in der Aula des Martino Katharineum, Breite Straße 3. Dr. Lau, der bekannte ostpreußische Dialektdichter, bringt heitere Vorträge aus eigenem Schaffen in heimatlichen Mundarten. Unkostenbeitrag 1,-- DM. Bitte Aushänge beachten.

 

Essen-Rüttenscheid.

Die nächste Monatsversammlung der Bezirksgruppe der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen findet am Mittwoch, den 14. November, 20 Uhr, im „Weißen Rössel", Rüttenscheider Straße (Straßenbahnhaltestelle Klaraplatz) statt. Gezeigt wird ein Lichtbildervortrag „Das schöne Westpreußen", im Anschluss daran ein Vortrag über Fragen des Lastenausgleichs,

 

Seite 15   Landsmannschaftliche Nachrichten.

Osteroder in ihrer Patenstadt .

Osterode. Im Städtischen Heimatmuseum in Osterode/Harz hat der Harzer Patenkreis für den ostpreußischen Landkreis Osterode eine Heimatstube eingerichtet. Sie wurde während des Heimattreffens Anfang Oktober als Erinnerungsstätte eingeweiht und von vielen Besuchern besichtigt. In der Hauptveranstaltung im Kurpark sprach Landrat Hohmann über die gemeinsamen Aufgaben der Osteroder beider Städte. Bürgermeister Schimpf nannte das Preußentum ein erstrebenswertes Ideal in seiner Bescheidenheit, Sparsamkeit, Einfachheit und dem Diensttun um der Sache willen. Nur wenn wir innerlich nicht immer ärmer würden, ginge unser nationaler Weg wieder aufwärts. Als letzter Redner sprach Landrat von Negenborn, der den Gästen aus der Sowjetzone, den Umsiedlern und Spätheimkehrern einen besonders herzlichen Gruß zurief und mit Nachdruck darauf verwies, dass Ostpreußen 700 Jahre zum abendländischen Kulturkreis gehört habe und dass schon Jahrhunderte, bevor Amerika entdeckt und der Kreml erbaut wurden, die schwarz-weißen Fahnen auf der Marienburg wehten.

 

Diesem Patenschaftstreffen war bereits eine einwöchige Ferienfreizeit junger Ostpreußen im Haus der Jugend in Osterode vorangegangen, die von Ilse Kowalski geleitet wurde. Die Jugendlichen hatten eine Strohkrone geflochten, die masurische „Unruhe", in der nach altem Glauben die guten Hausgeister wohnen sollen. Während der Feierstunde zur Einleitung der Heimatstube im Museum wurde Landrat a. D. von Negenborn-Klonau, dem Vorsitzenden der Heimatkreisvertretung, überreicht.

 

Seite 15   45 000 Schloßberger erfasst

Gerthe/Ruhr. Aus dem ostpreußischen Landkreise Schloßberg trafen sich mehr als 100 ehemalige Einwohner in Gerthe. Dr. Wallat, der Vorsitzende, wies in dem Geschäftsbericht nach, dass die Arbeit des Heimatkreises sich besonders darum bemüht, in der heranwachsenden Jugend das Bild der Heimat wach zu halten. In jedem Jahre werden mit Hilfe der Patenstadt Harburg Ferienfreizeiten abgehalten, in denen über den östlichsten deutschen Landkreis berichtet wird. Die Schloßberger haben eine Kartei zusammengestellt, die 45 000 ehemalige Einwohner des Landkreises umfasst. Sie ist nach Familien und Gemeinden geordnet.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Am 21. September 1956 entschlief sanft nach langen schweren Leiden unsere innig geliebte Mutter, Schwiegermutter und Großmutter Frau Betty Glang, geb. Steinau, Arztwitwe, früher Königsberg-Ponarth im 79. Lebensjahr. Hertha Capesius, geb. Glang und Pfarrer Wilh. Capesius. Erika Eichstädt, geb. Glang. Dr. med. Reinhold Glang und Frau Irmgard, geb. Eichstädt und 3 Enkelkinder. Schönau/Siebenbürgen. Wiesbaden. Braunschweig.

 

Nach langer, schwerer Krankheit entschlief am 20. Oktober 1956, im Alter von 50 Jahren, meine liebe, herzensgute Frau, meine für mich in selbstloser Liebe stets treusorgende Lebenskameradin Else Raetz geb. Mollin. Sie folgte unserer lieben, einzigen Tochter Sigrid Raetz, die am 24. August 1944 im Alter von 17½  Jahren von uns ging, in die Ewigkeit. In tiefer Trauer: Otto Raetz. Königsberg/Pr., Gebauhrstr. 37, jetzt (24b) Rendsburg, Schleuskuhle 31

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