Ostpreußen-Warte, Folge 11 vom November 1954

Ostpreußen-Warte

Folge 11 vom November 1954

 

 

Seite 1   Großes Foto: Zum Totensonntag: Ehrenmal auf der Bunelka am Saarker See bei Lyck

 

 

Seite 1   Preisgabe des ganzen östlichen Deutschlands? Deutschland östlich der Elbe „streng genommen entstanden wie die früheren afrikanischen Kolonien“

Die Wochenzeitschrift „Der Fortschritt“ veröffentlicht in seiner neuesten Nummer einen Bericht über die Gründungsversammlung der „Förderungsgemeinschaft Deutsch-Karolingischer Kulturkreis“ in Köln, der in allen Kreisen der Heimatvertriebenen größtes Aufsehen erregen muss. Die Zeitschrift bezeichnet den Bericht als ungeheuerlich und schreibt, dass sich deutsche Menschen zusammengefunden haben, um im Osten nicht nur die deutschen Provinzen jenseits der Oder-Neiße abzuschreiben und die Wiedervereinigung preiszugeben, sondern dass sie auch bereit sind, dass ganze Deutschland jenseits der Elbe zu verraten. „Namhafte Persönlichkeiten des politischen und kulturpolitischen Lebens, Pädagogen und Publizisten haben einen Kulturkreis gegründet, der die geschichtliche Entwicklung des deutschen Volkes seit 1000 Jahren als einen einzigen Irrweg verdammt. Die Preisgabe des ganzen östlichen Deutschlands bis zur Elbe ist die offen ausgesprochene politische Konsequenz dieser Geschichtsauffassung und das politische Ziel dieses sich auf starke Unterstützung berufenden Kreises“.

 

In dem aufsehenerregenden Bericht heißt es im Einzelnen:

 

„Am 2. November wurde auf Anregung des Kulturwissenschaftlers Dr. Körner die „Förderungsgemeinschaft Deutsch-Karolingischer Kulturkreis“ in Köln-Lindenthal gegründet. Dieser Kulturkreis beabsichtigt, im Bundesgebiet aktiv für die Institutionen und die Idee des in Paris beschlossenen westdeutsch-französischen Kulturabkommens tätig zu werden.

 

Während der nicht öffentlichen Gründungsversammlung beschlossen die Teilnehmer, hauptsächlich Persönlichkeiten des Erziehungs- und Kulturwesens, als „qualifizierte Kulturträger des Volkes“ einzeln und tiefenmäßig im Geiste der stattgefundenen Besprechung und in ihrem Lebens- und Aufgabenkreis zu wirken.

 

Von großem Interesse für jeden Deutschen sind die von den Gründern dieser Gemeinschaft ausgesprochenen Gedanken, die ihrer zukünftigen Arbeit zugrunde liegen werden. Man beschloss, nach der gewaltsamen äußeren Beschränkung des deutschen Volkes auf das Gebiet der Bundesrepublik, dem deutschen Volke nunmehr zur „inneren Bescheidung auf diesen ihm ureigenen Lebens- und Kulturraum, auf die Bundesländer, zu verhelfen“. Das heißt also ganz eindeutig, dass dieser „Deutsch-Karolingische Kulturkreis" sowohl die Saar als auch Deutschland jenseits der Elbe völlig abschreibt.

 

Dieser Kulturkreis will mit der „deutschen Seele, vor allem aber mit den sogenannten Heimatvertriebenen ringen, verhängnisvolle, in Jahrhunderten entstandene Komplexe expansiver Kolonisationspolitik aufzugeben Er will dem Ostpreußen, dem Danziger, dem Pommern, dem Schlesier beweisen, dass ihre ursprüngliche Heimat, die Heimat ihrer Kultur und ihres Glaubens, im Westen läge. Bei den Ländern jenseits der Elbe handle es sich im Grunde nur um Kolonien, die „streng genommen entstanden sind wie die nach dem ersten Weltkrieg abgegebenen afrikanischen Kolonien“ nur dass sie einige Zeit länger in deutschem Besitz waren. Auf Kolonien könne unser Volk aber verzichten. Das habe die Entwicklung nach der Abtretung Kameruns, Ostafrikas usw. gezeigt.

 

Wir sind aufs tiefste bestürzt, und es geht uns nicht in den Kopf, dass gerade diese Kreise die stets vorgeben, sich der Tradition christlichen Glaubens besonders eng verpflichtet zu fühlen, es nicht wahrhaben wollen dass die „Kolonisation des Ostens“ die Chistianisierung dieses Ostens sowohl durch die Zisterzienser- und die Prämonstratensermönche wie unter dem Kreuz und den schwarz-weißen Farben des Ordens der Deutschsritter gewesen ist. Streiten sie ab, dass unzählige Monumente christlichen Glaubens die stolzesten Zeugen dieser „Kolonisation“ sind?

 

Erinnern sie sich nicht, dass von der Marienburg her über die Nogat herübergrüßt als Wahrzeichen des Glaubens die Gottesmutter mit dem Kinde? Dieser seltsame „Deutsch-Karolingische Kulturkreis“ begibt sich mit seiner Geschichtsauffassung in eine gefährlich-verdächtige Nähe jener exilpolnischen Zeitung „Naradoviec“, die die Schleifung der Marienburg fordert.

 

Es wundert uns nach alledem gar nicht, zu hören, dass „die deutschen Ostkolonien“ überdies noch eine verhängnisvolle Rolle gespielt hätten, da sie den „imperialistischen preußischen Staat“ und daraus das Deutsche Reich hätten entstehen lassen. Dies habe sich von seinen „kultur- und diese ständig bedroht.

 

Nachdem nun seit 1945 „die Festigung der christlich - deutschen Kultur bezeichnenderweise nur im Bundesgebiet als einzigem, vor 1945 deutschem Lande“ zufriedenstellende Fortschritte gemacht habe, werde die jetzt einsetzende westdeutsch-französische Kulturarbeit zu gutem Ende führen.

 

„Das deutsche Volk wird seinen Blick nach Osten wenden und die Hypothek beunruhigender ostelbischer Expansionsgelüste mehr und vollständig abbauen“, erklärte Dr. Hübner, einer der Gründer.

 

Die Gründungsversammlung in Köln-Lindenthal schloss mit Bekenntnissen zum „westlich-christlichen Deutschtum“ und kompromisslosen gegen die kommunistische Weltgefahr“. Dr. Körner teilte mit, dass er die Presse in einer „allgemein gehaltenen Kommunikation“ über die Gründung und Ziele der Gemeinschaft unterrichten wolle, wenn der Zeitpunkt gegeben sei. Wir entheben Herrn Körner dieser Mühe, dass die Veröffentlichung dieses perfiden Anschlages auf die Einheit des ganzen Deutschlands nicht zeitig und nicht schonungslos genug vorgenommen werden kann.

 

 

Seite 1   „Vernichtet die Marienburg!“

Der polnischen Forderung, die Marienburg unverzüglich zu vernichten, stimmt das in französischer Sprache erscheinende exilpolnische Blatt „Narodowic“ (Lens, 09.10.1954, Mikolaiczyk-Gruppe) zu, indem es schreibt: Die Marienburg ist mit den Händen slawischer Sklaven errichtet worden. Sie stellt ein Symbol für die Grausamkeit des Ordens dar. Die Polen können sie deshalb weder mit Pietät noch mit Liebe betrachten. Dies ist auch der Grund, weshalb man nach dem Kriege nur einige Teile der Burg durch Reparaturen vor weiteren Witterungsschäden schützte, sonst aber nichts zum Wiederaufbau unternahm. Das Schloss besitzt wohl einen gewissen historischen Wert. Wenn es aber nicht einem nützlichen Zweck zugeführt werden kann, dann muss dieses Nest der Komture dem Erdboden gleichgemacht werden, wie wir es nach dem ersten Weltkrieg mit der orthodoxen Kathedrale in Warschau gemacht haben“.

 

 

Seite 1   Bundesvertriebenenminister sperrt Gelder.

Für die Durchführung ihrer kulturellen Aufgaben bekommen die verschiedenen Vertriebenenorganisationen vom Bundesvertriebenenministerium wieder den beachtlichen Betrag von 750 000 DM. Also eine Dreiviertel-Million. Neulich hat der Bundesvertriebenenminister im Bundestag bekanntgegeben, dass 470 000 DM — also fast eine halbe Million — den Vertriebenenorganisationen schon verteilt worden sind, er dann aber die Verteilung der weiteren Gelder gesperrt habe, weil „die halbe Million weg sei, ohne dass ein Effekt erreicht worden wäre“.

 

 

Seite 2   Das Saarstatut zu teuer verkauft? Kein Meisterwerk, aber das Mögliche ist erreicht.

Die Pariser Saarverträge, die der Bundeskanzler kürzlich abschloss, haben im deutschen Volke eine lebhafte und recht erregte Debatte ausgelöst. In der „Welt am Sonntag“ veröffentlichte Christian Friedemann oder Priedemann nachstehenden Artikel, der sich mit dem Saarproblem beschäftigt und die Saarfrage wiederum in einem anderen Licht erscheinen lässt:

 

Vom alten Professor Virchow gibt es eine liebenswerte Anekdote: Auf einem Festessen, an dem er teilnahm, bekam ein Berliner Bankier, der wegen seines Geizes bekannt war, eine Fischgräte in den Hals. Er war blau und halb erstickt, als sie ihm der anwesende Virchow in einem Nebenzimmer kunstgerecht entfernte. „Was bin ich Ihnen schuldig, Herr Professor?“ fragte dankbar der Bankier. Virchow überlegte einen Augenblick, dann antwortete er: „Geben Sie mir die Hälfte des Betrages, den Sie zu zahlen bereit waren, als die Gräte noch drin war“. Der Bankier schaute Virchow entsetzt an, schlug die Hände vors Gesicht und rief: „Herr Professor, Sie ruinieren mich!“

 

Diese Geschichte fällt mir in diesen Tagen ein, wenn ich die bösen Worte über des Kanzlers Saarabmachungen vom 23. Oktober in Paris höre. Immer wieder heißt es, es sei „ein zu hoher Preis“ gezahlt; aufreizend klingt dem Bürger die Formel von der „Preisgabe nationaler Interessen“ in den Ohren. Was aber hätte so mancher der heute empörten Politiker wohl im Jahre 1948 — von 1945 mal gar nicht zu reden — „gezahlt“, um Deutschland aus der schmählichen Rolle eines besetzten, verachteten, hilflosen Parias in die Position eines ziemlich gleichberechtigten, verhältnismäßig wohlhabenden und weitgehend geachteten Mitglieds der europäischen Völkergemeinschaft einzukaufen?

 

Zugegeben: Wir sind nicht mehr im Jahre 1948. Die weltpolitische Lage hat sich verändert. Die Gräte ist raus. Aber nun einfach mit dem Berliner Bankier entrüstet die Hände heben und rufen „der Preis ruiniert uns“, das ist doch recht naiv. Gemessen an dem, was 1945 vor uns lag und was die Sieger damals über unser Schicksal planten, in Verträgen, Noten und Reden niederlegten, ist der jetzt von uns an der Saar gezahlte Preis für unsere Mitgliedschaft in der westeuropäischen Union zwar hoch, die Regelungen im Saarstatut sind schmerzlich; aber sind sie wirklich ein nationales Unglück? Vieles in diesem überstürzt formulierten Saarstatut hätten die deutschen Unterhändler vielleicht aufmerksamer erwägen sollen. Bei manchem Abschnitt hat man den Eindruck, dass auf deutscher Seite der völkerrechtliche Genius nicht mit am Verhandlungstisch saß, sondern im Vorzimmer vergessen wurde. Aufs Ganze gesehen aber muss man zugeben, dass — so lange die Politik die Kunst des Möglichen ist — angesichts der weltpolitischen Konstellation und der historischen Hypotheken von gestern das Saarstatut eine Übergangslösung darstellt, die immerhin besser ist als die bisherige.

 

Vergegenwärtigen wir uns doch die Entwicklung, die dieses leidige Problem seit der deutschen Kapitulation durchlaufen hat: Die Saar wurde im Winter 1946 durch die Franzosen praktisch annektiert. Außenminister Bidault forderte 1947 auf der Moskauer Konferenz von Molotow die Anerkennung dieser Annektion. Molotow sagte nein. Wohl das einzige Njet, das ihm im Hinblick auf unsere nationalen Interessen zum Ruhm gereicht. Freilich, er hatte andere Hintergedanken. Damals spekulierte Moskau noch auf ein kommunistisches Gesamtdeutschland, und darin wollte Stalin die Saar nicht missen.

 

Im Gegensatz zu Molotows Ablehnung der französischen Annektionswünsche gaben der damalige britische Außenminister Bevin und der amerikanische Außenminister Marshall sowohl auf der Moskauer Konferenz wie auch 1948 auf dem Berliner Dreimächtetreffen den Franzosen bindende Zusagen, Frankreichs Forderung nach wirtschaftlicher Einverleibung des Saargebiets zu unterstützen und es an den Saargruben für seine Kriegsverluste zu entschädigen. Auf diesem machtpolitischen Hintergrund beruhte die bisherige Regelung, wonach das Saargebiet in einer Wirtschafts- und Zollunion mit Frankreich stand und politisch durch eine weitgehend von Frankreich abhängige saarländische Regierung verwaltet wurde.

 

Die Bundesregierung hat diese einseitige Regelung an der Saar nie anerkannt. Wenn jetzt ein Vertrag unterzeichnet worden ist, wonach bis zu einem endgültigen Friedensvertrag provisorisch eine Europäisierung der Saar vorgenommen werden soll, so ist zwar die Bundesregierung damit erstmalig von ihrem Standpunkt abgewichen, dass die Saar undiskutierbar zu Deutschland gehört. Dafür wurde aber erreicht, dass die bisher verbotenen deutschen Parteien wieder zugelassen werden, dass die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands an der Saar schrittweise verbessert werden und dass eine endgültige Regelung über die Stellung des Saargebietes einem Friedensvertrag vorbehalten bleibt.

 

Im Saarstatut ist zwar der französische Anspruch auf die Regie der deutschen Kohlengruben nicht beseitigt. Frankreich schöpft also weiterhin große Reparationsgewinne aus den schon reichlich heruntergewirtschafteten Gruben. Aber — wenn auch unpräzise — ist doch jetzt das Ziel verbrieft, dass Deutschland Zugang zur Saarwirtschaft schrittweise bis zur Gleichstellung mit Frankreich ermöglicht werden soll.

 

Die Saar ist in den Pariser Verträgen nicht Deutsch geworden und sie wird in absehbarer Zeit nicht Deutsch werden. Aber die Saar ist nach dem neuen Statut weniger Französisch geworden, als sie es bisher war. Ein neutraler Kommissar zum Beispiel, wie er im Statut als oberste Behörde vorgesehen ist, ist auch mit unpräzisen Befugnissen besser als der bisherige französische Botschafter-Kommissar Grandval mit eindeutigen französischen Befugnissen.

 

Wir haben jetzt von den Westmächten erstmalig und im Gegensatz zu ihren bindenden Zusagen an Frankreich von 1947 und 1948 die vertragliche Zusicherung erhalten, dass nur in einem Friedensvertrag mit Deutschland eine endgültige Regelung an der Saar getroffen werden kann, zu der die saarländisch Bevölkerung in einem Plebiszit ihre Zustimmung geben muss. Wer die Saar und die Deutschen an der Saar kennt, kann nicht bezweifeln, dass sie sich niemals für einen Ausschluss aus dem deutschen Nationalverband entscheiden werden. Die vertragliche Zusicherung der Westmächte ist vorbehaltlos; und wenn angeblich hinter verschlossenen Türen dazu von England und Amerika den Franzosen weitergehende Zusagen gemacht wurden, so binden sie uns nicht.

 

Wenn französische Zeitungen und französische Politiker in einer verdächtigen Lautstärke von dem Saarstatut als einem „endgültigen Provisorium“ sprechen, so ist das ihre Auslegung. Unsere ist, dass dieses Provisorium nicht endgültig Ist. Man sollte doch nicht übersehen, dass 1946 Frankreich noch in der Lage war, die Saar zu annektieren; 1954 konnte es uns noch eine Europäisierung abzwingen; welche Möglichkeiten Paris haben wird, am Tage des Friedensschlusses ein deutsches Gebiet mit 900 000 deutschen Bewohnern von Deutschland abzutrennen, das wird sich erst herausstellen müssen Es müsste auch erst noch bewiesen werden, dass Frankreich daran überhaupt politisch und wirtschaftlich interessiert sein kann. Im Vertrag steht davon nichts, und seine unklaren Stellen lassen nicht nur eine französische, sondern auch eine deutsche Auslegung zu.

 

Warum also plötzlich eine solche Buchstabenangst? Buchstaben allein machen keinen Vertrag; und es ist nicht gut — vor allem für uns nicht gut — dem Partner in Zweifelsfällen nur den bösen Willen zu unterstellen. Doch wer sich mit der Mahnung nicht begnügt, mag daran denken, dass Shakespeare im „Kaufmann von Venedig“ selbst dem dämonischsten aller Vertrags-Rechthaber sein Pfund Fleisch nicht schneiden ließ, weil ein Richter im scheinbar präzisesten Vertrag entdeckte, dass der Verfasser nicht an das Blut gedacht hatte.

 

 

Seite 2   Das BHE-Ultimatum Es geht um das Bundesausgleichsamt.

Bonn. Nach einer Mitteilung der Pressestelle der Bundestagsfraktion des BHE hat diese mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Bundezkanzlers beschlossen, den für die Erfüllung ihrer Forderungen gesetzten Termin vom 31. Oktober auf den 10. November zu verschieben. Dieser Termin sei endgültig.

 

Zu dem seit einiger Zeit verschärften Konflikt zwischen BHE und den anderen Regierungsparteien erfahren wir nachstehende Einzelheiten. Seit dem Übertritt Dr. Kathers zum BHE und seiner Aufnahme in den Fraktionsvorstand dieser Partei ist deutlich ein Anwachsen der Spannungen zwischen dieser Partei und den andern Koalitionspartnern, vor allem der CDU-Fraktion, festzustellen. Im Bundeshaus spricht man seit langem davon, dass sich um Kather eine Oppositionsgruppe innerhalb der BHE-Fraktion gebildet hat, der neben anderen auch Dr. Mocker angehören soll.

 

Die Spannungen sollen daraus resultieren, dass die eine Seite in der Koalition bleiben, die andere Seite in die Opposition gehen will. Vielleicht haben auch jene nicht unrecht, die behaupten, dass die anlässlich des Wechsels Dr. Kathers die ihm gemachten Versprechungen ein wesentlicher Grund seiner oppositionellen Haltung sind. Jedenfalls hat das Verhalten des ZvD-Vorsitzenden bei verschiedenen Anlässen im Bundestag das Partnerschaftsverhältnis des BHE zur CDU nicht gestärkt.

 

Während zu Beginn dieses Jahres der Bundesvertriebenenminister bereit zu sein schien, sich mit dem Bundesfinanzminister und den andern Ministerien über eine Zusammenarbeit in der Einflussnahme auf das Bundesausgleichsamt zu einigen, hat sich dieses Bild seit dem Übertritt Dr. Kathers zum BHE wesentlich verändert. Der BHE begann, insbesondere nach den misslungenen Wahlen in Nordrhein-Westfalen und nach der Umwandlung der Lastenausgleichsbank in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die eine Besetzung des Vorsitzendenpostens des Verwaltungsrates durch einen BHE-Mann unmöglich machte, den Ruf nach einer erweiterten Einflussnahme auf das Bundesausgleichsamt immer weiter zu verstärken.

 

Schließlich wurde die Unterstellung dieser Behörde unter die Weisungsbefugnis des Bundesvertriebenenministers zu einer Grundsatzung erhoben, ohne deren Erfüllung eine weitere Mitarbeit in der Koalition als unmöglich bezeichnet wurde.

 

Zum ersten offenen Konflikt kam es, als nach der Umwandlung der Lastenausgleichsbank im

Kabinett, darüber beschlossen werden sollte, ob die Aufsicht der Bundesregierung wie bisher durch den Vertriebenenminister oder, wie im vergangenen Jahr bereits, durch Kabinettsbeschluss festgelegt, durch den Bundesminister ausgeübt werden soll. Eine knappe Mehrheit entschied für das Verbleiben der Aufsicht beim Bundesvertriebenenminister. Bundesfinanzminister Schäffer erhob Einspruch gegen diesen Beschluss und verlangte nochmalige Behandlung in der nächsten Kabinettsitzung.

 

Für diese Kabinettssitzung am 18. Oktober hatte nicht nur das Bundesvertriebenenministerium ein umfangreiches Kompendium Schäffer‘scher Sünden gegen den Geist der offiziellen Regierungspolitik bei der Eingliederung der Heimatvertriebenen ausgearbeitet, sondern es hatte auch BHE-Vorsitzender Prof. Oberländer eine Reihe sozialpolitischer Forderungen zusammengestellt, von denen der Pressedienst des BHE feststellte, dass diese einer sofortigen Durchführung bedürften.

 

Der Bundeskanzler, der seine Koffer für Paris bereits gepackt hatte, setzte den bekannten Burgfrieden in der Koalition durch.

 

Inzwischen ist eine neue Komplikation dadurch eingetreten, dass der Fraktionsvorstand der CDU beschlossen hat, mit Rücksicht auf die starken Kreise der Heimatvertriebenen in den eigenen Reihen eine neuerliche Ausweitung der Machtposition des BHE nicht zu dulden. Erste Fühlungnahme zwischen Mitgliedern der Fraktionsvorstände der beiden Parteien hat zu keinem Ergebnis geführt.

 

Nun wartet man in Bonn mit Spannung auf die weitere Entwicklung der Dinge, die im Wesentlichen davon abhängen wird, wie der Bundeskanzler die augenblickliche Innen- und Außenpolitik beurteilen, und ob er bereit ist, die Wünsche seines Fraktionsvorstandes im Interesse einer Kontinuität seiner Gesamtpolitik unberücksichtigt zu lassen.

 

Im Zusammenhang mit der Bundestagsdebatte zur schleppenden Schadensfeststellung hat sowohl der Verband der Landsmannschaften als auch der Zentralverband die Forderung nach einer Umbesetzung in der Leitung des Bundesausgleichsamtes erhoben. Das nachhaltige Eintreten für die Neubesetzung des Präsidentenstuhles im Bundesausgleichsamt wird in Bonn dahingehend aufgefasst, dass Dr. Linus Kather, der erst vor kurzem von der CDU zum BHE übergetreten ist, seine Anstrengungen um diesen Posten noch immer nicht aufgegeben hat.

 

 

Seite 2   Bundestagspräsident Dr. Ehlers gestorben.

Der plötzliche Tod des Bundestagspräsidenten und Oberkirchenrates Dr. Hermann Ehlers in der Vollkraft seiner Jahre am 29. Oktober 1954 hat die deutsche Öffentlichkeit erschüttert. Besondere Trauer löst das Hinscheiden des Präsidenten bei den ostdeutschen Vertriebenen aus, deren heimatpolitischen Anliegen der Verstorbene zeit seines politischen Wirkens Verständnis entgegengebracht hat.

 

In zahlreichen Publikationen und Reden ist Dr. Ehlers nicht nur für die deutsche Einheit und für die europäische Zukunft unseres Vaterlandes mannhaft eingetreten, er hat auch öfter auf landsmannschaftlichen Bundestreffen das Wort ergriffen und stand den Vorschlägen zur Pflege der Erinnerung an die deutschen Vertreibungsgebiete im Osten und Südosten stets aufgeschlossen gegenüber. Als Norddeutscher kreisten seine politischen Gedanken um ein Deutschland, dem nicht nur die westdeutschen Stämme, sondern auch Mitteldeutschland und Preußen zugehörig sind. Seine politische Fürsorge galt ebenso den Deutschen in Südtirol wie allen übrigen Deutschen im Ausland. Dabei ließ er sich niemals von einem europäischen Wunschtraum leiten, sondern stellte betont das Moment der Völkerversöhnung in enge Beziehung zur Wirklichkeit. Sein klares Bekenntnis zu den Werten von Volkstum und Heimat, seine Anerkennung für die Leistungen der Heimatvertriebenen in Westdeutschland und seine Aufgeschlossenheit gegenüber den kulturellen Anliegen der Vertriebenen ließen ihn schon bald nach seiner Berufung zum ersten Mann des Parlaments die Wertschätzung und Verehrung der Vertriebenen in den Landsmannschaften gewinnen.

 

Unvergesslich sind die Ansprachen, die Dr. Ehlers vor den Siebenbürger Sachsen und vor den Deutsch-Balten im vergangenen Jahr gehalten hat. Die Volksdeutschen aus dem Norden und Süden Osteuropas nannte er „die besten Vorbereiter einer europäischen Gemeinschaft, weil sie uns vorgelebt haben, wie man sein Volkstum zusammenfasst, ohne daraus Staaten zu bauen“. Seine wiederholt geäußerte positive Einstellung zu den Landsmannschaften brachte er besonders deutlich vor den deutschbaltischen Delegierten in Lüneburg zum Ausdruck. Es sei erfreulich, so sagte er damals, dass die Landsmannschaften allein schon durch ihre Existenz sowie durch ihre Tagungen und Kundgebungen jedem Deutschen die ungeheure Tragik und Not von rund 14 Millionen Vertriebenen vor Augen führen. Diese seien nicht eine gestaltlose Masse von Habenichtsen, sondern wichtigster Bestandteil des deutschen Volkes. Nach dem ungeheuren geistigen Substanzverlust durch zwei Weltkriege müsse mit allen Kräften das Gute und Echte deutscher Tradition wie in den Landsmannschaften gepflegt und gehütet werden.

 

Es ist kein Zweifel, dass die Vertriebenen dem Politiker Ehlers, der sich so offen und warm für die Landsmannschaften und ihre politischen Ziele einsetzte, ein ehrendes Andenken über sein Grab hinaus bewahren werden. Allzu früh sind ein Freund der Landsmannschaften und ein Förderer der deutschen Sache für ein größeres Vaterland dahingegangen.

 

Dr. Ehlers ist nach Operation eines Mandelabzesses plötzlich auftretenden Herzbeschwerden erlegen. Er zählte erst 50 Jahre.

 

Dr. Ehlers fand an der Seite seiner Eltern in dem Heidedorf Sülze bei Celle seine letzte Ruhestätte. Am 2. November fand im Plenarsaal des Bundeshauses ein Staatsakt zu Ehren des Toten statt. Am 3. November wurde in der Oldenburger Lambertikirche eine kirchliche Feier veranstaltet.

 

Im Bundeshaus würdigten u. a. Bundespräsident Prof. Heuss, die Bundestagsabgeordneten Dr. von Brentano und Prof. Carlo Schmid ihn als großen Parlamentarier und aufrechten Politiker.

 

Bundeskanzler Dr. Adenauer hatte seine Amerikareise vorzeitig abgebrochen, um an der Trauerfeier in Oldenburg teilzunehmen.

 

 

Seite 2   Vorsitzender Dr. Manteuffel.

Die Sprechversammlung des Verbandes der Landsmannschaften (VdL) führte satzungsgemäß die alljährlich fällige Neuwahl des Vorsitzenden des VdL-Präsidiums durch. Der bisherige Vorsitzende, Dr. Lodgman von Auen bat vor der Wahl die Sprecher, von seiner Wiederwahl abzusehen, weil die wachsenden Aufgaben der Verbandsführung die ständige Anwesenheit des Vorsitzenden in Bonn erfordern. Anschließend wählten die Sprecher den 1. Vorsitzenden der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft, Dr. George Baron von Manteuffel-Szooge (MdB), mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden des VdL.

 

 

Seite 2   Erik von Witzleben 70 Jahre alt.

Der Sprecher der Landsmannschaft der Westpreußen und deren Mitbegründer, Erik von Witzleben, feierte am 6. Oktober 1954 seinen 70. Geburtstag. Bundespräsident Heuss hat aus diesem Anlass Erik von Witzleben das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen.

 

 

 

Seite 2   Russisch-polnisches „Kondominium“?

In Allenstein haben fünftägige Geheimverhandlungen einer gemischten polnisch-sowjetischen Delegation stattgefunden. Die von der Warschauer Regierung angeregte Konferenz befasste sich, wie bekannt geworden ist, mit einer Abänderung des politischen Status von Ostpreußen. Die Polen schlugen vor, dass dieses Gebiet – seit 1945 zwischen Polen und der UdSSR aufgeteilt und hermetisch voneinander abgeschlossen – in Zukunft wieder vereint werden soll. Es würde danach den Namen „autonomer Distrikt Masovien“ erhalten und von einer gemeinsamen Regierung verwaltet werden.

 

Polen soll dabei der wirtschaftliche – agrarische und industrielle – Wiederaufbau des Landes zufallen, während die UdSSR die „militärischen Interessen“ zu wahren hätte. Auf Grund des polnischen Vorschlages soll Königsberg, das jetzt als „Kaliningrad“ im sowjetischen Teil Ostpreußens liegt, zum Sitz der „autonomen masovischen Landesregierung“ und der gemeinsamen, polnisch-sowjetischen „Kondominium“-Verwaltung ausersehen werden. Die unter Führung des Sowjetsonderbeauftragten Rentkin stehende Sowjetdelegation hat sich zu diesen polnischen Vorschlägen im Einzelnen noch nicht geäußert. Sie beschränkte sich lediglich darauf, den polnischen Standpunkt zu hören. Rentkin stellte aber immerhin bereits eine „wohlwollende Prüfung“ des polnischen Planes durch die Regierung der UdSSR in Aussicht. Das Hauptargument der Polen ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung Ostpreußens katastrophal zurückgeblieben sei und eine Zusammenfassung des Landes am ehesten neue Möglichkeiten schaffen würde. Bisher war der russische Teil als rein strategisches Gebiet völlig ungenutzt geblieben. Außerdem war es vom polnischen Teil durch einen breiten Streifen menschenleeren Niemandslandes getrennt. Im polnischen Okkupationsgebiet waren wenigstens Ansätze eines Wiederaufbaues gemacht worden. In Warschau hoff man stark auf eine Realisierung der polnischen Pläne, mit denen man gleichzeitig glaubt, den polnischen Einfluss auf das gesamte Gebiet ausdehnen zu können.

 

 

Seite 2   Atlanten-Korrektur in Amerikahäusern

Nachdem der Göttinger Arbeitskreis in einem Schreiben an den US-Hochkommissar Botschafter Conant darauf hingewiesen hatte, dass die Karten, Atlanten und Globen in den Amerikahäusern fast ausnahmslos die Oder-Neiße-Linie als polnische Grenze behandelten, hat der US-Hochkommissar jetzt eine Änderung zugesagt.

 

 

 

Seite 3   Ostpreußen - Heimat im Bild

Fotos: Hohenstein

Mit dem Namen Hohenstein ist engstens die Erinnerung an die große Tannenbergschlacht im ersten Weltkriege verbunden, als Generalfeldmarschall von Hindenburg die Provinz Ostpreußen von den Russen befreite. Unweit von Hohenstein lag das Reichsehrenmal Tannenberg, das während des zweiten Weltkrieges gesprengt wurde. Hohenstein war der Ausgangspunkt zum Reichsehrenmal, das jährlich von Tausenden und aber Tausenden aus dem ganzen deutschen Reiche besucht wurde. Hohenstein wird immer mit dem Namen des Reichsehrenmals Tannenberg und mit der Tannenbergschlacht verbunden bleiben. — Unsere Bilder geben einen Ausschnitt von Hohenstein, das nach dem ersten Weltkriege neu aufgebaut wurde.

 

 

 

Seite 3   Ostpreußen -  Heimat im Bild

Fotos: Neidenburg

Die schmucke Kreisstadt Neidenburg im südlichsten Teil der Provinz Ostpreußen erlitt in den beiden letzten Weltkriegen das Schicksal wie so viele Städte des deutschen Ostens. Bereits im ersten Weltkriege wurde die Stadt durch den Russeneinfall fast völlig zerstört. Aber noch während des Krieges begann man mit dem Wiederaufbau der Stadt, und schöner und schmucker denn je entstand aus den Trümmern und Ruinen die neue Kreisstadt. — Unsere Bilder zeigen: Unten rechts: die Geschäftshäuser am Markt. Mitte links: einen weiteren Teil der Häuser am Markt. Unten rechts: Neuerbaute Häusergruppe, im Hintergrund der Turm der Neidenburg.

 

 

Seite 4   Totensonntag – Gedanken an die Heimat

Der Tod ist seit dem Tode Christi am Kreuze nur noch eine Vollendung der Liebe.

 

Sehet, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende. – Gott ist an diesem Tage nicht nur bei uns Lebenden mit seinem Trost und seiner Liebe, er ist auch bei unseren Toten und ganz besonders bei den Toten in unseren verloren gengegangenen Ostgebieten – in unserer Heimat. Und bei denen, die durch mörderische Hand des Feindes, wie ein zertretenes Blatt dahinstarben in Angst, Hunger und Not am Wegrand der großen Elendsstraßen der entsetzlichen Katastrophe. – Er hat sie alle in seine besondere göttliche Obhut genommen, sie liebend mit seiner Vaterhand beschützt und sie heimgetragen – heimgetragen in seine große, ewige Heimat. – Sollten wir nicht darin einen kleinen Trost finden, etwas Halt? Wer seinen festen Glauben hat, kann in seinem gequälten Innern ruhiger werden.

 

Totensonntag – wie oft haben wir an diesem Tage daheim den Gang an unsere lieben Gräber getan – unzählige Male. Die Gräber mit dem heimatlichen Tannengrün zum Kranz gewunden, geschmückt, verziert mit den letzten Herbstastern oder den noch in ihrer großen Farbenpracht leuchtenden Dahlien. — Und unsere katholischen Brüder und Schwestern steckten am Allerseelentag ihre Lichtlein an den Gräbern der lieben Verstorbenen an. Sollte das alles gewesen sein, tiefempfundene und traurige Erinnerung bleiben? — Auch wenn wir keinen Schritt mehr an unsere Totenstätten machen können, so sind wir auch heute bei ihnen, wir legen in Gedenken unseren Lieben ein grünes Zweiglein hin, es ist unsere Treue, und wir stecken ihnen wieder ein Lichtlein an, — es ist unsere brennende Liebe.

 

Wir gedenken heute unserer vielen Toten — unserer Helden des Weltkrieges 1914/1918, deren Gräber wir jahrelang auf den gepflegten Heldenfriedhöfen im Osten mit großer Liebe geschmückt hatten, wie weit ragten die großen Kreuze des Trostes und der Liebe in ihrer Schlichtheit ins weite Land hinaus. In Gedanken wandern wir an den Friedhöfen Jägerhöhe am Schwenzaitsee vorbei, am Lycker See und wir stehen ehrfurchtsvoll im Tannenberg-Denkmal, wo einst unser Befreier von Ostpreußen, Generalfeldmarschall von Hindenburg, seine letzte Ruhestätte fand, viele tapfere Offiziere und Soldaten. Wir gedenken weiter unserer Helden dieses Krieges — 1939/1945, die für ihr Vaterland den Tod erlitten, und wir gedenken der vielen Tapferen, die heroisch kämpften und fielen in Pflichterfüllung — vielleicht oft schon ahnend, dass der Abgrund sich uns näherte. Wir gedenken der vielen Brüder und Schwestern, die durch mörderische Hand des Feindes, einsam und gequält in den Tod gingen, nie von liebender Hand gebettet — dahinstarben. — Wir gedenken weiter unserer vielen Verschleppten und zur Zwangsarbeit in sibirischen Bergwerken Verbannten, in deren täglichem Gebet und Sehnsucht, nur eine flehende Bitte liegt — nach Hause — in die Heimat. — Wir gedenken der noch in Russland festgehaltenen Kriegsgefangenen, die an ein schreckliches Martyrium gebunden sind und wohl auch noch manchen Marterweg zu gehen haben, — auch in ihrem Gebet liegt nur dies eine Wort — heim.

 

Und zuletzt gedenken wir noch unserer vielen lieben Toten, die wir einst in die Heimaterde gebettet haben und denen wir noch unser letztes Geleit geben konnten. — Gottes Macht ist wunderbar und trotz Entrissenheit und nicht mehr Pflege, lässt er im Sommer auf unseren Gräbern manches Zweiglein und Blümlein blühen. Und im Winter, wo die Natur erstorben ist, hüllt er unsere Totenstätten schützend unter der weißen Decke der großen, weichen Schneeflocken ein.

 

Wir wandern in Gedanken durch unsere östliche Heimat, von Osten nach Westen, von Süden nach Norden. — Wir stehen an den Gräbern im Memelland, auch an manchem Soldatengrab, dort wo sich am Brückenkopf „Memelland“ noch ein großer Kampf entspann. — Ich selber stehe auf dem landschaftlich schön gelegenen und romantisch anheimelnden Friedhof in Nidden auf der Kurischen Nehrung, ihre Lieben eingebettet in den heimatlichen, weißen Seesand, ein schlichtes Holzkreuz darauf, letzte Blumen, die vom ewig treibenden Dünensand bald verweht sind. Umgeben von kräftigen Kiefern, in deren Baumkronen sich der Haff- und Seewind verfängt, so als ob der Wind den Toten ein Schlaflied singt und im Gleichtakt nähert sich unserem Ohr der ewige Wellenschlag unserer geliebten Ostsee und hinauf schaut immer grüßend das große, stille Haff, das Arbeitsreich der Fischer, dem sie treu waren bis zum Tode, bis man sie hier oben in den Dünensand zur letzten Ruhe bettete.

 

Und wir wandern weiter zu all den Friedhöfen und Grabstätten in unseren Großstädten, wie Königsberg, Insterburg, Tilsit, Allenstein, Elbing, Marienwerder, Thorn, Graudenz usw. Überall grüßen uns die alten Ordenskirchen. Unser Wanderweg führt uns auch in die kleineren Städte und Dörfer und auf manchen stillen Friedhof auf dem Lande, der uns oft gerade in seiner Einsamkeit im Schatten seiner alten Linden oder knorrigen Eichen zur besinnlichen Stunde anzog. — Glocken läuten, Domglocken unseres alten Doms in Königsberg begleiten uns und die ehrwürdigen Kriegsfahnen mancher gewonnenen Preußenschlachten, verneigen sich vor uns — es ergreift uns eine tiefe Andacht — wir stehen in der Königsberger Schlosskirche. — Auf unserer gedanklichen Fahrt grüßt uns auch romantisch am Frischen Haff gelegen, der alte Dom zu Frauenburg, der durch seinen Raumeindruck und seine Kunstschätze uns fesselt.

 

Marienburg, du Hochburg des Ostens, warst uns immer ein Symbol der äußeren und inneren Stärke. In deinem Remter raunten die Ordensritter, unsere Träger der östlichen Kultur, deren Anfang sie vor 700 Jahren schufen.

 

Wie erfreute man sich immer, wenn man mit dem Zuge von Berlin kommend, das vielfarbige Mosaik des großen Standbildes der Mutter Gottes an der Marienburg im eben aufgegangenen Schein der östlichen Sonne leuchtete, und es war einem so, als ob die Mutter Gottes durch ihr gütiges Lächeln unsere Einfahrt in unser Ostpreußenland segnete.

 

St. Marienkirche in Danzig, du hältst uns auf unserem Wanderwege in Erinnerung so tief gefangen. Wir knien vor deinem würdigen Altar, wir beten inbrünstig, dass es laut durch deinen heiligen Raum schallt. Wir beten alle, die wir einst diese schöne östliche Heimat besaßen — Großer Allmächtiger Gott, erhalte sie uns und führe uns heim.

 

Totensonntag — Glocken läuten, deren Schall heute weit in unsere deutschen Lande tönt, möge dieser heilige Schall auch unsere mit uns so stark verbundenen Ostgebiete erreichen und auf den tönenden Schwingen gleiten unser tiefes Gebet, unsere große Sehnsucht und unsere heiße Liebe mit, mit an unsere lieben Gräber und zu unserer geliebten, großen und ewigen Mutter — Mutter Heimat. Christel Papendick

 

 

Seite 4   Trakehner auf der Leinwand

Der „Verband des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung e.V.“ sowie die „Ostfilm“ und die „Hansa-Filmproduktion“ in Minden drehen zurzeit einen Film, der die Geschichte des Trakehner Pferdes vor und nach der Vertreibung behandelt.

 

 

Johann Georg Hamanns Briefwechsel soll im Inselverlag, Wiesbaden, in einer Gesamtausgäbe erscheinen. Herausgeber ist Dr. Arthur Henkel, Marburg. Alle Besitzer von Briefen von und an Johann Georg Hamann werden gebeten, sie dem Verlag leihweise zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

Seite 4   Im Walde bei Rastenburg

Nach Rastenburg rollten in den letzten Monaten zahlreiche Spezialgeräte aus der CSR: Moderne Minensuchgeräte. Unter größter Geheimhaltung wurden die Elektrosonden in dem Wald verfrachtet, der das „Führer-Hauptquartier“ in seinem Schoße verborgen hält. Zwar sind die meterdicken Betonmauern des Befehlsstandes unter der Wucht der Innenzündung aufgeborsten, hat man alles durchgesucht, was für die Rotarmisten von Interesse war . . . den Minenplan des Wolfsschanzen-Bezirks fand man jedoch nicht! Bei Geländeübungen kannten die Minen kein Erbarmen, unter den Waldarbeitern forderten sie Opfer, und als sich in diesem Jahre die ersten volksdemokratischen Touristen dem Ruinenbunker näherten, gingen neue Felder hoch, die fast 50 Menschen töteten und weit mehr grauenvoll verletzten.

 

Vom Woiwoden in Allenstein wurden sofort alle verfügbaren Pioniere aufgeboten, um die Minengefahr endlich zu beseitigen. Aber moderne Geräte gab es nicht — dafür neue Tote. Erst jetzt kamen die Spezialsonden aus der Tschechei. In langen Reihen werden die Waldstriche durchkämmt, dann und wann gelingt es, einen der gefährlichen Sprengtöpfe auszuheben. Aber viele Minenarten lauern unter der leichten Moosdecke, auch solche, die nicht magnetisch sind . . . Manche Explosionen sind so kräftig, dass man sie selbst in Rastenburg noch hören kann. Nur abends rollen dann die Sanitätswagen durch die schlechten Straßen! Die provisorische Brücke über die Guber macht es den Fahrzeugen besonders schwer, pannenfrei zu passieren.

 

Freiwillige melden sich. Sie kamen bis aus Allenstein, gelockt von den hohen Verdienstsummen, die neben einer festen Pauschale auch Sonderprämien für jede geborgene Mine garantierten. Eine Bruchbude am Rande des Waldes hat diese Todesmutigen aufgenommen. Ursprünglich sollte die Wolfsschanze ein Ausflugsziel werden, für das die ORBIS (staatliches Reisebüro) schon Werbeschriften verbreitet hat. Man wollte überall zeigen, wie „Hitlers Unterschlupf“ von der „siegreichen Roten Armee“ besetzt werden konnte . . . Die Minen haben diesen Plan zunächst vereitelt.

 

In Rastenburg haust dafür ein Pionierbataillon, das auch für die Minenräumung im angrenzenden See-Bereich zuständig ist. Das Bahnhofshotel nahm den Stab auf, der oft tagelang unterwegs ist, um die vielen Sperrstellen festzustellen. Nach amtlichen Verlautbarungen wird es nicht gelingen, die Minengefahr vor 1956 endgültig abzustellen! Der Mangel an brauchbaren Instrumenten blockiert alle Bemühungen. Strafeinheiten sollen besonders in den dienten Waldgebieten eingesetzt werden.

 

 

Seite 4    Sendungen über Mittel- und Ostdeutschland.

Im Winterhalbjahr 1954/1955 hat der Süddeutsche Rundfunk wieder feststehende Zeiten für kulturelle und volkskundliche Sendungen über Mittel- und Ostdeutschland in sein Programm aufgenommen:

I.              Programm (Mittelwelle): Am ersten Montag jeden Monats von 21.00 bis 22.00 Uhr erscheint eine meist literarische Stundensendung, in der möglichst viele Landschaften der ehemals deutschen Ostgebiete bzw. der ostdeutschen und südostdeutschen Siedlungsgebiete aufklingen. Diese Sendung eignet sich als Gemeinschaftssendung bei Heimatabenden. Jeden Mittwoch von 17.30 - 17.50 Uhr. In dieser Reihe wird sich das kulturelle und volkskundliche Bild der ost- und mitteldeutschen Landschaften widerspiegeln, aber auch die Beziehungen zur neuen Heimat werden hierin aufgezeigt.

II.             Programm (UKW): Vierzehntägig sonntags von 15.30 - 16.00 Uh.r In der Reihe „Fern und doch nah“ werden Landschaftsbeschreibungen und Städtebilder gebracht. Bei besonderen Anlässen kommen weitere hinzu.

 

 

 

Seite 4   Totensonntag

Die Erde hat abgelegt ihr Sommerfestgewand, —

so regenschwer sind Himmel und Land.

Dumpf läuten die Glocken den Totensonntag ein:

„Vergänglichkeit ist alles Sein!“

 

Hier tragen sie Blumen und Kränze hinaus,

um liebend zu schmücken der Toten Haus. —

Ach, könnten auch wir noch den alten Weg zum Friedhof geh'n

und still an teuern Gräbern steh'n. —

Wie endlos die Weite, die von der Heimat uns trennt —

doch tröstlich nahe schon leuchtet der erste Advent!

A. v. B.

 

 

Seite 4   Preußisch

Vor einigen Wochen wurde in Abbehausen im Oldenburgischen die 60 Jahre alte Witwe Gertrude Anthel mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie hatte 1945 bei ihrer Flucht aus Ostpreußen, wo ihr Mann lange Jahre Bürgermeister war, ihr gesamtes Hab und Gut liegen lassen, dafür das gesamte Aktenmaterial der kleinen Gemeinde auf ihrer Flucht mit sich geführt. In ihrer zweiten Heimat gab Frau Anthel später an alle ehemaligen Gemeindeeinwohner von Groß-Ottlau unentgeltlich Auskünfte und trug dabei zum großen Teil sogar die Portokosten. Diese kurze Meldung offenbart uns — Jahre nach der Zerschlagung des Staates — etwas von jenem Geist, den man in Verkennung seines Wertes mit dem Begriff „preußisch“ abtun wollte. Preußisch — das sollte gleichbedeutend sein mit Untertanengeist, Verwaltungssturheit, militärischem Kadavergehorsam, der tölpelhaften Arroganz des Krautjunkers und der anmaßenden Stupidität des monokelbewehrten Gardeleutenants — preußisch nannte man den Schnauzbart des Pickelhauben-Schutzmannes. Preußen ist das rote Tuch für viele. Und dann kommt eine schlichte, ostpreußische Bürgermeisterswitwe und demonstriert, was in Wirklichkeit preußisch ist: Sie lässt ihre Federbetten, ihre Kochtöpfe, ihr Porzellan, ihr Silber, ihre Teppiche, alles, an dem ihr Herz hängt, zurück, aber die Akten, diese gebündelten Manifestationen preußischer Ordnung, durften nicht in die Hände der Russen fallen. Sie hat in der eisigen Januarnacht wohl kaum an den Lastenausgleich des Jahres 1954 gedacht, auch nicht an das Bundesverdienstkreuz. Sie hat ja schließlich nur das getan, wozu ihr toter Mann bestellt war —: sie hat die Ordnung ihrer Gemeinde gehütet und bewahrt, über Eis, Not und Tod hinweg. Weil es eine Selbstverständlichkeit war. Allerdings eine preußische Selbstverständlichkeit. Es ist beglückend zu wissen, dass es sie noch gibt. Mit und ohne Bundesverdienstkreuz.

 

 

Seite 4   Unser Friedhof in der Heimat / Von Berta Gross

Immer wenn meine Gedanken in die Heimat wandern, machen sie auch einen Spaziergang zu unserm Dorffriedhof.

 

Die Stadt, in der ich jetzt lebe hat schöne Friedhöfe mit gepflegten Anlagen und kunstvollen Grabmälern. Ich liebe einen Spaziergang über den Friedhof, aber nie gibt er mir hier das, was er mir in der Heimat gab, — Ruhe und Sammlung.

 

Von der belebten Straße tritt man unmittelbar hier in den Friedhof ein. Ratternde, hupende Autos, knatternde Motorräder lassen keine Stille aufkommen. Wie anders war es zu Hause auf unserm Friedhof, Abseits vom Dorfe, auf einer Anhöhe gelegen, war er wahrhaft eine Stätte des Friedens. Durch wogende Getreidefelder führte im Sommer der Weg zu ihm. Im Winter lag er tief verschneit, wie der Acker, der ihn umgab.

 

Gibt es eine schönere Ruhestätte für die Landmenschen als inmitten des Ackers, der sie genährt hat? In harter Arbeit haben sie ihm gedient und dürfen dann in ihm ausruhen von allen Mühen des Lebens. Unser Friedhof war nicht schön im Vergleich zu einem gepflegten Stadtfriedhof, und dennoch schöner, viel schöner! Die Gräber waren noch richtige hohe Grabhügel und nicht flache Blumenbeete, wie man sie auf den städtischen Friedhöfen sieht. Jede Familie hatte ihre eigene Familiengrabstätte, wo oft mehrere Generationen vereint der Ewigkeit entgegenschlummerten. Das Erdbegräbnis war bei uns nicht nur eine Angelegenheit des Geldbeutels. Große Fliederbüsche, hohe Lebensbäume, mächtige Linden, Eichen und Rüstern behüteten die Ruhestätten. Die Vorfahren hatten sie einst gepflanzt, die jetzt in ihrem Schatten schlafen. Liebevoll wurden die Grabstätten gepflegt. Bunte Sommerblumen leuchteten von den Gräbern, und fast jede Grabstätte hatte noch ein Beet mit den schönsten Bauernblumen. Der Platz zwischen den Gräbern war immer sauber geharkt.

 

Am Rande des Friedhofs lagen einige ganz alte Grabstätten, von verwitterten Gartenzäunen umgeben, die Gräber ganz mit Efeu und Immergrün überwuchert. Die Namen auf den Grabkreuzen und Tafeln erzählten ein Stück Heimatgeschichte von Geschlechtern, die ausgestorben oder deren Nachkommen, nicht mehr bodenständig, sich eine neue Heimat in der Ferne gesucht hatten. Sie fanden nicht mehr den Weg in die Heimat und zu den Gräbern ihrer Vorfahren. Eine Kinderhand legte manchmal ein Blumensträußchen, am Rande des Kornfeldes oder der Wiese gepflückt auf so ein vergessenes Grab.

 

Ein beliebter Sonntagsspaziergang war der zum Friedhof. Dort saß man gerne ein Stündchen und schaute von seiner Höhe weit über die masurischen Seen. In dieser Stille und Gottesnähe begrub man manche Sorge und Unruhe seines Herzens.

 

Zum Totenfest wurden die Gräber noch einmal besonders geschmückt. Die Blütenpracht des Sommers war dahin. Die Gräber wurden dicht mit grünen Tannenzweigen zugedeckt und mit meist selbstgebundenen Kränzen und Sträußen geschmückt. Fast in jedem Garten wuchsen die vielfarbigen Strohblumen, die leuchtend roten Laternenpflanzen, die Judassilberlinge und ähnliche Blumen, die, rechtzeitig geschnitten und getrocknet und dann mit Tannengrün gebunden, einen schönen Grabschmuck gaben. Besonders die schönen Chrysanthemen oder Herbstastern genannt, fehlten bei uns in keinem Garten. Sie wurden vor dem Frost in den Keller gebracht und leuchteten am Totensonntag zum letzten Male von den Gräbern. Bald kam der Schnee und deckte mit seinem weißen Tuch alles zu.

 

Wie mag es heute auf unserem Friedhof aussehen? Die Gräber sind wohl verfallen, von Gras und Unkraut überwuchert. Mancher schöne Baum gefällt und verbrannt. Fremde Menschen begraben ihre Verstorbenen auf unseren Begräbnisstätten. Auch ihnen schenkt sie die Ruhe, — unsere gute Heimaterde.

 

Uns hat man aus der Heimat vertrieben. Man hat uns den Ruheplatz neben unseren Lieben verwehrt. Ich habe vor kurzem meine liebe Mutter hier begraben. Sie kann nicht an der Seite ihres Gatten und ihrer zwei Kinder auf dem Heimatfriedhof ruhen. Ich bin hinter dem Sarg manches Landmanns gegangen, dessen letzte Sehnsucht auf dem Heimatfriedhof neben seinen vorangegangenen Lieben zu ruhen — unerfüllt blieb.

 

Man hat uns alle Bindung an die Heimat nehmen wollen, indem man uns aus ihr vertrieb. Aber etwas ist dort geblieben. Unsere Vorfahren in den Gräbern, aus deren Blut wir gekommen sind. Sie sind die Wurzeln, die uns an die Heimat binden, in die wir einst zurückkehren werden, so Gott es will.

 

 

 

Seite 5   Unsere Buchbesprechungen

Königsberg – ein Buch der Erinnerung.

Große Freude und tiefe Dankbarkeit wird dieses neue Werk, das soeben anlässlich der kommenden 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg im Gräfe und Unzer Verlag - München/Bad Wiessee am Ternsee erschienen ist, bei allen Königsbergern und darüber hinaus bei allen Ostpreußen, die ihre Hauptstadt kennen- und lieben gelernt hatten, auslösen. Es ist ein kostbares und liebevolles Geschenk, das mit diesem Buch allen früheren Bewohnern der alten Pregelstadt bereitet wird. Aufmachung, Inhalt und Zusammenstellung sind in ihrer Gediegenheit und Güte dazu angetan, der altehrwürdigen Krönungsstadt im deutschen Osten ein Denkmal zu setzen. Und welcher Königsberger wollte dieses schöne Denkmal nicht besitzen?

 

Im ersten Teil des Werkes (Format 20 x 26 cm) kommen Königsberger Autoren mit wertvollen Beiträgen zu Wort. So gibt Fritz Gause ein historisches Porträt der Stadt Königsberg und spricht allen Königsbergern aus dem Herzen, wenn er abschließend seines Beitrages sagt:

 

„Was sich im letzten Jahrzehnt an der geographischen Stätte Königsbergs abgespielt hat, gehört nicht mehr der deutschen und europäischen Geschichte an. Kaliningrad ist nicht Königsberg; es ist ein Vorposten Asiens. Königsberg aber lebt weiter in den Herzen derer, die den Untergang der Stadt überlebt haben und in der Zerstreuung darauf warten, dass die Episode Kaliningrad zu Ende geht und sie mit ungebrochenem Mut ein neues Kapitel der Geschichte ihrer Heimatstadt werden beginnen können“.

 

Erinnerungen an die Vaterstadt lässt unsere Agnes Miegel aufleben, über die Krönung in Königsberg schreibt Martin A. Bormann. Über die Bedeutung und ihr Wirken der Albertus-Universität berichtet Götz von Selle, während Walter Hubatsch Königsberg als Seestadt behandelt und Walter Grosse Königsberg als Garnisonstadt. Weiter enthält das Werk Beiträge von Hermann Wirth „Der Pregel“ und von Martin Bormann „Der Königsberger Schlossteich“. Einige Gedichte von Agnes Miegel, „Der Dom“ und „Abschied von Königsberg“, von Walter Scheffler „An Königsberg“, von Georg Kiesau „Graue Türme meiner Vaterstadt“ und „Von der Steindammer Kirche“ von Fritz Kudnig beschließen den ersten Teil des Werkes, der mit zahlreichen Abbildungen alter Stiche von Königsberg wirksam unterbrochen wird.

 

Das alte liebe Königsberg, wie es sich einst uns bot mit seinen stolzen Bauten, seinen schönen Straßen, seinem pulsierenden Hafen, seinem Leben und Treiben, erleben wir dann im zweiten Teil des Buches. 66, zum großen Teil ganzseitige Bilder, entfalten vor unserem Auge die Schönheit dieser einmaligen Stadt. Mit Wehmut und stolzer Trauer werden alle die, die dieses Buch in die Hand nehmen werden, diese herrlichen Bilder betrachten. Der Erinnerungsband an Königsberg ist in blauer Goldprägung versehen. Die Originalzeichnung Leinen gebunden und mit dem Wappen in Speicher mit Schlossturm zum Schutzumschlag lieferte Hannes Rischert. Auf dem Vorsatzblatt ist ein Ausschnitt aus einem Gedenkblatt zum 600 jährigen Jubelfest der Stadt Königsberg wiedergegeben. Der Preis des Buches beträgt 11,80 DM in Leinen und 15,50 in Halbleder. Insgesamt umfasst das Werk 128 große Seiten.

 

 

Ostpreußenkalender 1955

Auch in diesem Jahre ist wieder im Gräfe und Unzer-Verlag der bekannte und beliebte Ostpreußenkalender, und zwar im 17. Jahrgang, erschienen. Im Formal 15 X 21 cm enthält der Abreißkalender 24 Fotopostkarten auf Kunstdruckkarton, die schöne Aufnahmen aus allen Teilen der Provinz wiedergeben. Außerdem bringt der Kalender zahlreiche Beiträge ostpreußischer Autoren, wie Agnes Miegel, Charlotte Kayser, Gertrud Lemke, Erminia von Olfers-Batocki, Walter Scheffler, Frida Jung, Ernst Wichert, Alfred Brust u. a. m. Der ständige Begleiter aller Ostpreußen wird auch diesmal wieder viele Freunde finden. Der Preis des Kalenders beträgt 3,50 DM.

 

 

Plidder - Pladder

Als im vergangenen Jahre der Gräfe und Unzer-Verlag die „Schabbelbohnen“, humoristische Gedichte in ostpreußischer Mundart von Dr Alfred Lau herausbrachte, wurde dieses Bändchen mit großer Freude von den ostpreußischen Landsleuten aufgenommen, so dass die erste Auflage recht bald vergriffen war. Nunmehr hat Dr. Lau den zweiten Band der Schabbelbohnen unter dem Titel „Plidder-Pladder“ folgen lassen. Auch dieser zweite Band wird wieder viele Freunde finden, und vor allem bei denen, die etwas für Humor übrig haben. Und Ostpreußen sollen zuweilen auch recht herzlich lachen können. Jedenfalls sind die in dem Bändchen enthaltenen Gedichte zum „Bejuchen“. Plidder, pladder... Wo ich hintret, nuscht wie Schmadder, so fängt es an in dem Büchlein. Aber lesen Sie doch selbst weiter .. . (Preis 2 DM)

 

 

Weitere Neuerscheinungen

Im Gräfe und Unzer-Verlag erschienen soeben folgende weitere Ostpreußenbücher: Reichermann, Starker Tobbak, 64 Seiten, kart. 2,50 DM. Fritz Kudnig: Das Wunder am Meer, Gedichte von Haff, Meer und Dünenland, 48 Seiten, kart. 2,80 DM, Leinen 4,25 DM. Walter Scheffler: Mein Königsberg, Spaziergänge in Sonnetten und Liedern, 48 Seiten, kart. 2,80, Leinen 4,25 DM. Charlotte Kayser: Bi ons to Hus, Leederkes von hid un morge äwer Lache und Sorge. Mit Noten. Kartoniert 4 DM. Bildkarte von Ostpreußen. Preis 6 DM. – (Ausführliche Besprechungen folgen.)

 

 

Pepita, die Geschichte eines Trakehner Pferdes

Jeder Pferdeliebhaber und Pferdekenner unserer ostpreußischen Heimat wird dieses schmucke Büchlein, das uns Herbert von Böckmann geschenkt hat, mit Freuden zur Hand nehmen. Liebevoll und mit Kennermiene erzählt der Verfasser die Geschichte von Pepita, einem Trakehnerpferde, dessen fröhliche Jugend und sein Heranwachsen und Leben in den Weiten unserer Heimat bis zu seinem bitteren Ende. Das Buch ist den Züchtern und Freunden des edlen ostpreußischen Pferdes gewidmet. Aber nicht nur sie allein sollten die Geschichte lesen, jeder Freund unseres Pferdelandes erlebt in diesem Büchlein ein Stück Heimat. Wilhelm Martin Busch hat dieses über 70 Seiten starke und in Leinen gebundene Buch mit zahlreichen wirklichkeitsechten Handzeichnungen versehen und so besonders wertvoll gemacht. Das Buch ist im Holzner -Verlag, Kitzingen/Main, erschienen und kostet 4,80 DM.

 

 

Südostpreußen und das Ruhrgebiet

Die Schrift erschien anlässlich der 600-Jahrfeier der Stadt Allenstein in der Patenstadt Gelsenkirchen und enthält eine Reihe sehr guter und interessanter Beiträge führender ostpreußischer Wissenschaftler. Wir nennen Adolf Poschmann, Hans Schmauch, Walter Hubatsch, Erhard Riemann, Paul Fechter, Kurt Maeder, Herbert Kirrinnis, Kurt Forstreuter, Erwin Nadolny, Paul Kewitsch u. a. m. Das Buch wurde herausgegeben von Museumsdirektor z. Wv. Dr. Erwin Nadolny; es enthält 92 Seiten Text und acht Seiten Bilder von Allenstein und Gelsenkirchen in Kunstdruck. Die Schrift ist für alle Allensteiner und darüber hinaus auch für jeden Ostpreußen von besonderem Wert. Alle Landsleute aus Allenstein Stadt und Land sollten sich dieses schöne Erinnerungswerk auf alle Fälle anschaffen. Es kostet nur (steif broschiert) 3,50 DM und ist im Verlag Rautenberg und Möckel in Leer/Ostfriesland erschienen.

 

 

Neuer Roman von Alfred Karrasch

Madonna und Dämon, Roman von Alfred Karrasch. Hermann Kraus Verlag, München. 318 Seiten, Ganzleinen. DM 8,50.

Wer sich der früheren Romane unseres ostpreußischen Dichters Karrasch erinnert, der tut es in Dankbarkeit für einen Erzähler der Heimat, der lange geschwiegen hat. In dem neuen Roman hat Karrasch sich an ein ungewöhnliches Thema gewagt, das nicht nur Gestaltungsgabe verlangte, sondern auch ein Spezialwissen um die Geigen und ihre Geheimnisse. Das Ergebnis ist ein kulturhistorischer Leckerbissen. Der Weg des wahrhaft dämonischen Genies Luigi Tarisio durch alle Höhen und Tiefen, die Geschichte des Mannes, der um seiner Sammelleidenschaft willen zum Verbrecher wird und sich selbst um das Glück seines Lebens, die grenzenlose Liebe Juliettas, betrügt, ist meisterhaft dargestellt. Von überraschenden Vorgängen und dramatischen Begegnungen durchsetzt, liest sich dieses Buch wie ein besonderer wertvoller Kriminalroman, obwohl Held und Fabel nicht etwa frei erfunden, sondern geschichtlichen Überlieferungen nachgestaltet sind. Zügig die Handlung, lebendig und farbig jeder Abschnitt und jede Seite, wahrhaft erschütternd z. B. die Tretmühle im Zuchthaus, deren differenzierte Geräusche man fast körperlich wahrzunehmen glaubt. Fiebernd verfolgt der Leser die hektische Jagd durch Italien, Spanien und Frankreich, . . . und über allem steht die Madonna, Tarisios Madonna. Es wird viele geben, die das einmal aufgeschlagene Buch nicht aus der Hand legen, ehe sie nicht die letzte Seite erreicht haben. L.

 

 

Ostpreußische Dorfgeschichten

Unsere hochbetagte Heimatschriftstellerin Erminia von Olfers-Batocki aus Tharau hat unseren Lesern schon wiederholt prächtige Erzählungen heimatlichen Charakters geschenkt. Und wir wissen, wie starken Anklang ihre kraftvollen und urwüchsigen heimatliche Schilderungen überall fanden. Trotz ihres hohen Alters hat Erminia von Olfers-Batocki noch nicht die Feder aus der Hand gelegt, selbst in ihrem kleinen Stübchen in Bad Harzburg wirkt sie für ihre geliebte Heimat. Zur Freude aller Ostpreußen ist nunmehr im Verlag Rautenberg und Möckel in Leer ein schmuckes Büchlein unter dem Titel „Ostpreußische Dorfgeschichten“ von der greisen Schriftstellerin erschienen. Mehr als ein Dutzend ernste und heitere Erzählungen aus den Dörfern Ostpreußens enthält dieses prächtige Büchlein, selbst erlebt und mit tiefer Heimatliebe dargestellt. Es ist schön, dass der Verlag die Herausgabe der „Ostpreußischen Dorfgeschichten“ ermöglicht hat, wünschen wir, dass auch die früher erschienenen Schriften von Erminia von Olfers-Batocki neu herauskommen mögen. Das vorliegende Büchlein enthält 128 Seiten, Halblw., 3,90 DM.

 

 

Bildkarte Ostpreußen

Die Herausgabe einer Bildkarte von Ostpreußen hat endlich eine Lücke geschlossen, die viele Ostpreußen als schmerzlich empfanden. In 5-Farben-Reproduktion gibt diese Karte eine bildhafte anschauliche Darstellung unserer Provinz mit ihren mannigfaltigen Bauten, landschaftlichen Eigenarten und Merkwürdigkeiten. Seen und Flüsse, Felder und Wälder, Menschen, Kirchen und Schlösser tauchen vor unserem Auge auf und lassen die Heimat neu erstehen. Format der Bildkarte: 40 X 60 cm. Preis 6 DM, gerahmt 15 DM. Erschienen im Verlag Gräfe und Unzer, München, Bad Wiessee.

 

 

Deutscher Soldatenkalender 1955

Der Schild-Verlag, München, legt in diesem Herbst sein drittes Jahrbuch als Soldatenkalender 1955 vor. Der 200 Seiten starke Kalender, überaus reichlich illustriert, bietet jedem Soldaten eine Fülle Wissenswertes, Unterhaltendes und Nützliches. Fraglos ist der Kalender nicht nur „interessant“, er regt auch durch seine guten und wertvollen Artikel zum Nachdenken über alle Fragen, die mit dem Soldatentum zusammenhängen, an. Der Kalender kostet nur 2,30 DM und kann durch den Buchhandel bezogen werden.

 

 

Seite 5   geblieben aber ist das Volk …

geblieben aber ist das Volk....

von Heinz Brunner, Leopold-Stocker-Verlag, Graz und Göttingen. 421 S., geb., 12,80 DM.

 

Dieses Buch trägt den Untertitel „Ein Schicksal, für alle geschrieben", es ist aber weit mehr, es ist eine Rückschau auf das deutsche Schicksal der letzten 50 Jahre, es ist eine Forderung und eine Verheißung, die nicht nur jeden Heimatvertriebenen und Auslandsdeutschen angeht, sondern jeden Menschen, dem Deutschland und Europa mehr sind als nur staatliche und geographische Begriffe.

 

Da ist also der junge Hans Berger aus der Südsteiermark, der seine Kinderzeit im Widerspiel zweier Völker erlebt, aus dem sein „Nationalismus“ geboren wird „... und wie sie in einem Scherbenhaufen geendet. Die Heimat verloren, der Kaiserstaat zerbrochen, die Harmonie des Daseins gestört. Wie der reifende Knabe von der befreienden Kraft der Jugendbewegung mitgerissen worden war, wie er zwischen Volk und Staat geschwankt, um später — in der Ära Hitlers — den Kampf für die Volksdeutschen bis zum bitteren Ende mitzutragen. Wie er als Soldat während des Krieges fremde Völkerseelen abgetastet und davon beglückt gewesen ...“

 

So gibt der Dichter einen Abriss seines Lebens, sein Ringen um Klarheit und Wahrheit, und es ist doch auch wieder mehr als eine Autographie und ein Roman, es ist ein beglückendes Erlebnis, das uns zu den ewigen Werten unseres Volkstums zurückführt und in dem geistigen Chaos unserer Zeit, in der Ungewissheit unserer Tage wieder ein sicheres Fundament schafft und ein Ziel aufzeigt, für das es sich lohnt zu leben. Theorien und Systeme vergehen, Staatsformen und Gesellschaftsordnungen lösen einander ab, je nachdem welche im Rahmen der machtpolitischen Auseinandersetzungen gerade am Zuge ist, aber wesentlich und beständig ist ausschließlich das Volk.

 

Hart, aber gerecht ist die Abrechnung mit den Fehlern der Vergangenheit, aber auch unmissverständlich und nicht zu überhören der bittere Vorwurf an die Gegenwart, die überall nach geistigen Werten sucht und dabei mit Befriedigung zusieht, wie der greise Dichter Kolbenheyer jämmerlich seinen Lebensabend fristet, nur weil er einmal aus der Hand Hitlers die Goethe-Medaille erhielt, „...keine Schuld hat Kolbenheyer auf sich geladen, es sei denn, man würde ihm seine übergroße Liebe zu seinem Volke vor“. „ ... trostlos jene Mächte, die ein solches Genie niedertrampeln“. Mit herzerfrischender Deutlichkeit schildert Brunner das widerliche Spiel der Anklage vor der Spruchkammer und schließt mit den Worten: „Eine würdelose Inquisitionsscene war vor aller Öffentlichkeit abgelaufen, die nur die sogenannten Richter belastete, während der Dichter mit reiner Weste den Gerichtssaal verließ . . .“

 

So besuchen wir Zillich und Bruno Brehm, Will Vesper, Hans Grimm, Hohlbaum und manchen anderen. Ist unsere Gegenwart wirklich so reich an führenden geistigen Persönlichkeiten, dass wir auf ein Dutzend der wertvollsten verzichten können? Warum wurde „Deutschland zwischen Gestern und Morgen“ von Heinrich Kleiß wie eine Erlösung empfunden? Warum fand Brehms „Schatten der Macht“ und „Am Rande des Abgrunds“ so reißenden Absatz? Weil sie an die Quellen der Wahrheit vorstoßen und Recht auch wieder Recht sein lassen. Wir fordern Frieden vom Feind, es ist Zeit, dass wir neun Jahre nach dem bitteren Ende endlich Frieden mit uns selbst machen. Alle Aufrufe zur Sammlung und zur Einigkeit bleiben bloße Parolen, so lange ehrliche Deutsche im geistigen Bereich verfemt sind. Ein harter Weg liegt noch vor uns, da sollten alle Kräfte willkommen sein, die guten Willens sind und mitschaffen können an dem „Stammesgarten Deutschland“ und an dem „Völkergarten Europa“.

 

Angesichts des plötzlichen Todes des Präsidenten des westdeutschen Bundestages, Dr. Hermann Ehlers, hat dieses Buch noch eine außergewöhnliche aktuelle Bedeutung. Es enthält Teile seiner großen Rede, die er im vorigen Jahre bei der Reichsgründungsfeier in Berlin gehalten hat. Ein Bekenntnis zum deutschen Volk und zu Europa, das nun, nachdem er seine Augen geschlossen hat, wie ein besonders wertvolles Vermächtnis wirkt.

 

Es ist ein außergewöhnliches Buch, das einen außergewöhnlichen Erfolg verdient. Ich habe es mit tiefer Dankbarkeit aus der Hand gelegt, denn ich scheue mich nicht zu bekennen, dass es meinem Glauben an unser deutsches Volk und seine Zukunft neue Kraft und neue Zuversicht gegeben hat.

 

 

 

Seite 6   Ein ostpreußischer Geistlicher / Sein Werden und sein Wirken. Der eigene Lebensweg geschildert von D. Matthias Lackner, Geheimer Konsistorialrat.

Foto: D. Matthias Lackner

1.     Fortsetzung

 

Was sollte nun mit mir werden? Mein Vater wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Ich half zwar und musste helfen in der Wirtschaft, im Garten, auf dem Felde und auf den Wiesen, brachte auch das Vieh zum Hütejungen heraus, mit dem ich gern umging, denn er zeigte mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit allerlei Vogelnester, ganz leere, nur zierlich gebaute, mit einem und mehr Eiern, mit kleinen, unschönen Vögeln; aber ich durfte meine Kenntnis nicht weitergeben, damit nicht rohe Hände die Nester zerstörten. — So etwas interessierte mich, aber sonst hatte ich keine rechte Lust und Freudigkeit zu den Feldarbeiten wie meine ältere Schwester und die jüngeren Brüder; ich kaufte mich deshalb von solchen Pflichten vielfach bei meinen Geschwistern los durch kleine Geldmünzen. Abweichend von meinen Geschwistern hatte ich immer etwas Geld. Denn mein Vater veranIasste mich nach der Verheiratung der Tante, die das bisher getan, seine Bücher zu führen über gelieferte Schmiedearbeiten, und gab mir von jedem Taler einen Silbergroschen, was natürlich zu viel war, aber Vaters hohe Achtung vor Schreibfähigkeit bekundete. Damals war ich auch der Briefleser und Briefschreiber für das ganze Dorf, da kein Lehrer in Nassawen vorhanden war; es drehte sich meist um Soldatenbriefe. — Mit dem vom Vater mir zugewiesenen Gelde also kaufte ich mich von Feldarbeiten los; sonst aber habe ich das mir zugewiesene Geld nicht zu unnützen Ausgaben verwendet, nur einige Bücher kaufte ich mir, wie den kleinen Heinel für Geschichte und einen kleinen Atlas für Geographie.

 

Mein Vater erkannte, dass ich mich für einen praktischen Beruf nicht eignete, er sann hin und her, was er mit mir anfangen sollte. Er fragte auch Autoritäten an, ob er mich wohl auf das Gymnasium zu Gumbinnen bringen sollte. Die Antworten, welche er erhielt, mahnten ab mit verständigen Gründen. Sie lauteten: „Einige Jahre könnten Sie ihn wohl auf dem Gymnasium unterhalten, aber doch nicht bis zum Abiturientenexamen und noch weniger auf der Universität. Mit solcher Halbbildung ist er dann für einen praktischen Beruf verdorben und fühlt sich darin unbefriedigt. Also lassen Sie ihn lieber gleich einen Beruf ergreifen, zu dem Sie ihm mit Ihren Mitteln verhelfen können. Und ein Beruf lag ja nahe, war auch zu erreichen, nämlich der Lehrerberuf. War doch ein Onkel, der jüngste Bruder meiner Mutter, im Seminar zu Karalene als Lehrer ausgebildet Und ich hätte mich für dieses Seminar besonders geeignet, weil ich die litauische Sprache beherrschte. Karalene war besonders für Litauen bestimmt, was schon der Name sagte: „Karalene“ heißt Königin. Aber ein Mangel bei mir war ein starkes Hindernis. Ich hatte wenig musikalisches Gehör, konnte keinen Choral singen. Das war ein Erbe vom Vater, während die Mutter gut musikalisch veranlagt war. Ich und mein jüngerer Bruder waren so wenig musikalisch begabt, dass wir, als ein mit der Violine herumziehender Bettler bei uns einen Choral spielte, es für eine Tanzmusik hielten und daraufhin zu tanzen anfingen. Meine Mutter war darüber entrüstet, fasste uns ab, schob uns in den Winkel und sagte: „Ihr törichten Kinder! Seid ihr so gottverlassen in der Musik, dass ihr nicht zwischen einem Choral und einer Tanzmusik unterscheiden könnt“. Das hielt mich von Karalene zurück, und mein Onkel selbst, der mittlerweile Lehrer geworden war, riet ab, denn der Mangel an musikalischem Gehör wäre für einen Lehrer doch sehr bedenklich. Aber in Wirklichkeit muss doch der Mangel nicht so absolut gewesen sein, wie es uns damals schien, denn durch das Hören und Mitsingen unserer herrlichen Choräle während mehr als fünfzigjähriger geistlicher Amtstätigkeit kann ich jetzt die meisten Choräle singen, auch den Gesang bei den Hausandachten leiten. Aber Karalene war aufgegeben, und es fragte sich, was nun? Merkwürdigerweise entschied ein Wort des Primaners Rudolf Reimann, eines Sohnes unseres Präzentors, der später Pfarrer wurde, und mit dem ich in Freundschaft verbunden blieb bis zu seinem Heimgang in Königsberg als Emeritus. Nach meiner Einsegnung wünschte mein Vater, dass ich doch noch weiter ausgebildet würde, brachte mich nach Mehlkehmen in die zweiklassige Kirchschule und bat den Präzentor, mich weiter zu unterrichten. Dieser nahm sich meiner freundlich an und erteilte mir zusammen mit seinem jüngsten Sohn täglich eine besondere Stunde im Rechnen und in der Geschichte. In den Sommerferien übernahm diese Stunde für seinen Vater sein Sohn, der Primaner, und förderte uns im Rechnen und im Deutschen. Beim Lösen einer Aufgabe versah er sich und löste sie unrichtig. Sehr ängstlich und bescheiden erhob ich Widerspruch und wies auf die richtige Lösung hin. Das nahm der Herr Primaner nicht übel, im Gegenteil, er lobte mich und tadelte seinen Bruder, dass er den Fehler nicht gemerkt hätte. Dieser unscheinbare Vorgang hatte Folgen. Als mein Vater zum Primaner hinkam, um sich bei ihm für den Unterricht zu bedanken, sagte dieser zu ihm: „Sie sollten Ihren Sohn ins Gymnasium bringen; er scheint das Zeug dazu zu haben“. Ja, er ging noch weiter und erbot sich, mich in etwa vier Wochen vor Michaelis in Latein privatim zu unterrichten, damit ich bei meinem vorgerückten Alter gleich nach Quinta käme. Mein Vater folgte diesem Rat, und ich kam anfangs September 1851 nach Gumbinnen und wurde Michaelis in die Quinta aufgenommen.

 

Im Gymnasium von Gumbinnen

Es war das eigentlich von meinem Vater ein kühnes Unternehmen, seinen Sohn auf das Gymnasium zu bringen. Er war ja zwar wie auch die Mutter wirtschaftlich tüchtig und strebsam. Einmal hörte ich, wie er zur Mutter sagte: „Weißt du, Marie, wenn wir mit Gottes Hilfe gesund bleiben, dann lassen wir alle unsere Nachbarn wirtschaftlich hinter uns zurück“. — Seine erste selbständige Stelle als Gutsschmied in Jägersthal nach seiner Lehr- und Gesellenzeit bei seinem Onkel in Radschen hatte er zwar völlig mittellos angetreten, aber durch die Verheiratung mit seiner Kusine Salecker, einer Besitzertochter, die ihm auch das erste Kind geboren hat, erhielt er eine Mitgift von 100 Talern, und durch die zweite Heirat mit meiner Mutter neben der Ausstattung weitere 100 Taler. Mit diesen Mitteln und mit Ersparnissen in gleicher Höhe kaufte er eine Hofstelle mit Wohnhaus, Wirtschaftsgebäude und sechs Morgen Land in Nassawen in schöner Lage am See, er baute sich dort eine Schmiede und siedelte über. Später, je nach den vorhandenen Mitteln kaufte er Land zu, das damals billig war, der Morgen kostete etwa 20 Taler. Und so trieb er neben seinem Handwerk auch eine einträgliche Landwirtschaft. Er war also nicht unbemittelt, aber doch auch nicht in der Lage, bei seiner großen Familie einen Sohn auf dem Gymnasium zu unterhalten. Aber wunderbarerweise, es ging. Zuerst brachte er mich zu einem angesehenen Fleischermeister, nicht in volle Pension, sondern in Schlafstelle, auch sollte ich morgens Kaffee erhalten, und er zahlte dafür 2 Taler monatlich. Ich schlief dort in meinem eigenen Bett, das die Mutter mir mitgegeben, in einer großen Stube, in welcher auch in ihren Betten ein Geselle und zwei Lehrlinge schliefen. Sie sind immer freundlich und rücksichtsvoll gegen mich gewesen. Dafür sorgte schon die Hausfrau, die sich meiner annahm und sich oft mit mir unterhielt. Für Mittag hatte mir der gütige Oberlehrer Gerlach auf die Bitte des Primaners Reimann Freitisch besorgt, und Abendessen erhielt ich im Hause des Regierungsrats Kummer, der neben drei begabten Töchtern einen schwach begabten Sohn hatte, der in Sexta nicht mitkam und dem ich in den Schularbeiten täglich helfen sollte. So war ich denn vorläufig versorgt, und ohne mein Verdienst, hauptsächlich, weil ich schon so alt war, bekam ich schon in Quinta den Ruf, dass ich Schüler zu fördern verstände, und so wurde ich ersucht, zwei Sextanern täglich eine Stunde zu geben und erhielt dafür ein mäßiges Stundengeld, wofür ich mir, ohne den Vater in Anspruch zu nehmen, bescheidene Kleider kaufen konnte. — Nach einem Jahr nahm mich die Familie des Regierungssekretärs Kaptuller ganz in ihr Haus und an ihren Tisch, damit ich den einzigen Sohn in den Schularbeiten unterstütze. Das war für mich ein großes Glück. In dieser Familie blieb ich die weiteren sechs Jahre meiner Schulzeit bis zum Abiturientenexamen und wurde wie ein Sohn gehalten. Mein Vater zahlte keine Pension, nur aus der Wirtschaft lieferte er einige Scheffel Kartoffeln, Roggen usw., aber das war kein Ersatz für den vollständigen Unterhalt. Große Dankbarkeit schulde ich dieser lieben Familie, bin auch mit ihr und namentlich mit dem Sohne, der das höhere Postfach erwählt hatte, bis zu seinem Tode in brüderlicher Liebe verbunden geblieben. Das Haus stand mir auch offen zu einem vorübergehenden Aufenthalt, wenn ich von Königsberg zu den Ferien in das Vaterhaus reiste.

 

Das Gumbinner Gymnasium war zu meiner Zeit schwach besucht, es mochte 170 bis 180 Schüler zählen, welche sich auf die sechs Klassen Sexta bis Prima verteilten. Doppeltcoeten gab es nicht, auch waren die drei Klassen Tertia, Sekunda, Prima noch nicht in Unter- und Oberstufe geteilt. Das ermöglichte es, dass ich von Unter- und Obertertia nach einem Jahr versetzt wurde, nur sieben Jahre im Gymnasium verblieb und mit zweiundzwanzigdreiviertel Jahren das Maturitätszeugnis erhielt. — Die Schüler waren meistens aus der Stadt und wohnten bei ihren Eltern. Auswärtige in Pensionen gab es wenige daher war auch das Verhalten der Schüler solide, Kneipereien gab es kaum. Die Ansässigen verkehrten in den befreundeten und verwandten Familien, und die Auswärtigen mochten sehen, wo sie blieben. Warens Gutsbesitzersöhne, wie meistens, so luden sie wohl die Städter für die Ferien in ihr Vaterhaus ein und gewannen dadurch auch in der Stadt Anschluss. Solche freundlichen Einladungen habe auch ich oft erhalten, zu Gutsbesitzern, zum Oberförster, zum Landrat und zu Pfarrern, habe sie auch benutzt, ohne sie zu meinem Bedauern erwidern zu können. — Die Schüler der Unter- und Oberprima, weil so gering an Zahl — mein Coetus zählte sechs —, waren meist innig befreundet, hielten treu zusammen, suchten sich auch gegenseitig zu fördern. Wir lasen zusammen Ciceros Schriften, Horaz, schrieben auch lateinisches und griechisches Diktat, so dass einer abwechselnd den Lehrer vertrat, diktierte, zu Hause korrigierte und mit scharfer Zensur versah. Das hat uns gefördert. Vor dem Abiturientenexamen gaben wir uns keine Ferien, blieben die vier Wochen zusammen, machten aber auf Rat unseres Direktors in der Zeit eine gemeinsame Fahrt im eigenen Wagen nach Beynuhnen, um die Kunstschätze uns dort anzusehen. Das edle Schachspiel übten wir auch in dieser Zeit vor dem Abgangsexamen. Soviel von meinen Mitschülern.

 

Von meinen verehrten und geliebten Lehrern war hervorragend tüchtig Oberlehrer Dr. Arnold, der spätere Direktor des Gymnasiums. Er unterrichtete nur in den oberen Klassen in Latein und Griechisch. Seine Horazstunden schätzten wir ungemein, ebenso seine Behandlung der Schriften Ciceros. Wir waren stolz auf diesen Lehrer und wussten auch, dass er bedeutende schriftstellerische Tätigkeit in der Philologie entfaltet hatte.

 

Unser Direktor Dr. Hamann unterrichtete in der Geschichte, im Französischen und im Singen. Sein Gesangunterricht soll recht gut gewesen sein, aber dafür habe ich kein Verständnis, nahm auch an diesem Unterricht nicht teil. Französisch lehrte er in Tertia, nach meinem Urteil erfolgreich, und ich hätte nur gewünscht, dass er diesen Unterricht bis Prima fortgesetzt hätte, dann würde ich erheblich mehr im Französischen gelernt haben. Geschichte war sein Hauptfach, er lehrte sie in Prima. Ich hoffte, in diesem Fach für das Vaterland begeistert und mit glühendem Patriotismus erfüllt zu werden. Aber das war nicht der Fall. Aus seiner Darstellung ging hervor, dass wir ein kleiner unselbständiger Staat seien, der eigene Politik nicht treiben könne, sondern nur im Anschluss an die Großmächte, namentlich an Russland und England. Das hätte auch schon Friedrich der Große erfahren. Sein Kampf gegen Österreich hörte auf und musste aufhören, sobald die Großmächte sich miteinander verständigt hätten. Das war die Zeit, wo alle Welt zu Neujahr hinhörte nach Paris, was Napoleon zu den Gesandten sagen würde. Von seinen Worten hing es ab, ob wir Krieg oder Frieden haben würden. Das trieb schon damals uns Primanern die Röte ins Gesicht und machte unsern Griff fester. In seiner Auffassung der Geschichte stimmten wir unserm sonst geliebten und verehrten Direktor nicht bei. Aber wir erkannten an, dass er ein wohlwollender auch geistreicher Mann war. Das trat uns in einem speziellen Fall ganz besonders entgegen. Wir hatten eben Ajax gelesen. Durch die Zeitungen wurde bekannt, dass die Prima des Altstädtischen Gymnasiums zu Königsberg die Antigone in griechischer Sprache mit durchschlagendem Erfolg aufgeführt hatte. Der Direktor veranlasste uns, einen Brief an die Prima der Altstadt zu schreiben und zu fragen, wie sie das erreicht hätten, den Chor gewonnen, die Musik sich beschafft, die Rollen verteilt hätten. Wir quälten uns ab, einen solchen Brief zu schreiben, aber es kam wohl nicht viel Verständnis heraus. Da las er uns seinen eigenen Brief vor, so voll Sachkunde und Geist, Humor und Witz, dass wir alle hingenommen und für ihn gewonnen waren. — Trotzdem machte sich auch an ihn der Übermut unnütziger Knaben heran. In jeder Klasse war ein besonderer Kleiderhaken für den Lehrer, also auch in Tertia. An einem Tage hing auf ihm eine Schülermütze. Der Direktor sah uns an, nahm sie ab und hing sie auf einen Schülerhaken. Nach ein paar Tagen hing sie wieder, da warf der Direktor sie auf die Erde. Und als er sie nochmals auf seinem Haken fand, steckte er sie in die Tasche, stellte sich am Schluss der Stunde an die Türe, ließ uns die Mützen nehmen und an ihm vorbei hinausgehen. Aber jeder Schüler hatte seine Mütze. Der unnütze Junge wurde also nicht ermittelt, und ich habe es auch nicht erfahren, wer es gewesen. Aber wir missbilligten den kindischen Übermut.

 

Sommerfest in Kalnen

Oberlehrer Dr. Basse unterrichtete in Latein in Quinta und Sekunda. Ich war in Quinta eingetreten nach nur vierwöchentlichem Unterricht im Latein mit schwachen Kenntnissen und lernte auch bei dem sonst so beliebten, freundlichen, mir besonders wohlgesinnten Lehrer nicht genug. Das lag an seiner Methode. Nach dem eingefügten Lehrbuch Jacobs ließ er nur aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzen, ließ diese Sätze mündlich und schriftlich konstruieren bis zum Überfluss, ließ unermüdlich deklinieren und konjugieren, so dass wir darin gut geübt waren, ließ aber keinen Satz aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzen, und das war ein großer Mangel. Wenn ich jetzt sehe und es als Gymnasiallehrer selbst erfahren habe, wie schon die Sextaner nach Ostermann-Müller und vollends die Quintaner geübt sind im Übersetzen ins Lateinische, so muss ich sagen, dass wir in Gumbinnen erheblich schwächer nach Quarta kamen. Das fertige Deklinieren und Konjugieren konnte diesen Mangel nicht ausgleichen. In der Sekunda ließ Dr. Basse übrigens vielfach aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzen und förderte uns dort besser.

 

Oberlehrer Dr. Kossack lehrte Latein in Quarta und Tertia. Er war ein tüchtiger, eifriger Lehrer, auch streng in seinen Forderungen, dass wir bei ihm lernen mussten und auch lernten. Anfangs war er ungehalten über unsere Schwäche im übersetzen des Deutschen ins Lateinische, aber er söhnte sich allmählich mit uns aus, und wir lernten auch übersetzen. Derselbe verwaltete die Schülerbibliothek, welche recht schlecht war, und war auch unser Turnlehrer, sehr eifrig, so dass wir ihn gern hatten, auch im Turnen etwas leisteten. Alljährlich war ein großes Wettturnen, und zwar nach Art der griechischen Spiele um einen Eichenkranz, den der Direktor selbst überreichte. — Auch ich habe einmal diesen höchsten Preis im Turnen gewonnen. Anschließend erwähne ich das alljährliche Sommerfest des Gymnasiums in dem bergigen, bewaldeten Kalnen, etwa eine Meile von der Stadt abgelegen. Man kannte damals noch nicht die zweifelhafte Sitte, mit der Prima oder auch schon mit der Sekunda eine größere Reise zu unternehmen, etwa nach Berlin oder nach dem Harz, nach Thüringen oder nach dem Rhein. Man war weniger anspruchsvoll, begnügte sich mit einem nahegelegenen schönen Orte wie Kalnen. Die ganze Stadt, soweit sie Beziehungen zum Gymnasium hatte, nahm teil, auch die Töchter kamen in Scharen, und auf dem grünen Rasen, unter den schattigen Bäumen, musste dann abends getanzt werden. Ich hatte zwar auch Tanzstunden gehabt, habe es aber in dieser Kunst nicht weit gebracht, so dass ich ungern teilnahm und es dann ganz aufgab. Nur zweimal bin ich meines Wissens auf einem Ball gewesen, als Abiturient auf einem Maskenball in Gumbinnen und in Königsberg auf einem Ball, den wir Studenten gaben. Beide Male war ich unbefriedigt und verzichtete später auf solch Vergnügen. Meine liebe Frau veranlasste mich, ein- oder zweimal Ballvater zu sein auf den Universitätsbällen, aber da sie sah, wie wenig mir das Freude machte, verzichtete sie auf meine Begleitung und ging allein mit den Töchtern hin, freilich auch nur selten. Gern sah ich dagegen, wenn unsere Söhne und Töchter in unserem Hause mit den Kindern befreundeter Familien zu harmloser Fröhlichkeit zusammen kamen. Auch meine Frau unterstützte das. Sie war gern unter der fröhlichen Jugend, wusste ihr Spiele zu leiten, war auch immer bereit, sie in schlichter Weise zu bewirten. Wir erreichten es dadurch, dass unsere fünf Söhne niemals Vergnügen außerhalb des Elternhauses und befreundeter Familien suchten.

 

Erwähnen möchte ich zum Schluss noch, dass während meiner Schulzeit zwei Revisionen, nämlich einmal durch Provinzialschulrat Dr. Giesebrecht und einmal durch Generalsuperintendent D. Satorius stattfanden. Bei der ersteren saß ich noch in den unteren Klassen, der Revisor ging nur durch unsere Klasse hindurch, und ich habe keinen besonderen bleibenden Eindruck empfangen. Anders bei Satorius. Er war bei uns nicht nur in der Prima, ließ auch die gesamte Schülerzahl sich in der Aula versammeln, hielt eine Ansprache und ermahnte uns, den Segen der gemeinsamen Morgenandachten uns nicht dadurch zu verderben, dass wir uns während derselben mit  den Aufgaben beschäftigten, auf die wir uns zu Hause hätten vorbereiten sollen. Dann kam er auf Luther zu sprechen und wies auf seine Meisterschaft in der Erklärung der drei Artikel hin, wie man diese auch durch eine kleine Veränderung, nur statt „ich glaube“ zu setzen brauche: „ich danke dir, dass du mich geschaffen hast samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele usw“., dann habe man ein tiefes, kräftiges Gebet. Beides, sowohl die Umwandlung der Erklärung zu einem Gebet, wie die Warnung, sich um den Segen der Morgenandacht zu bringen, ließen einen bleibenden Eindruck bei mir zurück.

 

Das Abiturientenexamen, in dem meine Reife erklärt wurde ohne vorangehendes mündliches Examen, nahm Provinzialschulrat Dr. Schrader ab, und zwar zum ersten Mal in Gumbinnen. Ich kannte ihn damals noch nicht, wusste nicht, dass ich ihm später sehr nahe treten würde. Das erste Begegnen schloss schlecht ab ohne unser Wissen und Wollen. Er logierte im ersten Hotel, in welchem wir auch unsern  Abiturientenkommers feierten Wir sollen dabei so laut gewesen sein bis gegen den Morgen, dass der Schulrat absolut nicht schlafen konnte. Im begreiflichen Unwillen darüber verfügte er von Tilsit aus an unsern Direktor, dass uns sechs Abiturienten, nämlich: Ebinger, später Gymnasialdirektor; Siehr, später Opernsänger in den Wagnerspielen in Bayreuth; Schulz, später Forst- und Regierungsrat; Jordan, später Pfarrer; Wach, später Rektor; und mir eine Bemerkung über unpassendes Betragen unmittelbar nach dem Examen in das Abgangszeugnis eingeschrieben werde. Der Direktor, und das ist anzuerkennen, protestierte dagegen, machte geltend, dass ja nicht wir vorzugsweise die Lärmenden gewesen sein werden, sondern Eingeladene, machte auch geltend, dass wir legaler Weise um die Erlaubnis nachgesucht und diese auch erhalten hatten. Der Schulrat zog in gütigem Entgegenkommen seine Verfügung zurück, und unser Maturitätszeugnis blieb frei von diesem Makel.

 

Als ich mit der roten Mütze in mein Vaterhaus kam, war mir das ein besonderer Schmerz dass ich meinen Vater dort nicht mehr traf und seine Freude sehen konnte. Nur meine gute Mutter freute sich wie die Geschwister. Auch die Litauer begrüßten mich freundlich als Studenten. Sie waren aber gar nicht damit einverstanden, dass ich Pfarrer werden wollte. Richter sollte ich werden in Stallupönen um auch sie zu richten und ihnen beizustehen. Sie prozessierten nämlich viel, verloren häufig den Prozess, weil sie im Unrecht waren. Das sahen sie aber nicht ein, schoben alles auf die Ungerechtigkeit der deutschen Richter. Törichterweise erwarteten sie von mir, dass ich immer zu ihren Gunsten entscheiden würde. Auch durch meine Mutter und durch meine Brüder suchten sie über meine Zukunft zu bestimmen.

 

Auf der Albertina zu Königsberg

Im Oktober 1858 bezog ich die Universität mit vier Kommilitonen aus Gumbinnen. Unsere Fahrt geschah in Postwagen, einen Hauptwagen, der durchging bis Königsberg, und Beiwagen, die auf jeder Station wechselten, was für die Passagiere unbequem war. Wir wussten das, hatten darum den Hauptwagen belegt, aber wir fanden ihn bereits gefüllt mit Russen, Herren und Damen, die durch ein Trinkgeld an den Kondukteur sich diesen Vorteil glaubten gesichert zu haben. Aber wir ließen uns das nicht gefallen, protestierten und zwangen den widerwilligen Kondukteur, unser Recht anzuerkennen und die Russen in die Beiwagen zu bringen. Beim Aussteigen sagte uns ein Russe, der deutsch sprach: „Von deutscher Galanterie gegen Damen hätte er jetzt erst den rechten Begriff bekommen“. Wir antworteten scharf, dass in Preußen Jedem sein Recht würde, und nicht wie in Russland, Willkür und Bestechung herrsche. In Insterburg beim Wagenwechsel legte sich der Russe aufs Bitten, sagte uns, dass auch die Damen uns bitten ließen, zu wechseln, denn sie wollten ungestört schlafen. Das erweichte unsern harten Sinn und wir willigten in den Wechsel.

 

In Königsberg trafen wir am frühen Morgen ein, fuhren durchs Sackheimer Tor, das damals schon fertig war, bis zur Hauptpost, wo wir ausstiegen. Da am frühen Morgen noch kein Lokal offen war, gingen wir zum Bahnhof, tranken dort Kaffee und begaben uns sofort vor das Brandenburger Tor, um zum ersten Mal einen Eisenbahnzug in voller Fahrt zu sehen. Das gelang uns auch und machte auf uns einen mächtigen Eindruck. Dann suchten wir jeder für sich eine Wohnung; ich fand sie in der Hinteren Vorstand Nr. 70 und ließ dorthin meine Kleider und Bücher kommen, welche ich mit einem Frachtwagen vorausgeschickt hatte.

 

Wie hat sich doch Königsberg seit jener Zeit verändert! Damals standen noch die engen Tore, das Grüne Tor, das Roßgärtner Markttor, die Beischläge in der Kneiphöhschen Langgasse, die alten Tore in der Umwallung. Zu den Hufen ging man durch die Alte Gasse, jetzige Kniprodestraße, dann auf einem Brettersteig bis zu den schlichten Erholungsstätten Konradshof, Schmand- und Glumsehäuschen, Julchental und Albrechtshöh. Außer Gasthäusern und zwei Villen war alles dort auf Landwirtschaft eingestellt. Die Einwohnerzahl der Hufen betrug noch nicht 1000, heute 30 000, und Königsberg selbst ist von 75 000 auf 280 000 Einwohner gewachsen.

 

Die Vorlesungen der Universitätsprofessoren, abgesehen von den medizinischen, welche in den Instituten lasen, fanden in der alten Universität am Dom statt. Dort habe auch ich alle meine Kollegia gehört, denn die neue Universität wurde nach meinem Abgang eröffnet. Alle Feierlichkeiten der Universität, Rektorenwechsel, Promotionen geschahen in der beschränkten alten Aula. Auch die Übergabe des Rektorats an den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm fand dort statt. Die Stimmung der Studenten war nicht begeistert, sondern ablehnend, demonstrierend aus politischen Gründen. Das ließ mich freilich kalt und gleichgültig, ich freute mich über die stattliche gewinnende Gestalt des Kronprinzen und ärgerte mich, dass man ihn nicht mit dem üblichen Trampeln begrüßt hatte.

 

Als ich nach der Universität übersiedelte, war ich fast dreiundzwanzig Jahre alt und hatte mich in den letzten Tagen mit der Schwester eines meiner Schüler, in dessen Elternhaus ich viel verkehrt und viel Freundlichkeit empfangen hatte, mit Ida Degenhardt, verlobt, still, nicht öffentlich, auch nicht durch Anfrage bei der Mutter, sondern nur durch Aussprache mit der Tochter. Erstere sah es auch nicht als eine ordentliche Verlobung an, aber ich hielt mich durch mein Wort für gebunden. Diese Verlobung war wohl etwas verfrüht, aber sie hatte doch ihr Gutes. --- Sie war zu früh, denn sie veranlasste mich, möglichst früh selbständig werden zu wollen, um die Braut heimzuführen. Sonst wäre ich wohl länger auf der Universität geblieben, hätte auch noch andere Hochschulen besucht und meinen Blick erweitert. Die Mittel hatte ich ja dazu, zwar nicht von meinen Eltern; mein Vater war ja heimgerufen und ich war nur mit 50 Talern nach der Alma Mater gekommen, die mir mein Onkel, der frühere Lehrer, jetzt Landwirt, als sein ganzes Vermögen vertrauensvoll geliehen hatte. Aber ich erhielt auf Grund meiner Kenntnis der litauischen Sprache sofort das vom Könige Friedrich Wilhelm IV. gestiftete litauische Stipendium von 600 Mark jährlich für sieben Semester und noch ein weiteres Stipendium der litauischen Friedensgesellschaft in Gumbinnen von 180 Mark. Mit diesen 780 Mark und einigem Stundengeld hätte ich mich in damaliger Zeit auf jeder anderen deutschen Universität halten können. Es traten auch solche Einladungen an mich heran, aber ich wollte nicht von Königsberg fortgehen, eilte zu sehr, selbständig zu werden. Das war die Schattenseite der Verlobung, aber sie hatte

auch ihre Lichtseiten; sie hat mich fleißig arbeiten lassen, hat mich vor Versuchung und Leichtsinn bewahrt, dass ich rein blieb und vor keiner Stunde meines Lebens mich zu schämen habe. Und sie hat mir noch einen großen Gewinn gebracht, sie hat mir einen edlen, treuen Freund fürs Leben gewinnen helfen, nämlich den späteren Oberkonsistorialrat D. Pelka. Das gleiche Schicksal einer zu frühen Verlobung, die wir merkwürdig bald voneinander erfuhren, hat uns innerlich näher gebracht und fürs ganze Leben mit einander verbunden. Er war vier Jahre älter als ich, war auf dem Seminar in Hohenstein vorgebildet, war Volksschullehrer geworden, hatte aber dann umgesattelt, das Gymnasium zu Hohenstein besucht, das Abiturientenexamen bestanden und sich vor der Übersiedlung nach der Universität verlobt. Kaum hatten wir uns gefunden, als wir auch unzertrennlich verbunden blieben. Wir waren gleichzeitig zur Universität gekommen, belegten dieselben Vorlesungen, hörten sie nebeneinander, arbeiteten sie durch, prüften uns gegenseitig, machten zusammen das Semestrale, bestanden auch zusammen nach sechs Semestern das erste theologische Examen und nach weiteren zwei Semestern das zweite theologische, beide mit dem Prädikat „recht gut“ oder „sehr gut“, er immer noch etwas besser als ich. — Dann traten wir in das pädagogische Seminar ein, das damals der Provinzialschulrat Dr. Schrader leitete, bestanden das Examen pro facultate docendi, wurden Gymnasiallehrer, er in Lyck, ich hier am Friedrichskollegium, und verheirateten uns als solche im Jahre 1863. Und durch weitere wunderbare Fügung wurden wir an benachbarten Gemeinden Geistliche, er zuerst an der Steindammer, dann an der Schlosskirche, ich an der Altstadt. Später waren wir auch nebeneinander Mitglieder des Königlichen Konsistoriums. In den letzten zwanzig Jahren seines Lebens, wo er Witwer geworden war, brachte er jeden Sonntagabend in meinem Hause zu. Uns verband auch das edle Schachspiel, worin wir merkwürdigerweise immer gleich stark blieben. Er starb im Jahre 1900 in meinem Beisein und unter meinen Gebeten. Durch seinen Tod entstand in meinem Leben eine Lücke, die bei mir nie ausgefüllt ist.

Fortsetzung folgt

 

 

Seite 7   Vorbildliche Betreuung der Heimkehrer

Es gibt wohl kaum einen Heimkehrer, der nicht unter den Nachwirkungen der Kriegsgefangenschaft zu leiden hat; sein schweres Schicksal erfordert daher eine besondere Betreuung. Welche Leistungen gewähren nun Bund und Länder. Unmittelbar nach der Rückkehr erhält der Heimkehrer 200,-- DM Entlassungsgeld, 100,-- DM Begrüßungsgabe des Bundes, 300,-- DM Übergangshilfe, 100,-- DM Begrüßungsgabe des Landes.

 

Persönliche Betreuung. Sobald der Heimkehrer in seinem Wohnort angekommen ist, veranlasst die Krankenkasse eine ärztliche Untersuchung und leitet die erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ein. Diese können in Krankenhilfeleistungen durch die Krankenkasse, Erholungsaufenthalt durch die Hauptfürsorgestelle bzw. Heilbehandlung einschl. Kuraufenthalt durch das Versorgungsamt bestehen. Der Erholungsaufenthalt beträgt im Allgemeinen 4 – 6 Wochen. Dabei kann die Ehefrau den Heimkehrer selbstverständlich begleiten. Für Kinder werden die Kosten der Unterbringung übernommen. Sind während der Kriegsgefangenschaft bzw. Internierung Zahnschäden eingetreten, so gewährt die Krankenkasse Heilbehandlung einschl. Zahnersatz.

 

Krankenhilfe. Erkrankt ein Heimkehrer innerhalb von 3 Monaten nach seiner Rückkehr, ohne einen Anspruch auf Krankenhilfe zu haben, so erhält er ärztliche Behandlung, Arznei- und Heilmittel sowie Krankenhausbehandlung nach den Satzungen der Krankenkasse. Es besteht ferner ein Anspruch auf Wochenhilfe, Sterbegeld und Familienhilfe.

 

Zuzug- und Wohnraumbeschaffung. Der Heimkehrer hat einen Anspruch auf bevorzugte Wohnraumzuteilung. Eine Zuzugsgenehmigung ist für ihn nicht erforderlich.

 

Arbeit. Der frühere Arbeitgeber ist verpflichtet, den Heimkehrer wieder zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere auch für Heimkehrer, die im öffentlichen Dienst beschäftigt waren.

 

Ausbildungsbeihilfe. In vielen Fällen wird eine erneute Ausbildung erforderlich sein, für die eine Ausbildungsbeihilfe zu gewähren ist.

 

Arbeitslosenunterstützung. Wenn ein Heimkehrer nach Beendigung seines Erholungsaufenthaltes arbeitsfähig ist und nicht sogleich Arbeit erhalten kann, wird vom Arbeitsamt Arbeitslosenunterstützung gezahlt.

 

Freie Berufe und Zulassungen. Heimkehrer, die vor ihrer Einberufung oder Internierung zur Ausübung eines freien Berufes zugelassen waren, bedürfen keiner neuen Zulassung.

 

Zulassung zur Kassenpraxis. Heimkehrer, die als Ärzte, Zahnärzte oder Dentisten zur Kassenpraxis zugelassen waren, gelten als zur Kassenpraxis zugelassen. War ein Heimkehrer zur Vertragstätigkeit bei Ersatzkassen zugelassen, so ist er nach der Heimkehr wieder zugelassen, wenn er einen entsprechenden Antrag innerhalb von 6 Monaten nach der Rückkehr bei der kassenärztlichen- bzw. kassenzahnärztlichen Vereinigung stellt. Ärzte und Zahnärzte, die vor ihrer Einberufung oder Internierung noch nicht zur Kassenpraxis zugelassen waren, werden bei der Auswahl der Bewerber bevorzugt berücksichtigt. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass die Zeiten in der Kriegsgefangenschaft oder Internierung in der Invaliden- und Angestelltenversicherung als Ersatzzeit angerechnet werden.

 

Kredite. Heimkehrer, die nach dem 01.01.1948 entlassen wurden, können für die Beschaffung einer Wohnung nach der 2. Durchführungsverordnung zum Lastenausgleichsgesetz ein Wohnungsbaudarlehen erhalten.

 

Existenzaufbaukredite können aus Mitteln des Landes gezahlt werden

 

1.     an ehem. kriegsgefangene Heimkehrer, die nach dem 01.01.1948 zurückgekehrt sind, in Höhe bis zu 2000,-- DM. Der Kredit ist zinsfrei.

2.     an ehemalige kriegsgefangene Heimkehrer, die nach dem 26.09.1953 zurückgekehrt sind, in Höhe bis zu 10 000,-- DM. Dieser Kredit ist ebenfalls zinsfrei.

3.     an Heimkehrer, die nach dem 01.01.1948 zurückgekehrt sind, in Höhe bis zu 5000,-- DM. Dieser Kredit wird in Baden-Württbg. Von der Württbg. Kredithilfe in Stuttgart, Hegelstraße 20, gewährt.

4.     an Heimkehrer, die nach dem 01.01.1948 zurückgekehrt sind, als Sonderkredit der im Rahmen der staatl. Gewerbeförderung gewährt werden kann.

 

Aus Mitteln des Bundes können Aufbaukredite aus dem Härtefonds nach dem Lastenausgleichsgesetz an Heimkehrer gewährt werden, die nach dem 01.01.1948 zurückgekehrt sind. Heimkehrer, die nach dem 01.07.1953 entlassen worden sind, können Kredite für einen Gewerbebetrieb, für die Ausübung eines freien Berufes oder für die Landwirtschaft sowie Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau als Vorleistung aus dem Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz erhalten.

 

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Kriegsgefangenen, die nach dem 31.12.1946 zurückgekehrt sind, für jeden Kalendermonat des Festhaltens im ausländischen Gewahrsam einen Betrag von 30,-- DM, nach weiteren 2 Jahren im ausländischen Gewahrsam von 60,-- DM erhalten.

 

 

Seite 7   Vorschüsse auf die Unterhaltshilfeerhöhung

Der Bundestag hat einem Abänderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz zugestimmt, das die Lastenausgleichsämter ermächtigen soll, die seit langem erwarteten Zuschläge zu den Unterhaltungshilfen rückwirkend ab 1. Juli 1954 auszuzahlen. Die Erhöhungssätze für den Berechtigten betragen 15 DM (Gesamtbetrag jetzt 100 DM), für den Ehegatten 12,50 DM (Gesamtbetrag jetzt 50 DM) und für jedes Kind (bzw. Vollwaise) 7,50 DM (Gesamtbetrag jetzt 35 D-Mark). Es ist vorgesehen, dass diese Zahlungen noch vor Weihnachten durchgeführt werden. Das wird jedoch davon abhängen, ob der Bundesrat diesem Gesetz so rechtzeitig seine Zustimmung gibt, dass die Anweisungen noch zeitgerecht hinausgehen können. Nach dem Wortlaut des Gesetzes handelt es sich um Vorschusszahlungen über die Erhöhung der Unterhaltshilfesätze, die in der Novelle zum Lastenausgleichsgesetz zu regeln sind. Dieser technische Vorgang hat für die Unterhaltshilfeempfänger keine praktische Bedeutung; er wurde lediglich gewählt, um zu verhindern, dass mit der Auszahlung der Zuschläge gewartet werden muss, bis die Gesamtnovelle vom Bundestag verabschiedet ist, was wiederum kaum vor Januar zu erwarten ist.

 

 

 

Seite 7   Wichtige Hinweise.

Wer ist für die Erteilung von Erbscheinen zuständig, wenn die Erblasser außerhalb des Bundesgebietes verstorben sind? Für die Heimatvertriebenen und Ost-Flüchtlinge bereitet die Beschaffung von Erbscheinen, vornehmlich für Zwecke des Lastenausgleichsverfahrens, immer noch erhebliche Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass selbst die Gerichte bezüglich der Zuständigkeit zur Ausstellung von Erbscheinen für die oben genannten Personengruppen unterschiedliche Auffassungen vertreten.

 

Nunmehr hat das Kammergericht Berlin (West) entschieden, dass für die Ausstellung eines Erbscheins nach einem deutschen Erblasser, der in der sowjetischen Besatzungszone oder in Ost-Berlin seinen letzten Wohnsitz hatte, gemäß § 73 Abs. 2 Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg zuständig sei (Beschluss vom 08.04.1954 — 1 AR 13/54). Für diese Entscheidung war die Feststellung des Gerichts maßgeblich, dass nach einer Rundverfügung Nr. 31/53 des Leiters der sowjetzonalen Justizverwaltung vom 07.04.1953 den staatlichen Notariaten als den nach dem dortigen Recht für die Erteilung von Erbscheinen zuständigen Behörden untersagt worden ist, für Zwecke des Lastenausgleichs Erbscheine zu erteilen.

 

Zur Ausstellung von Erbscheinen für Erblasser, die in den polnisch besetzten Gebieten verstorben sind, ist ebenfalls das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig, wenn Nachlassgegenstände im Gebiet der Bundesrepublik nicht vorhanden sind (OLG Neustadt — 3 W 144/1953).

 

Ist der Erblasser ein Ausländer und hatte er zur Zeit des Erbfalles im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt gehabt, so ist zur Ausstellung des Erbscheines das Nachlassgericht im Bundesgebiet zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden. Befindet sich im Bereich der Bundesrepublik kein Nachlassgegenstand, so ist nach der Auffassung des Kammergerichts Berlin für die Erteilung von Erbscheinen für Lastenausgleichszwecke das Amtsgericht zur Erteilung des Erbscheins zuständig, in dessen Bezirk das zuständige Ausgleichsamt seinen Wohnsitz hat.

 

 

Seite 8   Die Dynamo-Affaire. Von Dr. med. Ottmar Kohler, Köln.

In diesen Tagen wehten die Fahnen in der Bundesrepublik auf Halbmast: das Volk trauerte um Brüder und Schwestern, die noch hinter Stacheldraht und Gefängnismauern zurückgehalten werden. Wir wissen mit Sicherheit von 9297 deutschen Kriegsgefangenen, dass sie in der Sowjetunion schuldlos zu hohen Freiheitsstrafen von 25 Jahren Zwangsarbeitslager und mehr verurteilt sind, und wir kennen das Schicksal von Hunderttausenden deutschen Zivilpersonen, die verschleppt wurden.

 

Wissen Sie, was 25 Jahre Zwangsarbeitslager bedeuten? Das ist der Tod! Ich habe keinen Russen gesehen, der diese 25 Jahre überstanden hätte. Aber es ist ein langsamer Tod. Jedes Jahr wird der Verurteilte weniger, wird vorübergehend Arbeitsstufe III oder O. K. oder Dystrophiker und erholt sich wieder — aber nie bis zur alten Frische. So sinkt er ab. Langsam von Stufe zu Stufe.

 

Trotzdem spielte in diesen Tagen eine sowjetrussische Eishockeymannschaft in verschiedenen Städten der Bundesrepublik. Ich stelle es fest voller Empörung! Als ich von diesen Gastspielen erfuhr, habe ich sofort alle mir erreichbaren Dienststellen auf die Ungeheuerlichkeit aufmerksam gemacht. Vergebens! Am 19.10.1954 habe ich einen offenen Brief an die Presse geschrieben und hoffte, er würde am 20.10.1954 in allen Zeitungen stehen. Durch widrige Umstände erfolgte der Abdruck erst am 21.10.1954. Die meisten Zeitungen haben nur einen kleinen Auszug gebracht. Der volle Wortlaut war:

 

„Als ich gestern bei der Durchgabe der Nachrichten hörte, dass am Mittwoch, dem 20.10.1954, in Köln die sowjetische Eishockey-Mannschaft „Dynamo“ im Eisstadion gegen eine deutsche Mannschaft spiele, glaubte ich mich zunächst verhört zu haben. Aber die Nachfragen bestätigten mir die Tatsache. Seit vielen Tagen sind sogar keine Karten mehr zu bekommen. Es gibt viele Dinge in dieser westlichen Welt, die rätselhaft sind für mich — die Tatsache, dass eine sowjetische Eishockey-Mannschaft „Dynamo“ in Köln spielt, ist völlig unverständlich. Aber ich bin auch erst knapp zehn Monate wieder hier, es ist, als wäre ich von einem fremden Stern auf diese Welt gefallen. Wie immer in den letzten Jahren, so ist auch dieses Mal wieder eine Woche im Oktober dem Gedenken an die Kriegsgefangenen gewidmet, die noch immer nicht nach Hause zurückgekehrt sind. Die meisten dieser Kriegsgefangenen werden gegen alle Begriffe des Rechts und der Moral, der Ethik, heute — neun Jahre nach Beendigung des Krieges — noch in der Sowjetunion zurückgehalten. Aber in den Tagen, da wir ihrer besonders gedenken, da wir nach ihrer Rückkehr rufen — spielt in unserer Mitte die Eishockey-Mannschaft „Dynamo“ Moskau in Köln. Und Tausende gehen dorthin. — Ist das nicht etwas Ungeheuerliches? Wie kann das geschehen? Das ist kein Zufall! In der Sowjetunion ist alles mit der Politik und der Propaganda verknüpft. Auch der Sport. Die sowjetische Mannschaft wird sicher ausgezeichnet spielen, davon bin ich überzeugt. Es könnten nun in Westdeutschland, vor allem auch in Köln, beim Gedenken an die Kriegsgefangenen manche harte Worte gegen die Sowjetunion fallen. Das Auftreten einer ausgezeichneten Mannschaft soll nun Gegenstimmung machen. Die Zeit ist darum sehr geschickt berechnet. — Noch etwas zu dem Wort „Dynamo“! Es hat einen ganz bitteren Beigeschmack für mich. In Stalingrad gibt es ein großes Stadion „Dynamo“, einen herrlichen Sportplatz. Er wurde in den traurigen Tagen des Kampfes um Stalingrad der deutsche Soldatenfriedhof. Tausende von Kameraden sind dort begraben, und mustergültig war er angelegt mit Blumen und Kreuzen, auf denen die Namen standen. Die Russen haben ihn eingeebnet, und da sie ihn nicht bebauen konnten — beim Ausheben des Erdreiches wären zu viele Tote auferstanden — haben sie einen Sportplatz darauf angelegt. Jetzt spielt und turnt die „fortschrittlichste Jugend der Welt“ über den Gräbern unserer gefallenen Kameraden. Auch in dieser Eishockey-Mannschaft aus der Sowjetunion sind einige, die dort schon auf den Gräbern der deutschen Soldaten spielten — und heute spielen sie vor deren Frauen, Brüdern und Söhnen in Deutschland, in Köln — und werden bejubelt. Versteht Ihr das? — Wir bitten die Sowjetunion, schickt keine Sportmannschaft „Dynamo“, schickt uns die Kriegsgefangenen zurück und gebt uns die Listen der Verstorbenen — mehr wollen wir nicht“.

 

Dieser offene Brief hat nicht vermocht, das Spiel zu verhindern. In Köln waren 8000 Zuschauer anwesend und feierten den Sieger, die sowjetische Mannschaft.

 

In weiten Kreisen hat mein Protest sofort Widerhall gefunden. Aber es sind auch einzelne Stimmen laut geworden, die gefragt haben, was hat Sport mit Politik zu tun? Nun, gerade weil ich einen Sport ohne Politik will, deshalb muss ich jede sowjetische Mannschaft ablehnen. Wir alle, die die Sowjetunion ein Jahrzehnt lang erlebt haben, wissen folgendes: In der Sowjetunion dient alles der Politik, und Politik bedeutet in der Sowjetunion Propaganda und Ausbreitung des Kommunismus. Die Grenzen der Sowjetunion sind noch immer für die Sowjetbürger hermetisch verschlossen. Jeder Sowjetbürger, der die Sowjetunion verlassen darf, jeder, der ihre Grenzen überschreitet, ist geschickt mit einem politischen Auftrag. Das ist für jeden Sowjetbürger und besonders für jeden Angehörigen der MWD (Geheime Staatspolizei) so selbstverständlich, dass er das gleiche auch von jedem anderen Staat annimmt. Wenn in der Kriegsgefangenschaft die MWD von einem deutschen Kriegsgefangenen erfahren hatte, er sei einmal im Ausland gewesen, dann war er in ihren Augen ein Spion. Immer wieder hat die MWD dies Armen vernommen — tags und mit Vorliebe nachts. Immer wieder haben sie ihn gefragt: „Was hast du für einen Auftrag? Und wenn der Deutsche fassungslos und verständnislos dieser Frage gegenüberstand und nichts antworten konnte, dann war er für die MWD ein Verstockter, den man mit Hunger und Prügeln zwingen müsse, auszusagen. Noch heute sitzen Kriegsgefangene in der Sowjetunion hinter Stacheldraht, die in friedlichen Zeiten ihre Hochzeitsreise ins Ausland gemacht haben und unbefangen genug waren, es in der Gefangenschaft offen zu erzählen. Sie wurden verurteilt zu 25 Jahren Straflager wegen Spionage!

 

Deshalb wende ich mich gegen jeden sowjetischen Sportler und auch gegen diese Eishockey-Mannschaft. Das sind ja keine freien Sportler, es sind Propaganda-Funktionäre, es sind Spione. Es sind auch keine Amateursportler, sondern es sind menschliche Automaten, Berufsspieler, Artisten. Sie spielen jeden Tag 10 Stunden Eishockey. Einen anderen Beruf haben sie nicht. Sie spielen ausgezeichnet, kein Wunder! Wenn ein Volk von über 200 Millionen Menschen die besten Leute heraussucht und als Berufsspieler jahrelang trainiert, dann kommt selbstverständlich eine ungewöhnliche Leistung heraus. Und diese Leistung soll Propaganda machen für den Kommunismus, und sie tut es auch. Der Zuschauer in Westeuropa kennt die Zusammenhänge nicht. Er sieht nur die Leistung und klatscht.

 

Dass die sowjetische Eishockey-Mannschaft sogar an den Tagen in der Bundesrepublik spielen konnte, an denen das deutsche Volk ganz besonders der noch nicht heimgekehrten Gefangenen gedenkt, um sie trauert, ist eine Schmach! Ich frage: Wie ist das Gastspiel der Sowjets zustande gekommen? Wer hat die Termine bestimmt? Wie konnte ein deutscher Sportverband eine solche Begegnung überhaupt erlassen? Wie konnten Tausende deutscher Menschen zu dem Spie! laufen, den Sowjetrussen zujubeln, während die Flaggen auf Halbmast standen aus Trauer, aus Empörung über das Unrecht, das den vielen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, ihren Angehörigen zu Hause und damit dem ganzen deutschen Volk zugefügt wird? Ich frage weiter: Wer ist die städtische Instanz, die Einfluss auf die Vergebung der Spielanlagen hat? Wie konnte das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen die Genehmigung zu diesen Spielen während der Gedenktage für die Kriegsgefangenen geben?

 

 

 

Seite 8   Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen.

Das nächste Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie ist erst für das Jahr 1956 geplant. Über Ort und Zeit kann noch nichts gesagt werden.

 

Das Jahr 1955 bietet daher gute Gelegenheit, in Verbindung mit allgemeinen Heimattreffen oder ähnlichen Veranstaltungen Zusammenkünfte in kleinerem Kreise, etwa orts- oder vereinsweise zu vereinbaren. So wollen z. B. einige Königsberger Turnvereine die 700-Jahrfeier ihrer Heimatstadt Pfingsten 1955 in der Patenstadt Duisburg zum Anlass nehmen, dort gleichzeitig ein Vereinstreffen zu veranstalten. Auch im Jahre 1955 wird daher wohl für die meisten Turnschwestern und Turnbrüder aus unserer Heimat eine Möglichkeit geboten werden, sich mit turnerischen Gesinnungsgenossen festlich und fröhlich zu begegnen.

 

Den Geburtstagskindern des November 1954 herzliche Glückwünsche! Vor allem wiederum denen, die ein neues Lebensjahrzehnt beginnen:

 

40 Jahre alt

 

am 01.11.1954: Käte Kühnel-Stier (Danzig-Ohra),

 

am 03.11.1954: Gertrud Mey, (KTC Kbg.),

 

am 04.11.1954: Hilde Lewald. (Elbing),

 

am 08.11.1954: Alfred Arke (Tgm Danzig);

 

am 25.11.1954: Hans Bonacker, (Tilsit);

 

am 26.11.1954: Charlotte Mildt-Schiemann (KTC Kbg.).

 

50 Jahre alt:

 

am 04.11.1954: Charlotte Peter-Wroblewski (Zoppot);

 

am 05.11.1954: Hans Pischke (Zoppot);

 

am 15.11.1954: Gertrud Steingräber-Fahl (TuF Danzig).

 

60 Jahre alt:

 

am 19.11.1954: Frieda Schulz-Zerfowski (KTC Kbg.);

 

am 20.11.1954: Erich Geniffke (Tgm Danzig).

 

76 Jahre alt: am 20.11.1954:. Richard Wittig (KMTV Kbg.);

 

77 Jahre alt: am 23.11.1954: Paul Kadereit (Insterburg/Marienwerder);

 

78 Jahre alt: am 15.11.1954: Conrad Bayer (Tgm Danzig) und

 

90 Jahre alt: am 27.11.1954: Marie Henke (Turnlehrerinnenverein Kbg.).

 

Die letztgenannte älteste Turnerin unserer Gemeinschaft verbringt ihren Lebensabend in Bad Neuenahr, Haus Abendfrieden. Ihr und ebenso allen anderen Geburtstagskindern ein zukunftsfrohes Gut Heil!

 

Zur Vermählung die herzlichsten Glück- und Segenswünsche unserm verdienten und stets einsatzfreudigen Turnbruder Fritz Ludwig (Marienwerder) und seiner Gemahlin Ursula geb. Lehmann, Ratzeburg, Möllnerstr. 31, die am 28.09.1954 den Bund für's Leben geschlossen haben.

 

Das Anschriftenverzeichnis vom 15.02.1954 mit Nachtrag bis 01.07.1954 ist noch in größerer Zahl vorrätig. Bestellungen zum Herstellungspreis von 1,50 DM erbittet Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.) Postscheckkonto Hannover 11 60 75. Der Erlös ist gleichzeitig ein Beitrag zu den allgemeinen Unkosten der Turnerfamilie.

 

Die Max-Schwarze-Gedenkrede, die Turnbruder Dompfarrer Gerner-Beuerle am 22.08.1954 in Hameln bei der Totengedenkfeier des Bundesalterstreffen des DTB gehalten hat, ist als Sonderheftchen mit dem Bilde von Max Schwarze im Limpert-Verlag zum Preise von 25 Pfg. erschienen. Wer diese Rede in der Morgenfeier auf dem Friedhof „Am Wehl“ gehört hat, wird sie gern nachlesen. Aber auch allen anderen, die zum deutschen Turnertum stehen, vermag sie unendlich viel zu schenken. Bestellungen bitte an Wilhelm Alm in Oldenburg (Oldb.), möglichst durch Zahlkarte (25 und 7 Pfg. Porto — 32 Pfg.). Onkel Wilhelm

 

 

Harwstaowend. Von Wanda Wendlandt

De Keej önne Koppels morre,

dat schuddert se äwre Fell;

anne Kuhl verschleppt söck de Schlorre

bi et Melke de Marjell.

Se puust önne rode Hände

De vonnem ruge Wind

Un Mott biet Kartoffelscharre

Dick opjekischelt sind.

 

De Rook qualmt vonne Däke,

et rejent wi oppe Hund;

de Kartoffelwaoges schwäke

un finde bold kein Grund.

Da Karo schlackert dem natte

Pölz söck un beröckt am Steen

dem verdereejde Dösselstrempel

un häwt dem Hinderbeen –

 

 

 

Seite 8   Zwei bekannte Jubilare

Gartenbaudirektor Schneider 80 Jahre alt.

Gartenbaudirektor Ernst Schneider feiert am 3. Dezember 1954, seinen 80. Geburtstag. Er lebt jetz in Gmünd in der Eifel, Urftseestraße 29.

 

Herr Schneider kann als Gartenbaugestalter auf ein reich gesegnetes Berufsleben zurückblicken. Der Stadt Königsberg Pr. gab er während 25 Jahren als Leiter des Gartenamtes neuen städtebaulichen Ausdruck. Die Königsberger Grünanlagen galten wegen ihrer großzügigen Ausdehnung und künstlerischen Eigenart als einzigartig und beispielgebend für viele andere Städte.

 

Herr Schneider, geboren in Würzburg, kam über Berlin, Köln, Neuß, Bochum, wo er sich bereits bei der Ausführung öffentlicher Grünanlagen einen Namen gemacht hatte, vor 50 Jahren als städtischer Gartendirektor nach Görlitz, 1913 in gleicher Eigenschaft nach Posen. Im ersten Weltkrieg war er zur Wehrmacht einberufen, im letzten Kriegsjahr als künstlerischer Beirat für Kriegerfriedhöfe. 1919 erfolgte seine Berufung nach Königsberg Pr. Dort fand er den Höhepunkt seines Schaffens, nicht nur bei der Stadtverwaltung, sondern auch in ganz Ostpreußen und weit darüber hinaus. Durch seine vielseitigen, stets anregenden Vorträge, ferner als Dozent an den staatlichen Meisterateliers, als Mitarbeiter beim samländischen Küstenschutz, beim Naturschutz, bei der Wasserbaudirektion, beim Landesbauamt, im Kleingartenbau, der Landschaftspflege, im Siedlungswesen, bei der Anlage von Friedhöfen, bei Sportplatzbauten, als Vorsitzender der Gartenmeisterprüfungskommission, der Gruppe Preußen der Gesellschaft für Gartenkunst trug seine umfangreiche Tätigkeit sehr zur Entwicklung dieser sozialen und kulturellen Aufgaben in Ostpreußen bei. Besonders die Königsberger schätzten und liebten Herrn Schneider als ihren genialsten und stets hilfsbereiten Schöpfer ihrer Anlagen.

 

Auch heute noch ist Herr Schneider gern als Sachverständiger in ungebrochener Schaffensfreudigkeit bereit, wenn es gilt, die Erfahrungen aus seinem heiß geliebten Beruf zu verwerten, durch seine Talente und stets heiteres, aufgeräumtes Wesen seinen Mitmenschen Freude zu bereiten.

 

 

Professor Dr. Bruno Schumacher zum 75. Geburtstage am 2. Dezember 1954.

Bruno Schumacher wurde vor 75 Jahren im Elsaß von ostpreußischen Eltern geboren, kam aber schon mit vier Jahren nach Königsberg, wo er das Friedrichs-Kollegium besuchte und an der Albertina Theologie, Geschichte und Kunstgeschichte studierte. Er wirkte dann, nachdem er 1902 mit einer Arbeit über „Niederländische Ansiedlungen im Herzogtum Preußen zur Zeit Herzog Albrechts“ zum Dr. phil. promoviert hatte, am Friedrichkollegium, zuletzt als dessen letzter Direktor mit dem Titel Oberstudiendirektor.

 

Am letzten Februartage des Jahres 1945 musste er Königsberg verlassen. Er floh nach Holstein und wurde 1945 an der Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg angestellt, erhielt auch als Honorarprofessor einen Lehrauftrag für Geschichte an der Hansischen Universität. Sein bedeutendstes Werk ist eine umfangreiche Geschichte von Ost- und Westpreußen“, volkstümlich die Schrift „Aus der Geschichte Ostpreußens“. Beachtlich ist ferner die Schrift „Der deutsche Orden und England“.

 

 

Seite 8   Wir gratulieren

 

Christian Herbst begeht in Berlin-Zehlendorf am 10. November 1954, den 75. Geburtstag. In Öttingen (Bayr. Schwaben) geboren, trat er nach rechts- und staatswissenschaftlichen Studien in den Kommunaldienst ein, wurde im Jahre 1909 zum Bürgermeister von Osterode (Ostpreußen) gewählt, 1921 Vizeoberpräsident von Ostpreußen Im Jahre 1928 ging er als Regierungspräsident nach Lüneburg. 1933 wurde er als solcher entlassen. Von 1945 - 1948 war er Generalinspektor der Wasserwirtschaft für die sowjetische Besatzungszone.

 

Seinen 77. Geburtstag feierte am 16. Oktober 1954 Herr Martin Wallat aus Königsberg/Pr. Der Jubilar wohnt jetzt in Gleidkamp, Post Matjendorf in Oldenburg.

 

Am 19. November 1954 vollendet Frau Olga Busse geb. Bleß aus Popelken, Kreis Labiau, jetzt Altersheim Platjenwerbe bei Lesum, Bez. Bremen, ihr 85 Lebensjahr.

 

Mit Foto. Am 19 Oktober 1954 wurde Bezirksschornsteinfegermeister i. R. Franz Graf, 76 Jahre alt. Herr Graf war Bezirksschornsteinfegermeister in Frauenburg, Seeburg und bis zur Flucht im Januar 1945 in Königsberg. Dreieinhalb Jahre verbrachte er im Internierungslager in Dänemark. Herr Graf wohnt heute in Lippoldsberg, Neuendorfer Straße 189.

 

Am 26. Oktober 1954 beging Frau Anna Nicolaus, geb. Stegmann in geistiger und körperlicher Frische ihren 77. Geburtstag. Sie wohnte früher in Königsberg Pr. und verlebt nunmehr ihren Lebensabend bei ihrer Tochter in Coburg, Gustav-Hirschfeld-Ring 40. Es wünschen ihr weiterhin alles Gute ihre Kinder, Großkinder und Urgroßkinder.

 

Der Lok.-Führer a. D. Eduard Schischke oder Schischka, aus Braunsberg Ostpreußen, jetzt in Seesen a. H., Bornhäuser Str. 4 wohnhaft, vollendet am 15. Dezember  1954 in vorzüglicher körperlicher und geistiger Frische sein 80. Lebensjahr.

 

Am 5. November 1954 begingen die Eheleute Postbetriebsassistent a. D. Otto Conrad und seine Ehefrau Amanda, geb. Abraham, aus Königsberg (Pr), jetzt sowj. besetzte Zone, ihre goldene Hochzeit.

 

 

 

Seite 8   Flensburger Ostpreußenfamilie

Im Monat November können die nachstehend aufgeführten betagten Mitglieder der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisverein Flensburg-Stadt, ihren Geburtstag feiern.

 

Am 01.11.1954: Fräulein Frida Krumm, Junkerhohlweg 14, früher Königsberg, Unterhaberberg 76, 71 Jahre.

 

Am 01.11.1954: Frau Lina Hensel, Husumer Str. 2, früher: Richtenberg, Kreis Johannisburg, 71 Jahre.

 

Am 02.11.1954: Herr Eduard Lange, Norderstraße 24, früher: Urfelde, Kr. Stallupönen, 85 Jahre.

 

Am 06.11.1954: Frau Schwellnus, Große Str. 61, früher: Sangen, Kr. Heydekrug, 72 Jahre.

 

Am 07.11.1954: Frau Marie Reahn, Munketoft 27, früher: Rastenburg, Bahnhofsstr. 9a, 74 Jahre.

 

Am 09.11.1954: Herr Gustav Bettin , Eckernförder Landstraße 61, früher: Tilsit, Brückenstraße 1. 71 Jahre.

 

Am 12.11.1954: Herr Aug. Gerhardt, Weichselstieg 8, früher: Ebenrode. 87 Jahre.

 

Am 12.11.1954: Frau Olga Hinz, Ochsenweg 300, früher: Modgarben, Kreis Rastenburg, 79 Jahre.

 

Am 13. 11.1954: Frau Wilhelmine Broweleit, Solitüde 3. Früher: Goldap, Jablonker Straße 3, 92 Jahre.

 

Am 18.11.1954: Herr Hermann Rock. Apenrader Straße 96. 77 Jahre.

 

Am 18.11.1954: Frau Gertrud Schmack, Südergraben 13, früher: Wormditt, Adolf-Hitler-Straße 37. 70 Jahre

 

Am 21.11.1954: Frau Helene Labjon, Karlsstraße 6, früher: Schippenbeil, Kreis Bartenstein, 73 Jahre

 

Am 23.11.1954: Frau Auguste Beyer. Altersheim Kloster, früher: Labiau, Königsberger Straße 20, 70 Jahre

 

Am 23.11.1954: Herr Ludwig Schulz, Friedrichstraße 17, früher: Eichenfeld, Kreis Gumbinnen, 73 Jahre

 

Am 25.11.1954: Herr Heinrich Launert, Jürgenstraße 85, früher: Rugehn, Kreis Heydekrug, 77 Jahre

 

Am 25.11.1954: Frau Berta Massalsky, Neustadt 56, früher: Tilsit, Merwisch-Park 6, 80 Jahre

 

Am 28.11.1954: Herr August Broßinski, Burgstraße 27, früher: Elbing, Spieringstraße 7, 74 Jahre

 

Am 28.11.1954: Frau Maria Fischer, Altersheim Eckernförder Landstraße, früher: Königsberg, Hochmeisterstraße 13, 71 Jahre

 

Allen ihren lieben Geburtstagskindern wünscht die Ostpreußenfamilie in Flensburg und der Vorstand einen gesegneten Lebensabend und gratuliert von ganzem Herzen. Armoneit

 

 

 

Seite 9   Der Kreytzensche Platz. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

Foto: Altstädtische Kirche und Schloss (Kaiser-Wilhelm-Platz)

Als Markgraf Albrecht von Brandenburg, der letzte Hochmeister, 1525 den Orden säkularisierte, waren seine Ordensritter damit größtenteils herzlich einverstanden. Sie hatten alle den Spott der Bevölkerung, welche die Weißmäntel allerorts verhöhnte, satt, und sahen ein, wie recht Albrecht hatte, den vergreisten und überlebten Gottesstaat durch eine kühne Revolution von oben in die der neuen Zeit gemäße Form des weltlichen Staates umzuwandeln. So wurden aus Komturen, Vögten und Pflegern Amtshauptleute oder sonstige Beamte des Herzogs. Einige heirateten sogleich.

 

Unter den 56 Ordensbrüdern waren nur sieben, welche den alten Zustand aus verschiedenen Gründen aufrecht erhalten wissen wollten, unter ihnen der jugendliche Herzog Erich von Braunschweig-Lüneburg, der vielleicht heimlich nach der Hochmeisterwürde dürstete, dann mit dem Starrsinn seines Hauses ein Heinrich Reuß von Plauen und ein Ordensritter Philipp von Creutz.

 

Dieser griff sogar zur Feder, um den Ordensstaat zu verteidigen und verglich die Ordensherren mit Fröschen, die einen Storch zum König gewählt hätten und nun einer nach dem andern von diesem aufgefressen würden, bis ihrer keiner mehr übrig sei. Vom Hochmeister Herzog sagte er: „Er ist gar ein böser Schafhirt, hat seine Schafe selbst aufgefressen, das ihm der Wolf muss segnen“.

 

Es half ihm nichts. Die Geschichte schritt über die sich Sträubenden hinweg.

 

Uns interessiert aber dieser Ritter von Creutz, weil er schließlich doch im Lande blieb.

 

Wir hören im Laufe der Herzogsgeschichte des Öfteren die Namen von Creutzen, von Kreutzen und später von Kreytzen — das ist das Geschlecht dieses Ritters. So amtierte noch unter Herzog Albrecht ein Oberburggraf Christof von Creutzen und dessen Bruder, der herrschsüchtige und schlaue Kanzler Dr. Johannes von Creutzen.

 

Immer wieder taucht der Name auf; so erbaute 1632 der Obermarschall von Kreutzen auf der Burgfreiheit am Kreuztor den „Landhofmeistersaal“, und auf diesem, dem Landhofmeister Andreas von Kreytzen 1703 abgekauften Gelände entstand das erste Friedrichskollegium.

 

Dann begegnet uns der Kanzler von Kreytzen, der 1697 den Kurfürsten Friedrich III. auf der fünfstöckigen alten Linde im Herzoglichen Garten bewirtete.

 

Dieses Adelsgeschlecht war in Königsberg reich begütert. So hatte es auch in Gegend der heutigen Hauptpost Grundbesitz. Der Platz gegenüber dem Hippelschen Palais hieß schon längst der Kreytsche Platz. Dieses wunderschone Barockpalais des Stadtpräsidenten Hippel mit schmucker Freitreppe wurde nach seinen Tode von der Post angekauft und diente als Posthaus. Eine Federzeichnung im Besitze der Altertumsgesellschaft Prussia hat es uns im Bilde aufbewahrt, denn 1887 wich es dem Ziegelneubau der Post.

 

Der freie Platz gegenüber also, der Kreytzensche Platz, wurde bereits im 18. Jahrhundert als feste Stätte für ein Theater ausersehen, denn Königsberg war nach Leipzig mit seinem Schauspielhaus die erste deutsche Stadt mit ständigem Theater. Sonst zogen die Mimen allgemein mit ihrem Thespiskarren durch Deutschland und spielten in Gasthaussälen oder auf anderen primitiven Bühnen ihre Stücke. Unter den Theatertrupps gab es bedeutende Künstler oder auch elende Schmierenkomödianten, und entsprechend waren ihre Leistungen.

 

In Königsberg aber unterbreitete der tatkräftige und angesehene und auch als Schauspieler tüchtige Theaterdirektor Ackermann, Friedrich dem Großen den Antrag, auf dem Kreytzenschen Platz ein ständiges Theater bauen zu dürfen. Friedrich, der zwar gegen Königsberg und Ostpreußen eine schwer verständliche Abneigung hatte, aber immerhin den Musen hold war, schenkte 1753 Ackermann den Kreytzenschen Platz, damit er dort eine Musenstätte errichte.

 

Es geschah. Das Theater wurde im Jubeljahr des 500-jährigen Bestehens der Stadt Königsberg — 1755 — eröffnet und gut besucht. Es hielt sich auch in der Folgezeit, was dem Kunstsinn der Königsberger das beste Zeugnis ausstellt. Nach Ackermanns Tode wurde dieses Haus als Theater, Konzert- und Gesellschaftshaus weiter benutzt und 1791 vergrößert; 1797 und 1800 brannte es ab, wurde aber jedes Mal sogleich aufgebaut und kam schließlich sogar in den Ruf, in seinen Kellern gehe der selige Theaterdirektor Ackermann um und suche dort nach verborgenen Schätzen.

 

In diesem Theater, das seit 1802 sogar eine stehende Schauspieltruppe hatte, sah E. T. A. Hoffmann im Jahre 1804, bei seinem letzten dreiwöchigen Aufenthalt in Königsberg, mehrere Stücke Kotzebues, sowie „die Räuber“ und den „Wallenstein“ des Herrn Friedrich Schiller aus Weimar“.

 

Nachdem das Theater 1809 in den gediegenen Neubau des Stadttheaters auf dem Königsgarten umgesiedelt war, blieb das Haus auf dem Kreytzenschen Platz weiter als Konzert- und Gesellschaftshaus benützt, bis es im Jahre 1838 abgebrochen wurde, um dem Neubau der Altstädtischen Kirche zu weichen.

 

Schon seit vielen Jahren war nämlich der Turm der Altstädtischen Kirche auf dem Altstädtischen Kirchenplatz, der eine Tordurchfahrt hatte, aus seiner lotrechten Stellung gewichen und auch Pfeiler und Deckengewölbe des Langses wurden bei der mangelhaften Festigkeit des Grundes schadhaft. So musste man sie nach nur 300-jährigem Bestehen 1826 wegen Baufälligkeit abreißen. Denn damals gab es ja noch keinen Beton, um den Untergrund zu festigen.

 

Da es dem Zeitgeist entsprach, nach Erschöpfung all der inzwischen einander ablösenden Baustile der Renaissance, des Barocks, des Rokoko, wieder auf die sinnfällige Gotik zurückzugreifen, so wurde dem besten Vertreter der Neugotik, Karl Friedrich Schinkel, auf Betreiben des Obertribunalrats von Kanitz der Auftrag des Neubaus übergeben.

 

Dieser geniale Meister, in dem sich Klassizismus und Romantik großartig vermählten, der kein Eklektiker, sondern ein nachempfindender Neuschöpfer war, zauberte sogleich einen seiner himmelanstrebenden Sandsteindome hervor – auf dem Papier.

 

Denn, ach dieser große Maler, Bildner und Architekt lebte in einer unglücklichen, dürftigen Zeit, die geniale Riesenbauten nur auf dem Papier erlaubte, deren Umsetzung in die reale Wirklichkeit aber die Nöte und die Armut der Zeit nicht gestatteten! Man denke nur an das Denkmal der Befreiungskriege auf dem Kreuzberg in Berlin: Was blieb von allem Wollen und Planen? Ein kleines billiges, gotisches Spitzchen, über dessen Armseligkeit man heute staunt!

 

Was hätte Schinkel in der Renaissancezeit oder im Barock geschaffen!

 

So war es auch in Königsberg —. Der Kreytzensche Platz war viel zu klein für den Riesendom- der Sandstein viel zu teuer, und so kam es, wie es kommen musste: sein Dom schrumpfte zusammen und trat in ostpreußischem Ziegel ins Leben. Die viel zu dicken und viel zu vielen Säulen im Innern, die so störend wirkten, waren noch das traurige Ergebnis der Projektion des Riesendomes ins Kleine.

 

Trotz all dieser Gewalt, die der Kirche angetan wurde, lebte doch des großen Meisters Geist in ihr: man betrachte sie einmal in Ruhe von der Junkerstraße aus: wie fein nachempfunden war diese Gotik doch!

 

Nichts von der Überladenheit gotischer Wimpergen, Kreuzblumen, Krabben, Fialen u. s. w., wie sie die modernen Gotizisten der 70-er und 80-er Jahre in so beleidigender Überfülle anwandten, um zu zeigen, wie gut sie das Lehrbuchmäßige des gotischen Stiles beherrschten!

 

Ganz typisch für Schinkel — und daran erkennt jeder Schinkelkenner die Altstädtische Kirche als sein Werk — sind die auf den Dachfirst aufgesetzten zahlreien tetraedisch gedeckten Spitzentürmchen. Sie fehlen keinem Schinkelschen Werk in gotischer Art.

 

Es gibt übrigens einen Holzschnitt aus der Leipziger Illustrierten von 1844, der Kants Haus von der Gartenseite gesehen darstellt. Auf diesem Schnitt sieht man hinten links einen mit Gerüsten umgebenen Turm — es ist der im Bau befindliche Turm der Altstädtischen Kirche.

 

Die wertvolle Innenausstattung der alten Altstädtischen Kirche — Altar, Kanzel, Orgel, Beichtstühle, Epitaphien — sowie Turmuhr und Glocken siedelten in den Schinkelschen Neubau über.

 

Im Laufe der Jahre verlor sich dann der Name Kreytzenscher Platz.

 

 

 

Seite 9   Saatkornmangel im Königsberger Bezirk.

Der Sender „Kaliningrad“ bestätigt, dass im russischbesetzten Teil Ostpreußens ein erheblicher Saatkornmangel besteht. In einigen Rayons seien nur 20,9 Prozent der Getreideanbaufläche bestellt worden.

 

 

Seite 9   Königsberger 700-Jahrfeier in Duisburg. Sondertreffen und Wiedersehensfeiern.

Nachstehend werden die Berufsgruppen, Vereinigungen, Betriebs- und Schulgemeinschaften bekanntgegeben, die sich Pfingsten 1955 in Duisburg treffen wollen. Damit Lokale vermittelt werden können, die die erwartete Teilnehmerzahl aufnehmen können, wird gebeten, folgendes zu beachten:

 

1. Königsberger Landsleute, die an einem der Sondertreffen teilnehmen wollen, teilen das möglichst sofort dem Vertreter der Gruppe mit.

2. Die Vertreter der Gruppen benachrichtigen auf Grund der Anmeldungen möglichst bald die Stadt Duisburg, Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung, wieviel Teilnehmer voraussichtlich erwartet werden.

3. Andere Gruppen, die sich ebenfalls in Duisburg treffen wollen, geben diese Absicht mit der voraussichtlichen Teilnehmerzahl möglichst bald der Stadt Duisburg, Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung, bekannt. Es werden noch die Anmeldungen der Eisenbahner, der Postangehörigen, der „Feldmühle“ und anderer Betriebsgemeinschaften und Vereinigungen vermisst.

 

Gruppen, die sich in Duisburg zu spät oder überhaupt nicht anmelden, können nicht damit rechnen, ein Lokal für ihre besondere geschlossene Veranstaltung vorzufinden. Es wird gebeten, mit den Anmeldungen keine Quartierbestellungen zu verbinden. Zu Quartierbestellungen wird unter Angabe der Quartiermöglichkeiten noch besonders aufgerufen werden.

Stadt Duisburg Patenstadt für Königsberg

 

 

Stadtverwaltung Königsberg, Stadtverwaltung Duisburg, Auskunftsstelle Königsberg

 

Königsberger Werke und Straßenbahn GmbH., Otto Laaser, Duisburg, Alte Schanze 67

 

Berufsfeuerwehr Königsberg, Ortsbrandmeister Ernst Monien, Düsseldorf, Stoffeler Broich 50

 

Regierung und Oberpräsidium Königsberg, W. Nöckel, Düsseldorf-Oberkassel, Schanzenstraße 34

 

Königsberger Handwerk, Bäckermeister Heinrich Berg, Vorsitzender der Vertretung des ostpreußischen Handwerks, (20a) Leese Nr. 5, Kreis Nienburg (Weser)

 

Industrie- und Handelskammer Königsberg, Hauptgeschäftsführer Dr. Gg. OIschinka, Bonn, Markt 26/32

 

Kreissparkasse Samland, 50 Jahre, Sparkassenrendant Helmut Ratensperger, Arnsberg, Nordring 11

 

Hufengymnasium, Oberstudienrat Dr. Erich Peschties, (21b) Soest/Westf., Brüderstraße 37

 

Friedrichskollegium, Dr. Hanswerner Heincke, Düsseldorf, Karolingerstraße 89

 

Besseloberschule, 90 Jahre, Oberstudiendirektor i. R. Dehnen, (23) Diepholz, Eschfeldstr. 21

 

Burg-Oberschule, Regierungsrat Kurt Erzberger, Düsseldorf, Regierung

 

Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler, 35 Jahre, Vorsitzender Herbert Minuth, Düsseldorf, Suitbertusstraße 34

 

Königsberger Allgemeine Zeitung, Lisbeth Hensel, Bückeburg, Herminenstraße 18a

 

Königsberger Wach- und Schließgesellschaft, Franz Ranglack, Gundelfingen (Donau), Gänsinweg 8

 

Waggonfabrik L. Steinfurt, Horst Hilger, Duisburg, Hohe Straße 60

 

Spielvereinigung Rasensport Preußen 05 e. V., 50 Jahre, Ernst Witt, (23) Aurich, Fischteichweg 2

 

ASCO Königsberg, Hans Schemionek, (23) Sulingen, Lange Straße 75

 

Ehem. 1. Infanterie-Division, General der Inf. a. D. Grase, Einbeck, Friedr.-Ebert-Str. 1/3

 

Ehem. Inf.-Regt 1: Major a. D. Oskar Weiß, Düren, Rütger-von-Schewen-Straße 64

 

Ehem. Gren.-Regt. Kronzprinz: Oberst a. D. C. E. Graf zu Eulenburg, Brunkensen, Bezirk Hannover

 

Pillauer, Hugo Kaftan, (22a) Vluyn, Kreis Moers, Feldstraße 21

 

Bank der Ostpr. Landschaft Königsberg, Elfriede Stein, (22c) Bonn, Julius-Plücker-Straße 12

 

 

Seite 9   Leistungsschau der Königsberger Wirtschaft

Im Sommer 1955 soll die Königsberger 700-Jahr-Feier in der Patenstadt Duisburg festlich begangen werden.

 

Neben vielen anderen Einzelveranstaltungen ist angeregt worden, eine geschlossene „Leistungsschau“ der Königsberger Wirtschaft durchzuführen, an der sich möglichst viele verlagerte Königsberger Firmen beteiligen sollen. Firmen, welche den Wunsch haben und in der Lage sind, sich in den Monaten Mai/Juni 1955 für die Dauer von etwa vier Wochen an dieser Ausstellung zu beteiligen, werden gebeten, dies der Stadt Duisburg, Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung, mit näheren Angaben mitzuteilen. Die Anmeldung zur Teilnahme wird bis zum 30. Dezember 1954 erbeten.

 

 

 

Seite 10   Fleißige Hände schaffen eine neue Industrie. Königsberger Marzipan geht in alle Welt – In München Goldmedaille

Bad Wörishofen. Besitzt das Kneippheilbad Wörishofen im bayerischen Allgäu schon Weltruhm durch seine erfolgreichen Kuren, so sind es jetzt auch die Neubürger-Marzipan-Bäckereien, die den guten Ruf des Heilbads hinaustragen in alle Erdteile. Der „Jungbrunnen Bad Wörishofen“, die Kneippstadt, ist somit zur „süßen Stadt“ geworden.

 

Vertrieben aus der ostpreußischen Heimat, standen die Königsberger im Heilbad zunächst vor einem Nichts. Bald aber schon regten sich fleißige Hände zu neuem Schaffen. Und was für ein Werk sollten die Königsberger schon beginnen? Natürlich wieder das der Marzipanbäckerei, das ihnen einst schon viel Anerkennung einbrachte.

 

Mit zuerst wenigen Kräften ging man an die Gründung der neuen Existenz. Heute sind es bereits viele Männer und Frauen, Meister und Lehrlinge, die vor besonderen Festen — wie jetzt Weihnachten — in drei Schichten Tag und Nacht das so begehrte Marzipan herstellen. Sämtliche europäischen Länder, darüber hinaus Japan, Indien, Australien und Amerika beziehen das echte Königsberger Marzipan aus dem Heilbad. Besonders aber auch die Großbetriebe in Westdeutschland schenken ihren ostdeutschen Arbeitnehmern zu Weihnachten eine Marzipan-Packung. Gewissermaßen ein Gruß aus der alten Heimat, gesendet von Landsleuten!

 

Schon jetzt herrscht Hochbetrieb in den Bäckereien, um zum großen Fest auch den letzten Kunden beliefern zu können.

 

Den Königsbergern gereicht es nun zur Ehre, dass bei der großen Internationalen Schau für Gastronomie und Fremdenverkehr in der bayerischen Landeshauptstadt München dies Königsberger Marzipan mit der „Goldenen Medaille“ ausgezeichnet wurde. Die Konditorei Amende aus Königsberg, vertreten durch die Kurgarten-Konditorei Anton Dillian aus Bad Wörishofen, hat diese großartige Auszeichnung bei stärkster Konkurrenz durch das In- und Ausland errungen.

 

Jeden Königsberger darf diese hohe Auszeichnung mit Stolz erfüllen, besonders aber auch die ganze Kneippstadt. Wieder einmal wurde die hervorragende Wertarbeit der Heimatvertriebenen unter Beweis gestellt! Michael J. Gschrei

 

 

 

Seite 10   Königsberger Suchdienst

263. Paul Bagdahn, geb. 01.12.1879, Reichsbahninsp. a. D.. früher Regentenstr. 37 II.

 

264. Anna Bark, geb. Sucholski, geb. 24.12.1892(?), früher Insterburger Str. 19.

 

265. Hermann Blankenstein, , geb. 27.10.1892, Oberinspektor bei Ladol, früher Wallenrodtstraße 30

 

266. Kurt Blankenstein, geb. 23.03.1904, und Sohn Günter Blankenstein, geb. 18.08.1929, früher Bachstraße 5. Kurt Blankenstein vermisst seit Februar 1945 bei Glogau, Sohn Günter vermisst in Königsberg (Pr.) gesucht von der Ehefrau und Mutter.

 

267. Kurt Block, geb. 26.07.1908, früher Hagenstraße 65, vermisst seit 1942.

 

268. Wilhelm Blume, geb. 07.04.1881, Oberkellner im Nordbahnhof, früher Rennparkallee 88/90, ab Februar 1945 Bölkestr., dann Kummerau.

 

269. August Borawski, ,geb. 02.06.1896, Buchhalter, früher Königstraße 24 II, seit 06.04.1945 in Königsberg vermisst.

 

270. Friedrich Buchholz, geb. 11.12.1879, früher Juditter-Allee 43, seit Januar 1945 in Königsberg vermisst. Gesucht von seinem Sohn.

 

271. Fritz Dumschat, geb. 24.10.1897, Stellmacher bei Wagg. Fabr. L. Steinfurt, früher Krumme Grube 5, später Metgether Str. 1. Seit April vermisst.

 

272. Ernst Erdmann, früher Kummerauer Str. 50, von Bad Blankenburg/Thür, unbekannt verzogen.

 

273. Gertrud Cellfart, geb. 19.07.1895, Wirtschafterin bei Dr. Richter, früher Ziethenstraße 19.

 

274. Max Clumb, geb. 12.10.1913, Architekt, früher Grünhoffer Weg 2, seit 22.12.1942 in Russland vermisst.

 

275. Johannes, Groß, Polsterer u. Dekorateur, früher Tragh. Pulverstraße 52 a.

 

276. Richard Groß, geb. 26.08.1891, früher Alter Graben 20.

 

277. Eberhard Konegen, geb. 07.02.1927, früher Königstraße 59 a.

 

278. Liesbeth Kreßies, geb. Radowski, geb. 06.10.1912, früher Königsberg-Jerusalem, Tiefenweg 3, April 1945 verschleppt. Gesucht von der Mutter.

 

279. Alfred Lau, geb. 27.11.1890, Kaufmann, früher Lavendelstr. 14.

 

280. Fritz Lindemann, geb. 03.11.1904, Vorarbeiter beim Heereszeugamt, früher Liep, Olmützer Weg 41; soll 1946 im Yorck-Lazarett gewesen sein, seitdem vermisst.

 

281. Hermann Lindemann, früher Gen.-Litzmann-Straße 97, und Ehefrau Minna, seit Juni 1945 vermisst.

 

282. Fritz Neumann, , früher Powunder Str. 29. Beim Volkssturm eingesetzt. Seit 08.04.1945 in Königsberg vermisst.

 

283. Ella Preuß, geb. 04.09.1931, früher Brandenburger Str. 72 II, vermisst seit Mai 1945.

 

284. Friedrich Radowski, geb. 19.08.1880, Tischler bei der Bauhütte, früher Jerusalem, Tiefenweg 3, im April 1945 in Königsberg verschleppt.

 

285. Albert Reh, geb. 1878, Schmiedemeister, früher Brandenburger Straße 2.

 

286. Amanda Reh, geb. 27.09.1886, früher Steindamm 46/47, vermisst seit Frühjahr 1948 in Königsberg.

 

287. Gustav Reh, geboren 1889, Reichsbahnschaffner, früher Buddestr. 9 - 11.

 

288. Hermann Scharfenorth, geb. 07.02.1869, Hermann-Göring-Str. 97, zuletzt Altersheim Cranzer-Allee (oder Angehörige).

 

289. Rudolf Schneider, geb. 04.01.1915, Eisenbahnschaffner, früher Quednau, Kirchenweg 13.

 

290. Angehörige von Walter Schwertfeger, geb. 11.02. 1905, Lagerverwalter der Trumpf-Schokoladen-Niederlage, Tuchmacherstraße, früher Neue Reiferbahn 9. Walter Schwertfeger soll am 18.10.1945 in Malente-Holstein verstorben sein. Wer hat die Mitteilung gemacht?

 

291. Walter Seydler, geb. 07.12.1898, Justizobersekretär beim Oberlandgericht, früher Dohnastraße 7.

 

292. Karl Treike, geb. 20.04.1890, Stellwerksmeister beim Verschiebebahnhof Ponarth, früher Horst-Wessel-Straße 25, seit 07.04.1945 vermisst.

 

 

Seite 10   Hoffnung für eine Frau in Sibirien

Die 34 Jahre alte Käte Romey, die vor neun Jahren auf der Flucht aus Ostpreußen von den Russen nach Sibirien verschleppt wurde und heute noch im Straflager Karaganda sitzt, hat wieder Hoffnung, in die Heimat entlassen zu werden.

 

„Schuld" daran ist ein unbestellbarer Brief, den Käte Romey einer schon früher entlassenen Kameradin nach Deutschland schickte mit der Bitte, nach ihren verschollenen Angehörigen zu suchen. Nur wenn sie eine Entlassungsadresse aufweisen könne, habe sie Aussicht, die Heimat wiederzusehen. Aber der Brief erreichte die Kameradin nicht, weil die Adresse nicht stimmte.

 

Die Post übergab den Verzweiflungsschrei aus Sibirien dem Suchdienst des bayerischen Roten Kreuzes. Er war so ergreifend geschrieben, dass die Suchdienstleiterin Käte Romey antwortete, sie möge ruhig kommen, sie sei bereit, sie aufzunehmen. Inzwischen aber wurde die Suche nach den eigentlichen Angehörigen der Gefangenen weitergeführt. In der Flüchtlingskartei der Suchdienstzentrale des Roten Kreuzes fand man die Namen der Eltern und ihre Adresse.

 

So erfuhren die alten Leute, dass ihre seit neun Jahren verschollene Tochter Käte noch am Leben sei. Die Freude der Eltern ist umso größer, als sie bereits drei ihrer Söhne im Kriege hergeben mussten, die auf den Schlachtfeldern gefallen waren. Nun haben sich auch die Gemeinde Unterleimbach und Landrat Sperber eingeschaltet, um, ehe die vermisste Tochter wieder heimkehrt, den Eltern eine Wohnung zu verschaffen.

 

 

Seite 10   Königsberger Fleck

So manche Stunde unsres Lebens

opfern wir dem Trug des Glücks;

mancher sucht leblang vergebens

ein bisschen „Schwein“, bis — ohne Freude —

er sich dann ein paar Eingeweide

ergrapscht statt eines fetten Stücks.

 

Das Leben zeigt sich oft so sauer,

n Essig durch und durch getaucht.

Beschaute man sich's doch genauer,

man fänd' es weniger gehässig,

fände, dass gerad der Essig

manches Fade schmackhaft laucht.

 

Und nichts gibt sich so katastrofisch,

dass nicht auch da noch Sinn und Zweck. —

Und so schuf einer philosophisch

sich dies Rezeptchen: schuf aus beiden,

aus Essig und aus Eingeweiden

den guten Königsberger Fleck.

 

Und denk ich dein, du liebe Stadt,

hilft's über manches mir hinweg,

wenn mich das graue Elend hat.

Und sind wir heimatlose Leute,

so tragen wir das Herz auch heute

am rechten Königsberger Fleck. Hans Nobis

 

 

Seite 10   Landsleute bitte herhören!

Wir suchen und wer berichtet?

 

St.-Insp. Rusch,

 

St.-O.-Insp. Rehberg,

 

Frau Gertrud Reimann,

 

Angestellte Rauchwetter (W.Amt),

 

St.-Sekr. Konrad Rogowski,

 

St.-O.-Sekr. Rieck,

 

Angest. Richard Remer (Altersh. Waldau),

 

St.-Insp. Bruno Rodtke,

 

Angest. Rieß (St.-A. 99),

 

Bibliothekarin Reger.

 

Emil Reiß (K.W.S.),

 

Schwester Erna Ricklinkat (St. Krankenanstalt),

 

Lagerverwalter Wilhelm Raddatz (K.W.S.),

 

Schlosser Reuter (Hafen),

 

Frau Charlotte Ritter,

 

Kartograf Karl Rau,

 

Frau Renner, geb. Kretschmannn (Wi.-A.),

 

Arbeiter Rippke und Arbeiter Ritter (Hafen),

 

Arbeiter Eugen Rutkowski (Gasanstalt),

 

St.-Vollz.-O.-Sekr. Franz Reimann,

 

O.Insp. der Fuhrges. Roßack, Ruhr und Rose,

 

St.O.-Insp. Seemann,

 

St.-O.-Insp. Sarakewitz und Frau Elfriede,

 

Frau Spandäck (St.-A. 49),

 

Obergärtner Erich Sprung,

 

St.-O.-Insp. Otto Skibitzki,

 

Brückenwärter Richard Seikowski,

 

Lehrer Saretzki.

 

St.-Insp. Otto Sahm,

 

Lehrer Walter Sand,

 

Verw.-Sekr. Oskar Salomon (Str.Bauamt),

 

Verw.-Lehrling Gerhard Sobotzki.

 

Für die Berichterstattung danken wir folgenden Landsleuten:

 

Erich Schwarz,

 

Otto Masurat,

 

Leni Bohnert und

 

Franz Kretschmann.

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten und -Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1. Göppinger Ostpreußen in Schorndorf

 

 

 

Seite 10   Ehemalige Schuler und Lehrer des Löbenichtschen Realgymnasiums.

Bei den im Sommer ds. Js. stattgefundenen Zusammenkünften ehem. Lehrer und Schüler des Löbenichtschen Realgymnasiums Königsberg (Pr.) — (später: Löbenichtsche Oberschule für Jungen) — die durch den Rechtsanwalt Dr. Kurt Schubert einberufen wurden, ist die Neugründung eines Vereins „Vereinigung ehem. Lehrer und Schüler des Löbenichtschen Realgymnasiums (später: Oberschule für Jungen) Königsberg (Pr.) e. V.“ beschlossen worden.

 

Der am 04.09.1954 gewählte Vorstand trat erstmalig am 23.10.1954 in Hamburg zusammen und unterschrieb die von der Versammlung beschlossene Satzung der Vereinigung und die notarielle Anmeldungsurkunde zur Eintragung der Vereinigung in das Vereinsregister in Hamburg.

 

Die Versendung des 10. Rundbriefes der Löbenicht - Nachrichten stieß auf erhebliche Schwierigkeiten, da ein großer Teil der von unserem letzten Oberstudiendirektor Arno Hundertmarck hinterlassenen Anschriften inzwischen überholt ist. Sämtliche ehem. Löbenichter, die den 10. Rundbrief vom August 1954 noch nicht erhalten haben, werden aufgefordert, ihre jetzigen Anschriften und auch andere ihnen bekannte Anschriften ehem. Löbenichter dem Rechtsanwalt Kurt Schubert, Hamburg 11, Gr. Burstah 31, mitzuteilen.

 

 

Seite 10   Immer betrunken

Stuhm. In der südostpreußischen Kreisstadt Stuhm („Sztum“) befindet sich ein Alkoholentziehungsheim für süchtige polnische Funktionäre. Die Trinkerheilanstalt ist mit 120 bis 140 Personen belegt, von denen einige hohe Beamte aus Warschau sind. Der Kampf gegen die Trunksucht in Polen bleibt zum großen Teil ohne jede Wirkung, weil die Partei- und Staatsführer ein schlechtes Beispiel geben. Da ihnen während der Kur unverständlicherweise nicht die Bezüge gesperrt werden, verschaffen sich die Süchtigen auch in der Anstalt Alkohol zu Wucherpreisen. Sie bezahlen z. B. für eine Flasche Korn, die regulär 45 bis 60 Zloty kostet, mehrere hundert Zloty.

 

 

 

Seite 10   Memel

Nahezu allwöchentlich gehen von Litauen Transporte mit rund 500 Personen nach Sibirien und Kasachstan ab. Dafür bringen die Sowjets russische Kolonisten ins Land.

 

 

 

Seite 10   Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof zu Königsberg

Festakt am 14. November 1954 in Hannover.

Das Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof würde in diesem Jahr auf ein 650-jähriges Bestehen zurückblicken können. Aus diesem Grunde hat Herr Oberstudiendirektor a. D. D. Dr. Arthur Mentz, jetzt in Rinteln/Weser, Bahnhofstraße 35, die ehemaligen Lehrer und Schüler sowie Freunde der Schule zu einem Treffen am 14. November 1954 in Hannover eingeladen, das folgenden Verlauf nehmen soll:

 

Sonnabend, 13.11., 20 Uhr: Begrüßungsabend im Hotel

 

Sonntag, 14. 11.: „Europäischer Hof“, Luisenstraße 4. Festakt zum 650-jährigen Jubiläum des Stadtgymnasiums Altstadt-Kneiphof in der Aula des Ratsgymnasiums, Waterloostraße, verbunden mit der Übernahme der Patenschaft über das Stadtgymnasium durch das Ratsgymnasium Hannover.

 

Hierbei sprechen für die Stadt Hannover: der Herr Oberstadtdirektor, für das Ratsgymnasium: Herr Oberstudiendirektor Dr. Hohnholz und Herr Oberstudienrat Dr. Zimmemann,

für das Stadtgymnasium: Herr Oberstudiendirektor D. Dr. Arthur Mentz und Herr Pfarrer Werner Weigelt. Beginn 11 Uhr.

 

14.00 Uhr: Gemeinsames Festessen im „Alten Rathaus“.

 

15.00 Uhr: Aussprache über die künftige Gestaltung des Kreises der Schüler und Freunde des Stadtgymnasiums Altstadt-Kneiphof. Hieran anschließend zwangloses geselliges Beisammensein.

 

Anfang und Ende der offiziellen Veranstaltungen sind so gelegt, dass auch auswärtige Freunde noch am Sonntag bequem an- und abreisen können. Teilnehmer, die bereits am Sonnabend eintreffen, können ein Privatquartier erhalten. Ehefrauen und nächste Angehörige sind ebenfalls herzlich eingeladen.

 

Anmeldungen werden erbeten an Herrn Justizinspektor Erich Schultz, Hannover-Linden, Windheimstraße 49 ptr. Dabei wird gebeten anzugeben, an welchen Veranstaltungen (Begrüßungsabend, Festakt, Festessen der Teilnehmer anwesend sein wird, und ob und für wen Beschaffung eines Quartiers gewünscht ist.

 

 

 

Seite 11   Neukuhren – einst ein Idyll am Samlandstrand. Von Dr. Günther Kob, Hamburg.

Foto: Blick auf den Fischereihafen von Neukuhren. — Bord an Bord lagen hier die hochseetüchtigen Kutter, wenn sie nach erfolgreichem Fischzug, bis zur „Halskrause“ mit Dorschen und Flundern beladen, den heimatlichen Hafen aufsuchten.

Foto: Eine riesige Mole sicherte den Fischereihafen von Neukuhren. Doch war es schon eine Kunst, durch die Hafeneinfahrt sicher zu gelangen. Aufn.: Heinz Neubauer

 

Cranz hatte die herrliche Brandung die Nähe des Haffes und der Nehrung vermittelten unvergessliche Eindrücke; Rauschen, der landschaftliche Höhepunkt des Samlandes bezauberte durch die Großartigkeit seiner hohen Küste mit dem weiten Blick aufs Meer und zeigte das unvergleichliche Bild des vor der dunklen Kiefernmauer der Katzengründe gelegenen Mühlteiches, flankiert von den vier mächtigen vielhundertjährigen Linden: ein Bild höchster Romantik. Daneben Neukuhren das zwar seinen Seeberg hatte mit dem Blick auf die flache Bucht, diese im Osten und Westen begrenzt von der Rantauer und der Wanger-Spitze, die beide mit einem Riff riesiger blankgespülter Granitblöcke tief in die See hineinragten, das aber im Ganzen viel anspruchsloser war, als jene beiden schöneren Schwestern.

 

Was machte Neukuhren zu etwas Besonderen? Nun, nicht nur allein sein Alter als Badeort und damit die Würde, die von Neukuhren als dem ältesten Seebad des Samlandes ausstrahlte, war grundlegend für seine Sonderstellung im Kranze der zahlreichen Orte an der Beinsteinküste. Etwas anderes spielte die entscheidende Rolle.

 

In einem naturgegebenen geschlossen angelegten Dorfe lebte eine Bevölkerung, die sich im Wesentlichen aus Fischern und Kleinbauern zusammensetzte. Einzelne Familien von ihnen stellten seit Generationen die jeweiligen notwendigen Handwerker; nur vereinzelte Kaufleute versorgten den Ort mit dem täglichen Bedarf. Neidlos und in Harmonie konnten darum die „Ureinwohner“ Neukuhrens miteinander leben.

 

So fanden die Sommerfrischler, die meist aus Königsberg nach Neukuhren kamen, bereits eine Atmosphäre voller Harmonie vor, die alsbald Gefühl der Zusammengehörigkeit jedes einzelnen Badegastes mit der Gesamtheit der Badegesellschaft wachrief. Von der Mitte des IXX. Jahrhunderts bis zum Beginn des XX., solange noch keine Bahnverbindung mit der Hauptstadt bestand, besuchten die Königsberger Neukuhren ja fast ausschließlich zum Zwecke der Sommerfrische; nur hin und wieder sah man in unserem Badeort eine Studentenverbindung, die ihr Stiftungsfest feierte, oder einen Verein. Der weite Weg musste ja mit einer Journaliére zurückgelegt werden, in einer Zeit, da es noch keine Autos, allenfalls Fahrräder gab. Mit einer Journaliére fuhren auch die zahlreichen Familien, die Jahr für Jahr mit Kind und Kegel in die Neukuhrener Sommerfrische übersiedelten. Schon die Fahrt auf diesem Vehikel, das heutzutage einen sehr merkwürdig anmuten würde, das damals aber jedem Menschen durchaus geläufig war, bildete ein Vergnügen eigener Art. Bespannt war der Wagen mit 2 Pferden; vorne heraus, noch außerhalb der Bedachung, saß der Kutscher; dann kamen unter Dach 2 gepolsterte Bänke, auf denen die Reisenden saßen. Den größten Teil des Wagens aber nahm der ebenfalls bedachte Laderaum ein, wo alles, was nötig war, verpackt lag, alles, was zur Wirtschaftsführung in der Sommerfrische für mindesten 5 Wochen notwendig gebraucht wurde, vom Bettsack bis zur Kaffeetasse; es war eine Heidenmenge von Dingen, die mitgeschleppt wurden. Durst bei Kutscher und Pferd geboten mehrere Halte: der erste in Tannenkrug und der letzte in Pobethen, nachdem hier der riesige Berg überwunden war. Und so fuhr man von Rantau kommend in Neukuhren ein, das einen sogleich liebevoll auf der geradezu heimatlich anmutenden, von den alten Linden eingefassten Dorfstraße in sich aufnahm.

 

Die Kunde vom Eintreffen einer soffen Journaliére mit ihrer Besatzung verbreitete sich im Dorf wie ein Lautfeuer und alarmierte die Familien, die schon vorher eingetroffen waren, und die alle zusammen seit Jahrzehnten den Stamm der Badegesellschaft bildeten. Ich nenne hier nur einige Namen: Baumgart, Benrath, Brandt, Bruno, Coranda, Gebauhr, Grunwald, Herford. Mittmann, Mühlbach, Peter, Rohde, Ruffmann, Stoje. Waren nun endlich alle, die man nach der Tradition zu erwarten hatte, an Ort und Stelle, dann war damit die Badesaison eröffnet. Als bezeichnend in dieser Hinsicht mag folgende kleine Begebenheit erwähnt werden. Wir waren vielleicht gerade vor 2 Tagen eingelaufen, da stürzte mein Vater in das elterliche Schlafzimmer und riss meine Mutter aus dem tiefsten Mittagsschlaf mit dem Ruf: „Heidchen, Rohdes sind da!“ So bedeutungsvoll also war für die Neukuhrener Badesaison das endliche Eintreffen dieser Letzten!

 

Und nun konnte es losgehen! Das im Wesentlichen aus Badegästen gebildete Badekomité wählte das unentbehrliche Vergnügungskomité. Dieses ging dann alsbald an die Arbeit. Freilich stand in dieser Beziehung im Großen alles seit Generationen fest. Aber es musste ein Plan gefasst und die nötigen Vorarbeiten für umfangreiche Veranstaltungen wie Kinderfest und Seefeuerwerk geleistet werden; auch galt es, Varianten in das gewohnte Programm hineinzubringen und Neues an Unterhaltung während der Saison zu schaffen. Dieser Leistung zollte die Badegesellschaft auch durchaus ihren gebührenden Beifall, was beispielsweise sich darin zeigte, dass sie Herrn Julius Beeck etliche Jahre hintereinander zum Vorstand des Vergnügungskomité wählte; er war auch nicht wenig stolz darauf.

 

Jede Veranstaltung musste natürlich lange genug vorher bekanntgemacht werden. Dies geschah aber nicht etwa in prosaischer Weise durch Anschlag; vielmehr ging ein Mitglied der Badekapelle Borowski, die Jahr für Jahr aus Gerdauen herüberkam, durch's Dorf und gab das Nötigste bekannt, nachdem es vorher die Umwohnenden zusammengerufen hatte durch das für diese Zwecke erdachte, für die Neukuhrener Badegäste unvergessliche Signal: (Hier sind Noten aufgezeichnet)

 

Diese Badekapelle gehörte zu Neukuhrens altem Inventar. Ihr Programm war nicht gerade sehr umfangreich, dafür aber durchaus vielseitig. Um die Jahrhundertwende war das „Glühwürmchen-Idyll“ der letzte Schrei. Es konnte daher passieren, dass Herr Borowski, wenn man ihn fragte, was er jetzt spielen wolle, antwortete, schalkhaft lächelnd aus seinen stets etwas feuchten, treuen Portweinaugen: „O Jliehwurm!“ Daneben spielte er aber auch ebenso wagemutig wie schaurig schön die Tannhäuserouverture. Sein Glanzstück aber war „Die Post im Walde“, mit Trompetensolo aus einem Versteck im Gebüsch. Diese letzte romantische Darbietung gab es selbstverständlich erst abends bei Dunkelheit, wenn dann der Kranz der Petroleumlampen, den der berühmte alte Birnbaum im Park von Richters Hotel trug, brannte und sein heimliches Licht verbreitete. Dann schlürfte auch wohl schon der Nachtwächter des Dorfes, Herr Dagott, auf seiner bescheidenen Tute flötend, durch die mit spärlichen Petroleumlaternen bestandene Straße. Ihn sah man nur abends, wenn er bereits seinen Alkoholbedarf gedeckt hatte; dass er etwas schreckhaft war, machten wir Jungens uns für unser Vergnügen zunutze.

 

Es ist darum auch nicht zu erwarten, dass die Autorität des Nachtwächters etwa der Grund dafür war, dass in Neukuhren nachts ein so tiefer Friede herrschte; denn Herr Dagott besaß diese Autorität, weiß Gott, nicht. Eher hatte man schon Respekt vor dem Gendarmen des Dorfes, Herrn Haffke, der immerhin mit seiner Bärtigkeit etwas bärbeißig aussah, was im Verein mit seinem, sicherlich auch scharfen Säbel respektgebietend war, wenigstens gegenüber der Jugend. Herr Haffke war, im Gegensatz zu Herrn Dagott, nur am Tage zu sehen; denn nachts bestand ja keine Gefahr weder für Leib noch Seele eines Neukuhreners. Aber am Tage . . .! Ja, da war der Teufel los!! Der Seeberg hatte nämlich neben einer hinteren auch eine vordere Promenade, und von dieser aus war es möglich, auf das Damenbad herabzublicken. Böse Zungen müssen wohl gelegentlich verraten haben, dass jemand einmal von hier oben aus im Damenbad weitgehende Feststellungen als nur die von badender Weiblichkeit gemacht hatte, nämlich die Rekognoszierung einer ihm mehr oder weniger liebgewordenen Dame. Mehr ist sicherlich nicht passiert; aber immerhin ... Na für die Zeit vor 50 bis 60 Jahren genügte dies vollauf. Mithin wurden mehrere Tafeln aufgestellt die den Herren den Aufenthalt auf der vorderen Seebergpromenade während der Badezeit nicht nur nicht erlaubten, sondern geradezu verboten! Und dass dies Verbot auch befolgt würde, darauf zu achten, war die Aufgabe des Herrn Haffke. Im Übrigen gab es ja nun weiter keine Verbote. Gott sei Dank. Und die Neukuhrener Jugend verlebte diese Wochen in ungebundener Freude, deren Grenzen allerdings durch die Konvention gesteckt waren; aber diese Grenzen galten uns damals als so natürlich, dass jeder sie, unbeschadet des Genusses, ganz selbstverständlich einhielt, ohne sich beengt zu fühlen.

 

Neukuhren gehörte zur Zeit der ersten Badesaison, d. h. vom Ende Juni bis zum Ende des Juli, unbedingt der Jugend; sie war der Mittelpunkt, um den sich eigentlich alles drehte, was von der Badegesellschaft unternommen wurde. Die alten unter den Badegästen räumten auch offenbar gerne der Jugend diesen Vorrang ein; denn sie nahmen an ihrer Freude zum Dasein teil und ließen sich gerne von ihrem Alter ablenken. Jeden Vormittag saß, wenn nicht gerade starker Seegang den größten Teil des Strandes unter Wasser setzte, der alte Tanzmeister Stoje auf einer Bank im Herrenbad mit seiner langen Tabakspfeife, die er sich bei Sonnenschein mit dem Brennglas anzündete; er konnte dort nicht müde werden, dem ausgelassenen Treiben der Jugend zuzusehen. Und war es nicht glückliches Mitgenießen, als der alte Domprediger Herford — wer in Neukuhren kannte ihn nicht — während er auf einer Bank des Seebergs saß, und ich mit Freunden ganz ausgelassen vorüberkam, mich zu sich rief, in seine Arme schloss und nichts weiter herausbrachte, als diese drei Fragen und schließlich die beste Aufforderung, die als Lösung aus der beiderseitigen Verlegenheit geben konnte: „Na Jintherchen! Na wie? Na wo? Na was? Na lauf!“

 

Alle gemeinsamen Veranstaltungen der Badegesellschaft verliefen stets unter der lebhaftesten Anteilnahme von Alt und Jung. Jede Woche brachte als ein besonders gern gesehenes Ereignis den Lampionzug der Kinder am Sonnabend. Er war wirklich bezaubernd anzusehen: der lange Zug der Kleinen, jedes in der Hand einen brennenden Lampion, voran die Badekapelle und ihr unmittelbar folgend die alte weiße, buntbestickte Traditionsfahne Neukuhrens; zur Seite des Zuges gingen die Mütter, um ja sogleich dabei zu sein, wenn ein Lampion in Flammen aufzugehen drohte. Der lange Zug begann und endete im Richterschen Park unter dem Birnbaum. Nach Schluss des Umzuges kletterte die Badekapelle in den kleinen Musikpavillon, und nun begann der Tanz um den Birnbaum, nachdem man die Lampions, die nicht das Opfer des Umzuges geworden waren, vorher an einem Draht, rings um den Platz, aufgehängt hatte.

 

War der Lampionzug schon ein Bild von hohem Reiz gewesen, so war dieser Tanz um den alten Zeugen vieler heiterer Stunden wirklich etwas Einmaliges und hatte eine Berühmtheit im ganzen Lande erlangt. In der Mitte des alten Birnbaums, selbst leuchtend, als Magnet stets von neuem Alt und Jung an sich ziehend, am Rande der Kranz von brennenden bunten Lampions, dazwischen der Platz mit dem sich frohen Gesichts umeinander im Takte der Musik drehenden Kinder, und das Ganze säumend die Schar der Mütter, Väter und Großeltern, die diese Stunde genossen. Wer es erleben durfte, sei es als Kind oder Erwachsener, dieses Bild und das Gefühl der über dem ganzen schwebenden Stimmung, wird den Tanz um den Neukuhrener Birnbaum niemals vergessen. Diese Stimmung schuf nicht die Veranstaltung als solche; vielmehr war sie in dieser Form nur möglich, weil jene Atmosphäre vorhanden war, in der allein eine solche Veranstaltung mit Erfolg ablaufen konnte. Andernfalls wäre dieser Tanz konventionell und langweilig gewesen, oder auf die Dauer geworden; so aber war er der natürliche Ausfluss des innerhalb der Badegesellschaft lebenden Geistes, der zur Verinnerlichung führte und vom Gemüt her kam.

 

Jedoch nicht allein die Kinder tanzten hier um den Birnbaum; vielmehr packte auch die Älteren die Lust dazu. Darum spielte die Kapelle auch alle Tänze, die zu jener Zeit üblich waren: Polka nebst Walzer mit ihren diversen Varianten und natürlich auch Quadrille á la cour. So lernten die Kleinen gezwungenermaßen bereits alles, was sonst erst im späteren Leben die mehr oder weniger erwachsenen Menschen sich mühsam und mit nicht so viel Spaß in Tanzstunden anzueignen pflegten. Mit sechs Jahren tanzte man bereits vollendet Walzer; das will etwas heißen dem gegenüber, wenn man heute sieht, wie sich Erwachsene um den Samba quälen müssen.

 

Dieser Kindertanz dauerte freilich nur eine gute Stunde; dann die zog Kapelle Borowski in den Richterschen Saal, wo sich die reifere Jugend bereits zur sogenannten Reunion versammelt hatte. Sie zog sich bis nach Mitternacht hin, und man kann ruhig sagen, dass die Jugend und die Erwachsenen hierbei voll und ganz auf ihre Kosten kamen. Uns Junge genierte es durchaus nicht, dass der „Drachenfels“, eine rings um den Saal laufende, etwas erhöht stehende, gepolsterte Bank, stets dicht besetzt war. Hier hatten vor allen Dingen die Mütter der Tanzenden mit den dazugehörigen Vätern oder ohne sie Platz genommen. Sie spendeten Beifall oder trauerten mit ihrer Tochter, wenn diese etwa „Mauerblümchen“ spielen musste, was freilich höchst selten vorkam, da sich immer wieder ritterliche junge Leute fanden, die diesem betrüblichen Dasein eines jungen Mädchens ein jähes Ende zu bereiten sich für verpflichtet hielten.

 

Während die Jugend sich zwischen den Tänzen bei Windbeutel und Apfeltorte mit Schlagsahne in der Richterschen Konditorei neue Kraft holte, saßen die alten Herren bei einer guten Flasche Bordeaux oder einem Glase Ponarther Bier in der großen offenen Kolonnade. Hier fanden sich regelmäßig auch zahlreiche Gutsbesitzer aus der Umgebung ein; jedes Mal, wenn ein solcher mit seinem Wagen vorfuhr, läutete Robert Richter in gebührender Weise die unter der Decke der Kolonnade hängende Glocke, gewissenmaßen als Ovation für den „erlauchten“ Gast. Der Schlussgalopp war das Signal zum Aufbruch für alle. Da Langeweile eigentlich undenkbar war, ging die Jugend — von den Kleinen ganz zu schweigen — stets befriedigt von diesem Abend nach Hause: Man hatte voneinander sich aus den Augen die Gewissheit erwiderter Gefühle holen können, und selbst, wenn es eine Enttäuschung gegeben haben sollte, so stand ja der Liebesschmerz dem Glück beidseitiger Verliebtheit an Süßigkeit nicht nach! Man war ja noch so jung!

 

Es konnte uns Jungen ja auch nichts Schöneres geboten werden, als einmal, losgelöst von dem Leben in Pflicht, worin uns das humanistische Gymnasium hielt, nur seinen individuellen Neigungen zu leben und Pflichten an sich nur insoweit herantreten lassen zu müssen, als es eine, nicht von außen her verlangte, Selbstverständlichkeit war. Und dieses herrliche Leben fünf Wochen lang. Man meinte nach einer gewissen Zeit, es müsste ohne Ende so weiter gehen; jeder wusste aber, dass er einem Höhepunkt zustrebte, und damit war man sich auch der Endlichkeit des Neukuhrener Elysiums bewusst.

 

Dieser Höhepunkt war in der 4. Woche erreicht mit dem Kinderfest. Während dieses Festes war das Dorf praktisch leer; denn die Jugend war hier wieder einmal das Lockende für das Alter. Unendlich viele Vorbereitungen waren bis dahin nötig gewesen, um ein Fest zu gestalten, das wirklich den Bedürfnissen und den Erwartungen entsprechen sollte. Die Kleinen schwammen in Seligkeit; sie bildeten gewissenmaßen das Rückgrat des Festzuges; paarweise gingen sie, mit dem Schönsten gekleidet, was der Kleiderschrank hergab: Die Mädelchen einen von ihrem „Prinzen“ überreichten Strauß in der Hand, die Jungen eine buntfarbige lange Schleife auf der linken Brustseite, von ihrer „Prinzessin“ angesteckt und womöglich eigenhändig angefertigt. In dem langen Zuge fuhr auch wohl einer der üblichen pony-bespannten Blumenwagen. Die älteren Jungens hatten vielleicht eine spaßige Kapelle oder Ähnliches zusammengestellt und belustigten die Beschauer, die die Straße säumten, wenn der Zug durchs Dorf marschierte, die Badekapelle voran, zu ihren schneidigen Märschen notgedrungen und verzweifelt kurztretend.

 

Es ging in Richtung Wangenkrug den Berg hinunter, den Lachsbach in Abstand folgend, die steinerne Brücke überquerend, dann links abbiegend in den Birkenwald hinein, um schließlich zu enden auf der großen Festwiese. Es konnte gar keinen geeigneteren Platz geben, als diese Wiese: Linker Hand eingefasst von dem hohen mit Buchen bestandenen jenseitigen Ufer des Lachsbaches, ganz oben noch sichtbar, „Lottes Ruh“ mit vielen Herzen in Baum und Tisch, während rechts der ziemlich hoch ansteigende Birkenwald die Wiese abschloss, in dem weithin sichtbar Tisch und Bänke für die Badekapelle standen, über die Wiese hinaus führte der Weg weiter am Borstenstein vorbei nach Tykrehnen, wohin man gerne einmal nachmittags familienweise ausflog, und wo man Schmand mit Glumse essen konnte. Für uns, die wir diesen Platz genau kannten, bot er landschaftlich eigentlich nichts Besonderes; Fremde aber waren von der idyllischen Lage der Wiese überrascht.

 

Sobald sich der Festzug aufgelöst, und die Kapelle Borowski auf dem Hügel Platz genommen hatte, begann der Festtrubel. Die Kleinsten wurden mit Reigenspielen beschäftigt, die etwas älteren Mädchen spielten Topfschlagen zum Gaudium auch der Zuschauer. Während die gleichaltrigen Knaben sich von einer Fahnenstange an deren Spitze hängende Preise herunter holten, wurde an anderer Stelle sack-gehüpft, was immer wieder für Beteiligte und Unbeteiligte ein Hauptspaß war. Aber die Jünglinge ... die kämpften um die Ehre beim Schießstand mit der Luftbüchse. Als Lohn winkte hier die Heimfahrt des Schützenkönigs an der Seite seiner Auserwählten in der eichengeschmückten Halbchaise. So war die Jugend vollauf beschäftigt. Eine große Attraktion war das Steigenlassen von Papierballons durch den Herrn Lunau, die spaßige Figuren in natürlicher Größe darstellten; sie bekamen durch eine Spiritusflamme Auftrieb, entfalteten sich und stiegen hoch in die Lüfte, um dann mit dem Winde abzusegeln. Mit großem Jubel wurde es bemerkt, wenn ein solcher Ballon in Flammen aufging.

 

Die Älteren unter den Festteilnehmern taten sich inzwischen an dem, was die verschiedenen Zelte boten, gütlich; da gab es Bier, Bowle und gar Sekt; auf die Dauer wurde so bei den Älteren eine recht vergnügte Stimmung erzeugt. Wir Jünglinge hatten ja für diesen Tag auch etwas Betriebskapital mitbekommen und konnten so auch heimlich einmal ein Glas Bowle genehmigen; dies hat keinem jemals geschadet. Selbstverständlich bekam die Kapelle Freibier, was ihre Spielfreudigkeit erheblich beflügelte; je mehr die Zeit voranschritt, umso mehr ähnelte der Touche beim Hochgehen eines jeden Papierballons einem schauerlichen Sirenengeheul. Im Laufe der Stunden war dann aber doch eine gewisse Festmüdigkeit eingetreten. Es wurde zum Sammeln geblasen, der Festzug formierte sich wieder, nicht ganz so einheitlich, und ordentlich wie auf dem Hermarsch, der Schützenkönig mit seiner Auserwählten in ihrer Kutsche reihten sich ein und fröhlich ging's heimwärts.

 

Ja, und dann folgte als Abschluss dieser herrlichen Sommerfrische die Abschiedsreunion, mit Cotillon und „Damenwahl mit Schleifenverteilung“. Es war schön, aber doch schon etwas wehmütig, namentlich für diejenigen, die sich lieben gelernt hatten und kaum hoffen konnten, sich wiederzusehen. Fast tragisch wurde es aber, wenn bei den einzelnen Familien die Journaliere stand zur Heimfahrt nach Königsberg. Auch dieser traurigste, oder vielmehr einzig traurige Augenblick der Neukuhrener Sommerfrische wurde noch zu einem kleinen Fest gestaltet; man hatte die Badekapelle bestellt, Freunde fanden sich zum Abschied ein, und dann wurde noch einmal getanzt, zwar unter Tränen, aber doch mit dem gewohnten Schwung. Bis es dann hieß: Einsteigen! Die Pferde zogen an, und die Journaliere entschwand den Blicken. Und so verließ eine Familie nach der anderen den traulichen Ort, der 5 Wochen lang nur Glück und Freude, laute, von Herzen kommende und zum Herzen gehende Freude, gesehen hatte. Es wurde still, ganz still in Neukuhren: Die zweite Saison gehörte dem Alter.

 

Wenn man heute rückwärts denkt, glaubt man alles frisch-lebendig vor sich, zu sehen, ja es noch zu erleben; so groß war der Eindruck, den jene Zeit auf den damals jungen Menschen gemacht hatte, so intensiv war das Genießen dieser glückhaften Zeit. Man glaubt, es könne nichts geben, was Neukuhren, dem alten, lieben, durch keine Überzivilisation verdorbenen Neukuhren gliche. Was für ein gesunder Tageslauf für den jungen Menschen: Morgens, trotz Regen, Sturm und Seegang, bei sommerlicher Hitze und eiskaltem Seewasser das nie ausgelassene Bad, das den Körper stählte, und im Übrigen die Stunden des Tages geführt von Herz und Geist, wobei das Herz den Vorrang hatte und das Dasein mit Freuden genießen ließ! Mir scheint Neukuhren unvergleichbar und ich bin dankbar dafür, dass ich es haben konnte. Denn ist man nicht jetzt in dieser armseligen, so grenzenlos vermaterialisierten Welt reich mit seinen Erinnerungen?

 

 

 

Seite 12   Aennchen von Tharau / Dichtungen und Wahrheit um ein deutsches Volksliede.

Es gibt wohl kaum ein zweites deutsches Volkslied, welches die Phantasie der Dichter so viel angeregt hat wie die schlichte Weise von dem alten Hochzeitscarmen. Der neueste Film hat schon einen Vorläufer in der stummen Filmperiode mit ganz anderen Motiven.

 

Aus dem Liede hat Willibald Alexis seinen Stoff zu einem Lustspiel gezogen, darin die Lebensumstände des Aennchens ebenfalls ganz umgeändert und das Ganze eben nur Erdichtung ist; nicht einmal an der sonst üblichen Legende hat er sich begnügt, sondern Unwahrheiten gesetzt: „So ist der Ortsname Tharau zum adeligen Familiennamen geworden; der ehrenwerte Professor der Poesie Simon Dach erscheint als pedandtischer, fast kindlicher Mann.

 

Heinrich Hoffmann hat denselben Stoff zu einer lyrischen Oper verarbeitet, zu welcher Roderich Fels das Textbuch schrieb. Wahrheit und Dichtung ist darin noch mehr durcheinander geworfen und alles opernhaft zusammengestellt. In dieser Oper liebt Dach selbst die Anna und erhält bei der Grundsteinlegung zur Kirche in Tharau das Jawort. Bald darauf erscheint ein Kindesfreund von ihr. Studiosus der Theologie Johannes von Barkow und bringt Aufruhr in ihre Seele. Sie hält aber ihr Wort und weist Johannes Antrag zurück, worauf sich dieser als Fähnrich anwerben lässt durch Jost von Hennewitz, Kurbrandenburg. Werbeoffizier. Als die Landsknechte wiederkehren, bricht Annas Liebe zum Johannes unaufhaltsam durch und Prof. Dach tritt edelmütig zurück, hebt auch die Relegation auf, die er als Rektor der Universität Königsberg über Johannes ausgesprochen und reklamiert ihn von der Truppe. Zuletzt löst sich Alles in Wohlgefallen auf; auch Gretchen, Annas Freundin, welche ihren Teil beitrug, Dach zum Verzicht zu bewegen, findet ihren Freier in Jost von Hennewitz.

 

Der in Göttingen 1953 verstorbene Dr. Karl Bink kam der Wirklichkeit mit seinem plattdeutschen Fünfakter: „Anke von Tharau“ wohl am nächsten. Der Urtext des Volksliedes war ursprünglich plattdeutsch; Text und Melodie erschienen in: „Fünfter Theil der Arien etlicher theils Geistlicher, theils Weltlicher, zur Andacht, guten Sitten, keuscher Liebe und Ehren-Lust dienender Lieder. Auf unterschiedliche Arten zum Singen und Spielen gesetzt von Heinrich Alberten. Königsberg in Preußen 1645“.

 

Der Bruder des Vorgenannten, Hermann Bink, schrieb ein hochdeutsches Heimatspiel: „Aennchen von Tharau“, 1927 bei Arwed Strauch in Leipzig erschienen.

 

Eine sehr nette Novelle: „Aennchen von Tharau“ verlegte ein Ungenannter bei Rautenberg in Mohrungen. Eine recht umfangreiche Versdichtung mit studentischem Milieu stammt von Hirsch.

 

Ein gänzlich falsches Bild gibt August Straub in den „Münchner Lesebogen“ (Der Wind hat mir ein Lied erzählt — Geschichten vom deutschen Lied) über die Entstehung des Liedes. Er schreibt: „Tharau heißt ein kleiner Ort im Samland (richtig ist Natangen) unweit Königsberg. Dass er im weiten deutschen Land bekannt ist, verdankt er dem treuherzigen Liebeslied und seiner herzzerreißenden Geschichte. — Es war in der Sommervakanz des Jahres 1638. Der Lehrer der Lateinschule von Königsberg und Dichter Simon Dach hatte gerade seinen Ruf an die Hohe Schule erhalten. Ehe er dem Rektor und den Mitgliedern des akademischen Senats seinen Antrittsbesuch machte, wollte er hinauseilen zum Pfarrer Neander nach Tharau. Wie würde der Freund sich freuen! Wie oft hatten sie im Tharauer Dorfpfarrhaus über den Plan gesprochen. Und wie manches Mal hatte der Krieg einen Strich durch alles gemacht.

 

Um die Hand seines Ankens wollte er den Freund bitten. Nun könnte er ja seine Eheherrin ernähren, er, Simon Dach, Professor der Poetik an der Universität mit einem festen Gehalt von 140 Gulden, mit drei Klaftern Scheitholz auf das Jahr und einer geräumigen Amtswohnung. Zu sich holen wollte er die Dirn, die so schlank war wie eine Kiefer und zwei Zöpfe trug so blond wie der Bernstein, den die Fischer hier aus dem Meer zogen. Hatte sie ihn nicht immer verschämt angeschaut, wenn er heimlich ihre Hand zu streicheln versuchte, und ist dann mit einem roten Köpfchen aus der Stube gelaufen?

 

Dach stand vor dem Spiegel und prüfte, ob er mit seinen 33 Lenzen und nach mancher Krankheit, die er hatte überstehen müssen, für eine 22-jährige Dirn auch nicht zu alt sei. Er fand, dass er noch gut aussehe, stülpte die Perücke auf, die ihn mit einmal viel älter erscheinen ließ, griff nach dem Krückstock und wollte sich zur Tür wenden, als drunten ein Reiter vom Ross sprang und mit seinen schweren Stiefeln die steile Treppe heraufgeholpert kam. — „Nun, was ist da schon wieder“, dachte der Poet und Professor, lässt das Leben mir ganz und gar keine Zeit für einen eigenen Gang?“ — Dach setzte sich an den Schreibtisch, brach das Siegel auf und las, entfärbte sich jedoch sogleich bei den ersten Worten und sank mit dem Kopf auf das Pult. Der Kürassier sprang auf, holte Wasser und rief den Ohnmächtigen ins Leben zurück. „Mein altes Leiden, das schwache Herz“, entschuldigte sich Dach und las dann weiter: . . . seinem lieben Freunde zu kund und wissen, dass ich mich mit Anken Neander versprochen habe, dass am 1. August die Hochzeit sein soll, auf der er selbst freilich geladener Gast ist, und ob Dero Liebden nicht mir und der Ihm wohlbekannten Braut die Ehr erweisen möchten und den Hochzeitscarmen verfassen.

 

Verbleibe bis dahin über 2 Wochen glücklicher Bräutigam und Dero Liebden untertänigster Freund. Gott befohlen! — Johannes Poratatius, Pfarrherr zu Trempen. — Sag' deinem Herrn: „Ja, ich wolle“, gab Dach dem mit großen Augen Wartenden zurück. Und die Tür klappte ins Schloss. — Als Simon Dach eine Stunde am Fenster gestanden und vielmals tief geseufzt hatte, legte er die Perücke auf den Stock, schob den Stuhl umständlich vor den Tisch, holte den Gänsekiel hervor und schrieb: „Aennchen von Tharau ist's, die mir gefällt“. Noch war es ihm, als wäre das Erlebnis dieses Mittags nur ein Traum Er schritt zum Fenster, schloss den Flügel, den die Briese, die vom Haff kam, aufgestoßen hatte, und schrieb auch noch die 2. und 3. Strophe. Des Freundes Wunsch sollte erfüllt werden. Anschließend legte er den großen Mühlsteinkragen um, stülpte die Perücke wieder auf und begab sich zur Kürbislaube in Alberts Garten am Lindenmarkt. Dort saß der Domkantor hinter einem Krug Wein. Der Kantor sah dem neuen Professor seinen Schmerz sogleich an. Er wünschte ihm Glück und Trost in einem Atemzug und nahm dann das Blatt, auf dem das Gedicht stand, und schrieb die Melodie dazu“.

 

Wie steht es aber in Wirklichkeit? Der in Marburg verstorbene Universitätsprofessor Dr. Ziesemer behauptete, der Text stamme nicht von Simon Dach. Schreiber dieser Zeilen, der sich mit dem Problem auch sehr ernsthaft beschäftigt hat, ist der Ansicht, dass Ziesemers Darlegungen nicht überzeugend sind.

 

Wer war das Aennchen von Tharau? Über ihre Lebensumstände, erfahren wir aus der Kirchenchronik von Tharau (mitgeteilt in „Preußisch. Provinzialblätter“ 1840, S. 380) Folgendes: „Der Pfarrer Andreas Neander, welcher 1630 gestorben, hatte von seiner Ehegattin, geb. Sparberin, nebst einem Sohne eine einzige, von Gestalt angenehme Tochter, Namens Anna, hinterlassen. Das ist die im Lied besungene „Anke von Tharau“, das in Alberti Arien zu finden ist und von dem berühmten preuß. Poeten Simon Dach, welcher damals noch ein Studiosus (allerdings fraglich!) gewesen, bei derselben Hochzeit gemacht worden, indem dieselbe nach ihres seligen Vaters Tode, 11 Jahre alt, in die Pflege und Auferziehung ihres Vormundes Herrn Stolzenberg's Kaufmanns kam und im 18. Jahr ihres Alters ist verheiratet worden an Herrn Johann Partatius, der Zeit Pfarrer in Trempen (Insterburgischen Amts), nachmalen aber in Laukischen (Labiauschen Amts): woselbst sie nach des Partatius Tode noch zwei Successores in demselben Pfarramte, nämlich Herrn Gruben und Herrn Melchior Brillstein, lit. Pfarrer in Insterburg, sie, da sie verwitwet und ganz unvermögend gewesen, zur Verpflegung zu sich genommen. Und da auch der selbige zu ihrem großen Leidwesen Anno 1688 am Osterfest verstorben, ist von dessen Witwe Frau Elisabeth, geborene Schützin, bis an ihr seliges Ende verpflegt und zu Insterburg-Anna 1689 um Michaeli im 74. Jahre ihres Alters begraben worden“.

 

Diese Kirchenbuch- und Familiennachrichten dürften glaubwürdig sein, da sie vom Pfarrer Anton Pfeiffer in Tharau herrühren, der mit der erwähnten Schwiegertochter Annchens (Frau Elisabeth, geb. Schütz) verheiratet war.

 

Urtext und Urmelodie des Liedes ist vom Königsberger Dichterbund in der „Kürbislaube“ noch oft gesungen worden und klingt, durch Herders Übertragung ins Hochdeusche und Silchers Bearbeitung der Melodie so volkstümlich geworden, überall dort, wo sich heute die heimatvertriebenen Ostpreußen befinden. H. B.

 

 

Seite 12   50 Jahre Technische Hochschule Danzig. Von Professor Dr. Ing. Hermann Phleps.

Danzig war mitteilsam. Hier bildete die Überlieferung ein belebendes Element. Gegenwartsnah verband es in lückenloser Kette vom Mittelalter an die Kennzeichen kultureller Leistungen der Deutschen im Osten, geadelt von einzigartiger Schönheit. Ein Blick vom Flugzeug aus auf das deutsche Land im Osten ließ uns in unseren Tagen mit Staunen und Bewunderung erkennen, was hier vom Deutschen Ritterorden, deutschen Bürgern und Bauern in Generationen geschaffen wurde. Eingedeichte Flussläufe, gepflegte Straßen, musterhafte Äcker und Wälder, blühende Dörfer und Städte kündeten stolz den hohen Stand des hier durch Mühen und Kämpfen Geschaffenen. Betrat man eine Stadt oder ein Dorf, so konnte das Auge sich nicht satt sehen an den dort behüteten deutschen Kulturgütern. Deren von ruhmvoller Geschichte kündende Wesensart zeigte sich am greifbarsten an Kirchen, die wie Burgen grüßten. Was wusste uns allein die Danziger Marienkirche zu erzählen, wenn wir ergriffen von der Gewalt der mächtigen Halle die Kühnheit zu ermessen versuchten, mit der die stolzen Pfeiler aus den Mittelschiffswänden der Basilika herausgestemmt waren. Hier war für Sentimentalität kein Platz. Die uns vom deutschen Osten geschenkte Gedankenwelt eines Kant und Schopenhauer konnte doch nur einem Boden entwachsen, dem die Sonne höchsten geistigen Lebens lachte.

 

Mitten in diesem deutschen Wunderland wurde als Nachbarin der Königsberger Universität am 6. Oktober 1904 durch einen weisen Akt der königlich-preußischen Staatsführung die Technische Hochschule in Danzig errichtet. Danzigs Eignung hierzu hat bereits im Jahre 1642 Matthäus Merian geahnt, wenn er von den Danzigern sagt, dass sie „gemeinlich freundlich, gastfrei und sonderliche Liebhaber der Gelehrten“ seien. Aus allen Teilen des Reichs kamen die Studierenden, außer ihnen die Auslandsdeutschen vor allem der Länder vom Baltikum bis Siebenbürgen. Allen war gemeinsam jugendliche Begeisterung und hoffnungsvolle Lebendigkeit. Die Lebensführung der Danziger deutschen Studenten war getragen von einem einmaligen Zusammengehörigkeitsgefühl und mit Selbstbewusstsein und mit Freude dürfen wir uns erinnern, dass auch vielen Studierenden anderer Nationen Danzig eine Stätte unvergesslicher Erinnerung wurde. Eine fruchtbringende Ausstrahlung bildete die Verbundenheit der Danziger deutschen Studenten aller Fakultäten mit den die Stadt und das Land berührenden Lebensfragen. Es erweiterte sich sein Blickfeld, seine Persönlichkeitsbildung und Aufgeschlossenheit wurden gefördert und aus den Diplom- oder Doktor-Ingenieuren, die von hier ins berufliche Leben traten, wurden nicht nur Sendboten des erworbenen Wissens, sondern zugleich Mahner an die uns an den Osten bindenden Verpflichtungen und an unsere uns dort von Gott geschenkten Rechte.

 

Wie ein schöner Einband eines kostbaren Buches begleitet jeden der in Danzig lehrte und Jahre des Studiums erlebte Erinnerungen an Danzig in seiner Vielgestalt.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (16)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Einer kommt auße Aufregungen ieberhaupt nich mehr raus. Nu hädd ich mir doch so vorgenommen, dem Rest meines Lebens ganz still und friedlich zu verbringen, heechstens dass de Emma einem mal dazwischenfuhrwerkt, aber meinen Se, das geht? Das geht nich! Ich hädd mir man knapp ieber dem Pochel und seinem Fluchtversuch e bißche beruhigt, da kam auch all de nächste Ieberraschung, indem dass ich vonne Post einem Brief kriegd. „Das is bestimmt nuscht Gutes nich“, meind de Emma, denn se hat all immer vorher so allerhand Ahnungen, dass se rein könnd gehen Karten legen und außem Kaffeegrund wahrsagen, bis se ihr schnappen und einsperren tun. Diesmal aber hädd se sich ganz geheerig geirrt. E Aufregung war es zwar, aber e sehr freidige, denn das Briefche kam von meinem alten Freind Willuweit, wo, weiß der Deiwel wie, meine Adress rausgekriegt hädd. Wissen Se, es is dem Eduard Willuweit aus Adlig Ruckschen sein Stiefsohn. Nei, Stiefsohn is nich ganz richtig, er hädd ihm bloß angenommen, denn er war Besitzer und hädd keine eigne Kinder nich. Wir hädden zusammen bei die 37-er in Insterburg gedient und manchem kräftigem Zug gemacht. Und denn hädd ich ihm einmal de Braut weggeschnappt, aber das dirf de Emma nich wissen. Passiert is sowieso nuscht, denn ich wolld ihm ja bloß e bißche ärgern, aber de Emma denkt immer foorts gleich wer weiß was, mir scheint, die hat direkt e verdorbene Fantasie. Ja, der gute Franz Willuweit! Er konnd immer so viel Späßchens erzählen, und wir haben sich immer gut verstanden, bis wir innem letzten Krieg auseinanderkamen. Ich dachd, er hat all lang de Klumpen aufgesetzt, aber er lebt. Und nu schrieb er, dass er uns in acht Tage besuchen kommt. Nu ging es aber bei de Emma los von wegen dem neien Wintermantel, wo se doch kriegen solld. Das Geld dafier hädd se fest bekniffen, und ich hädd mir auch mit Kartoffellesen e paar Extra-Dittchens gemacht, und deshalb brieschden wir nu los inne Stadt. Wenn e Frau e Mantel kauft, denn soll der Mann sich lieberst im Krug hucken und einem vore Brust nehmen. Aber ich mißd mit. Se schleppd mir durch acht Geschäfte, dass mir all zuletzt de Zung außem Hals hing, und se konnd und konnd mit dem Kauf nich einig werden. Da wurd ich aber energisch. Ich haud mitte Faust aufem Tisch und sagd: „Dem nimmst!“ Und denn nahm se ihm, aber se ließ sich noch extra aufschreiben, dass se ihm wieder umtauschen konnd, wenn er ihr bei Tageslicht nich gefiel. Inzwischen war nämlich diester geworden. Mein Einkauf, e Buddel Kornus, e Buddel Rum und e paar Ziehgarren — der Franz als mein Gast solld doch nich mittem trocknen Daumen untre Zung hucken — ging viel schneller wie de Emma ihr Mantel, und denn wollden wir wieder zu Haus, und denn war der letzte Zug weg. Nu missden wir zu Fuß durches Diestre schraggeln, und es war so dreckig, dass einer immer ausglitschd, und denn fing auch noch an zu sibbern, und de Emma schimpfd, dass se ihrem Schirm nich mithädd. Jedenfalls waren wir heilfroh, wie wir endlich zu Haus ankamen. Am liebsten hädd ich mir nu gleich e steifem Grog zurechtgemacht wegen die Erkältungsgefahr, aber de Emma ließ nich. „Geh lieberst deinem Pochel abfittern, emmend is er all verhungert“, meind se. Er war natierlich nich verhungert, aber er stirzd sich auf das Fressen, als wenn er drei Tage nuscht gekriegd hädd. Wirklich, er frisst gut, der Trog ist immer blank geleckt, das Schwanzche ist zusammen gekringelt, und er schlackert mitte Ohren beis Fressen, dass es richtig knallt. Schad, dass wir ihm nich all schlachten können, wenn der Franz Willuweit kommt, dachd ich, aber er is ja noch viel zu klein und zu dinn. Er muss erst richtig ansetzen, und dann kann der Franz ja noch emal rieberkommen. Wie ich wieder inne Stub reinkam, hädd sich de Emma dem neien Mantel angezogen und drehd sich vorem Spiegel wie e Filmdiva. Se wackelt mittem Stietz wie e dreijährige Zuchtgans und renkd sich rein de Pupillen aus, um alles richtig zu sehen. Dabei sah se man immer bloß e Klacksche von ihrem Mantel, denn mein Rasierspiegel is man ganz klein, und e greeßerem haben wir nich. Natierlich war se nich zufrieden und mißd ihm richtig nach e paar Tage wieder umtauschen. Aber da ließ ich ihr allein fahren. Ich wolld nich noch emal e Machtwort sprechen, dass se noch emal umtauschen mißd, und wegrennen tat se mir sowieso nich, weil se das Futter gewehnt is. Endlich kam nu auch der Tag, wo der Franz Willuweit eintraf. Ich hold ihm vonne Bahn ab, und er meind, ich hädd mir gar nich verändert, ich seh genauso aus wie frieher. Er kam mir e bißche krummer vor wie bei die 37-er, aber sonst lachd er noch ieber beide Backen wie in die scheene Jugendzeit, und konnd es nich lassen, mir gleich aufem Bahnhof noch einem Witz zu verpassen. „Weil wir hier gerad anne Bahn stehen“, sagd er, .... da kam e verschrumpeltes altes Frauche aufe Bahn und wolld e Billjett fier zwei Gulden haben. „Wohin?“ fragd der Mann am Schalter. Das geht Ihnen gar nuscht an. Seien Se nich so neigierig. Denn kann ich Ihnen auch kein Billjett nich geben. Ebend war ich aufe Post und kaufd mir e Briefmark fier e Dittche. Da hat der Mann mir auch nich gefragt, wohin ich den Brief schicken will, und das is genau dasselbe. Das is nich dasselbe, Ach, nu wollen Se mit mich auch noch Streit anfangen. Sie sind doch auch bloß e kleiner Beamter! Was bin ich? E kleiner Beamter? Na, emmend nich? Und wenn ich auch hundertmal bloß e kleiner Beamter bin, Se missen mir sagen, wo Se hinfahren wollen. Ich wer Ihnen was husten! Geben Se mir nu das Billjett fier zwei Gulden oder nich? Nein! Scheen, denn geh ich ebend zu Fuß! — Der Franz lachd und freid sich wie e Kind, und ich lachd auch. Ich kannd dem Witz schon, wolld ihm aber nich de Freid verderben. Seine Witze waren meist all so alt, dass mein Großvater dafier von seinem Vater all fier e Freeß gekriegt hädd. — Nu gingen wir denn freehlich nach Haus und nahmen unterwegs immer noch einem aus der Kornusflasch, wo ich mir beim Weggehen heimlich untre West geschoben hädd, dass de Emma es nich gewahr wurd. Im Erzählen und Zuprosten wurd denn so pöh a pöh der Weg aller und der Kornus auch. Zuletzt war de Flasch leer und wir waren voll. So zogen wir mit das Lied „Sie kommt, sie kommt nich mehr“ innes Dorf rein, dass aller de Fenster aufrissen. Auch de Emma heerd uns all von weitens, aber wie wir denn inne Stub reinkamen, konnd se nuscht sagen, weil der Franz ja Besuch war. Denn haben wir uns orndlich den Bauch vollgeschlagen, und der Franz wolld immer noch einem Witz erzählen, aber de Emma solld rausgehen sehn, ob es regnet. Bloß se ging nich. Denn fing ee e anderem Witz an, wo se drinbleiben konnd, aber da fand er nich de Poänkte. Wie er fertig war, lachd keiner, und er machd e ganz dussliches Gesicht. Ich hädd dem Eindruck dass er orndlich duhn war. Mir war aber noch gar nich gar nuscht nich anzumerken, e alter Landbrieftrager z. A. is nich so leicht untrem Tisch zu kriegen. Am liebsten hädd ich nu noch e bißche hubbrig inne Stub, aber de Emma sagd: „Nu is genug, es muss auch noch fier morgen was bleiben“. Der Franz sagd: „Hick!“, lachd sich eins und wolld geradzig e neiem Witz erzählen, da fielen ihm die Augendeckel runter, und er fing firchterlich an zu schnarchen. Was blieb einem iebrig? Ich mißd mir auch langmachen. So deckden wir  dem Franz mit drei Decken zu und gingen inne Posen. Dem andern Morgen häddden wir beide e dickem Kopp trotzdem freiden wir uns all aufm Abend, wo e steifem Grog geben solld. Aber darieber schreib ich Ihnen das nächste Mal, sonst wird der Brief zu lang. Grog is jetz richtig und wichtig! Viele herzliche Grüße. Landbriefträger z. A. sendet Ihnen Ihr Ernst Trostmann.

 

 

 

Seite 13    Die Hauptentschädigung beginnt.

Nach einer Mitteilung des Bundesausgleichsamtes ist die Schadensfeststellung in den letzten Monaten erfreulich in Gang gekommen. Die Zuerkennung von Hauptentschädigung könne, entsprechend dieser Mitteilung, nunmehr angelaufen. Allerdings könne diese noch nicht gezahlt werden.

 

Nach einer Anordnung des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes sollen zunächst die Anträge derjenigen Geschädigten bearbeitet werden, bei denen sich die rechtskräftige Schadensfeststellung und Zuerkennung oder Teilzuerkennung ihrer Ansprüche auf Hauptentschädigung bereits jetzt auswirkt. Folgende Gruppen werden dabei als besonders dringlich zuerst an die Reihe kommen.

 

 

1.     Empfänger von Aufbaudarlehen nach dem Soforthilfegesetz oder dem Lastenausgleichsgesetz sowie von Darlehen nach dem Flüchtlingssiedlungsgesetz, deren Darlehen in Hauptentschädigung umgewandelt werden können.

2.     Geschädigte, die einen Antrag auf Gewährung von Aufbaudarlehen gestellt haben, wenn die Bewilligung durch die Schadensfeststellung und die Zuerkennung ihres Anspruches auf Hauptentschädigung erleichtert und zugleich beschleunigt wird.

3.     Antragsteller, bei denen die Einweisung in die Unterhaltshilfe in die Entschädigungsrente von der Schadensfeststellung und Grundbetragsrechnung abhängt.

 

Ausgenommen von der Bearbeitung müssen auch in diesen Fällen vorläufig diejenigen Anträge bleiben, für die noch Bewertungsschriften fehlen, insbesondere auf dem Gebiet der Landwirtschaft werden schon jetzt die organisatorischen Vorbereitungen getroffen, um unverzüglich nach Verkündung der vorbereiteten Rechtsordnung in die Schadensbegutachtung einzutreten.

 

 

Seite 13   Aufbaudarlehen an Landwirte

Der Präsident des Bundesausgleichsamtes hat zu der Frage Stellung genommen, ob an vertriebene und geflüchtete Landwirte, die auf Grundstücken der Bundesvermögensverwaltung auf dem Pachtweg angesiedelt wurden, Aufbaudarlehen gezahlt werden können. Bisher wurden diesbezügliche Anträge jeweils mit der Begründung abgelehnt, dass der Pachtvertrag mit der Bundesvermögensverwaltung eine Klausel enthalte, wonach bei dringendem öffentlichem Bedarf der Vertrag mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden könne.

 

Der Präsident des Bundesausgleichsamtes betonte nun, dass auch diese Verpachtungen grundsätzlich auf mindestens zwölf Jahre abgeschlossen würden und die Notkündigungsklausel lediglich zur Vermeidung eines Enteignungsverfahrens in den Vertrag aufgenommen worden sei. Da der Pächter bei vorzeitiger Kündigung eine Pachtaufwandsentschädigung und eine Pachtaufhebungsentschädigung nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen erhält, könnten Aufbaudarlehen auch in diesen Fällen gewährt werden.

 

 

Seite 13   Über 2 Milliarden DM Hausratshilfe

Bad Homburg. Bis zum 31. August 1954 wurden 3,19 Millionen Hausrathilfe-Anträge mit der Zahlung der ersten Rate in Höhe von rund 1,3 Milliarden DM bewilligt. In 556 000 Sonderfällen wurden entweder gleichzeitig die erste und zweite Rate oder die zweite Rate allein mit einem Gesamtbetrag von 225 Mill. DM an Hausrathilfemitteln bewilligt. Einschließlich der Leistungen nach dem Soforthilfegesetz sind somit bisher schon über zwei Milliarden DM für die Verluste an Hausrat gezahlt worden.

 

Bei einem Überblick zeigt sich, dass im Rumpfrechnungsjahr 1952 von den 305 Mill. DM eingesetzten Hausrathilfemitteln nur 234 Mill. DM ausgegeben wurden. Bereits im Rechnungsjahr 1953 reichten die zunächst vorgesehenen 671 Mill. DM nicht mehr aus. Es mussten weitere 300 Mill. DM bereitgestellt werden, so dass im Jahr 1953 im ganzen 915 Mill. DM für die Hausrathilfe ausgezahlt wurden.

 

Im ersten Quartal des Rechnungsjahres 1954 gingen die Auszahlungen der Hausrathilfe wegen der Abschlussrechnungen des beendeten Rechnungsjahres vorübergehend zurück, doch hat sich das Auszahlungstempo inzwischen wieder stark erhöht und übertrifft mit 107 Mill. DM im Monat Juli den Monatsdurchschnitt des bisher am günstigsten liegenden Jahres 1953 um rund 31 Mill. DM. Auch im August dieses Jahres betrug die Auszahlungssumme immer noch 94 Mill. DM. Für das Rechnungsjahr 1954 sind insgesamt 716 Mill. DM für Hausrathilfe bereitgestellt worden. Hiervon konnten 361 Mill. DM bis Ende August ausgezahlt werden. Heue

 

 

Seite 13   Neue LA-Mittel.

Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, plant das Bundesausgleichsamt, neue Mittel für Lastenausgleichshilfen bereitzustellen. Als Vorgriff für 1955 sollen 50 Millionen DM für Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft und freie Berufe zur Verfügung gestellt werden. Der bereitzustellende Betrag für Wohnraumhilfe beträgt 460 Millionen DM für das laufende Jahr, wovon 20 Millionen DM für die Rückführung evakuierter Kriegssachgeschädigter von Land zu Land verwendet werden sollen. Mit diesen Mitteln muss aber auch in den Ländern die innere Umsiedlung sowie die Lagerauflösung durchgeführt werden.

 

350 Millionen DM sollen für Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau bereitgestellt werden, davon 70 Millionen DM im Vorgriff für das Rechnungsjahr 1955. Von diesem Betrag sollen 60 Millionen DM für die Umsiedlung Heimatvertriebener und die Rückführung evakuierter Kriegssachgeschädigter aus Flüchtlingsabgabeländern in Flüchtlingsaufnahmeländer und weitere 10 Millionen DM für die Rückführung evakuierter Kriegssachgeschädigter von Land zu Land, jedoch nicht von einem Flüchtlingsabgabeland in ein Flüchtlingsaufnahmeland, verwendet werden.

 

Für Aufbaudarlehen für die Landwirtschaft sollen für das Rechnungsjahr 1955, 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Dazu kommen, ebenfalls für das Rechnungsjahr 1955, Leistungen aus dem Härtefonds mit einem Betrag von 40 Millionen DM, 100 Millionen DM für Ausbildungshilfen und 10 Millionen DM für Heimförderung.

 

 

Seite 13   Erweiterung der Hausratshilfe.

Weitere Personengruppen sollen in den Genuss der Hausratshilfe kommen. Auch 1955 soll nach dieser Verlautbarung die zweite Rate der Hausratshilfe an 70-jährige und ältere Personen ausgezahlt werden. Auch alle Familien, besonders die Kinderreichen, die nach der Punkttabelle 80 und mehr Punkte haben, sollen die zweite Rate erhalten. Für die Auszahlung der ersten Rate ist an eine Herabsetzung der Punktzahl von 50 auf 45 gedacht.

 

 

Seite 13   Die Weihnachtsbeihilfe

Wie in den früheren Jahren werden auch in diesem Jahre Weihnachtsbeihilfen an Bedürftige gezahlt werden. Entsprechende Gesetzesanträge sind eingebracht worden und wurden am 15.10.1954 im Bundestag behandelt. Sie wurden an den Haushaltsausschuss, mitberatend dem Ausschuss für Sozialpolitik überwiesen. Ob Empfänger von Unterhaltshilfe einbezogen werden, ist noch fraglich.

 

 

Seite 13   Eine Stichtagänderung für Ostsparer.

wird in einem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener verlangt. Danach soll der bisherige Stichtag des 31.12.1950 auf den 31.12.1952 vorverlegt werden. Es würden dann alle Vertriebenen entschädigungsberechtigt, die zwischen dem 31.12.1950 und dem 31.12.1952 in das Bundesgebiet gekommen sind. Außerdem soll die Antragsfrist für alle Berechtigten bis zum 31.08.1955 verlängert werden. Sollte dieses Änderungsgesetz wirksam werden, informieren wir unsere Leser entsprechend.

 

 

Seite 13   Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchanmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a, zu richten.

 

Familie Zander, aus Königsberg, Tulpenweg 10, für Gerhard Zander, geb. 28.09.1924 in Rastenburg

 

Familie Müller, aus Königsberg, Warschauer Straße 58, für Otto Müller, geb. 12.06.1912 in Groß-Rominten

 

Familie Müller, aus Kühnen, Kr. Stallingen, Schulstraße 27. für Kurt Müller, geb. 23.11.1920 in Störmthal

 

Familie Zimik, aus Langendorf, Kr. Sensburg, für Friedrich Zimik, geb. 03.12.1908 in Langendorf

 

Helene Müller, aus Liebenfelde, Löwentalerstraße, für Richard Müller, geb. 21. 04.1909 in Kanzau

 

Frau Selleneit, aus Marschehen bei Heidekrug, Kr. Königsberg, für Kurt Selleneit, geb. 20.03.1918 in Jedwilleiten

 

Otto Samel, aus Mikieten bei Foglgen, Kr. Tilsit-Ragnit, für Fritz Samel, geb. 15.02.1923 in Balga

 

Anna Wosinski, aus Mühlenwalde bei Hermsdorf/Zinten, Kr. Heiligenbeil, für Heinrich Wosinski, geb. 29.09.1907 in Wiskiauten

 

Ottilie Zinkowky, aus Neidenburg, Deutsche Straße, Kreis Abbau, für Paul Zinkowky, geb. 13.12.1910 in Neidenburg

 

Martha Zander, aus Rominten, für Eduard Zander, geb. 10.03.1886 in Altsetzenburg

 

Christoph Wosien, aus Romsdorf, Kr. Königsberg, für Friedrich Wosien, geb. 28.07.1922 in Romsdorf

 

Josef Zientera, aus Rosenau, Kr. Allenstein, für Paul Zientera, geb. 15.04.1914 in Rosenau

 

Familie Wunderlich, aus Schippenbeil, Kr. Bartenstein, für Albert Wunderlich, geb. 16.10.1903 in Georgenau

 

Maria Zejewski, aus Sombien, Kr. Allenstein, für Bernhard Zejewski, geb. 26.06.1911 in Sombien

 

Frau Zimmermann, aus Stockhausen, Kr. Rössel, für August Zimmermann, geb. 30.07.1911 in Schulen

 

Anna Lessinsky, aus Tilsit, frühere Hermann-Göring-Straße 5, für Karl Zeise, geb. 02.02.1878 in Gumbinnen

 

Else Zippel, aus Wagenau, Kr. Giesen, für Wilhelm Zippel, geb. 11.03.1901 in Brauersdorf

 

Familie Müller, aus Wartenburg, Luisenstraße 20, für Joachim Müller, geb. 09.05.1925

 

Erna Ziebach, aus Wehlau, Große Vorstadt 10, für Günther Ziebach, geb. 14.03.1925 in Königsberg

 

August Teschner, aus Wehlen-Allenberg, Bez. Königsberg, für Kurt Teschner, geb. 28.12. 1926 in Wehlau

 

Anna Schreiber, aus Allenstein, Königsberger Str. 6, für Walter Schreiber, geb. 24.11.1910 in Breslau

 

Gustav Stresow, aus Alt-Drewitz, Kr. Königsberg, für Walter Stresow, geb. 05.05.1925 in Alt-Drewitz

 

Rudolf Tiedemann, aus Altfelde, Kr. Marienburg, für Friedrich Tiedemann, geb. 22.06.192? in Altfelde

 

Walter Konrad Schnöge, aus Bäslach, Kr. Rastenburg, für Arthur Schnöge, geb. 05. 07.1921 in Gilge

 

Anna Rogowski, aus Berken, für Ernst Rogowski, geb. 14.09.1925 in Berken

 

Maria Rodowski, aus Bonau, Kr. Neidenburg, für Emil Rodowski, geb. 23.05.1906 in Grünfließ

 

Luis Stockhaus, aus Cojehen, für Ewald Stockhaus, geb. 01.11.1917 in Bruchort

 

Frau Römke, aus Duneiken, Kr. Treuburg, für Bruno Römke, geb. 22.02.1903

 

Paul Stöpke, aus Eisenberg, Kr. Heiligenbeil, für Otto Stöpke, geb. 04.07.1910 in Eisenberg

 

Ferdinand Sommer, aus Freihausen, Kr. Lötzen, für Emil Rosinski, geb. 24.02.1900 in Vannoven

 

Albert Rochlitz, aus Göllnitz bei Braunsberg, für Willi Rochlitz, geb. 13.12.1919 in Ketschendorf

 

Auguste Roppel, aus Heiligenfelde, Kr. Goldap, für Bruno Roppel, geb. 21.09.1910 in Spielasken

 

Emil Roczkowski, aus Hilgenau, Kr. Osterode, für Fritz Roczkowski, geb. 09.10.1926 in Hilgenau

 

Anna Schubert, aus Jackerick 80, Kr. Königsberg, für Hermann Schubert, geb. 27.07.1901 in Berlin

 

Friedrich Rogalla, aus Jesau bei Königsberg, für Fritz Rogalla, geb. 18.07.1927 in Vierzighuben

 

Felixa Sargalski, aus Klensgau, Kr. Neidenburg, für Bruno Sargalski, geb. 15.08.1917 in Schreibesdorf

 

Amalie Stolp, aus Königsberg, für Franz Stolp, geb. 21.02.1894 in Großlüttgenfürst

 

August Struwe, aus Königsberg, für Herbert Struwe, geb. 01.12.1922 in Königsberg

 

Erna Richter, aus Königsberg, Am Fließ 35, für Werner Richter, geb. 16.10.1903 in Leipzig

 

Ilse Schmidt, aus Königsberg, Barbarastr. 100, für Richard Schmidt, geb. 13.08.1918 in Schonnebeck

 

Erna Rohde, aus Königsberg, Batzkostr. 35, für Walter Rohde, geb. 05.07.1910 in Königsberg

 

Anna Kivhase, aus Königsberg, Deutsche-Ordens-Ringe 86, für Alfred Tanzik, geb. 07.04.1928 in Geroldswalde

 

Familie Schönfeld, aus Königsberg, Friedmannstr. 43, für Harry Schönfeld, geb. 21.04.1930

 

Familie Tilsner, aus Königsberg, Gerlachstr. 94a. für Paul Tilsner, geb. 30.07.1925 in Königsberg

 

Frau Rick, aus Königsberg, Gerlachstr. 100, für Gerhard Rick, geb. 06.08.1911 in Königsberg

 

Agnes Schmidt, aus Königsberg, frühere Hermann-Göring-Str. 4, für Erich Schmidt, geb. 14.06.1905 in Kolmar

 

Elisabeth Rosocha, aus Königsberg, Jerusalemer Str. 37, für Fritz Rosocha, geb. 22.09.1910 in Königsberg

 

Familie Schmidt, aus Königsberg, Juditterallee 100, für Rudi, Schmidt, geb. 11.03.1928

 

Elfriede Schmischke, aus Königsberg, Kapernerstr. 51, für Willi Georg Paul Schmischke, geb. 05.02.1909 in Mahrau

 

Emmi Schoreit, aus Königsberg, Katzensteg 1, für Richard Schoreit, geb. 22.08.1916 in Königsberg

 

Magdalena Rotkopf, aus Königsberg, Lindenstr. 81, für Michael Rothkopf, geb. 06.08.1900

 

Familie Schrade, aus Königsberg, Tischmannhofstr. 5 - 6, für Paul Schrade, geb. 03.12.1912 in Ogen

 

Frieda Schmidtke, aus Königsberg, Vorder Lanse 3, für Karl Ernst Schmidtke, geb. 10.10.1920 in Königsberg

 

Anna Thiel, aus Königsberg, Wickbolderstr. 100, für Willi Thiel, geb. 14.12.1906 in Königsberg

 

Martha Tinz, aus Königsberg, Zeppelinstraße, für Erich Tinz, geb. 15.01.1911 in Königsberg

 

Herr G. Roppel, aus Koschen, Mittelstr. 9, für Gerhard Roppel, geb. 28. 12. 1927 in Lütz

 

Franz Rosetta, aus Kraupendorf, Kr. Allenstein, für Anton Rosetta, geb. 25.01.1924 in Neupathaulen

 

Frida Schmitt, aus Lehmannsdorf 5, bei Wohllau, für Anton Schmitt, geb. 12.02.1905 in Fürth

 

Fritz Roslowski, aus Leuth, Kr. Königsberg, Siedlungsweg 17, für Kurt Fritz Schmidt, geb. 24.07.1915 in Königsberg

 

Otto Przygodda, aus Lindenort, Kr. Ortelsburg. für Heinrich Rogowski, geb. 10.07.1922 in Liebenberg

 

Gustav Rosengart, aus Marauen, Kr. Rastenburg, für Paul Rosengart, geb. 08.02.1923 in Marauen

 

Michel Streckies, aus Markthausen über Liebenfelde, für Hermann Streckies, geb. 15.11.1926 in Peterahn

 

Margarete Jordan, aus Osterode, Schillerstr. 10, für Siegfried Schranna, geb. 17.12.1915 in Osterode

 

Josefine Robert, aus Plantzig, Kr. Allenstein, für Frank Robert, geb. 20.09.1898 in Schillinge

 

Otto Tautius, aus Pohinbels, Kr. Rastenburg, für Ottomar Tautius, geb. 04.02.1927 in Schwiedern

 

Familie Thiel, aus Preußisch-Eylau, Mühlenweg 1, für Fritz Thiel, geb. 05.08.1924 in Bothoswalde

 

Irene Sawischewski, aus Ragnitz. Kr. Tuchel, für Josef Sawischewski, geb. 20.04.1918 in Kelpin

 

Gustav Schottke, aus Rastenburg, Siedlung Gramberg 9, für Kurt Schottke, geb. 12.06.1923

 

Hedwig Schmidt, aus Rautenberg bei Heilsberg, für Albert Schmidt, geb. 05.09.1895 in Dortmund

 

Anna Schäfer, aus Riesenburg-Rosenberg, Krauseplatz 3, für Eduard Rogge, geb. 30.01.1914, in Riesenburg

 

Martha Schneidereit, aus Ruß, Kr. Heydekrug, für Hermann Schneidereit, geb. 20.11.1909 in Bismarck

 

Auguste Schotzki, aus Schildeck, Kr. Osterode, für Willi Schotzki, geb. 08.09.1915 in Panzerei, Kr. Osterode

 

Robert Sararowitz, aus Schmidtsdorf, Kr. Sensburg, für Helmuth Sararowitz, geb. 12.07.1928 in Lötzen

 

Klara Rohloff, aus Seeburg, für Hans-Joachim Rohloff, geb. 05.03.1917 in Küstrin

 

Familie Stolz, aus Spohn, Post Pollenschin, Kr. Berent. für Paul Stolz, geb. 22.06.1926 in Spohn

 

Gustav Rohde, aus Sulimmen, Kr. Johannisburg, für Werner Rohde, geb. 31.10.1924 in Sulimmen

 

Emma Rogge, aus Thorbuden bei Gumbinnen. für Friedrich Rogge, geb. 04.04.1903 in Charbuben

 

Gerhard Schories, aus Tilsit, Marienstr. 7, für Kurt Schories, geb. 14.02.1907 in Labiau

 

Karl Schmidt, aus Warnitz, Kr. Königsberg, für Gustav Schmidt, geb. 28.04.1925 in Lindow

 

Elisabeth Zerta, aus Wartenburg, Kr. Allenstein, für August Schliwa, geb. 27.08.1896 in Hirschberg

 

Gustav Schlösser, aus Worlack, Kr. Landsberg, für Franz Schlösser, geb. 22.01.1926 in Hamborn

 

Fritz Strubek, aus Wicken bei Schönbruch, Kr. Bartenstein, für Siegfried Strubek, geb. 23.03.1926 in Schwanau

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste

Wer kennt die Angehörigen? Nachrichten an die Auskunftsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Gerdauen: die Angehörigen des Franz Bazucheitis, geb. etwa 1925.

 

dem Memelgebiet: die Angehörigen der Marta Behrend, geborene Liekeit, geb. 12.03.1905.

 

Bartenstein: die Angehörigen der Grete Hirstein, Verkäuferin.

 

Allenau, Kr. Bartenstein: die Ehefrau Gertrud Kannert, geborene Lötzke, geb. 18.03.1907 in Abschwengen.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Kurt Adebar, geb. etwa 1916, aktiver Soldat — III/44079

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Heinz Berndt, geb. 1912 — III/67995

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Fritz Dommel oder Bommel, geb. etwa 1930 — III/30464

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Helmut Duttat, geb. etwa 1921, Beruf: vermutlich Landwirt — III/32878  

 

Bernhard Schwark, Birkenau, Kr. Allenstein, für Bernhard Schwark, geb. 18.09.1925 in Groß-Mönsdorf.

 

Hermann Schwark, aus Slokain, Kr. Rastenburg, für Fritz Schwark, geb. 26.12.1926 in Landkain.

 

Wilhelm Schulz, aus Brodau, Kr. Neidenburg, für August Schulz, geb. 09.03.1912 in Brodau.

 

Familie Schubert, aus Elbing, Bunsenweg 27, für Kurt Schubert, geb. 08.12.1920 in Ochmitz.

 

Käthe Joswig, aus Farienen, Kr. Ortelsburg, für Otto Joswig, geb. 05.08.1914 in Farienen.

 

Lydia Steffen, aus Fürstenau, Kr. Preußisch-Holland, für Wilhelm Steffen, geb. 20.12.1902 in Neubollstädt.

 

Familie Stange, aus Goldap. Lindenstr. 10, für Adolf Stange, geb. 15.11.1887 in Heiligenbeil.

 

Sylvester Schwauna, aus Habigotten, für Bruno Schwauna, geb. 29.07.1926 in Habigotten.

 

Helene Bieberneit (wiederverehelichte Piejda), aus Hardteck. Kr. Goldap, für Fritz Bieberneit, geb. 01.07.1902 in Groß-Rominten.

 

Karl Schwartz, aus Höhenwerda, Kr. Ortelsburg, für Ernst Schwartz, geb. 30.11.1925 in Höhenwerda.

 

Karl Schwarzinger, aus Hohenau, Feldgasse 234. für Josef Schwarzinger, geb. 08.01.1920 in Hohenau.

 

Frau Stahl, aus Hohenstein, für Otto Stahl, geb. 12.02.1910.

 

Gustav Stadtaus, aus Hindenburg bei Labiau für Hans Stadtaus, geb. 14.08.1921 in Hindenburg.

 

Wilhelm Schuhmacher, aus Hoverbeck über Sensburg, für Wolfgang Schuhmacher, geb. 13.01.1922 in Hoverbeck.

 

Allenstein/Ostpreußen: die Angehörigen von Josef Bania, geb. etwa 1888. Beruf: Sägewerkarbeiter — III/53005

 

der Gegend von Insterburg: die Angehörigen von: Vorname unbek. von Arbter, geb. etwa 1910/1911 aktiver Soldat. Fahnenjunker — III/12863 —

 

 

 

Seite 14   Aus den Landsmannschaften

Seesen am Harz

Die Eindeutschung und Kolonisation des Ostens jenseits der Elbe bis zur Weichsel und Memel im 9. bis 13 Jahrhundert durch Kreuzritter und bäuerliche Siedler behandelte Hilfsschullehrer Fenske tiefschürfend und anschaulich beim Heimatabend der Ost- und Westpreußen am 6. November. — Obmann Papendick erläuterte die neuesten Bestimmungen zur Entschädigungsrente, Unterhaltshilfe und Hausratsentschädigung. Frau Fahlke und Frau Jung erfreuten durch humorvolle heimatliche Lesungen und Vorträge. — Eine Adventsstunde mit Marzipanverlosung am 11. Dezember und eine Vorweihnachtsfeier für die Kinder am 22. Dezember werden die kulturelle und heimatpolitische Jahresarbeit beschließen.

 

 

Seite 14   Lübbecke/Westfalen.

Aus der Arbeit der Landsmannschaft in der letzten Zeit sei folgendes zu berichten: Zu unserer Freude konnten wir endlich unsere Frau Agnes Miegel zu einer Lesung hier sehen, die von 350 Personen besucht war.

 

Zu den Vorbereitungen zum Tag der Heimat haben wir uns mit den einheimischen Verbänden vereint. Man sah neben den Trachten- und Tanzgruppen der Ostvertriebenen auch hiesige Gruppen. Die Einheimischen stellten den Hauptredner, Landrat Niermann, und von den ostdeutschen Landsmannschaften den Sprecher Hardt. Die Landsmannschaften des Regierungsbezirkes Detmold haben sich zu einer Bezirksgruppe zusammengeschlossen, die ihre erste Tagung in Oerlinghausen abhielt, bei der Vorstandsmitglieder des Landesverbandes N. R. W. richtungweisende Referate hielten.

 

Im Gedenken an die Heimat feierte die Ortsgruppe ihr Erntedankfest in einem mit Herbstlaub und Feldfrüchten geschmückten Saal. Die Festrede, in der von der Heimat und von den hiesigen Verhältnissen — im Kreise ist teilweise die ganze Ernte durch Überschwemmungen vernichtet — gesprochen wurde, machte tiefen Eindruck. Dann folgte ein Vortrag mit Lichtbildern vom Landsmann Dr. Kerwat über eine von ihm durchgeführte Gemeinschaftsfahrt nach Schweden, der mit großem Interesse aufgenommen wurde. Rezitationen und gemeinsame Lieder umrahmten die gesamten Darbietungen.

 

Aus der Arbeit des Siedlungs-Ausschusses für die Kreise Lübbecke, Minden, Herfort-Land und Herfort-Stadt, dessen Vorsitzender der Sprecher unserer Landsmannschaft ist, erzählte dieser folgendes Erlebnis: es sollten 35 Nebenerwerbssiedlungen an ostvertriebene Landwirte gegeben werden. Vorher waren die in Aussicht genommenen Familien besucht worden. Als die Kommission zu einer großen ostpreußischen Familie kam, die in engsten und schlechtesten Wohnverhältnissen lebte, und dieser eine Siedlung in Aussicht stellte, sagte die Hausfrau: „Wenn Sie im Kreise noch eine Familie haben, die schlechter wohnt als wir, dann verzichten wir, dann nehmen Sie diese“. Diese Selbstlosigkeit machte einen sehr tiefen Eindruck auf die Einheimischen. Die betreffende Familie, die von allen die schlechteste Wohnung hatte, erhielt eine Siedlung.

 

 

Seite 14   Ostpreußen und Schwaben in kultureller Zusammenarbeit

Schorndorf/Württ. Eine sehr erfreuliche und vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Heimatvertriebenen und Einheimischen hat sich in Schorndorf fruchtbringend angebahnt. Den persönlichen Bemühungen des 2. Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgemeinschaft Schorndorf, Heinz Kubelke, ist es gelungen, eine kulturelle Zusammenarbeit zwischen der Landsmannschaft Ostpreußen und dem Heimatverein Schorndorf zustande zu bringen.

 

Anlässlich des Heimatabends der Landsmannschaft Ostpreußen im September führte der 1. Vorsitzende des Heimatvereins Schorndorf, Architekt Dipl.-Ing. I. C. Rösler, die Ostpreußen in die Geschichte ihrer neuen Heimatstadt ein. Sein wirklich ausgezeichneter und leicht verständlicher Vortrag ließ die Ostpreußen erkennen, auf welch geschichtlich historischem Boden sie sich nun befinden und schuf damit die Voraussetzung für einen am Sonntag darauf stattgefundenen Stadtrundgang, bei dem die heimatvertriebenen Ostpreußen feststellen mussten, dass sie ihre neue Heimatstadt wohl kaum bisher aus diesem Blickwinkel betrachtet hatten.

 

Der Heimatverein hat sich weiter bereit erklärt, noch eine Reihe Vorträge, teils mit Lichtbildern, über das Schwabenland vor unseren Ostpreußen zu halten, um sie mit der neuen Heimat weiter bekanntzumachen, sie unter sachkundiger Leitung durch das Heimatmuseum zu führen, während maßgebende Mitglieder der Landsmannschaft die Mitglieder des Heimatvereins im Laufe des Winterhalbjahres durch Mitglieder des Heimatvereins bekanntmachen werden. Im Zuge der Zusammenarbeit und zur engeren Bindung aneinander haben zahlreiche Mitglieder der Landsmannschaft ihren Beitritt zum Heimatverein erklärt und werden demnächst auch in dessen Hauptausschuss entsprechend vertreten sein.

 

 

Seite 14   Fünfjahrfeier in Berchtesgaden

Die Berchtesgadener Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern konnte am 25. Oktober das Fest ihres fünfjährigen Bestehens bei außerordentlich starkem Besuch ihrer Mitglieder begehen. Die ehemaligen 1. Vorsitzenden, Dr. Schlicker - Bonn und H. Krupa - Stephanskirchen hatten herzliche Schreiben und Glückwünsche übersandt, ebenso einige Mitglieder, die unterdessen in anderen Orten eine Bleibe gefunden haben, aber noch immer in bester Verbundenheit mit der alten Berchtesgadener Vereinigung leben. Der frühere 1. Vorsitzende Alexander Schadau war zu der Feier aus Traunstein herübergekommen und gab einen interessanten Überblick über die Entwicklung der Vereinigung vom Gründungstage an. Er schilderte besonders die gute Arbeit, die in den letzten Jahren unter der Leitung des augenblicklichen Vorsitzenden Marian Hepke geleistet worden ist und forderte zu Treue gegenüber der Heimat und der Vereinigung auf. In vielen Liedern und Gedichten (Oma und Opa Sturmhoefel, Frl. Neiss u. a.) wurde in heiterer Form der Ereignisse aus dem Leben der Vereinigung gedacht.

 

 

Seite 14   Eine Würdigung von Agnes Miegel

Schorndorf/Württ. Der Heimatabend der Landsmannschaft Ostpreußen im Saal der Schlachthaus-Gaststätte stand unter dem Zeichen der großen noch lebenden ostpreußischen Dichterin Agnes Miegel.

 

Vorsitzender August Preuß konnte zu Beginn neben den vielen Mitgliedern wieder neue Landsleute begrüßen, die nach hier zugezogen, sich sofort ihrer Landsmannschaft angeschlossen hatten. Besonders erfreut konnte er feststellen, dass auch dieses Mal wieder zahlreiche Gaste erschienen waren, um diesen Heimatabend ihrer Heimatvertriebenen mitzuerleben.

 

Nach einleitenden Gedichten von Agnes Mieqel würdigte der 2. Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Heinz Kubelke, das Lebenswerk dieser größten noch lebenden ostpreußischen Dichterin tiefschürfend und voller Erkenntnis, dass gerade diese Dichterin des Grenzlandes, wie selten jemand anders, als Dichterin auch Seherin ist. In ihren Erzählungen, Balladen und Gedichten hat sie unbewusst und lange vor dem Zusammenbruch des Reiches vorausgesehen, was in Deutschlands größter Notzeit dann zur grausamen Wirklichkeit geworden ist. Ihr Lebenswerk, im ostpreußischen Grenzland aus dem Herzen geschrieben, wird der ganzen deutschen Nation wertvollstes Kulturgut bleiben und ihre Heimat Ostpreußen immer unvergessen sein lassen.

 

Im zweiten Teil des Heimatabends kam wieder der wortkarge aber doch schlagkräftige ostpreußische Humor zu seinem Recht. Besonderen Beifall fanden die vom Ehrenvorsitzenden W. Gaedtke gesprochenen Dialektvorträge von Robert Johannes und Willi Reichermann, die lustigen, singenden Vagabunden (die Landsleute F. Spalding und H. Schulze, begleitet von Frl. Irmgard Spendel), sowie „ostpreißische Späßchens“ unter dem Titel „Schlag opp Schlag“ (Frau Schiminskei, H. Schwindt und H. Kubelke). Heimatlieder und Vortragsstücke, gespielt von den Schwestern Anneliese und Christa Preuß (Klavier), Frl. Irmgard Spendel (Akkordeon) und Henning Schulze (Gitarre) umrahmten eindrucksvoll die Gesamtveranstaltung, die die große Ostpreußenfamilie und ihre Gäste noch recht lange gesellig beisammen hielt.

 

 

Seite 14   Suchanzeigen

Achtung, Königsberger! Tragheim. Wer kann mir Auskunft geben über den Verbleib meiner Mutter Marie Kaiser, geb. 06.09.1889, und meine Schwester Brunhilde Kaiser, geb. 13.09.1919, zuletzt wohnhaft gewesen Königsberg (Pr.), Dohnastr. 14. Nachricht erbittet Kurt Kaiser, Wunstorf (Hann.), Wilhelmstr. 21.

 

Bankvorstand Herr Sagrowski, Stadtsparkasse Königsberg, Landhofmeisterstr./Ecke Königsstraße wird gesucht von Frau Herta Gohritz, Berlin-Hermsdorf, Seestraße 16.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib von Maria Braun, geborene Gehrmann, geb. 23.03.1890, zuletzt wohnhaft In Heilsberg, General-Litzmann-Str. 7, Ehefrau des Tischlermeisters Ant. Braun. — Außerdem werden gesucht die Kinder Margarete Braun, geb. 14.01.1929, Irmgard Braun, geb. 22.01.1933 und Aloysius Braun, geb. 07.01.1937. Die Gesuchten sollen zuletzt in Richtung Landsberg (Ostpreußen) gesehen worden sein. Nachr. erb. an Aug. Braun. Köln, Jakobstraße 27 - 31

 

Eheleute Wilhelm Dumschat und Ida Dumschat, Lehrer in Szublauken, Kreis Gumbinnen, seit 1945 vermisst, werden gesucht von Margarete Vogel, (13a) Peulendorf über Bamberg, Oberfr.

 

Gesucht werden Gustav Adolf Wendt, geb. 31.08.1890 in Sprakten, Krs. Insterburg, zuletzt in Königsberg, Schillerstraße 23 C und Lager Rothenstein. Wer kann über seinen letzten Aufenthalt im Lager Rothenstein Auskunft geben? Ferner werden gesucht Frau Gutsbesitzer Marquardt aus Rositten/Ostpreußen, bis 1950 in Esperde bei Hameln. Nachr. erb. an L. Nieteki, Ötlingen, Tobelstraße 6.

 

Albert Klaudat, Liebenfelde West, Friedrichsdorfer Str., Kreis Labiau gesucht, geboren 01.12.1904, oder Nachricht über ihn von Bekannten oder Russlandheimkehrern an Frau Ida Klaudat, Stahnsdorf bei Berlin. Wilh.-Külz-Str. 102 bei Meyer.

 

Wer kennt meine Schwägerin Frau Johanne Jülich, geb. Lindt, war wohnhaft bis zur Vertreibung in Zweilinden (Siedlung) bei Gumbinnen (Ostpreußen). Nachricht erbeten Wilhelm Teschner. (19b) Holzen, Post Ebenhausen (Isartal).

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Ihre Verlobung zeigen an: Ilse Stamer und Gerold Bezzenberger, Gerichtsreferendar. Lübeck-Körnerstraße 35. Karlsruhe – Erzbergerstraße 56. Früher: Königsberg i. Pr.

 

Am Abend des 23. Oktober 1954 - dem Tage, an dem sie vor zehn Jahren die Gräber ihrer Lieben und ihre Adler-Apotheke in Rastenburg/Ostpreußen verlassen musste - nahm Gott der Herr unsere liebe, treusorgende Mutter, Schwiegermutter, Schwester, Großmutter, Urgroßmutter und Tante Frau Clara Christ, verw. Haesselbarth, geb. Kappis, im 90. Lebensjahre zu sich. Im Namen aller Hinterbliebenen: Charlotte Burba, geb. Christ. Gelsenkirchen-Buer, Pannhütte 77

 

Heute rot - morgen tot! Ganz unerwartet erlag einem Herzschlag am 5. Okt. 1954, im 70. Lebensjahr unser lieber Turnbruder Erich Walther. Bescheidenheit war das äußere Merkmal dieses unschätzbar wertvollen Mannes. In Liebe und Treue zur Turnsache hat er, ohne Aufhebens davon zu machen, jahrzehntelang dem Königsberger Männer-Turnverein von 1842 als Vorturner und darüber hinaus in den verschiedensten Ämtern und bei allen festlichen Gelegenheiten seine Erfahrungen und seine Kraft zur Verfügung gestellt, keine Zeit und Mühe gescheut und so manches Opfer gebracht, um der schönen deutschen Turnsache und der Jugenderziehung im Turnverein zu dienen. Nach der Vertreibung aus der Heimat war es ihm eine Selbstverständlichkeit, sich am Zufluchtsort Hamburg-Blankenese dem Turnverein anzuschließen und auch dort zu dienen. Ebenso brachte er freudig Opfer an Zeit und Geld für die Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen. Sein Name bleibt in der Turnerei unvergessen und sein Wesen und Wirken bleibt Vorbild für weitere Geschlechter

Für den Königsberger Männer-Turnverein von 1842. Wilhelm Alm

 

 

Seite 16   Unsere Leser schreiben: Das ostpreußische Volkstum in seiner Entstehung. Von Walther Hardt.

Es sind verschiedentlich Darstellungen erschienen, als ob der ostpreußische Volkskörper nichts Zusammengehöriges, nichts Einheitliches wäre, sondern nur ein Gemisch aus verschiedenen Völkern und Stämmen sei. Und daher sei es mit allen Untugenden belastet, die einer Rassenvermischung im Großen und Ganzen zugehörig wären. (Was übrigens noch zu beweisen sein müsste).

 

Die deutschen Stämme im großen Vaterlande haben wenig fremdes Blut in sich aufgenommen, aber das englische Volk zum Beispiel ist ein Gemisch aus Kelten, Römern, den germanischen Stämmen der Angeln und Sachsen und den Normannen, und es ist doch eine Einheit geworden. Ebenso die Franzosen, trotzdem dieses Volk aus Galliern, Römern und den germanischen Franken sich entwickelt hat.

 

Welches Volk in vorgeschichtlicher Zeit den ostpreußischen Boden bevölkert hat, lässt sich überhaupt nicht nachweisen. Etwa 800 Jahre v. Chr. schoben sich von Osten her in diesen Raum die Austier, später Pruzzen genannt, hinein. Diese waren durchaus kein slawisches Volk, sondern zählten zu den sogenannten baltischen Völkern, zu deren Gruppe auch die Litauer, Letten, Kuren und Esten gehörten, die aus der indo-germanischen Wurzel entsprossen sind.

 

In dieses dünn besiedelte Land kamen nun bei ihrer großen Wanderung nach dem lockenden Süden die nordgermanischen Völker: die Vandalen, Burgunder und Goten. Wahrscheinlich bleiben sie in diesen furchtbaren Gegenden Jahre- und jahrzehntelang. Beim Weiterzug blieben wohl manche Familien zurück, weil sie es im Gastlande zu einem größeren Besitz gebracht hatten, oder weil sie des ewigen Wanderns müde geworden waren, vielleicht auch Familienbeziehungen zu den Pruzzen angeknüpft hatten. Diese Zurückbleibenden wurden dann in die Volksgemeinschaft der Pruzzen aufgenommen.

 

Um 1230 begann der Deutsche Ritterorden seine Kämpfe um die Christianisierung und Eindeutschung des Pruzzenlandes. Er nahm Besitz vom Lande, befestigte seine Herrschaft durch den Bau von Ordenshäusern, — Burgen, — und in Anlehnung an diese durch die Gründung von Städten.

 

Die westlichen Gebiete Deutschlands waren zu seiner Zeit überbevölkert, und man suchte Raum im menschenleeren Osten. So kamen alsbald Landedelleute, Bauern und Bürger nach Ostpreußen: — Nach Ostland wollen wir reiten. — Die Bauern und Edelleute kolonisierten das Land mit der Pflugschar, die Handwerker und Kaufleute durch Fleiß und vorausschauender Tätigkeit.

 

Man nahm den Pruzzen kein Land weg, rottete sie auch nicht aus, oder trieb sie in andere Länder, wie es uns in neuester Zeit, geschehen konnte. Es war genug Waldboden und Ödland vorhanden, wo diese deutschen Siedlungen angelegt wurden. Der Orden schuf dort 150 Burgen, 93 Städte und 1400 Dörfer. Und die Masse der Menschen, welche diese Wohnstätten bevölkerten, kamen aus dem alten deutschen Kernlande Niedersachsen, einige wenige aus Thüringen, Schlesien und Holland. Und wenn nun nach 700 Jahren ostpreußische Bauern als Flüchtlinge nach Niedersachsen gekommen sind, so ist es meistens nur eine Rückkehr in die Urheimat ihrer Väter. Vielfach mag es so sein, dass ostpreußische Bauern hier zur Aufnahme an ein Tor klopften, aus dem einst ihr Urahn nach dem Osten gezogen war.

 

Die Ureinwohner des Preußenlandes wurden von der höheren Kultur der Neulinge angezogen, gerieten in ihren Bann, eiferten ihnen nach und durch eheliche Bindungen verwischten sich allmählich die Volksunterschiede, wobei die höhere Kultur sich durchsetzte. Um 1550 erlosch die Sprache der Pruzzen, — der alten Preußen, — und aus ihnen und den Eingewanderten war nur ein einheitlicher Menschenschlag geworden.

 

Ein französisches Gesetz war von einem gewissen Einfluss auf die ostpreußische Zuwanderung. König Heinrich IV. von Frankreich erließ 1589 das sogenannte Edikt von Nantes. Nach diesem Gesetz erhielten die Protestanten, — hauptsächlich Reformierte, — die freie Ausübung ihrer Religion gewährleistet und Zutritt zu allen Staatsämtern. Aber König Ludwig XIV. hob 1685 dieses Gesetz wieder auf. Den Protestanten wurde die Ausübung ihres Glaubensbekenntnisses untersagt, und ihnen befohlen, ihre Kinder in der katholischen Religion erziehen zu lassen. Fast 300 000 französische Protestanten entschieden sich nun, ihrem Vaterlande den Rücken zu kehren.

 

In Brandenburg — Preußen regierte damals Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, der über die Bedrückung seiner Glaubensgenossen — er selber war reformiert —, entrüstet war. Er erließ am 08.11.1685 ein Gesetz, Potsdamer Edikt genannt, in welchem es u. a. heißt: „Wir fühlen uns gedrungen, von einem gerechten Mitleide für die Unglücklichen erfüllt, welche für das Evangelium und für die reine Lehre, die auch wir bekennen, so Hartes dulden, ihnen unsere Staaten als eine sichere und treue Zukunftsstätte zu öffnen“.

 

Über 15 000 Flüchtlinge folgten diesem Rufe. Sie gehörten meistens den wohlhabenden und gebildeten Kreisen an. Es waren Edelleute, Militärs, Gelehrte, Künstler, Handwerker und Landwirte. Sie verpflanzten verschiedene Kunst- und Gewerbearten ihres Vaterlandes auf den Boden der neuen Heimat, so Seiden, — Leder-, Geld- und Silberindustrie, im Ganzen 43 neue Gewerbearten.

 

Ein erheblicher Teil der Flüchtlinge blieb in Berlin. Unter den 55 000 Einwohnern hatte diese Stadt um 1700 bereits 6000 Franzosen als Bürger.

 

Ein Teil der französischen Einwanderer wurde nach Ostpreußen geleitet, nach Königsberg, wo bis zur Zerstörung die Französische Straße und die Französisch-reformierte Kirche an sie erinnerte, ein anderer Teil kam in die Landkreise.

 

Wenige Jahre später, etwa um 1716 wurden französisch sprechende Wallonen und französische Schweizer aus dem Kanton Bern in Ostpreußen angesiedelt. Sie verließen ihre Heimat hauptsächlich aus politischen Gründen und suchten in Ostpreußen die Freiheit. Auch aus den Bergen von Savoyen kamen Zuwanderer, etwa 1000 Köpfe stark, die aber nach einigen Jahren zurückzogen. Glaubensflüchtlinge, wie z. B. die „Böhmischen Brüder“ fanden vereinzelt Aufnahme, und nach einer Pestepedemie auch bäuerliche Zuwanderer aus Masovien und Litauen. Aus Glaubensbedrängns in ihrer Heimat kamen auch kleine Volkssplitter aus der Pfalz und dem Nassauischen nach unserem Osten.

 

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts drängte aus Asien kommend, eine Pestepedemie in den ostpreußischen Raum. In der Bevölkerung riss sie große Lücken. In diese, fast menschenleeren Landstriche wies König Friedrich Wilhelm I um 1732 die evangelischen Salzburger 15 000 an der Zahl, die ihres Glaubens wegen ihre Heimat verließen. Unter ihnen waren 12 000 Bauern, die neue Wohnstätten in dem Gebiet zwischen Gumbinnen und Goldap erhielten, während 3000 Gewerbetreibende den Städten zugewiesen wurden.

 

Ostpreußen wurde ein Hort der persönlichen und der Glaubensfreiheit.

 

Die meisten Ostpreußen, soweit sie sich nicht mit Ahnenforschung beschäftigt haben, wissen nicht mehr, woher ihre Vorfahren gekommen sind. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben Einwanderer aus allen Teilen Europas bekommen, und diese sind in der 2., spätestens in der 3. Generation voll und ganz Amerikaner geworden.

 

Und sehen wir uns Berlin an: in der Zusammensetzung ein Gemisch von Wenden, Niedersachsen, Franzosen und Menschen aus allen Teilen Deutschlands, und doch ein einheitlicher Typ!

 

Und in Ostpreußen: zu den schwerblütigen Niedersachsen kamen die lebendigen Franzosen, die fröhliche Pfälzer, die schweren Litauer, die leichten sangesfreudigen Masovier, die Bergbauern des Salzburger Landes, aber alle eingegliedert in den vorhersehenden Typ des nordwestdeutschen Menschenschlages. Und dass sich diese bewährte, zeigen die Leistungen der ostpreußischen Bevölkerung. Ob Tartaren, Monogolen, Polen, Litauer, Russen, Schweden oder kaiserliche Franzosen in das Land einfielen und es verheerten: sobald der Ostpreuße das Schwert zur Seite legte, griff er wieder zum Pflug und zur Kelle, zu friedlicher, aufbauender Arbeit.

 

 

Seite 16   Unsere Buchbesprechung.

Hermann Wartenberg: Spähtrupp (Die Front geht mitten durchs Herz), Plesse Verlag, Göttingen; 191 S., Leinen DM 8,70.

Dieses Buch erzählt mehr als die Geschichte eines kleinen deutschen Spähtrupps im winterlichen Russland. Es ist erfüllt von ungewöhnlichen Geschehnissen und Begegnungen. Man kann sagen: Ein Kriegsbuch, das frei ist von übertriebener Glorifizierung soldatischen Heldentums. Es ist ein Buch, das reales Leben schildert. Ob reiner Phantasie oder tatsächlichen Begebenheiten entsprungen, mag dahingestellt bleiben; auf jeden Fall ist das Werk erfüllt von der Kraft elementaren Erlebens und mit bezwingender Erzählungskunst geschrieben. Schon nach den ersten Seiten stehen wir mit voller Spannung im Bann der oftmals atemberaubenden Handlung. Hinzu kommt, dass dieses Buch tiefe menschliche Probleme berührt, basierend auf echten Empfinden und nicht karger Sentimentalität. — Die Zeichnung der Charaktere ist eindrucksvoll. Jeder einzelne dieses Spähtrupps, der sich aus zwei Deutschen, einem Franzosen und einem Russen zusammensetzt, ersteht nicht nur plastisch vor uns, sondern wir denken und fühlen förmlich mit ihm. - Die Sprache, in der Wartenberg schreibt, ist schlicht, aber inhaltsschwer.

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