Ostpreußen-Warte, Folge 11 vom November 1953

Ostpreußen-Warte
Folge 11 vom November 1953

 

Seite 1   Das schwierigste Problem Europas

Eindeutige Regierungserklärung zur Frage der deutschen Ostgebiete

Es war eine eindrucksvolle Demonstration der politischen Geschlossenheit des deutschen Volkes in der Vertretung seiner Lebensrechte, als der deutsche Bundestag bei den Ausführungen des Bundeskanzlers über die Oder-Neiße-Frage dem Leiter der deutschen Politik spontanen Beifall zollte. Damit wurde jene Stelle in der Regierungserklärung besonders in Ihrer außenpolitischen Bedeutung unterstrichen, die sich mit einem der schwierigsten und zugleich wichtigsten Probleme Europas befasste.

 

Tatsächlich wird diese Erklärung: Dass das deutsche Volk die Oder-Neiße-Linie niemals anerkennen werde, zugleich aber die damit zusammenhängenden Probleme ausschließlich auf friedlichem Wege einer Lösung entgegenführen wolle, auch bei den Millionen von Heimatvertriebenen lebhafte Zustimmung finden: Hier ist genau das gesagt, was die berufenen Sprecher der großen Vertriebenenorganisationen immer wieder verkündet und gefordert haben. Hier ist der Standpunkt des Rechtes in vollem Umfange gewahrt, und andererseits sind durch die nachfolgende Erklärung alle Wege für ein politisches Gespräch über die Wiedervereinigung zunächst der vier Zonen offen gehalten worden. Die politische Bedeutung dieser wohlabgewogenen Kanzler-Erklärung hebt sich besonders heraus, wenn man die Erörterungen damit vergleicht, die vor einiger Zeit der Londoner „Economist" zur gleichen Frage anstellte.

 

So lässt sich feststellen, dass jene Erklärung der Bundesregierung zugleich klar das außenpolitische Programm in dieser Lebensfrage des deutschen Volkes umreißt Es geht nun darum, dass der Osten die „friedliche Revision“ jener im Potsdamer Abkommen selbst als nur provisorisch bezeichneten Linie als berechtigtes deutsches Anliegen ausdrücklich oder wenigstens stillschweigend anerkennt. Das ist nach Lage der Dinge ein durchaus erreichbares Ziel, sobald es einmal zu wirklichen West-Ost-Gesprächen kommen sollte.

 

Zugleich wird durch diese vom Bundestag gebilligte Erklärung deutlich gemacht, dass jene insbesondere von exilpolnischer Seite gemachten Versuche, die Vertriebenen in ihrem Ringen um Anerkennung des Heimatrechtes zu isolieren, völlig gescheitert sind. Es ist nunmehr der ganzen Welt kundgetan worden, dass Bundesregierung, Parteien — einschließlich der Opposition — und die Verbände der Vertriebenen wie auch die Millionen Entheimateter selbst in dieser Frage ein geschlossenes Ganzes bilden, nicht nur was das Ziel, sondern auch den Weg anbetrifft.

 

Damit steht im Zusammenhang, dass der Kanzler in seinem neuesten UP-Interview

persönlich die AP-Meldung dementiert hat, dass von ihm der „Kondominium“-Plan zur Erörterung gestellt worden sei. Dass der Bundeskanzler dieses Dementi so nachdrücklich formuliert, zeigt, wie großen Wert er auf die öffentliche Meinung unter den Vertriebenen legt, wie sehr es ihm darauf ankommt, im In- und Auslande Klarheit über die Politik der Bundesregierung zu schaffen. Das gilt auch hinsichtlich seiner Ausführungen über die Saarfrage, die ebenfalls die volle Zustimmung gerade der Heimatvertriebenen finden wird, da hier deutlich genug der Hinweis auf den Punkt 2 der Atlantik-Charta erfolgte, wonach alle derartigen Fragen von der betroffenen Bevölkerung selbst in Freiheit entschieden werden sollen und somit die Außenpolitik der interessierten Mächte allein darauf abzuzielen hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Entscheidung in wirklicher Freiheit gefällt werden kann.

 

Seite 1   Vorauszahlung auf Entschädigungsrenten

Das Bundesausgleichsamt hat seine nachgeordneten Dienststellen angewiesen, Vorauszahlungen auf Entschädigungsrenten für Heimatvertriebene und Kriegssachgeschädigte vorzunehmen. Die Entschädigungsrente ist wie die Unterhaltshilfe ein Teil der Kriegsschadenrente und steht in gewissem Verhältnis zum verlorenen Vermögen. Nach dem Lastenausgleichsgesetz können Vorauszahlungen auf die Entschädigungsrente in Höhe von 20,-- DM pro Monat (bei über 70-jährigen Geschädigten auch ein höherer Betrag) geleistet werden, sofern der Geschädigte einen Vermögensschaden von mehr als 20 000,-- RM glaubhaft machen kann. Wie das Bundesausgleichsamt betont, müssen die Angaben der Antragsteller jeden ernstlichen Zweifel ausschließen. Ein förmliches Feststellungsverfahren sei nicht notwendig. Vorauszahlungen könnten besonders dann umgehend bewilligt werden, wenn ein Verlust von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen von mindestens 100 Hektar oder ein Verlust von Grundvermögen vorliegt, dessen vierfache Jahresrohmiete nach Abzug der Verbindlichkeiten 20 000,-- RM überstieg.

 

Seite 1   Auszahlung der restlichen Ostspargelder

Zwecks Freigabe aller Restbeträge nach dem Gesetz über einen Währungsausgleich von Sparguthaben Vertriebener (Ostsparergesetz) soll die bisher bereitgestellte Summe von 350 Millionen DM noch im laufenden Haushaltsjahr um weitere 50 Millionen DM erhöht und nun auch alle Gutschriften über 200 DM, die noch nicht honoriert wurden, freigegeben werden.

 

 

Seite 1   Frankreich und die Oder-Neiße-Linie

Der französische Außenminister Georges Bidault hat vor der Außenkommission des Parlaments, (der in Frankreich stets besondere Bedeutung zukam), über die Deutschlandpolitik der französischen Regierung gesprochen. In den Meldungen, die in der Pariser Presse erschienen und im Ausland eingehende Beachtung fanden, erschien der Minister fast als Anwalt der Sowjetthesen. Danach hatte er ausgeführt, Frankreich sei auch der Ansicht, dass man zuerst eine gesamtdeutsche Regierung bilden und die Deutschen erst dann zu freien Wahlen aufrufen solle. Und erst nach solchen Wahlen solle über die Teilnahme Deutschlands an der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft endgültig beschlossen werden.

 

Diese Meldung ist dementiert worden. Die in Frage kommenden Pariser Blätter haben das Dementi unauffällig ohne eigene Stellungnahme gebracht. Das zeigt hinreichend, was sie davon halten. Andererseits sind die Protokolle über die Sitzung der Pariser Auswärtigen Kommission geheim, eine einwandfreie Nachprüfung ist kaum möglich, so dass die ganze Angelegenheit im Zwielicht bleibt. Aber man darf ohne ein Abirren von der Wahrheit befürchten zu müssen, annehmen, dass der Außenminister diese Erklärung, wenn vielleicht auch nicht so präzis und mehr nebenbei, tatsächlich abgegeben hat.

 

Eingeweihte wissen schon lange, wie der Quai d'Orsay in der Deutschlandfrage denkt. Die „dementierte" Erklärung Georges Bidaults sollte daher die Aufmerksamkeit Westdeutschlands auf eine Tatsache lenken, die bisher zu wenig beachtet wurde: auf das bedeutende Gewicht, das Frankreichs Stellungnahme bei der Regelung des Deutschlandproblems und zwar sowohl des Problems der Vierzonenvereinigung als auch das Problem der deutschen Ostgrenze zukommt.

 

Im Allgemeinen hält man bei uns — nach einer Periode geradezu stürmischer, aber nicht erwiderter Werbung um die französische Freundschaft — den Anteil, den Frankreich an der Neugestaltung Mittel- und Osteuropas nehmen kann, für gering. Nicht selten ist auch die Meinung zu hören, dass die französische Politik schon einlenken werde, wenn erst einmal die Amerikaner mit den Deutschen „so weit sind". Die Regierung von Washington werde dann durch Mittel dafür sorgen, dass man in Paris zur europäischen Räson kommt.

 

Vor solchen leichtfertigen Annahmen, muss nachdrücklich gewarnt werden. Es empfiehlt sich schon im Allgemeinen nicht, mögliche Schwierigkeiten zu unterschätzen. In diesem speziellen Falle sollte man erst recht vorsichtig sein, denn es ist falsch, Frankreich nur nach seinen zahlreichen Regierungswechseln, seinen Streiks und Bauernaufständen, seiner Wirtschafts- und Finanzmisere zu beurteilen. Nach wie vor stellt die französische Nation eine starke politische Potenz dar, die durch eine gewiegte Ministerialbürokratie und durch eine Phalanx ausgezeichneter Politiker und Diplomaten vertreten wird. Dazu kommt die geographische Lage dieses Landes im europäischen Westabschnitt, die den alten machtpolitischen Raum Frankreichs zum Brückenkopf des britischen und amerikanischen Einflusses prädestiniert, in einem Ernstfall aber auch ein Vakuum darstellen kann, an dem die ganze westliche Strategie scheitert. Ohne Frankreich müssen die Amerikaner sich hinter die Pyrenäen und vielleicht sogar — Französich-Nordafrikas wegen! — aus Spanien zurückziehen. Außerdem bestehen zwischen der französischen Republik und den Vereinigten Staaten so viele historische, ideologische und sentimentale Bindungen, dass keine amerikanische Regierung Westdeutschland in entscheidender Weise vor Frankreich bevorzugen wird.

 

Welches aber die Folgen deutsch-französischer Spannungen sind, das müssten gerade die Menschen aus dem Osten des Reichs wissen, denn die Einbußen, die Deutschland nach dem ersten Weltkrieg in seinen östlichen Siedlungsräumen erlitt, kamen nicht allein von polnischer und tschechischer Begehrlichkeit her, sondern davon, dass die französische Politik östliche Bundesgenossen gegen Deutschland brauchte. Damals wurde mit dem Einbruch bei Danzig, mit dem Eindrücken der deutschen Grenze bei Bromberg und Posen, mit der Absplitterung Oberschlesiens und der Fesselung des Sudetendeutschtums im Staate Benesch ein Anfang geschaffen, dem 1945 ein grauenvolles Ende folgte.

 

Wie steht nun Frankreich heute zu den deutschen Ostfragen? Die Antwort ist in der „dementierten" Erklärung Georges Bidaults ungefähr enthalten. Da der These des französischen Außenministers der Gedanke zugrunde liegt, die Gelegenheit zu einem Vierergespräch auf keinen Fall zu verpassen, kann man sich denken, dass nach der Auffassung des Quai d'Orsay die Oder-Neiße- oder eine von dieser nicht sehr verschiedenen Grenze internationale Rechtskraft erhalten soll. Damit glaubt man, zwei Fliegen mit einem Schlag zu treffen: die Oder-Neiße-Frage ist für Frankreich das sicherste Mittel, um in Kontakt mit der polnischen Emigration zu bleiben, an deren Geneigtheit der französischen Politik schon aus historischen Gründen viel gelegen ist.

 

Man interpretiert aber diese Stellungnahme am Quai d'Orsay ausdrücklich auch als Antwort auf die Haltung der Bundesregierung in Bonn, die als „allzu amerikanisch" und gegen die europäische Solidarität gerichtet bezeichnet wird. Damit wird angedeutet, dass der Quai d'Orsay von der Oder-Neiße-Linie und den Deutschenvertreibungen an sich durchaus nicht begeistert ist. In der Zeit Robert Schumans hat man darin sogar eine ausgesprochene Gefahr für Frankreich gesehen, einmal weil das Hereinströmen von acht Millionen Vertriebenen in die westdeutschen Gebiete einen Bevölkerungsüberdruck erzeugt, der sich eines Tages in die bevölkerungsarmen Gebiete Frankreichs entladen könnte, das andere Mal, weil vor zwei Jahren noch in Berlin-Pankow die Parole galt, dass der von Pieck und Grotewohl geleistete Verzicht auf Breslau, Danzig und Königsberg, im Westen durch die wirtschaftliche Einbeziehung Elsaß-Lothringens und Luxemburgs und vielleicht noch weiterer Gebiete kompensiert werden solle.

 

Seitdem aber der Widerstandsführer und große Anhänger des Russenpaktes Georges Bidault die Nachfolge Schumans angetreten hat und der frühere Reichskanzler Wirth bei seinem Besuch in Paris mit der offiziösen Botschaft aufgetreten ist, dass ein nach den Wünschen des Kreml wiedervereinigtes Deutschland auf keinen Fall mehr eine Gefahr für Frankreich werden könne (auch über die Saar werde man sich einigen), hat der Wind eine andere Richtung genommen.

 

Die Kondominium-Idee wird am Quai d'Orsay skeptisch betrachtet; eigenartigerweise glaubt man, dass die Deutschen selbst als Partner minderen Rechts in kurzer Zeit wieder ein Übergewicht erlangen würden. Aber man wäre nicht abgeneigt, im Zuge einer Regelung „à l'amiable“ Teile des Warburg-Plans zu befürworten, etwa so, dass Breslau und Stettin wieder deutsch würden.

 

Einstweilen geht das französische Bestreben dahin, auf alle Fälle zu Viererverhandlungen zu kommen. Wenn einmal alle vier (oder fünf) Mächte um den runden Tisch sitzen, wird es — so glauben die Kreise um den sehr rührigen Staatssekretär Maurice Schuman (der die Fäden des Außenministeriums in der Hand hält) — nicht allzu schwer sein, eine Einigung auf der Linie Paris—London—Moskau herzustellen, der die Vereinigten Staaten wohl oder übel zustimmen müssen.

 

Es ist auf jeden Fall erforderlich, dass die Heimatvertriebenen diese Tatsachen, Ausblicke und Möglichkeiten im Auge behalten, damit sie nicht — mit dem übrigen Deutschland — plötzlich vor eine sehr unangenehme Entscheidung gestellt werden.

Paul Pascal.

 

 

Seite 1   Pläne des Vertriebenen-Ministers

Minister Oberländer kündigte an, er werde bald ein Vierpunktprogramm zur Eingliederung der Vertriebenen vorlegen mit folgenden vordringlichen Maßnahmen:

 

1. Auflösung, der Lager.

 

2. verstärkte Umsiedlung,

 

3. Ansiedlung der vertriebenen Bauern und

 

4. Ausbildung der ostdeutschen Jugend.

 

Der Minister teilte mit, dass sich sein Eingliederungsprogramm eng an den amerikanischen Sonne-Plan anlehnen werde. Er verwies auf die Einzeleingliederung als wichtigste Aufgabe der Zukunft mit dem bemerken, dass wir unter Eingliederung die Sozialstruktur der Heimat verstehen müssen. Die Zusammenarbeit mit allen Ressorts der Bundesregierung sei besonders notwendig, insbesondere mit dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei der Eingliederung der Bauern und die mit den Kultusministern der Länder bei Erhaltung des kulturellen Gutes der verschiedensten Landsmannschaften. Auch muss mit einer Einigung der Vertriebenen selbst begonnen werden. Als guter Kenner des Ostens und der Vertriebenenbelange seien ihm die westlichen Probleme der Vertriebenen geläufig. Die Erweiterungen der Kompetenzen seines Ministeriums bezeichnete er als unerlässlich, wenn die großen Aufgaben der Eingliederung gelingen sollen.

 

Schon die nächste Zeit wird zeigen, inwieweit sich die Fraktionen der Koalition an ihre vor der Regierungsbildung gegebenen Zusagen zur Bildung einer echten Exekutive des Vertriebenenministeriums halten werden.

 

 

Seite 2   Polen rechnen mit Heimkehr der Vertriebenen

Berlin. Die Aussagen polnischer Flüchtlinge und die brieflichen Berichte von jenseits der Oder und Neiße, dass die dort neu angesetzte polnische Bevölkerung mit der Rückkehr der vertriebenen Deutschen und der Rückgabe dieser Gebiete in deutsche Verwaltung rechnet, wird erstmals auch von der Warschauer Presse bestätigt. So wendet sich das Zentralorgan der polnischen kommunistischen Jugend, der „Sztandar Mlodych", gegen die „Gerüchtemacherei", wonach die „wieder Errungenen Westgebiete" wieder „Deutschland übertragen" werden sollten. Das Warschauer Blatt schreibt, dass derartige Gerüchte besonders in der „Wojewodschaft Stettin", aber auch in anderen Teilen des Staates" im Umlauf gewesen seien und dass dies besonders gegen Ende August dieses Jahres beobachtet werden konnte.

 

Der „Pressedienst der Heimatvertriebenen" bemerkt zu dieser Meldung, dass vor allem auch die Zeitangabe des „Sztandar Mlodych" im erwähnten Zusammenhange von Interesse ist: Also unmittelbar nach den großen Heimatkundgebungen der Vertriebenen und nach dem „Tag der Heimat" setzte unter der polnischen Bevölkerung die Gerüchtewelle ein, die wenige Wochen später ihren Höhepunkt erreichte.

 

Seite 2   Die polnische Umsiedlung nach Ostpreußen

Berlin. Wie es tatsächlich um die von der polnischen Regierung mit allen Mitteln geförderte Aktion der Umsiedlung von Bauern aus Zentralpolen in die deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße steht, darüber geben Berichte von „Neusiedlern" Auskunft, die von der polnischen Presse zum Zwecke der Werbung weiterer Umsiedler veröffentlicht werden. So berichtet ein polnischer Bauer, der nach Angerburg umgesiedelt worden ist, dass dort nur 15 polnische Bauernfamilien angekommen seien, während noch 84 „wiederhergestellte" Höfe auf Siedler warten. Allein in seinem jetzt mit der Gemeinde Engelstein verschmolzenen Dorfe „Male Gaje" stünden noch zehn Höfe frei. Dies sei umso erstaunlicher, als die Neusiedler für drei Jahre von allen Abgaben-Solls befreit seien, in großzügiger Weise Kredite für den Ankauf von Vieh und Geräten erhielten und außerdem die gesamten Übersiedlungskosten erstattet bekämen.

 

Seite 2   30 v. H. der Heimkehrer sind Ostdeutsche

Friedland. Aus den Statistiken des Durchgangslagers Friedland geht hervor, dass rund 30 v. H. der mit den fünf Transporten aus der Sowjetunion angekommenen Heimkehrer und Zivilinternierten Ostdeutsche sind. 600 von ihnen haben im Bundesgebiet keine Angehörigen. 184 konnten in Heimen untergebracht werden, die übrigen wurden von Kameraden und Landsleuten aufgenommen, insbesondere von jenen, mit denen sie durch die Paketaktion schon während ihrer Gefangenschaft in Verbindung gekommen waren. Die bisher gezählten 19 Heimkehrerinnen stammen sämtlich aus den deutschen Ostgebieten, zumeist aus Ostpreußen.

 

Seite 2   Das Kulturprogramm der Vertriebenen. Förderung und Pflege unseres heimatlichen Kulturgutes

Auf der diesjährigen Tagung des „Wangener Kreises" hielt Dr. Linus Kather ein umfassendes Referat über die kulturellen Aufgaben des Bundes der vertriebenen Deutschen. Er entwickelte dabei ein Kulturprogramm, das demnächst dem Gesamtvorstand des Verbandes unterbreitet werden soll. Nachstehend die wesentlichsten sachlichen Gesichtspunkte dieses Programms.

 

1. Der BVD fordert maßgebliche Einschaltung in alle mit öffentlichen Mitteln geförderten Kultureinrichtungen.

 

2. Die vordringlichste Aufgabe des BVD ist die soziale und wirtschaftliche Betreuung der vertriebenen Kulturschaffenden, die Förderung jeder Selbsthilfe und ihre Eingliederung in das westdeutsche Kulturleben. Seine besondere Sorge gilt der Wohnungsfürsorge der heimatvertriebenen Wissenschaftler und Künstler.

 

3. Der Verband wird künftig der Erforschung der Kultur der Vertreibungsgebiete an den Hochschulen und in freien Vereinigungen und Instituten stärkste Aufmerksamkeit widmen. Er wird sie mit politischen und propagandistischen Mitteln zu fördern suchen. Er wird über seine Landesverbände die Aufnahme der Ostlandkunde in die Lehrpläne der Schulen anstreben überall da, wo sie noch nicht im Lehrplan steht.

 

4. Auf dem Gebiete der bildenden Künste sind die Förderung des Ausstellungswesens und die Vergebung von Preisen zu betreiben. Im öffentlichen Auftragswesen und Ankauf, wie etwa bei der Dankspende des deutschen Volkes, ist eine gerechte Berücksichtigung der vertriebenen schaffenden Künstler durchzusetzen. Die Vereinigung der heimatvertriebenen Wirtschaft sollte angeregt werden zum Ankauf von Werken vertriebener Künstler.

 

5. Der Verband wird stärker als bisher auf die Kontaktpflege zwischen den Künstlern, insbesondere den Schriftstellern und Dichtern, und ihrem Vertriebenenpublikum bedacht sein. Er wird gleichzeitig aber auch den Kontakt mit den einheimischen Kulturschaffenden pflegen, um einer Isolierung und Nivellierung des Kulturlebens der Vertriebenen vorzubeugen. Er will Mittel und Wege suchen, die Vertriebenen wieder in den Besitz von Büchern und Bibliotheken zu bringen. Dabei soll das alte und neue Schrifttum aus den Heimatgebieten bevorzugt, das klassische westdeutsche und das Weltschrifttum aber mit berücksichtigt werden. Besondere Aufmerksamkeit wird der Versorgung der Vertriebenenjugend mit geeignetem Schrifttum gewidmet sein.

 

6. Jede schöpferische Tätigkeit auf dem Gebiete der darstellenden Künste soll gefördert werden. Heimatvertriebene Künstler sollen zu den Veranstaltungen des Verbandes herangezogen werden. Für besonders bedürftige Vertriebene und Flüchtlinge soll die Bereitstellung von verbilligten Eintrittskarten für geeignete Kulturveranstaltungen auch einheimischer Einrichtungen durchgesetzt werden. Die Bundesfilmstelle des BVD hat mit der Versorgung der Verbände mit heimatpolitisch wertvollem Filmgut begonnen und wird diese Tätigkeit ausbauen.

 

7. Die dem Verband nahestehende Presse, die Tagespresse und der Rundfunk werden dazu angehalten werden, in ihren kulturellen Beilagen und Sendungen das Kulturgut der Vertriebenengebiete, insbesondere aber das lebende Schaffen der Vertriebenen, stärker zu berücksichtigen und auf Niveau zu halten. Heimatvertriebenenpresse und ihre Verlagsunternehmungen müssen sich stärker in die Werbung für das heimatvertriebene Schrifttum und in seinen Vertrieb einschalten. Darüber hinaus soll die Begründung einer Kulturzeitschrift der Vertriebenen als Diskussionsforum für ihr gesamtes Kulturleben angestrebt werden.

 

Seite 2   ZvD beglückwünschte Kraft und Oberländer

Der 1. Vorsitzende des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen, Dr. Linus Kather, hat den in das Kabinett der neuen Bundesregierung berufenen BHE-Ministern Kraft und Prof. Oberländer im Namen des Verbandes die Glückwünsche zum Amtsantritt übermittelt.

 

In dem Schreiben an den Bundesminister für Vertriebene, Prof. Dr. Dr. Oberländer, heißt es: „Sie wissen, dass ich als CDU-Politiker mich dafür eingesetzt habe, dass das Bundesvertriebenenministerium mit einem Vertriebenen der CDU besetzt werde. Nachdem die Entscheidung gegen diesen im Wahlergebnis begründeten Anspruch gefallen ist, halte ich es für erforderlich, Ihnen zu erklären, dass ich als Vorsitzender des ZvD es als eine selbstverständliche Verpflichtung empfinde, loyal und aufgeschlossen mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Der ZvD ist umso mehr zu dieser Zusammenarbeit bereit, als sie in den letzten Jahren leider gefehlt hat. Die Vertriebenen hoffen aber, dass nun endlich Initiative, Tatkraft und Energie den Pulsschlag dieses Hauses beleben werden. Wir erwarten weiter, dass in Zukunft von dort aus alle Kräfte unterstützt werden, die zur Einheit der Vertriebenen streben. Kaum jemand vermag besser als ich zu beurteilen, welch schwere Aufgabe Sie übernehmen. Mängel an der Organisation und Aufgabenstellung des Ministeriums können nur ausgeglichen werden durch engen Zusammenhalt zwischen dem Minister und der Vertriebenenorganisation."

 

Das Schreiben an den Bundesminister für besondere Aufgaben, Waldemar Kraft, lautet: „Ich weiß im Augenblick noch nicht, welcher Auftrag Ihnen im Besonderen gestellt ist, aber in jedem Falle ist es zu begrüßen, dass Sie in das Kabinett berufen sind und dort Ihre Stimme für die Sache der Vertriebenen in die Waagschale werfen können. Der ZvD, dem Sie ja selbst angehören, ist zu einer guten Zusammenarbeit mit Ihnen bereit.

 

Seite 2   Ausschüttung weiterer Hausratshilfegelder

Der bisher zur Ausschüttung der Hausratshilfe (ab 60 Punkten) zur Verfügung gehaltene Betrag von 600 Millionen DM soll auf 900 Millionen DM erhöht werden. Durch eine Verlagerung von 30 Millionen DM aus dem für Arbeitsplatzdarlehen vorgesehenen Fonds sollen weiterhin die Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft aufgestockt werden.

 

Seite 2   Der neue Bundesvertriebenenminister

Der neue Bundesvertriebenenminister Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer, wurde am 01.05.1905 in Meiningen geboren, wo er das humanistische Gymnasium absolvierte. Er studierte Landwirtschaft an den Hochschulen München Hamburg und Berlin. 1928 arbeitete er im Kuban-Gebiet auf einer großen Saatzuchtwirtschaft, der Deutsch-russischen Saatbau-A.G Drusig. 1930 promovierte er über „Die Grundlagen der Landwirtschaft in Litauen" an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin zum Dr. agr. Ergänzend studierte Dr. Oberländer Nationalökonomie an der Universität Königsberg Preußen mit dem Abschluss des Dr. rer. pol. Von 1930 - 1932 studierte Dr. Oberländer Rationalisierungsmethoden der Landwirtschaft in Russland, China, Japan, Canada und den USA. Nach seiner Rückkehr 1932 assistierte er an der Universität Königsberg Preußen und habilitierte sich im Dezember 1933 in Königsberg auf dem Gebiete der Staatswissenschaften.

 

Am 01.04.1935 wurde er zum Professor für Agrarpolitik in Danzig und zum Direktor des Osteuropäischen Wirtschaftsinstitutes in Königsberg/Pr. ernannt und 1937 a. o. Professor an der Universität Königsberg, 1938 in Greifswald.

 

Nach Einziehung zur Wehrmacht am 01.10.1939 wurde er am 01.10.1940 zum ordentlichen Professor an die Prager Universität berufen, nach zweimonatiger Tätigkeit jedoch wiederum zur Wehrmacht zurückgeholt. Im April 1945 geriet er in Bayern in amerikanische Gefangenschaft, aus der er im Jahre 1946 entlassen wurde.

 

Bei den Bayrischen Landtagswahlen im November 1950 kandidierte Prof. Oberländer für den Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und wurde in den Landtag gewählt. Im Zuge der Regierungskoalition wurde er im Dezember 1950 zum Staatssekreetär für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen ernannt und 1951 zum BHE-Landesvorsitzenden in Bayern gewählt.

 

 

Seite 2   Leistungen aus dem Härtefonds für Sowjetzonen-Flüchtlinge und Vertriebene

Die in § 301,4 LAG angekündigte Rechtsverordnung erschien am 24. März 1953. Sie nennt sich „Zweite Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz". Diese Verordnung brachte endlich die langersehnte Möglichkeit, Leistungen an Personen zu zahlen, die zwar infolge der Kriegsereignisse oder der Zweiteilung Deutschlands ihr Hab und Gut verloren haben, die aber auf Grund der Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes keinen Ausgleich erhalten können.

 

1.     In erster Linie kommen für diese Leistungen deutsche Staatsangehörige in Frage — sowie Volksdeutsche —, die ihren Wohnsitz in der Sowjet-Zone oder in Berlin-Ost haben und diesen Wohnsitz aufgeben mussten, weil ihnen unverschuldet eine Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit drohte. Von Bedeutung ist, dass solche Personen von vornherein für den Empfang von Leistungen ausscheiden, die in der Sowjet-Zone durch ihr Verhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben.

 

2.     Mussten deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige aus zwingenden Gründen, d. h. wegen einer von ihnen nicht verschuldeten und durch die politischen Verhältnisse bedingten Zwangslage aus der Sowjet-Zone oder Ost-Berlin fliehen, so können sie ebenfalls Leistungen aus dem Härtefonds erhalten. Die Erstgenannten haben nun den Vorteil, dass ihnen sofort Leistungen gewährt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass die übrigen Bedingungen, an die die Gewährung dieser Leistungen geknüpft ist und auf die in diesem Aufsatz noch eingegangen werden wird, erfüllt sind. Dagegen müssen die Personen, die wegen einer Zwangslage die Sowjetzone verlassen mussten, zunächst bei ihrem zuständigen Vertriebenenamt die Ausstellung des Flüchtlingsausweises C, der für Sowjetzonen-Flüchtlinge vorgesehen ist, beantragen (§§ 3,15 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19.05.1953).

 

 

 

Erst nach Erhalt dieses Ausweises können ihnen Leistungen bewilligt werden. Es ist jedoch möglich, dass gleichzeitig Leistungen aus dem Härtefonds bei dem Ausgleichsamt der Gemeinde, in der der Antragsteller seinen ständigen Wohnsitz hat, beantragt werden. Das Ausgleichsamt teilt dann dem Vertriebenenamt mit, dass ein solcher Antrag gestellt worden ist. Der Antrag auf Ausstellung eines C-Ausweises wird dann bevorzugt bearbeitet werden. Die Anträge auf Ausstellung eines Flüchtlingsausweises, sei es A, 6 oder C, werden von den Vertriebenenämtern entgegengenommen. Weil die Vertriebenenämter im Augenblick von Anträgen auf Ausstellung von Flüchtlingsausweisen überschüttet werden, werden diejenigen, die Leistungen aus dem Härtefonds beantragt haben, bevorzugt behandelt. Es wird daher allen Sowjetzonen-Flüchtlingen empfohlen, Anträge auf Leistungen aus dem Härtefonds zu stellen, gleichgültig, ob sie wegen Gefahr an Leib und Leben oder wegen einer besonderen Zwangslage die Zone verlassen haben.

 

2. Leistungen aus dem Härtefonds können ferner beantragen Personen, die zur Zeit der Besetzung ihren festen Wohnsitz in dem Gebiet der jetzigen Sowjetzone oder in Berlin-Ost hatten, sich aber außerhalb des Gebietes aufhielten. An diese Personen können dann Mittel aus dem Härtefonds zur Austeilung kommen, wenn sie zu ihrem eigentlichen Wohnsitz nicht mehr zurückkehren können, weil sie sich dadurch einer Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit aussetzen würden. (Über Art und Umfang des Schadens, der berücksichtigt werden kann, siehe § 4 BVFG.)

 

3. Antragsberechtigt sind ferner deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, die zur Zeit der Besetzung ihren ständigen Wohnsitz im Saargebiet hatten und diesen aus politischen Gründen oder auf Grund von Maßnahmen der Besatzungsmacht aufgeben mussten oder aus eben diesen Gründen nicht dorthin zurückgehen können.

 

4. Bewohner von Berlin-West, die in Berlin-Ost einen Kriegssachschaden erlitten haben, können gleichfalls Leistungen aus dem Härtefonds erhalten. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie zur Zeit der Schädigung oder unmittelbar nach Schadenseintritt ihren Wohnsitz dort genommen haben.

 

5. Vertriebene, die an dem im LAG festgesetzten Stichtag, 31.12.1950, nicht im Bundesgebiet waren, können Leistungen aus dem Härtefonds beantragen. Sie müssen jedoch am 31.12.1952 im Bundesgebiet oder in Berlin-West gewesen sein. Sind sie erst nach dem 31.12.1952 im Bundesgebiet eingetroffen, so können ihnen Leistungen aus dem Härtefonds nur gewährt werden, wenn sie gleichzeitig Sowjetzonen-Flüchtlinge sind. In allen anderen Fällen gehen sie leider leer aus. Die als Sowjetzonen-Flüchtlinge anerkannten Personen, die Inhaber eines Flüchtlingsausweises A oder B sind, müssen auf ihren Ausweisen vermerken lassen: Inhaber hat nach dem 31.12.1952 seinen ständigen Aufenthalt als Sowjetzonen-Flüchtling (§§ 3,4 BVFG) genommen!

 

Spätheimkehrern, die nach dem 01.01.1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden oder entlassen werden, kann nach § 254 LAG ein Aufbaudarlehn gewährt werden, sofern keine andere gesetzliche Regelung eingreift.

 

Welche Leistungen können dem genannten Personenkreis aus dem Härtefonds gewährt werden?

 

1.     Monatliche Beihilfen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes können gewährt werden, wenn eine Notlage vorliegt. Eine solche ist dann gegeben, wenn der Antragsteller weniger als 85, --DM monatliche Einkünfte hat (Ehepaar 122,50 DM, für jedes Kind 27,50 DM). Hat also ein verheirateter Antragsteller mit einem Kind ein monatliches Einkommen von weniger als 150,-- DM, so liegt bei ihm ein Notstand vor. Der Antragsteller muss außerdem durch die Flucht seine Existenz verloren haben. Eine Beihilfe erhält der Antragsteller auch nur dann, wenn er das 65. Lebensjahr (bei weiblichen Antragstellern das 60.) vollendet hat oder mehr als 50% arbeitsunfähig ist und keine Verwandten im Bundesgebiet hat, die gesetzlich zum Unterhalt des Antragstellers verpflichtet sind. Zum Unterhalt verpflichtet im weiteren Sinne sind diese Verwandten nur, wenn ihnen eine Unterstützung auch zuzumuten ist. Sind sie daher selbst Vertriebene und haben sie noch keine gesicherte Existenz gefunden oder haben sie durch Krieg und Kriegsfolgen wesentliche finanzielle Nachteile gehabt, so können sie zu Leistungen an den Antragsteller nicht herangezogen werden. Wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht zu diesem Personenkreis gehört, kann er zum Unterhalt veranlasst werden, wenn er mehr als 300,-- DM, bei verheirateten Personen mehr als 375,-- DM monatlich verdient (netto).

 

Sind diese Voraussetzungen alle erfüllt, so kann dem Antragsteller Unterhalt gewährt werden.

 

2. Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat. Der Antragsteller kann eine Beihilfe zur Hausratsbeschaffung in Höhe der ersten Rate der Hausratshilfe nach dem LAG erhalten, also für Alleinstehende 300,-- DM, für Ehepaare 450 -- DM, für jedes Kind 50,-- DM, vom 3. Kind an zusätzlich 50,-- DM. Für die Gewährung einer solchen Beihilfe müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:  

 

a) Der Antragsteller muss vor der Flucht Eigentümer von Möbeln für mindestens einen Wohnraum gewesen sein.  

 

b) Er muss mehr als 50% dieses Hausrats durch die Flucht verloren haben. Bei Vertriebenen ist der Verlust im Vertreibungsgebiet zu berücksichtigen. Meistenteils wird Totalverlust vorliegen. Sind jedoch schon mehr als 50% in RM ersetzt worden, so muss ein Anspruch verneint werden.

 

c) Der Antragsteller darf zur Zeit der Antragstellung noch nicht über den notwendigen Hausrat verfügen. Bei der Beurteilung, ob der notwendige Hausrat vorhanden ist, darf nicht kleinlich verfahren werden.

 

d) Eine mögliche Beihilfe durch Unterhaltsverpflichtete steht einer Gewährung von Hausratsbeihilfe nur dann entgegen, wenn der Verpflichtete in der Lage ist, den Gesamtbetrag der zu gewährenden Beihilfe zu zahlen.

 

3. Aufbaudarlehn zum Existenzaufbau. Der Antragsberechtigte muss durch die Flucht eine selbständige Existenz verloren haben. Er kann das Darlehn erhalten, wenn er noch keine zumutbare Lebensgrundlage im Bundesgebiet gefunden hat. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind seine früheren Lebensverhältnisse zu berücksichtigen. Hat er eine unselbständige Stellung gefunden, die seiner früheren Tätigkeit entspricht, so sind die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehns nicht mehr gegeben. Ein Darlehn zum Wohnungsbau kann ebenfalls gewährt werden wenn durch die Flucht ein Verlust an Wohnraum eingetreten ist und am Arbeitsplatz dir Möglichkeit besteht, bei Beibringung eines Darlehns Wohnraum zu erhalten. Die Antragsteller, die sich für die Einzelheiten der Darlehnsgewährung interessieren, wollen sich bitte an die Ausgleichsämter wenden.

 

3.     Beihilfen zur Berufsausbildung. Eine Beihilfe wird gewährt, wenn durch dir Flucht ein Existenzverlust eingetreten ist und der Unterhaltsverpflichtete nicht die Mittel hat die Ausbildung seiner Kinder fortzusetzen. Volljährige Kinder können selbständig einen Antrag stellen. Es steht z. B. Studierenden, die schon in der Sowjetzone ihr Studium begonnen hatten, ein Antragsrecht zu gewähren. Ihnen kann eine Beihilfe zur Finanzierung ihres Studiums gewährt werden. Das Einkommen der Eltern, die im Bundesgebiet wohnen, wird entsprechend angerechnet.

 

Die monatlichen Beihilfen betragen bei dem Besuch von mittleren und höheren Schulen 10,-- bis 90,-- DM,  Besuch von Hochschulen 10,-- bis 110,-- DM. Für Verheiratete können diese Sätze um einen Betrag bis zu 30,- DM monatlich erhöht werden.

 

Die für Leistungen aus dem Härtefonds vorgeschriebenen Antragsformulare sind bei den Ausgleichsämtern erhältlich.

Fritz Pfützenreuter, Bonn.

 

 

Seite 3    600 Jahre Stadt Allenstein

Unser liebes, schönes Allenstein – gegründet im Jahre 1353 – kann in diesen Tagen auf sein 600-jähriges Bestehen zurückblicken. Hauptstadt des Ermlandes und Haupteinfallstor nach Masuren zugleich war es umgeben von einem Kranz dichter Wälder und einer Fülle herrlicher Seen. In seiner 600-jährigen oft stürmischen Geschichte hat diese Stadt stets ihr deutsches Gesicht gewahrt und ihre deutsche Aufgabe erfüllt.

 

Unsere Bilder zeigen: Oben rechts: Die Burg Allenstein – Links: Hohes Tor und St. Jakobi-Kirche – Mitte: Die herrlichen Parkanlagen in Neu-Jakobsberg – Unten links: Allee-Partie im Stadtwald mit Thüringer Blick – Rechts: Marktplatz und Pfarrkirche mit der alten Apotheke unter dem Laubengang. Sämtliche Aufnahmen: H. Gross

 

Seite 4   Allerlei Gärten. Besinnliche Gedanken – geschrieben im November

Die beiden ersten Gärten, in die ich euch führe, haben sich in Ostpreußen, im Kreise Angerburg befunden. Mit solchen Gärten, wie dem dritten, ist das Land Ostpreußen übersät. Aber nicht nur dieses. Ihr stoßt auf ihn im Lande „Überall", und Gärten seiner Art haben sich in den letzten Jahrzehnten ungeheuerlich gemehrt.

 

Ich entschloss mich von Gärten zu schreiben, als ich die Bürde der grauen Novembertage schleppen musste.

 

Eigentlich durfte ich das nicht.

 

Denn zur Blütenpracht gehört die Sommersonne und der weiche Sommerwind, gehören helle flatternde Kleider und der lange Sommertag, dessen verdämmerndes Abendrot mit dem Morgenrot in eins verfließt.

 

Und doch, wenn mein Auge an der Nebelwand des Novembers stumpf und müde geworden ist und sich schließt, um Erinnerungssonne einzufangen, wandert es über Gärten, die wohl wert sind, dass man sie nicht vergisst.

 

Wandert mit mir! Ihr könnt den Eilschritt der Großstadt zurücklassen. Eure Blicke müssen das Gespannte, das sich in ein Ziel bohrt, welches möglichst schnell erreicht werden soll, verlieren. Ihr könnt alle Fremdheiten abtun, die euch vom Nächsten trennt, braucht nicht jeden Augenblick gefasst zu sein, dass euch ein Feindseliges anspringt in Wort und Tat. Lasst also den Verteidigungszustand da hinten, denn der Garten, den wir betreten, trägt das Wort „Frieden" über seiner Pforte, und auf der Bank, darauf wir uns setzen, steht es auch.

 

Der Garten gehört einem alten Fräulein und ist der Inhalt ihres Lebens. Sie pflegt ihn, solange er der Pflege bedarf, also das ganze Jahr. Gern gibt sie ab von ihrem Blumenreichtum und von dem Honig, den ihre arbeitsfreudigen Bienen zusammentragen. Der Garten entfaltet seine ganze Pracht auf dem Platz, wo das Elternhaus des alten Fräuleins stand. Es war nur noch ein Schutthaufen davon übrig geblieben, als die Russen es im ersten Weltkrieg zerstörten. Da sanken die Balken stöhnend zusammen, die Wände fielen klagend übereinander.

 

Das Haus wurde ganz zerstört.

 

Warum man es nach dem Krieg nicht wieder neu aufbaute? Das wurde in der Totenrede deutlich, die der Pfarrer dem letzten Besitzer hielt. Fünf Geschlechter sahen es erstehen, reifen, sterben. Es stand auf dem Ehrenplatz. Da sollte es durch nichts Billiges, Minderwertiges ersetzt werden, wie die Nachkriegsjahre es vielfach hervorbrachten. Würdig sollte das neue Haus werden. Würdig und wertvoll. Man vertagte den Bau, bis das Geld reichlicher floss.

 

Und eins kam noch dazu: Es hatte sich auf der Brandstätte ein Garten entfaltet, der eines alten Fräuleins Lebensinhalt wurde. Es war die Tochter des letzten Besitzers. Man wollte ihr nicht den Lebensinhalt rauben, darum gestattete man es, dass der Garten sich entfaltete.

 

Das Haus war ganz zerstört worden. Nur ein Teil des Schornsteins ragte empor. Man ließ ihn stehen, als der größte Unrat fortgeräumt wurde. Denn darauf wuchs eine Tanne, alljährlich um einen Trieb breiter und höher. Sie grünt fröhlich. Und wahrhaftig: aus Abfall, Schutt und Trümmern zieht sie ihre Kraft und kommt gut vorwärts.

 

Und noch etwas ist von dem Hause geblieben: der „Antritt", ein großer, flacher Stein, wo ehemals die Türschwelle des vorderen Eingangs war. Zu dessen Seiten bedecken sich Jahr für Jahr zwei weiße Rosenbüsche mit weißen Blütensonnen. Zwei Lebensbäume stehen auch dabei. Rings um den Schornstein, von dem sich Mörtel und Schutt des alten Hauses hügelartig abdachen, blüht ein Gewoge von hohen rosa, blauen, weißen Glockenblumen, deren große Blüten leise mitläuten, wenn die Betglocke ertönt. Und zwischen den Steinen schimmert es weiß von Gebirgskräutern, die sonst nur in den Spalten der Berge gedeihen. Auch Edelweiß ist da. Die Blumen scheinen eine Wildnis, deren Samen sich im Herbst nach Belieben und Lust verstreuten. Und ist doch die ordnende Hand der Natur dabei zu spüren, die jedem ihrer Kinder den rechten Platz anweist.

 

Am Rand des Hügels sieht man noch die Steine der Umfassungsmauer des Hauses. Beim Umherschreiten kann man sich denken: „Hier war die Küche und der Herd, wo der Husch roter Mohn steht. Dort stand die Eckbank der Wohnstube, wo die weißen Maßliebchen blühen. Und an jenem Platz ruhten sich die Müden vom Tagewerk aus, wo der vielfarbige Flochs und die Nelken sich breit wie ein Beet machen."

 

Von Zeit zu Zeit muss ich den Garten des alten Fräuleins aufsuchen. Denn wenn irgendwo, so geht einem hier der Sinn für Blumen auf, sie haben sich viel weiseres Wissen erhalten als wir Menschen. Sie sagen: „Warum könnt und wollt ihr uns nicht gleichen, ihr Menschenkinder? Wir warten still, warten, was werden soll. Und dabei wachsen wir. Zweierlei hilft uns dazu: die Sonne und die Erde. Der Wind kann uns zu Boden peitschen. Aber immer wieder trachten wir uns aufzurichten ... Und wenn Gewitterstürme und Regen uns bis zum Weinen beugen, so lächeln wir doch beim ersten Sonnenschein. Wir haben jede von uns unsre Farbe und Form, von Gott gegeben. Wir können gar nicht anders sein, als wir sind. Wir wollen es auch nicht; damit preisen wir am besten den Höchsten. Nach seinem Willen erstehen, reifen und sterben wir."

 

Die Tanne auf dem alten Schornstein ist mein besonderer Liebling. Es will mir fast scheinen, als ob sie Humor hat. Denn gehört nicht auch für eine Tanne Humor dazu, aus einem Schornstein zu wachsen, worin früher Würste, Schinken und Speckseiten hingen? Und dann: ständig daran erinnert zu werden, dass einst aus dem Schornstein Rauch quoll, der wahrscheinlich beim Verbrennen von Tannenholz entstand, dass also sie, die Tanne, auch einmal im Rauch aufgehen würde.

 

Erhalte ich Besuch von auswärts, dann muss er die Sehenswürdigkeiten unseres Dorfes in Augenschein nehmen. Dazu gehört außer der wunderschönen Kirche auch der Garten des alten Fräuleins.

 

Da zeige ich ihm die humorvolle Tanne und sage: „Meines Wissens können Sie die ganze Welt durchwandern und finden nirgends so eine eigenwillige Tanne, die sich in den Kopf gesetzt hat, aus einem Schornstein zu wachsen."

 

Ach, wenn sie uns doch von ihrem Eigenwillen abgeben könnte! Denn sie versichert hartnäckig: „Mag kommen, was will, — ich wachse! Ich bin nun einmal vom Schicksal hierher verschlagen, daher bleibe ich und behaupte mich!"

 

Ich bin doch neugierig, wie lange sie ihr Stück durchsetzen wird. Sicher, solange das alte Fräulein lebt. Nach deren Tode wird vielleicht wieder ein Haus an die Stelle des Gartens rücken, das seine Zeit auslebt. Das wird dann einer Wiese oder einem Kornfeld oder einem Gottesacker Platz machen. Aber solange das alte Fräulein lebt, wird auch der Garten mit der eigenwilligen Tanne nicht vergehen. Denn der Garten ist der Inhalt ihres Lebens.

 

Am liebsten leite ich meinen Besuch noch nach dem andern Garten, der zu einem alten Gutshause gehört, eine Strecke Weges vom Dorfe entfernt. Wie alt das Haus sein mag, kann man an den Linden errechnen, die ihre Äste über das Dach schirmend breiten.

 

Sicher haben die Erbauer des Hauses nicht gewusst, dass schon bei den alten Persern der

Brauch galt, Bäume um ein Haus zu pflanzen, gleich nachdem es fertig dastand. Das taten sie, weil sie glaubten, dass gute Götter in Baumen Wohnung nehmen. Ohne dass sie es wussten, pflanzten die Erbauer des alten Gutshauses Bäume. Und zum Lohn wurde ihnen wohliges Behagen zuteil, wenn sie unter den Linden saßen.

 

Diese Linden stehen in einem Garten, der auch einer Frau Lebensinhalt geworden ist. Nicht als ob sie darüber die Pflichten am Gatten, an ihren Kindern und an ihrer großen Wirtschaft versäumte. Aber die Arbeit im Garten ist ihr ein Reinigungsbad für ihre Seele. Sie hat ein Garten- und Blumengeheimnis ganz für sich entdeckt, sie, die selbst fein und still und zart wie eine Blume ist.

 

Wenn ich hingehe, mich neid- und wunschlos an ihrem Garten zu erfreuen — am schönsten ist er im Frühtau und in der Abenddämmerung —, dann lässt sie mich ihres Geheimnisses Kraft wissen.

 

Sie sagt: „Ein Garten ist ein Stück Heimat und macht, dass wir die Heimat immer lieber haben und gar nimmer vergessen können. Wer einen Garten anlegt, kann schwer die Heimat verlassen. Er wurzelt in ihr, wie der Baum, den er pflanzte. Wie der Baum zieht er seine Kraft aus ihr. Mit ihm wächst er. Der Baum wird ihm zum Sinnbild seines Lebens. An ihm spürt er, dass er selber ein Stück Natur ist. Sogar das fallende Herbstlaub meiner alten Linden ist mir noch ein Teil des Baumes, den ich wert halte. Ich mag es nicht stören, wenn es als goldbrauner Teppich auf die Erde gespreitet ist. Keiner Magd Besen darf es fortfegen. Der Wind soll es verwehen. — Und meine Blumen? An 20 neue Arten ziehe ich alljährlich aus Samen. Ich belausche ihr Keimen und ordne sie in meinen Garten ein, je nachdem sie Sonne oder Schatten, Feuchtigkeit oder trockenes Land nötig haben. Weitgereiste haben bei mir eine Heimat gefunden. Aus allen Erdteilen kamen Blumenfremdlinge und passten sich meiner pflegenden Hand an. Ihre Farben stimmen zusammen wie Klänge eines Liedes: roter Mohn und blauer Rittersporn, Glockenblumen und Alpenklee, Edelweiß und Enzian. Ich wollte, dass viele Menschen ihre Gärten so sehen und hegen wie ich.

 

Gewiss die Nützlichkeit des Gemüsegartens steht an erster Stelle. Wie sollten wir unser Leben ohne Kohl und Zwiebeln, Möhren und Petersilie gestalten und erhalten, ohne die gute, sättigende! nährende Kartoffel? Aber die Blumen leben um keines Nutzens willen. Sie sind schön und deshalb selig in sich selbst. Und sie machen selig. Wenn ich immerzu in meiner Wirtschaft an Zweck und Nutzen gedacht habe, sehne ich mich nach Wesen, die ohne Zweck und Nutzen ein Leben um ihrer selbst willen führen und nur da sind um der Freude willen."

 

Es würde in unserem Rundgang durch Gärten eine Lücke sein, wenn wir nicht noch einen dritten ganz absonderlichen Garten aufsuchten. Wir finden den Weg leicht. Denn wir brauchen nur einem langen Zug schwarzgekleideter Menschen zu folgen.

 

„Viel schwarzgekleidete Menschen, die pilgern zum Kirchhof hinaus, denn Allerseelen ist heute, wer bliebe da wohl zu Haus? Er legt einen Kranz auf den Hügel und stellt auf den Hügel ein Licht. Er zündet es an und es kündet: Wer hier ruht, den vergaß man noch nicht."

 

So menschlich verständlich dünkt es uns, dass die Leute bei Begräbnissen und an Gräbern weinen. Doch ich kenne eine Frau, die konnte das nicht. Sie hat mir das „Warum" anvertraut. Das war so: Sie sagte:

 

Vor Jahren starb mir die Mutter, und wahrhaftig ich trauerte um sie. Sie hatte jahrelang an schwerer, zehrender Krankheit gelitten und war an ihrem Körper schließlich so unähnlich geworden dem Bild aus gesunden Tagen, dass wir Kinder den Kopf schüttelnd ihre Leiche betrachteten und immer wieder sagten: Unsere Mutter ist das nicht, unsere Mutter ist ganz anders. Auch damals, als sich ihr Ende nahte, mussten wir kopfschüttelnd sagen: Das ist sie nicht. Klang ihre Stimme nicht am letzten Weihnachtsfest wie eine zersprungene Glocke, als wir sie in Kissen unter den Weihnachtsbaum trugen und uns hinter ihrem Lehnstuhl verbargen bloß damit sie unsere Tränen nicht fließen sah? Mühselig, mit blechernem Ton in der einst so schönen Stimme sang sie „O du fröhliche, o du selige gnadenbringende Weihnachtszeit und klagte fassungslos: Kinder, wie kommt das nur, ich kann ja auch nicht mehr singen?"

 

Und als sie, die immer Fleißige, im Bett liegend, noch mit letzter Kraft nach ihrem Strickzeug griff: „Ich muss doch noch für euch arbeiten, Kinder!" — bis die Nadeln ihren Händen entglitten und sie in Dämmerschlummer versank, — war das unsere Mutter, die mit halbem Bewusstsein erwachte, die Lider hob, die so durchsichtig geworden waren, dass die braunen Augen hindurchschimmerten, — die verhallend sagte: „Wo bin ich, Kinder, und wo war ich? Ich glaube, ich war weit weg."

 

Da wussten wir Kinder, dass ihre Seele schon fern, fern geflogen war nach ihrer Heimat und nur für knappe Stunden die Erde aufsuchte."

 

„Und seitdem ich dies Sterben gesehen habe“, so berichtete die Frau weiter, „kann ich bei Begräbnissen und an Gräbern nicht mehr weinen. Ich fand es ganz in der Ordnung, dass an der Mutter Grab „Jesus meine Zuversicht" nach der Ostermelodie gesungen wurde und nickte verständnisvoll zustimmend, als ich bei der Rückkehr vom Begräbnis einen Gruß meiner Freunde vorfand: einen Strauß farbenfroher Frühlingsblumen — Tulpen, Narzissen, Osterlilien — Auferstehungsblumen mitten im Winter.

 

Nun folge ich mit einer Art sieghafter Fröhlichkeit den Särgen all derer, die ich im Leben kannte und liebte, und möchte den Trauernden zurufen: Warum weint ihr um eure Schuld, die durch das Bekenntnis eingeleitet wird: Ach wär ich doch! Ach hätt ich doch!

 

Ach wär ich doch viel freundlicher, gütiger, liebevoller zu dir gewesen! Ach hätt ich doch jede Stunde, die dir und mir geschenkt war, besser genützt! Ach hätt ich doch stets daran gedacht, dass du mir einst genommen würdest! Ach hätt ich doch den Tod viel fester ins Auge gefasst!

 

Ich möchte ihnen zurufen: Wie seid ihr eigennützig und selbstsüchtig. Ihr weint ja nicht um den Toten, ihr weint um euch. Wüsstet ihr, was es für ihn heißt, frei zu sein von der Erdenschwere, Gott näher zu sein, als er es je auf der Erde sein durfte, ihr würdet ihm den Tod gönnen. Ihr würdet des Trostes gewiss sein, der im Sterben liegt. Denn der Tod ist die letzte Vollendung der Menschen auf Erden.

 

Der Heimgegangene ist „Saat, von Gott gesät, am Tage der Garben zu reifen." Der Schnitter Tod mähte ihn, als er reif war für die Ewigkeit."

 

Wirklich? sind alle, die sterben, reif für die Ewigkeit? Auch die Bösen, die Lasterhaften, die Verbrecher?

 

„Auch sie fallen in Gottes Arme zurück, so hoffen wir es. Auch ihnen hat Gott eine Stätte in seinem großen Heimgarten bereitet,“ antwortete die Frau.

 

„Diese Anschauung mag gut für Ihr Privatleben sein", warf ich ein, aber wie finden Sie sich mit dem unseligen Massenmorden der letzten Jahrzehnte ab? Können Sie auch da von einer Vollendung durch den Tod sprechen?"

 

„Ich weiß nicht", sagte die Frau schlicht, „ich weiß nur, dass Sie, ich, wir alle mehr wissen werden, wenn wir von diesem Erdenstern weitergehen. Wenn wir den Begriff von der „Zeit" verloren haben und das Wort „Ewigkeit" buchstabieren lernen. — Darauf müssen wir warten."

Louise Kalweit

 

Seite 4   Unsere Buchbesprechung

„Wenn die Russen kommen!“

Robert Raid. Wenn die Russen kommen. Dikreiter Verlagsgesellschaft Freiburg i. Br. – Frankfurt/Main 1953. 670 Seiten, Preis 6,80 DM.

 

In diesem Buch wird der Untergang des estnischen Volkes geschildert. Die Fabel des Buches baut sich auf der Darstellung eines Freundeskreises auf dessen Mitglieder einer nach dem andern der Vernichtung durch die Russen anheimfällt. Aus einer Fülle von Einzelheiten, Ereignissen wie Lebensschicksalen, ist ein erschütterndes Ganzes mit großer Kunst gestaltet. Die satanische Methode, die diesem Kampf gegen ein selbständiges Volk zu Grunde liegt, wird in ihrer höllischen Folgerichtigkeit überzeugend dargestellt. Verf. ist es gelungen, die unzähligen Einzelheiten dieses furchtbaren Geschehens an die jeweils wirksamste Stelle seines Buches einzugliedern, so dass ein zunächst auftauchender Verdacht, das Buch sei zu breit angelegt, vollkommen hinter dem Eindruck verschwindet, der eine überzeugende Atmosphäre vermittelt. Das Buch gibt eine glänzende Darstellung von der Treibjagd der Moskowiter gegen das estnische Volk. Die uralten historischen Gegensätze von Russen und den Randvölkern bricht, hier wieder in elementarster Gestalt unter dem Deckmantel des Bolschewismus auf. Denn dieser Bolschewismus — das ist die Lehre dieses bedeutenden Buches — ist für die Russen nur eine vorgeschobene Position, wie es in anderen historischen Situationen die Kirche war. Im Grunde verbergen sich hier stets die extrem nationalistischen Anliegen der Russen. Sie handeln nach dem Grundsatz: Haltet den Dieb! Sie treten gegen die kleinen Nationen auf im angeblichen Dienst gleichmachender, sogen. demokratischer Menschheitsforderungen. Stalin gewann den Krieg gegen Deutschland, als es ihm gelang, die nationalen Instinkte seines Volkes zu erwecken. So tauchen in diesem Buch auch die universalen Gegensätze zwischen Ost und West auf. Sehr harte Worte werden geprägt: Der Russe ist der Todfeind jeder Kultur. Russland, das ist der eigentliche Kolonialstaat. Die Tendenz Russlands ist die Ausbreitung, seine Methode der Völkermord. In voll überzeugender Weise wird dieser im russischen Wesen verankerte politische Grundsatz am Schicksal des unglücklichen Volkes der Esten dargestellt. Der Sinn des Buches Robert Raids ist, die Welt zu einer rechtzeitigen Abwehr gegen einen solchen, in seinem Ausdehnungswillen hemmungslosen, grenzenlosen Feind aufzurufen, gleichviel wie dieser sich taktisch geben mag. Die Substanz dieses Willens ist unveränderlich und unerschütterlich. Das Buch Raids gewinnt auch insofern besondere Bedeutung, als es ihm gelingt, das Schicksal seines Volkes im Rahmen der großen internationalen Politik zu sehen. Dieses Buch ist von einer unerhörten politischen Brisanz erfüllt. gvs

 

Reinhard Höhn. Scharnhorst Vermächtnis. Bonn, Athenäum-Verlag. 1952.

Man weiß es ja zur Genüge: Der Soldat gilt als der verachtete Bürger unter den Deutschen. Der Nürnberger Prozess hat ihm den Lebensfaden abzuschneiden versucht. Unendliches Unglück ist über all diese Menschen gekommen, die weiter nichts taten, als ihre Pflicht. Eine spätere Geschichtsschreibung wird es zu Tage fördern, wie viele willig jenem Nürnberger Urteil und seiner Hintermänner folgten, und um äußerer Vorteile sich jenen Leuten anschlössen, die ja nun einmal die feindlichen Sieger waren, und ihre eigenen Mitbürger verfolgten. Dass der deutsche Soldat in ein verhängnisvolles Geschick geriet, als er Instrument eines Regimes wurde, das ihn erbarmungslos für Zwecke einspannte, die ihm wesentlich fremd waren, und die ihn mit Eigenschaften belastete, die ihn in sein Gegenteil zu verändern geeignet waren, dafür konnte er nicht nur nichts, sondern sie verschütteten auch die Kenntnis seines eigentlichen Sinns. Eine verlogene Vorstellung von preußischem Geist brachte den deutschen Soldaten zudem in den Ruf, dass seine Organisation geistlose Maschinerie sei, und das dort nur Begriffe wie Kadavergehorsam, Kasernenhof, Kommis, Drill gestaltbringende Kräfte wären. Wenn heute vielleicht eine Wendung zum Besseren sich leise

anmeldet, wenn man zu erkennen beginnt, dass der Soldat seine Existenzberechtigung aus natürlichem Recht zu begründen imstande ist, so geschieht das nicht deshalb, weil dieser nämlich, bis vor kurzem verachtete Soldat heute wieder die Aufmerksamkeit des Auslandes auf sich lenkt, nicht die Tatsache, dass man ihn wieder braucht. Nein, die Begründung eines deutschen Soldatentums muss auf völlig unabhängigen Gedankengängen ruhen. Sie kann auch nur dann zum Ziele führen, wenn eine Selbstbesinnung deutschen soldatischen Wesens einsetzt. Es kann uns nur zur Genugtuung gereichen, wenn man feststellen darf, dass dies heute wieder geschieht.

 

Dieser Aufgabe dient auch das hier anzuzeigende Buch. Sein Sinn ist die Lebendigmachung aller jener tiefgründigen Gedanken, die einst einer der größten Deutschen in der tiefen Not seines Landes erdacht hat, um Notwendigkeit, Ehre und natürliches Recht des deutschen Soldatentums aus einer Neubesinnung auf die besten Kräfte der Nation zu begründen. Verf. hat sie z. T. in dieses neue und wichtige Buch mit aufgenommen. In diesem Scharnhorst-Buch hat er mit Recht den Schwerpunkt auf die Erfassung eines neuen Aufbaues aus dem Geist neuer politischer Ordnung gelegt. Es ist leider unmöglich an dieser Stelle, auch nur andeutungsweise auf den reichen und tiefen Inhalt dieses — man kann nur sagen — überraschend aktuellen Buches einzugehen. Rezensent muss sich damit begnügen auf den Rahmen hinzuweisen, in dem dieses Werk heute gesehen werden muss. Videant consules! gvs

 

Der deutsche Osten und das Abendland. Eine Aufsatzreihe, herausg. vom ostdeutschen Akademischen Arbeitskreis Freiburg i. Br., Prof. Dr. Aubin. München 1953, Kommissionsverlag „Volk und Heimat", Hld. 9,80 DM.

Die Absicht dieses Bandes, dem in Freiburg/ Br. Gehaltene Vorträge (1950) zu Grunde liegen, besteht darin, die wirtschaftlichen und kulturellen Wechselbeziehungen zur europäischen Völkerfamilie aufzeigen. Von den verschiedensten Seiten her wird das Problem des deutschen Ostens aufgewiesen. Die Grundlage für alle diese, vorzüglichen Arbeiten, bildet die Grundansicht, dass der hier zur Erörterung stehende Raum den natürlichen Boden für die inneren Auseinandersetzungen zwischen Europa und Asien überhaupt darstellt. Das wird z. B. deutlich in Peukerts groß angelegtem Beitrag über den deutschen Osten und die abendländische Geistesgeschichte. Peukert betont, seinem Fach gemäß, den volkskundlichen Teil dieser Auseinandersetzung besondere. Interessant ist sein Standpunkt über die Herkunft der Romantik aus dem deutschen Osten, die er Nadler gegenüber verneinen zu müssen glaubt. G. Grundmann spricht über die kunstgeschichtlichen, W. Weizsäcker über die rechtsgeschichtlichen Zusammenhänge aus einer bewundernswerten Kenntnis der Einzelvorgänge. Dasselbe ist über den Beitrag von E. Obst zu sagen, der in diesem Zusammenhang das Wort ergreift zum Problem der Kolonisation, das keineswegs nur in rein wirtschaftlichem Sinn zu verstehen ist. Geistvoll und gedankenreich sind die Ausführungen K. Zieschés über das metaphysische Problem des deutschen Ostens, in denen er gewichtige Gedanken zum Vertriebenen-Problem äußert. Der wichtigste Beitrag ist der von Prof. H. Rothfels, indem er zu der bekannten These des Ergländers Toynbee eine bis ins Einzelne gehende Stellungnahme begründet. Es geht um die Frage, ob die Ostdeutschen Kolonisation den abendländischen Charakter dieses neu entstandenen Kolonialreiches in Frage stelle oder nicht. Rothfels sieht mit Recht in Ostdeutschland insgesamt das Bollwerk Europas. Dieses Ostdeutschland hat in Wahrheit eine europäische Mission vertreten. Mit Recht betont er eine Eigenschaft der heutigen Vertriebenen, von denen er sagt, dass niemand als sie vielleicht so stark westlich eingestellt sind, als gerade sie und die Menschen, die heute in der sowjetischen Zone Deutschlands wohnen. So geben die Aufsätze von Rothfels und Ziesché den Kern dieses bedeutsamen Bandes, dem weite Verbreitung nicht nur unter den unmittelbar Betroffenen, sondern in ganz Deutschland zu wünschen ist. Denn es handelt sich um ein grundlegendes Problem aller Deutschen. gvs

 

Seite 5   Konvent der zerstreuten Ostkirchen.

Konstanz. In der zweiten Oktoberwoche fand auf der Reichenau der alljährliche Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen statt, zu der sich etwa 70 Vertreter mit führenden Persönlichkeiten der ostdeutschen Landsmannschaften zusammenfanden. In Fortführung der Travemünder Beratungen des Vorjahres, die zur Klärung des Begriffes „Heimat und Volkstum in christlicher Sicht" geführt hatten, stand diesmal das Problem „Europäische Sendung Evangelischer Auftrag" zur Diskussion. Archivdirektor Dr. Fritz Gause, früher Königsberg, gab den geschichtlichen Hintergrund im Blick auf den mittel und osteuropäischen Raum bis zur Gegenwart. Prof. Hans Joachim Iwand sprach über die Frage des Evangelischen Auftrags in Europa und fasste seine Ausführungen in vier Grundbedingungen für ein neues abendländisches Zusammenleben zusammen:

 

1.     Für Christen ist es untragbar, im politischen Denken ausschließlich vom Freund- und Feindverhältnis abzugeben.

2.     Wir können das Geschehene nur ungeschehen machen durch Umkehr.

3.     Man kann Gewalt nur handhaben, wenn man an den Frieden glaubt.

4.     Wir müssen neue Toleranz lernen.

 

In der Aussprache wurde immer wieder besonders auf den dritten Punkt hingewiesen, bei dessen Erklärung Iwand deutlich von einem grundsätzlichen Pazifismus abwich und sich stark auf das philosophische von Kant und das politische von Freiherrn v. Stein und Bismarck vertretene staatsmännische Denken berief. Wo man nicht mehr an den Frieden glaube, höre jede Politik auf, die ja nichts anderes sei, als den Modus des Zusammenlebens zu finden.

 

Am zweiten Tag tagten die Pfarrkonvente der einzelnen ostdeutschen Heimatkirchen. An einem gemeinsamen Konvent aller südostpreußischen Gruppen gab Professor Kruska einen Überblick über die theologische Behandlung der Volkstumsfrage bis in die neueste Zeit. Der Tag schloss mit einer gemeinsamen Abendmahlsfeier und einem Gemeindeabend für die zahlreichen Vertriebenen der Konstanzer Diasporagemeinde. Der Ostpfarrertag dankte dem Pfarrertag in Detmold, dass er sich für die Gleichberechtigung der emeritierten Brüder aus dem Osten eingesetzt hat und schloss sich dieser Resolution an.

 

Seite 5   Wanderkoffer zur Ostlandkunde

Die Deutsche Pestalozzi-Gesellschaft, Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle ostdeutscher Erzieher, hat eine Anzahl Wanderkoffer zur Ostlandkunde mit ca. 50 bis 60 Büchern je Koffer für eine Aktion zur Förderung der Kenntnis des deutschen Ostens in Umlauf gebracht.

 

Diese Wanderkoffer zur Ostlandkunde mit Neuerscheinungen der ostlandkundlichen Literatur und Heimatkunde des deutschen Ostens über Ostpreußen - Baltenland, Sudetenland, Schlesien, Pommern-Grenzmark, Danzig-Westpreußen und den Südosten werden kostenlos gegen Übernahme der Frachtkosten für die Dauer von 3 bis 4 Woche an alle Orts- und Kreisgruppen des BvD, ZvD, der ostdeutschen Jugendbunde, Landsmannschaften und Kulturwerke, sowie an alle Schulen und Lehrerverbände leihweise überlassen.

 

Ein jeder Koffer (50/60 cm) enthält alle ostlandkundlichen und heimatkundlichen Schriften, die als Grundlage für die Arbeit des Ostlandkunde-Unterrichts in den Schulen und der Pflege der Heimatkunde in den Ortsgruppen der Vertriebenenverbände dienen können.

 

Eine Bibliographie der Neuerscheinungen zur Ostlandkunde mit ca. 600 - 700 Buchnachweisen liegt jedem Koffer bei und gibt Auskunft über das ostlandkundliche Schrifttum seit 1945.

 

Anfragen um die Wanderkoffer zur Ostlandkunde sind zu richten an: Geschäftsstelle der Deutschen Pestalozzi-Gesellschaft, Schulrat a. D. Bernd Jahns, Kattenes-Mosel.

 

Seite 5   Die Ostpreußische Herdbuch-Gesellschaft

Wie bereits mitgeteilt, ist die Ostpreußische Herdbuch-Gesellschaft erneut in das Vereinsregister eingetragen worden. Ihr weiteres Bestehen, ist aus folgenden Gründen notwendig:

 

1. Die Herdbuchgesellschaft hat in Ostpreußen ein großes Vermögen in Gebäuden, Liegenschaften und Wertpapieren hinterlassen. Wenn auch laut Gesetz Vermögen von juristischen Personen (ein eingetragener Verein ist eine juristische Person) nicht aufgewertet werden, so kann doch später hierin eine Änderung eintreten.

 

2. Da wir alle in unsere Heimat zurückkehren wollen, müssen die Unterlagen über das Vermögen der Herdbuchgesellschaft nicht nur gesammelt, sondern auch erhalten bleiben.

 

3. Die Herdbuchgesellschaft hatte für ihre älteren und verdienten auf Lebenszeit angestellten Mitarbeiter eine eigene Pensionskasse gegründet. Diese Gelder sind freizumachen, bzw. es ist die Regierung zu veranlassen, eine Pension an diese Angestellten zu zahlen. Zurzeit fallen sie nicht unter § 131 dieses Gesetzes, trotzdem sie vorwiegend im Interesse der Volksernährung, also des Staates, gearbeitet haben. Auch hatte die Herdbuchgesellschaft einen Teil ihrer Angestellten für den Dienst bei der Landwirtschaftskammer bzw. des Reichsnährstandes abgestellt, ohne dass der Staat seinerzeit für diese eine Pensionsverpflichtung zu übernehmen brauchte.

 

4. Auf Grund des Gesetzes zum Lastenausgleich können Herdbuchbetriebe höher bewertet werden als Wirtschaften ohne, Herdbuchherden. Mitglieder der Herdbuchgesellschaft benötigen daher Bescheinigungen über eine Mitgliedschaft und den Zuchtwert ihrer Herden. Nur ein Verein mit rechtlicher Grundlage kann solche Bescheinigungen ausstellen, wozu die Herdbuchgesellschaft über ihre alten Körkommissare, deren Stellvertreter und die Mitglieder der Körkommissionen die Möglichkeit hat.

 

5. Die Herdbuchgesellschaft war nicht nur die größte Züchtervereinigung in Europa, sondern sie hatte auch eine Höhe in der Zucht erreicht, die ihresgleichen suchte. Bei einer Rückkehr in die Heimat wird es sich darum handeln, die Zucht schnell wieder aufzubauen. Dazu muss zu lieferndes Material nach Qualität verteilt werden usw.

 

6.   Wir sind ostpreußische Züchter. Wir haben nicht nur gemeinsam den Wunsch, in die Heimat zurückzukehren; sondern wir wollen auch gemeinsam an einem Aufbau arbeiten. Diese Zusammengehörigkeit zu erhalten und zu pflegen, ist mit einer Aufgabe der Herdbuchgesellschaft.

 

Um einen einfachen Geschäftsbetrieb durchführen zu können, sind folgende Gebührensätze festgelegt worden: Der Mitgliedsbeitrag beträgt pro Mitglied und Jahr 1 DM (das Geschäftsjahr läuft vom 1. April bis 31. März). Für eine einfache Bescheinigung über Mitgliedschaft ist ein Betrag von 1,50 DM zu entrichten. Für ein Gutachten über den Zuchtwert einer Herde werden 3 DM erhoben. Beide Beträge sind bei Antragstellung einzuzahlen. Zahlungen sind auf das Konto Nr. 12 62 09 Ostpr. Herdbuch-Gesellschaft Rhein. Westfälische Bank in Köln zu leisten.

 

Beitrittserklärungen mit genauer Heimatadresse und neuer Anschrift sind an den nachstehenden Vorsitzenden der Herdbuchgesellschaft zu richten: Ulrich von Saina Paul Jäcknitz, Zieverich, Post Bergheim a. d. Erft. gez. Dr. Knopff.

 

Seite 5   Ostpreußens Werfer zählten zur Elite

Ostpreußen wurde im Sport das Land der Werfer genannt, und da gerade im Jahre 1928, also vor 25 Jahren, der Allensteiner Emil Hirschfeld, den Amerikanern (Rose 15,54 m) drei Mal den Weltrekord im Kugelstoßen entriss und vor 15 Jahren 1938 der Lötzener Erwin Blask als Angehöriger des Berliner Sportclubs den Weltrekord im Hammerwerfen verbesserte, wollen wir uns mal der ostdeutschen Werfer, in der Hauptsache der ostpreußischen, erinnern.

 

Es war wohl der Speerwerfer Schlokat von Preußen-Insterburg, der bereits 1927 mit einer Leistung von 64,60 m deutscher Rekordhalter wurde und auch weiter zu den besten deutschen Speerwerfern gehörte und bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam als einziger Deutscher unter den sechs Ersten in der Siegerliste zu finden war. Und auch 1928 ging Hirschfeld von Hindenburg-Allenstein als frischgebackener Weltrekordmann (15,64 und 15,79 m) im Kugelstoßen als Favorit nach Amsterdam, und man glaubte, dass er Olympiasieger werden würde. Aber es kam wieder einmal anders. Zwei Amerikaner waren an diesem Tage noch besser als Hirschfeld, der immerhin mit 15,72 m fast seinen eigenen Rekord erreichte, aber doch von zwei Amerikanern mit neuem Weltrekord (Kuck 15,87 m) übertroffen wurde und nur Dritter wurde. Aber bereits am 26. 08.1928 schraubte der Ostpreuße die Welthöchstleistung auf 16,04 m.

 

Inzwischen hatte der Insterburger Schulmeister Schlokat in den Königsbergern Molles, VfK (64,91 m) und Maeser II, Asco (1931: 65,19 m), gleichwertige Konkurrenten bekommen und bei den damaligen Ländertreffen stellten diese drei ostpreußischen Speerwerfer meist die beiden deutschen Vertreter und oft auch den Sieger in den Länderkämpfen und Deutschen Meisterschaften. Der deutsche Rekord wurde so mehrmals von den Ostpreußen verbessert. Die leichtathletikfreudige Stadt Lötzen in Masuren hatte das Glück, das bis dahin größte deutsche Speerwerfermatch am 28. Juli 1929 anlässlich des traditionellen nationalen Sportfestes des Sp. V. Lötzen zu erleben. Außer Weimann, Leipzig, der später auch zur Spitzenklasse gehörte, waren die drei Ostpreußen Schlokat, Molles und Maeser II sowie der damals für den VfK Königsberg startende junge Stöck aus der Grenzmark am Start. Molles musste an diesem Tage für den Sieg schon neuen deutschen Rekord (64,91 m) werfen, und nur mit geringen Leistungsunterschieden folgten Maeser, Schlokat und der spätere Olympiasieger 1936 und noch heutige Rekordhalter (73,96 m) Stöck. Hervorragende Werfer waren dann noch besonders der Elbinger Lingenau (Steinstoßen, Kugel, Diskus), Fritsch, Darkehmen (Diskus u. beidarmiges Speerwerfen), Laqua-Oppeln für Breslau als einmaliger dt. Meister im Speerwerfen und der Osteroder Hilbrecht (Diskus) für den VfB Königsberg. Jedoch das größte Talent entwickelte sich in dem Lötzener Erwin Blask vom Sportverein Lötzen, der erstmalig 1928 mit hervorragenden Jugendleistungen in den Würfen in den Kämpfen gegen die beste Berliner Jugend als Nachfolger Hirschfelds bezeichnet wurde und auch so über Ostpreußen hinaus bekannt wurde. Es reichte zuerst im Speerwerfen, das er bald aufgeben musste, später im Kugelstoßen (14,94 m) und Diskuswerfen (48,14 Meter) zu erstklassigen Leistungen, aber erst mit neuen deutschen Höchstleistungen im Steinstoßen (11,74 m) erreichte Blask das vorerst gesteckte Ziel.

 

Als dann das Steinstoßen von dem Meisterschaftsprogramm abgesetzt wurde, begann Blask mit dem Hammerwerfen und war dann auch der erste Deutsche, der die ersehnte 50-m-Grenze übertraf und den Rekord mehrmals verbesserte. Ein ernster Rivale entstand in dem Hamburger Hein, und diese beiden trieben sich gegenseitig zu immer besseren Leistungen bei Landerkämpfen und Meisterschaften. Wie schon erwähnt, wurde Stöck-Schönlanke für den SC Charlottenburg startend, 1936 überraschend Olympiasieger im Speerwerfen mit 71,84 m vor den favorisierten Finnen, und zwischen Hein und Blask allein lag die Entscheidung im Hammerwerfen. Bis zum letzten Wurf schien Blask der Glücklichere (55,04 m) zu sein, doch Hein schaffte im letzten Durchgang den Olympiasieg mit 56,49 m, während Blask die Silbermedaille erhielt. Diese beiden blieben auch weiter mit wechselndem Erfolg die Weltbesten, und am 27.08.1938 in Stockholm anlässlich des Länderkampfes Deutschland — Schweden krönte Blask seine Erfolgsserie mit dem Weltrekord von genau 59 Metern, der volle 10 Jahre bis 1948 (Nemeth-Ungarn) in seinem Besitz geblieben ist.

 

Heute sind andere Werfergrößen in der Welt und in Deutschland an der Spitze, wenn auch die ehemaligen Ostdeutschen heute noch wertvolle Punktesammler bei den Mehrkampfmeisterschaften sind, so Hirschfeld in Leipzig, Stöck in Hamburg, Blask in Frankfurt, Fritsch in Bremen, Hilbrecht in München usw. Schade, dass gerade Deutschland mit seinen ostdeutschen Werfern zur Zeit nicht mehr in der Lage ist, mit den Weltbesten Schritt zu halten. Die Alten sind über ihren Höhepunkt hinaus oder im Krieg geblieben, und von dem Nachwuchs steht nur noch der jetzige Hannoveraner Lingenau, ein Sohn des früheren Elbingers, den man aber wie schon seinen Vater kaum zu den Ostdeutschen zählen darf, im Kugelstoßen als Jugendlicher an der Spitze in Deutschland und verspricht einmal die Leistungen eines Hirschfeld, Stöck oder Woellke zu erreichen oder zu übertreffen. Deutschland, das in den Wurfdisziplinen bis auf das Diskuswerfen die Olympiasieger 1936 stellte und auch weitere Plätze belegte, hat erst einmal den Anschluss an die Weltklasse verloren, und es ist fraglich, ob es nochmals gelingen wird, mit an die Spitze zu gelangen, besonders da der frühere leistungsstarke ostdeutsche Nachwuchs fehlt.

 

Das Jahr 1953 brachte in den Würfen einen ungeahnten steilen Aufstieg, an dem die Amerikaner allergrößten Anteil haben. Zum Abschluss dieser Erinnerungen stellen wir einmal die jetzigen Welthöchstleistungen den deutschen Rekorden sowie den besten deutschen Leistungen des Jahres 1953 gegenüber. Auf Grund dieser Zahlen ist am besten zu erkennen, wieviel wir an Boden verloren haben.

 

Diskuswerfen: Weltrekord 59,28 m (Gordin, USA); Deutscher Rekord; 73,96 m (Stöck, Ber-Magdeburg; Deutsche Bestleistung 1953: 48,84 m (Hipp, Balingen).

 

Kugelstoßen: Weltrekord 18,04 m (O'brien, USA); Deutscher Rekord: 16,60 m (Woellke, Berlin); Deutsche Bestleistung 1953: 15,82 m (Schmidt, Berlin).

 

Speerwerfen: Weltrekord: 80,41 m (Held, USA); Deutscher Rekord: 73,96 m (Stöck, Berlin); Deutsche Bestleistung 1953: 69,62 m (Will, Rendsburg).

 

Hammerwerfen: Weltrekord 62,36 m (Strandli, Norwegen); Deutscher Rekord: 60,77 m (Storch, Fulda); Deutsche Bestleistung 1953: 58,91 m (Storch, Fulda). W. G.

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm, (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

Allen Geburtstagskindern des Novembes 1953 gelten unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche. Ganz besonders grüßen wir:

 

Marie Henke (Kbg. Turnlehrerinnenverein) Bad Neuenahr, Haus Abendfrieden zum 27.11.1953 — 89 Jahre  

 

Conrad Bayer (Danziger Tgm.) Bremen-Blumenthal, Allmerstr. 11 zum 15.11.1953 — 76 Jahre .

 

Henry Groß (KMTV 1842) Bln.-Charlottenburg 4, Leibnizstr. 46 IV zum 13.11.19— 76 Jahre  

 

Richard Wittig (KMTV 1842) Bamberg, Schützenstr. 55 zum 20.11. 1953 — 75 Jahre  

 

Artur Meißner (Zoppoter TV) Hamburg-La I, Stockflethsweg 111 zum 15.11.1953 — 70 Jahre  

 

Edwin Senger (Marienburg) Kiel, Esmarchstr. 68 IV zum 17.11.1953, 60-Jahre

 

Kurt Kaltwang (KMTV 1842) Saarland, Elm-Saar, Hauptstr. 199 und Walter Trzaska (MTV Tilsit) Stavenhagen (Meckl.) Goethestraße 8 zum 19.11.1953 — 60 Jahre

 

Anna Bordien (FrTV Elbing) Green/Heimersheim über Remagen, Mühlenstr. zum 18.11.1953 — 50 Jahre

 

Allen sei Gesundheit und bestes Wohlergehen beschieden. Nachstehend veröffentlichen wir Namen von Turnschwestern und Turnbrüdern, die schon mit uns Verbindung hatten, aber nach Vermerken auf zurückbekommenen Postsachen unbekannt verzogen sind. Die Leser werden gebeten, ihnen bekannte neue Anschriften an Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldbg.), Gotenstr. 33 mitzuteilen.

 

Lore Amenda, Danzig,

Viktoria Bauer, geb. Drege, Marienwerder.

Arthur Bornowski TuF Danzig,

Otto Brausewetter, KMTV 1842,

Reiner Busch, Goldap,

Emmy Dietz, geb. Franke, KMTV 1842,

Hans Dombrowsky, Wehlau,

Friedel Dreier, KTC,

Arthur Drewing, Zoppot,

Gertrud Druske, Labiau,

Walter Duttmann, Insterburg,

Herbert Fischer, KMTV 1842,

Hans Fuchs, TuF Danzig,

Sophie Griesart, Danzig,

Rudi Göring, TuF Danzig,

Erich Gratz, TuF Danzig,

Karl Groborsch, Zoppot,

Kurt Geoetzner, TuF Danzig,

Dr. Eitel-Friedrich Gülsdorf, TuF Danzig,

Paul Höpfner, Allenstein,

Bruno Hoffmann, KTC — wird fortgesetzt.

 

Zur Frage eines Wiedersehenstreffens 1954 haben sich bisher nur wenige Turnerinnen und Turner geäußert und zwar durchweg für eine Verbindung mit dem Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes in Hameln. Wohl denn! Es sei! Der Zeitpunkt steht noch nicht endgültig fest. Entweder vom 30.07. bis 01.08. oder vom 03. bis 05.09.1954. Gleichviel, ob wir wieder — wie ich hoffe —, in großer Zahl oder nur als kleine Schar uns zusammenfinden, wir werden diesmal neben den Veranstaltungen des DTB mehr als es in Hamburg möglich war, unsere Selbständigkeit zu wahren haben. Turnbruder Albert Jagusch hat sich bereit erklärt, als örtlicher Vertreter bei den Vorbereitungen kräftig mitzuarbeiten. — Den Hamburger Bericht habe ich noch nicht abgeschlossen. Vielleicht kann doch noch jemand eine schöne Aufnahme beisteuern. Auch die Herausgabe des Anschriftenverzeichnisses verzögert sich noch. Onkel Wilhelm

 

Seite 5   Suchdienst der Heimatortskartei für Ostpreußen

Wenn Ihnen über den Verbleib der Gesuchten etwas bekannt ist, geben Sie bitte direkt Nachricht an die Heimatortskartei für Ostpreußen — (24b) Neumünster, Postfach 178.

Es werden gesucht:

 

991: Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Biella, Maria, geb. Abramzik, geb. am 18.03.1874, ges. von Lukas, Gustav

 

992, Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Ciyzan, Maria, geb. Optatzky, geb. 12.02.1887, ges. von Groll, Waltraud

 

993. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Glinka, Adolf, geb. am 29.11.1892, ges. von Glinka, Luise

 

994. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Kipar, Johann, geb. am 06.09.1879, ges. von Lehmann, Mechthilde

 

995. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Komorowski, Eduard, geb. am 09.07.1879, ges. von Komorowski, Ida

 

996. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: König, Anna, geb. Jerosch, geb. am 21.12.1881, ges. von König, Maria König,

 

997. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: König, Minna, geb. Borowski, geb. am 30.05.1878, ges. von König, Otto

 

998. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Lichtenstein, Frieda, geb. am 24.01.1926, ges. von Lichtenstein, Wilhelm

 

999. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Matheusek, Irene, geb. am 05.10.1936, ges. von Matheusek, Ingeborg

 

1000. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Matheusek, Sieglinde, geb. am 30.05.1939, ges. von Matheusek, Ingeborg

 

1001. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Ollesch, Anna, geb. am 25.03.1926, ges. von Ollesch, Auguste

 

1002. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Ollesch, Johann, geb. am 13.05.1893, ges. von Ollesch, Auguste

 

1003. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Ollesch, Lotte, geb. am 22.07.1927, ges. von Ollesch, Auguste

 

1004. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Olschinski, August, geb. am 17.12.1863, ges. von Olschinski, Auguste

 

1005. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Rucks, Mathilde, geb. Schultz, geb. ca. 1875, ges. von Rucks, Robert

 

1006. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Rudat, Erich, geb. am 05.09.1904, ges. von Rudat, Margarete

 

1007. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Skorzik, Amalie, geb. Killisch, geb. 21.11.1895, ges. von Gehlings, Anna

 

1008. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Sokoll, Friedrich, geb. am 25.04.1900, ges. von Sokoll, Rudolf

 

1009. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Weigel, Karl, geb. am 23.01.1878, ges. von Weigel, Elise

 

1010. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Weigel, Martha, geb. Schimanski, geb. ca 1884, ges. v. Weigel, August

 

1011. Friedrichshof, Kreis Ortelsburg: Wujak, Adam, geb. am 28.07.1885, ges. von Kalcher, Luise

 

1012. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Gronwald, Herbert, geb. am 09.09.1900, ges. von Papajewski, Elfriede

 

1013. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Powierski, Emil, geb. am 25.07.1872, ges. von Weigel, Ida

 

1014. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Powierski, Heinz, geb. am 02.02.1934, ges. von Katzmarzik, Wilhelm

 

1015. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Powierski, Kurt, geb. am 04.09.1931, ges. von Katzmarzik, Wilhelm

 

1016. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Symanski, Willi, geb. am 09.09.1929, ges.  von Symanski, Wilhelm

 

1017. Fröhlichshof, Kreis Ortelsburg: Zagon, Friedrich, geb. am 31.05.1876, ges. von Zagon, Karoline

 

1018. Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg: Bruderek, Gottlieb, geb. am 22.07.1863, ges. von Schimankowitz, Emma

 

1019. Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg: Kwiatkowski, Adam, geb. 16.07.1850, ges. von Quade, Adam

 

1020. Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg: Masuch, Elfriede, geb. am 24.03.1923, ges. von Masuch, Wilhelm

 

1021. Fürstenwalde, Kreis Ortelsburg: Piayka, Wilhelm, geb. am 25.09.1878, ges. von Piayka, Karoline

 

1022. Geislingen, Kreis Ortelsburg: Baschek, Helene, geb. Poetsch, ges. von Poetsch, Olga

 

1023. Geislingen, Kreis Ortelsburg: Kreutz, Bruno, geb. am 28.02.1889, ges. von Werth, Helene

 

1024. Geislingen, Kreis Ortelsburg: Schmigelski, Karl, geb. am 15.06.1873, ges. von Skrotzki, Amalie

 

1025. Gellen, Kreis Ortelsburg: Endrejat, Frieda, geb. am 11.04. 1927, ges. von Endrejat, Michel

 

1026. Gellen, Kreis Ortelsburg: Hesa, Gustav, geb. am 04.03.1902, ges. von Moselewski, Frieda

 

1027. Gellen, Kreis Ortelsburg: Lissek, Friedrich, geb. am 03.03.1882, ges. von Lissek, Edith

 

1028. Gellen, Kreis Ortelsburg: Moselewski, Fritz, geb. am 20.12.1913, ges. von Dutkowski, Minna

 

1029. Georgensguth, Kreis Ortelsburg: Butler, Michel, geb. ca. 1880, ges. von Zysk, Wilhelm

 

1030. Georgensguth, Kreis Ortelsburg: Butler, Minna, geb. ca. 1884, ges. von Zysk, Wilhelm

 

1031. Georgsheide, Kreis Ortelsburg: Chilla, Grete, geb. am 04.02.1915, ges von Chilla, Gustav

 

1032. Gilgenau, Kreis Ortelsburg: Koch, Karl, geb. am 13.02.1880, ges. von Grabinski, Maria

 

1033. Gilgenau, Kreis Ortelsburg: Zilinski, Heinrich, geb. ca. 1900, ges. von Zilinski, Franz

 

1034. Gisöwen, Kreis Ortelsburg: Barczik, Gustav, geb. am 26.05.1889, ges. von Barczik, Karoline

 

1035. Glauch, Kreis Ortelsburg: Gerwin, Werner, geb. am 29.12.1934, ges. von Schepanski, Karoline

 

1036. Glauch, Kreis Ortelsburg: Klein, Charlotte, geb. am 30.11.1907, ges. von Klein, Flora

 

1037. Glauch, Kreis Ortelsburg: Rayzik, Willi, geb. am 13.07.1914, ges. von Trzaska, Emma

 

1038. Glauch, Kreis Ortelsburg: Rayzik, Heinrich, geb. am 13.07.1914, ges. von Trzaska, Emma

 

1039. Glauch, Kreis Ortelsburg: Romotzki, Anna, geb. am 26.12.1926, ges. von Schengon, Martha

 

1040. Glauch, Kreis Ortelsburg: Romotzki, Hedwig, geb. am 07.12.1915, ges. von Schengon, Martha

 

Seite 6   Feste Boyen-Alt-Lötzen. Ein Bild erzählt von vergangenen Zeiten

Foto: Lötzen: Marktplatz mit Kirche

Foto: Lötzen: Königsberger Straße

1859. Es war ein schöner Spätsommertag, als der Zeichner auf den hohen Innenwall am Lötzener Tor stieg, um ein Bild der Feste Boyen und ihrer Umgebung auf das Papier zu bannen.15 Jahre waren seit jenem denkwürdigen 4. September 1844 vergangen, an dem Preußens Kriegsminister, Generalfeldmarschall Hermann von Boyen, mit drei Hammerschlägen die Grundsteinlegung der Feste vollzog. Inzwischen waren die mächtigen Erdwälle mit ihren sechs Bastionen und Geschützständen, die Grabenwehren, Kasematten, Kasernen fast völlig fertiggestellt worden. Vor zwei Jahren war auf Befehl König Friedrich Wilhelms IV., dessen Fürsorge für die arme Grenzlandschaft in aller Munde war und der wiederholt auch Lötzen besucht hatte, der Bau der Kanalstrecken beendet worden. Die Kette der großen Seen Masurens bildete nun in einer Ausdehnung von rund hundert Kilometern, genau in Nord-Süd-Richtung, eine ununterbrochene Wasserbarriere. Und die einzige größere Furt darin wurde wie von einem Sperrriegel durch die Feste gesichert. Zur Rechten wie zur Linken netzten die Wellen des Löwentinsees und des Mauersees die Wälle. Nach dem ursprünglichen Plan hatte man sogar vorgesehen, an der Südseite unter den Wällen hindurch einen Kanal hinein zu führen und innerhalb der Feste einen Hafen anzulegen, damit im Ernstfall der Wasserweg als Ausfalltor offen blieb. Aber davon war dann doch Abstand genommen worden.

 

Sinnend schweift der Blick über die offene Landschaft. Dort, hinter den Höhen am Horizont, etwa 50 km entfernt, lag die russische Grenze. Man erzählte, dass in fernen Zeiten, als die oströmischen Kaiser noch in Byzanz herrschten, ein vielbegangener Handelsweg vom Schwarzen Meer über diesen Engpass nach der Bernsteinküste hinauf geführt haben soll. Damals hatte die Landschaft anders ausgesehen, überlegte der Mann, indem er akkurat Bäumchen neben Bäumchen an das Band der Königsberger Chaussee zeichnete. Ob sie im Bild die richtige Größe hatten? Sie waren erst vor 7 oder 8 Jahren gepflanzt worden, als Lötzen seinen Anschluss an die von der Provinzialhauptstadt ausgehende große Heerstraße bekam. Der geplante Bau einer Telegraphenlinie Königsberg—Lötzen—Johannisburg würde voraussichtlich noch zwei Jahre in Anspruch nehmen. Aber mit einer Eisenbahn würde es wohl noch gute Weile haben. (Anmerkung; noch 9 Jahre, bis 1868.) Da würde man sicherlich Schwierigkeiten bekommen und einen Damm ein Stück durch den Löwentinsee hindurch führen müssen, denn durch die Festung konnte der Schienenstrang nicht gelegt werden. Es war eine aufregende Zeit, in der die Wogen des technischen Fortschritts bis an den Rand Europas spülten! Wohin mochte diese Entwicklung noch führen? Hatte doch vor zehn Jahren ein Kollege, der Hilfszeichner bei der Festungsbaudirektion war, eine Lötzener Wochenzeitung herausgegeben!

 

Jetzt zeichnete der Stift den Uferrand der Kl. Popowka ein, der über die Kante des Außenwalles hinweglugte. In alten Urkunden war noch der Name Kl. Pfaffensee eingetragen. Vieles deutete tatsächlich darauf hin, dass hier, wo um die Jahrtausendwende die Grenzen der heidnischen Landschaften Sudauen, Gallindien, Nadrauen und Barten ineinander übergingen, die Opferstätte Brun von Querfurt‘s war. Am 9. März des Jahres 1009 hatte dieser erste Glaubensbote „an einem großen See", wie es in der alten Chronik hieß, mit 18 Gefährten sein Leben für Christum und sein Reich hingegeben. Dies war das historische Datum des Eintritts Masurens in die Geschichte; den Tag würde man sich merken müssen! Mit besonderer Liebe weilte der Stift des Zeichners dann bei den Konturen des Lötzener Schlosses. Nicht nur, weil dort der Herr Festungsbaudirektor wohnte, sondern auch weil der barocke Giebel dem Stadtbild eine heitere Note verlieh. Dieser Giebel passte gar wenig zu dem wuchtigen backsteingotischen Stil der übrigen Burgen im alten Ordenslande. Aber dieser Anachronismus in der Architektur war nur ein bezeichnendes Merkmal der reichbewegten Geschichte dieses Platzes. Die Geschichtsschreiber konnten sich jetzt schon nicht mehr darüber einigen, wann und wo der Ritterorden die erste Lötzenburg erbaut hatte. Vermutlich war es 1285 geschehen, und zwar auf den Fundamenten einer eroberten und zerstörten gallindischen Wallburg, die näher am Löwentinsee stand. Wie oft hernach der vielen Feinde und des Feuers Macht die bauliche Gestalt des Schlosses verändert hatten, darüber waren sich die Gelehrten nicht einig. Das zweite hervorragende Bauwerk der Stadt war die evangelische Kirche; auch sie hatte eine unübliche Form. Sie war ein Neubau aus den Jahren 1826 und 1827, nachdem 1822 fast die ganze Stadt dem Feuer zum Opfer gefallen war. Zu einer Turmspitze hatte es dann nicht mehr gereicht, obgleich später auch der König den Wunsch danach ausgesprochen hatte. Wer weiß, wie lange die Lötzener Stadtsilhouette ohne einen charakteristischen, sich gen Himmel verjüngenden Kirchturm bleiben würde?

 

An 3000 Seelen zählte jetzt das Städtlein. Handel und Wandel hatten sich in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten merklich gehoben. Größere und bessere Häuser waren entstanden. Die Bürger waren von Kulturwillen erfüllt. Sie strebten danach, eine höhere Schule in ihren Mauern zu besitzen. Also hatte sich jetzt bereits jener Teil der zu den Hammerschlägen gesprochenen Geleitworte des Feuergeistes Hermann von Boyen erfüllt, nach denen der Bau der Feste „auch schon im Frieden dazu beitragen sollte, den Wohlstand aller Stände und Gewerbe der Stadt zu heben". Möge die Feste nach den Worten des Feldmarschalls allezeit auch „ein Schirm und Schutz für das Reich in Zeiten der Gefahr sein" — unter diesen Gedanken tat der Zeichner an dem Bild den letzten Strich.

 

1914. 70 Jahre waren seit jener denkwürdigen Grundsteinlegung vergangen. Dort, wo der Zeichner seinen Blick noch einmal über die Landschaft hatte schweifen lassen, stand ein hochgewachsener, selbstbewusst aussehender Mann in feldgrauer Uniform. Es war der Kommandant der vom Feinde umzingelten Feste, Oberst Busse. Ein ereignisreicher Tag lag hinter ihm. Er hatte mit Teilen der Festungsbesatzung dem Gegner bei Kruglanken ein erfolgreiches Ausfallgefecht geliefert und war mit stattlicher Beute glücklich zurückgekehrt. Da war ein Flieger über der Feste erschienen und hatte eine erregende Nachricht abgeworfen. Im Raum Ortelsburg—Hohenstein sollte der neu ernannte Oberbefehlshaber der 8. Armee, Generaloberst von Hindenburg, gegen die russische Narew-Armee unter General Samsanow eine Schlacht geschlagen haben. Ein großer Sieg war offenbar erfochten. Die Entsetzung der Feste stand über kurz oder lang bevor. Ein befreiender Atemzug weitete die Brust des Offiziers. Fast mischte sich ein leises Bedauern in die Hochstimmung. Es war eine Aufgabe, ganz in seinem Sinne, die ihm gesetzt worden war. Völlig auf sich gestellt, Kommandant einer von großer Übermacht belagerten Festung zu sein, die Blicke der Welt auf sich zu lenken! Am 22. August hatte ihn die schicksalsschwere Nachricht erreicht, dass die 8. Armee, deren Aufgabe der Schutz Ostpreußens war, sich auf die Weichsel zurückziehe. Die Grenzprovinz preisgegeben, dem Feinde der Weg ins Herz Europas offen! Und der Befehl an ihn, Oberst Busse, hatte gelautet, er habe sich bis zum Äußersten zu verteidigen. „Das A. O. K. hofft und erwartet, dass sich die Feste 6 - 8 Wochen halten werde, dann hauen wir sie wieder heraus“.

 

Sofort hatte er seinerseits den Räumungsbefehl an die Stadt gegeben. Der letzte Evakuierungszug verließ noch am gleichen Tage den Lötzener Bahnhof. Gespenstische Stille herrschte darauf in den Straßen. Der Stadtteil am Kanal war dem Erdboden gleichgemacht, als Schussfeld für die Festung. Auf der anderen Seite aber, nach dem Städtchen Rhein zu, da lagen 10 000 Flüchtlinge mit ihren hochbepackten Wagen und ihrem Vieh. Dachte man daran, so war es gut, dass die Belagerung bald zu Ende gehen würde. Bei längerer Dauer wären Krankheiten, womöglich Seuchen, unter den armen Menschen ausgebrochen. Seine Möglichkeiten, zu helfen, waren gering; es fehlte an allem und jedem. Bedurfte es eines gültigeren Beweises dafür, dass Deutschland den Krieg nicht gewollt hatte? Hätte man andernfalls diesen wichtigen Platz derart vernachlässigt? 4 ½ Landsturmbataillone, 1 Ersatzschwadron Kavallerie, 8 Batterien Artillerie und einige wenige Pioniere standen ihm als Besatzung zur Verfügung. Damit sollte er die ganze Seenkette verteidigen.

 

Er hatte zur Kriegslist greifen müssen, um seine Lage zu verschleiern. Die Kanonen auf den Wällen, die ihre Rohre drohend nach allen Seiten richteten, waren zum Teil Geschützattrappen, mit uniformierten Strohpuppen als Bedienungsmannschaften. Es war blutiger Ernst, aber man musste doch lächeln. Ausfälle nach verschiedenen Seiten beunruhigten den Feind. Auf dem Wasser, bald hier, bald dort, zwischen den vielen Inseln auftauchend, erschien sein Kriegsschiff, S. M. Kanonenboot „Barbara", und beschoss die überraschten und verwirrten Iwans, die an den Ufern lagen oder die Straßen entlang marschierten. Es war der frühere kleine Passagierdampfer „Ernst" der Masurischen Dampferkompagnie Lötzen, den er marinegrau hatte anstreichen und mit einer Feldkanone bestücken lassen. Die Russen, die ohnehin eine falsche Vorstellung von dem Kampfwert der Feste hatten, waren durch alle diese Maßnahmen irritiert. Sie hatten einige Male vorgefühlt, waren eines Nachts auch in die Stadt eingedrungen. Aber da hatte er von den Wällen bei Scheinwerferlicht die Kanonen ihre eherne Sprache sprechen lassen. Ein größerer Angriff, ein Sturm auf die Feste wurde nicht gewagt. Auch eine Beschießung fand nicht statt. Der Feind hatte kein schweres Belagerungsgeschütz zur Stelle. Aber er hatte sich unterfangen, ihn, den Kommandanten, zur kampflosen Übergabe der Feste innerhalb vier Stunden aufzufordern. Diese Aufforderung schloss mit dem anmaßenden Satz:

 

„Wenn Sie nicht wollen mit dieser Bedingung zufrieden sein, so wird man mit offener Kraft die Festung nehmen und in diesem Falle dort kein Stein aufm Stein nicht gelassen wird! Chef der Kolonne. Kondratjew."

 

Mannhaft hatte die Antwort gelautet: „Was Ihre Aufforderung anbetrifft, die Festung zu übergeben, so weise ich dieselbe für mich und meine tapfere Besatzung als im höchsten Grade beleidigend zurück. Die Feste Boyen wird nur als Trümmerhaufen übergeben. Der Kommandant der Feste Boyen. Busse, Oberst."

 

1953. Sie war tatsächlich, auch ohne Trümmerberge und Ströme von Blut zu einem Schirm und Schutz für das Reich in Gefahr geworden, die — einzige im 1. Weltkrieg belagerte deutsche Festung, wie sie sich nennen durfte. Auch als im Winter 1914 - 1915 die Völkerwelle aus dem Osten erneut anbrandete, aber vor der „Feldstellung Lötzen" zum Stehen gebracht wurde, erfüllte die Feste Boyen ihre Aufgabe noch. Aber dann verlagerte sich der Verteidigungswert mehr und mehr in das immer tiefer gestaffelte moderne Bunkersystem der in Versailles zugestandenen „Befestigungen bei Lötzen" und später des sogenannten „Ostwalles". Die Feste Boyen war historisch geworden und wurde als Sehenswürdigkeit bestaunt. Und obgleich sie im 2. Weltkrieg noch als Militärmagazin genutzt wurde, stand sie bereits unter Denkmalsschutz, und es war bestimmt worden, dass sie als letztes, unversehrt erhaltenes Befestigungswerk eines vergangenen Jahrhunderts und als großes Grenzlandmuseum in die Nachwelt eingehen sollte.

 

Es ist ein überaus glücklicher Zufall, dass eines der denkbar seltenen Bilder der Feste nach Westdeutschland gerettet wurde. Vielleicht ist es das einzige, das heute noch existiert. Neben seinem allgemeinen historischen Wert besitzt es persönlichen Erinnerungswert für manchen, der 1914 zur Festungsbesatzung gehörte oder der im letzten Kriege im Festungslazarett lag und als Genesender auf den Festungswällen umhergewandert ist. H. L. Gnadt.

 

 

Seite 6   Traditionsverband der ehem. 291 Inf.-Div.

Anlässlich des Treffens der ehem. niedersächs. und ostpreuß. Verbände trafen sich am 29./30.08. in Göttingen 190 ehem. Angehörige der 291. Inf.-Div. Nach Begrüßung durch den Kameraden Gen.-Lt. a. D. Goeritz erstattete Kamerad Burtscheidt Bericht über die bisherige Tätigkeit des Elcharchivs. Anschließend wurde von allen Anwesenden einstimmig beschlossen:

 

1. Gründung des „Traditionsverbandes der ehem. 291. Inf.-Div.", Vorsitzender: Kamerad Oberst a. D. Dr. Vogelsand, Herrmannsburg, Kr. Celle, Schriftführer, zugleich Herausgabe der „Elchspur": Kamerad Erich Gliesche, Leutenbach 81, Kr. Forchheim, Oberfranken, Kassierer: Kamerad Ludwig Fröhlich, Nürnberg, Baaderstraße 19, Suchdienst: Kamerad Edmund Burtscheidt, Kiel-Wik, Holtenauerstr. 351.

 

2. Abhaltung eines allgemeinen Treffens etwa alle 2 Jahre in Göttingen. In den Zwischenjahren regionale Treffen. Als Vertreter für die Regionen stellten sich zur Verfügung: Schleswig-Holstein u. Niedersachsen: Kamerad Horst Papin, Arensböck, Kr. Eutin. Rheinland-Nord und Westfalen: Kamerad Karl Koch, Warburg Westfalen. Rheinland-Süd und Pfalz: Kamerad Erich Weyel, Merzweiler über Offenbach-Glan. Baden-Württemberg und Bayern: Kamerad Werner Goeritz, Bad Tölz, Ludwigstraße 35.

 

3.Abonnement für „Elchspur" zugleich Beitrag, für Traditionsverband monatlich DM 0,50 Einhebung voraussichtlich ab 01.01.1954 durch die Post. Näheres durch die „Elchspur"

 

4.Herausgabe der „Elchspur" alle Monate. Alle ehem. Angehörigen der Div. werden um Beiträge ersucht: Erlebnisberichte, neue Anschriften von ehem. Div.-Angehörigen, Berichtigung von Anschriften pp. Einsendung an den Schriftführer.

 

Näherer Bericht über das Treffen in der „Elchspur", die auch neues Anschriftenverzeichnis herausgibt.

 

Zweites Treffen der 24. Panzer-Division

Bekanntlich wurde während des Krieges aus der 1. Kav.-Division die 24. Panzer-Division. Sie hat auch an allen Schwerpunkten der Ostfront gestanden und gehörte mit zu den Einheiten, welche bis zuletzt unsere ostpreußische Heimat verteidigten. Aus alter Tradition wählten sich die alten Reiter die alte Herzogstadt Celle zu ihrer Wahlheimat, wo von jeher reiterlicher und ritterlicher Geist gepflegt wird. Das 2. Treffen alter Kameraden fand am 3. und 4. Oktober statt, an dem Stadtverwaltung, Behörden und die Bevölkerung selbst lebhaften Anteil nahmen. Man hatte alles getan, um dieser Veranstaltung zum vollen Erfolge zu verhelfen. Besonderen Anteil nahmen die hier wohnenden ostpreußischen Landsleute, zusammengefasst in der Landsmannschaft Ostpreußen; der Leiter der Landsmannschaft, Assessor Novak, hatte in seiner Eigenschaft als stellv. Oberbürgermeister die Aufgabe, als Vertreter der Stadt dieses Treffen gastgebend zu unterstützen.

 

Am Grabe des Feldmarschalls v. Mackensen wurde durch eine Abordnung ein Kranz niedergelegt. Bei der Veranstaltung wirkte der Musikzug unter Leitung von Stabsmusikmeister a. D. Schmidt und der Spielmannszug Petersen mit. Nach einer Feierstunde am Ehrenmal vor dem Schloss fand der große Zapfenstreich statt, welcher der Veranstaltung einen würdigen Abschluss gab. Durch den Suchdienst wurde im Rahmen dieser Veranstaltung manches Vermisstenschicksal aufgeklärt, über welches bisher Ungewissheit herrschte.

 

Seite 7   Wir gratulieren

Frau Hedwig Heinrich aus Braunsberg wird am 16.1.1953, 75 Jahre alt. Sie wohnt jetzt (16) Stierstadt im Taunus, Pfaffenweg 6.

 

Das Fest der goldenen Hochzeit feiern am 24.11.1953, Landwirt Aloysius und Frau Hedwig Heinrich, geb. Jendricke, aus Braunsberg, jetzt in Stierstadt im Taunus, Pfaffenweg 6, wohnhaft.

 

Ihren 75. Geburtstag feiert am 8. November 1953 Frau Meta Schackwitz, geb. Wagner. Frau Schackwitz, die heute in Heislingen/St., Uracherstraße 3, wohnt, lebte lange Jahre in Elbing und zuletzt in Königsberg.

 

Ihren 80. Geburtstag feiert am 25. November 1953, Lehrerwitwe Alwine Eggert aus Königsberg, Herbartstraße. Frau Eggert wohnt jetzt mit ihrer Tochter, Frau Lotte Rogge, in Weende bei Göttingen zusammen. Wir wünschen der Jubilarin zu ihrem Ehrentage, alles Gute und Beste Gesundheit für die Zukunft.

 

Seinen 75. Geburtstag beging am 19. Oktober 1953, Bezirksschornsteinfegermeister i, R. Franz Graf. Herr Graf ist Bezirksschornsteinfegermeister in Frauenburg, Seeburg, und bis zur Flucht im Februar 1945 in Königsberg gewesen. Dreieinhalb Jahre musste er im Internierungslager in Dänemark zubringen. Wir wünschen dem Jubilar nachträglich noch alles Gute. Der Jubilar wohnt jetzt in Lippoldsberg a. d. Weser, Neuendorfer Straße 189.

 

Ihren 60. Geburtstag feiert am 07.11.1953  Frau Ella Bellgardt, geb. Lettau, aus Braunsberg, Holzstraße 15, jetzt in Ohrum, Post Hedwigsburg, wohnhaft.

 

Zum 70. Geburtstag am 08.11.1953, Herrn Wilhelm Engling aus Königsberg P., Beydritter Weg 23, jetzt in Langballig, Kreis Flensburg.

 

Zum 75. Geburtstag am 13. November  1953,dem früheren Gutsbesitzer und Kaufmann Karl Schoenwald aus Tilsit, Schlageterstr. 33, jetzt in Neuenkirchen bei Rheine in Westfalen, Hauptstraße 55.

 

Frau Elina Schischke, geb. Schelonka, Ehefrau des Lokführers a. D. Eduard Sch. aus Braunsberg, Ostpr., jetzt wohnhaft in Seesen a. H., Bornhäuserstr. 4, wird am 26. November 1953, 76 Jahre alt.

 

Seinen 75. Geburtstag feierte am 25. Oktober 1953 der Oberschullehrer (Lycealoberlehrer i. R.) Gotthold Ritter in Detmold, Bülowstraße 26, früher Gumbinnen, Goldaper Str. 4. Er war in jungen Jahren lange für das Deutschtum im Auslande tätig, wurde in Anerkennung dessen und Absolvierung weiterer Studien in Biologie, Erdkunde und Geschichte in den höheren Schuldienst der Reichshauptstadt berufen, wo er fast 40 Jahre hindurch mit großem Erfolg wirkte, zuletzt am weltbekannten Staatl. Arndtgymnasium in Berlin-Dahlem. Sein erzieherischer Einfluss erstreckte sich außerdem privat im bis in die höchsten Kreise Berlins. Nach totaler Ausbombung von Heim und Schule im November 1943 verbrachte er sein letztes Amtsjahr in seiner Heimat Ostpreußen an der Staatl. Oberschule für Mädchen in Gumbinnen. Kurz vor dem Zusammenbruch konnte noch seine ordnungsmäßige Pensionierung erfolgen. Nach der Vertreibung fand er in Detmold eine willkommene Heimstätte, hier sein Ruhealter zu verbringen. Seine ganze Liebe und Sorge gilt seinen Leidensgefährten aus dem Osten. Die Ostpreußische Landsmannschaft Detmold hat ihn schon Weihnachten 1951 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.

 

 

Seite 7   Erben gesucht!

In der Nachlasssache des im Jahre 1929 verstorbenen Franz Freund in Leavenworth/ Washington werden folgende Erben gesucht: Schmiedemeister Friedrich Freundt, letzter Wohnort Angerburg / Ostpr., Schmiediemeister Franz Freundt aus Angerburg, Freiheitsstr. 3 und Robert Schutter aus Loecknick, Kreis Gerdauen. Die Anschriften der Genannten sind nicht bekannt. Sollten diese inzwischen verstorben sein, so werden deren Erben um Angabe ihrer Anschrift gebeten.

 

Seite 7   An alle Allensteiner!

Es ist nicht gelungen, rechtzeitig eine Patenstadt für den Stadt- und Landkreis Allenstein zu finden, um in der Patenstadt die 600-Jahrfeier Allensteins würdig zu begehen. Hätte es da nicht am nächsten gelegen, die 600-Jahrfeier In Berlin stattfinden zu lassen, zumal sich die Landsmannschaft Ostpreußen bereit erklärt hatte, die 600-Jahrfeier am 8. November 1953 in der Ostpreußen-Halle groß und würdig zu gestalten?

 

Es wäre für viele Landsleute die Gelegenheit gewesen, die interessanteste Stadt der Welt kennenzulernen, und Verwandte, Freunde und Bekannte auch aus der Sowjetzone nach Jahren der Trennung wiederzusehen. Die Reisekosten sind aus der Bundesrepublik nach Berlin dieselben wie von Berlin nach den Städten der Bundesrepublik. Oder ist man drüben so ängstlich und uninteressiert, eine solche Feier nach Berlin zu verlagern?

 

Also, Landsleute aus Stadt und Landkreis Allenstein, macht Euch auf, schließt Euch zu Gemeinschaftsfahrten zusammen und feiert mit uns In Berlin am 8. November 1953, das 600-jährige Bestehen der Stadt Allenstein und den 60. Geburtstag seiner Luisenschule. Programm siehe Ostpreußen-Warte vom Oktober 1953.

Karl Brösicke, Oberstudiendirektor i. R.

 

 

Seite 7   Aus den Landsmannschaften

Wolfenbüttel

Das erste Kreistreffen der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, Kreis Wolfenbüttel gestaltete sich am 20. September 1953 zu einer machtvollen Kundgebung für unseren Heimatgedanken. Das Treffen begann am Vormittag mit dem Tonfilm: „Jenseits der Weichsel" in der Schaubug. Der erste Vorsitzende der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Wolfenbüttel, Landsmann Werner Oehmke, konnte hierzu fast 400 Landsleute aus Stadt und Kreis Wolfenbüttel begrüßen. Am Nachmittag wurde das Kreistreffen in Antoinettenruh fortgesetzt. Fast 900 Landsleute waren erschienen und füllten den großen Saal bis auf den letzten Platz. Kreisobmann Dr. Ackermann hielt die Begrüßungsansprache und konnte u.a. Vertreter des Landeskirchenamtes Braunschweig, der Kreis- und Stadtverwaltung Wolfenbüttel sowie Vertreter der Landsmannschaften aus den Nachbarkreisen herzlich begrüßen. Alle Ehrengäste bekundeten in ihren Ansprachen ihre Anteilnahme und Solidarität mit dem rechtlichen Anspruch der Vertriebenen auf ihre Heimat. Nach den Ansprachen nahm die Feierstunde einen erhebenden und wirkungsvollen Verlauf. Umrahmt von Rezitationen des Oberspielleiters Gieseler und Liedvorträgen unseres Heimatchors unter Leitung unseres Landsmanns Kurt Klaar sprach dann in Vertretung des Landesvorsitzenden Gossing, Landsmann Malade aus Springe. Ausgehend von unserer landsmannschaftlichen Arbeit im Allgemeinen betonte er sehr eindrucksvoll und oft von starkem Beifall unterbrochen, unsere gegenwärtigen Aufgaben: Zusammenarbeit mit den anderen Landsmannschaften an der Pflege, Weckung und Aufrechterhaltung des Heimatgedankens und Gewinnung der Einheimischen für unsere Ziele als einer gesamtdeutschen Aufgabe. „Ein jeder Vertriebene sei sich dieser hohen Verpflichtung an der Heimat auch im grauen Alltag bewusst und beweise diese Haltung auf seinem Arbeitsplatz", rief er den Anwesenden als Mahnung und Aufgabe zu.

 

Eine bunte Unterhaltung mit Rezitationen, Chorliedern, Volkstänzen usw., woran die Braunschweiger Gruppe der ostpreußischen Jugend besonders beteiligt war, leitete zum Tanz über, der die Anwesenden bis über die Mitternachtsstunde hinaus vereinte. Die Buch- und Bilderausstellung aus unserer Heimat fand große Beachtung, und viele Landsleute erlebten mit manchem der ausgestellten Bilder und Bücher ein freudiges Wiedersehen. Das Kreistreffen hat alle Erwartungen weit übertroffen."

 

Das nächste Fleckessen der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen Wolfenbüttel findet am 7. November 1953, um 20 Uhr (wegen Umbaus des Ratskellers) diesmal in der Schloßhöhe, Schloßplatz, statt. Es wird umrahmt durch bunte Unterhaltung.

 

Unsere nächste Monatsversammlung findet am Donnerstag, den 12. November 1953, 20 Uhr in der Aula der Schule Wallstraße, Eingang Wallstraße, statt. Als Gast haben wir hierzu unseren Heimatdichter Hans-Georg Buchholz, der uns Ernstes und Heiteres aus seinen Werken vortragen wird.

 

Verein heimattreuer Ost- und Westpreußen zu Hannover

Am Sonnabend, den 14. November 1953, findet unser drittes Stiftungsfest statt. Es wird außerhalb Hannovers in einer angenehmen Gaststätte begangen. Vorträge verschiedenster Art, Preiskegeln für Damen und Herren und eine große Tombola werden zur Verschönerung des Festes beitragen. Gemeinsame Abfahrt mit Autobussen um 19 Uhr vom Raschplatz. Rückkehr in alle Stadtteile. Die Teilnehmerkarten für Mitglieder und Gäste werden bei Landsmann Wilhelm Hellwig, Hannover, Bödekerstraße 96, und Landsmann Herbert Jungk, Hannover, Goethestraße 12, vorrätig gehalten. An den Bussen findet kein Kartenverkauf statt.

 

Vorschau: Wir beabsichtigen am 31. Dezember 1953 gemeinsam Silvester zu feiern. Die Silvesterfeier ist als geschlossene Gesellschaft zum Selbstkostenpreis gedacht und wird etwa 3 DM pro Teilnehmer für Autobusfahrt, Musik usw. erfordern. Um einen Überblick über die eventuelle Teilnehmerzahl, die auf höchstens 75 Personen beschränkt werden muss, zu erhalten, bitten wir um sofortige unverbindliche Voranmeldung (schriftlich) an Landsmann Horst Frädrich, Hannover, Herrenhäuser Str. 126.

 

Pforzheim

Der gut besuchte monatliche Heimatabend der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Danziger und Pommern wurde durch den Vorsitzenden Herrn Arnold Stecher eröffnet. Anschließend folgte ein Lichtbilder-Vortrag „Eine Fahrt entlang der Samlandküste über die Kurische Nehrung bis hinauf nach Memel" Die erklärenden Worte hierzu sprach Herr Lange. In der weiteren Folge wurden dann noch einige organisatorische Fragen besprochen, die zum Gegenstand die 1. ordentliche Generalversammlung hatten. Zum Abschluss gab es ein gemütliches Beisammensein, bei dem von Alt und Jung das Tanzbein kräftig geschwungen wurde.

 

Lübbeck/Westf.

Die Monatsversammlung der ostpreußischen Landsmannschaft stand unter dem Wort: „Erntedankfeier in der Heimat". An den mit Herbstlaub und Früchten des Feldes und des Gartens geschmückten Tischen nahmen die Gäste und Mitglieder Platz. Bald rollte ein reichhaltiges Programm ab. Im ersten, dem ernsten Teil, sprach der Obmann Hardt in eindringlichen Worten über die Bedeutung der Ernte auf den Feldern und über die Ernte des Ostens als Kapitäne ohne Schiffe, und gab Zahlenmaterial über die wirtschaftliche Bedeutung der ostpreußischen Landwirtschaft. Dann ging er auf die heimatlichen Gebräuche ein. Lieder und Dichtungen umkränzten die Festrede. Im zweiten Teile sprach Landsmann und Landwirt Staschick über Ernte, Heimat und Schicksal. Daran schlossen sich humoristische Darbietungen. An der Gestaltung des Abends hatten Teil Frau Pieper, Frau Wiemer, Frau Holzlehner, Frl. Stahl, Frl. Wiemer, Frl. Goerke, Frl. Moritz, Frl. Lojewski und die Herren Kizio, Kerwath und Pieper.

 

Seesen a./Harz

Altpreußische Volksbräuche zur Erntezeit wurden bei dem Heimatabend der Ost- und Westpreußen am 3. Oktober 1953 in den übervoll besetzten Festräumen des Ratskellers unter Leitung der Kulturreferentin Frau Donnermann von stilvoll gekleideten Gruppen dargestellt. Pausenlos wechselten bunte Reigen der Kinder und Volkstänze der Jugend mit lustigen Ernteliedern und Arbeitssprüchen der Erwachsenen. Den Höhepunkt erreichte die Festesfreude bei dem Empfang des herbstlichfarbenfrohen Erntezuges mit den sinnvoll geschmückten Arbeitsgeräten und der Erntekrone durch den dankbaren Bauern und die glückstrahlende Bäuerin. Jung und Alt jubelten froh, denn „es war wieder wie zu Hause". Bei der abschließenden Erntefeier wetteiferten dann die Heimatfreunde Pasenau, Stauffenburg, Blaesner und Sander-Münchehof durch dezente humoristische und heimatliche Vorträge mit den bewährten Seesener Stimmungskanonen Herbert Lehmann, Bruno Scharmach und Lina Fahlke. — Den Kulturabend am 7. November 1953 wird Landsmann Hilfsschullehrer Fenske mit Filmen von Landschaft, Reichtum und Schönheit der altpreußischen Heimat zwischen Weichsel und Memel gestalten.

 

Bad Gantlersheim.

Die Kulturstunde des Heimatabends der Ost- und Westpreußen am Freitag, den 6. November 1953, wird der Kreisobmann Schulrat a. D. Papendick-Seesen unter dem Motto „Merkwürdige ostpreußische Ortsnamen und sprachliche Kuriositäten durchführen. Für den unterhaltenden Teil bringt der Seesener Veranstaltungskreis der Landsmannschaft unter Leitung der Kulturreferentin Frau Donnermann ein abwechslungsreiches Programm.

 

Seite 7   Flensburger Ostpreußenfamilie

Die nachstehend aufgeführten Landsleute und Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg können im Monat November 1953 ihren Geburtstag feiern.

 

Am 07.11.1953:  Frau Marie Rehahn, Munketoft 27, früher Rastenburg, 73 Jahre;

 

am 12.11.1953:  Herr August Gerhardt, Weichselstieg 8, 86 Jahre;

 

am 12.11.1953:  Frau Olga Hintz, Ochsenweg 100, früher Modgarben, Kreis Rastenhurg, 78 Jahre;

 

am 13.11.1953:  Frau Lina Braehmer, Heinz-Krey-Lager, früher Altkirchen, Kreis Ortelsbung, 72 Jahre;

 

am 21.11.1953:  Frau Helene Labjohn, Karlstraße 6, früher Schippenbeil, Kreis Bartenstein, 72 Jahre;

 

am 25.11.1953:  Frau Bertha Massalsky, Neustadt 56, früher Tilsit, Merwisch-Park 6, 79 Jahre;

 

am 28.111953:  Herr August Broßinski, Burgstraße 27, früher Elbing, Spieringstraße 7, 73 Jahre.

 

Ebenfalls im Monat November 1953 feiern folgende Vorstandsmitglieder Ihren Geburtstag und zwar:

 

Am 24.11.1953: Hermann Armoneit, An der Reitbahn 12, früh. Königsberg, Haberberger Neue Gasse 36/37, 60 Jahre;

 

am 29.11.1953: Herr Martin Hiller, Eckenerstraße 7, früher Insterburg, 48 Jahre.

 

Die große Ostpreußenfamilie in Flensburg und ganz besonders der Vorstand gedenkt aller Geburtstagskinder und gratuliert auf das allerherzlichste

 

 

Seite 7   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg-Altona, Allee 125 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihrer Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären!

 

Schillgallen, Kr. Tilsit-Ragnit. Hasenheide 52, oder aus Tilsit, Hasenheide 45: Gutzeit Herold, geb. 1936/1937, und Gutzeit Ingrid, geb. im Oktober 1939/1940, von ihrer Tante Weienberg Lydia, geborene Gutzeit, geb. 30.01.1922.

 

Schwerfelde, Kr. Insterburg, Triaken: Eschment, Herbert, geb. 16.10.1937 in Insterburg, von seinem Vater: Eschment, Willy. Herbert Eschment befand sich im Juli 1947 im Kinderheim in Riga.

 

Transsau: Hildebrandt, Christa, geb. 19.08.1937, von ihrem Vater: Hildebrandt,Wilhelm, geb. 03.07.1902. Christa wurde 1947 in das Waisenhaus in Pobethen eingewiesen und wurde noch im selben Jahr nach Seltz, Kr. Demmin, verlegt und angeblich Pflegeeltern übergeben.

 

Trugehnen, Kr. Samland: Ulmer, Dora-Ruth, geb. 18.06.1935, von Miggo Margarethe, geborene Ulmer, geb. 04.09.1919. Dora-Ruth Ulmer befand sich Anfang 1946 in einem Lager in Schlossberg.

 

Wolfshöhl, Kr. Schröttersburg: Schmelzer, Erika, geb. 10. 05.1936, und Schmelzer, Otto, geb. 01.09. 1939, von Schmelzer, Albert, geb. 07.02. 1926

 

Albrechtsdorf, Kr. Preußisch-Eylau: Weck, Otto, geb. 27.12.1934. und Weck, Elisabeth, geb. 26.12.1938, von ihrer Schwester: Fuhrmann, Irmgard, geb. Weck, geb. 07.02.1925.

 

Bergau, Seepothen, Kr. Samland: Boy, Renate, geb. 16.09.1938, von Boy, Frieda, geborene Hirsch, geb. 26.11.1904

 

Berfelde, Kr. Johannisburg: Lendzian, Edith, geb. 23.10.1936, von ihrem Vater: Lendzian Gustav, geb. 04.04.1899

 

Bialutten, Kreis Neidenburg: Dominik, Edith, geb. 27.06.1937 in Narreiten, von ihrem Vater: Dominik, Erich, geb. 16.08.1904

Birklacken, Kr. Insterburg: die Geschwister Sperling Heinz, geb. 07.02.1936; Günter, geb. 10.03.1939, und Gerda, geb. 03.11.1942. von ihrem Vater: Sperling Hans, geb. 24.06.1906.

 

Birkenberg, Kreis Johannisburg: die Geschwister Schwittay, Helma, geb. 01.11.1936, Renate, geb. 25.06.1939, und Alwin geb. 29.09.1940, von Schwittay, Franz, geb. 09.01.1911

 

Birkenfeld. Kr. Gerdauen: Hildegard Pulver, geb. 05.03.1935 in Mulk, von Walter Pulver, geb. 17.05.1923

 

Bobern, Kreis Lyck, Edith Meißner, geb. 11.06.1937, von Willy Meißner, geb. 27.01.1911. Edith Meißner ist 1945 nach Mehrungen evakuiert und soll von dort nach Pommern gekommen sein.

 

Brasnicken, Kreis Samland: Hildegard Wokök, geb. 10.07.1936 in Pluttwinnen, von Adolf Wokök, geb. 19.12.1910

 

Brandenburg, Kr. Heiligenbeil, Schützenstr. 5: Heinz Kohn, geb. 08.11.1936, von seiner Mutter Elfriede Kohn, geborene Ewert, geb. 10.04.1916

 

Braunsberg, Bahnhofstr. 45 a: Helga Kowalewski, geb. 04.12.1936, und Frank Kowalewski, geb. 08.12.1940, von ihrem Vater Max Kowalewski, geb. 02.01.1902. Die Kinder befanden sich im Sommer 1948 in Königsberg (Ostpreußen).

 

Buden, Kr. Schloßberg: Irmgard Samel, geb. 20.05.1938, von Fritz Samel, geb. 06.03.1894

 

Buden, Kreis Schloßberg, Nr. 5: Elfriede Schustereit, geb. 12.05.1936, von ihrem Vater: Albert Schustereit, geb. 13.07.1909

 

Königsberg, Heilsberger Straße: Siegfried Kahle, geb. 06.10.1936, von seinem Vater Albert Kahle, geb. 25.09.1906. Siegfried Kahle soll 1949 in Ischlau (Litauen) gesehen worden sein.

 

Königsberg, ehem. Hermann-Göring-Straße 71: Günther Rubscheit, geb. 30.03.1938. und Georg Rubscheit, geb. 09.11.1942, von Kurt Rubscheit, geb. 16.11.1910.

 

Königsberg, ehem. Hermann-Göring-Straße 146: Frank Seddig, geb. 29.04.1938/1940, von seinem Vater Kurt Seddig, geb. 16.06.1902. Frank Seddig soll im Februar 1945 noch in Lichtenstein bei Königsberg (Ostpreußen) gesehen worden sein.

 

Königsberg, Hoffmanstraße 10: Klaus Lenz, geb. im März 1937 von Hans Lenz, geb. 20.09.1902

 

Königsberg, Insterburger Straße 15: Monika Alex, geb. 12.04.1935, von ihrem Vater Emil Alex, geb. 05.10.1904.

 

Königsberg, Jägerstr. 43: Edith Danzer, geb. 04.08.1937, von ihren Eltern Paul Danzer, geb. 15.04.1899 und Frieda Danzer, geb. 14.01.1902.

 

Köslienen, Kr. Allenstein: Waltraud Marx, geb. 01.04.1938, von Bernhard Marx, geb. 14.05.1907.

 

Köslienen, Kr. Alenstein: Heinrich Schlegel, geb. 25.04.1935, und Benno Schlegel, geb. 10.04.1940, von ihrem Vater Anton Schlegel, geb. 01.09.1891.

 

Koggen, Kr. Samland: Rosemarie Maler, geb. 13. Februar 1940 und Gertrud Maler, geboren 27.01.1943, von ihrer Tante Marie Schulz, geborene Berntin, geb. 27.01.1895. Die Kinder wurden im September 1945 im Sammellager bei Insterburg gesehen.

 

Pogegen, Kr. Tilsit: Alfred Bolz, geb. 11.01.1935. von Wilhelm Bolz, geb. 10.11.1898.

 

Schwengels, Kr. Heiligenbeil: Erwin Altenberg, geb. etwa 1935, von seiner Mutter Altenberg Anneliese.

 

Schwerfelde, Kr. Insterburg, Volksschule: Walter Strasser, geb. 07.01.1933 in Insterburg, und Erwin Strasser, geb. 22.03.1934 in Daubaren, von ihrer Mutter Emma Warlies, geschiedene Strasser, geborene Tillwick.

 

Zargen, Kr. Wehlau: Margarete Schedler, geb. 15.06.1933 in Stosen, von ihrem Vater Paul Schedler, geb. 03.10.1909.

 

Altkrug, Kr. Gubinnen: Ursula Hetz, geb. 23.03. (Jahr unbekannt), und Marianne Hetz, geb. 02.08.1935, von ihrer Tante Eva Schaumann, geborene Schneider, geb. 16.01.1902.

 

Bollgehnen, Kr. Samland: Erich Poskowsky, geb. 03.02.1935 in Korben, von Ernst Poskowsky, geb. 15.05.1928.

 

Borchertsdorf, Kr. Preußisch-Holland: Helga Podlech, geb. 18.07.1939, und Christel Podlech, geb. 26.12.1944, von Friedrich Podlech, geb. 16.08.1897.

 

Glottau, Kr. Heilsberg: Werner Pohl, geb. 16.11.1934, von Hedwig Bortenlänger, geborene Pohl, geb. 08.04.1921.

 

Guttstadt. Kr. Heilsberg. Kirchenstr. 18: Agnes Koch, geb. 13.02.1935, von ihrem Vater Otto Koch, geb. 09.12.1910. Agnes war in einem polnischen Kinderheim in Guttstadt.

 

Klein - Blankenfelde, Kr. Gerdauen: Antje Mattern, geb. 14.10.1943, von ihrer Mutter Elli Adler, verwitwete Mattern. geb. 29.09.1923. Antje Mattern wurde im Mai oder Juni 1945 durch Maria Leppack, Frau Eisenberg und Anna Tellbach in das Waisenhaus Rastenburg, Sembeckstr. 11/13, früher Provinzial - Erziehungsheim, eingeliefert. Wer hat vom Pflegepersonal des Waisenhauses Rastenburg Antje Mattern betreut?

 

Königsberg, Heinrichstr. 16: Helga Rodewald, geb. 16.05.1929. (Gesucht von: keine Angaben)

 

Waldesruh, Kr. Sensburg: Brigitte Krämer oder Krüger, geb. 21.03.1933 in Dommelhof, von Herta Bergmann, geborene Krüger, geb. 22.12.1913. Im Januar 1945 befand sich Brigitte in Dulzen, Kreis Bartenstein.

 

Waldhof bei Großlindenau, Kr Samland: die Geschwister Herbert Arndt, geb. 26.09.1934, Ursula Arndt, geb. im Dezember 1936, Hertha Arndt, geb. 24.12.1938, Erwin Arndt und Heinrich Arndt, geb. im Juli 1940, und Harry Arndt, geb. im August 1942, von Emma Arndt, geb. 03.09.1924.

 

Wappendorf, Kreis Ortelsburg: Bruno Keplinger, geb. 04.06.1934, von Erich Repschläger, geb. 24.02.1915.

 

Warnau, Kr. Labiau: Kurt Chorangiewski, geb. 21.11.1934 in Hartwigswalde, Kr. Neidenburg, von Maria Chorangiewski, geborene Monka, geb. 24.08.1893.

 

Weißenbruch, Kr. Labiau, bei Frau Okat: Ingrid Roesnick, geb. 05.08.1933, von ihrem Großvater Oskar Dorsch, geb. 13.01.1893.

 

Wellheim, Post Stradauen, Kr. Lyck: Horst Bischhoff, geb. 14.12.1933, und HerbertBischhoff, geb. im November 1935, von Wilhelmine Depner, geb. Bischhoff, geb. 19.09.1898.

 

Wilkenau über Schulen, Post Eichenhorst, Kr. Tilsit-Ragnit: Loni Kohse, geb. 18.10.1934, und Erika Kohse, geb. 07.10.1939, von Fritz Hasenbein, geb. 28.08.1921. Die Kinder befanden sich Mitte Januar 1945 in Heinrikau, Kr. Braunsberg.

 

Wolsdorf, Kr. Heilsberg: die Geschwister Koll oder Knoll, Hildegard, geb. 10.08.1933, und Ursula Koll oder Knoll, geb. 10.11.1937, von ihrem Vater Anton Knoll oder Koll, geb. 09.11.1905.

 

Gesucht werden die Angehörigen des Kindes Christa Sablotta, das angeblich am 04.12.1943 in Ostpreußen geboren sein soll. Christa kam mit der Großmutter bis Trantow (Pommern), wo dieselbe verstarb. Nach Äußerungen des Kindes soll die Mutter schon vor der Flucht gestorben sein. Christa, die blaue Augen und hellblondes Haar hat, hat die Kenn-Nr. 0212.

 

Berkein (Ostpreußen), Kreis Elchniederung: die Angehörigen des Kindes Herta Szon, geb. 12.08.1941 in Berkein. Die Mutter des Kindes Martha Szon, geb. 1907, soll 1947 in Ostpreußen verstorben sein. Herta Szon hat graublaue Augen und dunkelblondes Haar. Sie hat die Kenn-Nr. 0262.

 

Rosenthal, Kreis Angerburg (Ostpreußen): die Eltern und Angehörige von den KindernTucha, Tuchat oder ähnlich, Gerhard und Erika. Gerhard soll etwa 1943 und Erika etwa 1942 geboren sein. Die Mutter der Kinder soll angeblich zuletzt in der Gau-Frauenklinik in Danzig gelegen haben. Die Kinder Tucha oder Tuchat haben die Kenn-Nr. 2663.

 

Tapiau (Ostpreußen): EIli Wunderlich, geb. etwa 1920, von ihrer Tochter Hannelore Wunderlich, geb. 26.06.1943 in Schirrau. Kreis Wehlau. Elli Wunderlich war 1944 in Tapiau als Hausgehilfin beschäftigt.

 

 

Seite 8   „Eine Schule kann schon mal wandern“ Ein bunter Dorfchronikbilderbogen von Moschnitz, einem Dorfe im Amte Gildenburg, Südostpreußen, nach Akten der Familie Rogalla-Lindenau erzählt von Willy Gehrmann

Foto: Neidenburg, Blick vom Tatarensein

Federzeichnung von E. Weidenbaum: Die Schule von Moschnitz

 

Wo und wie sich dies alles zugetragen hat, unter welchen Umständen und was dem Schreiber beim Studieren der alten Quellen und Karten damals in der Heimat noch aufgestoßen ist und was ihn heute über sein eigentliches Vorhaben hinaus ganz in den Bann gezogen hat, das alles will sich zum Bilde runden, zum Bilde einer einstweilen verlorenen und in Wehmut gedachten Heimat.

 

Es sei gestattet, etwas weiter auszuholen, um den Hintergrund für die Ereignisse zu gewinnen, die sein eigentliches Vorhaben war. Im Rahmen eines bunten Dorfchronikbilderbogens soll es geschehen.

 

Da gehörten in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zu dem Besitze der Familie Rogalla die Dörfer Ganshorn, Gardienen, Lindenau als ihr Wohnsitz und Moschnitz. Zu wieviel dreißigtausend Thalern der Großvater des letzten Rogalla diesen Besitz von den Grafen von Finkenstein von Gilgenburg erworben, ist dem Schreiber nicht mehr genau erinnerlich. Gardienen war noch im Neidenburger Kreise, Ganshorn, Lindenau und Maschwitz schon im Kreise Osterode, also im westlichen Masuren gelegen. Die in den Dörfern ansässigen Bauern, erbuntertänig und sozusagen mitverkauft, hatten neben der Bestellung ihres Landes auch den Rogallaschen Acker von der Saat bis zur Ernte und die Beförderung des Getreides nach Elbing zu besorgen. Das überschüssige Getreide ging während des Winters, im Januar und Februar, wenn die Wege zuverlässig und hart waren, auf langen Schlittenzügen über Gilgenburg und Osterode in vielen Tagereisen bis Elbing. Die Bestellung der herrschaftlichen Äcker geschah in der Regel an vier Tagen in der Woche. Es kam aber auch vor, dass die ganze Woche und oft auch noch der Sonntag in der Form hingingen, besonders in der Erntezeit. Ob und wieweit gerechtfertigt und durch die damalige Wirtschaftsweise bedingt, vermögen wir Heutigen nicht mehr zu sagen, denn wir sind gar zu schnell, nach unsern Maßstäben zu urteilen und zu verurteilen, geneigt.

 

Die Zeit der Drei-Felder-Wirtschaft mit Winterung, Sommerung und Brache war noch nicht um. Die Brache war auf einer alten, altersmäßig nicht mehr bestimmbaren Flurkarte und einer neueren vom Jahre 1852 als „Hutung" bezeichnet. Der Großvater des letzten Rogalla schnitt seinen Leuten voran das Korn mit der Sichel. Nach der Ernte erschien dann der Dorfhirte mit dem Vieh auf den leeren Feldern. So lange hatte er auf die Hutung ausgetrieben. Jedes Dorf hatte seinen Dorfhirten. Dieser hatte seine Wohnung im Hirtenhaus. Das alte hölzerne und mit Stroh gedeckte Hirtenhaus in Moschnitz aus jener Zeit stand bis in die jüngste Zeit und war bewohnt, selbst der Hirtenspruch, wie er beim Austreiben des Viehs im Sprechgesang hergesagt wurde, war den Alten dem Text nach bekannt, seine Melodie vergessen. Er soll sich dem Singsang der zünftigen Lumpensammler nicht unähnlich angehört haben:

 

Treibt raus, gebt Brot und Butter

und Wurst und ein paar Eier!

Derselbe Text auf masurisch lautete:

Vigannai, klebba dai i pomaski

i kelbaski i pare jai!

 

Dem Schreiber, selbst des Masurischen nicht mächtig, hat sich der Text nur durch den Endreim der Verse so gut eingeprägt. Der Sprachfachmann aber möge ihm diese sonderbare masurische Rechtschreibung nachsehen.

 

Dem Sprechgesang ging von Zeit zu Zeit ein Hornsignal voraus. Darauf öffneten die Bauern ihre Ställe, und das Vieh schloss sich der Herde an.

 

Was die alten Karten noch verrieten? — Da gab es in der Gemarkung hier und da Flachweichen. Das waren kleine, ewige Tümpel, durch die der Flachs auf seinem langen Wege bis zur Spule und Webstuhl hindurch musste. Und manche Bauersfrau konnte bis in die jüngste Zeit Leinen vorweisen, das auch diesen Weg noch gegangen war. Schon vor dem ersten Weltkrieg waren diese Tümpel verödet. Nur durch die Not des Krieges kamen sie für kurze Zeit wieder zu Ehren.

 

Manches Wissen aus alter Zeit bestand nur noch in der Erinnerung. Von dem Hof des Bauern Cziesla erzählte man, dass mit seinem Besitz eine Schankgerechtigkeit verbunden war. Sie war erblich, aber an den Hof gebunden. Bei anderen Dörfern erwähnten die Akten neben den Schänkern noch die Krüger. Der Unterschied zwischen einer Schankgerechtigden, bei anderen Dörfern erwähnten die Akten jedoch nicht zu ersehen. Die Wirte waren bei dem Bezug ihres Branntweins an bestimmte Brennereien gebunden, und diese legten genaue Rechenschaft über den Branntweinverbrauch der einzelnen Dörfer ab. Solch eine Brennerei gab es in Lindenau. In die alte, rein aus Steinen erbaute Brennerei zog später die neue Schule ein. Nach den Rechenschaftsberichten der Brennereien wurden für heutige Begriffe ungemeine Mengen Branntwein verkonsumiert. Nach diesen Angaben muss der Branntwein den Platz des nochmals in Schwang gekommenen Kaffees eingenommen haben. Aber Brot und Kaffee gehörten noch lange nicht zur Morgenmahlzeit. Brei von Roggenmehl mit Milch oder einer Specktunke gaben damals das Frühstück ab. Zu einem guten Frühstück und Vesperbrot aber gehört ein ebenso gutes Quartierchen Schnaps. Der Verbrauch an Branntwein wurde von den Brennereien in Ohm angegeben. Man rechnete ein Ohm mit etwa 144 Litern.

 

In Gilgenburg lag das Amt, und dort tagte auch das Gericht. Nach Gilgenburg musste man, wenn man etwas ausgefressen hatte. Den Verhören und der Vereidigung gingen Gebete unter Anrufung Gottes zur Förderung und Bekräftigung einer Aussage vorauf. Daher wohl die Redensart „ins Gebet nehmen". Unterschrieben wurde mit drei Kreuzen, denn Schreiben und Lesen waren seltene Künste.

 

Die Briefe, die obengenannte Akten zum Teil ausmachten, gingen ohne Briefumschläge und Freimarken. So ein Brief bestand aus einem oder, mehreren von links und rechts nach der Mitte eingeschlagenen Bögen, die dann von oben und unten nach der Mitte zusammengesteckt und versiegelt wurden. Das Briefgewicht in Lot und das Porto in Sgr. (Silbergroschen) und Pfennigen standen im linken Viertel neben der Adresse. Auch Geldsendungen mit ihrer ganzen Umständlichkeit und Genauigkeit sind in den Akten erwähnt.

 

Die harten Thaler gingen in Beuteln oder in Rollen wohlverschlossen und -versiegelt. Es handelte sich um Zahlungen, die noch mit dem Kauf des Besitzes der Rogallas zusammenhingen. Die Portokosten waren für heutige Begriffe sehr hoch.

 

Diese Erwähnungen geben den Hintergrund und den Rahmen des nun zu Erzählenden, und die Neubegier des Lesers soll nicht länger auf die Folter gespannt werden.

 

Diese schöne alte Zeit fand nach 1852, als die Drei-Felder-Wirtschaft aufgegeben wurde, ein Ende. Die Bauern und ihr nunmehr ehemaliger Dienstherr bekamen in der Auseinandersetzung, ihrem alten Besitz an Winterung, Sommerung und Hutung entsprechend, ihr Land neu zugeteilt. Es gab da Anderthalbhufner, Einhufner und Kätner. Hierbei kamen die alten Besitzverhältnisse neu zum Vorschein. Später folgte noch eine Flurbereinigung, die manche Mängel und Schwächen und auch die durch die Teilung nach den drei Feldern hervorgerufene Zersplitterung wieder ausglich.

 

Moschnitz gehörte und blieb bei der Kirche Rauschken, aber es bekam eine eigene Schule. Und das ging so zu:

 

Die in Lindenau ansässigen Bauern gaben dort ihre Ländereien dem ehemaligen Herrn ab und erhielten dafür, weil das Moschnitzer Land minderwertiger war, das doppelte von den Rogallaschen Ländereien in Moschnitz — und die Schule von Lindenau dazu. Damit wurde Lindenau zu einem reinen Gutsbesitz und Maschnitz zu einem reinen Bauerndorf. Das alte Schulhaus in Lindenau wurde abgebrochen, nach Moschnitz gefahren und dort neu erstellt. So war Moschnitz trotz seiner geringen Entfernung von nur siebenhundert Metern nach Rauschken zu einer eigenen Schule gekommen. Der Gutsherr von Lindenau aber war eine Einrichtung los, die er wohl schon immer mit scheelen und argwöhnischen Augen betrachtet haben mag. Eine Schule war also regelrecht auf Wanderschaft gegangen. Mit der Schule begann der neue Ortsteil von Moschnitz. Die neunzig Jahre, die über der

Umsiedlung dahingegangen waren, haben es nicht vermocht, die Grenze zwischen dem alten und dem neuen Moschnitz zu verwischen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die umsiedelnden Bauern auch das Bauholz von dem ehemaligen Herrn geliefert bekommen. Der Mostnitzer Wald an der Grenze zwischen Lindenau und Moschnitz fiel allerdings an Lindenau. „Wo man Holz hackt, fallen Späne" sagt man, aber hier fiel ein ganzer Wald in die größeren Hände.

 

Wenn wir den alten Teil von Moschnitz mit 3/5 der jetzigen Größe veranschlagen, so fallen auf den neuen etwa 2/5. Das Dorf hatte also beträchtlich an Größe gewonnen. Die alten mit Stroh gedeckten Häuser waren zuletzt bis auf einige wenige aus dem Dorfbild verschwunden. Das alte Schulgebäude hatte schon kurz nach der Jahrhundertwende einem neuen, stattlicheren Bau Platz gemacht.

 

Die Frage nach dem Alter des Dorfes ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Seine Gründung und Entstehung hüllt sich in Dunkel. In den Akten und auch nach denen des Amtes Gilgenburg ist Moschnitz 1540 zum ersten Mal erwähnt und nachweisbar. Es ist aber mit großer Gewissheit auf ein weit höheres Alter des Dorfes zu schließen. Durch die häufigen Verwüstungen plündernder und brennender Tartaren und Polen sind viele wertvolle Unterlagen verlorengegangen. Nach seiner Anlage ist Moschnitz ein Angerdorf mit einem großen und mehreren kleineren Teichen darin. Sie traten zur Zeit des Hochwassers fast immer über die Ufer. Durch einen Bach, der die Teiche miteinander verband, floss das Wasser nach Rauschken hinab. Der Schreiber erlebte es in einem Frühjahr, dass er eines Mittags, als er vom Unterricht aus einem Nachbarorte, wo er während der ersten Jahre des letzten Krieges vertrat, zurückkehrte, mehrere Meter mit dem Rade durch Wasser fahren musste, um die auf einer kleinen Anhöhe gelegene Schule zu erreichen. Den ganzen Sommer über wimmelten die Teiche von Enten und Gänsen. Sie tränkten auch der Bauern Vieh. Dies sogar im Winter. Dazu mussten immer Wuhnen ins Eis geschlagen werden. Die kleineren Teiche aber trockneten während heißerer Sommer meist aus.

 

Es gab alte Familiennamen in dem Dorfe, die einen Kundigen wohl auf ihr Herkommen hinleiten konnten. Da waren Namen vertreten wie:

Schittenhelm,

Weißberg,

Hoffleit,

Gruhn,

Proboll,

sogar einer gewiss lateinischen Ursprungs wie Mrongowius neben vielen masurischen, die später zu einem großen Teil verschwanden und deutschen Platz machten.

 

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass zu jedem Hofe nicht nur ein Hausgarten, sondern auch noch ein sogenannter Garten gehörte, der auch „Preußischer Morgen" hieß. Dieser Morgen war wesentlich größer als der übliche. Er führte auf einen Feldweg. Dahinter lagen die eigentlichen Felder. Die Höfe mit den sogenannten Gärten sind von der Drei-Felder-Wirtschaft her so belassen worden. Der Bauer hatte also gleich das Nötigste am Hause. Der Siedlung lag nach den vorhandenen Angaben das „Magdeburger Recht" zu Grunde. Zur Schule gehörten mitsamt dem am Schulgehöft gelegenen „Preußischen Morgen" im ganzen dreizehn Morgen Ackers. Sie war einklassig mit etwa fünfundvierzig Kindern. An die 235 Einwohner zählte das Dorf nach dem Stande vom Jahre 1939. —

 

Und so soll denn der Bericht „Eine Schule kann schon mal wandern" hiermit beschlossen sein. Ungewöhnlich genug mag die Begebenheit den Heutigen erscheinen. — Ja, fast alle Moschnitzer, der Erzähler selbst mit einbezogen, sind auf die Wanderschaft gegangen, haben auf eine ungewöhnliche Wanderschaft gehen müssen. Das nachweislich vierhundertjährige Bestehen des Dorfes haben sie 1940 noch feiern können, in der Stille und ohne große Worte. „Für uns hieß es nur feste arbeiten", pflegte der letzte Bürgermeister von Moschnitz zum Schreiber, dem Sammler und Bearbeiter der Akten, auf die sich sein „Bilderbogen" stützt, zu sagen. Und es wurde tüchtig geschafft. Ja, Emil Deter, Du sprachst immer für alle!

 

 

Seite 8   „Jahrbuch, der Albertus »Universität 1954"

Göttingen. Soeben erschien in der Reihe der Veröffentlichungen des „Göttinger Arbeitskreises" der vierte Band (1954) des „Jahrbuchs der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr.", dessen Redaktion wiederum in den Händen von Prof. Dr. G. von Selle lag. Wie die ersten drei Jahresbände ist auch dieses umfangreiche Buch ein Zeugnis von der geistigen Gemeinschaft aller derer, die einst an der Albertina lehrten oder lernten, und zugleich ein Beweis dafür, dass diese zu den ältesten deutschen Hochschulen zählende berühmte Universität sich nach wie vor am internationalen Geistesgespräch der Gegenwart beteiligt.

 

Auch der vierte Band des Jahrbuches sammelt zahlreiche grundlegende Aufsätze über allgemeine und ostdeutsche Themen: vom völkerrechtlichen Gesichtspunkt behandelt Prof. Dr. Herbert Kraus „Massenaustreibung und Völkermord", mit den „Zwangsumsiedlungen in der Geschichte" beschäftigt sich Dr Gotthold Rhode. Friedrich Hoßbach untersucht die „Einflüsse Immanuel Kants auf das Denken preußisch-deutscher Offiziere". Außerdem erscheinen hier: Eine Darstellung von „Glaube und Brauch der seefahrenden Bevölkerung der deutschen Ostseeküste" von Christa Pieske; ein Beitrag über die „Ost- und westpreußische Musik im 18 Jahrhundert" von Prof. Dr. Joseph Müller-Blattau; Fortsetzung und Schluss der Abhandlung von Karl Wilhelm Bink über das ostpreußische Niederdeutsch; der Abdruck des Kataloges der Kammerbibliothek Herzog Albrechts von Preußen aus dem Jahre 1576, den Dr. Peter G. Thielen besorgte. Über die Göttinger historischen Arbeiten am Königsberger Staatsarchiv 1947 - 1952 berichtet Prof. Dr. W. Hubatsch, W. Frhr. v. Ungern-Sternberg erzählt von den hegerischen Maßnahmen zum Schutz des Elches und J. Müller-Blattau stattet dem Königsberger Professorenzirkel, den „Geusen", einen Dank ab. Die Reihe der gediegenen Beiträge, unter denen noch die Nachrufe von B. Haendke und B. Schmid zu nennen sind, wird vom Tätigkeitsbericht des Göttinger Arbeitskreises 1952/53 beschlossen, den J. Frhr. v. Braun erstattet.

 

Von besonderer Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit über den deutschen Osten, die Heimatgebiete der Vertriebenen und über das Vertriebenenproblem überhaupt ist die „Ostdeutsche Bibliographie" von H. Marzian, die hier für das Jahr 1952 fortgeführt wird. Zusammen mit den beiden ersten Teilen in den Bänden II und III des Jahrbuches liegt somit eine geschlossene Bibliographie für die Jahre 1945 – 1952 vor, deren Benutzung durch einen in diesem Band enthaltenen Index erleichtert wird.

 

Seite 8   Sowjetfilm über das Memelland

Berlin. Ein sowjetlitauisches Filmstudio ist beauftragt worden, einen Film über das Memelland zu drehen. Das Memelland gehört gegenwärtig nicht zum „Rayon Kaliningrad", wie der sowjetisch verwaltete Teil Ostpreußens nach seiner Annexion durch die UdSSR genannt wird, sondern zur Sowjetrepublik Litauen.

 

Seite 9   Die neue Reichsbahnbrücke über den Pregel

Aufnahme: Alfred Kühlewindt

Eine interessantes Bauwerk stellte diese Verkehrsbrücke in Königsberg in Pr. dar, am 28.08.1926 in Anwesenheit des Generaldirektor der Reichsbahngesellschaft, Dr. Dorpmüller, wurde sie eingeweiht. Die Brücke, an der viele Jahre gebaut wurde, ist gewissermaßen eine „zweigeschossige“ Brücke; der untere Teil dient dem Straßenbahn- und Fußgängerverkehr, der obere, 6 Meter über dem Straßen-Niveau liegende Teil der Eisenbahnstrecke. Die Brücke führt über den Pregel und ein Teil derselben ist als Drehbrücke eingerichtet, um dem Schiffsverkehr auf dem Pregel Durchlass zu gewähren. Ein Riesenpfeiler, zu dem zehntausend Kubikmeter Beton gebraucht wurden, liegt bis zur Tiefe von 27 Meter unter dem Wasserspiegel! In dem Drehpfeiler unter dem Wasserspiegel befindet sich die gewaltige Maschinenanlage zum Drehen der Brücke.

 

Seite 9   Die Ostpreußen im Sprichwort.

Bild: Blick auf Passenheim am Kalbensee

Mit dem reichen Schatz an Liedern, Märchen und Sagen brachten die Einwanderer aus allen deutschen Stämmen im Laufe der Jahrhunderte auch manches Sprichwort aus ihrer alten in die neue Heimat mit. So kommt es, dass viele der ostpreußischen Sprichwörter in anderen Gegenden, vor allem aber im niederdeutschen Raum, Entsprechungen haben. Manche Sprichwörter werden aber auch erst im neuen Lande entstanden sein, lassen doch eben Sprichwörter die Erfahrungen zusammen, die Menschen in vielen, vielen Jahren gesammelt haben. Ostpreußische Sprichwörter werden wegen des eigenartig breiten Dialekts allgemein als originell empfunden, sie mögen es auch hinsichtlich des Inhalts und seiner Formulierung sein. Der Vorwurf aber, dass sie sich durch saftige Derbheit und deftige Ungeschminktheit besonders auszeichnen, trifft sie nicht, denn überall in Deutschland, wo gesundes Bauernvolk und wetterharte Seeleute und Fischer an offenem, rückhaltlosem Humor ihre Freude haben, geht es nicht anders zu. Humor erwächst aus der tiefen Gemüthaftigkeit des Menschen, er ist ein Spiegel der Art und Haltung. Die Äußerungen in der kurzen, knappen Form des Sprichwortes sprechen von wesentlichen Zügen des ostpreußischen Volkscharakters und gewähren einen reichen Einblick in verspottete Untugenden, beleuchten aber auch manche schöne Eigenart. Jedenfalls ergötzen sie immer durch ihre Schlagkraft und Bildhaftigkeit. Erfreuen wir uns daher an ihrem Witz und ihrer Derbheit, wie sie nur dem Urgrund eines gesunden Volkes entspringen können, und lachen wir herzlich und fröhlich mit!

 

„Seefoahre öß nich Zockerlöcke". — „Wer gut sitzen will, mag zu Hause sitzen", — „Gewest wo gewest, to Hus öß ömmer am besten", das ist wohl die landläufige Meinung der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung gewesen, aber es war nicht schon das reine Glück, denn „Jedes Huske hat sin Kruzke" und „Jeder schrapt sin Schettelke alleen". „Kannst di drelle wie du wöllst, de Noarsch öß ömmer hinde." Zu Unrecht wird der Ostpreuße der Verschlossenheit geziehen. Gewiss, er trägt das Herz nicht auf der Zunge, er biedert sich nicht gleich an, er ist aber dafür unbedingt verlässlich und steht zu seinem Wort. So sind seine Sprichwörter Zeugnisse seines Geistes und Herzens und Beweise dafür, dass er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält.

 

Die Arbeit geht dem Ostpreußen über alles, er hat das als Flüchtling in der Fremde überzeugend bewiesen. Bedächtigkeit dabei darf beileibe nicht mit Trägheit verwechselt werden. „Kömmst nich hide, kömmst doch morge, äwermorge ganz gewiss", so rief man den Faulen und Langsamen zu. Besonnen geht er ans Werk und verfolgt sein Ziel mit einer Zähigkeit, die ihresgleichen sucht. Fehlschläge können ihn nicht erschüttern. Selbstsicherheit, ja eine gewisse Sturheit lässt ihn Schwierigkeiten meist leicht überwinden, denn er weiß, was er will. Was oft als Phlegma oder Schwerfälligkeit angesehen wird, ist nichts als unerschütterliche Ruhe. „Wo der Herr nicht auf dem Felde herumgeht, da geraten keine Erbsen." — „Wo eener nich sölwst öß, ward eenem nich de Kopp gewasche." — „Des Herrn Auge hilft mehr als seine beiden Hände." — „Wenn de Fru Moagd öß on de Buer Knecht, denn geiht et ön Hus on Holt all recht." Und auch dies bildhalte Sprichwort ist mit seinem wahren Kern richtig gesehen: „De Mann öß de Kopp, oaber de Fru öß dat Mötzke boawe drop." Man weiß auch: „Eener kann wohl alleen äte, oawer nich alleen oarbiede." — „Väl flietige Händ moake e körtet End." — „Korte Beene moake den Weg lang." Ein guter Wirt hat seine Erfahrungen: „Von veele Oarbied krepere de Perd. — „Mött Langholz mottst nich quer foahre." Für solche, die es nicht so genau nahmen, galt: „Arbeit is kein Haske, se rennt nich weg." — „Bi godem Eete un Drinke kann eener de schwoare Arbeed leicht vermisse." Alles muss eben das rechte Maß haben. Darüber gab es ein drastisches Wortspiel: „Alles mött Maß, säd de Schnieder und prögelt sine Fru mött de Ell dod." Es gab eine Reihe solcher drastischer Sprichwörter, bei denen auf ein ganz ernstes Sprichwort ein Zusatz folgte, der es spöttisch erläuterte oder gar verblüffend verdrehte. Et mott doch alles wat helpe, säd de Buer on let de Osse bi de Koh“.  — „Alle Mann ran, säd de Buer und häd man een Jung, un de was lahm." Auch der gute Vorsatz: „Schloapegoahne öß wohl gedoahne, morge wöll wi früh oppstoahne" fand seine derb-drastische Umkehr. Morgenstund hefft Gold öm Mund, oawer Blie öm Noarsch." Allgemein galt: „Wer sich nicht heute bessert, ist morgen schon schlechter."

 

„On wenn alles koppsteiht, Mann on Wiew gehöre tosamme!" Darin wusste sich der ostpreußische Mensch eins mit Martin Luther, dessen Reformation sich das Land früh anschloss und der sich ähnlich ausdrückt: „Eine Dirne, wo nicht die hohe seltsame Gnade da ist, kann eines Mannes ebenso wenig entraten wie essen, schlafen, trinken und andere natürliche Notdurft." Ebenda hin zielt des heimischen Philosophen Kant Erklärung der Ehe als eine „Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaft. Es galt als etwas Selbstverständliches, ja geradezu als eine schöne, heilige Pflicht für den Mann, eine Familie zu gründen. Der Junggeselle wurde sogar häufig von Ehrenstellen ausgeschlossen oder konnte in früheren Zeiten nicht Handwerksmeister werden. Noch im Jahre 1756 zahlten die ledigen Königsberger Mälzenbräuer ein „Buhlengeld". Heirateten sie innerhalb dreier Monate, so erhielten sie das Geld zurück, andernfalls verfiel es der Innungskasse. Es war auch im Osten nicht anders: „Wat söck sekt, dat findt söck." — „Frühe Saat und frühe Heirat gelten immer." Aber: „Erst e Bliew, dann e Wiew", denn „Wenn man heirade wöll, mott man erscht e Nest moake." Zu dem Sprichwort „Die Liebe fällt manchmal auf ein Lilienblatt und manchmal auf einen Kuhfladen" darf man in dem folgenden nicht eine nähere Erklärung sehen wollen: „Der Geschmack ist verschieden, dem einen gfällt die Tochter, dem andern die Mutter", denn es schließt versöhnlich „und manchem alle beide“. — „Wat nuscht far et Oog, dat öß ok nuscht far et Hart." Und doch: „Dat hübscht Mäke hefft e Droppke an de Näs“. Die bekannte Warnung galt auch hier: „Mädchen, tu die Augen auf, Heirat ist kein Pferdekauf". War es aber so weit, dann hieß es: „Wenn de Brüdgam kömmt, mott de Pann krische". Die Auswirkungen der jungen Liebe sah man jedoch oft so: „Bi eenem nährt de Leew, bim andre tert se“. — „Hohe Berg und junge Weiber machen krumme Knie und matte Leiber". Über die Gleichberechtigung in der Ehe dachte das Sprichwort nicht immer so niedlich von der Frau als von dem „Mötzke boawe drop". Dafür seien zwei Belege genannt: „Wenn de Mann öß wie e Lus on de Fru wie e Hus, mott se doch gehorche". — „Wenn de Mann öß wie e Mus, on de Fru öß wie e Hus, so hefft he doch die Hände bawe on kann dem Wiew dat Fell utgarwe". Aus dem weiten Gebiet des Zusammenlebens von Frau und Mann mögen noch einige Beispiele folgen: „Dicket Perd on dicket Wiew ziert de Wörtschaft". — „Alter Mann — lieber Gott, altes Weib — alter Deiwel“. — „Wenn de Frues wasche on backe, hebbe se meist den Deiwel öm Nacke." — „Ein alles Weib und ein Dudelsack, brummen beide Nacht und Tag“. — „Die erste freit der liebe Gott, die zweite freien gute Leute, die dritte freit der Teufel zu“. War es so, dann fand sich immer noch ein Ausweg: „Fröschet Brot un frösche Botter, ohlet Beer und e junge Mutter, dat schmeckt onsem Vader got."

 

In seiner Sorge um das Vieh zeigt sich der ostpreußische Bauer unübertrefflich, und was er hierbei an Weisheit gewann, gebraucht er oft in übertragenem Sinne: „Een schorwiget Ferkel ward oft dat beste Schwien". — „De letzte Schwien kriege dem dickste Drank“. — „Dat Bocke geiht leicht, dat Lamme schwar“. Was ihm sein Vieh galt, erhellt dies Sprichwort: „Starwt de Fru und steiht de Koh, kömmt immer mehr dato". Ja, welcher Bauer stöhnt und klagt nicht! Immer kann er sich auf irgendwie ungünstiges Wetter berufen, das ihm seine Erntehoffnungen zerstört. Welch bei beißender Spott klingt auf, wenn man dem ewigen Klagen über schlechte Zeiten begegnen wollte: „Es is e schlömme Tied und nuscht to verdiene, de Bure moake söck all de Kinder sölwst". — „Öck hew ömmer Onglück, säd de rike Buer, as hei söck de Strömp verkehrt antög." — „Von Harte gern, seggt de Buer, wenn hei mott“. Man wusste aber auch allgemein in Ostpreußen:  „Wenn die Stähner nuscht hefft, de Proahler hefft all lang nuscht". Hilfsbereitschaft brauchte nicht immer mit großen Opfern verbunden zu sein. „Gute Worte machen die Kehle nicht wund." Und doch war, Vorsicht walten zu lassen, oft größte Pflicht: „Wer für jemand bürgt, den plagt der Teufel". Immerhin frohlockten die Kaufleute: „Wenn de Buer ön de Stadt kömmt, freue söck de Kooplied". Und welcher Bauer erinnert sich nicht gern an die Wahrheit dieses Sprichworts: „Wenn de Buer möt Weize ön de Stadt foahrt, hefft hei de Mötz op't linke Ohr!"

 

Natürlich sah der tüchtige Ostpreuße darauf, dass er nicht den Boden unter den Füßen verlor oder gar den zweiten Schritt vor dem ersten machte. Er hielt sich lieber an die gegebenen Wirklichkeiten und die dadurch gebotenen Möglichkeiten: „Griep nöch noam Hömmel, hoal di am Tuun". Er kannte die Menschen und damit natürlich auch sich selbst: „Wenn de Grindkopp Hoar kröggt, wöll heit ok geele Kruse hebbe". — „Wer sick als Hund utgifft, mott ok als Hund belle". — „Machst du dich zum Schaf, so frisst dich der Wolf." Vorsicht ist immer gut, Übermut verderblich: „Besser die Wolle verlieren als das Schaf". — „Lat man hänge, vakofft öß bold, awa nich angeschafft." — „Man muss das unreine Wasser nicht eher weggießen, bis man reines hat.“ — „Spie nich ont Water, dat du noch drinke mottst.“ Wie sollten bei solch vor- und fürsorglichem Tun nicht Hoffnung und Zuversicht bestehen! „Wat noch öß, kann noch ware“. — „Göfft de lewe Gottke Junges, denn göfft he ok Böxe (Hosen)“. — „E kleenet Etwas öß better als e grotet Nuscht“. — „Schlecht Wetter ist besser als gar keins." — „Die Zeit, die schlecht hingeht, kann nicht schlecht wiederkommen." Nur ungern lässt der Ostpreuße sich aus der Ruhe bringen; er lässt anderen ihre Ruhe und wünscht, auch selber nicht unnötig gestört zu werden. Und wie kann er sich beherrschen! Ärger die erscht am drödde Dag". — „Ärger verdarwt de Schönheit“. — „Wat man nich ändre kann, sieht man gelate an." Denn: „Wat tom Schwienstrog utgehaue öß, ward öm Lewe keine Vijelin." — „Aus einem betrübten Busen kommt kein fröhlicher Seufzer“. Diese Haltung führt zu jener Selbstbescheidung, die den Ostpreußen so stark macht, mit Ergebenheit sein Schicksal zu tragen und doch kein Bangbüx oder Duckmäuser zu sein. Das konnte und durfte er als Grenzlandbewohner auch niemals werden! „Wer Angst hat, ist leicht zu jagen“. — „Wer nich Angst hat, dem doane se nuscht“. Dem weit bekannten Wort: „Nur nicht ängstlich, sagte der Hahn zum Regenwurm, und fraß ihn auf“ setzte der Ostpreuße ein anderes entgegen: „Bange machen gilt nicht, sprach der Regenwurm, und kam hinten wieder raus." Dass es trotzdem nicht immer gerecht in der Welt zugeht, musste auch er erkennen: „Die größten Spitzbuben haben am meisten Glück." — „Wo Duwe sind, da liege Duwe to." — „Fett schwimmt bowe, on wenn et Hundsfett öß“. So konnte er leicht zu der Meinung kommen: „Gott regiert die Welt und der Knüppel die Menschen". Sarkastisch tröstete er sich und mehr noch die andern, die es anging: „Wat hänge soll, versöppt nich". Nicht immer kann man vor jedem Nachbar Achtung haben, nur weil er ein Dorfgenosse ist: „Öß e Mordskerl opp e Nachtskann; wenn em twee Mann hole, schött hei doch verbi“.

 

Auch mit Krankheit und Tod wird der Ostpreuße auf seine Art fertig. „Ein milder Winter macht den Kirchhof reich." Man muss das harte, aber gesunde Winterklima Ostpreußens mit der klaren, trockenen Luft kennen, um dieses Sprichwort zu verstehen. „Vorm Dod is kein Kraut gewachse." — „Tweierlei Dod kann man nich starwe." Aber eins stand fest, für den einzelnen Tag wie für das ganze Leben: „Man titt söck nich eher ut, als bei man söck schloape leggt“. Die im Winter schnee- und frostreiche Witterung machte natürlich eine gehaltvolle Kost notwendig. Das mögen Fremde nicht immer recht verstanden haben. Dass der Ostpreuße daher auch nicht einem ordentlichen Trunk abgeneigt war, versteht sich demnach von selbst. „Fleisch ist das beste Gemüse", das war ein viel zitiertes Wort. „De Kornst schmeckt erscht got, wenn de Su dorchgejoagt öß“. Aus dem schlesisch besiedelten Ermland stammt dieses bezeichnende Sprichwort: „Wenn ich gesund sai, denn eß ich alle Tage zwälf von dei große Flutschkailche; wenn icht aber krank sai, denn eß ich nur älwe, aber der älfte muss größer sain als de andre“. Bei den holländischen Mennoniten im Nogat-Weichselwerder hatte das Schmausen noch etwas von der niederländischen Saftigkeit an sich. „Bequem gesäte on langsam gegäte, man glowt nich, wat man verdrage kann“. Dennoch nahm man nicht wahllos. „Wat de Buer nich kennt, dat frett hei nicht“. — „Wat nich gegunnt was, schmeckt am besten“. — „Äte un Drinke hölt Liew un Seel tosamme un manche Mensche nähre sich davon." — „Wer keen Brot hefft, mott de Botter dräj äte." — Andererseits galt aber auch: „Dreej Brot kleckert nich". — „Ettst nich, wat de Mus bebött, mottst eete, wat de Mus beschött". Immerbin: „Wenn utke, dann sattke". — „Buchke voll, Kornke bitter." — „Wenn de Mus satt öß, denn schmeckt dat Korn bitter." Wer hat wohl keinen Spaß an dem dummen Gesicht des Bauern, von dem es heißt: „Dat öß ander Korn, seggt de Buer, on bött opp Musdreck". Auch in Ostpreußen war es nicht anders: „Wenn't Koppke voll öß, wölle de Feetkes danze". — „Dem Besoapne leggt de lewe Gottke e Kößke under." — „Öck se besoape, dat vergeiht, oawersch du böst dammlich, un dat blöfft." Manch einer mag sich in solcher Stimmung gesagt haben: „Spare helpt nuscht, de Armut öß to grot". So sah der Ostpreuße auf seine Weise mit klarem Blick in seine tägliche Welt. Sein Humor trieb ihn dazu, die Dinge oft etwas stark zu verrücken, und dies, zusammen mit seiner Gewohnheit, sich anders als mit herkömmlichen Begriffen auszudrücken, ist es, was diese Aussprüche so herzhaft und wirksam macht. Wir Ostpreußen können auch mit unseren Sprichwörtern gut bestehen und haben es nicht nötig, uns zu verteidigen oder gar zu entschuldigen. „Utred öß to alle Sache got, bloß tom Schietegoahne nich."

 

Seite 10   Herbstblätter. Von Otto-Maria Kant

Irgendwo aus fernen Gärten

schallen Kinderstimmen her —

Und ich geh auf Kinderfährten

wieder heim ans ferne Meer:

 

Herbstesluft wie hier und Sonne,

und doch anders — wie ich schau —

Licht blitzt gleißend überm Wasser,

Fläche dehnt sich endlos blau,

 

Sand brennt flimmernd in den Mittag,

warm und golden, welch und lind;

Welle flüstert ohne Ende

mit dem leichten frischen Wind.

 

Vor mir liegt die Bernsteinküste,

hochgesäumt von Kiefernwald,

wo der Wintersturm sie küsste,

neigen Stämme, schwer und alt;

 

Wie vor tausenden von Jahren

fließt ihr Harz in kühle Flut.

Drüber kreisen Möwenscharen,

stoßen jäh zur Meeresbrut.

 

Unter weitem Himmel segeln

Wolkenfeldern, hoch und fein.

Irgendwo von Stoppelfeldern

klingt gedämpft her jauchzend Schrein;

 

Irgendwo, weit drin im Lande

tanzen Drachen mit dem Wind. —

Und ich spiel' im warmen Sande:

Meiner Heimat frohes Kind . . .

 

Da — ein Stoß! Ein Fenster klappte!

Auf dem Tisch ein Herbstblatt weht. —

Und mein Herz, das wund ertappte,

wohl des Windes Wink versteht:

 

Nicht mit Träumen holt man Welten,

holt man Heimat sich zurück;

Träume wie die Blätter welken,

aus der Tat allein wächst Glück!

 

Seite 10   Ostpreußische Beiträge zum Liede der Kirche

Als erster Name muss hier Albrecht von Brandenburg genannt werden, in Ansbach 1490 geboren, war er der letzte Hochmeister des deutschen Ritterordens. Mit Luther stand er in Verbindung und hat ihn wahrscheinlich auch in Wittenberg besucht. Ihn drückte die Zukunft des Ordenslandes, dieser weitblickende Regent erkannte die Zeichen der Zeit und war dem Neuen aufgeschlossen, dabei von einer Frömmigkeit, die das Wesentliche suchte und aller äußeren Gebärde abhold war. Als erster deutscher Fürst führte er 1525 offiziell die Reformation ein und wandelte den Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum um. Luther hat ihn dabei beraten und hat sich gefreut, dass im fernen Lande der Preußen das Evangelium so lief, wie er es von Anfang an gewünscht hatte. Hier war der Appell an die weltliche und geistliche Obrigkeit nicht umsonst gewesen. Der Bischof Georg von Polentz hatte in seiner bedeutenden Weihnachtspredigt am 25. Dezember 1523 im Dom zu Königsberg offen die frohe Botschaft nach Luthers Lehre verkündet und schon am 28. Januar 1524 in der Linie des reformatorischen Anliegens im sogenannten Reformationsmandat u. a. angeordnet, dass die Taufe in deutscher Sprache zu vollziehen sei. Wichtig ist die Begründung: Das Wort soll bei der Taufe in die Herzen der Hörer dringen und Glauben erwecken, denn das Wort, mit welchem Heil und Leben verkündet werden, ist überhaupt das Wichtigste, es muss verständlich sein und also jedem in seiner Muttersprache gesagt werden. Der zweite Bischof des Preußenlandes, Erhard von Queiß, der in Marienwerder residierte, schloss sich der Ansicht seines überragenden Kollegen an, und auch der Herzog bekannte sich zu den Grundsätzen des Mandates. In der Folge wurde masurisch, litauisch, deutsch und altpreußisch gepredigt. Noch bis zum zweiten Weltkriege wurde in mehreren Gemeinden Ostpreußens in zwei Sprachen gepredigt. In dem mühevollen Aufbau dieses Dienstes ist für die Masuren besonders der Erzpriester Maletius in Lyck zu nennen, er hat u. a. die Hauspostille und den Kleinen Katechismus ins Masurische übersetzt. Im Norden des Landes war es Mosvidius, der den Litauern einen ähnlichen Dienst getan hat.

 

Albrecht war bemüht, zum Aufbau des neuen kirchlichen Lebens die besten Kräfte heranzuziehen. Er hat dabei natürlich an seine fränkische Heimat gedacht und einem großen Teil der auf geistigem und auf politischem Gebiet führenden Männer aus dem Frankenlande gerufen. Dann aber war ihm auch jeder Rat Luthers in personeller Beziehung wertvoll. Der Reformator empfahl ihm zunächst Johannes Briesmann, einen ehemaligen Franziskaner, der 1520 bis 1523 in Wittenberg gewesen war. Schon 1523 traf er in Königsberg ein und brachte der jungen werdenden Kirche eine kostbare Morgengabe, seine „Flosculi", Blumenlese von inneren und äußeren Menschen, vom Glauben und von den Werken." In den 110 Thesen des schmalen Bändchens spricht der ganze Luther, viel stärker als etwa in den Loci Melanchthons. Die Weihnachtspredigt des Bischofs Polentz und das folgende Reformationsmandat haben in dieser Schrift ihre Grundlage.

 

Neben Briesmann müssen Paul Speratus aus Schwaben und Johann Graman (Poliander) aus Franken genannt werden. Speratus war Priester in Dinkelsbühl, Würzburg und Salzburg, er bekannte sich in den Jahren 1522/23 zur Reformation, kam in Olmütz ins Gefängnis und hatte das Todesurteil zu erwarten. Wahrscheinlich ist sein großes Bekenntnislied: „Es ist das Heil uns kommen her" im Gefängnis gedichtet. Er kam frei und eilte zu Luther, der ihn nach Königsberg empfahl. Albrecht ernannte ihn zu seinem Hofprediger und übertrug ihm 1529 den Bischofsstuhl von Pomesanien mit dem Sitz in Marienwerder. In enger Arbeitsgemeinschaft mit ihm stand Johann Gramann aus Neustadt/Aisch, er war bei der Leipziger Disputation Ecks Schreiber, und dabei von der Person Luthers und seiner Sache so gefangen, dass er zur Reformation übertrat und von Luther nach Ostpreußen empfohlen wurde. Als Pfarrer an der Altstädtischen Kirche in Königsberg schenkte er seiner Gemeinde und damit der ganzen Kirche den herrlichen Choral: „Nun lob mein Seel den Herren". Hans Kugelmann, den Herzog Albrecht aus Augsburg berufen hatte, gab dem Liede die einzigartige Weise.

 

Damit sind wir schon bei unserem Thema, dem ein so gewaltiges Praeludium wie dieser Choral vorausgeht. Die drei Brüder Kugelmann, in der Hofkapelle des Herzogs beschäftigt, nach ihnen Johann Eccard und sein Schüler Johann Stobäus, der ihm in der Leitung der Hofkapelle folgte, haben in ihrer Weise mit neuen Zungen das Lied der Kirche gesungen. 1540 erschienen die „Preußischen Tria", Choräle in dreistimmigem Satz. Der von Nürnberg nach Königsberg umgesiedelte Drucker Daubmann gab Paul Kugelmann die Möglichkeit, seine „Teutschen Liedlein geistig und weltlich" schon in Königsberg drucken zu lassen. Eccards geistliche Lieder sind schon ganz auf ostpreußischem Boden gewachsen, und erst recht das bedeutendste Werk der damaligen Kirchenmusik, die „Preußischen Festlieder", die Stobäus herausgab. Zusammen mit Eccard hat er die wesentlichen Stücke selber geschaffen, zum Beispiel Wort und Weise des Chorals: „Such wer da will ein ander Ziel". Das ostpreußische Gesangbuch enthielt noch sein Ewigkeitslied: „Es ist gewiss ein" große Gnad, wenns einem Gott gewähret dass er ein sanft Sterbstündlein hat."

 

Zeitlich am nächsten stand ihm der Königsberger Dichterkreis. Er hatte sich um den Domorganisten Heinrich Albert gebildet (1604 - 1651). Vor den Toren der Stadt am Pregel, hatte er einen Garten mit einer Kürbislaube. Dort sammelten sich oft in geruhsamer Abendstunde die Freunde. Sie nannten sich „Gesellschaft der Sterblichkeit Beflissenen", und ihre erste Liedersammlung hieß: „Musikalische Kürbshütte, welche uns erinnert menschlicher Hinfälligkeit". Ohne Zweifel war Simon Dach der geistige Mittelpunkt des Kreises, und wenn auch nach den neuesten Untersuchungen das viel gesungene „Ännchen von Tharau" nicht von ihm stammt, dann hat er uns doch reich mit einem Bekennerlied beschenkt: „Ich bin bei Gott in Gnaden durch Christi Blut und Tod“, oder mit seinem Sterbelied: „Ich bin ja, Herr, in deiner Macht."

Weit über den Kreis der leidvollen Erde, die unter den Schrecken des dreißigjährigen Krieges bebte, schwingt sich sein Sehnsuchtslied: „O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen," das eigentlich nach der ursprünglichen Melodie von Johann Stobäus gesungen werden sollte. Schöpfungsfreude und Sehnsucht nach Erlösung laufen bei Dach wie zwei Linien zusammen in dem Bekenntnis zu Gott und dem Herrn Christus. — Heinrich Albert singt mit Wort und Weise das Morgenlied: Gott des Himmels und der Erden." Im heimatlichen Gesangbuch sangen wir noch von ihm: „Einen guten Kampf hab ich auf der Welt gekämpfet." Valentin Thilo, ein gebürtiger Königsberger, wie Dach Universitätsprofessor, wurde der ganzen christgläubigen Welt bekannt durch den Adventschoral: „Mit Ernst o Menschenkinder." Gern sangen wir ??? durch den Adventschoral: „Mit Ernst noch in der alten Heimat sein Loblied: „Groß ist, Herr, deine Güte." Welche Wirkungen von diesem Kreise ausstrahlten, ist an Johann Frank zu sehen, der ein Schüler Simon Dachs gewesen ist. Er behauptet sich durchaus neben Paul Gerhardt vor allem mit: Jesu, meine Freude“, das in der Motette des großen J. S. Bach immer zu Trost und Erbauung der Gemeinde erklingen wird.

 

Außerhalb des Königsberger Dichterkreises lebten Georg Werner und Georg Weissel. Werner war in Pr. Holland aufgewachsen und zwar in Königsberg. „Ihr Christen auserkoren, freut euch von Herzen sehr" — rief er seiner Gemeinde zu Weihnachten zu. Für die Passionszeit war bestimmt: „Der du, Herr, Jesu, Ruh und Rast in deinem Grab gefunden hast", und zu Ostern sang man und singt man bis heute:

 

„Der Tod hat zwar verschlungen

den Herrn der Herrlichkeit."

 

Georg Weissel war in Domnau geboren, wurde zuletzt Pfarrer an der Königsberger Altroßgärter Kirche. Zu seinem Amtsantritt daselbst schenkte er der Gemeinde: „Such wer da will, ein ander Ziel", später: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Ein Advent ohne dieses Lied ist nicht mehr denkbar. „O Tod, wo ist dein Stachel nun", ist im Wesentlichen ebenfalls sein Werk.

 

Der nächsten Generation gehört Michael Kongehl an, in Kreuzburg Ostpr. ist er 1646 geboren. Er studierte Jura und wurde nach mehreren Amtsstellen zum Bürgermeister des Königsberger Stadtteil „Kneiphof" ernannt. Von ihm stand im ostpreußischen Gesangbuch das Lied: „Nur frisch herein, es wird so tief nicht sein." Der Pegnesische Blumenorden in Nürnberg machte den Dichter zu seinem auswärtigen Mitgliede, und auch diese Verbindung beweist den Wert ostpreußischer geistlicher Dichtung.

 

Noch zu Lebzeiten Kongehls wurde Bernhard Rostkowski 1706 geboren, er war ein Sohn Masurens. Seine fruchtbarsten Jahre verbrachte er als Pfarrer in Kallinowen, dort starb er auch 1736 Noch bis in die letzte Vergangenheit erklang zur Erntezeit über die Felder seiner schönen Heimat und in den Kirchen seiner Landschaft:

 

„Das Feld ist weiß, vor ihrem Schöpfer neigen die Ähren sich, ihm Ehre zu erweisen."

 

Die Verse des elf-strophigen Liedes zeigen, wie sehr es mit biblischem Inhalt gesättigt ist.

 

Wenige Jahre nach dem Tode Rostkowskis wurde im Schatten der ehrwürdigen Ordenskirche zu Mohrungen Johann Gottfried Herder 1744 geboren. Theologie, Philosophie und Dichtkunst beschäftigten ihn in seinem Studiengange, er fand mit Schiller und Goethe Verbindung, letzterer rief ihn nach Weimar als Generalsuperintendenten. Von ihm stammt ein Epiphaniaslied:

 

„Du Morgenstern, du Licht vom Licht,

das durch die Finsternisse bricht."

 

Mit Herder ist gleichzeitig Gottlieb von Hippel, dem Paul Fechter in seinem von dem masurischen Lehrer und Pfarrer Michael Pogorczelski handelnden „Zauberer Gottes" ein würdiges Denkmal gesetzt hat. Seine Heimatstadt ist Gerdauen gewesen. Der Herr Geheimrat und erste Bürgermeister Königsbergs war mit Kant befreundet, entfaltete eine reiche schriftstellerische Tätigkeit, bei der er eine festgegründete christliche Überzeugung vertrat. Sie klingt auch durch sein Lied vom Sterben:

 

„Noch leb ich, ob ich morgen lebe,

ob diesen Abend, weiß ich nicht."

 

Als letzter in der Reihe bedeutender Kirchenliederdichter sei Max von Schenkendorf genannt. Seine Geburtsstadt war Tilsit am Memelstrom. Weit über den Raum der Kirche ist der glühende Vaterlandsfreund bekannt geworden. Der Vaterlandsfreund war aber auch Bürger im himmlischen Lande und Christi Freund und Gefolgsmann. Davon reden seine Kirchenlieder eine deutliche Sprache. Etwa: „Brich an du schönes Morgenlicht", es ist der Adventszeit zugeordnet. Volksliederhaften Charakter tragen die Verse: „In die Ferne möcht ich ziehen, weit in meines Vaters Haus". Zu den geistlichen Volksliedern gehört: „Ostern, Ostern, Frühlingswehen." Der Schlussvers eines Sonntagsliedes zeigt so recht den frommen, christgläubigen Mann:

 

Lass die Flamme stets mir brennen,

o mein Heiland Jesus Christi

Lass es alle Welt erkennen,

dass mein Herz dein Altar ist!

 

Der Gang durch vier Jahrhunderte ostpreußischen Kirchengesanges hat uns gezeigt, dass die, welche von Haus und Hof, Acker und Vieh gejagt und alle Güter verloren haben und nun als Vertriebene in anderen Ländern und Kirchengemeinschaften überall verstreut wohnen, bei aller äußeren Armut doch nicht mit leeren Händen kommen. Im Reiche Gottes gibt es immer Empfangen und Geben in verbundener Weise. Was Ostpreußen geistlich vom großen Vaterlande empfing, hat es angenommen und in seiner Weise zurückgegeben. Die armen Hände der Vertriebenen bringen den evangelischen Brüdern und Schwestern der neuen Heimat kostbare Güter und bitten: nehmt sie an, dass sie eine Brücke des Verstehens werden, auf der Glaube und Liebe sich begegnen für den Weg zu neuem Ufer und Lande.

Pfarrer Leitner, Altdorf (Königsberg).

 

Seite 10   Denket doaran, wat öck gewest si ob Erden!

Als ich vor vielen Jahren meine Ferien in Möll bei Ratzeburg verlebte, entdeckte ich auf dem dortigen Friedhof einen alten Grabstein, der folgende Inschrift trug:

 

„Anno 1350 iß dise Steen obgehoawen.

Tilli Eulenspegel ligt hierunder obgehoaven.

Merket wohl un denket dran,

Wat öck gewest si up Erden.

Alle, dä hier voräwer gan

Moten mie gliek werden."

 

Ich las dieses Worte und dachte darüber nach, was sie eigentlich dem Lebenden sagen wollen. Till Eulenspiegel, jener bekannte Possenreißer hat dort seine ewige Ruhe gefunden. Ihn deckt dieselbe Erde zu, die noch viele, viele nach ihm zugedeckt und noch zudecken wird, einerlei was sie auch im Leben getrieben haben.

 

Ich erinnerte mich jenes Bildes mit den vier Totenschädeln und der darunter stehenden Frage:

 

„Wer ist der Tor, wer Weiser, wer Bettler oder Kaiser?" Damals war auch mir diese Frage ein Rätsel, aber am Grabe Eulenspiegels, da konnte ich dieses Rätsel lösen, denn ich erkannte, dass der Tod ein großer Gleichrichter ist und keine Ausnahme mit Bettlern und mit Fürsten macht.

 

Mancher Mensch wird geboren in Reichtum und Glanz und weiß nichts von den Sorgen seiner Mitmenschen, aber eines Tags klopft der Tod an seine Tür und spricht:

 

„Lege ab deine Krone und deinen Purpurmantel und komm und lege dich schlafen an deines armen Bruders Seite, denn was du auch gewesen bist in diesem Leben, das bist du durch ihn gewesen. Ich aber bin ein gerechter Richter und will ein Ende machen mit dem, was menschliche Selbstsucht geschaffen hat.

 

Zur selbigen Zeit saß ein alter Professor in seinem Laboratorium und studierte an einer Medizin, die ihn vom Tode befreien sollte. Da klopfte der Tod auch an seine Tür und sprach:

 

„Weil du ein Mensch mit irdischer Weisheit bist und danach trachtest, die Götter zu versuchen, bin ich gekommen, um dir zu zeigen, dass für mich kein Kraut gewachsen ist. Komme und lege dich schlafen an deines törichten Bruders Seite, denn durch ihn bist du zu Ehren gekommen. Siehe! wo keine Macht ist, da hat das Licht keinen Glanz, und wo keine Toren sind, da haben die Weisen keine Bedeutung. Lasse deine irdische Weisheit den Irdischen, denn ich will euch zudecken mit dem Mantel des Schweigens, damit ihr der Erde zurückgebt, was sie euch gegeben hat."

 

Nach diesem Zwiegespräch an jenem historischen Grabe waren wieder einige Jahre verflossen. Die Heimatsehnsucht führte mich wieder in die Heimat zurück. Ich hoffte dort, noch viele alte Bekannte zu begrüßen, aber es war nicht so, denn der Tod hatte sie schon in die ewige Heimat gerufen. Einsam und der Heimat entfremdet, wanderte ich zum neuen Kirchhof hinaus, der erst in meiner Abwesenheit angelegt wurde, um dort meine Lieben wenigstens mit einem stummen Gruß zu begrüßen. Schon am Eingange fiel mir ein neuer Grabstein auf, auf dem ich beim Näherkommen folgende Inschrift las:

 

„Hier ruhet in Gott mein lieber Mann Friedrich Wilhelm K(owalzik)" und darunter sein Geburts- und Todestag.

 

„Onkel Boo, hier hast du deine Ruhe gefunden, hier auf diesem Acker, wo du gesäet und geerntet hast? Und wenn du mit dem vollen Säetuch über deine zukünftige Grabstätte dahinschrittest, dachtest du daran, dass man dereinst auch deine Gebeine der Erde anvertrauen wird, wie du deine Saat der Erde anvertrautest? Auch dich hat der Tod zugedeckt mit dem Mantel des Schweigens, und deine Werke — die guten und die schlechten — sie sind vergessen."

 

So stand ich auch an diesem eulenspiegelähnlichen Grabe in Gedanken versunken wie einst in Mölln, und an meinem seelischen Auge zog vorbei ein Stück aus vergangener Jugendzeit.

 

Ich sah mich auf diesem Acker als Schuljunge mit einer Fuhre Dung herumplagen, und Onkel Boo war der Abhaker. Ich sah ihn an diesem seichten Abhang stehen mit dem Dunghaken in die Erde stampfen und schreien:

 

„Hier kömmt he henn! Hier sull he ligge! Du Lorrbaß, hier her!!"

 

Ich wusste, dass er den nächsten Dunghaufen meinte, den er abhaken wollte, aber ich konnte dort nicht so schnell hinkommen, denn ich war ja nur ein Weiterfahrer mit zwei kleinen Händen und vier großen Pferden vor dem schweren Wagen. Aber vielleicht verstand ich ihn auch falsch? Denn wie ich mir das Niveau des Kirchhofs richtig ansah, muss es genau die Stelle gewesen sein, wo jetzt sein Grabstein steht.

Dann sah ich ihn beim Klee säen auf dem Streukarren sitzen und mit dem Deckel in seiner Schnupftabakdose herumgraben, um eine kräftige Prise zu nehmen. Als ich ihn dann fragte, warum er denn gleich so viel in die Nase hineingeschaufelt, antwortete mein Kollege Fritz, der mit mir den Karren zog:

 

„Dat versteist du nich! Dö Onkel sorgt färr dö Nachkommenschaft, dat se wat to brenne häbbe, denn, wenn he hundert Joahr dot öß, verwandelt sick dö Körchhoff önn e‘ Torfbrok!"

 

Onkel Boo griff nach der Stange, und wir rissen aus, denn mit ihm war schlecht Kirschen pflücken.

 

Bei diesen Gedanken musste ich wohl laut aufgelacht haben, als wenn ich diese Worte eben gehört hätte.

 

„Mensch, vergesse dich nicht!" schien mich eine leise Stimme zu mahnen. Denke daran, daß du mit deinen Füßen auf dem Gottesacker stehst! Hast du schon vergessen, was du auf dem Grabstein Eulenspiegels gelesen hast? Denket dran, wat öck gewest si up Erden. Alle, dä hier voräwer gan, moten mie gliek werden!"

 

Halb erschrocken und halb verschämt sah ich mich um, um zu sehen, ob jemand hinter mir steht und mich beobachtet. Es war aber niemand, denn die Lebenden waren um diese Jahreszeit auf dem Felde bei der Ernte.

 

Ich sah nach den schönen Tabaksblumen, die sein Grab schmückten, und die ließen mich vermuten, dass Karline ihm seine Schnupftabaksdose mit ins Grab mitgegeben hat. Sein geflügeltes Wort: „Die Sonne bringt es an den Tag! hatte dadurch seine Bestätigung gefunden.

 

Ich verabschiedete mich von ihm mit den Worten:

 

„Ruhe sanft, Onkel Boo, im Schoße deiner Heimat. Mit dir ist eine vergnügte Zeit ins Grab gesunken. Für mich aber und für alle die dich kennen, bleibst du unsterblich!"

W. Bienenfeld

 

Seite 11   Einmal noch

Einmal noch im Sand der Düne gehn

und die großen Dinge Gottes sehn —

 

Einmal noch am Strand der Ostsee stehn,

wenn die Wellen hoch im Sturme gehn —

 

Einmal noch von steiler Samlandküste blicken

über Brüsterort nach Cranz, nach Rauschen und Warnicken —

 

Einmal noch in Einsamkeit verloren lauschen,

wenn Masurens weite Wälder rauschen —

 

Einmal noch die Glocken hören klingen,

die von Dom und Schloss und allen Kirchen schwingen

 

über dich, mein Königsberg, und künden,

dass die Heimatlosen dennoch Heimat finden!

 

Lieber Gott, an Heimweh müssten wir verbrennen,

dürften wir dich nicht auch in der Fremde Vater nennen.

 

Dieses Gedicht von Pfarrer Leitner, entstand in den schweren Jahren 1945 bis 1947. Damals betreute der genannte Seelsorger als letzter ostpreußischer Pfarrer die Reste der zerschlagenen und sterbenden Gemeinden unter russischer Besatzung.

 

Seite 11   Fotos: Schiffstrandung an der Samlandküste. Aufnahmen: V. Moslehner.

Im schweren Novembersturm strandete im Jahre 1942 an der Samlandküste das holländische Motorschiff „Magrietha". Unsere Aufnahmen zeigen das Motorschiff nach der Strandung

 

 

Seite 11   Sommer im Bernsteinland. Von Alexis. (6. Fortsetzung)

Der Reisende Herberstein, der Sigismund von Polen besuchte, dürfte der Letzte gewesen sein, der einen richtigen Auerochsen zu Gesicht bekommen hat. Um die Größe des Ungetüms richtig ermessen zu können, hatte man festgestellt, dass drei Männer nebeneinander zwischen seinen Hörnern Platz fanden. Als der König dies seinem Gastfreund vorführen wollte, glückte es aber nicht, weil Sigismund ein Dickwanst war, neben dem beim besten Willen nur noch ein Mann Raum hatte.

 

Herberstein erzählt auch, dass die Zunge des Auers so rauh war, dass sie den Jäger wie ein Chamäleon bei der bloßen Berührung seines Gewandes festhielt. Er schreibt: „Es ist ihm die Zunge so rauh und hart, daß Er den Jäger / so er ihm nur das Kleid anrühren mag / erwischt und ihn zu sich zeucht / läßt ihn auch nicht eher gehn als bis er ihn ganz umbgebracht." Ein Verfolgter konnte sich allenfalls totstellen, wenn es ihm nicht gelang, rechtzeitig einen Baum zu erklimmen. Der Auerochse pflegte ihn dann noch ein Stück mit den Füßen fortzurollen, um endlich im Dickicht zu verschwinden.

 

Auerstiere, die sich mit zahmen Kühen eingelassen hatten, sollten nach seinem Bericht von den übrigen verabscheut und für „ehrloss" gehalten werden.

 

Bei der Stärke des Wisents ist es nicht verwunderlich, dass seine Haut, als Amulett getragen, gegen Verwundungen in der Schlacht schützen sollte. Geburtsgürtel, aus ihr gefertigt, sollten den Frauen die Wehen erleichtern.

 

Die letzten Wisente in Ostpreußen wurden 1742 bei Gertlauken gespürt. Ein Bauer aus der dortigen Gegend namens Wirbel, der schon wegen Wilderns eine längere Freiheitsstrafe abgesessen hatte, schoss, kaum freigelassen, wieder einen Wisent tot. Mit ihm ist der letzte in Preußens Wäldern um das Jahr 1755 unrühmlich dahingegangen.

 

Medenau ist von allen Ortschaften des Samlands diejenige, deren Anblick uns am stärksten in die Vorzeit zurückzuversetzen mochte. Wenn man, von Süden her kommend, findet man sich plötzlich inmitten eines Hügelgeländes, das noch keine Veränderung durch Bodenkultur und Siedlung erfahren hat. In seiner ursprünglichen Gestalt bildet es den Ausschnitt einer Landschaft, deren Geschichtlichkeit sich selbst dem phantasielosesten Auge aufzwingt.

 

Das Vieh hatte sich unter einer Weide im Melkhock zusammengefunden und wartete schon auf die Mädchen, die barfüßig mit Milcheimern den Hang heruntergestiegen kamen. Unten am Wasser hatte ein Junge die Angel ausgeworfen, wobei ihm ein struppiger Hund zuschaute. Es erfüllte uns mit Freude. Vergangenheit im Spiegel des Lebendigen zu sein. Wir ruhten ein Weilchen an der Schlehdornhecke, der heidnische Bienengott schläferte uns ein, bis uns die Kirchenglocken ermunterten und uns in eine wache, christliche Welt zurückriefen. Von der Pforte des Kirchhof zurückblickend gewahrten wir die Fluchtlinien von Straßen und Feldbreiten, mit denen spätere Generaltonen die Landschaft umgebildet hatten, in der unser Plätzchen wie vergessen eingebettet lag. Noch aber säumte im Norden den Horizont der Wald, der Medenau seinen Namen gegeben hat.

 

Wir besahen uns das Gotteshaus, in dem schon zeitige Kirchgänger ihre Plätze einnahmen. Plötzlich ertönte Orgelspiel und der Pastor erschien in der Tür. Es erschien uns nicht gerade höflich, uns in diesem Augenblick auf Französisch zu drücken. Mitgefangen, mitgehangen. Wir setzten uns also und kamen in den Genuss einer richtigen Bauernpredigt, die im Gegensatz zu den säuselnden Winden großstädtischer Kirchenluft wie ein reinigendes Gewitter auf uns niederhagelte.

 

Unter dem alten Schnitzwerk ist eine Madonna, auf dem Mondsichel stehend, am vollendetsten. Die Kanzel wird von einem barocken Engel getragen, der so gelungen ist, dass man ihm in die Backen kneifen möchte. Das schönste Bildwerk fanden wir in der Sakristei versteckt. einen Bischof, dessen asketische Züge alle Zucht und alles Wissen seiner Zeit ausdrücken schienen. Im Chor aber schaute das Ölbild des Pfarrers Gebauer mild auf uns hernieder, der um die Mitte des voriger, Jahrhunderts hier wirkte und dessen „Kunde des Samlandes“ mit Liebe und Fleiß zusammengetragen, auch heute noch unvergessen ist.

 

Den Schlossberg durchstreiften wir nach allen Richtungen. An der Stelle, die einmal das feste Haus getragen hat, war ein Sportplatz angelegt und zwischen den eigentümlichen sichelförmigen Wällen, deren strategische Bedeutung nicht recht ersichtlich ist, spielten Kinder Versteck. Sein schönster Schmuck sind eine Anzahl alter Ulmen von beträchtlicher Größe, wie wir sie sonst nirgends im Samland antrafen.

 

Von Medenau gelangt man nach Sickenhöfen, dem ehemaligen Gut der altpreußischen Familie Teuffel, deren Besitz vom Orden unangetastet blieb, wie es vielen Einheimischen ging, die in seinen Reihen wie die Teufel zu fechten vermochten. Ein Höhenzug leitet bis Prilacken, von dem man die schönsten Aussichten genießt. In derselben Richtung kann man von Laserkeim über Reesen nach Wieckau wandern. Ein letzter Ausläufer reicht bis in die Nähe von Seerappen. Die Pappeln, die dort, weithin sichtbar stehen, sind wie ein Ausrufungszeichen des beginnenden Alkgebirges. Hier bieten sich unserem Auge die vollkommensten Stimmungsbilder, die zugleich alles Liebenswerte der samländischen Landschaft in sich schließen: den waldigen Kamm, in seiner Kontur durch treppenförmige Abstufungen belebt, Äcker, Weiden und Birkenwege.

 

An einem schönen Sommernachmittag benutzten wir das Bähnchen, um quer durch das unbekannte Samland von Marienhof zum Haff zu gelangen. Da es in den Wagen zum Umfallen heiß war, gingen wir auf die Plattform hinaus, auf die Gefahr hin, von der spuckenden Maschine ein wenig berußt zu werden.

 

Die Felder lagen in Vollreife — allenthalben weidete das Vieh, dessen Blick dem lärmerzeugenden technischen Wunder, mit  dem wir uns fortbewegten, mit vollendeter Gleichgültigkeit begegnete.

 

Lochstädt erreichten wir mit einem Schifflein, in dem ein alter Mann das Ruder bediente, während sein Enkelkind die Hände durch Wasser gleiten ließ. Wie sollte man auch dorthin besser gelangen, als auf diesem Weg, der einen nur langsam dem Ziel näherbringt, bis der breitgelagerte Bau immer deutlicher erkennbar wird, so, als sei er aus der Erde emporgewachsen und nicht von Menschen in den Raum gestellt.

 

Das Gefühl, historischen Boden zu betreten, wurde in uns mächtig, als wir nach Überschreitung der Bahn den Hang hinaufgeklettert waren. Ehrfurcht vor dem Alter verband sich beim Anblick der Burg mit dem Reiz des Unvollendeten. Ohne Ablenkung durch Einzelerscheinungen verweilte der Blick auf dem was die Zeit von einstiger Vollendung übrig ließ und die Phantasie vermochte Wunschbilder zu schaffen, wie sie in der Wirklichkeit nie erreicht werden können.

 

Erst später erfuhren wir der Ruine ehemalige Gestalt. Ein quadratischer Gebäudeblock mit einem Danzker zum Haff, einem Bergfrit zur Landseite, hat sie weit höher als jetzt über die Nehrung herausgeragt.

 

Die Stelle, an der die Burg heute steht, wird schon in vorgeschichtlicher Zeit befestigt gewesen sein. Unmittelbar neben ihr lag ein Meeresarm, der Haff und See verband, während heute die Schiffe ihren Weg durch das Tief bei Pillau nehmen. Das feste Haus wurde um 1300 fertiggestellt; von ihm auch wachten Pfleger, Komture und Bernsteinmeister über Land und See, aber bereits im 14. Jahrhundert begann das Tief hier zu versanden und Lochstädt seinen Wert als Grenzbollwerk zu nehmen.

 

Hundert Jahre später gewinnt die Burg noch einmal Bedeutung, als auf ihr Heinrich von Plauen, der Tapfersten einer, nach dem Untergang des Ordens sein Leben beschließt. Von hier konnte der Blick des müden Mannes über das Haff bis zum gegenüberliegenden Brandenburger schweifen, wo er jahrelang in unwürdiger Gefangenschaft gesessen hatte, doch auch hier mangelte es ihm oft am notwendigsten Lebensunterhalt und als er endlich zum Pfleger eingesetzt wurde, zerbrach ihm sein Leben über der verspäteten Ehrenrettung. Seine Gebeine wurden nach der Marienburg überführt. Ein schönes Denkmal von ihm steht heute in Plauen, wo er, männlich und ernst, die Treppe am Rathaus bewacht.

 

Wie er in Wirklichkeit ausgesehen hat, wissen wir nicht. Nur von einer kleinen Münze geringer Prägung blickt uns sein Antlitz entgegen und es ist schade, dass von den kühnen Eroberungen Preußens kaum Bilder in ihrer Zeit verfertigt wurden. Als unsere Geschichtsschreiber diesen Mangel erstmalig empfinden mochten, ließen sie ganze Serien von Hochmeisterbildern für ihre Bücher herstellen, die sich bestenfalls auf einige Personenbeschreibung stützen konnten und deshalb keine rechte Vorstellung vermitteln.

 

Gewiss hat es unter den Helden dieser kampferfüllten Zeit viele gegeben, die uns, ähnlich Peter Vischers Standbild Arthurs von England in der Hofkirche in Innsbruck als Inbegriff adliger Haltung, Kühnheit und Zucht erschienen wären. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen, dass es damals im Gegensatz zu heute ungleich mehr Gebrechen gab, die jetzt durch eine höhere ärztliche Kunst, beginnend mit der Geburtshilfe, fast aus der Welt geschafft sind. Daher nahm man auch ein Fehlerchen nicht so tragisch. Das Edelfräulein mochte ihres Galans pockennarbiges Gesicht ebenso zärtlich streicheln wie ein glattes und die Herzogin Dorothea von Preußen wird ihren hohen Gemahl ob seines Schielens, nicht minder geliebt haben.

 

Nachdem im dreißigjährigen Krieg Lochstädt bald im Besitz von Deutschen, bald von Schweden gewesen war, trat seine Baufälligkeit immer stärker hervor. Um 1700 wurden die Türme und zwei Flügel abgebrochen und bei der Anlage der Festung Pillau verwendet. Man muss sich wundern, dass in diesem an Steinen so armen Land überhaupt noch etwas übrig geblieben ist, wo, wie Du mir einmal erzähltest, die von den Scheunen zwischen Brennnesseln ruhenden Feldsteine ein kleines Vermögen bedeuten, was ich, vorschnell wie immer, höchst liederlich gefunden hatte.

 

Wenn auch die Räumlichkeiten in den beiden erhaltenen Flügeln durchaus mannigfache Veränderungen verloren haben, haftet ihnen doch noch etwas eigenes an, das Jahrhunderte überbrückend, in jene Zeiten zurückversetzt, in denen sie ein großer Meister schuf. So zweckmäßig, so wohldurchdacht ist alles, dass man meinen möchte, nirgends auf der Welt sei ein gleiches Maß von Wohnkultur im Rahmen eines Wehrbaus erreicht, der mit den öden Kasernen römischer Soldaten seinen Anfang genommen hatte. Seine höchste Vollendung findet er in den Komturräumen im ersten Stock. Das Gewölbe des Empfangsraums ruht, auf einer achteckigen Säule; Wandmalereien mit biblischen Motiven zieren ihn; der heilige Michael als Sinnbild der Ordensidee, Sankt Christopherus und die Verkündigung Maria.

 

Man kann sich gar nicht genug darüber wundern, wie abgewogen ihre Verteilung im Raum ist. Es ist fast, als seien sie zuerst dagewesen und dann erst der Raum auf ihre Masse zugeschnitten. Die Sicherheit, mit der man ehemals Fresken einzufügen verstand, ist unerreicht, wie das Satzbild alter Drucke. Um eine Erklärung dafür zu finden, warum sie in uns ein derart starkes ästhetisches Gefühl auslösen, müsste man geradezu in die Bezirke des Okkulten vorstoßen.

 

Anschließend gelangt man in das Schlaf- und Ankleidezimmer des Komturs nebst einem kleinen Schatzkämmerlein. Das Eckzimmer diente als Wohnraum, an den sich wiederum in dem zum Tief gelegenen Flügel der Schlafsaal der Ritter anschloss, die hier, nur von ihrem Mantel bedeckt in der ständigen Erholung des Raums durch eine Ampel ruhen mussten.  (Fortsetzung folgt)

 

Seite 12   Der Kämer. Von Carla von Bassewitz

„Labimmel, labammel — der Kämer is ein Hammel" — sangen die ostpreußischen Dorfjungens, wenn der Kämmerer die Hofglocke zur Arbeit läutete. Dies zweifelhaft schöne Lied, von dem sie genau wussten, dass es meist nicht stimmt, hatte seinen Ursprung in einer einfachen Tatsache, nämlich: jeder, der anzuordnen und zu verbieten hat, zieht sich gelegentlich das Missfallen derer zu, die gegen Ordnung sind…

 

Die Stellung des Kämmerers auf einem großen Hof in der Heimat war keine leichte. Wie die Bezeichnung sagt, hatte er die Schlüssel zu den „Kammern", in denen Geräte, Ersatzteile, Brennstoffe, Holz und Kohlenvorräte aufbewahrt wurden — oft nahm eine solche „Kammer" den größten Teil des Schauers ein. Selbst aus dem Stand der Landarbeiter hervorgegangen, war er ihnen nun übergeordnet und für den Fortgang der ihnen aufgetragenen Arbeit dem Herrn verantwortlich — in größeren Wirtschaften daneben noch dem Inspektor.

 

Weil ich nun einen weiß, der diese Aufgabe so erfüllte, wie es auf unserer mangelhaften Erde kaum gedacht werden kann — der in schwerster Kriegszeit der Frau des Besitzers das Fortführen der Wirtschaft ermöglichte — ohne Herrn, ohne Beamte, ohne die kräftigen Arbeiter — ohne ausreichende Futtermittel, Ersatzteile und Treibstoffe — deshalb soll heute hier seiner gedacht werden, damit er nie vergessen wird: der Kämmerer Ferdinand Tepner.

 

Schon im Frieden nahm er es genau mit seinen Aufgaben. Er sah darauf, dass jeder Gespannführer seine 4 Pferde morgens rechtzeitig fütterte und pfleglich behandelte. Er wusste sofort den Grund, weshalb einer bei der Arbeit fehlte — wenn in Schwierigkeiten geholfen werden musste, wer eine Kuh billig vom Besitzer erwerben wollte — wann Arzt oder Hebamme mit Schlitten geholt werden mussten, wenn ihre Autos stecken bleiben würden. Er sagte dem Herrn, schon ehe dieser seine regelmäßigen Kontrollgänge durch die Arbeiterwohnungen machte, wo ein Ofen rauchte, eine Tür nicht schloss und ein Fenster verglast werden musste.

 

Er stand bei der Feldarbeit und folgte den Kolonnen, wenn der Besitzer längst zur nächsten arbeitenden Gruppe oder auf eins der Vorwerke geritten war. Sobald der wehende Schweif seiner großen Trakehner Fuchsstute hinter einer Bodenwelle verschwunden war, dachten alle: „Nu kimmt de Ole all nich wedder!" Aber bei ihnen blieb — — — der „Kämer"! Er nahm auch sie vom Felde fort, wenn sie bei längerem Regen „durchnass" waren, noch ehe „de Ole" natürlich doch überraschend noch einmal kam — und hatte sie dann schon auf der Tenne oder Scheune beschäftigt. Er merkte zuerst, „wer wo" klaute und für welche Wagenräder der Stellmacher zuerst Reservespeichen machen musste — da in einer guten Wirtschaft ja alle Teile vorrätig sein sollen...

 

Niemals „kroch" er, sondern sagte auch dem Herrn seine Meinung unverholen, aber in würdiger Form. Er schikanierte niemanden, aber faulenzen gab es nicht. Er kannte überall seine Möglichkeiten und Grenzen — wieviel Menschen können das? Überall sorgte er in seinem Gebiet gleichmäßig für Mensch und Tier, für Besitzer und Arbeiter. Es lag nicht allein an seinem natürlichen Verstand und

seiner praktischen Erfahrung — strengste Pflichterfüllung und inneres Wohlwollen für alles, was auf dem Hofe lebte — das war sein Ethos. Darin lag das Geheimnis der Achtung, welche dieser aufrechte, einfache Sohn der ostpreußischen Erde überall genoss.

 

Vor dem „Steinerspeicher", dem ältesten Gebäude des Hofes, noch in der Ordenszeit aus dicken Feldsteinen gemauert, stand er sommers und winters bei Arbeitsbeginn — in Leinenjacke, grauer Joppe oder Schafspelz — mit Schaftstiefeln oder „Gänserümpfen" — aber immer mit seinem dicken Knotenstock. Hinter ihm lag die wuchtige Masse der Wirtschaftsgebäude — vor ihm führte der Hohlweg in das tief unten am Pregel gelegene Dorf hinunter. Er läutete die Hofglocke, (Labimmel — labammel!!) bis es „jeder einzige" gehört haben musste, und sah mit den scharfen hellen Augen über dem Schnauzbart und der gebogenen Nase seinen Schäflein entgegen.

 

So stand er weiter dort als der Besitzer längst im Felde war — selbst wie ein mächtiger Feldstein, im fernen Geschützdonner von der Grenze und während der Bombenangriffe auf das nahe Königsberg. Wenn dort nachts die Sirenen gingen und Scheinwerfer den Himmel erleuchteten, schickte die Frau des Besitzers den Nachtwächter nach ihm, brachte ihre Kinder und Hausleute in den Keller, und ging durch die im Nachtwind leise raschelnde Allee auf den Hof. Dort kam er ihr meist schon entgegen, hatte alles geweckt und die Betriebsfeuerwehr bereit gemacht. Im schauerlich roten Schein der abgeworfenen „Tannenbäume" machten sie dann zusammen lange bange Stunden ...

 

Schwer war es für den Kämmerer mit den belgischen Kriegsgefangenen. Sie waren geschickt und willig, stammten aber zum Teil aus städtischen Berufen und verstanden vor allem seine Sprache nicht. Wohl übernahm es die „Fru", auf Französisch zu erklären, Ärger zu schlichten und die einzelnen Arbeiten zu bezeichnen, ganz besonders in der Stellmacherei und Schmiede. Es blieben aber genug Stunden, wo sie anderweitig zu tun hatte, denn auch der eingearbeitete, auf einem Bein lahmende Rendant wurde eingezogen ...

 

Groß war die Schwierigkeit, diese Menschen satt zu bekommen; denn sie erhielten nur Lebensmittelkarten für städtische Rationen. „Wenn sie unsere Ernte einbringen sollen, ist das zu wenig!" sagte Tepner. „Bedenkt das die Regierung nicht?"

 

Aber auch das Vieh musste bei den freigegebenen eigenen Futtermengen zu mager bleiben — soviel sie auch berieten, und hin und her schoben, was sie hatten — Magermilch, Kartoffeln, Schrot...

 

Schließlich ging etwas an der Lokomobile kaputt; Ersatzteile waren um kein Gold (und um kein Huhn oder Ei!) zu beschaffen — es konnte nicht rechtzeitig abgeliefert werden, und die Kreisbauernschaft ließ „zur Strafe" (dies ist tatsächlich ausgesprochen) auch noch die Gutsschrotmühle versiegeln. Heil wurde die Maschine davon nicht; aber die Milch ging herunter, und die Schweine nahmen nicht zu ... Der Alte schüttelte den Kopf.

 

Da waren die Sünder gegen die Kriegsbestimmungen unter den eigenen Arbeiterfamilien, die er gern geschont hätte. Milch von der einzigen Kuh abliefern und nicht buttern können, ist bitter, und von allen Deputatkartoffeln nur 4 Zentner behalten dürfen, kommt bei Landarbeitern, die in dieser Hinsicht keine Sorge ums Essen kennen (Brot wurde vom Deputatgetreide selbst gebacken), schon fast einer Hungersnot gleich.

 

Schließlich legte eines Tages der „Kollege ein neu angenommener Hofkämmerer, der nur auf dem Wirtschaftshof seine Aufgabe hatte, die Arbeit nieder! Er hatte bei der Deputatmilchausgabe mit den Frauen Streit bekommen... Die „Fru" war noch nicht zum Klingeln auf den Hof gegangen, als der Alte schon im Morgendämmern bei ihr auf dem Vorsaal des Gutshauses stand und verlangte, dass sie das in Ordnung brächte. Beide waren sie sich einig, dass dem „Herrn" das mit seiner Autorität und Erfahrung besser von der Hand gegangen wäre. Wie sehr fehlte er ihnen! Dann holte Tepner die feindlichen Parteien. Sie ging die alte knarrende Treppe hinunter und stieß im Arbeitszimmer ihres Mannes die Läden auf — setzte sich hinter den großen Schreibtisch mit den Bildern der fünf Kinder und all dem musterhaft geordneten Arbeitsgerät, und hoffte auf das Fluidum dieses allen Arbeitern zugänglichen und wohlbekannten Raumes. Es wirkte! Nach Versiegen ihres erregten Geschimpfes erfuhren die Verzankten, dass so etwas nicht passieren dürfe, solange der Besitzer und ihre eigenen Angehörigen im Felde wären. Sie möchten gehen und ihre Pflicht hier genauso tun. Sie gingen wahrhaftig!

 

Daneben stand unterdessen mit unbewegtem Gesicht — ein aufmerksamer Zeuge auf vorbildlich gestrickten Schafwollsocken — so wie er immer „zum Herrn" gekommen war — Kämmerer Tepner. Welche Ruhe strahlte der Treue aus!

 

Dann musste neben den so erschwerten laufenden Arbeiten noch das Instandsetzen der Treckwagen für alle drei Höfe geschafft werden. Tepner wollte und wollte nicht glauben, dass das Schreckliche wahr werden könnte.

 

Aber vorgesorgt musste werden, und alles wurde bis ins Kleinste vorbereitet. Dazwischen kamen die erregten Anrufe der Kreisbauernschaft: Abliefern, abliefern! Dreschen, dreschen! Und wenn nicht anders, dann mit defekten Maschinen — —- — —! Der Kreis soll den Ruhm haben, mit den Ablieferungen an der Spitze zu stehen!

 

Alles trug der Kämmerer mit der Frau seines Herrn. Nur einmal war er böse mit ihr: als sie von vier Treckern — für den fünften und sechsten waren wie üblich gerade keine Ersatzteile zu bekommen — zwei auf die beiden Vorwerke geschickt hatte. Nur zwei für „seinen" Hof — das sei zu wenig, damit bekämen wir vor Frost nie zugepflügt, meinte er grimmig und verließ sie zum ersten Mal grußlos im Zorn! Aber sie einigten sich bald wieder für die Sache, der sie dienten, und der „liebe Gottchen" gab weiches Wetter, bis zugepflügt war ...

 

Als der Besitzer verwundet nach Hause kam, durchschaute er mit geschultertem Blick sofort die überwundenen Schwierigkeiten, und war zufrieden mit den vorhandenen Leistungen. Er konnte seinem Getreuen noch danken — und dann musste er ihn ins Krankenhaus der Barmherzigkeit nach Königsberg schaffen. Wegen Gefährdung und Überfüllung wurde er von dort aus bald in die kleine Stadt Allenberg verlegt, wo er starb.

 

Es ist ihm erspart geblieben, zu erleben, wie von dem Hof, dem seine Kraft und Arbeit gehört hatte, der Treck in sein Verderben ging. Am Tag nach seinem Tode wurde Allenberg von den Russen überrannt. Ob er noch begraben wurde, weiß niemand. Was aber auch mit seiner sterblichen Hülle geschehen sein mag — sein unsterbliches Teil ruht in Gottes Frieden. Nichts ist umsonst gewesen, was er getan hat, wenn auch „sein" Hof mit der Heimat in Feindeshand gefallen ist. Denn alles zieht seine Kreise und sendet seine Strahlungen aus — sichtbar oder fühlbar — früher oder später!

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (4)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Zu Haus ward mal e Hirtsjung von 12 Jahre gefragt, wie es ihm geht. „Ach", sagd er, „einer kommt auße Angst nich raus. Im Sommer Gewitter und im Winter inne Schul!" So geht auch uns jetz, aber nich wegnem Gewitter, und auch nich wegne Schul, sondern ---. Also vorvorgte Nacht schliefen wir friedlich in unsere Flohkisten. Die missen Se mal sehn, denn die sind diräkt reif fiere Ausstellung. Holzrahmen, mit Streifen vonnem zerschnittenen Zeltplan bespannt und vier runde Klötze runtergestellt, wo wir miehsam vonne Klob abgesägt haben. Einer schläft ja nich weich, aber niedrig. Wenn rausplumpst, fällst wenigstens nich so tief. Na jedenfalls, wir haben uns frieh hingehauen, de Emma hat Sich e wollnem Schal ummen Bauch gewickelt, wegnem Blinddarm, wo ihr e bißche zergen tat, und e wollnem Sock umme Gurgel wegen ihre Verkiehlung. Ich treimd geradzig von saurem Kumst und Schweinefiesse und begnagd so richtig mit Gefiehl dem Knochen von alle Seiten, da kreischt de Emma mit eins los, als wenn ihr einer wirgen tut, macht e großem Satz und huckt patärr auf die kalten Dielen. Ich wurd nu foorts wach, schmiß dem Knochen inne Eck und huckt mir aus Simpatie daneben. Dabei wurd mir wieder klar, wie sinnreich es doch im Leben eingericht ist, daß unsere Betten so niedrig sind. Wie leicht hätten wir uns sonst was verbiegen könnt. Aber ich hädd nich Zeit, dadrieber noch länger zu simmelieren, denn nu brilld de Emma: „Trostmann", — das sagt se immer, wenn se aufgeregt is, denn findt se nich gleich meinem Vornamen Und nochmal „Trostmann, wach auf, es hat einer nebenbei geschossen." Mit Schießen, wissen Se, hab ich nich viel im Sinn, aber ich beruhigd ihr und sagd: „Wer soll hier schon schießen?" Dabei grabbele ich schon hinten rum nach meinem scheenen weggeschmisssenen Knochen. Aber denn sprang ich hoch, als wenn ich mir auf e Nadelkissen gehuckt hädd, denn nu knalld es ganz laut und deutlich inne Kammer nebenbei. „Siehst", sagd de Emma, „nu hast es, nu bringen se uns aller um." Und denn brilld se: „Hilfe, Hilfe!" „Halt dem Rand", sagd ich, „du weckst ja de Ratten und Meise mit Dein Gebrill." Aber mir war doch e bische gruselig bei dem Gedanken, daß wir nu einem schrecklichem Tod sterben sollden, de Emma mit Schal und wollnem Sock, und ich ohne meinem scheenen Knochen. „Sei endlich mal e Mann", meind de Emma, wie se bein Brillen mal e bische Luft holen missd, „und geh die Mörders verschichern, Angriff is immer de beste Verteidigung." Wo se das wieder aufgeschnappt hat, weiß ich nich, aber es war so dringend und iberzeigend gesprochen, daß ich mir zähneklappernd erhob — nich wegen die Schisse, sondern natierlich wegen die Kälte — mir de Bixen ieberzog und nu mit baumelnde Hosenträger gegnem Feind marschierd. Was solld ich schließlich tun? De Emma blieb natierlich in die Etappe, aber wennigstens riß sie sich dem Sock vonne Gurgel. Mit dem wolld se zuschlagen, sagd se, wenn der Kerdel ihr zu dicht aufem Leib gerickt kam. Ich nu also raus! Es war diester wie im Sack, und wie ich anne Kammertier stand, da fiel mir ein, daß ich de Wuschen vergessen hädd. Deshalb wolld ich umkehren, aber de Emma kommandiert: „Nuscht jets von Wuschen, Du gehst auf ihm los und schlägst ihm zu Brei!" Da rucksd ich mir zusammen, nahm meinem Knippel auße Eck, riß de Kammertier auf, stirzd rein und haud wie wild inne Gegend rum. „Au, au", sagd da mit eins einer in die Finsternis, und wie de Emma nu mit Licht kam,' stand der Bauerochse inne Eck und hield beide Hönde vor seinem Eierkopp. Zweimal hadd ich ihm am Dassel getroffen, und das gefiel ihm nich. Deshalb fing er an zu schimpfen: „Was fällt Ihnen ein, mir hier tätlich anzugreifen?" Aber nu kam ich erst richtig in Fahrt: „Was schießen Se mitten inne Nacht hier rum und jagen uns auße Betten! Sie Ochse — Bauerochse! Wenn Se sich schon erschießen wollen, denn nehmen Se e Strick, der knallt wenigstens nich so laut." Im Stillens freid ich mir natierlich ganz aasig, daß ich auf die Art mal e kleine Rechnung bezahlen konnd. Einer soll ja nich schadenfroh sein, aber es is doch wirklich der scheenste Frohsinn, wo man gibt. Nu hädd er aber gar nich geschossen, es waren bloß zwei von seine eingemachte Fleischbichsen hochgegangen, er wolld auch nachsehn, was da inne Kammer los war. Wissen Se, der Schlacht fier sich allein jedes Jahr e Schwein von drei Zentner, macht alles in Bichsen, is aber zu geizig, was zu essen. Er lauert immer, bis was verfault is und hochkommt. Denn er hält das stönkrige Zeig der Emma untre Nas und fragt ihr, ob das noch zu essen is. Und wenn de Emma denn sagt: „Schmeißen Se das bloß aufem Misthaufen", dann geht er inne Kich, kocht es noch einmal auf, daß das ganze Haus stinkt wie de Pest, und denn verzehrt er es mit gesundem Appetit. Mir schittelt es immer, wenn ich das seh. Aber es schadet ihm nuscht, er hat e Magen wie e Ferd. Jedenfalls war nu de nächtliche Schießerei zufriedenstellend geklärt, der Bauerochse schimpfd weiter, und wir räumden als Sieger das Schlachtfeld. Aber das war man der erste Schreck, der zweite kam dem andern Vormittag. Da sägden wir es bische Holz und de Emma klemmd sich dem Daumen an die molsche Säg. Das is nuscht Besonderes, denn se klemmt sich jedesmal dem Daumen, der is das all geweehnt, auch wenn se immer drei Tage lang wuien tut. Das Besondere war e wildes Tier, was mit eins iebrem Hof geschlichen kam So e Tier hädden wir noch nich gesehn. Es war braun, de Haare gesträubt, so groß wie e Fuchs und de Emma schrie los: ,,E junger Löw! Der hat bestimmt de Tollwut!" „Aber wo soll hier e Löw herkommen?" „Na, er kann doch aus einem Tiergarten rausgehoppst sein!" Warum sagst nich gleich, das is e Elch oder e Elefant?" Inzwischen war das Beest inne Schein reingekrochen, und wie ich nachsehen geh, da liegt es lang und zappelt. Und es is gar kein Löw, sondern dem Bauerochse sein großer Kater. Er heißt Peter, aber weil er immer so behaglich schnurrt, haben wir ihn Schnurrkolies getauft, das klingt so heimatlich. Und denn wurde mir auch klar, was passiert war. Der Bauerochse hädd e großem Kessel Sirup gekocht aus Zukkerrieben. Der stand nu all drei Tag inne Waschkich zum Abkiehlen. Und der Schnurrkolies war in dem Sirupkessel reingeplumpst, konnd aber noch gerad so raus und hädd sich denn inne Spreu gerollt, weil er das klebrige Zeig außes Fell loswerden wolld. Deshalb die braune Löwenfarb und deshalb die gesträubte Haare. Das waren die Hachels vonnes Spreu — hier sagen se Kaff darauf. Nu hädden Se man de Emma sehen solld! Se brachd sich rein um fier dem Kater, denn se hat ihm direkt innes Herz geschlossen. Einer kann rein neidisch werden. Es wurd heiß Wasser gemacht, der Kater wurd gebadt und am warmen Ofen hingehuckt zum trocknen. Ich sagd, se soll ihm iebre Lein hängen Aber da kriegd ich was zu beeren, daß ich herzlos bin und kein Mitleid mit so e armes Tierche hab und so weiter. Na jedenfalls war er denn bald wieder aufe Beine, wenn ihm auch das Baden nich gefiel. Um dem Sirupskessel ging er aber denn im großen Bogen rum. Und wie wir dem Bauerochse das erzählen, daß der Kater in seinem Sirup rumgepaddelt is, da meind er: „Das schadt nuscht, er war ja däsinfiziert , denn ich hädd ihm gerad mit weißes Flohpulver auße Droscherie gepudert." Der frißt dem Sirup genau so mit Appetit wie das stänkrige Fleisch. Aber wenn er mir mal Sirupsbrot anbietet, denn wer ech heeflich danken, lieber saug ich Pfoten, als daß ich Katersirup ess. Oder ich flichte mir innes Traumland, wo es saurem Kumst mit Schweinefieße giebt. Nu sagen Se selbst, kann einer bei sone Aufregungen nich vore Zeit e Schlaganfall kriegen? Ich hab in meine lange Laufbahn schon allerhand Schreck.erlebt, wo mir auch firchterlich aufgeregt hat, aber nächtliche Schießerei und tollwütiger Löw so kurz hintereinander is doch e bische viel fier e heeherem Postbeamten. Ach, da fällt mir noch was ein, was ich Ihnen erzählen muß, aber erst das nächste Mal, denn es is all wieder spät geworden, und der Brief wird auch e bische zu lang. Deshalb begrieße ich Ihnen herzlich.

als Ihr getreier

Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 13   Heimatforscher Dr. Konrad Haberland, 75 Jahre alt (Foto)

Am 16. November 1953 kann Dr. Haberland in Kiel in voller körperlicher und geistiger Frische sein 75. Lebensjahr vollenden. Er wurde 1878 in Insterburg geboren und verlebte dort seine erste Kindheit. Seit 1889 wohnte er in Thorn und besuchte dort das altberühmte Gymnasium bis zur Reifeprüfung. Die gewaltigen Baudenkmäler des Deutschen Ritterordens machten dort einen großen Eindruck auf ihn und haben wohl den Grund gelegt zu seinem Interesse für Heimatgeschichte und Heimatforschung. Nach dem Studium der Rechte in Berlin und Königsberg und bestandenem Assessoren-Examen arbeitete er in der Stadtverwaltung in Königsberg und übernahm schon am 1. Januar 1911 die Stellung eines Bürgermeisters der Seestadt Pillau. Bis 1920 hat er mit viel Lust und großem Interesse für die Stadt Pillau gewirkt, auch über ihre Geschichte mehrere Bücher geschrieben. Bei seinen Studien fand er u. a. im Kartenarchiv des Großen Generalstabes in Berlin einen Plan der Kurfürstlichen Werft in Pillau und im Kriegsarchiv in Stockholm vier Ansichten und Pläne von Pillau aus der Zeit König Gustav Adolfs. Ein Höhepunkt seiner Tätigkeit war u. a. die Einweihung des Kurfürstendenkmals unter Beteiligung von Heer und Marine. In den bald darauf folgenden schweren Jahren des ersten Weltkriegs bemühte er sich nach Kräften, seinen Bürgern das schwere Leben zu erleichtern und mit ihnen Freud und das viele Leid zu tragen. Auch während der Revolutionszeit verstand er es, mit deren Führern gut fertig zu werden. So war er einer der wenigen Bürgermeister Ostpreußens, die im Amte blieben. Als Dank und Anerkennung ernannten ihn später die städtischen Körperschaften in Pillau zum Ehrenbürger. Auch eine Straße der neuen Eigenheimsiedlung in der Plantage erhielt seinen Namen.

 

Im November 1920 trat er zur neu begründeten Reichsfinanzverwaltung über und wurde Regierungsrat beim Oberfinanzpräsidium in Königsberg. Auf seinen vielen Dienstreisen lernte er seine schöne ostpreußische Heimat genau kennen und lieben. Es wurde ihm deshalb sehr schwer, von Ostpreußen Abschied zu nehmen, als er 1938 an das Oberfinanzpräsidium Nordmark in Kiel als Finanzpräsident versetzt wurde. Der zweite Weltkrieg, der ein Jahr später mit seinen schweren Fliegerangriffen besonders für Kiel verheerend war, brachte ihm noch für die letzten Jahre seiner Beamtenlaufbahn viel Sorgen und Aufregungen. Sein Dienstzimmer wurde vollständig zerstört, die Wohnung blieb, wenn auch sehr beschädigt, erhalten. 1944 trat er in den Ruhestand und beschäftigt sich jetzt in seiner Freizeit weiter mit Heimatforschung.

 

Seine Bücher zur Geschichte der Seestadt Pillau, die 1913, 1922, 1925 und 1936 erschienen, sowie zahlreiche kleinere Aufsätze zeugen von der großen Liebe des Verfassers zu seiner ostpreußischen Heimat. Dr. B.

 

Seite 14   Friedhöfe im deutschen Osten. Von Rudolf Naujok

Die Vertriebenen haben nicht nur ihre Heimat verloren, sondern auch ihre Toten. Wer die Innigkeit kennt, mit der sie an ihnen hingen, weiß, dass ihnen der Totensonntag in jedem Jahr zu einem neuen Schmerz wird.

 

Vor ihrem inneren Auge tauchen die großen, stets sorgfältig gepflegten Stadtfriedhöfe auf: Memel, Königsberg, Allenstein, Danzig, Elbing, Bresiau, Stettin ... auch, es ist ohne Ende, die Kette der verlorenen Toten. Auf stolzen Kreuzen und kostbaren Grabmalen standen Namen, die in der Geschichte des Ostens, ja, ganz Deutschlands und der Welt ihren Klang bis heute bewahren. Das Rauschen der Trauerweiden und Lebensbäume erzählte vom Leben und Sterben alter Geschlechter.

 

In den Kirchdörfern ruhten die Toten im Schutze alter Ordenskirchen, deren wehrhafte Türme erkennen ließen, dass sie auch im Krieg letzte Zuflucht bedeuteten. Siebenhundert Jahre lang, bis die Stunde des Abschiedes für die Lebenden kam und damit auch für die Toten.

 

Nirgends wurde einem die Vergänglichkeit alles Irdischen so vor Augen geführt, wie auf den alten Fischerfriedhöfen in den Dünen der Ostseeküste. Halb vom Sand verweht, in einer blühenden, wuchernden Wildnis lagen sie da, die ärmlichen Holzkreuze morsch und zum Verfall bereit.

 

Es gab auch Fischerfriedhöfe in den Niederungen der großen Ströme und an den Haffen. Wegen des Hochwassers mächtig aufgeschüttet, von alten Bäumen überhöht; wurden sie zu Richtmarken über das grüne Wiesenmeer der Niederungen und Werder. Während des Hochwassers suchte das verängstigte Wild hier Schutz, sogar Elche im Memeldelta. Manchmal geschah es, dass bei stürmischen Eisgang, eine große Scholle so einen Kirchhof von der Seite aufriss, und dass dann zum Entsetzen der Bewohner die Särge sichtbar wurden oder sogar, in seltenen Fällen, auf dem Wasser umherschwammen.

 

Unvergesslich sind auch die kleinen Friedhöfe der großen Rittergüter. Unter mächtigen Eichen ruhten hier die alten Rittergeschlechter des Landes, deren Namen jedem vertraut waren. Den gleichen erhabenen Eindruck von Unsterblichkeit hatte man vor den Grabsteinen der Großen des Geistes, etwa vor dem Grabmal Immanuel Kants am Dom zu Königsberg.

 

Der Soldatenfriedhöfe des Ostens sei besonders gedacht. Auf den Hügeln Masurens, im Anblick leuchtender Seen, ruhten die, deren Tapferkeit im ersten Weltkrieg noch einmal die Heimat retten konnte. Und mitten unter ihnen, im Mahnmal von Tannenberg ruhte auch ihr Feldherr, Hindenburg.

 

Nicht nur die Lebenden besetzen ein Land, sondern auch die Toten, so seltsam das klingt. Die deutschen Namen auf den Millionen Kreuzen bedeuteten einen unüberhörbaren Anspruch und hielten den Eroberern stets eine Gewissensfrage vor Augen. Sie wurden daher eingeebnet und in Sportplätze oder Ackerland verwandelt. Kein Stein und kein Mahnmal erzählt mehr von den Generationen, die hier lebten und starben.

 

Aber die Toten sind nicht tot, wenn ihre Gräber auch eingeebnet wurden und wenn keiner ihrer Nachkommen mehr einen Kranz auf ihre Ruhestätte legen kann. Lassen wir sie sprechen mit den Worten des baltischen Lex Schloß, der nun selbst zu den Toten gehört:

 

„Nicht in Gräbern sind wir geborgen,

Tot sind die Tafeln aus kaltem Stein,

Wir von gestern und ihr vor morgen

Können niemals geschieden sein.

Ob wir fern und verlassen liegen,

Staub, verstreut über manchen Ort,

In eueren Häusern, in eueren Wiegen

Leben wir unvergesslich fort . . ."

 

Seite 14   Ostpreußens Bäckerhandwerk

Im Sommer dieses Jahres hatte ich in diesem Blatt alle bis 1945 selbständig gewesenen Kollegen gebeten, mir ihre heutige Anschrift mitzuteilen. Viele haben es getan, doch fehlt noch ein großer Teil. Diese Kollegen bitte ich um sofortige Meldung, wofür jeder ein umfangreiches Rundschreiben mit den Anschriften bereits ermittelter Kollegen erhält.

Mit Heimatgruß

Arthur Tobias. Lübeck-Travemünde, Am Heck 2

 

Seite 14   Königsberger Werke und Straßenbahn G.m.b.H. (KWS)

Der Arbeitsausschuss der ehemaligen Betriebsangehörigen der Königsberger Werke und Straßenbahn GmbH (KWS) beabsichtigt, eine Neuauflage seines Anschriftenverzeichnisses herauszugeben. Vorbestellungen nimmt Herr Alfred Berger, (24b) Leck (Schleswig), Gallberg 2, entgegen. Der Preis beträgt voraussichtlich 2,-- DM je Exemplar.

 

Seite 14   Tilsiter Dragoner

Alle ehemaligen Prinz-Albrecht-Dragoner aus Tilsit werden gebeten, zwecks Gründung einer Dragoner-Kameradschaft ihre Adressen an Franz Barkam, (21a) Lübbecke, Bergerstraße 16, mitteilen zu wollen. Angabe der Dienstzeit, von wann bis wann gedient, Familienstand sowie Geburtsdatum ist erforderlich.

 

Seite 14   (Foto) 40 Jahre Fa. Zimmermann, Tilsit

Die Firma Johannes Zimmermann, Tilsit wurde von ihrem jetzigen Inhaber am 01.10.1913 gegründet. Durch seine Qualitätsware hatte sich die Firma einen guten Ruf erworben, der weit über Tilsit hinausging. Herr Zimmermann war eine bekannte Persönlichkeit und mit verschiedenen Ehrenämtern betraut, u. a. bis 1933 unbesoldeter Stadtrat, seit 1924 Vorstandsmitglied der Städt. Sparkasse. Dieses Amt hatte er, trotzdem er nicht Parteimitglied war, bis zur Auflösung der Stadtverwaltung Tilsit bekleidet. Mit seinen 70 Jahren hat er seinen Lebensmut und seine Tatkraft nicht eingebüßt und betreibt jetzt ein Versandgeschäft. Seine alten Kunden haben ihm die Treue gehalten. Wir wünschen ihm, dass er noch sein 50-jähriges Geschäftsjubiläum erleben möchte.

 

Seite 14   Suchanzeigen

Ich suche meinen Onkel Gustav Krack, Polizeibeamter i. R. und seine Ehefrau Antonie, aus Ostseebad Cranz. Nachricht erbittet Meta Hühnert, geb. Krack (13a) Brückenau Ufr., Frühlingstraße 19

 

Kaufmännischer Verein, Königsberg, Preußen. Wer weiß etwas über den Verbleib von Fräulein Anna Liehr, der langjährigen Bibliothekarin der Bücherei des kaufmännischen Vereins Königsberg, Glückstraße. Nachricht erbeten an Frau Else Schaefer, (früher Königsberg), Vogelweide 10, Wittingen (20a), Lange Straße 47

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Sohn, Obergefreiter Herbert Paskarbeit, geb. am 22.01.1922 in Memel (Ostpr.), wohnh. Memel, Feldstraße 4, Feldp.-Nr. 22298 E. Letzte Nachricht 09.01.1945. Kriegsschauplatz Ostpreußen. Nachrichten erb. seine Mutter Frau Frieda Paskarbeit, (24) Grünendeich 109, Kreis Stade (Elbe).

 

Wer kann Auskunft geben über Max Braunsberg, geb. 17.02.1886, Charlotte Braunsberg, geb. Braunschweig, geb. 02.09.1896, Max Braunsberg, geb. 22.05.1929, Helmut Braunsberg, geb. 01.10.1934, aus Allenburg, Kr. Wehlau (Ostpr.), letzter Aufenthalt 19.03.1945 Ohra/Danzig. Nachricht erb. Dorothea Braunschweig, Erlangen, Bismarckstr. 30.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Sohn, Oberfeldwebel Egon Gawienski, geb. am 01.08.1914 in Mehlsack (Ostpr.), Kreis Braunsberg. Feldp.-Nr. 04512 D. Letzte Nachricht vom 7. März 1945. Kriegsschauplatz Ostpreußen - Raum Frauenburg (Haff). Soll im März 1945 schwer verwundet (Bein amputiert) i. Krüppelheim Frauenburg Ostpr. (Haff) gelegen haben. Heimatanschrift Mehlsack, Kr. Braunsberg, Göringstraße 11. Nachr. erb. seine Mutter Frau Luzia Gawienski. (24) Grünendeich 36. Kreis Stade Elbe.

 

Gesucht werden Franz Fuhge aus Widrinnen, Kr. Rastenburg Ostpr., geb. 24.10.1889: Hubert Fuhge aus Freudenberg, Kr. Rössel, geb. 01. 07.1928. Er wurde 1945 von den Russen aus Pommern verschleppt. Paul Sahm aus Frendenberg. Kreis Rössel, geb. 12.08.1898 in Heiligenfelde. Er wurde im Februar I945 von den Russen verschleppt. 1946 soll er im Urlal gewesen sein. Um Nachricht bittet Helena Fuhge, (21a) Wewelsburg über Paderborn (Westf.). St. Josefs-Heim.

 

Erich Siegfried, , Ltn., geb. 31.01.1921. Letzte Feldp.-Nr. 25937 G (Panz.-Gren.-Div. Feldherrnhalle). Vermisst zwischen 29.06. bis 05.07.1944 bei Mogilew. Heimatanschrift: Königsberg (Pr). Goltzallee 18. Nachr. erb. Erika Siegfried. Hamburg 6, Agathenstraße 8.

 

Wer kann Auskunft geben über Frau Gertrud Schefski. geb. Zehrt, geb. am 27.04.1898, zuletzt wohnhaft gewesen in Königsberg-Ponarth, Schreberstraße 4. Sie war bis zum Schluss beim Heereszeugamt in Königsberg tätig. Nachricht erbittet Dora Spreu, Wolfenbüttel, Am Walde 4.

 

Achtung! Heimkehrer! Obergefr. Jakob Gatzke, geb. 27.09.1906, Wohnort Kudern, Kr. Angerapp (Ostpr.), Feldp.-Nr. 09596. 1. Gren.-Rgt. 282. Am 11.04.1944 in der Buglankstellung bei Kertsch (Krim) in russ. Kriegsgefangenschaft geraten. Im Juni 1944 im Lager 3-242 in Nikitowka bei Stalino - Donetzbecken - gewesen, soweit die Nachricht eines Heimkehrers. Weiter fehlt jede Nachricht. Um Auskunft bittet Frau Frieda Gatzke, Orsdorf, Kreis Stade, Post Harsefeld.

 

Gesucht wird Oskar Lossau, geb 14.04.1895 bei Heilsberg (Ostpr.), zuletzt wohnhaft Lichtenau, Kreis Braunsberg (Ostpr.). Mein Mann ist seit 10./11. März 1945 durch Einmarsch der Russen in den kl. Ort Lanz, ca. 8 km von Lauenburg (Pomm.) vermisst. Wo ist Herr u. Frau Nietschmann, früher Münsterberg bei Guttstadt (Ostpr.), die zu damaliger Zeit auch dort waren? Wer war damals noch mit Lossau zusammen? Welche Person kann berichten — die in derselben Gegend von den Russen mitgenommen und dann entlassen wurde — wohin deutsche Zivilisten verschleppt wurden? Unkosten werden erstattet. Nachricht erbittet Frau Frieda Lossau, geb. Klein, früher Lichtenau, Kreis Braunsberg (Ostpreußen), jetzt (14b) Reutlingen (Württbg), Paul-Pfizer-Str. 39

 

Suche meine Schwestern Fräul. Hedwig Gischewski. 70 Jahre alt, und Fräulein Emma Gischewski, 68 - 69 Jahre alt. zuletzt wohnhaft in Nikolaiken, Sensburger Straße. Bekannte wollen sie im Januar 1945 in Mehlsack gesehen haben, dann fehlt jede Spur. Wer kann über ihren Verbleib irgendeine Auskunft geben? Nachr. erb. an Frau Ira Lück, geb. Gischewski, (14a) Nürtingen a. N. (Württbg.). Steinhofer Straße 24.

 

Wer kann Auskunft geben über Wilhelm Rauter, Wehlau. Gartenstraße 4, zuletzt Soldat In Danzig. Nachricht erbittet an Leo Renkel, Düsseldorf Eisenstraße 48.

 

Ich suche Kurt Borowski, Bernhard Bosien, Bernhard Dietrich? aus Königsberg, Gerhard Raese oder Baese, Spieka-Neufeld über Bremerhaven.

 

Liebenfelder, Ostpr. Gesucht werden: 1. Amtsgerichtsrat Schulz und Amtsgerichtsrat Uhlwurm, Liebenfelde. 2. Andere Beamte und Angestellte des Amtsgerichts Liebenfelde. — Grund dieser Suchanzeige: Fehlende Beurkundung darüber, dass der vermisste Hans Haase, Justizinspektor, Beamter d. Amtsgerichts Liebenfelde gewesen ist. Nachricht erbeten an Ernst E. Reich, Lehrer a. D., (20a) Hützel Nr. 32 b, Soltau (Hann.), früher: Gutfließ bei Liebenfelde. Kreis Labiau.

 

Carl Lang, geb. 28.08.1863, in Tharau, wohnhaft in Königsberg, Neue Reiferbahn 8, wird gesucht. Letzte Nachricht aus Rügenwalde (Pommern), wo er Ende April 1945 bei einem Bauern Duberte arbeitete. Nachricht über Verbleib erbittet: Ernst Romeyke, Drogeriebesitzer, fr. Königsberg, Juditter Allee 36. jetzt Flensburg, Johannisstraße 88.

 

Margarete Waldeck, geb. Depkat-Kempowski, geb. am 15.03.1923, aus Mehlsack (Ostpr.), Stadtberg 2, und Kind Christel Waldeck, geb. August 1944 in Mehlsack, werden gesucht. Letzte Nachricht vom 15.02.1945 aus Stolp (Pomm.), Petri-Kirchen-Weg. Wer etwas über weiteres Schicksal meiner Schwester weiß, wird um Nachricht gebeten (Porto-Ersatz). Frau Gertrud Funk, fr. Kbg.-Seligenfeld, Hirzhalsweg 29. jetzt (24b) Flensburg. Mürwiker Straße 201

 

Freunde und Bekannte aus Königsberg, wo seid Ihr geblieben. Gebt mir doch Nachricht! Franz Sommerfeld, Düsseldorf, Schirmerstraße 10

 

Günter Schwirz, geb 23.12.1921 in Scheignitz, vermisst seit Oktober 1944 an der Eismeerfront. Feldpostnummer 22 846 B. Wer kann über den Verbleib meines Sohnes Auskunft geben? Nachr. erb. Otto Schwirz. Röhrse 3 über Lehrte (Hann.).

 

Wer kann über den Unteroffizier Swett Jarl Hanke, geboren 1922 in Riga Auskunft geben. Feldp.-Nr. 03555. Zuletzt im Lazarett in Ostpreußen. Letzte Nachricht vom 1. Januar 1945. Auskunft erbeten an Clara Brenke. Minden (Westf.), Besselstraße 38.

 

Welcher Kamerad kann Auskunft geben über meinen Sohn Uffz. (ROB) Heinz Zollenkopf, Feldpostnummer 07542 D. Zuletzt in Kurland bis November 1944 nachweisbar. Nachricht erbeten an Arthur Zollenkopf (20a) Peine, Luisenstraße 48

 

Russlandheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder, Uffz. Dr. Heinz Behrendt, Feldpost-Nr. 56499 C, Sich.-Rgt. 75 III. Batl., 10. Komp., geb. 05.10.1904, Landgerichtsrat in Lyck (Ostpr.), Danziger Straße 44. Er ist am 07.07.1944 bei der Bahnstation Kenia im Raum von Wilna in russ. Kriegsgefangenschaft geraten. Soll zuerst im Lager Czenstochau in Polen gewesen sein und dann im Lager 73222/10 bei Czernowitz in der Bukowina. Soll dann nach Heimkehreraussagen im Dezember 1947 im Lager 254 500 nördlich von Bukarest gewesen sein. Nachricht erb. Alfred Behrendt, (24a) Stade, Kösliner Straße 6.

 

Gesucht wird Erna Meta Wassel, geb. 05.12.1917, in Königsberg, zuletzt wohnhaft in Kbg., General-Litzmannstraße 70. Letzte Nachricht von dort. Erna W. war noch 1947 in Königsberg mit einer Frau Wiludda (jetzt in Erlangen, Hindenburgstraße 44) zusammen. In welchem Lager ist Erna W. gewesen und gesehen worden? Wer kann Auskunft geben? Nachr. erb. Frau Anna Wassel, Honstetten, Haus 16, über Eichstätt (Mfr.).

 

Welcher Russland - Heimkehrer kann Auskunft geben über meinen Schwager Otto Kerbaum, geb. 26.08.1911 in Blankensee (Ostpr.), Feldpost-Nr. 23293 D. Vermisst gemeldet am 08.11.1943 im Raum v. Witebsk. Heimatanschrift war Wuslack, Kr. Heilsberg (Ostpr.). Um Nachricht bittet Franz Birkhahn, (23) Osnabrück, Koksche Straße 56 II  

 

Ich suche: 1. Frau Schröter bzw. Schröder geb. Will, früher wohnhaft zu Elbing (Westpr.), Preußenweg 4, oder deren Bruder, Uffz. Fritz Will, ca. 37 bis 38 Jahre. Derselbe war bei Frau Schröter wohnhaft. 2. Georg Hagen (früher Gajewski), wohnhaft zu Hohenstein (Ostpr.), Adolf-Hitler-Allee oder Bahnhofstraße. Vater desselben war in Hohenstein als Schullehrer tätig. Frau Gertrud Sendzik. Bad Gandersheim, Moritzstraße

 

Seite 15   Familienanzeigen

Gottes Güte hat uns zusammengeführt. Wir dürfen von nun an gemeinsam seinen Weg gehen. Pfarrer Arnold Freyer, Superintendent i. R. und Frau Elfriede, geb. Girod. Am 4. November 1953. Lübeck-Stockelsdorf, Dorfstraße 30. Kohlscheid, Kreis Aachen

 

Nach langem, mit großer Geduld ertragenem schwerem Leiden, entschlief am 30. Oktober 1953 meine liebe Frau, Helene Rosteck, geborene Krüger, im 66. Lebensjahr. In tiefer Trauer: Ernst Rosteck und alle Angehörigen. Königsberg, Preußen, Hinter Roßgarten 52/53. Jetzt: Tornesch/Holstein, Akazienweg 32

 

Wir betrauern tief das Ableben unseres Corpsbruders Dr. med. Fritz Sanio, praktischer Arzt, aktiv S. S. 1895, gestorben am 11.09.1953 zu Köln. Der Altherrenverband des Corps Masovia. Das Corps Palaiomarchia-Masovia Kiel.

 

Seite 16   Ostpreußen auf der Presse-Ausstellung

Foto: Das Ostpreußenhaus auf der Pressa 1926

Als vor 25 Jahren die große Internationale Presseausstellung in Köln eröffnet wurde, sagte der damalige Oberbürgermeister von Köln und Vorsitzender des Präsidiums dieser Ausstellung, Dr. h.c. Konrad Adenauer, vor einer geschichtlichen Darstellung der Intelligenzpresse des 18. Jahrhunderts (Intelligenzpresse bedeutete in der damaligen Zeit die staatlich sanktionierte reine Nachrichtenberichterstattung) zu dem ostpreußischen Oberpräsidenten Dr. Siehr humorvoll und zweideutig: „Da sehen Sie wieder, in Ostpreußen gibt es keine Intelligenz!"

 

Nun, wenn auch die Intelligenzpresse — wir stellen es anheim, ob sie als Vorteil oder Nachteil für das Niveau eines Landes gewertet werden kann — in Ostpreußen sicherlich keine hervorragende Rolle gespielt haben mag, so ist Ostpreußen als Zeitungsland an sich durchaus immer vorbildlich gewesen. Auch auf der Presseausstellung des Jahres 1928 war es wohl die einzige Provinz, die durch ein eigenes Ausstellungshaus vertreten war.

 

Die Hauptverkehrsstelle für Ost- und Westpreußen gab in dem „Ostpreußenhaus" eine hervorragende Übersicht über die Presse der abgetrennten deutschen Oststaaten. Die bauliche Gestaltung des Hauses war von den Architekten Hopp und Lukas in einer die Stellung des vom Mutterland getrennten ostdeutschen Landes charakterisierenden Form gelöst worden. Das Haus war aus Glas und Eisen errichtet, seine Fenster trugen die farbigen Wappen ostpreußischer Städte, über dem Eingang zeigte ein Relief Ostpreußens Insellage. Ostpreußens Befreier von der Russennot, dem Reichspräsidenten und Generalfeldmarschall v. Hindenburg war die Eingangshalle geweiht. Modelle von Burgen aus der Zeit des Deutschen Ritterordens und Reliefs ostpreußischer Landschaften gliederten und schmückten die Haupthalle, in der Mitglieder des Vereins ostpreußischer Zeitungsverleger ausgestellt hatten. Vor allem traten die Ausstellungen der Königsberger Allgemeinen Zeitung, der Königsberger Hartungschen Zeitung, des Königsberger Tageblatts, der Ostpreußischen Zeitung, des Königsberger Anzeigers, der Allensteiner Zeitung und der Heiligenbeiler Zeitung hervor.

 

Interessante Proben aus der Publizistik der Ostmark, die für die Entwicklung des Geisteslebens und des deutschen Zeitungswesens bedeutsam waren, gaben den Hintergrund für die Tages- und Fachpresse der damaligen Zeit und Ostpreußens Stellung im Ostnachrichtenwesen. Dabei war Ostpreußens größtem Sohn, dem Professor der Königsberger Albertus-Universität und weltbekannten Philosophen Immanuel Kant eine würdige Erinnerungsstätte bereitet. Hinweise auf Ostpreußens Verkehrslage, seine charakteristische Landschaft und die Spitzenleistungen der ostpreußischen Wirtschaft, soweit sie die Belange der Presse berührten, rundeten das Auslandsprogramm, das die geistesgeschichtliche Bedeutung dieses uralten Ostzentrums der deutschen Kultur veranschaulichte, ab.

 

Es war erstaunlich, welche Beachtung die so viel verkannte deutsche Provinz auf dieser Ausstellung bei allen Besuchern fand. Hatte doch dieses unbekannte Land im Osten einen eigenen und doch profilierten Typ der Presse hervorgebracht. Die Bedeutung der Presse wird uns heute bewusst, wenn wir bedenken, dass es nie vorher und nachher eine ebenbürtige Ausstellung auf irgendeinem Gebiet des kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Lebens gegeben hat. Allein die Beteiligung von 45 Auslandsstaaten und des Völkerbundes — in einer Zeit, in der Deutschland noch schwer unter den Folgen des ersten Weltkrieges und der französischen Besatzung zu leiden hatte — konnte als einmalig bezeichnet werden. In seinem Geleitwort betonte Dr. Adenauer: „Die Internationale Presseausstellung ... hat in der gesamten Kulturwelt stärksten Widerhall und größte Anziehungskraft gefunden. Die Bedeutung des Ausstellungsgebietes, die Verflechtung des vervielfältigten und verbreiteten Wortes mit allen Gebieten menschlicher Tätigkeit ist auch für die Sachkenner viel größer und interessanter, als man bisher annahm.

Heinz Radke.

 

Neue Bücherschau

Von den Wanderdünen der Kurischen Nehrung In der Reihe der naturwissenschaftlichen Monatsschrift „Aus der Heimat", herausgegeben von Prof. Dr. Wagner-Tübingen, Gartenstr. 23, erschien ein Sonderheft zum Preise von nur 2,-- DM: Von den Wanderdünen der Kurischen Nehrung. Das Heft enthält in knapper zusammengefasster Form eine ausgezeichnete, umfassende Darstellung über die Kurische Nehrung, ihre Entstehungsgeschichte, ihre geologischen, klimatischen, biologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen. Auch über die Geschichte der Nehrungsdörfer und ihren Kampf gegen die Wanderdünen wird berichtet. Kartenskizzen erläutern den Text. Beigefügt sind 24 Tafeln mit 42 hervorragenden Fotografien der Nehrung. Außerdem befindet sich in dem Heft ein Aufsatz des bekannten ostpreußischen Ornithologen Prof Schütz über Vögel auf Briefmarken, der nicht nur für Briefmarkensammler, sondern auch ganz allgemein von Interesse ist und durch hübsche Bilder ergänzt wird. Das Heft verdient besondere Beachtung und wird hoffentlich weite Verbreitung finden, wozu der erstaunlich niedrige Preis beitragen wird. G. v. Selle

 

Der neue Ostpreußen-Kalender

Ostpreußen-Kalender 1954, Gräfe und Unzer Verlag-Königsberg, jetzt München, 16. Jahrgang, 3,50 DM.

 

Einen besonders schönen Ostpreußen-Kalender legt uns der Verlag Gräfe und Unzer dieses Jahr vor. Der Kalender hat den doppelten Umfang wie im vergangenen Jahr. Alle vierzehn Tage erfreut uns ein neues Blatt, das außer einem schönen Bild der Heimat, welches als Postkarte verwandt werden kann, auch jedes Mal ein Gedicht oder einen kurzen Text eines ostpreußischen Dichters bringt. Die Auswahl der Bilder und Texte kann als besonders gelungen bezeichnet werden. Der Kalender wird in allen ostpreußischen Familien eine willkommene Weihnachtsfreude sein. S.

 

„Ostpreußenland — Ewiges Land"

Im Musikverlag Wilhelm Zimmermann, Frankfurt, erschien ein Lied mit dem Titel „Ostpreußenland — Ewiges Land". Die Worte sind von Heinz Schumacher, die Musik von Erich Börschel. Es ist ein Werk, das alle Musik-liebenden Ostpreußen besonders interessieren wird, denn es ist nicht nur für Gesang und Klavier, sondern auch für gemischten Chor und Männer-Chor erschienen. Die Noten werden in einer geschmackvollen Ausstattung — auf der vorderen Umschlagseite ist ein schönes Dünenbild — geliefert, und wird überall viel Freude bereiten. S.

 

„Schabber-Schabber"

Hanne Schneidereit plachandert, ostpreußischer Humor in Poesie und Prosa von und mit Marion Lindt. Copyright 1953 bei W, Pohl, Hamburg 24, Papenhuderstraße 45/47, Preis 2,-- DM. Geschenkausgabe mit zwei Bernsteinanhängern 2,85 DM.

 

Über dieses reizende Büchlein braucht man eigentlich gar nichts zu sagen, es spricht, nein, es schabbert. für sich selbst. Es enthält all die bekannten lustigen Geschichten und Gedichte, wie die Kleine Schabberei auf dem Ball, das ostpreußische Liebesgestammel und das Gedicht vom Bärefang und viele andere liebe alte Bekannte. Sie eignen sich zum Vorlesen an den langen Winterabenden, wo manches Rückerinnern kommt, zum Vortragen auf kleinen Festlichkeiten und auch ganz für sich allein wird man das Büchlein gern zur Hand nehmen und in den fröhlichen Worten die alte Heimat erkennen und sie so sehen, wie es am Schluss gesagt wird: Leuchtende Tage, nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen, G. S.

 

Ein schönes Ostpreußen-Buch

Zum 1. Süddeutschen Landestreffen der Ost-und Westpreußen in Stuttgart brachte die Landsmannschaft Ostpreußen eine Festschrift heraus, die in ihrer Aufmachung und in ihrem Inhalt nach ein prachtvolles Heimatbuch darstellt. Diese Schrift umfasst 184 Seiten und enthält mehr als 60 z.T. ganzseitige Bilder aus unserer Heimat sowie zahlreiche wertvolle Artikel. Das Buch kostet nur 1,50 DM. Bei diesem äußerst niedrigen Preis sollte niemand versäumen, sich die Schrift zu bestellen: Landsmannschaft Ostpreußen, Stuttgart-W., Hasenbergstr. 39 a (Krzywinski).

 

Elbinger erhielt Berufung nach Abessinien

Vechta. Dr. Walter Wunderlich, der von Anfang an führend und aktiv in den Landsmannschaften Ost- und Westpreußens und in der niedersächsischen Vertriebenenorganisation gestanden hat, erhielt eine Berufung des Kaisers von Abessinien zum Aufbau einer höheren Landbauschule und zweier landwirtschaftlicher Versuchsbetriebe nach Addis Abeba, der Hauptstadt des Landes. Nach der Vertreibung von seinem Gut in der Nähe von Elbing hat Dr Wunderlich seine überragenden landwirtschaftlichen Kenntnisse in den Dienst der westdeutschen Heimat gestellt und maßgeblich zur Technisierung der Agrarbetriebe im südoldenburgischen Raum beigetragen. In der Kommunalarbeit des Kreises und der Stadt Vechta wirkte er unermüdlich für seine Schicksalsgefährten.

 

Kurzlehrgang in der Siedlerschule Katlenburg

Auf vielseitige Anregung finden im bevorstehenden Winterhalbjahr neben den Lehrgängen für jüngere Siedlungsbewerber drei Kurzlehrgänge für Siedler statt, die im Frühjahr n. Js. ihre Siedlerstelle übernehmen sollen. Der erste Kurzlehrgang beginnt am 16.11. und dauert bis 5. Dezember. Teilnehmer sind 12 ostvertriebene ehemalige Bauern, die sich seit längerer Zeit um eine Siedlung beworben haben und nunmehr vor der Übernahme einer bäuerlichen Siedlerstelle stehen. Die Kurzlehrgänge für Siedler sollen die Siedlungsanwärter mit der gegebenen landschaftlichen und agrarpolitischen Situation in Verbindung bringen und die Zeit seit der Vertreibung aus ihrer Heimat damit überbrücken. Neben den hauptamtlichen Lehrkräften der Siedlerschule werden Ringleiter Dipl. Landw. Deschler, Nörten-Hardenberg, Vertreter der BSG, der Treuhandstelle für Flüchtlingssiedlung und der landw. Organisationen mitwirken. — Der zweite Kurzlehrgang ist für Januar, der dritte für Februar 1954 vorgesehen.

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