Ostpreußen-Warte, Folge 10 vom Oktober 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 10 vom Oktober 1957

 

Seite 1   Die Rechtspflicht zur Wiedervereinigung. Von Dr. Günter Decker, Leiter der Forschungsamtes für Selbstbestimmungsrecht, Lüneburg.

Von den Abgeordneten des Dritten Deutschen Bundestages, der am 15. Oktober 1957 in der Reichshauptstadt Berlin zusammentritt, werden grundlegende Entscheidungen über die Politik zur Wiederherstellung der Einheit Gesamtdeutschlands gefordert werden.

 

Die Politik der Bundesrepublik wird durch die Bundesregierung geführt, ihre Richtlinien werden durch den Bundeskanzler bestimmt. Bundeskanzler und Bundesregierung sind an das Grundgesetz gebunden. Die Beachtung des Grundgesetzes zu überwachen, ist die wichtigste Aufgabe des Bundestages und seiner Abgeordneten.

 

Die Bundesrepublik ist ein Provisorium. Sie entstand auf einem Teilgebiet des Deutschen Reiches zur Zeit des Besatzungsregimes, als die westlichen Besatzungsmächte, die durch die Erklärung vom 5. Juni 1945 die oberste Gewalt in Deutschland übernahmen und Deutschland in Besatzungszonen aufteilten, wobei sie die äußeren Grenzen dieser Zonen als die vom 31. Dezember 1937 bestimmten, dem deutschen Volk in den Ländern der von ihnen beherrschten Zonen die Schaffung des Grundgesetzes ermöglichten. Der Dritte Bundestag ist das erste deutsche Parlament, das nach Wiederaufleben der bis dahin ruhenden Souveränität in dem Teilgebiet des Deutschen Reiches, das von den Grenzen der Bundesrepublik umschlossen wird, gewählt wurde.

 

Der provisorische Charakter der Bundesrepublik ergibt sich aus dem Grundgesetz, dessen Art. 146 seine Geltung auf die Zeit bis zum Inkrafttreten einer Verfassung, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist", beschränkt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im KPD-Prozess bringt klar zum Ausdruck, dass erst diese Verfassung als die endgültige Entscheidung des deutschen Volkes über seine staatliche Zukunft angesehen wird.

 

Die Präambel des Grundgesetzes schließt mit dem r Satz: „Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“. Dieser Satz stellt nicht nur einen politischen Aufruf an das deutsche Volk dar, von dem ein großer Teil aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, die gegenwärtig fremder Verwaltung unterstehen, vertrieben wurde, ein anderer Teil in der sogenannten „Deutschen Demokratischen Republik", der Organisationsform der sowjetischen Herrschaft über die ihres Rechtes auf freie Selbstbestimmung beraubten Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone, auf Freiheit wartet.

 

Der Satz der Präambel des Grundgesetzes bildet vielmehr das Kernstück der provisorischen Verfassung, von dem aus die Bundesrepublik erst ihren eigentlichen Sinn erhält. Die Bundesregierung hat daher durch ihre Vertreter vor dem Bundesverfassungsgericht mit allem Nachdruck betont, dass sie sich durch die Präambel des Grundgesetzes auch rechtlich gebunden fühlt. Vor allem aber hat das Bundesverfassungsgericht im KPD-Urteil nach sorgfältiger Prüfung entschieden, dass, da die Präambel neben ihren politischen auch rechtlichen Gehalt habe, aus ihr für alle politischen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland die Rechtspflicht abzuleiten ist, „die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben, ihre Maßnahmen auf dieses Ziel hin auszurichten und die Tauglichkeit für dieses Ziel jeweils als einen Maßstab ihrer politischen Handlungen gelten zu lassen“.

 

Nach der negativen Seite hin bedeute das Wiedervereinigungsgebot, .dass die staatlichen Organe alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die die Wiedervereinigung rechtlich hindern oder faktisch unmöglich machen." Daraus zieht das Bundesverfassungsgericht die Folgerung, „dass die Maßnahmen der politischen Organe verfassungsgerichtlich auch darauf geprüft werden können, ob sie mit dem Wiedervereinigungsgebot vereinbar sind". Die politische Ermessensfreiheit dieser Organe beschränkt sich damit insoweit auf den allerdings immer noch weiten Bereich der hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Wiedervereinigung zweifelhaften Maßnahmen.

 

Das Wiedervereinigungsgebot, an das die politischen Staatsorgane der Bundesrepublik nach dem Grundgesetz politisch und rechtlich gebunden sind, beschränkt sich nicht auf die Wiedervereinigung mit der Zone. Denn das Bundesverfassungsgericht hat an gleicher Stelle eindeutig festgestellt, dass das Grundgesetz von der Vorstellung des fortbestehenden gesamtdeutschen Staates ausgeht und die von ihm aufgerichtete Staatsordnung als eine Ausübung gesamtdeutscher Staatsgewalt auf einem räumlich zunächst beschränkten Gebiet betrachtet werden muss. Der nach dem Ausdruck des Bundesverfassungsgerichts fortbestehende gesamtdeutsche Staat ist das Deutsche Reich in seinen Staats- und völkerrechtlich festgelegten Grenzen. Genauso, wie die Bundesregierung eine Anerkennung der Sowjetzonenregierung abgelehnt hat, die eine Verletzung des Grundgesetzes bedeuten würde, so hat sie bisher auch stets und nachdrücklich eine Anerkennung der Oder-Neiße-Linie abgelehnt, die gleichermaßen eine Verletzung des Grundgesetzes bedeuten würde. Die Bundesregierung hat ebenfalls bisher abgelehnt, diplomatische Beziehungen zu Staaten aufzunehmen, welche die Regierung der Sowjetzone anerkennen (mit der durch die Wiedervereinigungspflicht begründeten Ausnahme der Sowjetunion). Bundestag und Bundesregierung haben jedes Mal, wenn von Staaten des Ostblocks die Oder-Neiße-Linie anerkannt wurde, ihren legitimen Protest erhoben.

 

Am 16. September, einen Tag nach der Bundestagswahl, erkannte Jugoslawien, ein Staat also, mit dem die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhält und dem sie bei den Verhandlungen über die Wiedergutmachungsleistungen ein bis an die Grenze des Tragbaren gehendes Entgegenkommen gezeigt hat, in einer gemeinsamen Erklärung mit Polen die „Tatsache des Bestehens von zwei deutschen Staaten" an, forderte direkte Gespräche zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten „DDR" und betrachtete „die bestehende Oder-Neiße-Grenze, die im Potsdamer Abkommen festgelegt und von der DDR anerkannt wurde, als die definitive deutschpolnische Grenze". Weiter wurde gesagt: „Die Anerkennung der polnischen Westgrenze seitens der Staaten, die diese Anerkennung bisher nicht vollzogen haben, würde ein Betrag zur Stabilisierung der europäischen Beziehungen und zur Festigung des Friedens in diesem Teil der Welt sein".

 

Hierzu schrieb die Neue Züricher Zeitung! „Es ist klar, dass Bonn in diesem Fall drastisch reagieren muss, wenn es seiner und der westlichen Welt Wiedervereinigungspolitik die Glaubwürdigkeit erhalten will... Jedenfalls aber kann die Bonner Außenpolitik, die eben durch ein überwältigendes Votum des Volkes neu bestärkt worden ist, auf einen mehr als nur formellen oder diplomatischen Gegenzug nicht verzichten, wenn sie nicht in den Verdacht kommen will, dass sie es selbst nicht mehr so ernst meint mit dem Anspruch der Bundesrepublik, alle Deutschen, auch die unter dem östlichen Skavenjoch, zu vertreten“.

 

Diese „drastische Reaktion", die von der Schweizer Zeitung für politisch erforderlich gehalten wird, steht noch aus. Zugleich ist eine „Revision der deutschen Ostpolitik" angekündigt worden. Es besteht kein Zweifel, dass besonders in dieser Hinsicht die Rechtspflicht, „die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben" ebenso bestimmend zu sein hat wie die weitere Verpflichtung, alles zu unterlassen, was nicht „mit dem Wiedervereinigungsgebot vereinbar" ist.

 

Seite 1   Vertriebenenabgeordnete im neuen Bundestag.

Nach den bisherigen Feststellungen werden dem neuen Bundestag 62 Abgeordnete angehören, welche aus den Vertreibungsgebieten und aus dem sowjetisch besetzten Mitteldeutschland stammen. Diese Abgeordneten 6 teilen 12,47 v. H. der Gesamtzahl der Abgeordneten dar, während der Anteil der Vertriebenen und Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung Westdeutschlands (außer dem Saargebiet) rd. 23 v. H. beträgt. Aus den Heimatgebieten der Vertriebenen stammen 48 Abgeordnete, d. h. 9,66 v. H. der Gesamtzahl der Abgeordneten, bei einem Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtbevölkerung in Höhe von 17,5 v. H. Aus den gegenwärtig polnisch und sowjetisch verwalteten deutschen Ostgebieten jenseits der Oder und Neiße stammen 29 Abgeordnete (5,9 v. H. der Gesamtzahl der Abgeordneten), während der Anteil der heimatvertriebenen Ostpreußen, Pommern, Ostbrandenburger und Schlesier an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebiets sich auf rund 10 v. H. beläuft.

 

Die nachstehenden ost- und westpreußischen Abgeordneten werden im dritten Deutschen Bundestag sein:

 

Friedrich Karl Storm,

Reinhold Rehs,

Ernst Müller-Hermann,

Gustav Adolf Gedat,

Arthur Killat,

Rudolf Heiland,

Richard Kinat,

Heinz Frehse,

Dr. Adolf Arndt,

Fritz Weber und

Margot Kalinke.

 

Sie verteilen sich auf die einzelnen Parteien wie folgt: SPD 6, CDU/CSU 3, FDP 1, DP/FVP 1. Es entfallen auf die einzelnen Länder: Schleswig-Holstein 2, Bremen 1, Niedersachsen 2, Nordrhein-Westfalen 3, Bayern 1 und Baden-Württemberg 2.

 

Foto: Schöne Heimat. Deutsch-Krone vom Ufer des Stadtsees aus. Foto: Löhrich.

 

Seite 1 

„In einem Staate, in dem die Macht des Geldes das politische Geschehen bestimmt, besteht die Gefahr, dass die fortschrittlichen und freiheitlichen Schichten des Volkes in einen unüberbrückbaren Gegensatz zu der gegenwärtigen Ordnung geraten und politisch heimatlos werden können“.

Der hessische Ministerpräsident August Zinn nach den Bundestagswahlen.

 

Seite 2   Befreiung von der Angestelltenversicherung

Der Bundestag hat ein Gesetz erlassen, mit dem Angestellte, deren monatliches Gehalt zwischen 750 DM und 1250 DM liegt und die deswegen angestelltenversicherungspflichtig geworden sind, das Recht erhalten, bis zum 30. September 1957 Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu stellen. Sie müssen bis zu diesem Termin allerdings einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen haben, für den sie ebenso viel aufwenden, als sie in die Angestelltenversicherung zahlen würden. Das „Gesetz zur Änderung des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes" vom 27. Juli 1957 ist im Bundesgesetzblatt I Seite 1074 verkündet worden.

 

Seite 2   Ersatz von Militärpapieren

Häufig erkundigen sich ehemalige Soldaten sowie Männer und Frauen, die nach 1935 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen wurden, wohin sie sich wegen Ersatzbescheinigungen für verlorengegangene Nachweise über solche Dienstzeiten wenden können. Besonders als Unterlage für künftig fällig werdende Versicherungsansprüche sind sie gefragt. Nachweise für solche Zeiten, die als Ersatzzeiten rentensteigernd angerechnet werden, können bei den nachfolgend genannten Stellen beantragt werden:

Versorgungsarchiv, Berlin-Schöneberg, General-Pape-Str. 15;

Personalstandsarchiv II, Kornelimünster bei Aachen, Alte Abtei;

Krankenbuchlager III beim Versorgungsamt Kassel, Beinadotteplatz 3;

Zentralarchiv Wien, Wien 1, Judenplatz 11.

 

Wer sich um eine Bescheinigung bemüht, möge nicht vergessen, außer seinem Vor- und Zunamen das Geburtsdatum, den Geburtsort, Dienstzeiten und vor allem frühere und jetzige Anschrift anzugeben.

 

Seite 2   Altershilfe für Landwirte

Die Altershilfe für die Landwirtschaft, nach der Bauern bei der Hofübergabe die monatliche Rente erhalten, ist nunmehr wirksam geworden. Ab 1. Oktober 1957 erhalten Bauern und Bäuerinnen, die den Hof an den Erben übergeben, aus der „Landwirtschaftlichen Alterskasse", die als Träger der Altersgeldzahlung bei jeder landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft errichtet wird, einen monatlichen Geldbetrag. Das Altersgeld beträgt für den verheirateten Berechtigten 60 DM und für den unverheirateten Berechtigten 40 DM monatlich. Grundsätzlich erhält das Altersgeld der landwirtschaftliche Unternehmer, der über 65 Jahre alt ist und mindestens einhundertachtzig Kalendermonate Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte gezahlt hat und das Unternehmen nach Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres an den Hoferben übergeben oder sich des landwirtschaftlichen Unternehmens auf andere Weise entäußert hat.

 

Die Regelung kommt aber auch Bauern zugute, die die Voraussetzung, dass einhundertachtzig Beiträge entrichtet sein müssen, nicht erfüllt haben. Vor allem zugunsten jener Landwirte, die ihren Hof bereits übergeben haben oder in der nächsten Zeit übergeben und die übrigen Voraussetzungen erfüllen. Für die Anlaufzeit sind Bundesmittel zur Bestreitung der Ausgaben vorgesehen, bis die Beiträge der aktiven Landwirte ausreichen, die Ausgaben zu decken.

 

Seite 2   Ostbauernproblem und Lagernot

Mit akuten Notständen unter den Vertriebenen und Flüchtlingen befasste sich Staatssekretär Dr. Nahm vom Bundesvertriebenenministerium im Hessischen Rundfunk. An erster Stelle nennt Nahm das ungelöste Problem der Eingliederung der heimatvertriebenen und geflüchteten Bauern. Er gab als noch nicht eingegliedert 80 - 100 000 siedlungswillige und -fähige Landwirte an. — Nach Ansicht des Bauernverbandes der Vertriebenen beläuft sich die Zahl auf ca. 130 000 Personen. — Die Erhaltung der bäuerlichen Substanz für Gesamtdeutschland ist nach seinen Worten eine entscheidende staatspolitische Aufgabe. Nahm appellierte an die Hilfsbereitschaft der einheimischen Landwirte bis ins kleinste Dorf.

 

Gegenwärtig befinden sich über 200 000 Sowjetzonenflüchtlinge in Lagern und Behelfsunterkünften. Trotzdem 2000 DM pro Person zur Verfügung stehen, gelang es der Bundesregierung bisher nicht, den Wohnungsbau für diese Lagerflüchtlinge erfolgreich zu gestalten. Schwierigkeiten liegen nach der Auffassung Dr. Nahms in der Restfinanzierung der Bauten. In der Praxis sähe es so aus, dass für 60000 Wohneinheiten die Finanzierungsmittel des Bundes bereitliegen, jedoch nicht abgerufen werden können, weil die Bauträger fehlen. Staatssekretär Nahm hofft, dass es bald gelingen wird, mit den Ländern eine Vereinbarung über die Beseitigung der Finanzierungsschwierigkeiten zu finden.

 

Seite 2   1956 verließen 68000 das Bundesgebiet. Rund 40 Prozent aller Abgewanderten waren Vertriebene oder Zugewanderte.

Köln. An den Grenzübergangsstellen des Bundesgebietes wurden im vergangenen Jahr rund 68 100 Personen als Auswanderer registriert. Die Zahl der Auswanderer liegt damit um fast 20 000 höher als im Vorjahr; sie übersteigt ebenso auch die Zahl der Auswanderer in den Jahren 1953 und 1954. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, haben die Vereinigten Staaten 35 600 Personen aufgenommen; das sind mehr als die Hälfte der Auswanderer (54,3 Prozent). Auf Kanada entfallen mit 22 300 knapp ein Drittel und auf Australien 6300 Auswanderer.

 

40,3 Prozent aller Auswanderer waren Vertriebene oder Zugewanderte aus der sowjetischen Besatzungszone; der Anteil der Ausländer und Staatenlosen betrug 13,4 Prozent. Bemerkenswert ist der mehr als doppelt so starke Anstieg der Zahl der ausgewanderten Männer gegenüber den Frauen. Dagegen hat sich die Altersgliederung nur geringfügig verändert: Während der Anteil der unter 20-jährigen an den Auswanderern etwa ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht, waren die Zwanzig- bis Fünfundvierzigjährigen in erheblich größerem Maße an der Auswanderung beteiligt.

 

Bei den über 45-jährigen lag der Anteil wiederum bei weitem unter dem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Auch im Jahre 1956 waren ähnlich wie im Vorjahr, rund 56 Prozent

der Auswandernden Erwerbspersonen. Bei einer Aufteilung nach Männern und Frauen ergibt sich, dass der Anteil der Erwerbspersonen bei den Männern 72,8 Prozent ausmacht, während er bei den Frauen nur 38,5 Prozent beträgt. Die für die Auswanderer ermittelte Erwerbsquote liegt erheblich über derjenigen für die Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes, die für 1956 vom Statistischen Bundesamt auf knapp 50 Prozent geschätzt wird. Dies ist auf die überdurchschnittlich starke Besetzung der mittleren Jahrgänge und auf das Überwiegen der Männer unter den Auswanderern zurückzuführen. In beruflicher Hinsicht sind von der Erhöhung des Auswanderungsvolumens mit Ausnahme der Land- und Forstwirte und der Hausgehilfinnen so gut wie alle Berufe betroffen.

 

Ostpreußen im Rundfunk.

Wir möchten unsere Leser auf folgende Sendung des Süddeutschen Rundfunks besonders aufmerksam machen: „Ostpreußen — Land zwischen Haff und Meer". Das Manuskript schrieb Hans-Joachim Girock. Sie hören die Sendung am Mittwoch, 30. Oktober 1957, von 17.30 Uhr bis 18 Uhr auf der Mittelwelle des SDR.

 

Seite 2   „Vorbehaltlich der Friedensregelung" New York Times kommentiert Belgrader Oder-Neiße-Erklärung

Die „New York Times", die bisher schon in zahlreichen redaktionellen Stellungnahmen zur Oder-Neiße-Frage beständig hervorgehoben hat, dass auf Grund des Vier-Mächte-Abkommens vom 5. Juni 1945 die deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße bis zu den Grenzen von 1937 völkerrechtlich nach wie vor deutsches Staatsgebiet sind, berichtet in sachlicher Weise über die Belgrader Erklärungen Titos und Gomulkas, wonach die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische „Grenze" gelten solle. In dem Bericht über die bei Beginn des Gomulka-Besuches gewechselten Trinksprüche wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Oder-Neiße-Linie um eine „Demarkationslinie" handelt, „die der Westen vorbehaltlich der Friedensregelung als temporäre Grenze betrachtet". Hierzu veröffentlichte die Redaktion der „New York Times" eine Deutschlandkarte, in welcher die Grenzen von 1937 eingezeichnet und die Oder-Neiße-Gebiete besonders charakterisiert sind, wie auch die Bezeichnung Polen in den Raum ostwärts der Grenze von 1937 gesetzt ist.

 

Seite 2   Bundeskanzler spendete 1000 Mark

Bundeskanzler Dr. Adenauer, der während des Heiligenbeiler Landmannschaftstreffens Ende August in Burgdorf auch die dortige evangelische St. Pankratiuskirche besichtigte, hat jetzt für die Wiederherstellungsarbeiten an diesem Gotteshaus, die inzwischen begonnen haben, 1000 Mark gespendet. Der Bundeskanzler hatte sich durch den früheren Burgdorfer Superintendenten Oberkirchenrat i. R. Cillien und Superintendent Dreher die Kirche zeigen und mit großem Interesse den Umfang und die Notwendigkeiten der Erneuerungsarbeiten erläutern lassen.

 

Wartenberg

Auf einer Herbstkonferenz polnischer Lehrer in Wartenberg gaben die Erzieher ihre Meinung darüber ab, was für Fortschritte die Unterrichtung der deutschen Kinder mache. Dabei gaben die meisten Lehrer zu verstehen, dass der polnische Unterricht die Kinder zwar das Polnische in Wort und Schrift lehre, sie aber andererseits deswegen noch nicht von Deutschen zu Polen mache. Ja, so wurde gesagt, man müsse daran zweifeln, ob es je gelingen werde, die Polonisierung deutscher Kinder durch den Zwang, in polnischen Schulen zu gehen, zu erreichen. In der Praxis erlebe man es immer wieder, dass die Kinder der Ostpreußen nur in der Schule die polnische Sprache verwendeten und zu Hause ihre Muttersprache gebrauchten. Ganz schlimm werde es nach Beendigung der

Schulzeit, wo die Mädchen und Jungen der Deutschen unter sich blieben und die polnische Sprache gar nicht gebrauchten. Die Wartenberger Konferenz fasste hinsichtlich dieser Lage keine Entschlüsse, da von seiten der Pädagogen „doch nichts geändert werden kann“.

 

Elbing

Ein behördlich angestellter Hundefänger ist jetzt von der Miliz verhaftet worden, weil er die getöteten Tiere einem Schlachtergesellen überlies, der daraus Wurst herstellte. Der Hundefänger war an dem nicht unbeträchtlichen Profit zu einem Drittel beteiligt. Die Waren wurden auf dem Schwarzmarkt abgesetzt. Um die Herkunftsart der Wurst etwas zu verschleiern, wurde bei der Verarbeitung Schweinefleisch in geringen Mengen zugesetzt.

 

Seite 2   Pressespiegel.

Unbefriedigender Zustand

„Niemand erwartet, dass dies halbe Deutschland, in dem wir leben, eine Nation sei oder von heute auf morgen eine werden könne. Es ist ein Wirtschaftssystem, über das ein wohlfunktionierender Staatsapparat gestülpt ist. Aber dieser unbefriedigende Zustand muss sich — von der Wiedervereinigung einmal ganz abgesehen — verewigen, wenn die Unzufriedenen von einem allzu selbstsicheren Sieger an den Rand des Staates gedrängt werden. Wer die Unzufriedenen dazu verdammt, vier Jahre lang die Faust im Sack zu ballen, der tut der Bundesrepublik und ihren gebrechlichen demokratischen Einrichtungen einen schlechten Dienst. Der Sinn der Opposition wird dadurch bestimmt, dass sie das nächste Mal drankommt. Nun, sie ist nicht drangekommen, aber darum ist sie doch da und vertritt einen erheblichen Teil der Bevölkerung — wahrscheinlich nicht den schlechtesten. Sie ist besiegt worden und hat nun Gelegenheit, ihre innere Struktur zu überholen und sich an Haupt und Gliedern zu stärken. Wir wollen ihr nicht gestatten, abseits zu stehen und sich dem bloßen Missvergnügen hinzugeben“. FRANKFURTER ALLGEMEINE.

 

Rechtens, aber nicht recht

„Über die Berechtigung der Fünf-Prozent-Klausel jetzt noch zu streiten ist nicht am Platze. Zu denken müsste es aber doch geben, wenn 1 370 000 Wähler der einen Partei (des BHE) kein Mandat, aber 1 006 000 Wähler (der DP) 17 Mandate bekamen. Das geschah durchaus rechtens, ist aber trotzdem nicht recht“. CHRIST UND WELT. Stuttgart.

 

Nachkriegszeit geht zu Ende „

Während 1919 auf ein sehr wenig parlamentarisches monarchistisches System eine schwache und anarchistische Demokratie gefolgt war, ist auf die Hitler-Diktatur und das Chaos von 1945 ein wenig autoritäres oder genauer patriarchalisches demokratisches Regime gefolgt. Das wäre eine gute Formel, wenn es sich um einen Übergang handelte. Aber heute geht die Nachkriegszeit zu Ende, und die Verlängerung des patriarchalischen Regimes bringt die Gefahr mit sich, dass es wie die Regel erscheint. Nun, die Bundesrepublik wird vielleicht eines Tages eine entscheidende Probe zu bestehen haben: eine wirtschaftliche Depression und ihre sozialen Folgen in Deutschland“. L'EXPRESS. Paris.

 

Kein Befähigungsnachweis

„Für eine junge Demokratie, die nur den größeren Teil einer gespaltenen Nation repräsentiert, ist es nicht a priori ein Befähigungsnachweis, wenn sie im Kampf um die Zusammensetzung ihrer dritten Volksvertretung so spürbar materialistischen Impulsen folgt“. NATIONALE ZEITUNG. Basel.

 

Kirchlich patentierte Volksdemokratie

„Das aus den Trümmern wieder emporgekommene Volk rechnet das Reifen des Korns und den millionsten Volkswagen den Verdiensten des Herrn Bundeskanzlers zu, ohne zu bedenken, dass jede nicht-sozialistische Regierung denselben Wohlstand aus dem Kalten Krieg herausgeschlagen hätte. Da wird man vom Regierungschef wohl verlangen dürfen, dass er nicht vorangeht, die demokratischen Spielregeln zu brechen. — Vielleicht wundert sich die Regierung, warum die großen deutschen Zeitungen in diesem Pyrrhus-Wahlkampf, oft gegen die Ansichten ihrer Lesermehrheit, nicht die Partei der CDU ergriffen haben. Die Erklärung ist einfach. Die Tendenz zur kirchlich patentierten Volksdemokratie, die der Wahlkämpfer Adenauer hat anlaufen lassen, ist schon gefährlich genug; man muss ihr entgegenwirken, und sei es auf scheinbar verlorenem Posten“. DER SPIEGEL, Hamburg.

 

Ohne Feuer der Leidenschaft

„Und die Westdeutschen? Auch sie reden vor allem von diesem ‚Wirtschaftswunder'. Man denkt unwillkürlich an den Ring des Nibelungen': Fafner liegt über dem Hort und bewacht seine Schätze. Da kommt Siegfried und stört ihn auf. Fafner brummt: Ich lieg' und besitz', lass' mich schlafen' ... — Die Politiker, die sich über die Wiedervereinigung' ereifern, reden nicht ins Leere. Dass sie aber nicht das Feuer der Leidenschaftlichkeit entzünden, ist einer der stärksten Eindrücke im Deutschland von 1957"- NEUES ÖSTERREICH, Wien.

 

Seite 2   Der letzte Monat

Aus Genf kam ein neuer Warnruf gegen die Gefahr der radioaktiven Strahlung. 20 Fachleute aus neun Ländern haben den Bericht angefertigt der sich vor allem mit den erbbiologischen Gefahren befasst, die durch Anwendung von radioaktiver Strahlung in Industrie und Wissenschaft entstehen.

 

Als Antwort auf die sowjetische Nachricht, man verfüge jetzt über eine interkontinentale Rakete, teilte der Befehlshaber der US-Luftverteidigung. General Partridze, mit, Raketen dieser Art könnten mit Hilfe anderer Geschosse abgewehrt werden, die USA arbeiteten gegenwärtig an der Entwicklung eines derartigen Geschosses.

 

Die Bundesrepublik plant, voraussichtlich noch in diesem Herbst offizielle Beziehungen zur polnischen Volksdemokratie aufzunehmen, und zwar zunächst in der Entsendung einer ständigen Handelsmission mit bestimmten konsularischen Rechten. Die Opposition wollte dagegen im Falle ihres Wahlsieges volle diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen herstellen. Es ist nun damit zu rechnen, dass der Regierungsvorschlag etwa im November verwirklicht wird.

 

Die Umstellung der britischen Luftabwehr schreitet weiter fort. Nach Mitteilung des Industrieministeriums ist nun auch die neuentwickelte Abwehrrakete „Thunderbird" die erstmalig auf der Flugschau in Farnborough gezeigt wurde, für die Luftwaffe bestellt worden.

 

In Polen wurde der bisherige Binnenhandelsminister Marian Minor, einer der wenigen noch in der Regierung verbliebenen Anhänger der stalinistischen Natolin-Gruppe, seines Postens enthoben. Sein Nachfolger ist der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Planungskommission Lesz, ein Mitglied der konservativen Mittelgruppe.

 

Der sagenhafte unerschöpfliche „Juliusturm“ wird bald nur noch ein Märchen sein. Die Ankündigung Bundesfinanzministers Schäffer, der „Juliusturm" werde bis zum Frühjahr 1958 geleert sein, scheint sich zu bestätigen? Die Kassenreserve von mehreren Milliarden DM ist jetzt von Verteidigungsminister Strauß für die Bundeswehr angefordert worden.

 

Die Abrüstungskonferenz in London kann als endgültig gescheitert angesehen werden. Die Delegierten der Westmächte und der Sowjetunion gingen nach ihrer 157. Sitzung auseinander, ohne sich über den Termin für die Wiederaufnahme neuer Verhandlungen geeinigt zu haben.

 

Die neueste sowjetische Deutschlandnote, in der Verhandlungen mit der Pankower Regierung gefordert werden mit dem Ziel, einen Staatenbund zwischen West- und Mitteldeutschland zu bilden, stieß auf Ablehnung seitens der Bundesregierung und aller Parteien im Bundestag. Man war sich darin einig, dass der Weg zur Wiederherstellung der deutschen Einheit nicht über Verhandlungen mit Pankow führt.

 

Der polnische Ministerpräsident Carankiewicz traf in Begleitung mehrerer Minister zu einem Staatsbesuch in Belgrad ein, zum ersten Mal wieder seit dem Ausscheiden Jugoslawiens aus dem Kominform im Jahre 1948. In einer gemeinsamen polnisch-jugoslawischen Erklärung wurde die Oder-Neiße-Linie zur „unverletzlichen und endgültigen Westgrenze Polens" erklärt.

 

Die Benennung von Städten, Gebieten und Betrieben nach lebendigen Persönlichkeiten hat jetzt das Präsidium des Obersten Sowjets in einem Erlass untersagt und gleichzeitig die Umbenennung aller Ortschaften und Einrichtungen, die die Namen lebender sowjetischer Führer tragen, angeordnet. Dem Persönlichkeitskult soll damit ein Ende bereitet werden.

 

Die erste Monatshälfte stand ganz im Zeichen eines erbitterten Wahlkampfes, wie ihn Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Die Würfel fielen am 15. September. Danach entschied sich die Mehrheit der Bundesbürger für die bisherige Regierung Adenauer. Durch die Einführung der 5-Prozent-Klausel gelang es einer Reihe bisher im Bundestag vertretenen Parteien nicht, in den neuen Bundestag einzuziehen, unter ihnen der GB/BHE als Partei der Heimatvertriebenen und Kriegssachgeschädigten. Außer den stärksten Parteien, der CDU/CSU und der SPD gelang es lediglich der FDP und der DP/FVP, die Hürde zu überspringen.

 

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat die Sowjetunion und das ungarische Kadar-Regime wegen der blutigen Unterdrückung der ungarischen Oktoberrevolution sowie der nachfolgenden Missachtung der Ungarn-Resolutionen der Vereinten Nationen verurteilt.

 

Der Norddeutsche Lloyd kaufte von der französischen Regierung das über 30 000 BRT große, bisher als Truppentransporter benutzte Passagierschiff „Pasteur", das zu den zwölf größten Schiffen der Welt gehört. Das Schiff soll nach Umbau unter dem Namen „Bremen" im Transatlantikdienst eingesetzt werden.

 

Außenminister Dulles vertritt die Meinung, dass die Gefahr eines weltweiten Atomkrieges stark verringert werden könnte, wenn die befreundeten Staaten rings um den sowjetisch-chinesischen Machtbereich mit taktischen Atomwaffen ausgestattet würden.

 

Eine sogenannte Erdbebenbombe wurde erstmalig von den USA tief unter der Erdoberfläche auf dem Atomversuchsgelände in Nevada zur Explosion gebracht. Es handelt sich um die 21. Atombombenexplosion der diesjährigen amerikanischen Versuchsreihe. Die Bombe explodierte 270 Meter unter der Erde.

 

Der sowjetische Außenminister Gromyko forderte vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen eine international kontrollierte Unterbrechung der Atomwaffenversuche für die Dauer von zwei bis drei Jahren.

 

Das größte deutsche Schiffsunglück seit Kriegsende ereignete sich auf dem Atlantik südwestlich von den Azoren, wo das deutsche Segelschulschiff der Handelsmarine, die „Pamir", in einen Hurikan geriet und sank. Nur sechs der insgesamt 93 Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden.

 

Politische Kreise in Warschau erklärten, dass sie auf die seitens der Bundesrepublik angeregte Kompromisslösung ständiger Handelsmissionen mit konsularischer Befugnis nicht eingehen könnten. Polen verlange vielmehr die Aufnahme vollwertiger diplomatischer Beziehungen.

 

König Haakon VII. von Norwegen ist im Alter von 85 Jahren in Oslo gestorben. Die Nachfolge wird sein Sohn, der bisherige Kronprinzregent als Olav V. antreten.

 

NATO-Oberbefehlshaber Norstad hat in einem Geheimbericht empfohlen, die Streitkräfte aller NATO-Mitgliedstaaten und damit auch Teile der Bundeswehr in die atomare Umrüstung einzubeziehen. Danach sollen die Streitkräfte sogenannte Mehrzweckwaffen erhalten, die sowohl für den Abschuss gewöhnlicher Munition als auch für Atommunition benutzt werden können.

 

Während der Algerien-Debatte ist es im französischen Parlament zu stürmischen Szenen gekommen. Ministerpräsident Bourges-Maunoury, Algerienminister Lacoste und die meisten Abgeordneten der Mitte und des rechten Flügels verließen die Nationalversammlung unter lautem Protest, nachdem der kommunistische Abgeordnete Tourne die Regierung beschuldigt hatte, einen Kolonialkrieg gegen die Algerier zu führen.

 

Seite 3   Gnesen – Stadt im Zwielicht. Auch in Westpreußen hat sich vieles verändert.

Ein französischer Besucher, dessen Firma seit etwa 1910 mit der Eisenindustrie in der westpreußischen Stadt Gnesen in Geschäftsverbindung stand, hat jetzt von Posen aus die schon 1919 an Polen verlorene Stadt nach längerer Abwesenheit wieder einmal aufgesucht, per Bericht dieses Ausländers ist interessant, weil er Gnesen vor dem ersten Weltkrieg kannte, die Stadt in den dreißiger Jahren wieder aufsuchte und sie noch einmal kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges sah.

 

Die Schilderung dieses unvoreingenommenen Besuchers gipfelt in der Feststellung: „In den 38 Jahren polnischer Herrschaft in Gnesen haben sich die Verhältnisse in dieser Stadt von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter zum Schlechten entwickelt!" Diese Feststellung ist umso erschütternder, wenn man bedenkt, dass Gnesen im zweiten Weltkrieg von Fliegerangriffen völlig verschont blieb und auch keine anderen wesentlichen Kriegsschäden erlitt. Am hervorstechendsten ist, dass sich Gnesen seit der Loslösung vom Deutschen Reich nicht weiterentwickelte. Es gab in 38 Jahren keinen Fortschritt, keine Initiative und keine Weiterentwicklung.

 

Wenn man von dem Neubau einer Rüstungsfabrik, die Lederwaren für die polnischen Streitkräfte fabriziert, absieht, so gab es seit 1919 in dieser Stadt keinen Fortschritt, sondern nur ein Zehren von der Substanz. Das spiegelt sich auch in der Einwohnerzahl, die seit nahezu vierzig Jahren mit rund 30 000 Bürgern konstant geblieben ist, während sich gleichgroße Städte in anderen Teilen Europas inzwischen stark vergrößerten.

 

Wer heute Gnesen besucht, der findet rein im Äußeren in der Mehrzahl die Zeugnisse des Deutschtums: fast alle Häuser und Gebäude sind in der Zeit bis 1919 entstanden. Wie jedoch sehen diese Häuser aus! Sie sind in Jahrzehnten vernachlässigt worden und in einem Zustand, der bei uns die Baupolizei auf den Plan rufen würde! Der Besucher aus Frankreich erfuhr voller Staunen. dass ein Achtel aller tödlichen Unfälle in der Stadt auf baufällige Häuser und Wohnungen zurückgeht! Es ist durchaus keine Sensation, wenn irgendwo in den Straßen plötzlich ein Dach einstürzt, ein Treppenhaus zusammenkracht oder metergroße Stücke Stuck oder Putz von den Außenwänden herabfallen. Immer wieder fand der Besucher bestätigt, dass in bald vier Jahrzehnten auch nicht die primitivsten Arbeiten zur Erhaltung und Reparatur vorgenommen worden sind.

 

Die ohnegleichen verlotterte Stadt machte auf den Franzosen einen gespenstischen Eindruck. Seiner Meinung nach haben die Jahre seit 1945 Gnesen endgültig den Rest gegeben: „Die Hälfte aller Gebäude kann man mit ruhigem Gewissen als abbruchreif bezeichnen, während der Rest nur durch sofortige und kostspielige Reparaturen für die Zukunft zu retten wäre. Da jedoch nichts geschieht, ist auch der Rest abbruchreif“. Der Franzose sagte uns, dass er in Gnesen den regelrechten Verfall einer Stadt in Friedenszeiten gesehen habe!

 

Bevor wir auf weitere Beobachtungen dieses Besuchers eingehen, wollen wir auf andere Einzelheiten eingehen, die die „Ostpreußen-Warte" aus Gnesen erfahren hat. Das betrifft beispielsweise die Verwendung der Stadt als Garnison. Bürger dieser Stadt werden sich erinnern, dass es in Gnesen eine Anzahl von Kasernen gab, die heute fast alle noch existieren. Dazu kommen noch einige Neuanlagen, die jedoch in Barackenform entstanden sind. Alles in allem zählt Gnesen heute eine starke Garnison. Sie umfasst hauptsächlich Spezialeinheiten wie Pioniere, Pak-Artillerie usw. Erst in den letzten Tagen wurde die Gnesener Garnison durch ihre Teilnahme an den Herbstmanövern 1957 der polnischen Streitkräfte bekannt, die in dem benachbarten Ostpommern durchgeführt wurden.

 

Gnesen mit anderen Teilen der Provinz Posen und Westpreußens gehörte zu den Bereitstellungsräumen. In der Stadt sammelten sich dazu viele motorisierte Einheiten, die von hier aus zu den Manövern in Ostpommern abrückten. Bekanntlich wurden bei diesen Übungen zum ersten Mal in der polnischen Heeresgeschichte nukleare Übungsbomben eingesetzt und die Manöver unter atomaren Bedingungen abgehalten. Spezialeinheiten aus Gnesen rückten dazu auf Truppenübungsplätze in der Grenzmark (heute Wojewodschaft Köslin, früher Regierungsbezirk Schneidemühl) ab, auf denen mit Hilfe chemischer Mittel die typischen Explosionspilze von Atombomben erzeugt wurden. Wie es heißt, bildet die Gnesener Garnison seit dem auch die hier stationierten Soldaten in der atomaren Kriegsführung aus. Auf einem Artillerie-Übungsplatz hier wurde jetzt auch erstmalig der Einsatz von Raketenwaffen wie modernisierten „Stalinorgeln" usw. beobachtet.

 

Besonders interessant bei der Gnesener Garnison ist, dass seit September dieses Jahres hier auch wieder sowjetische Verbindungsoffiziere aufgetaucht sind, die schon an den Herbstmanövern in Ostpommern teilgenommen haben. Seit Gomulkas Regierungsübernahme hatte es in der Gnesener Garnison keine Kontakte mehr mit russischen Offizieren und Stäben gegeben. Nun scheint jedoch eine neue Ära der militärischen Zusammenarbeit begonnen zu haben. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass wie in Ostpreußen und Ostpommern auch in Westpreußen verschiedene Kriegsflugplätze wieder den Sowjets übergeben wurden, nachdem sie in dem vergangenen Jahr in polnischen Besitz übergegangen waren. Russlands Hilfe bei der Umstellung auf atomare Kriegsführung innerhalb der polnischen Armee scheint Warschau mit der erneuten Überlassung der Kriegsflugplätze an die Sowjet-Luftwaffe honoriert zu haben.

 

Obwohl die Soldaten der Garnison über eigene Kasinos und Unterhaltungsstätten mit Kino usw. verfügen, ist das Bild der Stadt doch stark von dem Militär geprägt. Nachdem viele Geschäfte keinen Alkohol mehr verkaufen dürfen, um die Trunksucht einzudämmen, sieht man jetzt vor den wenigen Verkaufsstellen Soldaten und Bürger in langen Schlangen nach Schnapsflaschen anstehen. Genauso gut sieht man die Uniformierten aber auch auf dem Schwarzmarkt unweit des Domes, wo es ebenfalls billigen Fusel gibt. Es ist durchaus an der Tagesordnung, dass man zechende Soldaten in den Grünanlagen antrifft. Schankstuben und Gaststätten werden wegen der höheren Preise nicht so sehr aufgesucht. Dort trifft man mehr Unterführer oder sogar Offiziere. Trotz vieler Kampagnen konnte bisher die Trunksucht weder beim Militär noch unter den Zivilisten eingedämmt werden. Auch drastische Strafen — wie Strafarbeiten aufgegriffener Betrunkener in der Lederfabrik - helfen nicht viel.

 

Hungern braucht in Gnesen niemand mehr — wenn er nur genug Geld hat. Jeden Tag kommen aus den vielen Dörfern der Umgebung Bauern mit Wagen, den Rädern oder mit der Bahn in die Stadt, um ihre Erzeugnisse anzubieten. Außerdem gibt es regelmäßige große Markttage. Und dann ist es ganz besonders zu merken, dass Gnesen seinen städtischen Charakter weitgehend eingebüßt hat und starke Tendenzen zum Absinken auf den Stand einer Ackerbürgerstadt zeigt. Oft genug wird an den Markttagen die Straßenbahn einfach stillgelegt, weil einfach kein Durchkommen mit den durch Vieh, Ständen und Wagen verstopften Straßen ist. Trotz dieser Entwicklung ist es aber bis heute nicht gelungen, eine wirklich hervorragende Einrichtung der Landwirtschaft wieder zum Leben zu erwecken: den berühmten Gnesener Pferdemarkt, der weithin in Deutschland einen guten Namen hatte und auf dem sich Pferdekenner aus allen Provinzen trafen.

 

Wenden wir uns den industriellen Problemen zu. Die früheren Betriebe der eisenverarbeitenden und landwirtschaftlichen Industrie haben nach ihrer Verstaatlichung ihre Bedeutung verloren. Die Produktion ist nicht mehr nennenswert und vor allem nicht konkurrenzfähig. Erwähnenswert ist eine im Landkreis Gnesen vor drei Jahren errichtete Stickstofffabrik, in der jedoch hauptsächlich Auswärtige und Dorfbewohner arbeiten. In Gnesen selbst hat nur die 1949 errichtete Lederfabrik Bedeutung. Sie produziert, wie schon gesagt, für die Streitkräfte. Erst in letzter Zeit wird auch der zivile Sektor mehr berücksichtigt. Zum Kummer der Einwohner aber geht dieser Teil der Produktion meistens ins Ausland, um Devisen hereinzubekommen. Es handelt sich um eine für polnische Verhältnisse ziemlich große Schweinslederfabrik, die zurzeit nach Schweden und in die Türkei exportiert. Es stimmt allerdings nicht, dass es sich bei dem Betrieb um den größten seiner Art handelt, wie die polnische Presse gern behauptet (ihr fehlen ja die Vergleichsmöglichkeiten). Immerhin verlassen täglich 20 Tonnen — das sind 10 000 Schweinshäute oder 5000 Quadratmeter Leder — in rohem oder verarbeitetem Zustand die Fabrik. Hergestellt werden 17 Arten von Leder, beispielsweise Oberleder, Futterleder, Veloursleder und anderes. In vielen Farben liefert der Betrieb auch Material für die Schuh- und Galanteriewaren-Produktion.

 

Wenig ist über Deutsche in Gnesen bekannt. Polnischerseits erfährt man lediglich, dass in der Lederfabrik und in einigen handwerklichen Werkstätten noch Deutsche arbeiten. Im Übrigen fand der französische Besucher in der Lokalzeitung Anzeigen, dass im Kulturhaus und im Stadttheater hin und wieder Gastspiele von Bühnen aus der Sowjetzone in deutscher Sprache stattfinden. Wie stark das deutsche Bevölkerungselement aber noch ist, kann nicht gesagt werden.

 

Zum Schluss wenden wir uns den bekannten Bauwerken der Stadt zu. Rathaus und Dom fand der Gast aus Frankreich in gutem Zustand. Augenscheinlich sind Erhaltungsarbeiten vorgenommen worden. Vor allem der im 14. Jahrhundert auf den Resten seines Vorgängers aufgeführte Gnesener Dom bietet das imposante Bild wie zu unserer Zeit. Seit längerem kommen auch ausländische Kunsthistoriker nach hier, um die gewaltige Bronzetür aus dem Jahre 1150 mit ihren vielen Flachreliefs zu bewundern. Man kann der Stadtverwaltung wenigstens im Falle dieser historischen Bauwerke nicht den Willen zur Erhaltung absprechen.

 

Seite 3   Nordostpreußen bleibt weiterhin Sperrgebiet. Keine Einreisevisen für Diplomaten und Touristen nach Königsberg.

Der sowjetische Verwaltungsteil Ostpreußens „Kalaningradskaja Oblast" genannt, bleibt weiterhin Sperrgebiet, verlautete in der vergangenen Woche von sowjetischer Seite. Zuvor hatte das sowjetische Außenministerium für westliche Diplomaten und Touristen bisher gesperrte Gebiete in der Sowjetunion für Besuche freigegeben. Der sowjetische Verwaltungsteil Ostpreußens war jedoch nicht in der Liste der freigegebenen sowjetischen Sperrgebiete verzeichnet. Beamte des sowjetischen Außenministeriums erklärten gegenüber westlichen Diplomaten und Touristen, die den Wunsch geäußert hatten, Königsberg und andere Städte im sowjetischen Verwaltungsgebiet Ostpreußens sehen zu dürfen, dass mit einer Aufhebung des sowjetischen Sperrgebietes in Ostpreußen nicht zu rechnen sei. Auch von Polen und von dem polnisch verwalteten südlichen Ostpreußen aus ist es nicht möglich, nach Königsberg zu reisen, da die sowjetische Botschaft in Warschau für dieses Gebiet keine Einreisevisen ausstellt.

 

Seite 3   Bandenüberfälle in Ostpreußen.

Auf einer Ende August abgehaltenen Sitzung des volkspolnischen „Städtischen Nationalrates" in Allenstein/Ostpreußen wurde u. a. auch die „Frage der Sicherheit und öffentlichen Ordnung im Gebiet von Allenstein" erörtert, nachdem sich in den letzten Monaten im Stadtgebiet von Allenstein und Umgebung mehrere schwere kriminelle Verbrechen ereignet hatten. Ein Vertreter der volkspolnischen „Bürgermiliz" erklärte, dass „zuweilen die Sicherheit der Bevölkerung, insbesondere in den Nachtstunden nicht mehr garantiert werden“ könne. Der „Kampf gegen das Bandenunwesen in der Allensteiner Wojewodschaft" müsse mit allem Nachdruck durchgeführt werden, sagte der Sprecher.

 

Erst kürzlich ist eine 17-köpfige Bande, die seit längerer Zeit das Stadtgebiet von Allenstein unsicher gemacht hatte, von der volkspolnischen Bürgermiliz gefasst worden. Die Bande hatte Passanten und Geschäfte mit der Waffe in der Hand überfallen, wobei die Bandenmitglieder die Überfallenen Opfer misshandelten und schwer verletzten.

 

Seite 3   Danziger Marienkirche verschandelt

In Ost- und Westpreußen erscheinende polnische Zeitungen wenden sich gegen die „dilettantische und schändliche" Art der Restaurierungsarbeiten in der Danziger Marienkirche. Außer dem billigen, aus Abbrüchen stammenden Baumaterial wird vor allem die Tatsache beanstandet, dass die alten, in den Boden eingelassenen Grabplatten herausgerissen und mit der unbeschrifteten Unterseite nach oben wieder eingesetzt worden sind, um die deutschen Inschriften dem Blick der Besucher zu entziehen. Gegen diese neue Art der Grabschändung wandte sich auch das Konsistorium der Mariengemeinde.

 

Seite 3    Marienburger „Festtage"

Die im vergangenen Monat aus Anlass der sogenannten „500. Wiederkehr Marienburgs zu Polen" durchgeführten „Festtage" in der Ordensstadt an der Nogat verliefen — wie die Zeitschrift „Turysta" meldet — ohne die erwartete Resonanz. Zwar hätten sich die örtlichen Veranstalter bei der Aufstellung eines umfangreichen Programms, das Freilichtaufführungen, Konzerte der Baltischen Philharmonie, Sportveranstaltungen und eine Ausstellung aufwies, viel Mühe gegeben. Die Besucher aus dem Landesinneren seien jedoch „aus unerfindlichen Gründen" zumeist ausgeblieben. Lediglich eine Briefmarkenserie und der Marienburger Sonderstempel (die das „urslawische Malbork" verherrlichen) haben sich größeren Interesses erfreut.

 

Seite 3   Gnesen, eine alte Hansestadt (Bild)

Seit fast 1000 Jahren Erzbistum, von Kaiser Otto III. im Jahre 1000 gegründet, gehört Gnesen zu denjenigen Städten der ehemaligen Provinz Posen, die von der Weltöffentlichkeit fälschlich für „rein polnisch“ gehalten werden. Gnesen liegt im Herzen des Posener Landes. Es musste nach dem ersten Weltkrieg ohne Abstimmung an Polen abgetreten werden — zusammen mit rund zwei Millionen Einwohnern der Provinz Posen und einer Fläche von 26 040 Quadratkilometern.

 

Die geschichtliche Wahrheit indessen ist, dass sich Polen auch 1945 widerrechtlich nahm, was ihm bereits 1919 mit wohlfundierten Gründen bestritten werden konnte: Der Sage nach um das Jahr 550 von König Lech gegründet, erhielt das an der alten West-Ost-Handelsstraße gelegene Gnesen schon im Jahre 1262 deutsches Recht. Weitab vom Meer, gehörte es dennoch zum weltweiten Bund der deutschen Hanse.

 

Die hohen Türme des Gnesener Domes (unser Bild) blicken auf ein an Wald, Seen und Hügeln reiches Land, das ehedem die Kornkammer Deutschlands war und in dem heute bei weitem nicht genug produziert wird, um die Bedürfnisse der Einwohner an Nahrungsmitteln zu stillen. Der Dom umschließt die sterblichen Reste des Heiligen Adalbert, dem der deutsche Bildhauer Rauch ein Grabmal modellierte. Kostbare Gemälde, ehrwürdige Kapellen und zahlreiche Kunstschätze im Dom bezeugen, dass der Gnesener Dom zwar nicht der östlichste, aber einer der bemerkenswertesten Zeugen für die Zugehörigkeit dieses Landes zum abendländischen Kulturkreis ist.

 

Seite 3   Identitäts-Ausweise für Deutsche

Die polnische Nachrichtenagentur PAP meldete kürzlich, dass die in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten verbliebenen Deutschen zu Jahresbeginn polnische Identitäts-Ausweise erhalten würden, auf denen ihre „deutsche Nationalität" vermerkt sein soll. Diese Ausweise sollen diejenigen Deutschen erhalten, deren „Staatsangehörigkeit ungeklärt" ist, das bedeutet, dass es sich um diejenigen Deutschen handelt, die bisher die polnische Staatsbürgerschaft nicht erwarben bzw. zuerteilt erhielten. Diejenigen Deutschen jedoch, die bis zum 31. Dezember 1957 bei der sogenannten DDR-Botschaft in Warschau einen Antrag auf Erwerb der „DDR-Staatsbürgerschaft" gestellt haben, können keinen derartigen Identitäts-Ausweis erhalten.

 

Seite 3   Bischofsburg

Der Wiederaufbau in Bischofsburg geht endlich mit größerer Aktivität voran, so dass wenigstens eine Stadt des Ermlandes in nennenswertem Umfang von den Kriegsschäden befreit wird. Vor allem geht es um den Wiederaufbau der Häuser an den Marktseiten. Man baut hier jetzt weniger Einzelhäuser als Wohnblocks, die zum Glück aber so gehalten sind, dass sie die städtebauliche Struktur nicht sprengen und sich anpassen. Bisher sind zwei größere Blocks dieser Art beendet worden. Ob der Gebäudekomplex inmitten des Marktes, der im Krieg zerstört wurde, wieder ersteht, ist noch nicht bekannt. Innerhalb der Stadt sind neue Bauten für rund hundert Familien in der Langgasse und ihrer unmittelbaren Umgebung entstanden.

 

Preußisch-Eylau

Die Wasserlieferung vom polnisch verwalteten Südostpreußen in das sowjetisch besetzte Preußisch-Eylau hat in letzter Zeit zu vielen russischen Klagen Anlass gegeben. Nach Meinung der Sowjets wird nicht nur genügend, sondern auch verschmutztes Wasser von den Polen über die Demarkationslinie geschickt. Die Russen verlangen von den Polen eine Säuberung der Wasserspeicher und eine Überprüfung der Leitungen.

 

79 000 Polen repatriiert

Nach Berichten polnischer Zeitungen sind seit dem Beginn der Repatriierungsaktion aus der Sowjetunion 79 000 Polen repatriiert worden, davon etwa 48 000 im Laufe der ersten 6 Monate dieses Jahres. Für die Ansiedlung der polnischen Heimkehrer sind In diesem Jahre 10 500 Wohnräume geschaffen worden.

 

475 000 Dollar für Polen

Die amerikanische Rockefeller-Stiftung hat mitgeteilt, dass sie 475 000 Dollar für die wissenschaftliche Forschung in Polen bewilligt habe. 175 000 Dollar sollen für Stipendien dienen, 300 000 Dollar zum Einkauf wissenschaftlicher Materialien und Einrichtungen für polnische Hochschulen und Forschungsinstitute.

 

Seite 3   Ermländisches Priestertreffen

Königstein. 60 ermländische Priester aus allen Teilen Deutschlands versammelten sich in Königstein/Taunus zu einer Arbeitstagung, ander auch der neue Kapitularvikar von Ermland, Paul Hoppe, teilnahm.  Am ersten Tag hielt Prof. Dr. Zische ein Referat über die Dreistigkeit als Ausgang, Vorbild und Ziel des menschlichen Daseins. Am zweiten Tag sprachen Redakteur Seipold über „Das deutsche Ostproblem" und Prof. Lemberg über „Die soziale Revolutionierung Westdeutschlands durch den Zustrom der ostdeutschen Heimatvertriebenen". Landtagsabgeordneter Techner berichtete von einer Reise durch das heutige Ermland. Zu Beginn der Arbeitstagung wurde ein Telegramm von Bundeskanzler Dr. Adenauer verlesen, in dem er den neuen Kapitularvikar zu seiner Ernennung beglückwünschte.

 

Seite 3   Landstallmeister Dr. Ehlert gestorben. Der Retter der Trakehner

 Am 21. September 1957 starb Landstallmeister Dr. Ernst Ehlert, der Retter der rassigen Trakehner-Pferde, im Gestüt Hunnesrück im Vorsolling. Er wurde 82 Jahre alt.

 

Ernst Ehlert war es in erster Linie zu verdanken, dass Deutschland über einen Zuchtstamm der weltberühmten ostpreußischen Pferde verfügt. Als sowjetische Panzerspitzen 1945 vor Trakehnen erschienen, ging Dr. Ehlert mit etwa 200 Tieren auf den großen Treck gen Westen. Durch die Hilfe eines englischen Offiziers gelang es ihm später, einige Stuten und Junghengste über die Zonengrenze nach Hunnesrück bei Einbeck zu bringen.

 

Bis zu seinem Tode lebte Dr. Ehlert in unmittelbarer Nähe seiner Tiere im Herrenhaus des Gestüts. Oft sah man ihn noch in den letzten Wochen und Monaten auf den Koppeln, täglich war er in den Stallungen anzutreffen.

 

Die Verdienste des Verstorbenen um die deutsche Pferdezucht wurden auch in Bonn erkannt und gewürdigt. An seinem 80. Geburtstag überreicht ihm Regierungspräsident Dr. Suermann das Verdienstkreuz der Bundesrepublik.

 

Seite 4   Danziger chartern Schiff für Fahrt in die Heimat. Heimatpolitik der Tat / Reisegruppe will Friedhöfe pflegen / Polen erteilte kostenlose Visa.

Wie man auch landsmannschaftliche Arbeit auffassen und in die Praxis umsetzen kann, bewies Gerd Zielinski, der Vorsitzende des 800 Mitglieder zählenden Ortsvereins Wuppertal im Bund der Danziger. Er charterte ein Sonderschiff, mit dem er in den ersten Oktobertagen mit 25 seiner Mitglieder über die Ostsee nach Danzig fahren wird. „Nicht aus irgendwelchen patriotischen Motiven heraus", versicherte der Initiator dieser Fahrt dem Berichterstatter der „Ruhr-Nachrichten", „sondern um eine moralische Pflicht zu erfüllen!" Die Reisegruppe will die Friedhöfe in und um der einstmals Freien Hansestadt herum in Ordnung bringen, die Gräber ihrer Angehörigen pflegen.

 

Überlassen wir dem Berichterstatter Horst Eberhard Hütt der Dortmunder „Ruhr-Nachrichten" das Wort.

 

Der 44-jährige Gerd Zielinski, einst Juniorchef in der großen Parkettfabrik des Vaters in Danzig, heute Besitzer einer Lederwarenhandlung im Schwebebahnhof in Wuppertal-Vohwinkel, hat die Reise bis in alle Einzelheiten sorgfältig vorbereitet. Schon vor Jahren, als er die ersten Verbindungen zu einigen Bekannten unter den 6000 Deutschen, die heute noch in Danzig leben, knüpfen konnte und durch ihre Briefe erfuhr, dass die Stadt selbst noch ein großer Trümmerhaufen und die Gräber auf den Friedhöfen in und außerhalb der Stadt von Unkraut überwachsen seien, kam ihm die Idee zu einem freiwilligen Arbeitseinsatz in der Heimatstadt. Doch Gerd Zielinski sah keine Möglichkeit, sein Vorhaben zu verwirklichen.

 

Erst als die polnischen Einreisebehörden Ende vergangenen Jahres die ersten deutschen Touristengruppen in die Gebiete jenseits von Oder und Neiße einreisen ließen, schöpfte Gerd Zielinski neuen Mut für sein Projekt. Über das Rote Kreuz, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Bekannte und Brieffreunde in Danzig versuchte Zielinski, die polnischen Behörden für sein Vorhaben zu interessieren. Das war vor zwei Monaten.

 

Wie erstaunt war er, als er bereits vor wenigen Tagen von der Außenstelle des polnischen Reisebüros „Helios" einen eingeschriebenen Brief erhielt. „Einer Einreise der von Ihnen zusammengestellten Gruppe steht nichts im Weg", hieß es in dem Schreiben, dem die Visa gleich beilagen. Als gutes Omen für das Gelingen seines Vorhabens betrachtet Zielinski den Umstand, dass die polnischen Behörden die Einreisevisa völlig kostenlos erteilten.

 

Aber nicht nur die schnelle Bereitschaft der polnischen Behörden trug dazu bei, die erste Gruppenreise aus Westdeutschland nach Danzig in so kurzer Zeit zu organisieren. Gerd Zielinski hatte bei seinen Vorbereitungen neben dem Glück — wie er die Reaktion der Behörden nennt — einen weiteren „Verbündeten": seinen Sohn, der zurzeit die Seefahrtschule in Lübeck besucht. „Über ihn bekam ich Kontakt zu jener Lübecker Reederei, die uns für unsere Fahrt ein Schiff zur Verfügung stellt", erzählt Gerd Zielinski gestern in seinem Geschäft.

 

Das Schiff, normalerweise im Seebäderdienst eingesetzt, soll die Strecke Lübeck— Danzig in zwei Tagen zurücklegen. Dabei wird es jedoch nicht in Danzig vor Anker gehen, sondern in dem nahegelegenen Gotenhafen. „Von dort aus werden wir jeden Morgen mit der Straßenbahn nach Danzig hineinfahren", lüftet Zielinski die Geheimnisse des Reiseprogramms.

 

Während des viertägigen Danzig-Aufenthalts wohnt und isst die Gruppe auf dem Schiff. „Genügend Proviant nehmen wir mit", hat Zielinski mit der Lübecker Reederei ausgemacht, die für Hin- und Rückfahrt, Unterkunft und Verpflegung pro Reiseteilnehmer 180 DM berechnet. Um diese Summe aufbringen zu können, hat sich Zielinski bereits mit einem entsprechenden Bittschreiben um Unterstützung an die großen Wirtschaftsunternehmen Wuppertals gewandt. Die Mittel für die Friedhofsarbeiten wollen die heute in Wuppertal lebenden und im Ortsverein organisierten Danziger selbst aufbringen. „Das sind wir unseren Toten schuldig!", meint Zielinski. Über die zu erwartenden Arbeiten hat er bereits einen genauen Plan aufgestellt. „Unsere Reisegesellschaft, unter der sich auch Frauen als Dolmetscherinnen befinden, wird in einzelne Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe hat einen Einsatzplan, auf dem genau steht, auf welchem Friedhof sie eingesetzt wird!"

 

Insgesamt will man auf 14 Friedhöfen in und um Danzig herum für Ordnung sorgen, Unkraut jäten, Ausbesserungsarbeiten vornehmen und die einzelnen Gräber und Gruften — soweit in der kurzen Zeit möglich — pflegen und schmücken. Zu diesem Zweck nimmt man umfangreiches Handwerkszeug mit auf die Reise.

 

Zielinskis Plan erschöpft sich jedoch nicht mit der einmaligen Reise. Während seines Danzig-aufenthaltes möchte er unter den dort lebenden Deutschen Helfer werben, die künftig die Pflege der Gräber von „unbekannten Toten" übernehmen. Das Honorar für die Arbeit und die Kosten für das Material will Zielinski in seinem Wuppertaler Ortsverein sammeln und regelmäßig nach Danzig schicken. Laufend sollen weitere Danzig-Fahrten folgen. Aus diesem Grund auch hat er die Teilnehmer der ersten Fahrt sorgfältig ausgewählt.

 

„Nur zuverlässige Leute fahren mit", versicherte er. „Schließlich soll die erste Danzig-Fahrt nicht die letzte sein. Deshalb können wir es uns auch nicht leisten, vielleicht nur durch das unbedachte Fotografieren eines Reiseteilnehmers im Hafen oder sonst wo als Spione beargwöhnt zu werden. Ebenso wenig wollen wir den noch in Danzig lebenden Deutschen Scherereien bereiten!"

 

Um den Erfolg der ersten und die Möglichkeit weiterer Reisen nicht durch die Unüberlegtheit einzelner Reiseteilnehmer gefährden zu lassen, hat er eine Art Knigge für seine Mitreisenden ausgearbeitet. Darin steht, was sie tun dürfen und lassen sollen. Einer dieser Tipps für den Kontakt von Mensch zu Mensch lautet: „Strunzt nicht damit, wie gut es euch heute schon wieder geht, sondern helft euren Landsleuten in der alten Heimat lieber...!"

 

Seite 4   Smirnow prostete mit „Bärenfang"

Der sowjetische Botschafter in Bonn, Andrej Smirnow, der unmittelbar nach der Eröffnung der Bundesfachschau für das Hotel- und Gaststättengewerbe in München mehrere Stunden lang sehr interessiert die Ausstellung besichtigte, verweilte bei dieser Gelegenheit auch längere Zeit an dem Stand der Alt-Königsberger Firma Teucke & Koenig, die heute in Hannover ihren Sitz hat. Begreiflich, dass es auch bei diesem prominenten Gast nicht ohne die üblichen Kostproben abging. Ganz besonders sprach Botschafter Smirnow den Spezialitäten des Hauses, dem traditionellen „Bärenfang" und nicht weniger anerkennend dem gewiss konkurrenzfähigen „Wodka" zu, Er verabschiedete sich wohlwollend mit einem kräftigen Händedruck von dem Mitinhaber der Firma, W. Koenig, der ihm noch eine Flasche seines ausgezeichneten „Bärenfangs" mit auf den Weg gab. Das Flaschenetikett wird den Gast in einer besinnlichen Stunde über die Herkunft dieser geistigen Labung sicherlich zu einigem Nachdenken verführen.

 

Seite 4   Vertriebene als Fürsorgeempfänger

Nach einer soeben vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte veröffentlichten Statistik, ist die Zahl der im Bundesgebiet im Rahmen der öffentlichen Fürsorge unterstützten Personen zwischen 1945 und 1955 von 2,4 Millionen Personen auf rund 900 000 Personen gesunken. Dabei habe sich der Anteil der Vertriebenen von 27,7 v.H. auf 22,1 v. H. vermindert. Unter Einbeziehung derjenigen Personen, welche Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich erhalten, stelle sich die Lage anders dar:

 

Danach sind von insgesamt 1,5 Millionen Hilfsbedürftigen im Bundesgebiet und Westberlin 753 000 Vertriebene.

 

Es ergebe sich also, dass die Vertriebenen an der Zahl der Hilfsbedürftigen des Bundesgebietes und Westberlin mit 49,3 Prozent beteiligt sind, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes und Westberlin nur 17,1 Prozent beträgt. Diese Zahl widerlege die Behauptung, dass die Hilfsbedürftigkeit bei den Vertriebenen kein stärkeres Gewicht habe als bei der übrigen Bevölkerung.

 

Das Bundesvertriebenenministerium macht an Hand dieser Feststellung eindringlich darauf aufmerksam, dass die Eingliederung trotz beachtlicher Fortschritte noch keineswegs abgeschlossen ist.

 

Seite 4   Jede dritte Schülerin aus Ostdeutschland

Wilhelmshaven. Jede dritte Schülerin der Oberschule für Mädchen in Wilhelmshaven ist in Ostdeutschland geboren. Das ergab eine Erhebung des Direktors der Schule über die Geburtsorte der Schülerinnen aus Anlass einer z. Zt. an der Schule veranstalteten „Ostdeutschen Woche".

 

Seite 4   Vertriebenenarbeitslosigkeit immer noch zu hoch

Während die Gesamtarbeitslosigkeit im Bundesgebiet am 30. Juni dieses Jahres gegenüber dem gleichen Datum des Vorjahres von 473 846 Personen um 5,3 Prozent auf 453 672 Personen gesunken ist, nahm die Arbeitslosigkeit der Vertriebenen im gleichen Zeitraum sogar um 9,2 Prozent ab, nämlich von 113 924 Personen am 30. Juni 1956 auf 103 420 Personen am gleichen Tage dieses Jahres. Noch ist der Anteil der Vertriebenen an der Gesamtarbeitslosigkeit in Westdeutschland mit nunmehr 22,8 Prozent weiterhin höher, als der Vertriebenenanteil an der Gesamtbevölkerung, der 17,5 Prozent beträgt.

 

In den 33 durch die Statistik aufgeführten Berufsgruppen hat sich die Arbeitslosigkeit der Vertriebenen recht verschieden entwickelt. Während 13 Berufsgruppen über dem Bundesdurchschnitt des Vertriebenenanteils an der Gesamtarbeitslosigkeit liegen, liegt der Anteil bei den übrigen 20 Berufsgruppen unter dem Bundesdurchschnitt. Besonders hoch ist der Anteil der Vertriebenenarbeitslosigkeit in den landwirtschaftlichen Berufen mit 32,8 Prozent,

bei den Glasmachern mit 31,6 Prozent, bei den Rechts- und Sicherheitswahrern mit 27,8 Prozent, bei den Ledermachern, Leder- und Fellverarbeitern mit 25,8 Prozent.

 

Seite 4   Kriegsfolgengesetz bringt Entlastung des LAG-Fonds

Auch für Vertriebene bringt das Allgemeine Kriegsfolgengesetz, das unlängst vom Bundestag verabschiedet worden ist, beträchtliche Vorteile. Es regelt die Aufwertung der verbrieften Anleihen und Schuldbuchforderungen des ehemaligen Deutschen Reiches, der Reichsbahn, der Reichspost, des Staates Preußen und der Hansestadt Lübeck. Dadurch wird dieser gesamte Schadenskomplex aus dem Rahmen der Lastenausgleichsentschädigung herausgenommen, was eine erhebliche Entlastung des Ausgleichsfonds von Forderungen bedeutet, die sonst auf ihn zugekommen wären.

 

Jeder Gläubiger der geschilderten Kategorien erhält nunmehr zehn Prozent des alten Reichsmarkbetrages in neuen Anleihen und vier Prozent Schuldbuchforderungen gegen den Bund, die Bundesbahn oder die Bundespost. Die Zinsen sollen vom 1. April 1955 ab mit vier Prozent nachgezahlt werden. Außerdem unterliegen diese Anleihen auch den Regelungen der Altsparerentschädigung, wodurch in den Fällen, die von der Altsparerentschädigung betroffen werden, eine zusätzliche Aufwertung um weitere zehn Prozent möglich wird.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 10, Oktober 1957.

Der ewige Kreislauf.

Ich sehe die Natur gern als eine Macht an, an der man die reinste Freude hat, wenn man ruhig mit allen ihren Entwicklungen fortlebt, und die Summe aller als ein Ganzes betrachtet, indem es nicht gerade darauf ankommt, ob jedes einzelne erfreulich sei, wenn nur der Kreislauf vollendet wird. Das Leben mit der Natur auf dem Lande bat vorzüglich darin seinen Reiz für mich, dass man die Teile des Jahres vor seinen Augen abrollen sieht. Mit dem Leben ist es nicht anders, und es scheint mir daher immer aufs mindeste eine müßige Frage, welches Alter, ob Jugend oder Reife, oder sonst einen Abschnitt, man vorziehen möchte. Es ist immer nur eine Selbsttäuschung, wenn man sich einbildet, dass man wahrhaft wünschen könnte, in einem zu bleiben. Der Reiz der Jugend besteht gerade im heiteren und unbefangenen Hineinstreben in das Leben, und er wäre dahin, wenn es einem je deutlich würde, dass dies Streben nie um eine Stufe weiterführt, etwa wie das Treten der Leute, die in einem Rade eine Last in die Höhe heben.

 

Mit dem Alter ist es nicht anders, es ist im Grunde, wo es schön und kräftig empfunden wird, nichts anderes, als ein Hinaussehen aus dem Leben, ein Steigen des Gefühls, dass man die Dinge verlassen wird, ohne sie zu entbehren, indem man doch zugleich sie liebt und mit Heiterkeit auf sie hinblickt, und mit Anteil in Gedanken bei ihnen verweilt.

 

Selbst ohne auch religiöse Gedanken an den Anblick des Himmels zu knüpfen, hat es etwas unbeschreiblich Bewegendes, sich in der Unendlichkeit des Luftraums zu verlieren, und benimmt so auf einmal aller kleinlichen Sorgen und Begehrungen des Lebens, und der Wirklichkeit ihre sonst leicht einengende Wichtigkeit. So sehr auch der Mensch für den Menschen das Erste und Wichtigste ist, so gibt es gerade nichts gegenseitig mehr Beschränkendes, als die Menschen, wenn sie, enge zusammengedrängt, nur sich im Auge haben. Man muss erst oft wieder in der Natur ein höheres und über die Menschheit waltendes Wesen erkennen und fühlen, ehe man zu den beschränkten Menschen zurückkehrt.

 

Nur dadurch auch gelangt man dahin, die Dinge der Wirklichkeit nicht so wichtig zu halten, nicht so viel auf Glück oder Unglück zu geben, Entbehrung und Schmerz minder zu achten, und nur auf die innere Stimmung der Verwandlungen des Geistes und Gemüts seine Aufmerksamkeit zu richten, und das äußere Leben bis auf einen gewissen Grad in sich untergehen zu lassen. Der Gedanke des Todes hat dann nichts, was abschrecken oder ungewöhnlich bekümmern könnte, man beschäftigt sich vielmehr gern mit ihm, und sieht das Ausscheiden aus dem Leben als eine natürliche Entwicklungsstufe in der Folge des Daseins an. Wilhelm von Humboldt

 

Seite 5   Erntedank in Lied und Brauchtum

Mit lautem Jubel bringen wir

den schönsten Erntekranz,

mit seiner Ähren lichten Zier

viel mehr als Goldes Glanz.

 

Seht, Brüder, diesen Erntekranz!

Er führt zum Ernteschmaus

und dann zum frohen, muntren Tanz

vor unsres Herren Haus.

 

Die Garben, die hier um uns stehn,

die folgen uns bald nach;

sie nähren uns von früh bis spät

so manchen lieben Tag.

 

Das Brot, es schmeckt uns doppelt gut,

wir wissen, was das heißt:

was man mit eigner Hand und Müh

verdient, hat man zur Speis.

 

Wir wünschen dem Herrn ein reiches Glück

und bringen ihm die Kron.

Sie ist der Schnitter Meisterstück

und mehr als aller Lohn.

(Volkslied, in ganz Ostpreußen verbreitet)

 

Seite 5   Die Wassertaufe

Im Ermland hat sich der Brauch der Wassertaufe bis in die jüngste Zeit erhalten. Beim Einbringen des letzten Erntewagens wurde ein jeder, der die Gesindestube betrat, mit Wasser übergossen. In den Kreisen Neidenburg und Osterode erhielten die Frauen und Mädchen, die die Erntekrone brachten, die Wassertaufe.

 

Seite 5   Briefmarkenecke (abgebildet sind zwei Briefmarken)

Dass Briefmarken recht eindrucksvoll von den Kulturleistungen unseres Volkes im deutschen Osten künden können, wollen wir uns heute einmal näher betrachten.

 

Es gibt eine Vielzahl von Postwertzeichen Deutschlands und Danzigs, aber auch der östlichen Nachbarstaaten wie Polen, Tschechoslowakei, Litauen und Lettland, auf denen Bauwerke dargestellt sind, die deutsche Baumeister der Gotik und des Barock geschaffen haben, die der Schweiß und Fleiß deutscher Handwerker und Arbeiter aufgeführt hat und zu deren Errichtung deutsche Kaiser und Könige, deutsche Kaufherren oder der Deutsche Ritterorden den Auftrag gegeben haben.

 

Die Marienburg in der Serie der deutschen Postwertzeichen des Jahres 1924 ist ein Beispiel dafür, ein anderes das Krantor in Danzig, das auf der Gedenkausgabe zur Wiedervereinigung Danzigs mit Deutschland 1939 abgebildet ist.

 

Wenn ihr euch einmal den Freimarken Danzigs zuwendet, werdet ihr viele Motive finden, die sich unter ‚deutsche Kulturleistungen im Osten' einreihen lassen: die Silhouette Danzigs auf der Luftpostausgabe 1921, auf den Marken von 1932 die Kathedrale von Olivia, das Krantor, die Marienkirche, das Rathaus, den Neptunbrunnen im Artushof. 1935 den Stockturm, das alte Stadttor und die Georgshalle, weitere Bauwerke auf der Wohltätigkeitsausgabe des Jahres 1936 usw. Schaut euch auch einmal die deutsche Wohltätigkeitsausgabe von 1940 an. Oder den schönen Viererblock, der anlässlich der Internationalen Postwertzeichenausstellung Königsberg im Jahre 1935 erschienen ist. Das ist etwas für Feinschmecker. Ihr findet darauf abgebildet die Schlösser von Alleinstein, Königsberg und Heilsberg sowie das Tannenberg-Ehrenmal.

 

Damit ist der Ring natürlich noch lange nicht geschlossen. Doch ich will euch die Entdeckerfreude nicht ganz nehmen.

 

Das nächste Mal zeige ich euch einige Proben von ausländischen Marken, auf denen Bauwerke unserer Heimat dargestellt sind.

 

Seite 5   Für unsere Leseratten

Ja, es lässt sich nicht verheimlichen: wie im Frühling die Schwalben, so kommen im Herbst die neuen Bücher. Künden die Schwalben die kommenden wärmeren Tage, so die Flut der Bücher, dass es langsam, aber sicher auf Weihnachten zugeht. Ihr Sammelplatz ist Frankfurt. Sicherlich habt ihr schon einmal von der Deutschen Buchmesse gehört, die alljährlich im Herbst ihre Zelte in Frankfurt aufschlägt.

 

Ja, und was da alles geboten wird, tausende und zehntausende neue Titel in- und ausländischer Verlage. Es würde euch sicherlich schwer fallen, aus diesem Massenangebot den einen freihabenden Wunsch beim Onkel Weihnachtsmann herauszusuchen. Wie ein Alptraum würden euch diese vielen Titel verfolgen, und zum Schluss könntet ihr euch doch nicht entscheiden.

 

Na ja, man gut, dass wir da noch da sind: Gert und Ute mit ihrer Bücherkiste. Wir fahren gewissermaßen mit dem Roller durch die Ausstellungshallen und packen alles ein, was uns empfehlenswert für euch erscheint.

Passt mal auf, was wir heute herausgegriffen haben!

 

Da ist zunächst:

Die güldene Kette. Schönste Volksmärchen. Aus dem Märchenschatz der europäischen Völker. Ausgewählt von Gottfried Henssen. (Bertelsmann Verlag, Gütersloh. 280 Seiten, Halbleinen DM 6,80.)

Dieses Buch erschien in der Reihe der Illustrierten Jugend-Bibliothek „Mein Bücherschatz", aus der wir euch schon einmal das schöne Buch „Tiere — erlebt und belauscht" vorgestellt haben. Wir finden in diesem Band neben den schönsten deutschen Volksmärchen solche aus Dänemark, Norwegen. Schweden, Litauen, Finnland, Russland, Ungarn, Griechenland, Frankreich, Spanien, England und anderen Ländern. Und es zeigt sich in diesen Märchen, dass wir uns im Grunde doch eigentlich gar nicht so sehr unterscheiden, du und der Junge in England oder in Russland. Eine Probe aus diesem Band haben wir in unserer heutigen Kogge aufgenommen, ein Märchen aus unserer Heimat Ostpreußen, das in der Gegend von Mohrungen aufgezeichnet worden ist. Das Buch ist mit vielen, teils einfarbigen, teils mehrfarbigen Zeichnungen ausgestattet. Ihr werdet eure Freude daran haben!

 

Nicht viel weniger aber an dem

Jugend-Brehm. Auf der Grundlage von Brehms Illustriertem Tierleben herausgegeben von Ludwig Koch-Isenburg. (Kreuz-Verlag, Stuttgart. 272 Seiten mit mehreren Kunstdruckbeilagen. Leinen DM 9,80.)

Hier ist wieder ein Buch für alle Tierfreunde, das aus der Fülle der Bücher, die sich an das Kind und den Jugendlichen wenden, weit herausragt. Es ist ein Verdienst des Verlages, dass er aus dem bisher unerreichten Standardwerk „Brehms Tierleben" die schönsten, spannendsten und interessantesten Beiträge für diese neue preiswerte Volksausgabe ausgewählt und um wertvolles Bildmaterial bereichert hat, um es allen Schichten und vor allem der Jugend zugänglich zu machen. Wenn ein Buch die Liebe zum Tier und die Ehrfurcht vor jeglichem Leben in der Schöpfung wecken und vertiefen kann, dann ist es dieses.

Im November können wir euch wieder auf viele neue Bücher hinweisen. Gert und Ute.

 

Seite 5   Kleine Herbstbasteleien (mit Abbildung)

Was man alles aus Kastanien und Eicheln basteln kann, haben wir euch schon im vorigen Herbst gezeigt. Der Wald hat aber noch eine Menge anderes Bastelmaterial. Schaut euch mal

diese beiden Gestalten an; sehen sie nicht aus wie zwei mutige Ritter aus fernen Ländern, die zum Kriegstanz angetreten sind? Ihr könnt euch eine ganze Reihe dieser Krieger basteln und werdet eure helle Freude an diesen lustigen Gesellen haben.

 

Kiefernzapfen bilden den Rumpf, dünne Ästchen die Glieder. Der Kopf entsteht aus einer großen Hagebutte, eine aufgesprungene Bucheckernkapsel bildet den Helm. Ein in die Hagebutte gestecktes Hölzchen verbindet als Hals den Kopf mit dem Rumpf. Für Hände und Speerspitze nehmt ihr Sonnenblumenkerne, die eingeschlitzt auf Ästchen geschoben werden, für die Füße Kürbiskerne. Nehmt aber guten Leim zu Hilfe, damit die Männlein einen festen Halt bekommen!

 

Übrigens Sonnenblumenkerne, da fällt mir noch eine schöne Bastelei für die Mädchen ein. Ihr könnt euch aus diesen Kernen eine wunderschöne Halskette basteln, indem ihr sie mit einer Nadel auf einen entsprechend langen Baumwollfaden fädelt. Zwei- oder dreifach geschlungen, habt ihr dann einen schönen Halsschmuck. Eventuell kann man auch in gleichen Abständen eine Haselnuss mit auffädeln, oder eine Hagebutte. Versucht es einmal.

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats. (Foto)

Reichsfreiherr vom Stein

Heute wollen wir in kurzen Stichworten das Porträt eines Staatsmannes umreißen, der seiner Geburt nach kein Preuße, aber seiner Gesinnung, seinem Denken und Handeln und seinem Charakter nach als Verkörperung preußischen Geistes schlechthin anzusprechen ist. Es ist Karl Freiherr vom und zum Stein.

 

Am 26.10.1757 zu Nassau auf dem Stammschloss der Väter geboren, trat Stein 1780 als Kämmerer in den preußischen Staatsdienst. 1784 bis 1804 war er in Westfalen als Direktor der westfälischen Bergwerke und als Präsident der markischen und klevischen Kammer tätig und schließlich als Oberpräsident in Minden und später in Münster. Er leistete Vorzügliches in der Förderung des Bergbaues, im Bau von Handelsstraßen und Kanälen, mit Steuerordnungen, Zollregulierungen, handelspolitischen Maßnahmen und Sozialreformen.

 

1804 ins Generaldirektorium nach Berlin berufen, machte Stein 1806 dem König Vorschläge zur Beseitigung der Kabinettsregierung und Schaffung einer Ministerialkonferenz. Er fiel darüber in Ungnade und zog sich erbittert nach Nassau zurück, wo er in der berühmten Denkschrift seine staats- und volkspolitischen Reformpläne niederschrieb. Auf Vorschlag Napoleons wieder nach Berlin berufen, schrieb Stein dem König zur Annahme des Amtes: „In diesem Augenblick des allgemeinen Unglücks wäre es sehr unmoralisch, seine eigene Persönlichkeit in Anrechnung zu bringen“.

 

Allen Widerständen zum Trotz begann er sein großes Reformwerk durchzusetzen. Er schuf aus Leibeigenen freie Bauern, erließ die Städteordnung und gründete damit die Selbstverwaltung des Bürgertums. Dann aber traf ihn, Ende 1808, die Achtung Napoleons, der in ihm seinen großen Gegner erkannt hatte. Vier bittere Jahre der Verbannung folgten, bis Stein als erster Berater des Zaren nach Petersburg kam. Er bestimmte den kriegsmüden Herrscher zum Durchhalten, bis Napoleon nach dem Brand von Moskau sich zur Flucht wendete.

 

Stein eilte nach Ostpreußen und bewog den General York, nach dem Schritt von Tauroggen nun auch die Bewaffnung der Landstände ins Werk zu setzen. Beim preußischen König, der in Breslau residierte, erreichte er dann die formelle Lösung des noch bestehenden Bündnisses mit Napoleon und den Anschluss an den Zaren von Russland. So kam es zur allgemeinen Erhebung und äußeren Befreiung von Deutschland, und Stein wurde zum Präsidenten des Zentralverwaltungsrates für die wiedergewonnenen Gebiete ernannt.

 

Seine großen Pläne für ein einiges Deutschland und die weitere Befreiung des Volkes von der inneren sozialen Not wurden von der wiedererstarkten Reaktion verhindert, verwässert und zum Teil sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Nachdem er noch beim Wiener Kongress vergeblich als Mahner und Warner aufgetreten war, zog Stein sich 1816 resigniert von der großen Politik zurück. Er bewohnte das Schloss Kappenberg in Westfalen, das er vom preußischen Staat gegen seine Besitzung Birnbaum in Posen eingetauscht hatte, wirkte dort noch viel Gutes als Gutsherr und als Präsident der westfälischen Landstände, veranlasste und förderte die Herausgabe der Quellen der deutschen Frühgeschichte und starb am 29. Juni 1831.

 

Bauernbefreiung, Selbstverwaltung und Verwaltungsreform, diese drei großen Werke des Freiherrn vom Stein, haben ein völlig zusammengebrochenes, unter dem Druck Napoleons seufzendes Volk wieder zur Genesung geführt. „Einen sittlichen, religiösen, vaterländischen Geist in der Nation zu heben, ihr wieder Mut, Selbstvertrauen, Bereitwilligkeit zu jedem Opfer für Unabhängigkeit von Fremden und für Nationalehre einzuflößen", das ist — mit Steins eigenen Worten — Ziel und Sinn seines Mühens gewesen

 

Seite 6   Ein Märchen aus Ostpreußen

Prinz Katt

Es war einmal ein König und eine Königin, die hatten keine Kinder, wünschten aber von ganzem Herzen: Ach, wenn wir doch eins hätten!

 

Nun war auch ein Fischer In jenem Lande, der hatte im Trunke gesagt: „Wer weiß, was das Königspaar gesündigt hat, dass es so bestraft wird!"

 

Das wurde dem König hinterbracht, und er befahl, den Fischer zu ergreifen und vor ihn zu führen. Als der aber die Soldaten kommen sah, erschrak er so sehr, dass er zur Hintertür hinaus in den Wald lief und sich dort versteckte.

Nachdem er ein paar Tage umhergeirrt war, traf er ein altes kleines Männlein, das fragte ihn: „Was suchst du hier?" Und der Fischer sagte: „Meine Frau hat mich in den Wald geschickt, dürres Holz zu holen!"

 

„Lüg nicht!" sagte das Männlein. „Ich weiß alles. Aber ich will dir helfen. Geh ohne Furcht zum König und sag ihm, dass du guten Rat weißt. Er soll dir dreißig Klafter neues Garn geben, damit du den ganzen See abfischen kannst. Und wenn die Königin das aufisst, was du fängst, dann wird ihr Kummer ein Ende haben“.

Da gehorchte der Fischer, und alles geschah so, wie das Männlein gesagt hatte. Er fuhr mit drei Knechten und dem neuen Garn auf den See. Lange Zeit fingen sie nichts; endlich gingen ihnen drei Fischlein ins Netz. Die nahm der Fischer eilig und trug sie zur Königin.

 

Sie befahl, dass sie sofort geschuppt und gereinigt und zubereitet würden. Und niemand sollte sich unterstehen, davon zu kosten; sie wollte sie ganz allein essen. Aber als die Fischlein fertig waren sprang die Katze hinzu und fraß eins davon auf. Und auch die Magd, die die beiden anderen der Königin bringen sollte, konnte sich nicht bezähmen und verzehrte das zweite. So blieb nur das letzte für die Königin übrig.

Und nun geschah ein großes Wunder. In einer Nacht wurden drei Prinzen geboren. Und der älteste von ihnen wurde Prinz Katt genannt. Er war der klügste und stärkste von den dreien. Aber der König und die Königin hatten alle gleich lieb.

 

Als die Brüder groß waren, sagte Prinz Katt: „Hört, ihr beiden! Es ist eine Schande, dass wir so müßig zu Hause liegen. Wir wollen in die Welt wandern und etwas erleben!"

Sie waren einverstanden und ritten davon. Nach einiger Zeit kamen sie an einen breiten Fluss. An seinem Ufer stand ein stattliches Haus, und eine große Brücke führte hinüber. Sie gingen in die Stube hinein. Es war keine Menschenseele darin, aber auf dem Tische stand Essen und Trinken in Fülle. Da ließen sie es sich wohl sein und beschlossen, die Nacht dazubleiben.

 

Als aber Prinz Katt über den Hof ging, hörte er die Sperlinge einander zuzwitschern: „Schade um die frischen Burschen! Wenn sie heute Nacht in guter Ruhe liegen und schlafen, dann kommt der Drache mit den drei Köpfen, dem das Haus gehört, und bringt sie um! Ja, wenn sie ihn nicht erst über die Brücke kommen ließen, dann könnten sie wohl mit ihm fertig werden. Kommt er aber hinüber, dann wird er unüberwindlich stark“.

Prinz Katt aber merkte sich alles. Und als es Abend wurde, sagte er: „Brüderchen, wacht mit mir! Wer weiß, was in der Nacht geschieht“. Sie aber lachten ihn aus und gingen zu Bett.

Prinz Katt schritt über die Brücke, zog sein Schwert und wartete. Und richtig kam ein riesiger dreiköpfiger Drache und schrie: „Mach, dass du mir aus dem Wege kommst!" Aber Prinz Katt kämpfte mit ihm und schlug ihm alle Köpfe ab.

 

Am anderen Morgen weckte er seine Brüder und zeigte ihnen, was er geleistet hatte. Da wunderten sie sich sehr und lobten seinen Mut und seine Klugheit.

Dann ritten sie weiter und kamen schließlich wieder an einen Fluss. Der war noch breiter als der erste, und das Haus an ihm war noch stattlicher, und die Brücke darüber noch größer. Und wieder fanden sie einen reichgedeckten Tisch und ließen es sich schmecken.

Allein Prinz Katt traute dem Frieden nicht. Er hörte auf die Krähen, die in den Bäumen saßen. Da verstand er, dass sie von ihm und seinen Brüdern redeten: „Schade um die wackern Burschen! Wenn sie heute Nacht in guter Ruhe liegen und schlafen, dann kommt der sechsköpfige Drache, dem das Haus gehört, und bringt sie um! Ja, wenn sie ihn nicht erst über die Brücke kommen ließen, dann könnten sie schon mit ihm fertig werden. So aber wird er unüberwindlich stark“.

 

Da bat Prinz Katt die Brüder: „Wacht mit mir! Wer weiß, was in der Nacht geschieht!" Sie aber meinten, es würde ja nicht in jeder Nacht ein Drache kommen, und gingen zu Bett.

 

Wieder ging Prinz Katt über die Brücke; und als der sechsköpfige Drache kam, kämpfte er mit ihm einen langen und schweren Kampf. Aber schließlich schlug er ihm alle sechs Köpfe ab und ließ ihn tot liegen.

„Ihr seid mir schlechte Brüder", sagte er am anderen Morgen, „heute Nacht war ich in großer Gefahr“.

 

Sie ritten weiter. Und auch an diesem Tage war es wie an den beiden ersten, nur dass der Fluss noch breiter, die Brücke noch länger und das Haus noch größer war. Und während es sich die Brüder schmecken ließen, hatte Prinz Katt keine Ruhe. Er ging an die Brücke und hörte, wie die Schwalben, die darunter ihre Nester gebaut hatten, zwitscherten: „O weh über das junge Blut! der neunköpfige Drache wird keinen verschonen. Und wenn er erst über die Brücke gekommen ist, hält ihm niemand mehr stand!"

 

Diesmal bat Prinz Katt seine Brüder noch eindringlicher: „Wacht mit mir! Die Nacht ist keines Menschen Freund!" Und sie versprachen auch, sich munter zu halten. Weil sie aber dem Trunke gründlich zugesprochen hatten, gelang ihnen das nicht.

Prinz Katt wartete währenddes auf den neunköpfigen Drachen. Und schließlich hörte er ihn kommen. Das klang, als wenn ein ganzes Heer marschierte, und sein Schatten verfinsterte sogar den Mond. Aber er trat ihm ohne Furcht entgegen und kämpfte mit ihm bis zum Sonnenaufgang. Und noch immer hatte er dem Ungeheuer nicht alle Köpfe abgeschlagen. Da flogen die Schwalben gegen die Fensterscheiben, dass die Brüder erwachten. Sie eilten hinaus und kamen gerade zur rechten Zeit; denn Prinz Katt begann schon müde zu werden. Nun aber standen ihm die Brüder tapfer bei, und endlich war auch das dritte Ungeheuer besiegt.

Jetzt legte sich auch Prinz Katt zur Ruhe nieder, denn er hatte drei Tage und drei Nächte nicht geschlafen. Aber kaum waren seine Augen geschlossen, da kam eine große Fliege, summte um seinen Kopf, kroch ihm übers Gesicht, krabbelte ihm in Nase und Ohren, und sooft er sie auch fortscheuchte, sie kam immer wieder. Da wurde er endlich aufmerksam und fragte: „Was willst du, Summerin?"

 

Und die Fliege sagte: „Prinz Katt, du meinst wohl, ihr seid aus aller Gefahr? Noch leben aber die Drachenweiber. Und die alte Tiersch, die Schwiegermutter, hat ihren Töchtern listigen Rat gegeben, euch zu verderben. Die erste, das Weib des Dreiköpfigen, wird sich in einen Apfelbaum verwandeln. Und wenn ihr vorbeireitet und euch verlocken lasst, von den schönen Äpfeln zu essen, dann müsst ihr sterben. Die zweite, des Sechsköpfigen Frau, wird sich in einen klaren Quell verwandeln. Aber wehe, wenn ihr daraus trinkt; es ist das stärkste Gift. Die dritte aber, des Neunköpfigen Weib, wird als ein kühles Haus am Wege stehen. Geht ihr hinein, dann fällt es über euch zusammen und erschlägt euch. — Nun bist du gewarnt!"

Und wirklich kam am nächsten Tag alles so, wie es die Fliege gesagt hatte. Erst stand ein Apfelbaum am Wege. Und der jüngste Bruder streckte schon die Hand aus, um die wunderschönen Früchte zu pflücken. Doch Prinz Katt hielt ihn mit der Linken fest, und mit der Rechten hieb er den Apfelbaum mitten durch. Da floss schwarzes Blut wie Teer heraus. Und in der heißen Mittagszeit sprang ihnen ein klarer Quell in den Weg. Der zweite Bruder stieg eilig vom Pferde und beugte sich nieder, um zu trinken. Aber Prinz Katt war noch schneller. Er hielt ihn mit der linken zurück, und mit der Rechten stach er sein Schwert tief in den Quell. Da wurde das Wasser erst blutig-rot, dann dunkel und trübe wie Teer.

Und Prinz Katt wusste, dass auch das zweite Drachenweib beseitigt war. Nach einiger Zeit stand ein kühles Haus am Wege. Prinz Katt bat seine Brüder: „Um Gottes willen, geht nicht hinein! Helft mir, es zu zerhauen! Und dann hieben sie alle drei darauf los, dass die Splitter flogen. Und schließlich war das Haus verschwunden, wo es gestanden hatte, floss teerfarbenes Blut.

Nun herrschte große Freude im ganzen Lande. Und der König, der dort regierte, ließ die drei Prinzen zu sich laden und gab ihnen seine drei Töchter zur Frau. Und Prinz Katt bekam die jüngste und schönste.

Aber die alte Tiersch lebte noch. Und sie hätte in der Hochzeitsnacht sicher alle umgebracht, wenn nicht Prinz Katt auf der Hut gewesen wäre. Nun aber kam er gerade dazu, wie sie sich durch das eiserne Gitter des Schlosstores nagen wollte. Er schlug dem Ungeheuer den Kopf ab. Und nun hatten alle Ruhe ihr Leben lang und waren glücklich und froh. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute

 

Seite 6

O Mensch, du hast ein Vaterland

ein heiliges Land,

ein geliebtes Land,

eine Erde, wonach deine Sehnsucht

ewig dichtet und trachtet.

E. M. Arndt

 

Seite 6   Westpreußen-Mosaik

Als am 12. September 1872 die 100-jährige Zugehörigkeit Westpreußens zum preußischen Staate in Marienburg im Hochmeisterschloss festlich begangen wurde, tauchte der Gedanke auf, die frühere provinzielle Selbständigkeit Westpreußens wieder zu erstreben. Die gemischte deutsche und polnische Bevölkerung Westpreußens erfordere eine ganz besondere Behandlung, so lautete u. a. eine Begründung für diese Bestrebungen. Damals wurde die Grundsteinlegung zum Denkmal Friedrichs des Großen auf dem Platz vor dem großen Schlossportal gelegt. Als Festredner gelobte Geh. Regierungsrat Leopold von Winter, Oberbürgermeister von Danzig namens Westpreußens an der Weichsel treue Wacht halten zu wollen für Bildung, Gesittung und friedliche Arbeit. Am 9. Oktober 1877 fand in Marienburg die Enthüllungsfeier des Denkmals Friedrich des Großen statt. Am 1. April 1878 trat Westpreußen dank den eifrigen Bemühungen Winters im Preußischen Landtage sowie in Eingabe an die Krone Preußens ebenbürtig in die Reihe der übrigen preußischen Provinzen. Leopold von Winter, die treibende Kraft für die Wiedererrichtung der Provinz Westpreußen, der aus Schweiz (Weichsel) stammte, wurde in 27 Jahren erfolgreicher Amtsführung zum großen Reformator Danzigs, wie ihm nach dem Ableben auf seinem Gut Gelens im Kreise Kulm (1890) mit Recht nachgerühmt wurde.

 

Das westpreußische Landeshaus im Regierungsviertel Danzigs mit der Jahreszahl „1882" in der Krönung der formschönen Fassade nach dem Vorbild deutscher Renaissance wurde zum sinnvollsten Ausdruck der Wiederherstellung der provinziellen Selbständigkeit Westpreußens. Der große Sitzungssaal des Landeshauses galt als eine Ehrenstätte Westpreußens. Aus den hohen Bogenfenstern in farbenreichen Glasgemälden grüßten die Wappen der Provinz Westpreußen mit allen Kreisstädten. Als letzter Vorsitzender des westpreußischen Provinzial-Landtages hielt Kammerherr von Oldenburg, Januschau, nach der Zerstückelung Westpreußens durch das Versailler Diktat 1920 hier eine tiefbewegte Abschiedsrede. Das Landeshaus fiel mit den gegenüberliegenden Regierungsgebäuden dem Feuersturm der Brandschatzung Danzigs durch die Sowjets im März 1945 zum Opfer. Erhalten geblieben sind aus dem Kriegschaos u. a. die Gebäude der ehemaligen westpreußischen Landesversicherungsanstalt auf dem Karrenwall und der Westpreußischen Landschaft auf der Reitbahn in Danzig.

 

„Der Osten verdient, dass man ihn genauer kennt", das war ein schönes, zu beherzigendes Wort des Oberpräsidenten von Goßler, des liebevollen Vaters Westpreußens aus seiner segensreichen Amtszeit von 1881 bis 1902. Der aus Danzig stammende Dichter und Schriftsteller Johannes Trojan (1837/1915), der als Chefredakteur der Berliner satirischen Zeitschrift „Kladderadatsch" besonders bekannt wurde, propagierte in der reichsdeutschen Presse mit Unterstützung des ihm befreundeten Professors Conwentz, Direktor des Westpreußischen Provinzialmuseums in Danzig und berühmt gewordener Vater des Naturschutzes, den Gedanken der notwendigen Erstarkung der Provinz Westpreußen, um sie lebensfähig zur Erfüllung ihrer hohen staatspolitischen Aufgaben zu machen. Diese Presseunterstützung Westpreußens durch Trojan fand die dankbare Anerkennung Goßlers.

 

Letzter Oberbürgermeister der westpreußischen Provinzialhauptstadt Danzig war Heinrich Sahm, früherer Bürgermeister in Bochum (1912/1918), freilich nur in einer Übergangszeit vom 2. Februar 1919 bis zum Inkrafttreten des Versailler Diktats (10. Januar 1920). Danach amtierte er bis 1931 als Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig. Die Erinnerungen Sahms aus seinen Danziger Jahren 1919/ 1930 in der Bearbeitung und biographischen Einleitung von Ulrich Sahm (242 Seiten) erschienen 1955 im Johann-Gottfried-Herder-Institut in Marburg (Lahn). Sie würdigen die schwere deutsche Lebensbehauptung Danzigs aus der Sicht des gereiften Staatsmannes, zum Teil in sensationellen Enthüllungen über viele bis dahin unbekannte hochpolitische Vorgänge im kampferfüllten Dasein Danzigs als Freie Stadt im Verhältnis zu Polen und zum Völkerbunde.

 

Seite 6

Nicht auf Kenntnisse allein, sondern auf Charakter

und Triebe, auf die menschliche Brust ist die Wirksamkeit und

der Wert, das Glück oder Unglück unseres Lebens gebaut. Joh.

Gottfr. Herder

 

Seite 7   Schlesien – Versuch einer Deutung

Eingekeilt in den böhmisch-mährischen und polnischen Siedlungsraum schiebt sich — einem Eichenblatt gleich, dessen Hauptrippe die Oder bildet, genährt aus unzähligen Strömen und Rinnsalen, die aus den Bergen kommen, wie Bober und Queis, oder aus den sumpfigen Ebenen, wie Bartsch und Malapane diese fruchtbare Provinz in den südöstlichen Raum sozusagen ein Zeigefinger des Deutschtums! der sich seiner geschichtlichen Vergangenheit bewusst ist oder — was leider nur allzu gerne übersehen wird — ein Brückenpfeiler zum so oft unverstandenen Slawentum.

 

Schlesien — »ein zehnfach interessantes Land", das hat schon Goethe gesagt, als er in Begleitung seines Thüringer Landesfürsten auf schwankenden Kaleschen und müden Pferden durch die Wälder und Brüche streifte; auch Oberschlesien nicht zu vergessen, jener Riese, der im ungeschlachten Schlaf an der Grenze des Reiches dahindämmerte, bis die eisernen Fäuste eines Graf Reden, Godulla und von hunderttausend ungenannten und ungekannten Bergleuten ihn kitzelten, bis er brüllend auffuhr im Ton der Dampfsirenen, Schächte und Gruben. Und immer noch, seit den Tagen her, da die erste Dampfmaschine des europäischen Kontinents bei Tarnowitz Aufstellung fand und der schwarze Diamant, die Kohle, Landschaft und Leute veränderte, dehnen sich am Rande der himmelhochtürmenden Halden und singenden Förderräder die weizengoldenen Kornfelder, breitet sich ein undurchdringlicher Waldgürtel, der Grenze folgend, schützend um das schaffende Land. Die Oder blinkt durch die vermorschten Zweige und urwelthaften Stämme, ein leichter Kahn fließt dahin, als wäre nichts geschehen in all den hundert Jahren als das, betört zu sein von der Liebe eines Sommerabends oder in die Augen einer Frau zu sehen, in denen noch das Flackern des „wilden Jägers" verglimmt und aus deren Blau die beiden Teiche des Riesengebirges schimmern, opalen und klar, tief und nicht zu fassen.

 

Schon ergreift uns die selige Paradoxie dieses Landes: das Himmlische steht neben dem allzu Irdischen (der „Kratschem" neben dem Gotteshaus, die Genügsamkeit neben dem Kauzig-verschrobenen); die Arbeit — auf den Dörfern rackert sich Alt und Jung bei der Ernte ab, bis spät in die Nacht — besteht neben den Musensöhnen, deren Adel einer unvergänglichen Leistung nicht auf der Stirn geschrieben steht, sondern die eines Tages aufsteigen, jäh und unvermittelt und entweder als glühender Stern im Meer der Gezeiten versinken (wie Johann Christian Günther, der liederselige Vagabund aus Striegau) oder deren Glanz noch lange leuchtet in fernste Zeiten.

 

Diese erlauchten und erleuchteten Namen halten Worte, Töne und Bilder, Werke und Segnungen über uns und über dem ganzen Volk. Da kommt, während im Westen des Vaterlandes die romantische Schule sich rührt (mit Clemens Brentano und Achim von Arnim), eine Stimme aus jenem Raum, in dem die schwarz-grünen Wälder unruhig werden, weil es unter ihren Wurzeln klopft und pocht und drängt zur rußigen, staubverkrusteten Arbeit eine Stimme wie Waldhornklang und Mondscheinnacht: Joseph Freiherr von Eichendorff. — Und lange zuvor hatte man andere Stimmen gehört aus den Gebieten, die näher dem Reich lagen: aus Görlitz die oftmals so verworren klingenden Sprüche des Schusters Jakob Böhme, aus Breslau, der Landeshauptstadt, den „Cherubinischen Wandersmann" Angelus Silesius (Johannes Scheffler), in seinem wahnhaften religiösen Eifer ein recht getreues Abbild schlesischer Zerrissenheit; da hatte, als nach dem furchtbaren Dreißigjährigen Krieg alle Musen und Leiern schwiegen, ein Mann aus Glogau, Andreas Gryphius (1616 - 1664), seine apokalytischen Strophen hinausgeschleudert: Höre, o Mensch, auf die Stimme deines Herren! (und zum Beweis des „Zweiseitigen" Schlesiers sich als „Vater des deutschen Lustspiels" betätigt mit der „Geliebten Dornrose" und dem vielgespielten Rüpelschwang „Peter Squenz").

 

Die Dichter, Romantiker, Philosophen und Gottsucher purzeln aus dem Land in einem nie versiegenden Strom. „Das Land der 999 Dichter" sagt Liliencron mit lächelndem Spott. Und in diesem Metier geben sich Schwaben und Schlesien brüderlich die Hand. Denn was kam nicht noch alles ans Licht der Sonne: die Epigramme und Sinnsprüche eines Freiherrn Friedrich von Logau (1604 - 1655) aus Brockut bei Nimptsch; das entscheidende und anklagende Buch von der „Teutschen Poeterey" das Martin Opitz aus Boberfeld bei Bunzlau, epochal in seiner „welschen Zeit"; Heinrich Laube (Burgtheaterdirektor in Wien) aus Sprottau; Gustav Freytag („Soll und Haben") aus Kreuzburg in Oberschlesien; Hermann Stehr („Der Heiligenhof") aus Habelschwerdt; Gerhart und Carl Hauptmann aus Ober-Salzbrunn.

 

Vor dieser erdrückenden literarischen Fülle (die auch heute noch immer anhält) rücken die anderen Fakultäten ins zweite Glied: die „Kleine Exzellenz" des Malers Adolf von Menzel aus Breslau, dessen preußische Geschichtsbilder wie unverwischliche Momentaufnahmen entscheidender Augenblicke anmuten; der in Mozartkreisen gefeierte Singspielkomponist („Doktor und Apotheker") Karl Ditters von Dittersdorf.

 

Und das Quartett der chemischen Nobelpreisträger aus den Sphären ernster, forschender Wissenschaft: Paul Ehrlich (1854 - 1915, „Salversan"), Fritz Haber (1868 - 1934, Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung), Friedrich Bergius (1884 - 1949, „deutsches Benzin") und Kurt Alder (geb. 1902) aus Königshütte.

 

In allen Werken und Namen, bekannten und unbekannteren, manifestiert sich die existentielle Perfektion des schlesischen Neustammes, der ja vor siebenhundert Jahren, als es galt, den Urwald zu roden und Recht zu schaffen im wilden Land, gar nicht bestand; denn die Siedler kamen aus Franken, Thüringen, Schwaben, Flamen, Hessen, aus sämtlichen deutschen Landen und brachten ihre eigenen Sitten, Gebräuche und Anschauungen mit. Aber was wurde aus diesem Konglomerat für ein eigenwilliges, tüchtiges und beständiges Völkchen. Immer tendierte es zwischen südöstlicher Weichheit und musischer Verzückung (Wien, Habsburg und Böhmen lagen nicht nur vor der Tür, sondern waren für Jahrhunderte zur Herrschaft gesetzt, ohne diese freilich recht zu nutzen) und preußischem Pflichtgefühl und Strenge (der „alte Fritz" fand offene Herzen und Türen, als er mit seinen Grenadieren auf schlesischem Boden in drei schweren Kriegen die geschichtsentscheidenden Schlachten schlug, gewann und verlor).

 

Jede Enge war diesem Lande fremd. Es gefiel sich in einer verschwenderischen Weite, aus der die schwarze fruchtbare Erde brach, Lösboden und Humus. Nur in den Bergen, wie ein dünner, kompakter Strich hing die Sudetenkette sommers wie winters am südlichen Rand und setzte sich in immer neuen Gebirgen fort (Isergebirge, Riesengebirge, Waldenburger Bergland, Heuscheuer, Glatzer Gebirge, Mährisches Gesenke) hatten es die Häusler schwer, in den wenigen Sommermonaten, das kärgliche Heu zu bergen. Hier trieben die Kühe, glockenumsummt, auf grünen Matten und bei Zitherspiel und fröhlichem Umtrunk lockten Hütten und Bauden. Als die Fremden hereinströmten, der Wintersport um die Jahrhundertwende auch in unwirtlichen Zeiten das Gebirge erschloss, rollte das Geld in die verschwiegendsten Waldhufendörfer. Ein Sonnenaufgang, vom Koppenplan (1604 m) beobachtet, ließ eilfertige Städter still werden. Bei klarer Sicht lagen Breslau und Prag im Blickfeld der Touristen. Das waren die beiden Pole, zwischen denen Land, Geist und Mensch sich rieben und anerkannten. Denn jenseits der Grenze, die getreulich den Gebirgskamm nachzeichnete, wohnten Menschen gleichen Blutes und gleicher Art. Nicht umsonst prägte sich der Begriff „Sudetenschlesien".

 

Charakter und Wesen des Schlesiers können nicht ausgeschöpft werden. Immer bleiben alle Versuche ein Fragment. Zwiespältig, „getuppelt": aufgeschlossen dem Fremden und Neuen — bewahrend das Alte und Bewährte, aufbrausend und demütig, herzlich und verschlagen, unduldsam und tolerant, in sich nicht einheitlich: Der Mensch aus den Niederungen des Oderstromes war ein ganz anderer als jener des Gebirges, das niederschlesische Profil gab sich anders als oberschlesische Mentalität mit derbem Witz (Antek und Franzek) und scharfem Schnaps. Eines hatten sie alle gemeinsam: Sie wussten um das größere Vaterland, sie wurden keine blinden Provinzler, selbst in den kleinsten Katen nicht. Als der König von Breslau aus seinen Aufruf „An mein Volk" verfasste, kamen die Bauern und Tagelöhner von Feld und Meiler. Hier schlug dann der greise Blücher an der Katzbach seine entscheidende Schlacht gegen Napoleon. Hier an der Wahlstatt bei Liegnitz verblutete das deutsche Ritterheer mit schlesischen Bergknappen aus Goldberg und polnischen Bauern; hier aber auch stoppten sie den asiatischen Sturm und bewahrten Land und Reich für Jahrhunderte (1241). Und schließlich in neuerer Zeit: Um den Annaberg, das Wahrzeichen Oberschlesiens, standen Schlesier und Bayern, Ostpreußen und Pommern und halfen noch einmal, die Grenze zurückzudrücken (1920).

 

Ein Deutschland im Kleinen, hat man gesagt. Mit Heide (bei Sagan), Mittelgebirge (Bober-Katzbachkamm, Gröditzburg, Propsthainer Spitzberg), Seenplatte (bei Militsch und Trachenberg) Ruhrgebiet (Oberschlesien) und alpinem Charakter (Riesengebirge). Stufenförmig steigt das Land an, aus der Ebene heraus, über Hügel und Einzelkuppen formt sich Stein und Granit.

 

Mag dieser schöne Vergleich immer dazu verholfen haben, auch die Menschen vom größeren Vaterland wissen zu lassen. Schlesien, das Land der Reformation, sandte seine Ströme aus, Ströme vielfältiger Art. Und auch Ostpreußen, jene Schwesternprovinz im hohen Norden, ist davon bedacht worden. Nach der ersten Siedlungswelle rückten Planwagen und Dorfgemeinschaften weiter ins Ostpreußische und brachten schon ein Quentlein Schesisches mit, das dann freilich im Laufe der Jahrhunderte unterging. Eichendorff setzte sich in Wort und Schrift für die Erneuerung der Marienburg ein. Schlesische Regimenter halfen mit, im ersten Weltkrieg den russischen Einfall zu vereiteln. In Kunst und Kultur befruchteten sich die beiden Länder unaufhörlich. Und nicht zuletzt das „Evangelische" bildete kulminierenden Berührungspunkt.

 

Schlesien zu deuten, dem eigenen Landsmann oder dem Fremden, muss als Versuch gewertet werden. Dass wir das Schlesische in uns nicht verleugnen können, vielleicht ist dies die entscheidende Macht des Landes, der wir uns willig beugen. Jochen Hoffbauer

 

Seite 7   Schlesische Anekdoten.

Der gemietete Eremit

Fürst Pückler-Muskau schuf den vielberühmten Landschaftsgarten Muskau dicht an der schlesischen Nordgrenze, wo die Neiße das Hügelland des Lausitzer Grenzwaldes durchbricht. Mit dem Firlefanz künstlicher Seen und Inselchen, schaurigen Felspartien, Tempeln der Liebe, der Wehmut und Freundschaft, Gräbern und Grüften, künstliche Ruinen, wie sie in der Wertherperiode und in der Romantik beliebt waren, räumte er auf. Nur eine „Einsiedelei" und einen dazu gehörigen Einsiedler hat er sich nicht versagen können. Er mietete sich einen Exgrenadier „von sechs Fuß Höhe und schrecklichem Aussehen", steckte ihn in eine Kutte und ließ ihn als Eremiten Dienst tun. 4000 Morgen umfasste das Muskauer Parkgelände und 200 Arbeiter wurden viele Jahre beschäftigt. Da ging eines Tages das Geld zu Ende. Guter Rat war teuer. Aber der extravagante Fürst fasste einen extravaganten Plan: das fürstliche Ehepaar ließ sich in vollstem gegenseitigen Einverständnis scheiden, um dem Fürsten eine englische Geldheirat großen Stils zu ermöglichen. Als der Plan sich zerschlug, ließen die beiden Alten ohne neue Zeremonien alles beim Alten.

 

Die Buße

Hans der Erste, Herzog von Sagan, starb 1493. Auf seinen Wunsch hin ließ er sich in der Klosterkirche in Sagan begraben, „damit die Geistlichen, die er im Leben so sehr beleidigt hatte, nach seinem Tode ihn täglich mit Füßen treten möchten". Offenbar hielt es der Fürst für klüger, die Buße in das Diesseits zu verlegen.

 

Zwei Novizen

Friedrich der Große und Prinz Heinrich bereisten Schlesien. Die Bauarteines Klosters, an dem sie vorbeikamen, erregte des Königs Aufmerksamkeit. Er wünschte, auch das Innere zu sehen. Der Prior machte mit den beiden hohen Herren einen Rundgang. Zum Schlusse bat der Prior um die Gnade, Novizen aufnehmen zu dürfen. Der König, der gerade kein Freund von Klöstern war, erwies dem Prior die Gnade und bemerkte dazu, dass er ihm selbst die ersten Novizen senden werde. Spöttisch sagte er zum Prinzen Heinrich in französischer Sprache: „Wir werden ihm zwei junge Ochsen senden“.

 

Der Prior sollte diese Worte nicht hören, hatte sie aber wohl verstanden, da er die französische Sprache beherrschte. Er tat aber, als ob er nichts gehört hätte. Mit einfältiger Miene sprach er zum König: „Zum Beweise unserer Erkenntlichkeit werden wir die beiden uns von Ew. Majestät zu sendenden Novizen Friedrich und Heinrich nennen“.

 

Der König musste gute Miene zum bösen Spiel machen und durfte sich nicht verraten. Er hatte seinen Meister gefunden.

 

Seite 7   Kriegsgräberfahrt verschoben

Wie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mitteilt, ist die nach Schlesien geplante Kriegsgräberfahrt, die ursprünglich im September 1957 stattfinden sollte, bis zum Frühjahr 1958 verschoben worden.

 

Seite 7   126 deutschsprachige Schulen

Nach neuesten polnischen Angaben gibt es zurzeit in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten 126 Schulen mit deutschsprachigem Unterricht für die Jugendlichen deutscher Abstammung. Es sind dies 123 Volksschulen in denen 4800 Schüler unterrichtet werden, 2 Mittelschulen mit 130 Schülern und ein pädagogisches Lyzeum in Schweidnitz, das die zukünftigen Lehrer dieser Schulen ausbildet. Darüber hinaus erhalten 400 deutsche Kinder in acht polnischen Volksschulen Unterricht in ihrer deutschen Muttersprache.

 

Seite 7   Die Liebe bleibt allein

Angelus Silesius:

Das größte Wunderding ist doch der Mensch allein:

Er kann, nachdem er's macht, Gott oder Teufel sein.

 

Ich selbst muss Sonne sein, ich muss mit meinen Strahlen

Das farbenlose Meer der ganzen Gottheit malen.

 

Nichts ist, das dich bewegt; du selber bist das Rad,

Das aus sich selbsten läuft und keine Ruhe hat.

 

Der größte Schatz nach Gott ist guter Will' auf Erden,

Ist alles gleich verlorn: durch ihn kann's wieder werden.

 

Freund, so du etwas bist, so bleib doch ja nicht stehn:

Man muss aus einem Licht fort in das andre gehn.

 

Vergehet mit der Zeit. Die Liebe bleibt allein:

So lasst uns doch schon jetzt auf sie beflissen sein.

 

Friedrich von Logau:

Not ist unser sechster Sinn; hat im Augenblick erfunden,

Wo zuvor die andren fünf in Gedanken stille Stunden.

 

Die Mutter trägt im Leibe das Kind drei Viertel Jahr,

Die Mutter trägt auf Armen das Kind, weils schwach noch war,

Die Mutter trägt im Herzen die Kinder immerdar.

 

Wo dieses Freiheit ist: Frei tun nach aller Lust,

So sind ein freies Volk die Säu in ihrem Wust.

 

Ein Krieg ist köstlich gut, der auf den Frieden dringt;

Ein Fried ist schändlich arg, der neues Kriegen bringt.

 

Jacob Böhme:

Es kann ein Mensch von Mutterleibe an im ganzen Lauf seiner

Zeit in dieser Welt nichts vornehmen, das ihm nützlicher und

nötiger sei als dieses, dass er sich selbst recht lerne erkennen.

 

Seite 7   Am Oderufer

Der Fluss wandert nebelvermummt

und atmet in Nachtfrösten kühler,

und zwischen den Weiden verstummt

der letzte Harmonikaspieler.

 

Der spielte noch gestern und sang,

erst wie aus Erinnerung leise,

dann schwellend mit vollerem Klang

wohl eine verschollene Weise.

 

Ein Mädchen saß lächelnd dabei

und lauschte dem Liebesgesange.

Geflüster und Nachtvogelschrei

nach Haus auf verdunkeltem Gange. —

 

Der Tag ist nun fremdartig neu

und wie ein vergebliches Warten.

Am Ufer nur duftet noch Heu

und Herbstblumen leuchten im Garten.

 

Der Strom stürzt wie immer vom Wehr,

als tauchten unzählige Schwäne.

Flussab gleiten dunkel und schwer

wie schwimmende Inseln die Kähne. Hans Niekrawietz

 

Seite 7   Das Rathaus in Breslau (Bild)

Das historische Rathaus von Breslau, bekannt als reifstes Zeugnis der spätgotischen Baukunst, fiel dem Feuersturm von 1945 nicht zum Opfer. Nach Ausbesserung nicht allzu bedeutender Schäden dient es heute dem polnischen Stadtpräsidenten als Amtssitz. Polnisch sind auch die Aufschriften an Straßen und über den Läden am „Ring“, in dessen Mitte das unvergleichlich schöne Rathaus seit dem 14. Jahrhundert steht – von deutschen Meisterhänden errichtet.

 

Wie deutsch Breslau nach Geschichte und Entwicklung ist, braucht kaum gesagt zu werden. 1261 erhielt Breslau das Magdeburger Recht. Wenn aber Radio Warschau heute erklärt, Wroclaw, also Breslau, sei die „schönste polnische Stadt“, so wird hiermit Geschichtsfälschung plumpster Art betrieben. Diese geflissentliche Fälschung geht so weit, dass in einigen Rathausräumen ein „Museum“ eingerichtet wurde, in dem Dokumente „beweisen“, wie „urpolnisch“ Breslau sei.

 

Vor dem Kriege eine Stadt von 700 000 ausschließlich deutschen Einwohnern, leben heute in Breslau etwa 480 000 Menschen, darunter 1500 Deutsche.

 

Seite 8   Brückenbauer Carl Lentze

Als Bahnbrecher der Brückenbautechnik und des Wasserbaues besitzt der Geheime Oberbaurat Carl Lentze noch heute ehrende Anerkennung in den Kreisen der Fachgelehrten. Er wurde am 12. Juli 1801 in Soest als Sohn des Hofrats Carl Ludwig Lentze und seiner aus Lippstadt stammenden Ehefrau Luise Dorothea, geb. Rose, geboren. Die dem sächsisch-brandenburgischen Grenzgebiet bei Magdeburg entstammende Familie Lentze ist seit 1577 in ununterbrochener Stammreihe bekannt. Der Weichselbrückenbauer Carl Lentze gehörte zu der Soestischen Linie, während aus der mittleren Linie August von Lentze (1832/1920) hervorging, der in Danzig 1890/1902 volkstümlich gewordene General als Kommandeur des Westpreußischen XVII. Armeekorps.

 

Mit dem Zeugnis der Reife am Soester Archigymnasium studierte Carl Lentze zunächst Mathematik und sodann das Baufach. Er bestand 1829 sein Baumeisterexamen und war darauf zuerst in Pyritz (Pommern) bei dem Entwurf eines Ihna-Schifffahrtskanals, in Swinemünde und im Regierungsbezirk Düsseldorf tätig, wo der Bau einer Straßenbrücke über die Erft bei Grimlinghausen seine erste größere Arbeit wurde. Als Wasserbauinspektor wirkte er 1832 in Münster und seit 1833 in Düsseldorf. Von hier aus wurde er 1844 zur Aufstellung der ersten Entwürfe für die Überführung der Ostbahn über die Weichsel und die Nogat berufen und 1845 zum Regierungsbaurat ernannt. 1848 wurde er Oberbaurat und Mitglied der Oberbaudeputation. In dieser Eigenschaft erhielt er 1850 den Vorsitz der Königlichen Kommissionen für den Bau der Weichsel- und Nogatbrücken und die damit in Verbindung stehenden Strom- und Deichregulierungen an beiden Stromläufen. Diese Kommission hatte ihren Sitz in Dirschau. Lentze legte 1855 in Berlin seine mit großen Zeichnungen ausgestattete Denkschrift über die im Bau begriffenen Brücken über die Weichsel bei Dirschau und die Nogat bei Marienburg vor.

 

Nach Vollendung der Bauten an Weichsel und Nogat trat Carl Lentze als Vortragender Rat in das preußische Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zurück, dem er bis zu seinem Übertritt in den Ruhestand angehörte. In diesen Jahren seiner amtlichen Tätigkeit beschäftigte er sich besonders mit Entwürfen für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals, den er von der unteren Elbe nach der Ostseebucht von Eckernförde geplant hat. Mit Ausnahme des letzten Stückes sind seine Arbeiten für die Ausführung benutzt worden, was auch in der in den Grundstein gelegten Urkunde ausdrücklich hervorgehoben wird. Außerdem war Lentze der Bevollmächtigte des Norddeutschen Bunds in der internationalen Suezkanalkommission. Auf ausdrücklichen Wunsch König Wilhelms I behielt er auch im Ruhestande seinen Wohnsitz in Berlin bei, um jederzeit der Regierung, besonders in Sachen des „Schleswig-Holsteinischen Schifffahrtskanals", noch zur Hand sein zu können. Er starb kurz nach der Vollendung des 82. Lebensjahres am 23. Juli 1883 unvermählt in Berlin und fand seine letzte Ruhestätte auf dem dortigen Apostel-Friedhof. Bis in sein hohes Alter bewahrte er eine seltene körperliche und geistige Frische. A. L.

 

Seite 8   Vor 100 Jahren

Weichselüberbrückung – Kulturtat im Osten. Zur Eröffnung der Dirschauer Weichselbrücke am 12. Oktober 1857

In der Geschichte der ersten preußischen Staatsbahn, der Ostbahn, erlangte die Verkehrseröffnung über die neuerbaute Weichselbrücke bei Dirschau weittragendste Bedeutung für die Entwicklung des Verkehrs im ganzen deutschen Osten. Zu gleicher Zeit wurde auch eine neue Brücke über die Nogat bei Marienburg in den Dienst des Verkehrs gestellt. Dem aus Soest (Westfalen) stammenden Geheimen Oberbaurat Carl Lentze gebührte das große Verdienst, die bis dahin stets bezweifelte Möglichkeit der Überbrückung des Weichselstromes mittels fester Brücken zuerst bewiesen zu haben. Bis dahin hatten feste Brücken über die Weichsel noch niemals Bestand gehabt. Besonders während des so sehr gefürchteten Eisganges auf dem Strome waren sie stets der Vernichtung preisgegeben. Mit der erfolgten Vollendung des Überbrückungswerkes an Weichsel und Nogat durch Lentze schwand auch jedes Misstrauen der Bevölkerung gegen seine technischen und wasserbaulichen Planungen. Zwei kurz zuvor in England (1849 und 1850) gebaute große Eisenbahnbrücken dienten ihm als Studienmaterial.

 

Die Stabilität der neuen Dirschauer Weichselbrücke erwies sich bei einer Ende August 1857 glänzend verlaufene Erprobung. Bei der durchgeführten Probefahrt ging eine Lokomotive mit 39 schwerbeladenen Güterwagen mit einer Gesamtlast von „mehr als 11000 Zoll-Zentnern in langsamer, schnellerer und schnellster Bewegung über die Weichselbrücke", wie es in einem amtlichen Bericht heißt. Wie ein Weltwunder wurde die neue Dirschauer Weichselbrücke von den Zeitgenossen angestaunt. Zusammen mit der Nogatbrücke handelte es sich um engmaschige Gitterbrücken, die Weichselbrücke mit sieben Pfeilern, zwischen denen sechs Öffnungen von je 130,33 m Spannweite lagen, die Nogatbrücke mit drei Pfeilern. Damit wurden diese Brücken die ersten von derartiger Spannweite, nicht nur in Preußen, sondern auf dem ganzen europäischen Festlande als ein Denkmal der Brückenbaukunst. Mit ihrer klaren Gliederung in die mit Türmen besetzten Pfeiler, an deren Entwurf der Geheime Oberbaurat Stüler beteiligt war, und in die balkenartig wirkenden Träger fügte sie sich ganz hervorragend dem Landschaftsbilde des Weichselgebiets mit den weiten Niederungsflächen ein.

 

An dem Eröffnungstage, als der erste Zug über die Weichselbrücke ging, ernannte die Stadt Dirschau den Geh. Oberbaurat Carl Lentze in Würdigung seiner großen technischen Kulturtat zum Ehrenbürger der Stadt, zumal nun Dirschau zum größten Eisenbahnknotenpunkt Westpreußens geworden war. Eisenbahnlinien führten von Dirschau aus nach Berlin, nach Stettin über Danzig, nach Thorn, nach Bromberg und nach Königsberg. Die Weichselstadt, deren neue Brücke als Sehenswürdigkeit besondere Anziehungskraft auf die Reiselustigen ausübte, erhielt das Gepräge einer zu wirtschaftlichem Wohlstand wachsenden Eisenbahnstadt mit großen Lokomotivschuppen, Maschinenämtern, Werkstätten und zentralen Eisenbahndienststellen. Mit minutiöser Pünktlichkeit donnerten die Züge über die Weichselbrücke in die große Bahnhofshalle. Besonders am Abend bei hellem Lichtschein kamen die weiten Ausdehnungen des Dirschauer Bahnhofes zu imposanter Geltung, bis tief in das Werdergebiet hinein.

 

Bei ihrem 600-jährigen Stadtjubiläum 1860 zum Gedenken der Einführung des Lübischen Rechts ließ die Stadt Dirschau eine Medaille mit der Abbildung der großen Weichselbrücke schlagen, über dem Westportal der Brücke wurde damals ein von dem Bildhauer Bläser geschaffenes Kolossalrelief angebracht, das diese große Kulturtat würdigen sollte. Es stellte Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. zu Pferde dar, unmittelbar vor ihnen stehend der Geh. Oberbaurat Carl Lentze mit dem Bauplan der Brücke in der Hand. Dieses Relief haben die polnischen Machthaber, denen durch den Versailler Vertrag die Weichselbrücke zugefallen war, im Juli 1929 beseitigt. Zu jener Zeit war der Weichselbrückenkopf Dirschau in der Zerstückelung deutschen Landes nach Danzig und Marienburg hin zu einer berüchtigten „Menschenfalle" geworden, weil viele Durchreisende bei den polnischen Zugrevisionen allerlei Befürchtungen für ihre persönliche Sicherheit haben mussten.

 

Mit der Fertigstellung der Weichselbrücke und der Nogatbrücke wurde auch die Bahnstrecke Dirschau­ - Marienburg dem Verkehr übergeben. Zu gleicher Zeit erfolgte die Verkehrseröffnung auf den beendigten Eisenbahnstrecken zwischen Frankfurt a. O. und Kreuz. Für die Reisenden, so wurde damals amtlich mitgeteilt, sei durch diese Schienenverbindung außer dem Vorteil der Schnelligkeit auch noch der der Billigkeit hinzugetreten, indem die Entfernung zwischen Königsberg und Berlin jetzt über Frankfurt a. O. gegen zehn Meilen geringer sei als über Stettin.

 

Mit 1019 m Länge ging die Dirschauer Weichselbrücke auch über die breiten Stromkämpen hinweg. Das alte Bauwerk in der technischen Gestaltung als Kasten-Gitterbrücke wurde seit 1891 in den Dienst des Verkehrs der Wagen und Fußgänger gestellt, während der gewachsene Verkehr in den Jahren 1889/1891 eine neue Eisenbahnbrücke unterhalb der alten Brücke notwendig machte. Sie trug das Doppelgeleise der Eisenbahn, und war um 52 m kürzer als die alte Brücke. Nach Kriegsausbruch sprengte die polnische Besatzung die Dirschauer Eisenbahnbrücke. Sie brach in der sechsten Morgenstunde des 1. September 1939 im Donner der Explosion zusammen. Arthur Lenz.

 

Seite 8   Zwei Geschwisterpaare heiraten einander. Das Leben schreibt doch die besten Romane.

Es dürfte nicht gerade alltäglich sein, dass Geschwisterpaare einander heiraten. Noch seltener dürfte es vorkommen, dass eine derartige Hochzeitsfeier am gleichen Tage stattfindet.

 

Dieses bemerkenswerte Ereignis spielte sich am 24. August 1957 in Reutlingen/Württ. ab. An diesem Tage heirateten die Geschwister Walter und Sieglinde Topka, aus Eichelswalde, Kreis Sensburg, die Geschwister Marianne und Klaus Parpart, aus Danzig-Schittlitz.

 

Der 24-jährige Maurer Walter Topka heiratete die 22-jährige Marianne Parpart und wurde damit zugleich der Schwager seiner Schwester Sieglinde, die zur gleichen Stunde den 21-jährigen Bruder ihrer neugebackenen Schwägerin, den Handformer Klaus Parpart ehelichte.

 

Die beiden Topkas sind mit ihrer älteren, jetzt in Backnang/Württ. verheirateten, Schwester in Eichelswalde geboren und haben dort mit ihrer Mutter — der Vater ist vermisst — bis zur Flucht gewohnt. Bis 1952 lebten sie in Schenefeld, Kreis Rendsburg/Holstein und ließen sich dann nach Reutlingen umsiedeln. Beide Parparts haben ebenfalls eine, wenn auch noch sehr junge Schwester und lebten nach ihrer Flucht aus Danzig bis 1948 in List/ Sylt. Dann ließen sich auch sie nach Reutlingen umsiedeln. Hier haben sich beide Geschwisterpaare kennen- und lieben-gelernt. Auf das junge Eheglück fällt jetzt allerdings ein Schatten, weil die Mutter Topka seit einiger Zeit an den Folgen der Flucht ernstlich erkrankt ist und sich vor kurzem einer schwierigen Operation unterziehen musste.

 

Seite 8    „Was wissen wir voneinander?" Stimmen und Stellungnahmen zu unserer neuen Artikelserie

Sudetendeutsche Landsmannschaft, Bundesverband, Referat Kultur und Volkstumspflege, München 2, Karlsplatz 11/II:

Ihr Ost- und Westpreußisches Heimatblatt bringt in seiner Nummer vom September 1957 eine Reihe von Reportagen und Gedichten über das Sudetenland unter der Devise „Was wissen wir voneinander".

 

Abgesehen davon, dass ich Sie zu der glücklichen Auswahl des Materials beglückwünsche, fühle ich mich veranlasst, Ihnen herzlichst dafür zu danken, dass Sie auf solche Art und Weise das Wissen Ihrer Landsleute um die Herkunftsgebiete anderer Vertriebener zu mehren suchen. Diese ganze ausgezeichnete Idee, über den Bereich der eigenen Herkunftslandschaften hinaus andere geraubte deutsche Gebiete in das Blickfeld der Leser zu stellen, verdient Nachahmung, und ich will in meinem sudetendeutschen Bereich Ihren beispielgebenden Fall zum Anlass nehmen, auf diese Möglichkeiten hinzuweisen, die jeder Vertriebenen-Zeitung gegeben sind.

Mit den besten Heimatgrüßen: gez. R. Pozorny, Bundeshauptsachbearbeiter der SL.

 

Der sudetendeutsche Dichter Dr. Josef Schneider schrieb uns:

Der Gedanke, in kurzen Übersichten die übrigen Landsmannschaften bzw. Landschaften der Vertriebenen darzustellen, ist zu begrüßen. Den Beitrag von Herrn Heister habe ich mit großem Interesse gelesen, und sicher nicht nur, weil er eingangs einen Brief von mir zitiert.

 

Unser Leser J. H. aus Kassel begrüßt die Artikelserie mit folgenden Worten:

Dieses Unternehmen ist sehr zu begrüßen. Meines Wissens sind Sie das erste Heimatblatt, von überregionalen Publikationen abgesehen, das diesen Sprung über die eigenen Grenzen hinaus wagt, zum Verständnis des anderen und zur Sichtbarmachung der engen Schicksalsgemeinschaft im Osten. Ich kann nur wünschen, dass Ihr Beispiel Schule machen möge.

 

Unsere treue Leserin Ch. P. aus Ilten schreibt dazu:

Ich schließe mit den besten Wünschen für einen weiteren Erfolg und Aufstieg unserer „Ostpreußen-Warte". Der Artikel „Sudelenland — einst Herzland des Reiches" hat mir besonders gefallen, und es ist schön, dass man sein Wissen um den nächsten Nachbarn im Osten noch bereichern kann und sich auch einmal in dessen Wesen vertieft.

 

Seite 8   Jagd im deutschen Osten

Im Herbst dieses Jahres können wieder Deutsche an Jagden auf Hoch- und Niederwild in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten teilnehmen. Pommern, Ostpreußen, Schlesien und Ostpolen sind die Jagdgebiete, die ein hannoversches Reisebüro als offizieller Vertreter des polnischen Reisebüros ORBIS offeriert.

 

In Ostpreußen und Ostpolen können die Jäger Auer- und Birkwild erlegen und an ausgedehnte Treibjagden auf Sauen, Luchse und Wölfe teilnehmen. In Schlesien und Pommerellen stehen gut besetzte Dammwildreviere zur Verfügung; Pommern und Masuren mit ihren urwaldähnlichen Wäldern bergen prachtvolles Rotwild.

 

Seite 8   Eltern suchen Ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Gebartsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären

 

Aus Allenstein, Roonstraße 137, werden Gisela Siebert, geboren am 15. oder 16. April 1938 und Helga Siebert, geboren im Januar 1937 in Allenstein, gesucht von ihrer Tante Minna Siebert, geborene Kemmer, geboren am 12. Dezember 1898 in Ebenfelde. Die Mutter, Grete Siebert geborene Matenia, wird auch noch gesucht.

 

Aus Almenhausen. Kreis Preuß.-Eylau, wird Renate Diester, geboren am 19. November 1939 in Königsberg, gesucht von ihrer Tante Selma Podehl geborene Nichau, geboren am 31. März 1907 in Uderwangen.

 

Aus Bruchort, Kreis Gerdauen, wird Helga Klein, geboren am 6. Januar 1938 in Bruchort, gesucht von ihren Brüdern Manfred Klein und Hans Jürgen Klein. Helga befand sich zuletzt im Sommer 1946 mit ihren beiden Brüdern und mit einem anderen 13-jährigen Jungen in Marijampole-Kalvarija-Sestokei.

 

Aus Budwethen, Kreis Tilsit, wird Doris Maier, geboren am 10. September 1940 in Tilsit, gesucht von ihrer Mutter Eva Maier, geborene Baumgart, geboren am 19. November 1913. Auch die ältere Schwester Brigitte Baumgart, geboren am 9. August 1937, wird noch gesucht.

 

Kindersteckbrief, mit Foto

Name: Zeuner

Vorname: Claus-Dieter

Geboren: 16. Mai 1943 in Königsberg

Haar: rötlich

Augen: blaugrau

Für das Kind werden immer noch die Mutter und weitere Angehörige gesucht. Die Mutter soll Bertha Zeuner heißen, geboren etwa 1923/1924 und zuletzt wohnhaft gewesen sein in Gr.-Rautenberg, Kreis Braunsberg. Bild-Nr. 0 542

 

Aus der Orthopädischen Klinik aus Frauenburg, Kreis Braunsberg, wird Waltraut Symonski, geboren am 29. August 1942 gesucht von ihrem Vater Emil Symonski. Waltraut Svmonski hatte 1945 eine Hüftgelenkentzündung und lag in Gips. Das Mädchen hat blaue Augen und dunkelblondes Haar.

 

Aus Gilgenburg, Kreis Osterode, Markt 10, werden Fredi Jesussek, geboren am 20. Februar 1943, und Heinz Jesussek, geboren am 5. März 1938 in Gilgenburg, gesucht von ihrem Vater Fritz Jesussek, geboren am 24. Februar 1912 in Brodau/Ostpreußen. Bei den Kindern befand sich die Mutter Martha Jessusek, geborene Schneider, geboren am 9. April 1918, die ebenfalls noch gesucht wird.

 

Aus Groß-Tromp, Kreis Braunsberg, wird Rosemarie Marquardt, geboren am 9. April 1939, gesucht von ihrem Bruder Erwin Marquardt, geboren am 27. Mai 1925 in Tiedmannsdorf.

 

Aus Heinrichsdorf, Kreis Bartenstein, wird Horst Kösling, geboren am 6. August 1934 in Postehnen, gesucht von seiner Großmutter Auguste Kösling, geborene Klaffs, geboren am 8. April 1887 in Rädtkeim.

 

Aus Klein-Lasken, Kreis Lyck, wird Günter Moyseszik, geboren am 8. Oktober 1942, gesucht von seiner Mutter Anna Moyseszik. Günter war mit seiner Mütter und seinen Geschwistern am 6. Februar 1945 auf der Flucht in einem Wald vor Kahlberg. Die Mutter gab an diesem Tag einer anderen Frau das Kind auf einen Einspännerwagen, den sie im Verlauf der Flucht aus den Augen verlor. Der Junge hatte einen dunkelblauen Mantel mit grauem Krimmerbesatz an und trug eine bunte Wollmütze. Unter dem dunkelblauen Mantel trug er ein rotkariertes Mäntelchen, eine graue Schafwolljacke, einen grauen Schafwoll-Pullover und eine dunkelgrüne kurze Stoffhose. Als er auf den Wagen gegeben wurde, war er in eine bräunliche Schlafdecke mit braunem Muster an den Enden, eingewickelt. Er hat blaue Augen und hellblondes Haar. Die Frau, die das Kind übernahm, bat selbst die Mutter, Ihr den Kleinen zu geben, da sie es dann mit den anderen Kindern leichter hätte.

 

Aus Königsberg, An den Birken 25, wird Gerda Rohde, geboren 1933 in Königsberg, gesucht von Margarete Rupp, geboren am 4. August 1912 in Königsberg.

 

Aus Königsberg, Juditer Allee 59/61, wird Helmuth Sommerey, geboren am 7. Februar 1934 in Königsberg, gesucht von seiner Tante Gertrud Böhm, geborene Sommerey.

 

Aus Königsberg, Schleiermacherstraße 50, wird Adolf Hoffmann, geboren am 1. Mai 1938, gesucht von seinem Vater Ernst Hoffmann. Im März 1945 befand sich Adolf Hoffmann in Pillau-Ostpr.

 

Aus Treudorf, Kreis Ortelsburg, werden die Geschwister Ilse Kensy, geboren etwa 1940. Gertrud Kensy, geboren am 20. Juni 1944, Karl Kensy, geboren am 10. Mai 1935 und Kurt Kensy, geboren am 27. März 1937, gesucht von ihrem Onkel Ernst Kensy, geboren am 20. Februar 1909 in Gelsenkirchen. Die Geschwister Kensy verließen mit ihrer Mutter Lotte Kensy geborene Fidorra, geboren am 10. Januar 1912 und den Großeltern Gottlieb Fidorra und Frau, am 1. November 1945 ihre Heimat. Die Mutter sowie das Kind Gertrud wurden unterwegs krank und in das Krankenhaus Frankfurt an der Oder eingeliefert. Die Großmutter der Kinder ist auf dem Weitertransport in Laage. Kreis Güstrow-Mecklenburg verstorben, während der Großvater mit den drei Kindern Ilse, Karl und Kurt Kensy im Lager Kronskamp Unterkunft fanden. Vom Lager Kronskamp, Kreis Ludwigslust, wurden dann die Kinder mit Lastwagen in Heime gebracht und werden seitdem vermisst. Welches Heim oder welche Pflegeeltern nahmen die Kinder Kensy im November oder Dezember 1945 in Pflege?

 

Aus Wieps, Kreis Allenstein, werden die Geschwister Wolfgang Diethard Manske, geboren am 19. Januar 1943, und Sigrid Manske, geboren am 13. Mai 1938, gesucht von ihrem Vater Gerhard Manske, geboren am 6. November 1913. Die vermissten Kinder waren zuletzt 1944/1945 mit ihrer Mutter Liselotte Manske, geborene Springer, geboren am 27. Juli 1916 und ihrer Großmutter Erna Springer geborene Papajewski in Wieps. Die Mutter Lieslotte Manske war dort als Lehrerin tätig. Über das Schicksal der Mutter und Großmutter ist ebenfalls noch nichts bekannt.

 

Aus Kruglanken, Kreis Angerburg, werden Ulrich Michalzik, geboren am 1. August 1938 in Lötzen, und Ursula Michalzik, geboren am 30. November 1939, gesucht von ihrer Tante Anna Kaminski, geborene Simanzik und von Alfred Schildhauer. Die Geschwister Michalzik wurden im Jahre 1947 mit ihrer Mutter Frieda Michalzik, die auch noch gesucht wird, in Königsberg-Juditten gesehen.

 

Aus Spiegelberg, Kreis Allenstein, werden Josef Gollan, geboren am 12. April 1937 und Agnes Gollan, geboren am 9. März 1935, gesucht von ihrem Vater Aloysus Gollan.

 

Seite 8   Vermisstenschicksale. Hilfe aller notwendig!

Zahllose Vermisstenschicksale deutscher Wehrmachtsangehöriger konnten noch immer nicht geklärt werden. Hier mitzuhelfen, sind alle aufgerufen.

 

Wir richten daher die Bitte an alle unsere Leser, den regelmäßigen Suchdienst-Veröffentlichungen an dieser Stelle ihr besonderes Augenmerk zu schenken! Ein jeder Hinweis über Verbleib und heutigen Wohnort der Angehörigen der hier Genannten kann zum Erfolg der Suchdienstarbeit führen und Licht in das Dunkel eines Menschenlebens bringen.

 

Helfen Sie bitte mit! Für die Aufklärung dienliche Nachrichten nimmt die Redaktion der „Ostpreußen-Warte", Göttingen, entgegen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um Aussagen über tote ehemalige deutsche Wehrmachtangehörige. Bekannt ist über den ersten, dass er Waldemar Pomierzki hieß, aus Ostpreußen stammte, seine letzte Einheit war die Stammkompanie Senne-Süd.

 

Gustav Spresni, etwa 1922/1923 geboren, war vermutlich aus Lötzen/Ostpreußen, seine letzte Einheit war die 3. Kompanie des Landesschützen-Bataillons 1067.

 

Willi (?) Schneider, geboren etwa 1914, war Landwirt, hatte sechs oder sieben Kinder, seine letzte Einheit war eine Festungs-Pak-Kompanie Königsberg.

 

Otto Nietz, geboren etwa 1906, war bei den Ostlandwerken Königsberg beschäftigt, war Soldat einer Festungs-Truppe in Königsberg.

 

Günther Nietschke, geboren etwa 1920, stammte aus Ostpreußen und war Stadtinspektor, seine letzte Einheit war die SS-Panzer-Division „Hohenstaufen".

 

Fritz Wallner, geboren etwa 1907 oder 1908, wohnhaft früher in Tilsit, Stollbecker Straße, war Kraftfahrer, seine letzte Einheit war die 12. Kompanie des Infanterie-Regiments 408. Feldpostnummer 19 169, sein militärischer Dienstgrad war Obergefreiter.

 

Heinz Scharfenhorst geboren etwa 1926. seine letzte Einheit war die Kavallerie-Ersatz-Abteilung 20

 

Seite 9   Ostpreußische Heimatforschung heute. Samländisches Kreisarchiv und Museum setzt seine Arbeit fort – Bestände zum Teil gerettet.

Foto: Museumsleiter Hermann Sommer mit seinem wertvollsten geretteten Sammlungsstück, einem mehr als 1000 Jahre alten Wikingerschwert mit der Inschrift ,AMEN' auf der breiten Klinge. Foto: Neumann-Binné

Foto: Teilansicht aus der Sammlung „Der Deutsche Ritterorden“ im Museum der Ordensburg Lochstedt. Im Bild zu erkennen: Rüstungen, Ordensmantel und -hemd, über dem Glasschrank zwei Streitäxte des Ritterordens. Foto: Samländisches Kreisarchiv

 

In der Kreisstadt Pinneberg, der schleswig-holsteinischen „Rosenstadt“, befindet sich das letzte der ostpreußischen Kultur- und Forschungsinstitute, das heute noch im Dienste der Heimatforschung steht: das „Samländische Kreisarchiv und Museum“, das einst in der Ordensburg Lochstedt, Kreis Fischhausen, eine Helmstatt hatte.

 

Es soll hier nur der Versuch unternommen werden, die Bedeutung dieser in ihrer Art einzigen Kultur- und Forschungsstätte zu beleuchten.

 

Im Oktober 1927 fasste der Kreistag des Kreises Fischhausen den Beschluss, eine eigene Stelle zur Pflege und Erhaltung seiner Kulturgüter zu errichten. Der samländische Heimatforscher Hermann Sommer wurde beauftragt, die hierfür erforderlichen Vorarbeiten zu leisten. 1930 wurde Hermann Sommer dann mit der endgültigen Leitung dieser neugeschaffenen Einrichtung beauftragt.

 

Die Beweggründe für die Gründung dieses Institutes ergaben sich aus der klaren Erkenntnis der durch den unheilvollen Ausgang des ersten Weltkrieges geschaffenen Sonderlage für Ostpreußen.

 

Vor allem bei den Friedensverhandlungen in Versailles zeigte sich, dass in der Ostforschung unwiederbringliche Jahre verloren waren. Die damaligen Siegermächte waren im Besitz von Dokumentar-Materialien über die altpreußischen Provinzen, die in ihrer völlig falschen Darstellung der historischen Vorgänge, sich zum Schaden der deutschen Bevölkerung auszuwirken drohten. Man versuchte zu dokumentieren, dass die deutschen Ostprovinzen wegen ihrer angeblich urslawischen Bevölkerung dem neuerstandenen Polen zugeteilt werden müssten. Diese im Wesentlichen auf die jahrzehntelangen wissenschaftlich gefärbten Vorarbeiten großpolnischer Kreise beruhenden Forderungen riefen nun nicht allein das Deutsche Auswärtige Amt, sondern auch Forschungsinstitute, Universitäten und private Heimatforscher auf den Plan. Die Auswirkungen der 1850 eingestellten Ostforschung zeigten sich nun, in erschreckendem Maße. Selbst an den Universitäten Königsberg/Pr. und Breslau waren bis 1914 Kultur und Geschichte der ostpreußischen Staaten und Völker wenig beachtet worden. Es gab auch nur wenige Wissenschaftler, die in der Lage waren, die osteuropäische Publizität zu überwachen.

 

Die einseitig zu Gunsten Polens erarbeiteten Literaturen, in denen planmäßige Fälschungen über Land und Leute Alt-Preußens vorgenommen worden waren, kursierten an fast allen Universitäten der Welt und waren somit auch die Bildungsgrundlagen der Staatsmänner von Versailles.

 

Aus dieser Erkenntnis, mehr noch aus den inzwischen so offensichtlich vor Augen liegenden Auswirkungen wurde nun die Ostforschung wieder aufgenommen, gefördert von der damaligen Regierung des Deutschen Reiches und den Kulturverbänden, mit dem Ziel, den Gegenbeweis gegen die irrigen Behauptungen zu erbringen. Auch musste der Versuch unternommen werden, dem durch die Inflation und die darauffolgenden Notjahre bedingten Ausverkauf von Kunstschätzen und Volkskunstzeugnissen aller Art aus den verarmten Familien Einhalt zu gebieten.

 

Ganze Scharen von Aufkäufern durchzogen in jenen Jahren die abgetrennte Provinz und kauften wertvollste, zum Teil unersetzliche Kulturgüter für einen geringen Preis auf. Das Provinzialmuseum in Königsberg versuchte vergeblich, diesem Übel abzuhelfen, es scheiterte an den fehlenden Haushaltsmitteln.

 

Nunmehr entschlossen sich der Preußische Staat und die Provinzialverwaltung Ostpreußen zu durchgreifenden Abwehrmaßnahmen. Der Direktor des Preußischen Staatsarchives Dr. Hein, schuf einen über die gesamte Provinz verteilten, fachlich vorgebildeten Vertrauensmännerkreis, dessen Aufgabe es war, Stadt- und Gemeindearchive zu überwachen, inPrivathand befindliche Staats- und kulturpolitisch wichtige Archivalien zu erfassen und vor allen Dingen belehrend und schützend bei Verwaltung und Bevölkerung zu wirken. Das gleiche schuf für seinen Bereich der Leiter des Landesmuseums, des ehemaligen Prussia-Museums zu Königsberg/Pr., Museumsdirektor Wilhelm Gaerte. So gelang es, auf breiter Basis wichtige Werte für Forschung und Volkskultur zu retten und somit das Ziel zu erreichen, das sich die altpreußischen Geschichts- und Altertums-Gesellschaften seit 1850 gesetzt hatten.

 

Angeregt durch diese Maßnahmen entschloss sich auch der Kreis Fischhausen, für sein Gebieteine besondere Forschungsstelle zu errichten, die in engster Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Instituten den Erfordernissen der Zeit gerecht werden sollte.

 

Als Sitz dieser neuen Forschungsstelle wurde die 1270 als Komturei des Deutschen Ordens erbaute Burg Lochstedt, an der Küste des Frischen Haffes zwischen Fischhausen und und  Neuhäuser gelegen, vorgesehen. Diese Burggehörte zu den besterhaltenen Ruinen des Deutschen Ritterordens; obwohl sie im Jahre 1701 zusammen mit den Burgen Brandenburg und Balga auf Befehl des ersten preußischen Königs abgebrochen wurde, blieb sie mit zwei erhaltenen Burgflügeln als imposante Ruine erhalten. Von 1701 war sie der Sitz der Pillauer Festungskommandanten und der späteren Domänenpächter. Nach ihrem Rückkauf im Jahre 1848 durch den Preußischen Staat wurde sie Sitz für einen Forst- und Gendarmerie-Aufseher, um schließlich 1890 Schule zu werden. Erst als in der ehemaligen Komturwohnung Fresken des frühen Mittelalters entdeckt wurden und nun Wissenschaftler aus allen europäischen Ländern zur Besichtigung kamen, wurde dieser unwürdigen Benutzung der Burg ein Ende gesetzt.

 

Nach fast 100 Jahren ständigen Bemühens wurde am 5. Juli 1928 die Burg durch einen Vertrag vom Preußischen Staat dem Landkreis Fischhausen zur Verfügung gestellt. Erhebliche Geldmittel mussten aufgebracht werden, um den denkbar schlechten baulichen Zustand der Burg zu beheben. Auch die Restaurierung der einzigartigen Wandmalereien sowie die Herrichtung der für den Aufbau der Schausammlungen notwendigen Räumlichkeiten waren mit erheblichen geldlichen Schwierigkeiten verbunden. Als im Mai 1929 Museumsleiter Hermann Sommer die Burg übernahm, war außer den drei Schlüsseln zu den Eingangstoren nichts vorhanden. Unter unendlichen Mühen gelang es ihm, das Samländische Kreisarchiv und Museum zu einer Forschungsstelle auszubauen, die aus der Reihe der ostpreußischen Kultur- und Forschungsinstitute nicht mehr fortzudenken war.

 

Rund 20 000 Besucher aus allen Teilen Deutschlands besuchten jährlich die Burg Lochstedt. Alljährlich kam auch eine Reisegesellschaft aus Schleswig-Holstein, die unter Leitung des bekannten schleswig-holsteinischen Heimatforschers Hubert Koch-Etz die Burg mit ihren einzigartigen Schausammlungen besuchte. Als Schwesterburg der weltbekannten Marienburg war sie neben dieser die einzige Ordensburg in Preußen, die für eine öffentliche Besichtigung zur Verfügung stand. In dreizehn Räumen beherbergte das Museum vor allem Kulturgüter aus der Geschichte des Deutschen Ritterordens, darüber hinaus eine umfassende Bernsteinsammlung und die Unterlagen und Untersuchungsergebnisse von vorgeschichtlichen Gräberfeldern aus 244 Orten des Kreises Fischhausen. Besonders groß war die Sammlung von Formsteinen, Keramiken aller Art, Gläsern, Glasierungen und Mörtelproben, die über 400 Jahre mittelalterlicher Bauzeit Aufschluss gaben. Auch eine kleine wissenschaftliche Handbibliothek, vor allem über den Deutschen Ritterorden war vorhanden.

 

Als im Jahre 1939 Museumsleiter Sommer als Reserve-Offizier zur Wehrmacht einberufen wurde, musste die wissenschaftliche Forschungsarbeit eingestellt werden; erst im Jahre 1946 konnte er sich ihr wieder widmen, allerdings nicht mehr am alten ehrwürdigen Platze.

 

Fast 90 Prozent der Sammlungen, Aufzeichnungen und Unterlagen sind Kriegswirren zum Opfer gefallen. Mit einem kleinen Teil aber, der von Museumsleiter Sommer unter persönlichem Einsatz von Leib und Leben geretteten wissenschaftlichen Unterlagen konnte an die einstige Arbeit wieder angeknüpft werden.

 

In den Wanderausstellungen des Ministeriums Kaiser haben viele Tausend Besucher zwei Ordensschwerter, zwei Preußenschwerter, eine Wikingerfibel und einen Fingerring aus Bronze bewundert, die zu den letzten Zeugen einer alten deutschen Kulturepoche gehören. Diese wenigen Gegenstände stammen aus dem geretteten Bestand des Samländischen Kreisarchivs und Museums, das heute in den Kellerräumen der Landwirtschaftsbehörde in Pinneberg eine neue provisorische Heimat gefunden hat. Als im Jahre 1950 der Kreis Pinneberg durch die Initiative des früheren Kreispräsidenten und heutigen Landtagsabgeordneten Heinrich Sellmann-Elmshorn als erster Kreis im Bundesgebiet die Patenschaft für den Landkreis Fischhausen übernahm, wurden auch dem Samländischen Kreisarchiv und Museum geringe Forschungsmittel aus dem Kreishaushalt zur Verfügung gestellt. Leider aber ist es bis heute nicht möglich gewesen, geeignetere Räumlichkeiten zu beschaffen, um die geretteten und reproduzierten Kulturstücke voll umfanglich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Alle Versuche, einige Räume in der altehrwürdigen, über einhundert Jahre alten Drostei zu Pinneberg zu erhalten, sind bisher fehlgeschlagen.

 

So muss Museumsleiter Sommer mit seinem Institut in drei Kellerräumen weiterarbeiten. Es fällt ihm schwer, in der feuchten Kellerluft Hunderte von geretteten Aufnahmen, etwa 200 Fotokopien von Urkunden des Bernsteinregals, des Ordensarchivs und des Ordensbriefarchivs, sowie ostpreußische Städtekarten, Fundkarteien mit Aufzeichnungen der vorgeschichtlichen Ausgrabungen, Kirchspielbücher, alte Gemeindechroniken und Pläne der Meliorationsverbände zu erhalten. Diese nicht wieder ersetzbaren Dokumente gehören gemeinsam mit den Ordens- und Preußenschwertern, den kunstvoll geschmiedeten früheren Stadtschlüsseln von Königsberg/Pr. aus dem Jahre 1843 sowie einem silbernen Maurerwerkzeug, bestehend aus Hammer und Kelle, das die preußischen Könige bei Grundsteinlegungen benutzten, zum Grundstock des im Wiederaufbau befindlichen Institutes.

 

Vordringlichste Aufgabe wurde heute die Erfassung der ehemaligen Kreisbevölkerung, die Zusammenführung von Familien und die Ermittlung der Vermissten über Kartei und Suchdienst. Im Laufe der zurückliegenden Jahre ist der Bestand der ermittelten Personen aus dem Kreise Fischhausen auf 40 000 angewachsen, und es ist damit über die Hälfte der ehemaligen Einwohnerschaft des Kreises mit seinen zwei Städten und 102 Gemeinden ermittelt worden. Neben dieser Tätigkeit, die für die Zukunft des Heimatgebietes von erheblicher Bedeutung ist, wurde die planmäßige Rekonstruierung der Städte und der Gemeinden sowie der Besitzverhältnisse (Notkataster) in Angriff genommen. Mit dem Soforthilfegesetz und dem Lastenausgleichsgesetz sind neue Aufgaben hinzugekommen, die zwar im Augenblick von der eigentlichen Aufgabe des Institutes abweichen, die aber doch wegen der geforderten Bestätigungen zu Person und zum Besitz den Kontakt mit der Kreisbevölkerung noch enger schließen. Auch diese neuen umfangreichen Arbeiten hat Museumsleiter Sommer freudig auf sich genommen.

 

Wir wollen zuversichtlich hoffen, dass es Hermann Sommer vergönnt sein möge, das Samländische Kreisarchiv und Museum, sein Werk aus drei Jahrzehnten, einst in die samländische Heimat zurückführen zu können. Lothar Mosler-Boehm

 

Seite 9   Königsberger Wahrzeichen der abgehauenen Hand. Von Landesmuseumsdirektor a.D. Dr. Wilhelm Gaerte.

Der Königsberger Professor Caspar Stein beschreibt in seiner Schrift „Prigrinator", die 1648 vollendet war und von der der gelehrte Buchhändler in Königsberg Charisius einen Teil davon, „Das alte Königsberg“, 1911 aus dem Lateinischen übersetzte, die innere Ausschmückung des Junkerhofes in der Hofgasse, wo die Kaufleute der Altstadt ihre Feste feierten. Er erwähnt dabei „eine Tafel mit einer gemalten Hand, die mit dem Beile abgehauen ist" und dieser angehängten Warnung:

 

Kein Waffen blöß (entblöße) kein Messer zück,

Bei Straf der Hand meid böse Trick!

Halt Manneszucht, Fried, brauch Mäßigkeit,

Sonst folgen Straf und großes Leid.

 

In der Jubiläumshalle, Koggenstraße, war ein gleiches Wahrzeichen aufbewahrt, man nannte es „Handab".

 

Welcher Sinn lag diesen Zeichen zugrunde? I

 

m Mittelalter und noch später standen bestimmte Orte unter Friedschutz, an ihnen war jeder Streit mit scharfen Waffen verboten. So gab es Dingfriede für die Gerichtsstätte, den Kirchenfriede, Feldmarksfriede. Burgfriede u. a. Verletzung dieser Sonderfrieden durch Angriffe auf andere zog als Friedbruch jeweils peinliche Strafe nach sich. Als verbreitete Friedbruchstrafe galt das Abhauen der rechten, der frevelnden Hand.

 

Zu solch einem Friedort gehörten auch das Gasthaus und jene Versammlungsstätten, wo die Bürger sich zu Fest und Feier einfanden. Das war in den Junkerhöfen und Gemeindegärten der Fall. Um die Besucher an solchen Plätzen an den Sonderfrieden, der mit ihnen rechtlich verbunden war, zu erinnern und ihnen die bei Verletzung drohende Strafe sinnfällig vor Augen zu führen, hängte man sogenannte Muntattafeln auf mit Bildern der Bestrafungsart oder solche mit abgehauenen wirklichen Händen von bestraften Frevlern („Gerechtigkeitsbilder"). Zur Abschreckung wurden solche Hände bisweilen auch an Prangersäulen angenagelt, sie mahnten, am Friedort nicht das Messer gegen seinen Nachbarn zu zücken. Schon die entblößte Waffe machte den Täter straffällig. Dafür zeugt die oben angeführte Warnung.

 

Auch über dem Keller des Gemeindegartens am Steindammer Tor war eine solche angebracht:

 

Gut Gesellschaft, gutes Bier

Man findet in dem Garten hier.

Wer Manneszucht hält und nicht gebricht,

Demselben ein guter Will geschicht.

Ergetzlichkeit steht jedem frei,

Doch dass man auch Maß hält dabei.

Kein Waffen zück, der Freiheit schon,

Sonst ist „Handab" dein rechter Lohn.

 

Eine verbreitete Strafe bestand darin, das Messer .durch die Hand zu schlagen". So ist in einer alten Bremer Bestimmung festgesetzt: „Zieht einer ein Messer oder eine andere Waffe auf einen Bürger, um ihm Schaden zuzufügen innerhalb des Weichbildes ... man soll ihm das Messer durch seine Hand schlagen". Eine andere Bestimmung des Jahres 1466 lautet: „Von welchem Knecht die Überfahrung (Überführung), so dass er ein Messer zückte, man sollte ihn mit der tätigen Hand an das Tor zu Löwenstein nageln, machte er aber einen blutrünstig, mit welcher Hand er das getan, sollte man ihm ablösen" (d. h. ihm die frevelnde Hand abhauen).

 

Im volkskundlichen Schrifttum finden sich mitunter abgehackte verdorrte Hände erwähnt, die in öffentlichen Gebäuden aufbewahrt werden.

 

Seite 10   Das Ostdeutsche Theaterarchiv. Ein Dokument freiheitlichen Kulturschaffens.

Bei einem Rückblick auf einstige deutsche Kulturleistungen im europäischen Osten wäre es nicht nur undenkbar, sondern auch undankbar, die deutschen Bühnen zu übergeben. Fern von engherzigen Bindungen, verwurzelt durch eine seit Jahrhunderten gefügte Tradition in den Begriffen freiheitlichen Kunstschaffens, war gerade der deutsche Bühnenkünstler der Träger und Mittler deutschen Geistes. Wir, denen die große Freude des Gestaltens — sei es in Schlesien, Sudentenland, Preußen, Pommern, Warthegau, im Baltikum, Ungarn, Rumänien, ja selbst in Petersburg — vergönnt war, hängen mit unserem ganzen Herzen und einem unstillbaren Heimweh an dem, was wir dort als Künstler geben konnten, aber auch an dem was wir empfingen. Dass alles einst wachsen konnte, dass es groß wurde, und dass diese Bühnen sich neben denen des übrigen Deutschlands, des Reiches, ebenbürtig zeigen konnten, setzte ein aufnahmewilliges Publikum voraus und in diesem wieder die Menschen, welche durch Opferbereitschaft dem deutschen Theater im Osten ein festgefügtes Fundament schufen. Mochte das Thema, das diese Bühnen dort zur Diskussion stellten, noch so umstritten sein, in der menschlichen Gesellschaft gewann es seinen Wert.

 

Es ist heute mehr denn je notwendig, festzustellen, dass erst der künstlerische, in der gesamten Kulturwelt anerkannte Ausdruck deutschen Geistesschaffens unseren Anspruch auf die einst von uns bewohnten Ostgebiete voll rechtfertigt.

 

Nicht ohne Bedeutung bleibt die Tatsache, dass die tägliche Berührung mit Nichtdeutschen, meist slawischen Volksstämmen durch die Bühnenkunst die Voraussetzung für ein sich kennen lernen schuf ohne Rücksicht auf die vorhandenen politischen Grenzen. Es gab tschechische, polnische, estnische, lettische, rumänische, slowenische Bühnen im gleichen Raum mit den deutschen, und betrachtete man den Spielplan aller dieser Bühnen, konnte man oft überrascht sein über die Ähnlichkeit.

 

In jahrelanger Arbeit hat es sich nun die Künstlergilde zur Aufgabe gemacht, in ihrem Ostdeutschen Theaterarchiv eine dokumentarische Sammlung aus der ostdeutschen Heimat zu schaffen. Sie beschränkt sich dabei nicht auf die Bühnen einiger Kulturzentren wie etwa Breslau, Königsberg, Riga, Prag, Posen, Danzig, sie hat recht sprechende Zeugnisse vom Wirken und Werken, dem Werdegang, den Künstlern und Bühnenleitern sogenannter mittlerer Bühnen von Niveau. Mit besonderer Genugtuung kann sie zudem auf die wertvolle Kulturleistung der Bühnen hinweisen, die als Abstecherbühnen ausgebaut waren, wie etwa für Ostpreußen Tilsit, und diejenigen, die als Wanderbühnen ihrer verantwortungsvollen Arbeit gerecht wurden. Bedenken wir — um nur zwei Beispiele herauszugreifen — wie weit gezogen das Arbeitsgebiet der Wanderbühne in Mährisch-Schönberg war, die ihre Ensembles nicht nur durch Mähren und Böhmen, sondern bis nach Belgrad schicken konnte, und mag sich jeder, der vom Theater etwas versteht, vergegenwärtigen, was es heißt, wenn eine deutsche Bühne von Hermannstadt aus nicht nur klassische und moderne Schauspiele, sondern auch Operetten und Spielopern in einem weitgezogenen Wirkungskreise aufführen konnte.

 

Außer allen diesen und ähnlichen Ausweisen — gesammelt in Programmen, Plakaten, Schriften, Pressestimmen, Abbildungen von Künstlern, Ensemblen und Inszenierungen — umfasst das Ostdeutsche Theaterarchiv die Fotos fast sämtlicher deutschen Theatergebäude, auch namhafter Freilichtbühnen. Es gereicht uns zur besonderen Genugtuung, dass sich für diese Sammlung die meisten westdeutschen Kulturbehörden interessieren und dass sich auch in den Kreisen des Bühnenberufs, voran dem Präsidium der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger, echtes Verständnis für diese dokumentarische Sammelarbeit zeigt. Es finden immer wieder ostdeutsche Theaterausstellungen unter dem Titel „Das Antlitz des deutschen Theaters im Osten" statt, die bei hoher Besucherzahl aufrichtige Anerkennung in der gesamten Presse fanden (Eßlingen, Darmstadt, Düsseldorf, Teilausstellungen in Nürnberg, Ludwigsburg bei Stuttgart, Ludwigshafen am Rhein, Mannheim).

 

Es wäre ein schönes Zeichen von verständnisvoller Zusammenarbeit, wenn diese Sammlung von allen, die teilhatten an dem großen Schaffen einstiger ostdeutscher Bühnen, noch weiterhin durch herübergerettetes Material ergänzt werden könnte: in Originalen oder Fotokopien, leihweise oder als Stiftung. Was wir brauchen, ist deutlich gekennzeichnet. Es ist beabsichtigt, das gesamte Konvolut dereinst in Zusammenarbeit mit der GDBA unter Angabe der Spender usw. auch in Berlin zu zeigen.

 

Und wenn wir heute alles dieses Vergangene betrachten, so geschieht das nicht, um uns in eine behagliche, romantisierende Erinnerung zu lullen oder von der „guten, alten Zeit" zu erzählen. Der tiefere Sinn ist vielmehr, der heutigen und kommenden Generationen zu zeigen, dass es zu allen Zeiten Probleme soziologischer oder kultureller Art gab — und sie sind vielfach die gleichen geblieben bis zum heutigen Tag —, dass es jedoch notwendig ist darauf zu achten, wie die deutsche Bühnenkunst an ihre Darstellung herangegangen ist, ohne die Gesetze der Freizügigkeit zu verletzen.

 

Aus dieser Gesinnung heraus mögen die Dokumente des Ostdeutschen Theaterarchivs von zukunftweisender Bedeutung sein. Erich Rauch (Aus „Die Künstlergilde")

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat.

Professor Anton Nowakowski (Foto).

Was an dem nun sechzigjährigen Organisten, Dirigenten, Komponisten und Musikerzieher am meisten auffällt, sind neben seiner rein künstlerischen Potenz seine Vielseitigkeit und Unermüdlichkeit sowie seine zähe Energie, welche ihn zu einer Arbeitsleistung befähigen, die in jeder Hinsicht erstaunlich genannt werden muss.

 

Nowakowski wurde am 10. Februar 1897 zu Danzig geboren. Er studierte bei Max Springer an der Wiener Musikakademie und später in Prag bei Fidelio F. Finke und Alexander von Zemlinski. An der dortigen deutschen Universität hörte er auch Vorlesungen über Kunstgeschichte und Philosophie. Als Organist der berühmten Benektinerabtei Emmaus in Prag machte er bald von sich reden und wurde als Professor für Orgelspiel an die deutsche Akademie für Musik und darstellende Kunst berufen. Dies hinderte den unermüdlich Strebenden jedoch nicht, seine schon damals hervorragende Kunst berufen. Dies hinderte den unermüdlich Strebenden jedoch nicht, seine schon damals hervorragende Kunst bei Straube in Leipzig und Fritz Heitmann in Berlin immer noch weiter zu vervollkommnen. Später ging er als Abteilungsleiter an die Folkwangschulen in Essen, wirkte dann als Assistent von Wilhelm Furtwängler in Berlin und bei den Bayreuther Festspielen und kam endlich als Kapellmeister an das Theater seiner Vaterstadt Danzig. 1941 holte man ihn zum zweiten Mal an die Prager Musikschule, und er blieb dort bis zur Vertreibung. Nach längerer Internierung in Theresienstadt endlich frei geworden, wirkte er zunächst in Frankfurt und Duisburg als Organist, Pianist, Dirigent und Musiklehrer und erhielt dann eine Berufung an die Musikschule in Stuttgart, wo er bis heute tätig ist.

 

Nowakowskis Vielseitigkeit ist erstaunlich: Als Organist genießt er längst einen internationalen Ruf und wird ständig zu den bedeutendsten Veranstaltungen des In- und Auslandes auf diesem Gebiet geholt. Er ist an verschiedenen europäischen Sendern tätig, unternimmt Konzertreisen durch den ganzen Kontinent, betreut als Nachfolger seines verstorbenen Lehrers Heitmann die Orgelschallplattenproduktion der Firma Telefunken usw. usw. Trotz dieser hervorragenden Erfolge, die er seinem von starker ursprünglicher Musikalität hochentwickeltem Klangsinn, seiner technischen Meisterschaft und einer ungewöhnlichen Fähigkeit zu formaler Gestaltung verdankt, gibt sich der Unermüdliche damit nicht zufrieden. Seine hauptsächliche Liebe gehört dem Dirigieren, und er empfindet es als mehr oder weniger zufällig und rein vom äußeren Verlauf seines Lebens abhängig, dass sein Ruhm vor allem auf seinen organistischen Fähigkeiten gründet. Wer ihn bei der Probenarbeit gesehen hat, staunt über seine Fähigkeit, die Zeit auszunützen, dem Orchester mit ein paar Worten oder Gesten sich verständlich zu machen und nachher seine Intentionen auch wirklich zu klingendem Leben zu erwecken. Der große Orgelimprovisator versteht es eben auch hier, zu improvisieren — und der geheime Komponist, überzeugend zu gestalten. Organisten pflegen sonst am Klavier einen etwas trockenen und spröden Anschlag zu haben, der von der Orgeltechnik herrührt. Nowakowski als Pianist dagegen verfügt über eine außerordentlich sensible Tongebung und einen Klangsinn von geradezu impressionistischer Feinheit und Abgetöntheit: Ein Zeichen mehr für die Vielfältigkeit seiner Begabung, die sich keineswegs im Organistentum erschöpft.

 

Es ist äußerst begrüßenswert und verpflichtet zu Dank, dass er seine großen Fähigkeiten und seine fast ebenso große Energie stets in selbstlosester Weise für zeitgenössische Musik und besonders für seine ostdeutschen Komponistenkollegen einsetzt. Wo immer es möglich ist, bringt er als Organist wie auch als Dirigent ihre Werke zur Aufführung, und als Leiter der Fachgruppe Musik der „Künstlergilde" tritt er in besonderer Weise dafür ein. Wenn zum Schluss nicht verschwiegen werden soll, dass dieser oft eigenwillig und unzugänglich wirkende Mensch ein überaus treuer Freund sein kann (man denke nur an die lebenslängliche Verehrung und Anhänglichkeit, die er Furtwängler entgegenbrachte, dem er noch bei der Trauerfeier in Heidelberg auf der Orgel das musikalische Geleite geben durfte), dass er im stillen immer hilfsbereit ist, so mag mit diesen wenigen Strichen der Versuch eines Bildes des Künstlers und Menschen Nowakowski zu andeutendem, keineswegs umfassenden Abschluss gebracht sein. H. Simbriger

 

Seite 10   Lieselotte Plangger-Popp. Eine ostpreußische Künstlerin in Südtirol.

Die aus Masuren stammende Künstlerin Lieselotte Plangger-Popp, die nach dem Besuch der Königsberger Kunstschule und ihrem Studium an der Akademie für bildende Künste in München (bei Adolf Schinnerer und Willi Geiger) seit ihrer vor drei Jahren erfolgten Vermählung mit dem Bozener Bildhauer Hans Plangger in Südtirol lebt, hat in den letzten zehn Jahren eine Reihe bedeutender Formungen ihrer grafischen Kunst vorstellen können. Die Künstlerin, die auch immer wieder an den Ausstellungen in Deutschland, vornehmlich der Künstlergilde beteiligt ist, bot in diesem Sommer in einer Kollektivschau im Kunsthistorischen Institut der Universität Innsbruck mit über siebzig Arbeiten einen Querschnitt unter dem Titel „Graphik 1946 - 1956".

 

Die Illustrationen zu Mörike, Trakl und Agnes Miegel, die Gestaltungen der Erschütterung durch Flucht und Vertreibung, die Herbheit der heimischen und die Größe der Südtiroler Landschaft haben sie immer mehr reifen und zu einer wesentlichen Aussage vor allem im Holzschnitt gelangen lassen. Ihr liegt es besonders gut, das schroffe Gebirge darzustellen und — in geistigem Kontakt mit der großen Dichtung ihrer Heimat — deren Menschentum in seinem Wesen zu treffen. Neben den Holzschnitten, Holzschnittfolgen und Radierungen hat sie auch eine bedeutende Zahl von Rohrfederzeichnungen in dem für sie typischen faserigen, viel Atmosphäre schaffenden Strich geschaffen.

 

Für Innsbruck bedeutete die Ausstellung mit der Künstlerin, die in der Hauptstadt Tirols mehrere Jahre im Verlagswesen gewirkt hat, eine erfreuliche Wiederbegegnung, für Lieselotte Popp eine erfolgreiche Bestätigung ihrer künstlerischen Entwicklung.

 

Mit Lithos und Federzeichnungen ist Lieselotte Plangger Popp auch in der Ausstellung des Südtiroler Künstlerbundes in der ehemaligen Dominikanerkirche in Bozen vertreten. Bei dieser Ausstellung des zehn Jahre bestehenden wichtigen deutschen Künstlerbundes kann man sich von den sehr beachtlichen Leistungen der Südtiroler Maler, Grafiker, Bildhauer und Architekten überzeugen, unter denen wir u. a. auch die in Deutschland bekannte weitverzweigte Bildhauerfamilie der Moroder antreffen.

 

Seite 10   Kulturelles in Kürze.

Besucherrekord in Fulda

Bei einer Gesamtdauer von nur sechs Wochen wurden in der Ausstellung der Künstlergilde „Zeitgenössische Kunst des deutschen Ostens" im Vonderau-Museum in Fulda (Stadtschloss) 42 252 Besucher gezählt. Diese Zahl, die fast an die Gesamteinwohnerzahl der Stadt heranreicht, ist nur so zu erklären, dass sehr viel auswärtige Besucher, darunter Ferienreisende in ganzen Gruppen aus Skandinavien, aber auch aus dem westlichen Europa und aus Übersee, die Ausstellung besichtigen. Es ergab sich also die erfreuliche Tatsache, dass die Einwohnerschaft von Fulda sich sehr gründlich mit der Gesamtleistung der ostdeutschen Künstler und den einzelnen Lebenswerken auseinandersetzte und somit für weitere Ausstellungen moderner Kunst in dieser Stadt der Boden bereitet wurde, dass aber auch — in weiter Streuung und kulturpolitisch besonders erfreulich — sich die vielen auswärtigen und ausländischen Gäste von der Bedeutung der ostdeutschen Künstler ein Bild machen konnten.

 

Mit der Besucherzahl erreicht diese Ausstellung beinahe die Ziffern die von großen Ausstellungen in München und Hamburg gemeldet werden.

 

Seefischerei in der Kunst

Zum „Tag des Hochseefischers" veranstaltete der Verband der Hochseefischereien e. V. mit Unterstützung des Magistrats der Stadt Bremerhaven zum ersten Male eine Kunstausstellung unter dem Leitgedanken „Seefischerei in der Kunst". Dabei Ist die Beteiligung ostdeutscher Künstler besonders erfreulich. Sie stellen zahlenmäßig, in den Katalogabbildungen, aber vor allem auch in der Qualität, einen wesentlichen Anteil dar. Naturgemäß dominieren die Ostpreußen (Eduard Bischoff, Ernst Mollenhauer, Hans Orlowski, Eva Schwimmer, der Danziger Fritz Heidingsfeld) und die Pommern (Richard Seewald und Else Mögelin).

 

Ostkircheninstitut

In Münster wird am 27. November das neu errichtete Ostkircheninstitut eröffnet. Räume und Einrichtung werden von der Universität bereitgestellt, die wissenschaftlichen Mitarbeiter vom Ostkirchenausschuss besoldet.

 

Ehrung für Mollenhauer

Für seine Verdienste um die ostdeutschen Künstler wurde dem ostpreußischen Maler Ernst Mollenhauer (Düsseldorf) das Bundesverdienstkreuz verliehen.

 

Professor Naujoks 65 Jahre

Professor Dr. Hans Naujoks, der aus Insterburg in Ostpreußen stammt, beging seinen 65. Geburtstag. Professor Dr. Naujoks ist seit 1847 an der Universität Frankfurt am Main als Ordinarius für Geburtshilfe und Frauenheilkunde tätig. Ferner ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. Unter seiner Leitung wird im Herbst 1958 in Frankfurt der Kongress dieser Gesellschaft stattfinden.

 

Frau Professor Marquardt 60 Jahre

Ihren 60. Geburtstag beging in Göttingen Frau Professor Dr. Hertha Marquardt. Frau Prof. Marquardt wurde in Königsberg geboren, wo sie sich 1937 im Fach Anglistik habilitierte. Jetzt ist sie Professor für englische Philologie an der Georg-August-Universität in Göttingen.

 

Schriftsteller Otto Boris gestorben

In Hamburg verstarb im Alter von 69 Jahren der ostpreußische Jagdschriftsteller und Jugendbuchautor Otto Boris. Er stammt aus dem Kreis Johannisburg. In den Wäldern der Johannisburger Heide verlebte er seine Kinder- und Jugendjahre. In seinem reichen Schaffen, er hinterließ über 50 Romane, Erzählungen und Tierbücher, hat er immer wieder die Landschaft seiner Heimat als Hintergrund gewählt. Eines seiner ersten Werke, „Addi, die Geschichte eines Jungstorches in Ostpreußen", ist zugleich eines seiner Schönsten.

 

Ausstellung „junger westen 57“

Die Stadt Recklinghausen hat für junge deutsche Künstler den Kunstpreis „junger westen 57" ausgeschrieben. Der mit 2000 DM dotierte Preis ist in diesem Jahr für alle deutschen Bildhauer offen, die am 31.12.1957 nicht älter als 40 Jahre sind. Interessenten sind aufgefordert, die Unterlagen sofort unmittelbar bei den Museen der Stadt Recklinghausen anzufordern.

 

Seite 10   Die Eßlinger Begegnung 1957

Jahrestreffen der heimatvertriebenen Kulturschaffenden vom 10. bis 14. Oktober.

Donnerstag, 10 Oktober

20.00: Werner Bergengruen liest aus Eigenen Werden.

 

Freitag 11. Oktober

9.00: Fachgruppentagungen.

11.00: Feierliche Eröffnung der Begegnung und der Ausstellungen mit Verkündung des Ostdeutschen Schrifttumspreises der Künstlergilde. Rundgang durch die Ausstellungen.

15.30: Vortrag Univ.-Professor Dr. Ernst Alker, Fribourg (Schweiz): „Wandel und Verharren in der deutschen Literatur seit 1900“ (mit besonderer Berücksichtigung des ostdeutschen Schrifttums).

16.30: Vortrag Professor Emil Pirchan, Wien: „Bühne und Bühnenbild".

20.00: Weinstock der Wiedergeburt. Eine gesprochene Anthologie osteuropäischer Emigrantenliteratur mit musikalischer Umrahmung (Mila Kopp rezitiert).

 

Sonnabend, 12. Oktober

9.00: Sitzungen der Fachgruppen.

15.00: Hauptversammlung der Künstlergilde.

20.00: Geselliges Beisammensein.

 

Sonntag, 13. Oktober

Evgl. und kath. Gottesdienst.

11.15: Turmmusik von Arno Knapp (verstorben).

11.30: Kulturfilmvorführung.

16.00: Zwischen Allerweltskunst und Heimatkunst. Eine Diskussion über unseren Standort.

20.00: Konzert eines Kammerorchesters des Süddeutschen Rundfunks (Dirigent Professor Anton Nowakowski).

 

Montag, 14. Oktober

7.00: Kunstfahrt nach Ulm, Wiblingen, Memmingen, Ottobeuren (Prof. Anton Nowakowski spielt auf den Barockorgeln), Roth an der Roth, Ochsenhausen, Biberach, Steinhausen, Buchau, Riedlingen, Zwiefalten, Urach, mit Besichtigung der schönsten Denkmäler des oberschwäbischen Barocks.

 

Ausstellungen

Im Zusammenhang mit der Esslinger Begegnung finden folgende Ausstellungen statt:

 

„Baukunst im deutschen Osten nach 1900"

(Übernahme der von der Künstlergilde im Rahmen der „Interbau" in Berlin gezeigten, ergänzten und erweiterten Ausstellung).

„Illustratoren und Illustrationen"

„Bühnenbildentwürfe und alte Theaterzettel"

 

Diese Ausstellungen sind vom 10. bis 22. Oktober geöffnet.

Außerdem zeigt die Stadt Esslingen vom 5. bis 27. Oktober eine Kollektivausstellung des aus Ostpreußen stammenden Malers Ernst Mollenhauer anlässlich seines 65. Geburtstages.

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte

Hans-Georg Buchholtz. Die Entscheidung

Als die Stadt genommen worden war, kamen Soldaten aus einem mongolischen Regiment ins Pfarrhaus. Sie liefen schwadronierend durch die Räume, entfernten sich aber bald wieder und nahmen die Kiste mit dem Abendmahlswein mit. Eine Weile später kamen sie zurück durchstöberten das Haus aufs Neue und fanden einige Mädchen, die sich dort versteckt hielten. Sie nötigten diese gewaltsam, mit ihnen in den Gemeindesaal zu gehen. „Tanzen, Frau", grinsten sie. Den Geistlichen wiesen sie mit vorgehaltener Pistole zurück.

 

 Als drei der Mädchen etliche Stunden später ins Pfarrhaus zurückkehrten, war aus der Art ihrer Verstörtheit abzulesen, was ihnen inzwischen widerfahren war.

 

Eines derselben, Maria Bojahr, die Tochter des Tischlermeisters Anton Bojahr, hatte in der Mitte jenes Januars ihren siebzehnten Geburtstag gefeiert. Sie war ein hochgewachsenes, schönes Menschenkind mit klarem Gesicht und einem braunen Haarkranz über der Stirn. Ihre Eltern und ihr kleiner Bruder waren während sie sich versteckt gehalten hatte, einem Transport eingeordnet worden, den man zur Stadt hinausmarschieren ließ und später auf irgendeiner verschneiten Bahnstation in Viehwagen verlud. Sie aber blieb in der Stadt. Solange die Kämpfe noch andauerten, musste sie mit anderen Frauen und Männern Schanzarbeiten ausführen. Später arbeitete sie bei Trümmerräumtrupps und bei Straßenbauten. Sie war eine gutgehaltene Bürgerstochter aus einem wohlhabenden Haushalt gewesen, welche nie hatte anstrengende körperliche Arbeit zu verrichten brauchen. Daher brachte ihr die erste Zeit dieser Zwangsarbeit eine so tiefe körperliche Krise, dass sie dem Ende nahe zu sein glaubte.

 

Furchtbarer noch litt sie seelisch, denn es war ihr bald zur Gewissheit geworden, dass sie ein Kind erwartete. Maria war eine fromme Katholikin, und wenn ihr schon außereheliche Mutterschaft an sich als eine Todsünde erschien, so war sie ihr unter den Umständen, die dazu geführt hatten, wie ein Traum der Hölle.

 

Sie würde nie dartun können, wie sie ihr Leben damals geführt, wie es ihr erhalten geblieben und ob sie sich je Gedanken gemacht, was sie damit noch anfangen sollte. Sie blieb jedenfalls am Leben und gebar im frühen Herbst ein Kind, einen Knaben, der erstaunlicherweise wie sie die Entbehrungen überstand. Der kleine .Anton hatte pechschwarze Augen, die aber nur wenig schräg standen, stark hervortretende Backenknochen und, von seinem Großvater Bojahr herrührend, hellblonde Haare.

 

War Maria in den ersten Tagen nach der Geburt in verzweifeltem Aufbegehren nahe daran gewesen, das Kind umzubringen und zur durch ihren Glauben und die ihre innewohnende Ehrfurcht vor dem Leben daran gehindert worden, so duldete sie es später, wie eine Tiermutter ein ihr aufgezwungenes Junges duldete. Hatte es Hunger, so nährte sie es, fror es, so hüllte sie es ein, glaubte sie es bedroht, so stellte sie sich davor. Das Kind war immer mit ihr. Solange es noch nicht laufen konnte, trug sie es, in ein Tuch eingeschnürt, auf dem Rücken. Während der Arbeit legte sie es dann neben dem alten Brotbeutel, der ihre wenigen Habseligkeiten enthielt, nieder. Es gab Augenblicke, in denen sie sein mageres Körperchen mit Widerwillen betrachtete. Wenn sie es aber in einer Arbeitspause an die Brust nahm oder nachts seine kleine Wärme in der unendlichen Verlorenheit ihres Lebens neben sich spürte, so streichelte sie sein Köpfchen.

 

Allmählich wurden die äußeren Lebensumstände menschlicher. Man hatte das Krankenhaus wieder in Betrieb genommen, und Maria eine Beschäftigung in der Küche.

 

War auch die ständige Todesdrohung genommen, so blieb es doch ein Leben ohne Freiheit, ohne Hoffnung, ohne Sinn. Das einzige, Das einzige, woran sie in Erwartung denken konnte, das etwas von Zukunft in ihr Leben trug, war der kleine Anton. Er war ihr Trost, wenn er ihr entgegenlief und die Händchen nach ihr ausstreckte. Sie freute sich seiner, wenn sie eigene Wesenszüge an ihm entdeckte. Nur manchmal wandte sie sich von ihm ab oder schrak gar vor ihm zurück. Das war, wenn in seinen Augen das Fremde aufglomm bei Trotz oder Schmerz. Dann fühlte sie das entsetzliche Erleben, das sie gewaltsam in ihrem Inneren zurückgedrängt hatte und schon erstorben wähnte, wieder aufsteigen, und es konnte geschehen, dass sie in solchen Augenblicken die Hand gegen das Kind hob.

 

An einem Tag im Frühling wurde Maria mit ihrem Kinde, das damals fünf Jahre alt war, einem Transport Ausgewiesener beigegeben und nach Westdeutschland gebracht. Von diesem Tage an begannen wieder eine Zeitrechnung und eine Lebenserwartung für sie.

 

Das Mädchen mit dem Kinde, das in einer Gärtnerei seinen Lebensunterhalt gefunden hatte, das plötzlich eine eigene kleine Häuslichkeit besaß und Gelassenheit und Ruhe fand, blühte auf. Still arbeitete es zwischen Blumen und Kulturen. Es hatte jene sanfte, zurückhaltende Art, die oft Menschen eigen ist, welche viel gelitten haben. Ein jeder achtete es darum und wollte gut zu ihm sein.

 

Der kleine Anton war während ihrer Arbeitsstunden in einem Kindergarten untergebracht. Nach Feierabend holte sie ihn dann immer ab. „Was ihr Kleiner doch für seltsame Augen hat", hatte in der ersten Zeit einmal eine Pflegerin gemeint, „wenn er zornig ist, kann man erschrecken“.

 

„Er hat Schlimmes durchgemacht, mein Anton", hatte sie ruhig entgegnet, aber sie war erfüllt gewesen von einem brennenden Gefühl. Scham war es nicht. Sollte sie sich schämen, dass sie dem Kind das Leben gegeben, ihm das Leben gelassen hatte? Nein! Denn sie hatte daran nicht mehr Anteil als das Erdreich am Vorhandensein einer Pflanze. Aber es schmerzte sie, durch das Dasein des Kindes gedemütigt zu sein. Wenn er doch tot wäre! war es damals durch sie hingegangen, aber sie hatte den Wunsch sogleich bereut. Vielleicht hätte ich die furchtbare Zeit ohne meinen Anton gar nicht überstanden, hatte sie gedacht. Alles hat er mit mir durchlitten. Er war mein kleiner Kamerad, und ich will ihm dankbar sein.

 

Des Sonntags bei gutem Wetter oder wenn sie Überstunden machen musste, nahm sie Anton manchmal in die Gärtnerei mit. Da spielte er dann bei dem großen Sandhaufen, der neben den Stiefmütterchenbeeten angefahren war. Bisweilen kam er mit einer besonders schönen Blume angelaufen. „Sieh, Mutti, wie schön!" sagte er mit tiefer Stimme und stippte mit dem kurzen, dicken Zeigefingerchen auf die farbigen Blütenblätter. Dabei taten sich seine Augen groß auf, und auch seine Nasenlöcher weiteten sich ein wenig. Maria, die im Halbschatten der Schuppentür saß, eine Bindearbeit im Schoß, lächelte dann wohl, ermahnte ihn, keine neuen Blümchen mehr abzupflücken und schickte ihn an seinen Platz zurück. Er blieb dort und spielte geduldig seine stummen Spiele, bis er gerufen wurde und man nach Hause ging.

 

Besonders lieben musste man ihn abends, wenn er in seinem Bettchen lag und die dunklen, von Müdigkeit schon ein wenig verschleierten Augen emporrichtete: „Sing, Mutti!" Musik liebte er über alles. Wenn aus einem offenen Fenster Klavierspiel oder Radioklänge herausdrangen, so hockte er sich aufmerksam lauschend davor. „Er ist ein gutes Kind", hatte die Kindergärtnerin neulich gesagt und Maria damit sehr glücklich gemacht.

 

Aber es gab auch Stunden, in denen er mit allem uneins war, sich um nichts und mit jedem stritt und sogar das Kätzchen quälte, zu dem er doch sonst nur zärtlich war; oder er rannte dann lange mit wilden Schreien von einer Hofecke zur anderen immer hin und her. Eines Tages im Herbst trat der Gehilfe in der Gärtnerei auf Maria zu. Er trug einen Gladiolenstrauß in der Hand, und zwar von jenen gelben und zartroten, die sie besonders liebte. „Die sind für dich", sagte er, „Maria, ich möchte dich fragen, ob du meine Frau werden willst. „Sie hatten viele Monate zusammen gearbeitet. Sie waren in ihren Freizeiten einige Male miteinander ausgegangen. Er hatte auch in allgemeineren Wendungen vom Heiraten gesprochen. Aber Maria war immer ausgewichen. Der Antrag überraschte sie darum. „Heinz", sagte sie, „das kommt mir ein wenig plötzlich“. Er aber legte ihr den Arm um die Schulter. „Du hattest so lange Zeit zum Überlegen. Jetzt sag' ja“.

 

So hatten sie sich verlobt und wollten zu Weihnachten heiraten. Der Verlobte stammte aus der Gegend von Königsberg. Er war ein ruhiger, für seinen Beruf in besonderer Weise begabter Mensch. Wurde eine kranke Staude gebracht oder war eine Pflanze schwer umzutopfen, so pflegte der Chef immer ihn zu holen. Er besah sich den Fall eine Weile, wobei er die Unterzähne in die Oberlippe grub, und rief dann plötzlich: „Na, Trautsterchen, denn komm man her!" Und die Operation gelang eigentlich immer.

 

In den ersten Wochen erzählten sie einander viel von ihrem Leben, sprachen von der Heimat, von Marias vermissten Angehörigen und eines Abends, als sie einander schon sehr nahe waren und sie die Scheu überwunden hatte, berichtete sie auch, was ihr damals im Januar geschehen war. Er streichelte ihr das Haar, fragte auch nicht weiter, aber sein Blick streifte nachdenklich die Tür, hinter der das Kind schlief.

 

Wenn sie sich im Orte trafen, hatte Maria den Kleinen meist mitgenommen. Seit jenem Abend aber glaubte sie zu bemerken, dass sich der Verlobte dadurch gestört fühlte. „Der Luntruß", sagte er einmal, als Anton sich zwischen sie drängte, „nun kommt er schon wieder an“. Seitdem ließ sie ihn mehr und mehr zu Hause.

 

Eines Tages spielte der Kleine in der Gärtnerei. Er warf seinen bunten Ball auf das Dach eines Gewächshauses und fing ihn jubelnd und in die Händchen klatschend wieder auf. War ihm der Ball davongerollt, so sprang er mit gewandten kleinen Sätzen hinterdrein. Bei einer solchen Gelegenheit kam Marias Verlobter vorüber. Er hob den Ball rasch auf, steckte ihn in die Tasche und lachte: „Danke schön!" Das Kind stand einen Augenblick starr. Sein Gesicht, eben noch glühend, wurde bleich. Sein Mund begann zu zucken. Dem Mann tat der Scherz leid. Er griff in die Tasche. „Hier ist er doch!" Das Kind aber stampfte mit den Füßen. „Behalt ihn, behalt ihn!" schrie es und schlug mit seinen kleinen Fäusten auf ihn ein. Sein Gesicht war verzerrt und die schwarzen Augen glühten.

 

Der Gärtner ließ den Ball fallen und ging davon.

So etwas, dachte er, — wie ein kleines Raubtier ...

 

Nachdenklich hantierte er mit seinen Blumen, und als er Maria kommen sah, ging er ihr aus dem Wege. Ich kann sie jetzt nicht ansehen, dachte er. Ich habe diese mongolische Fratze noch immer vor Augen.

 

Am nächsten Morgen saßen sie im Schuppen und flochten Kränze. Beide schwiegen. „Du solltest das Kind endlich in ein Heim geben", begann er schließlich, „mal muss es ja doch geschehen“. „Wieso?" fragte Maria. Er antwortete nicht gleich, sondern sah angestrengt auf seine Arbeit herab, als stimme dort etwas nicht. Dann erzählte er, was sich am Vortage begeben hatte. .“Sein Gesicht wird mich immer wieder an das erinnern, was dir angetan worden ist", schloss er. Maria antwortete nicht Langsam begannen ihr die Tränen zu tropfen. Sie arbeiteten verbissen weiter, wanden das Tannengrün, bogen die Reifen.

 

In dieser Nacht schlief Maria nicht. Ich kann ihn ja verstehen, dachte sie. Ist es mir nicht selbst auch oft so gegangen? — Aber es ist doch auch ein Teil von mir, und er muss doch spüren, dass ich es liebe. Aber er kommt über mein Unglück nicht hinweg. Ich bleibe für ihn ein gesprungenes Gefäß. Ist das aber Liebe? Lass er sich eine andere Frau suchen. — Und sie sagte es ihm so am nächsten Tage.

 

Seite 11   Mensch und Tier

Johann Gottfried Herder

Sie, die Tiere, sind wie Saiten, die ein gewisser Klang des Weltalls regt, auf denen der Weltgeist mit einem seiner Finger spielt. Sie hängen mit dem Element, mit dem Geschöpf, mit den Jungen, mit der unbekannten Weltgegend zusammen, wohin sie eilen: unsichtbare Bande ziehen sie dahin.

 

Arthur Schopenhauer.

Ich muss es aufrichtig gestehen: der Anblick jedes Tieres erfreut mich unmittelbar und mir geht dabei das Herz auf.

 

Die Tiere könnten in vielem unsere Lehrmeister sein; die Seele des Tieres verstehen, heißt, die eigenen Fehler erkennen. Aber man versteht die Sprache nicht, weil sie zu einfach ist.

 

Mitleid mit Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, dass man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.

 

Alexander von Humbold

Grausamkeit gegen die Tiere ist eines der kennzeichnendsten Laster eines niederen und unedlen Volkes. Wo man ihrer gewahr wird, ist es ein sicheres Zeichen der Unwissenheit und Roheit, welche selbst durch alle Zeichen des Reichtums, der Pracht und des Adels nicht übertüncht werden kann. Grausamkeit gegen die Tiere kann weder bei wahrer Bildung noch wahrer Gelehrsamkeit bestehen.

 

Friedrich der Große

Den Charakter eines Menschen kann man nach der Behandlung beurteilen, welche er den Tieren angedeihen lässt.

 

Seite 11   Wenn der Herbst … Von Tamara Ehlert.

Wenn der Herbst die letzten Blätter häuft,

treibt mein Herz mit diesen goldnen, leisen

windverwehten Vögeln auf den Gleisen

zu dem Schienenstrang, der ostwärts läuft.

 

Irgendwo um diesen blanken Strich

werden sich die großen Wälder breiten,

und an ihren Saum genäht, die weiten

Wiesen schlafen schon oktoberlich.

 

Auf dem Dach der Kate wächst schon Gras,

Abendschatten kriechen aus den Mooren,

und so hockt sie, frierend und verloren,

zwischen dürren Sträuchern, regennass.

 

Eine alte Krüppelkiefer steht

ganz verweht. In ihren Nadelhaaren

hängt der Tau. Wer weiß, in vielen Jahren

hat der Dünensand sie zugeweht.

 

Alles dies war einmal meine Welt.

Es ist warm und tröstlich, es zu denken,

wenn die Nebel alle Straßen tränken

und der Regen auf die Gleise fällt.

 

Seite 11   Die Blätter fallen. Von Fritz Kudnig.

Die Blätter fallen. Der Sommer ist hin.

Auch ich ein welkendes Blatt nur bin,

am Menschheitsbaume ein Blättlein im Wind,

dessen Lebenstage gezählt schon sind.

 

Doch plötzlich seh ich einen Bauer. Der sät.

Ein Schauer der Freude durchs Herz mir geht.

Ich bin kein Blatt, das modernd verdirbt.

Tief in mir ist etwas, das nimmer stirbt,

das weiter wirkt in zeugender Tat.

Ich bin wie die gottbeseelte Saat!

 

Mit allen himmlischen Mächten im Bund,

sinke ich sterbend in Gottes Grund,

um aus ihm wie Saat wieder aufzugehn.

Denn jedem Tod folgt ein Auferstehn!

 

Seite 11

Die Zeit

Ist schwer, die Jahre

Wirr, umsonst die Arbeit

Die Brüder wandern in

Ost und West verstreut.

Feld und Garten sind

durch Krieg verwüstet,

Es treibt sich mancher

Auf den großen Straßen

Unstet umher wie Schatten einer Wildgans,

die tausend Meilen

überflog. Entfernt

vom Ursprung

durch die Wirren

von neun Herbsten

fallen beim Anblick

hellen Mondlichts

Tränen.

 

Lieselotte Plangger-Popp. Nach einem chinesischen Spruch (Holzschnitt) (Aus „Die Künstlergilde 1954“)

 

Seite 12   Heimat im Osten. Bücher – die uns angehen.

Hermanns Sudermann: Heimat im Osten. Erzählungen und Bilder aus Ostpreußen. Herausgegeben und eingeleitet von Paul Fechter. J. G. Cottasche Buchhandlung Nachr. GmbH., Stuttgart. 244 Seiten, 7 Farbdrucke nach Gemälden ostpreußischer Künstler, 42 Fotowiedergaben auf Kunstdrucktafeln. Ganzleinen 9,80 DM.

Mit der Vorankündigung dieses Jubiläumsbandes zum 100. Geburtstag des Dichters hat uns der Verlag nicht zu viel versprochen. Hält man nun dieses gewichtige Werk in der Hand, ist man auf das Angenehmste überrascht, und das gewiss nicht allein durch die sorgsame Auswahl und Zusammenstellung der Beiträge (Erzählungen und Abschnitte aus seinen Erinnerungsbänden, die zum Schönsten gehören, was je zum Lobe der Heimat geschrieben wurde), es ist auch und vor allem die reiche, ja — man kann das Wort hier ohne zu übertreiben gebrauchen — luxuriöse Ausstattung, die das Dichterwort vom Bilde her, vom Pinsel und der Farbpalette des Künstlers in kongenialer Weise ergänzt. Und es ist nicht zuletzt die verständnistiefe und -vermittelnde, einfühlsame und von der gleichen Liebe zu Land und Menschen im deutschen Osten kündende Einführung des Herausgebers. Wenn er an einer Stelle beispielsweise sagt: „die Aufgabe, die die Welt Hermann Sudermanns stellt, ist eine Aufgabe aus dem deutschen, dem preußischen Osten: er ist uns nur hier noch im Bilde, in Bildern gegeben, von hier aus können wir ihn vor die Nachgeborenen stellen, die nichts mehr von ihm wissen und genauso wie alle anderen Deutschen erst wieder lernen müssen, was er ist, weil sie ihn als eine Lebensnotwendigkeit für sich brauchen — so erkennen wir daraus, dass es Paul Fechter hier nicht allein um die Deutung eines Dichters und seines Werkes geht, sondern um das Land im Osten als geistige Heimat, notwendiger Wurzelgrund und Schaffensquell schlechthin. Dies zu verdeutlichen, sichtbar und hörbar zu, machen, überlässt er der Kunst des „ostpreußischsten“ unter den Dichtern der Heimat und der vom Muttergrund genährten Gestaltungskraft ihrer Maler.

 

Dem Band ist das Gedicht „An die Heimat“ vorangestellt, das in unseren Tagen entstanden sein könnte. „Heimat! Diese Zeit will harte Seelen“ ... heißt es darin, und an anderer Stelle:

 

„Heimat, segne unsre Wiederkehr!

Segne unsre blutgetränkten Äcker!

Und den Mauern, die nun schwarz und leer,

schenk vom Flammentode den Erwecker,

der dem Dach die Richtfestkrone bringt,

Hausrat hobelt und die Wände weißt,

dass, wenn einst der Friede niedersinkt,

uns dein Mutterblick willkommen heißt!“

 

Dieses Gedicht entstand im Ersten Weltkrieg nach dem Einfall der Russen in Ostpreußen und wurde von Hermann Sudermann Anfang 1915 ostpreußischen Flüchtlingen in Berlin vorgelesen. Dass das Schicksal jener heimgesuchten Dörfer, Städte und Gemeinden einmal das Schicksal des ganzen Landes, das Schicksal des ganzen deutschen Ostens werden sollte, konnte von dem Dichter nicht vorausgesehen werden; sein Gedicht ist erst in unserer Zeit zu dem Gebet eines ganzen Volkes geworden.

 

Es reihen sich an: die schönsten Abschnitte aus dem .Bilderbuch meiner Jugend', in denen der Dichter von seiner Kindheit zwischen den Wäldern erzählt, von seinen Jungenjahren in Elbing und seiner Studentenzeit; Bruchstücke aus den großen Erfolgsromanen ‚Frau Sorge' (rund 500. Tsd. Auflage!) und ‚Der Katzensteg' (über 500. Tsd. Auflage!) und aus den ‚Litauischen Geschichten' die schöne Erzählung ‚Die Reise nach Tilsit'.

 

Das bekannte Sudermannbildnis von Max Sievogt zeigt uns den Dichter auf der Höhe seines Schaffens. Ungerecht wäre es, aus den Farbtafeln ein, zwei als Beispiele zu nennen; da ist zuerst Karl Eulensteins ‚Dorf in der Memelniederung' (Tempera). Max Pechsteins ‚Kurengräber' (Öl), das stimmungsvolle ‚Tauschnee in Masuren' (Öl) von dem Goldaper Alfred Partikel; aus den Werken der Lebenden reihen sich an: das Ölbild ‚An der Ostsee' des aus Gumbinnen stammenden Arthur Degner, von Ernst Mollenhauer ‚Garten auf Keitum' (Öl), Eduard Bischoffs Aquarell ‚Frauen auf dem Felde‘ und schließlich das Ölbild des Danzigers Bruno Paetsch ‚Fähre'. Die meist ganzseitigen Textillustrationen schuf Heiner Rothfuchs. Den farbigen Leineneinband gestaltete Gottlieb Ruth. Eine Fülle von ausgesuchten Aufnahmen, in denen die Landschaft, ihre Menschen und die steinernen Zeugen einer großen Vergangenheit eingefangen werden, dient der weiteren Ausschmückung des Bandes.

 

Dass es sich hier nicht um eine der üblichen Geburtstagsgaben handelt, versuchte ich schon oben anzudeuten, diese Sammlung ist auch mehr als das Bekenntnis eines einzelnen zu seiner Heimat: hier ist mit Hilfe des Dichterwortes von dem Herausgeber eine Monographie Ostpreußens geschaffen worden, wie sie lebendiger, eindringlicher, bildkräftiger und farbenreicher nicht gegeben werden kann, und man versteht plötzlich das Wort, dass allein im Munde des Dichters die Heimat unverfälscht in all ihrer Schönheit, in all ihrem Reichtum weiterlebt.

Der Dank für dieses Werk gebührt in gleicher Weise dem Herausgeber wie dem Verlag. E. K.

 

Das Rechte muss geschehen

Adalbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Hgg. von Michael Benedikt und Herbert Hornstein. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

In der Reihe der Bertelsmann-Klassiker erschien nach den Gesammelten Werken von Goethe, Schiller, Hölderlin und Kleist nun auch das sechsbändige Gesamtwerk Adalbert Stifters. Jenes großen Dichters des 19. Jahrhunderts, der, die romantischen Strömungen seiner Zeit weit zurücklassend, aus einem neuen Lebensgefühl heraus gestaltete. Dies erhellt auch, dass ihm von Seiten seiner Zeitgenossen niemals die ihm gebührende Anerkennung zuteil geworden ist. Erst unserem Jahrhundert blieb es vorbehalten, alle Schönheit des Stifterschen Werkes zu entdecken und dem Richter — mit der Gerechtigkeit der Nachwelt — seinen Platz in der vordersten Reihe deutscher Dichter zuzuerkennen. Wenden wir uns hier einmal seinem großen historischen Roman ‚Witiko' zu, den der Dichter selbst als sein ‚liebstes Werk' bezeichnet. Dieses gewaltige Romanwerk des Abendlandes zeigt menschliches Leben im Zeitmaß der Geschichte; weist auch uns heute in Tagen seelischer und politischer Hochspannung die letzten Maßstäbe des Rechtes, des Rechten und Sittlichen nach denen allein politisches Leben zu messen ist: ,Das Rechte muss geschehen, wie es auf Erden und im Himmel gilt‘.

 

Vor dem grandiosen Hintergrund einer kampferfüllten Zeit, da Geschlechter ins Licht der Geschichte treten und wieder ins Dunkel zurücksinken, rundet sich das Geschichtsbild des bayrisch-böhmischen Gebietes des zwölften Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der Handlung steht Witiko, aus deutschem Geschlecht stammend, ein treuer Gefolgsmann des Böhmenherzogs Wladislaw. In Witiko, der als ein Parzival seine Lebenswanderung aufnimmt, tritt uns der Geist der Geschichte selbst entgegen. (Band 5, ‚Witiko'. 851 Seiten. Leinen 8,50 DM.)

Dem Verlag ist zu danken, dass er es mit seinen preiswerten Klassiker-Ausgaben unternommen hat, den großen Dichtern unseres Volkes wieder eine Heimstatt in unserer Zeit zu geben.

 

Edwin Erich Dwinger: Es geschah im Jahre1965. Roman. Pilgram-Verlag, Salzburg. 313 Seiten, Ln. 12,-- DM.

Man darf diesen Roman zu den aktuellsten zählen, die Jemals geschrieben wurden. Dwinger schildert hier Beginn, Ablauf und Ende eines Atomkrieges, wie er auf Grund der heute gegebenen technischen Möglichkeiten jederzeit Ereignis werden kann: in all seiner Furchtbarkeit und Grausamkeit. Die Beschwörung dieser visionären apokalyptischen Bilder, denen nicht bisher Dagewesenes an die Seite gestellt werden kann, lässt es einem dem Autor nachsehen, dass er in seiner Utopie die NATO als Allheilmittel gegen den Kommunismus ins Treffen führt und ihm durch sie den Garaus machen lässt. Die Wiedervereinigung Deutschlands, die sich auf der letzten Seite vollzieht, scheint uns doch etwas zu einfach gemacht und mit den Millionen Menschenleben als zu teuer erkauft. Alles in allem: eine Mahnung an die Machthaber in Ost und West, dass es niemals zu einem Atomkrieg kommen darf.

 

Seite 12   Mein Danzig. Von Carl Lange.

Tief ist dem Leid verbunden

mein liebes Heimatland,

und bluten tausend Wunden,

ich reiche dir die Hand.

 

Ich kenne keine Grenzen,

ich schaue dich im Glanz.

Erinnrung will dich kränzen

mit einem Dornenkranz.

 

Wie stark aus Turm und Toren

die deutsche Seele spricht!

Du bleibst uns unverloren.

Ich glaube an das Licht.

 

Carl Lange: Gedanken und Gedichte aus dem Kerker. Helmut Rauschenbusch Verlag, Stollhamm (Oldb.). 80 Seiten. Halbl. 6,80 DM.

Man muss wissen, unter welchen Umständen diese liedhaften Gedichte, Gedanken und Sprüche entstanden sind. Der damals bereits greise Dichter schrieb sie während seiner sechsmonatigen Haftzeit in der Sowjetzone mit einem Nagel an die Zellenwände, lernte sie auswendig und löschte die Schrift dann wieder aus, um neuen Versen Platz zu machen. Man spürt es den Gedichten an, die im Volkston dahinfließen, schlicht und ohne jeden raffinierten Kunstgriff, wieviel aufrichtende Kraft ihnen innewohnt, dass sie dem Verfasser während seiner dunklen Kerkerzeit eine Quelle des Trostes waren, eine Quelle auch des Glaubens an die göttliche Gerechtigkeit, an das Lichte in der Welt. Ein Trostbrevier möchte man das Bändchen nennen, im besten Sinne. Carl Lange ist vor allem bekannt als Herausgeber der „Ostdeutschen Monatshefte" (23. Jahrgang), mit denen er im Herbst 1955 nach sechzehnjähriger Unterbrechung eine alte Tradition wieder aufnahm.  

 

Erich Glahn: Graf Eck und seine Goldconda. Hans Dulk Verlag, Hamburg. 229 Seiten, Ganzleinen 8,50 DM.

Ein Stück Ostpreußen, seiner Pferdezucht und seiner Reiter, so möchte man das Erlebnis dieses Buches auf kürzeste Formel bringen. Der Autor, selbst ein bekannter Turnierreiter, schuf mit diesem Werk ein glanzvolles Erinnerungsblatt des deutschen Reitertums, gezeichnet auf den Hintergrund der herb schönen Landschaft Ostpreußens. Trakehnen ersteht, die Atmosphäre der ostpreußischen Rittergüter wird spürbar. Und immer wieder das Pferd, dem er sich mit aller Liebe zuwendet. Die strahlenden Namen der deutschen Reitergeschichte werden lebendig, ein Stück bester deutscher Tradition, das wie kein anderes bewahrt und gepflegt zu werden verdient. Gewidmet ist dieser Erinnerungsband Graf Kurt von Sponeck, dem einstigen Landstallmeister von Trakehnen und achtmaligen Derbysieger, und dem bekannten Dressurreiter Felix Bürkner. Ergänzt wird das Werk durch eine Reihe von ganzseitigen Fotowiedergaben auf Kunstdruckpapier. Das Buch wird jeden Freund des deutschen Reitersports ebenso, wie jeden Ostpreußen beglücken.  

 

Margot von Simpson: Reiterin in Tag und Traum. Roman. Hans Dulk Verlag. Hamburg. 289 Seiten, Ganzleinen 6,80 DM.

Der berühmte Erfolgsroman (100. Tsd.!) der Autorin wurde nun vom Hans-Dulk-Verlag in einer preiswerten ungekürzten Sonderausgabe herausgegeben, die ausstattungsmäßig nichts zu wünschen übrig lässt. Im Mittelpunkt des Werkes steht die liebenswerte Frauengestalt Anna Izabel, der nach mancherlei Irrtümern und Irrwegen endlich die Erfüllung einer großen Liebe zuteilwird. Der Raum der Handlung ist weitgespannt: der Leser erlebt die schneebedeckten Steppen Russlands, die Sonne Italiens und die tropische Glut Brasiliens, um wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ein guter Frauenroman.

 

Ostpreußen im Bild 1958. Ein Bildwandkalender. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer/Ostfrsld. 2,50 DM. Auch in diesem Jahr fehlt dieser beliebte Postkartenkalender nicht auf dem Büchertisch. In 26 ausgesuchten Aufnahmen führt er durch alle Landschaften unserer Heimat, von der Kurischen Nehrung zu der Seenlandschaft Masurens. Die Bilder können ausgeschnitten und als Postkarten verwendet werden.

 

Elbinger Hefte. Eine kulturelle Schriftenreihe. Herausgegeben von Dr. Fritz Pudor. Heft 18: Hermann Sudermann „Jugendjahre in Elbing" (57 S.) 3,30 DM. — Heft 19/20: Eberhard Westphal „Ferdinand Schichau". Mit 6 Kunstdruckseiten und 28 Federzeichnungen und Übersichtsskizzen des Verfassers. (114 S.) 4,50 DM.  

Die 1949 begonnene Schriftenreihe hat es inzwischen auf 20 Hefte gebracht und dabei — von Elbing, der Heimatstadt des Herausgebers, ausgehend — Themen ganz verschiedener Art behandelt, die nicht nur bei den Heimatvertriebenen, sondern auch sonst vielfach beachtet worden sind. Es ist bisher die einzige Schriftenreihe dieser Art geblieben, die über die wechselvolle geschichtliche und kulturelle Vergangenheit einer ostdeutschen Stadt herausgegeben worden ist.

 

In dem ersten der beiden neuen Hefte wird anlässlich der hundertjährigen Wiederkehr des Geburtstages von Hermann Sudermann aus dem „Bilderbuch meiner Jugend" ein Überblick über die in Elbing verlebten Jugendjahre gegeben. Die bekannte Sudermannkennerin Dr. Irmgard Leux-Henschen gibt in einem sehr feinsinnigen Geleitwort aus eigenem Erleben eine Deutung der stets sehr lebendigen Heimatverbundenheit des Dichters.

 

Das andere Heft enthält zum ersten Mal eine wirklich gründliche Lebensbeschreibung des großen Elbinger Industriellen Ferdinand Schichau. Es vermittelt nicht nur dem Fachmann wertvolle neue Aufschlüsse, sondern zeichnet auch ein reizvolles Kulturbild aus dem vorigen Jahrhundert. Eberhard Westphal versteht es, seine eindrucksvollen Schilderungen durch gut gelungene Zeichnungen zu beleben.

 

Szameitat: „Bibliographie des Memellandes"

In der vom „Göttinger Arbeitskreis" ostdeutscher Wissenschaftler herausgegebenen Veröffentlichungsreihe „Ostdeutsche Beiträge" ist soeben als Band VII eine „Bibliographie des Memellandes" von Max Szameitat erschienen. Diese Bibliographie verzeichnet alle Veröffentlichungen zur Geschichte, Landes- und Heimatkunde, Naturkunde, Geologie, Bevölkerungsgeschichte, Volkskunde, Wirtschaft des Memellandes, die als selbständige Werke oder in Form von Artikeln und Beiträgen in Zeitschriften, Sammelwerken usw. erschienen sind. Ferner enthält die Bibliographie eine Zusammenstellung der Karten und Pläne, Statistiken und Adressbücher, Reiseführer, Gesetze, Verordnungen und Erlasse, der Presse, Kalender und Jahrbücher, der Bild- und Erinnerungsbände, die das Memelland betreffen. Auch literargeschichtliche und schöngeistige Werke sowie Biographien und Familiengeschichten sind aufgenommen. In einem Anhang sind Titel von Dissertationen der Jahre 1873 - 1943 sowie ein Verzeichnis des aus dem Memelland geretteten Archivmaterials zu finden. Ein Verfasserverzeichnis sowie ein Standortverzeichnis zu allen bibliographischen Titeln erhöhen den wissenschaftlichen und praktischen Wert der Arbeit. Sie ist im Holzner-Verlag, Würzburg, verlegt und kostet bei einem Umfang von 248 Seiten 12,80 DM.

 

Seite 12   Verlöschende Feuer — Ein mutiges Buch

Horst Lange: Verlöschende Feuer. Roman. Scherz & Goverts Verlag, Stuttgart. 254 Seiten, Ganzleinen mit 3-farbigem Schutzumschlag, 10.,80 DM. Wer die subtile, 1953 im gleichen Verlag neu aufgelegte „Ulanenpatrouille" des Autors oder sein feinnerviges, hintergründiges Russlandbuch „Die Leuchtkugeln" noch gewärtig ist, der legt diesen neuen Roman Horst Langes mit einiger Überraschung aus der Hand, und der nachdenkliche Leser weiß vorerst nicht so recht, was er sagen soll. Aber der Rezensent muss es wissen. Nun denn: Der Vordergrund beherrscht die grausige Szenerie jener letzten Berliner Kriegswochen, da Kreatürliches im Erdboden verkrallt am metaphysischen Sinn des Lebens zu verzweifeln drohte und auch verzweifelte. In diese Welt der Bomben, Sirenen, Feldgendarmerie, Verwundeter, Frauen und Kinder, der Luftschutzschächte, Verfolgungen und Lüsternheiten, des vielleicht letzten Lebensgenusses um Jeden Preis, auch um den Preis der Ehre, stellt Horst Lange das Liebespaar Hans und Blanche. Er ist verwundet, recht erheblich sogar, und studiert während der Lazarettzeit. Sie kommt mit der Mutter nicht mehr klar (er übrigens mit der seinigen auch nicht), flieht vom ländlichen Ausweichort nach Berlin, und im Hörsaal beginnt die Liebe der beiden jungen Menschen, welche — um es gleich vorweg zu sagen — all die oben genannten Bedrängnisse übersteht und mit dem Freitod beider endet. Sie geraten in den Strudel des militärischen Machtapparates, der mit solchen Aktionen zwischen Angriff und Angriff seine verderbliche Daseinsberechtigung zu beweisen sucht. Nichts gegen das Thema. Nichts gegen die Gesinnung. „Wir dürfen es niemals vergessen — wenn wir es überleben sollten" sagt Hans. „ . . diese durch und durch verderbte Geringschätzung des Lebens, von der die Welt wie von einer Seuche ergriffen worden war". Und Blanche bekennt: ... ich muss ihn (Hans) noch einmal zur Welt bringen, damit er niemals mehr etwas anderes ist als ein Mensch".

 

‚Nicht vergessen' und ,ein Mensch sein' — um diese beiden Pole kreisen Gestalten und Handlungen. Dem Leser wird nichts erspart. Eingeblendet sind unmenschliche Russlanderlebnisse, wie sich denn auch das russische Liebespaar wie ein Antipode durch das ganze Buch zieht (auch dieses muss sterben, weil der Krieg stärker ist). Manche Bilder berühren in ihrer Deutlichkeit und Erotik peinlich. Aber der Autor sagt (in feiner einfachen, unkomplizierten Sprache): „… die Wahrheit beginnt dort, wo die Angst aufhört". Es ist ihm offensichtlich ein Anliegen, aus der Reserve herauszutreten und dem „braven" Bürger seinen Spiegel vorzuhalten. Denn auch die Akteure auf jener Bühne des Zerfalls aller Werte waren sicher vordem nichts anderes als „bürgerlich": die Huren, Mörder, Deserteure, Verräter und Polizisten. Der Roman soll in seiner detaillierten Genauigkeit — ein bedrückendes Gefühl wird dabei zuweilen den Leser beschleichen — erschrecken. Und das gelingt. Bleibt noch ein Wort zur Lösung des Problems: Die Liebenden stürzen sich in den verständlichen Taumel ihrer körperlichen Substanz. Sie setzen — bewusst oder unbewusst — der Auflösung und Zerstörung Vereinigung, Neubeginn entgegen. Das ist im Grunde sympathisch. Wo indessen bleibt die geistige Potenz dieser jungen Studenten? Man vermisst Gespräche, Diskussionen, seelisches Zueinanderfinden. Und am Rande (oder eigentlich nicht am Rande?) bleibt noch die Frage offen, aus welchen Bereichen sonst noch Trost und Gnade kommen konnte — in jener apokalyptischen Zeit.

 

Ein mutiges und offenes Buch. Wieder ein Affront gegen Unmenschlichkeit und Gewalt jeder Schattierung. Der Standort des Autors ist in unseren Tagen ein äußerst wichtiger. Schon regt sich wieder glorifizierendes Heldentum. Da ist es gut, zu lesen und zu hören, wie es in Wirklichkeit mit diesem Heldentum bestellt sein wird, wenn die größte Furie der Menschheit wiederum auf unsere Häupter kommen sollte. Wovor uns Gott bewahren möge. Jochen Hoffbauer

 

Deutschland in seiner Zerstückelung zeigt eine farbige Wandkarte, die soeben im Schild-Verlag. München-Lochhausen, erschienen ist. Sie hält uns allen die Teilung Deutschlands vor Augen, ergänzt durch eine kurze Schilderung des Schicksals unserer Ostprovinzen. Diese Karte, die die deutschen Gebietsverluste von 1918 und 1945 besonders anschaulich darstellt, sollte in keinem Büro und keiner Privatwohnung fehlen. Vor allem wlrd unsere Jugend durch sie stets daran erinnert, wie sehr Deutschland auseinandergerissen wurde. (Größe 29,5 x 42 cm. 1,50 DM).

 

Als Sonderheft „Westpreußen" erscheinen die Ostdeutschen Monatshefte im Monat Oktober. Unter den Mitarbeitern befinden sich Prof. Karl Hauke, Dr. Ernst Bahr, Dr. H. B. Meyer, Dr. Fritz Pudor, Dr. Schmauch, Dr. Hans Hilgendorf, Dr. Geschke, Dr. Ricklefs, die Dichter und Schriftsteller Ottfried Graf Finckenstein, Erich Wernicke, Etta Merz, Max Halbe, Carl Lange, Franz Erdmann, Arnold Krieger u. v. a.

 

Seite 13   Elbinger Herbst. Von Bernhard Heister.

Wenn sich daheim die Störche zur Abreise nach dem Süden rüsteten, dann war der Herbst nicht mehr fern. Noch glühten die Tage von der Sonne des Sommers, aber am Morgen und Abend meinten wir schon eine Ahnung vom kommenden Herbst zu spüren.

 

Die Jahreszeiten in der Heimat waren nichts Halbes und Laues. Es gab keinen Winter, der mehr ein verlängerter verregneter Herbst als ein rechter Winter war. Frühling, Sommer, Herbst und Winter waren wirklich so, wie sie in den Büchern unserer Kindheit geschildert wurden. Der Winter war lang, brachte viel Eis und Schnee. Er bedeutete uns aber auch die Seligkeit der warmen Stuben mit den großen Kachelöfen. Spät kam der Frühling in unser Land; aber dann plötzlich, fast über Nacht, war er da. In wenigen Tagen spross und blühte, sang und jubilierte es in den Lüften, wozu andere Gegenden unseres Vaterlandes wochenlang gebraucht hatten. Schneller als anderswo reiften bei uns in der hohen Zeit des Sommers die Früchte des Feldes und des Gartens. Es war ein rechter Sommer, in dessen Nächten es überhaupt nicht dunkel werden wollte. Dem Sommer folgte ein meist langer leuchtender Herbst.

 

Wenn der Wind über die Stoppelfelder ging, dann standen auch bald die lustigen bunten Drachen in der Luft rund um unsere Stadt. Ob das nun auf den Roßwiesen war oder auf den Wiesen beim Turmhaus in den Heimstätten, auf dem nach dem I. Weltkrieg stillgelegten Flugplatz, auf dem Gänseberg oder wo sonst immer, das war wohl eine Generationsfrage, denn unsere Stadt wuchs. Wo die Väter noch ihre Drachen steigen ließen, standen meist Häuser, wenn die Söhne so weit waren. Doch zum herbstlichen Bild der Stadt gehörten die vielen Drachen über den Wiesen und Feldern an ihrem Rande.

 

Waren die heißen Tage vorbei, dann wurde auf den Schulausflügen gern eine Schnitzeljagd gemacht. Die Füße raschelten im bunten welken Laub, gaben aber acht, dass sie die Spuren aus Sägemehl, die von den „Füchsen“ hinterlassen worden waren, nicht verwischten, überhaupt, die Ausflüge im Herbst! Nie war die Sicht vom Thumberg so klar wie in den Herbsttagen. Weit ging der Blick in die Niederung bis zum Bismarck-Turm bei Lichtfelde und zur fernen Marienburg am Horizont, über das ganze „wartende Land“, wie Paul Fechter unsere engere Heimat so schön genannt hat. Rot leuchtete das Laub der Buchen in den „Heiligen Hallen" bei Panklau, golden die Birken bei Cadinen. Wir besuchten dort die Tausendjährige Eiche beim kaiserlichen Schlosse.

 

In den Gärten der Heimstätten und in Pangritz Kolonie grüßten uns die vielen Sonnenblumen. Auf dem Markt in der Stadt zu Füßen des Landmeisters Hermann Balk vor dem Rathaus breitete sich die ganze Pracht der Früchte unserer Heimat aus. Auf der „Fischbrücke" am Elbingfluss gab es die ersten Wildenten; denn die Entenjagd auf dem Drausensee hatte begonnen. Es war immer ein wenig gewagt, gerupfte Wildenten zu kaufen, weil man ihre Art dann nicht mehr erkennen konnte und es gab viel mehr Arten, die „fischig" schmeckten, wie es bei uns hieß, und die nicht zur menschlichen Ernährung geeignet waren, als solche, die „gut" waren.

 

Bald brannten auch die Kartoffelfeuer auf den abgeernteten Feldern. Wir hockten dabei und ließen uns die in der Asche gebratenen Kartoffeln gut schmecken. „Unser Bauer" brachte in diesen Tagen die „Probekartoffeln" ins Elternhaus; denn alte eingesessene Elbinger kauften ihre Einkellerungskartoffeln nicht von irgendeinem Händler, sondern hatten „ihren Bauern" in Pr. Mark, Böhmisch Gut, Trunz, Maibaum, Dörbeck oder sonst wo auf der „Höhe". War die Probelieferung gut ausgefallen, folgte bald die Hauptlieferung. Überall sahen wir in diesen Wochen die Kastenwagen durch die Straßen holpern, welche die Winterkartoffeln in die Keller der Städter brachten.

 

Auf anderen Wagen kamen Mengen von Weißkohl in die Stadt. Der Weißkohl häufte sich bei van Riesen in der Sturmstraße, bei Liedke in der „Grünen Hand", bei Regier in der Leichnamstraße und bei anderen Kaufleuten, die Sauerkohl einmachten, auf den Höfen zu wahren Bergen. Auch die Ackerbürger auf Grubenhagen machten von ihrem eigengebauten Kohl Sauerkohl. Viele Elbinger schätzten diesen „selbstgemachten" ganz besonders und machten gern den Weg dorthin, um auf Grubenhagen einmal Sauerkohl zu kaufen.

 

Der „Elbinger Sauerkohl" war gut bekannt und geschätzt, auch wenn die „Beschreibung" von Robert Budzinski in seinem Buch „Die Entdeckung Ostpreußens" über die Herstellung des Sauerkohls auf ihn nicht zutraf. Es ist ja bekannt, was Robert Budzinski da erzählt von „alten Petroleumfässern, Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, die sich Schuhe und Strümpfe auszogen und tretender Weise mit den Füßen dann den Sauerkohl in die Fässer eingestampft haben sollen..."

 

Wesentlich später setzte in der Niederung die Zuckerrübenernte ein, denn die Zuckerrübe soll vor der Ernte einen leichten Frost bekommen, weil dieser den Zuckergehalt erhöht. Dann begann in den großen Zuckerfabriken wie in Altfelde die „Kampagne", d. h. die saisonmäßige Verarbeitung der Rüben.

 

Doch zurück in die Stadt, in der die weißen Kahlberg-Dampfer inzwischen ihre Winterruheplätze eingenommen hatten. Hinter ihren mit Brettern verschalten Kajütenfenstern träumten sie von einem neuen Sommer.

 

Eine Freude brachte uns noch der Herbst mit dem Martini-Jahrmarkt, gleich ob er am Großen Lustgarten oder auf dem Getreidemarkt stattfand. Thorner Katharinchen, Steinpflaster, bunte Glasbonbons, Luftballons, Pfeifen und Schnarren und, wer weiß was noch alles, wollten uns die ersparten Pfennige aus der Sparbüchse locken, wenn uns die Eltern nicht ein paar Extragroschen in die Hand drückten.

 

Zu Allerheiligen und Allerseelen brannten auf dem Katholischen Friedhof an der Hohezinnstraße auf den Gräbern die Kerzen zum tröstlichen Gedenken der Verstorbenen. Diese schöne Sitte hat sich inzwischen weit auch über die katholischen Landesteile unseres Vaterlandes hinaus verbreitet. Wir jedoch können unseren in der Heimat ruhenden Toten die Kerzen nur zu ihren Bildern stellen oder sie in unseren Herzen anzünden. Das aber sollten wir tun, ihnen zum Gedächtnis und uns zur Besinnung jetzt, da das Jahr seinem Ende zueilt.

 

Seite 13   Hermann Löns. Kartoffelfeuer (Erinnerung an Deutsch-Krone)

Wenn Ende September Kartoffelfeuer

mit weißem Schleier bedecken das Land,

dann denk' ich an manches, was ich als teuer

in meiner Erinnerung halte gebannt.

 

Verflossene Zeiten, verflossene Tage,

in rosigen Wolken die ganze Welt,

als noch nicht das Leben die hässliche Frage

Beruf und Brot' an uns hatte gestellt.

 

O Hannes mit knallroten Spitzbubenhaaren,

o Wolf mit dem pechschwarzen Lockenkopf,

ich selber, ein Nichtsnutz von dreizehnhalb Jahren,

mit Kletten und Disteln im flachsblonden Schopf.

 

Im Buchwald am Seerand, da war eine Ecke,

von Weiden umwuchert, von Dornen geschützt,

wir brieten in sicherem Räuberverstecke

uns dort die Kartoffeln, die wir uns stibitzt.

 

Wir rauchten getrocknete Walnussblätter

aus Pfeifen, geschnitzt aus Ellernholz,

und fühlten uns selig, wie Helden und Götter,

wie Fürsten der Wildnis, verwegen und stolz.

 

Wir hauten uns auch, dass die Haare so flogen

und blaubeulig wurden Kopf und Gesicht,

und wurde dafür dann auch Wichse bezogen

zu Haus vom Papa, das genierte uns nicht.

 

Jetzt gehn wir geputzt nach der neuesten Mode,

mit schneeweißem Kragen und blitzblankem Hut,

wir kommen vor Höflichkeit last noch zu Tode

und tun getreu, was ein jedermann tut.

 

Du wirbelnder Rauch der Kartoffelfeuer,

erinn're an alte, verflossene Zeit,

wie ist mir dein herber Geruch doch so teuer,

du bleibst mir als Jugenderinnrung geweiht.

(gekürzt)

 

Seite 13   Ein Buch über Gut Jaecknitz.

Der Schriftsteller Emil Johannes Guttzeit, der jetzt in Diepholz lebt, hat ein neues Buch geschrieben, das die 1800-jährige Geschichte des ostpreußischeh Rittergutes Jaecknitz mit den Vorwerken Rosen und Woyditten behandelt. Es ist als Privatdruck erschienen. Das Buch wurde von der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil Ulrich le Tanneux als Anerkennung seiner Verdienste für den Kreis Heiligenbeil vor und nach der Vertreibung gewidmet. Die Hugenottenfamilie le Tanneux lebte seit dem Jahre 1839 bis zur Vertreibung auf dem Gut Jaecknitz. Ulrich le Tanneux gründete die ostpreußische Herdbuchgesellschaft, der er zu einer hervorragenden Stellung verhalf. Nach der Vertreibung sammelte er die Herdbuchgesellschaft und führte sie zu einem neuen Verband zusammen. Er wurde jetzt 70 Jahre alt.

 

Seite 13   Inschrift eines alten Dorfbrunnens.

So schön und einfach ist mein Leben:

Geben, immer nur geben.

 

Seite 13   Preußischer Buchdienst. Heute empfehlen wir besonders: Neu!

Das ostpreußische Volksbuch

Zauber der Heimat. Ostpreußische Meistererzählungen, 296 Seiten mit 8 Kunstdrucktafeln, Format 15,8 X 23 cm Ganzleinen DM 13,50.

Die ostpreußischen Dichter Agnes Miegel, Ernst Wiechert, Hermann Sudermann, Johanna Wolff, Hansgeorg Buchholtz, Ernst Wichert, Alfred Brust, Frieda Jung, Otto Ernst Hesse lassen uns ihre unvergessbare Heimat Ostpreußen hier in eindringlichen Meistererzählungen tief und stark erleben.

 

Wir lernen naturverbundene, ernste und oft hart geprüfte Menschen kennen, nehmen Anteil an ihren Glücksstunden und tragischen Schicksalen und werden gleichzeitig durch die weiten zauberhaften Landschaften Ostpreußens geführt, von den malerischen Dünen und Fischerdörfern an der Ostseeküste bis zu den einsamen Siedlungen an den Seen und Wäldern Masurens. So begegnet uns die einmalige, herb schöne Welt Ostpreußens mit ihrem ganzen Reichtum und ihrer Eigenart.

 

Ein Nachwort von Martin Borrmann und biographische Notizen über die Dichter ergänzen das Werk. So entstand ein Hausbuch für alle Ostpreußen und darüber hinaus ein Geschenkwerk für jeden, dem der deutsche Osten nahegebracht werden soll.

 

Seite 14   Wir gratulieren!

Eiserne Hochzeit

Eheleute Emil Mallo und Bertha Mallo, geb. Dobberstein, aus Laskowitz/Westpreußen in Osterupganter Aecker, Kreis Wesermarsch. Bereits im Jahre 1920 musste das Ehepaar zum ersten Mal die Heimat verlassen.

 

Diamantene Hochzeit

Eheleute Franz Eisenberg, Malermeister, und Martha Eisenberg, geb. Alshut, aus Braunsberg, Lindenstraße 3, am 11. Oktober 1957 in Berlin-Neukölln, Brießstraße 86. Beide Jubilare, die im 85. Lebensjahr stehen, erfreuen sich geistiger und körperlicher Frische. Sie werden liebevoll betreut von ihrer jüngsten Tochter Charlotte und deren Kinder. Ihre ganze Freude ist ihr Urgroßenkel Adita. Das Ehepaar lässt anlässlich ihres Jubiläums alle alten Bekannten und Verwandten auf das herzlichste grüßen.

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Gustav Ausländer und Johanne Ausländer,  geb. Kriesch, aus dem Kreis Rastenburg am 21. September 1957 in Wittlage.

 

Eheleute K. Grabienski, Mittelschullehrer i. R. und Toni Grabienski, geb. Hoffmann, aus Königsberg/Pr. am 14. September 1957 in Altluneberg bei Bremerhaven.

 

Eheleute Karl Liedtke und Bertha Liedtke, geb. Kindel, aus Zinten am 7. September 1957 in Assel, Kreis Stade.

 

Eheleute Hermann Motzkau, Gutsbesitzer, und Eva Motzkau, geb. Pancritius, aus Plaitil, Kreis Gerdauen, am 20. September 1957 in Fischbeck. Dem Jubilar gelang es, 1945, 28 Pferde aus der Heimat herauszubringen.

 

Eheleute Albert Paulitz und Elisabeth Paulitz, geb. Stopschinski, aus Danzig-Neuteich am 21. September 1957 in Hänigsen, Kreis Burgdorf.

 

Eheleute Rektor i. R. Gustav Pohlenz und Lina Pohlenz, geb. Krause, aus Wehlau, zuletzt in Friedland (Ostpreußen) wohnhaft, am 27. September 1957 in Bodenburg, Kreis Hildesheim.

 

98. Geburtstag

Johann Demske, aus Marienwerder am 21. September 1957 in Kuhstedt, Kreis Zeven. Der Jubilar ist der älteste Einwohner der Gemeinde.

 

95. Geburtstag

Hermann Prieck, aus Kl.-Tromnau, Kreis Rosenberg/Westpr., am 5. September 1957 im Altersheim Holenwisch, Kreis Stade.

 

90. Geburtstag

Erdmuthe Kaufmann, aus Lakendorf, Kreis Elchniederung, am 5. September 1957 in Bookhorn, Kühlinger Feld. Die Jubilarin schenkte zehn Kindern das Leben, davon fielen fünf Söhne im zweiten Weltkrieg. Zur Gratulation fanden sich außer den überlebenden Kindern 13 Enkel und zwei Urenkel ein.

 

87. Geburtstag

Siegfried Graf zu Eulenburg-Wicken, Mitglied des Ältestenrates der Landsmannschaft, am 10. Oktober 1957 in Lindau-Äschach (Bodensee) Hochbucher Weg 49.

 

80. Geburtstag

Anna Nicolaus geb. Stegmann, aus Königsberg (Pr.), Hochmeisterstraße und Krugstraße, am 26. Oktober 1957 in Coburg, Gustav-Hirschfeld-Ring Nr. 40, wo sie von ihrer Tochter Edith Offentreu umhegt ihren Lebensabend verbringt.

 

79. Geburtstag

Witwe Emilie Pietrzik geb. Wiktor, aus Schmidden am 19. September 1957 in Hildesheim, Peiner Landstraße 5.

 

76. Geburtstag

Frau Hermann, aus Grabnick, Kreis Lyck, geboren in Herzogskirchen, Kreis Treuburg, am 5. September 1957 in Ahnsbeck bei Celle.

 

75. Geburtstag

Elise Böhm, aus Landsberg/Ostpr., am 16. Oktober 1957 in Nürnberg, Rollnerstraße 39.

 

74. Geburtstag

Käthe Silberstein, geb. Kraus, aus Schudebarsden, Kreis Memel, am 23. September 1957 in Lachendorf bei Celle.

 

Oktober-Geburtstagskinder in Flensburg

Anna Freiwald, aus Königsberg am 1. Oktober 1957, 78 Jahre.

 

Luise Lange, aus Insterburg am 6. Oktober 1957, 75 Jahre.

 

Elfriede Polth, aus Königsberg am 9. Oktober 1957, 75 Jahre.

 

Walter Strahlendorff, aus Pillau am 12. Oktober 1957, 70 Jahre.

 

Gustav Bluhm, aus Königsberg am 14. Oktober 1957, 70 Jahre.

 

Emma Matthe, aus Gumbinnen am 16. Oktober 1957, 79 Jahre.

 

Marie Segatz, aus Subnicken, Kreis Treuburg, am 19. Oktober 1957, 77 Jahre.

 

Johann Kensbock, aus Allenstein am 20. Oktober 1957, 78 Jahre.

 

Amalie Gertitz, aus Königsberg am 25. Oktober 1957, 76 Jahre.

 

Johann Tomeit, aus Memel am 26. Oktober 1957, 77 Jahre.

 

Luise Paukstadt, aus Königsberg am 26. Oktober 1957, 75 Jahre.

 

Berta Lach, aus Schwalgendorf, Kreis Osterode, am 29. Oktober 1957, 78 Jahre.

 

Marie Erzmoneit, aus Gr.-Medien, Kr. Angerapp, am 30. Oktober 1957, 70 Jahre.

 

Das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" wünscht allen Jubilaren recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Seite 14   Superintendent Rzadtki 70 Jahre. Ein Glaubenskämpfer unserer Zeit.

Am 7. September 1957 feierte Superintendent Friedrich Rzadtki seinen 70. Geburtstag. Wir nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, einmal den Weg dieses aufrechten evangelischen Geistlichen zu überschauen, der als letzter Superintendent von Allenstein bis zu seiner Vertreibung im Oktober 1945 wirkte.

 

Superintendent Rzadtki ist ein Kind dieses Bezirks, er ist gebürtig aus Johannisburg. Nach kurzer Tätigkeit als Hilfsgeistlicher in Rudczonny hat er über fünf Jahre in Fr. Schmückwalde im Kreise Osterode sein erstes Pfarramt geführt. Im Jahre 1918 folgte er einem Ruf als Stadtpfarrer und Jugendpfarrer nach Schneidemühl, wo er am inneren Aufbau dieser jüngsten Kirchenprovinz Preußens durch die Begründung und Leitung der evangelischen Provinzial-Jugendverbände und des Provinzialverbandes für Innere Mission großen Anteil genommen hat.

 

Was wenige wissen und doch niemals vergessen werden sollte: Pfarrer Rzadtki wurde im Januar 1934 als erster evangelischer Geistlicher in das Konzentrationslager eingeliefert, weil er seinerzeit den Mut aufbrachte, auf einen großsprecherischen Artikel seines Gauleiters in Fragen der evangelischen Kirche eine klare biblische Antwort zu geben. Die damalige NS-hörige Kirchenleitung beantragte zur gleichen Zeit die Aufnahme eines Disziplinarverfahrens auf Dienstentlassung gegen Rzadtki, da er von der Kanzel aus dem damaligen D.C.Bischof Ludwig Müller aus Glaubens- und Gewissensgründen den Gehorsam aufgesagt hatte. Nach vierteljähriger Haft konnte jedoch seine Freilassung erwirkt werden dank dem tapferen Einsatz von Pastor Niemöller in der „Jungen Kirche" und des Pastors Joseph Gauger in „Licht und Leben", die in der westlichen Welt unliebsames Aufsehen erregten.

 

Das Disziplinarverfahren wurde in eine Versetzung im Interesse des Dienstes verwandelt. Diese Versetzung führte Rzadtki in die Heimat seiner Väter, nach Turoscheln im Kreise Johannisburg. Nach zweieinhalb Amtsjahren, in denen er dort die Fahne der „Bekennenden Kirche" aufgezogen hatte, rief ihn das Vertrauen der ostpreußischen Leitung der Bekennenden Kirche als Superintendent des Kirchenkreises Königsberg-Land I nach Mahnsfeld bei Königsberg.

 

Von dort aus übernahm er im Herbst 1940 das erste Pfarramt, die Superintendentur und die Leitung des Superintendentenkonvents für den ganzen Regierungsbezirk Allenstein. Hier hat er in gutem Einvernehmen mit seiner Gemeinde, mit seinen Amtsbrüdern und mit den Männern der Regierung, die um das Wesen der Kirche wussten, sein Amt bis zum Kriegsende und darüber hinaus geführt.

 

Als am Sonntag, dem 21. Januar 1945 die Mehrzahl der Bevölkerung von Allenstein auf die Flucht ging, hat er es für seine Pflicht gehalten, weiter auf seinem Platz auszuharren. Wie nötig und hilfreich sein Dienst an der Restbevölkerung von Allenstein bis zu seiner Vertreibung durch die Polen Ende Oktober 1945 war, hat u. a. der Chefarzt der orthopädischen Klinik, Dr. Mollenhauer, in seinen Erinnerungsbriefen, die er im Jahre 1956 aus Sydney (Australien) in seinem Rückblick auf diese Jahre in der „Ostpreußischen Arztfamilie" bezeugt.

 

Von den vier Söhnen der Familie Rzadtki, die im zweiten Weltkrieg als Offiziere im Osten standen, sind drei gefallen, der vierte ist fünfmal verwundet worden und hat infolge der seelischen Erschütterungen während der Schutzhaft seines Vaters ein schweres Nervenleiden davongetragen.

 

Superintendent Rzadtki ist nach 45 Amtsjahren (zuletzt in Eberswalde und Herzberg/ Elster) am 1. Mai dieses Jahres in den Ruhestand gegangen und betreut nun als Hausvater das „Haus der helfenden Hände" in Beienrode über Helmstedt (an der Zonengrenze). Neben diesem Dienst führt er die Geschäfte des Ostpreußischen Bruderrats der Bekennenden Kirche und betreut das Archiv für die Geschichte des ostpreußischen Kirchenkampfes sowie der ostpreußischen Kirche überhaupt.

 

Wer aus der Zeit des Kirchenkampfes und der Flucht Erinnerungen aufzeichnet und ihm sendet, soll wissen, dass sie in diesem Archiv für alle Zeiten gut aufbewahrt sind. E. M

 

Seite 14   Stimmt nicht ganz. Von Dr. Lau

In Pillkallen giebt es mal wieder e Fest,

E freehliches Wintervergniegen.

Da scherbeln de Gäste vom Frauenverein,

Doß foorts de Dielen sich biegen.

 

Da schwenken der August, der Hans und der Fritz

De Friedche, de Emmche, de Trine,

Und zwei blaue Jungens sind auch mittenmang

Auf Urlaub von unsre Marine.

 

Der eine Matros, von Kurbjuweits

Der Heinrich, der is man Gemeiner,

Der zweite is Leitnant und bloß auf Besuch,

Drum kennt im Saal ihm auch keiner.

 

Akk'rat und propper de Uniform,

Gerad wie e Talglicht der Ricken,

So geht durchem Saal er, dem Scheitel gewichst,

Und aller staunen und kicken.

 

Wie sicher und forsch er beim Tanzen sich dreht,

Und wie inne Hiften er wiegt sich!

Denn bringt er der Dame am Platz zurick

Und butscht ihr de Hand und verbiegt sich.

 

Nu fordert er Lubenau's Minna auf,

Die strahlt, und denn meint se beklommen:

„Sie haben doch sicher e hohem Beruf,

Wo meist vonne Bildung soll kommen?“

 

„Was heißt hier hoch? Ich bin Deckoffizier,

Da müssen Sie dran sich gewöhnen“.

„Aha", sagt de Minna, „nu weiß ich all,

Denn kommen Se wohl aus Trakehnen!“

 

Seite 14   Ehemalige Angestellte und Arbeiter der Stadt Königsberg/Pr.

Die Zweite Novelle zum Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes wurde am 11. September 1957 verkündet. Sie bringt neben einer großen Anzahl von Änderungen eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises. Es genügt jetzt, wenn die versorgungsberechtigt gewesenen Angestellten und Arbeiter bei ihrem letzten Dienstherrn mindestens vom 31.03.1932 (bisher 31. März 1928) bis zum Zusammenbruch 1945 im Dienst standen (§52 Abs. 2). Der Stichtag für den Wohnsitz im Bundesgebiet wurde vom 31. März 1951 auf den 31. Dezember 1952 verbessert (§ 4 Absatz 1). Das dürfte besonders die Sowjetzonenflüchtlinge interessieren, die unter das Gesetz fallen. Beide Änderungen treten am 1. September 1957 in Kraft. Anträge und Anfragen sind an die zuständigen Versorgungsregelungsbehörden zu richten.

Stadt Duisburg, Patenstadt für Königsberg/Pr.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (50)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Mein Freind Willuweit hat mir all wieder e Briefche geschrieben. Er hat klammheimlich im Toto getippt und gewonnen. Wieviel es is, schreibt er vorsichtshalber nich, wahrscheinlich hat er Angst, dass ich ihn anpumpen tu. Aber es muss e ganz scheenes Haufche sein, denn er peerscht sich mit seinem Fußball-Verstand, wo er ieberhaupt nich hat, und ladt mir ein, mit ihm nach Braunschweig zu fahren und e bissche gegen Sonn zu gehen. Natierlich will er mir freihalten, auch de Reis will er mir bezahlen. Wir könnden denn, so schreibt er, ganz ausfiehrlich und in aller Ruhe ieber die zerhackte Hausentier verhandeln und ieber die spillrige Wirtin mit die virzig Morgen. Wie er ne e paar Dittchens inne Fupp hat, is er wieder obenauf. Neetigenfalls kann er nu ja de Tier bezahlen, und das erleichtert ihm inwändig, schreibt er. Die Verlobung is nu fieres erste ganz im Hintergrund getreten. Er hat ihr noch emal genau bekickt, und dabei is ihm der letzte Appetit vergangen, wo er vleicht noch gehabt hädd. Se is so mager, dass se abends e Stick Speck innes Bett mitnehmen muss, dass de Flöhe was zu fressen haben, schreibt er.

 

Das mag ja alles sein, aber das mit die Fahrt nach Braunschweig muss ich mir erst grindlich ieberlegen und auch de Emma schonend vorbereiten. Wir missen auch, so schreibt er weiter, meinem fuffzigsten Brief an die liebe ostpreißische Landsleite geheerig begießen, wo ich nu gerad im Begriff bin, auf Ihnen loszulassen.

 

Alles gut und scheen, aber neilich las ich inne Zeitung von einem Besoffenen, wo in einem kleinen See reingefallen war. Er kroff aber noch am Land und konnd sich retten. Denn lief er aufe Pollezei und ließ de Feierwehr allarmieren, weil sein Freind auch reingefallen war und immer noch mang die Poggen rumschwamm, vleicht war er inzwischen auch all versoffen. De Feierwehr fischd dem ganzen See ab, drei Stunden immer kreiz und quer, aber se fand nuscht. Er selbst war mit die Zeit wieder ausgenichtert, und nun fiel mit eins der Dittche in seinem Kopp: Sein Freind war gar nich versoffen, er hädd sich im Tran bloß selbst gesehen.

 

Deshalb mach ich mir Sorgen wegen Braunschweig, denn, sehn Se, sowas könnd dem Willuweit auch passieren. Wenn wir denn einem gegne Wirmer nehmen und fallen emmend womeeglich auch im Teich rein, denn weiß ich nich genau, ob er mir rausfischen lässt, oder ob er sich damit treestet, dass er bloß sich selbst doppelt gesehen hat. Und auf die Art is einer denn das ganze Leben dot. Das sind alle Kneipen zusammen nich wert, wo in Braunschweig giebt.

 

Außerdem hab ich mir vorgenommen, inne Pilze zu gehen. Das is zwar auch gefährlich, wie einer bald jenem Tag inne Zeitung liest, aber ich hab e gutes Mittel, mir vor Schaden zu bewahren. Ich lass erst de Emma essen, die is immer so raschullrig, wenn was Besonderes giebt. Wenn se e paar giftige verspiesen hat, wo da mang waren, denn wird einer das ja bald merken, und wenn sich denn nuscht riehrt, denn ess ich auch.

 

Ach, da fällt mir unser junger Förster von zu Haus im Eichwalder Forst ein. Der trug de Nas so hoch, als wenn ieberall schlecht riechen tat und als wenn er e Haufen Dreck war und die andern garnuscht. Und die Mergellens im Dorf konnden ihm wegen seine Hochnäsigkeit ni leiden und tanzden nich mit ihm, wenn im Krug Schrumm war. Das ärgerd ihm ganz aasig, und besonders hädd er es auf Kaluweits Hannche abgesehen, e hibsches, druggliches Mergellche, der ihr Vater e scheenes Grundstick hädd. Aber se schlug ihm de Limmenad aus, wo er ihr spendieren wolld, und machd kurz kehrt, dass de Röckchens man so flogen, und faßd sich bloß mittem Finger am Kopp, was unter gebüldete Menschen bedeiten tut, dass se ihm fier e Happche dammlich hield. Da wurd er fuchsteufelswild, schwur ihr Rache, dämrmerd de Flasch Limmenad gegne Wand, bezahld dem Schmetter und verdinnesierd sich. E paar Tage später bedrickd er ihr im Wald, wie se Pilzchens sammeln tat und gar keinem Erlaubnisschein nich hädd. Das war die Gelegenheit, auf die wo er gelauert hädd. Er schrieb ihr auf und wolld ihr anzeigen. Da fing se an zu betteln, dass er ihr nich anzeigen solld, se wolld es auch nich mehr wieder tun. E ganze Weil ließ er ihr zappeln, und wie se denn genug gepranzelt hädd und all de erste Tränchens kamen, sagd er ihr: „Scheen, ich lass Ihnen frei, aber das kost e Butschche!" Was solld se machen? Besser all e Butschche geben, als sich anzeigen lassen, sonst gab es womeeglich zu Haus noch Pems, wenn der Vatche de Straf bezahlen mussd. Deshalb ließ se sich von ihm im Arm nehmen. Aber er war unverschämt und begniegd sich nich mit einem Butschche, sondern butschd ihr ganz geheerig ab, dass ihr Heeren und Sehen verging.

 

Das ärgerd ihr, aber e bißche freid ihr das wahrscheinlich auch. In solch eine Lage wissen die Mergellens manchmal nich ganz genau, ob se sich ärgern oder freien sollen. Wie er ihr dann endlich losließ und in Erinnrung an die Butschchens noch emal genießerisch mitte Lippen schmatzen tat, kam bei ihr wieder der Ärger durch und kriegd iebre Freid de Oberhand. „So", sagd se, „ich mussd nu bießen, und meine beide Freindinnen, wo auch Pilze gelesen haben, komso weg!" „O nein, mein liebes Freilein Hannche, die kommen auch noch ran", sagt dadrauf der Förster, „wo stecken die?" „Wenn se nich weggelaufen sind, denn missen se hier ganz dicht bei sein. Vleicht kommen sie auch von selbst, wenn ich ihnen rufen tu“. Da sagt der Förster: „Also scheen, Sie holen mir die beiden Freindinnen ran, die werden auch noch abgebutscht, das schwör ich Ihnen. Und wenn Se se vleicht nich finden oder zusammen ausricken sollden, denn waren Ihre Butschchens umsonst, denn zeig ich Ihnen trotzdem an!"

 

Da ging de Hannche suchen und brachd ziemlich schnell ihre beiden Freindinnen an. Aber das waren keine druulichen Mergelichens nich, sondern zwei alte verhutzelte Frauchens, und die bestanden nu drauf, dass se auch ihre Butschchens kriegden, wie er es geschworen hädd. Der junge hochnas'sche Förster krimmd sich wie e Pieratz am Angelhaken, aber was solld er tun, er missd Wort halten. Deshalb drickd er jedem Hutzelweibche einem Butschche auf die vertrocknete Lippen. Bloß das geniegd ihnen nich, se wollden genauso viel Butschchens haben, wie de Hannche gekriegt hädd. Außerdem wolld die eine beim nächsten Skumm mit ihm da Pollonäse anfiehren. Da mischd sich de Hannche ein und versprach ihm noch n Butschche extra, wenn er die beide Frauchens richtig im Arm nahm. Dadrauf tat er es denn endlich, aber denn schitteld er sich wie e Hundche im Regen, wischd sich mittem Handricken den Mund ab und kriegd noch emal de Hannche bei e Flicker.

 

Sehn Se, und nu hat ihr das nich geärgert, sondern bloß noch gefreit. Die beide Altchens hädden sich inzwischen verkriemelt, der Förster und de Hannche brauchden aber noch viel Zeit, bis se endlich außem Wald rausfanden. Zuletzt misst er versprechen, nich mehr de Nas so hoch zu tragen, und zu Weihnachten haben sie sich verlobt und sind e glickliches Paar geworden. Aber wenn er später mal knurrig war, dann sagd de Hannche bloß: „Ei, Vorsicht! Sonst hol ich meine beide Freindinnen zu Hilfe!" Und denn war er wieder gut.

 

Ja, sehn Se, das fiel mir so ein, wie ich anne Pilzchens dachd. Das is nu all viele Jahre her, ich weiß nich emal, ob de Hannche und ihr Mann noch am Leben sind. —

 

Eben fragd mir die Emma, was ich so sinnieren tu. „Ach nuscht", sagd ich, „ich tu mir bloß wegen Braunschweig ieberlegen, ob ich dir mit deinem dammligen Einsprung ieberhaupt allein lassen kann“. Ich muss ihr doch schonend vorbereiten, sonst wenn ich so aufem Klutz losfahren will, is se emmend dagegen. Se kruckst immer noch rum mit ihre telepatische Fernmethode und hat auch all an dem Herr Suggestiv-Rat geschrieben, dass es noch nich viel geholfen hat. Nu lauer ich bloß dadrauf, dass er ihr auffodert, noch emal Geld zu schicken, aber diesmal das Doppelte, also 7 Mark 20. Dafier kriegd se denn vleicht e doppelt so großes Stick Schmirgelpapier, wo auch noch doppelt stark telepatisiert is. Oder er schreibt ihr, se hat de Hundchens nich sorgfältig genug belauscht. Apportieren und Beinchenheben war alles falsch, auch auf das Rumrollen aufe Pferdeäppel kommt es nich an, sondern se muss dienen und mittem Zagel schlackern. Ich gönn ihr ja dem Reinfall, se lässt sich ja nuscht sagen, leid tut mir bloß um die rausgeschmißne Dittchens. Das sind doch e paar Tulpchens Grog!

Herzliche Grieße! Ihr alter Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann jetzt auch als Buch.

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Seite 15   Heimaterde in Obhut der Patenstadt übergeben. Memellandtreffen in Mannheim / Nicht Rache und Vergeltung.

Aus allen Teilen der Bundesrepublik und Berlin, ja selbst aus Mitteldeutschland, hatten sich an die 2000 Memelländer am „Tag der Heimat" zu ihrem dritten Bundestreffen in der Patenstadt Mannheim vereint. Die Patenstadt hatte ihr festliches Kleid für den Empfang der Gäste angelegt; alle öffentlichen Gebäude und die Hauptstraßen prangten im Flaggenschmuck.

 

Für den festlichen Heimatabend im Rosengarten konnten vom Nationaltheater Mannheim Kurt Schneider für Gesangsvorträge und Hans Rewendt für Rezitationen gewonnen werden. Die musikalische Umrahmung gab die Kapelle Alfred Schaaf. Unter den Ehrengästen des Abends konnten neben Vertretern der Gaststadt der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen Dr. Gille, MdB., und der Bundesvorsitzende der Memelländer, Oberregierungsrat a. D. Meyer, begrüßt werden. Der Mannheimer Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Memelkreise, Max Voß, gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es einmal möglich sein werde, der Patenstadt für all das zu danken, was sie „für unsere schöne Vaterstadt Memel getan hat“.

 

Eine Bedeutsamkeit dieses abends war die Uraufführung des von Erich Ennulat verfassten und von Alfred Schaaf vertonten Liedes „Ostpreußen Land der Väter". Urwüchsigen Humor trug Dr. Lau, der ehemalige Intendant des Königsberger Senders, vor. Die Deutsche Jugend des Ostens spielte und sang, so dass man gerne bis zum frühen Abend zusammenblieb.

 

Am Sonntagvormittag war der Musensaal mit etwa 1300 Personen besetzt, als die Festveranstaltung mit meisterhaft dargebotenen Klängen des Starnitz-Orchesters unter Kapellmeister Eugen Hesse begann.

 

Richard Meyer begrüßte die Gäste und hob die Bedeutsamkeit des diesjährigen Treffens hervor, da es sowohl mit dem „Tag der Heimat" zusammenfällt als auch ein Geburtstagsbesuch zum 350-jährigen Bestehen der Patenstadt ist.

 

Zwar sei das „Patenkind" um das Doppelte älter, doch die Memelländer hätten hier Verständnis und Hilfe und die Möglichkeit zur Wahrung heimatlicher Tradition und Entfaltung ihrer kulturellen Besonderheit gefunden. Nach herzlichen Geburtstagswünschen überreichte er dem Mannheimer Oberbürgermeister die kostbar ausgestaltete Memel-Biographie, deren Einband die Memelfarben Rot-Gelb zeigt und mit Bernstein und einer Plakette ausgelegt ist. Als Zugabe zu diesem Angebinde übergab er der Obhut der Stadt in einem kostbaren Kästchen memelländische Heimaterde und Dünensand.

 

Die Memelländer sollen wissen, dass die „Bewahrung dieser Erde uns teuer ist", versicherte Oberbürgermeister Dr. Hans Reschke. Mit besonnenen und herzhaften Worten beschrieb der Oberbürgermeister die Grenzen der Hilfsbereitschaft, die Tragfähigkeit dieser Bindungen von Mensch zu Mensch und die gegenseitige Verflechtung. Realer Betrachtung sei dies nicht erschließbar, ihre Größe sei nur spürbar. Man möge empfinden, was die Patenstadt sein möchte und aus dem Treffen den Gedanken mitnehmen: „Es ist immer besser, auch nur das kleinste Licht zu entzünden und am Leuchten zu halten, als sich über die allgemeine Finsternis zu beklagen“.

 

Noch unter dem Eindruck des dazwischen vorgetragenen Konzertstückes entwickelte der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, MdB Dr. Gille, seine Gedanken in einer Festrede. Weit sei man auf dem Wege vom Nullpunkt 1945 vorangekommen und der Tag der Heimat sowie die Patenschaften seien zwei „glückliche Gedanken". Nicht zerbrechen dürften die Heimatvertriebenen an ihrer schweren Aufgabe, der man nicht ausweichen dürfe, auf dass etwas „Neues und Dauerhaftes" erwachse, das nicht den Frieden gefährdet, sondern „ein Baustein ist für diesen gequälten Erdteil und die geängstigte Menschheit". Nicht Rache, auch nicht Vergeltung wolle man predigen, sondern bereits seit 1950 bekunde man den „echten Willen zu einer gutnachbarlichen Partnerschaft mit den slawischen Völkern", welche heute auch ein leidvolles Schicksal zu tragen haben. Eine dauerhafte Ordnung im Osten fand der Redner nicht nur für das deutsche Volk, sondern für die gesamte Welt wünschenswert.

 

Der Empfang der Stadtverwaltung gab Gelegenheit zu persönlichem Kontakt, und ein Lichtbildervortrag über das Memelland belebte die Erinnerung. In den frühen Abendstunden traf man sich zum Ausklang im Bierkeller des Rosengartens zu einem geselligen Beisammensein.

 

Seite 15   Fester Patenbund Ermland und Emsland. Wiedersehenstreffen der Ehemaligen des Rößeler Gymnasiums in Meppen

Meppen. Zu einem eindrucksvollen Bekenntnis zur Heimat wurde das Bundestreffen der Ehemaligen des Rößeler Gymnasiums und der Höheren Mädchenschule Rößel, das am 21. und 22. September in Meppen, der Kreisstadt des Rößeler Patenkreises, zahlreiche Landsleute aus dem Heimatkreis Rößel zu einem frohen Wiedersehen vereinte. Aus allen Teilen Deutschlands waren die Ehemaligen zusammengeströmt, um mit ihren Lehrern und Schulkameraden wieder beisammen zu sein.

 

Das Treffen wurde mit einer Heimatstunde eröffnet. Nachdem Schülerchor des Meppener Gymnasiums mit der Hymne „Brüder, reicht die Hand zum Bunde" eine stimmungsvolle Einleitung gegeben hatte, begrüßte Lehrer E. Poschmann die Festversammlung und dankte im Namen der Rößeler dem Patengymnasium Meppen für die Anteilnahme und Verbundenheit mit der Rößeler Schule, die auch rein äußerlich in dem Besuch und in der Ausgestaltung dieser Feierstunde zum Ausdruck kam. Das Patengymnasium in Meppen sei jetzt die Stätte, von der aus die Tradition des altehrwürdigen humanistischen Gymnasiums zu Rößel fortgesetzt werden könne. Mit bewegten Worten sprach Poschmann von dem Deutschland, das unser aller Heimat ist das nicht an der Oder und Neiße aufhöre und zu dem der Deutsche Osten als notwendiges Glied gehöre. Ostpreußen, so führte er weiter aus, habe in seiner geschichtlichen Entwicklung eine europäische Aufgabe zu erfüllen gehabt, die mit dem Namen „Preußen" eng verknüpft war. Preußen war zu allen Zeiten das Muster eines Rechtsstaates. Wir glauben nicht, dass man bei uns ohne das preußische Erbe von Sauberkeit, anständiger Gesinnung und Pflichttreue leben könne.

 

Oberstudiendirektor Dr. Knapstein gab in seinen Begrüßungsworten seiner Freude Ausdruck, heute einmal seine Patenkinder begrüßen zu dürfen. Meppen werde nun für immer eine neue Heimstatt für Erinnerungstreffen der Rößeler sein und dazu beitragen, dass die Verbundenheit mit der alten Heimat stets wachgehalten werde. Das Fernziel sei, einmal auch mit materiellen Mitteln helfen zu können, wenn es gilt, das Rößeler Gymnasium neu erstehen zu lassen. Von ganzem Herzen wünschte er, dass es eines Tages seine Pforten wieder für die heranwachsende Jugend öffnen könne. Bis dahin werde das durch seine Geschichte so artverwandte Meppener Gymnasium es als ehrenvolle Aufgabe ansehen, die Rößeler in seine Obhut zu nehmen. Anschließend verlas Dr. Knapstein die Grüße des verhinderten Rößeler Schulleiters Oberstudiendirektor Dr. Poschmann. Der Sprecher der BvD-Kreisgruppe Meppen, Landsmann König, entbot die Willkommensgrüße der Heimatvertriebenen des Kreises Meppen.

 

Mögen diese Stunden des gemeinsamen Beisammenseins dazu beitragen, so betonte er, dass sie wirkliche Begegnungen von Mensch zu Mensch schaffen und den Patenschaftsbund vertiefen können, der zwischen dem Emsland und dem Ermland, zwischen Meppen und Rößel besteht.

 

Nach der Totenehrung zeigte ein ehemaliger Schüler, Kaplan Armborst, einen Lichtbildervortrag mit Bildern aus Rößel. Alte Erinnerungen wurden wach, man sah die Straßen und Gassen der alten Musenstadt und weilte in Gedanken bei seinen Lehrern und Mitschülern, die im Bild erschienen. Die Festtage der 300-Jahr-Feier von 1932 wurden noch einmal lebendig, der Besuch des Hochw. Herrn Bischofs Kaller, der immer ein Festtag für das Gymnasium war. Und wie staunten die Meppener, als sie die Rößeler Abiturienten in ihrem Festschmuck sahen, mit Stürmer Cerevis, mit roter Mütze und Alberten. Ein Abiturient mit über zweihundert Alberten dürfte wohl einmalig in Ostpreußen gewesen sein, so etwas gab es auch nur in Rößel! So zog Bild an Bild vorbei. Erinnerungen, die zu den schönsten unseres Lebens gehören.

 

Wehmut und Trauer erfüllten die Herzen der Anwesenden, als Lehrer Erwin Poschmann in kurzen Worten das gegenwärtige Bild aufzeigte, das heute unsere Heimat bietet: Vieles ist vernichtet, verödet und verkommt. Haus, Hof und Heimat würden wir nicht wiedererkennen, aber die Liebe zur Heimat ist geblieben, sie kann nicht genommen werden und wird unauslöschlich bleiben, solange unser Herz schlägt.

 

Das Ermlandlied, in das die Versammelten begeistert einstimmten, war ein machtvolles Bekenntnis zur ermländischen Heimat.

Die Mündener DJO-Gruppe verschönte die Heimatstunde durch Volkstanz-Darbietungen und Gedichtvorträge in ostpreußischem Platt und erntete reichen Beifall.

 

Der Abend brachte einen wohlgelungenen, heimatgeprägten Kommers im Hotel Warren, zu dem sich auch Meppener Ehemalige und Aktive eingefunden hatten. Dr. Knapstein, Meppen, betonte hierbei, dass die Rößeler, die an diesem Tage so viel geboten hätten, in Zukunft auch etwas von den Meppenern sehen sollten. Aus diesem Grunde sei geplant, die künftigen Ehemaligen-Treffen mit dem Meppener Schulfest zusammenzulegen, um so die Verbundenheit noch mehr zu stärken. Dieser Vorschlag wurde mit großem Beifall aufgenommen.

 

Nach dem gemeinsamen Gottesdienst in der Gymnasialkirche führte Dr. Knapstein am Sonntag seine Gäste durch das neue Gymnasium und zeigte ihnen anschließend die Sehenswürdigkeiten der Stadt Meppen.

 

Der Nachmittag des Sonntags vereinte die Ehemaligen mit den Angehörigen des Kreises Rößel. die jetzt im Emsland wohnen, zu einem gemütlichen Beisammensein.

 

Seite 15   Glänzender Erfolg der Vertriebenenchöre. Ostdeutsche Chöre trafen sich in Bruchhausen - Herner Chor führte.

Bild 1: Der Ostvertriebenen-Chor Herne unter Leitung von Otto Weber auf der Bühne der Schützenhalle Bruchhausen.

Bild 2: Der Komponist Prof. Gerhard Strecke (Mitte) im freundschaftlichen Gespräch mit den Vorsitzenden des Verbandes Ostdeutscher Chöre im Regierungsbezirk Arnsberg Monika Jestrich-Fuhrmann und Otto Weber, beide aus Herne.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Ostvertriebenen-Chores der Stadt Neheim-Hüsten wurde in Bruchhausen ein Chortreffen der Vertriebenen-Chöre des Regierungsbezirkes Arnsberg durchgeführt, an dem als Gäste die Chöre von Belecke, Büderich, Werne/Lippe, Herne, Hüsten und Bruchhausen teilnahmen. Als Ehrengast der Veranstaltung konnte u. a. auch der Bürgermeister der Stadt Neheim-Hüsten begrüßt werden, und eine besondere Freude war die Anwesenheit des ostdeutschen Komponisten Prof. Gerhard Strecke.

 

Der Vorsitzende des Bezirksverbandes, Otto Weber, Herne führte im Hinblick auf das Eichendorff-Jahr einen Bericht der Herner Presse an, der von einer Warschauer Zeitung übernommen worden war. Darin schildert eine polnische Journalistin ihre Eindrücke von einer Fahrt auf Eichendorffs Spuren. Von allen Erinnerungsstätten sei nur noch das verwahrloste Grab des Dichters der Romantik in Neiße geblieben; sonst gebe es keinen Hinweis mehr auf Josef von Eichendorff, dessen Todestag sich in diesem Jahre zum hundertsten Male jährt. Otto Weber betonte, dass das Zitat „Wenn Menschen schweigen, werden Steine schreien", das der Zeit des Kirchenhistorikers Beda Venerabilis im siebten Jahrhundert entstamme, hier seine Geltung verloren habe. Es müsse den Sängerinnen und Sängern eine besondere Verpflichtung sein, dafür zu sorgen, dass die Kulturarbeit, die unsere Dichter und Komponisten heute noch leisteten und in den vergangenen Jahrhunderten geleistet hätten, nicht in Vergessenheit gerate. Die ostdeutschen Chöre hätten die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass besonders das ostdeutsche Kulturgut nicht untergehe. Otto Weber schloss mit Eichendorffs schönen Worten: „...der Morgen, das ist meine Freude; da steig ich in stiller Stund' auf den höchsten Berg in der Weite, Grüß dich Deutschland aus Herzensgrund".

 

In seiner Festrede rechtfertigte Oberstudiendirektor Dr. Krug die zehnjährige Arbeit des Jubiläum-Chores, der wie die meisten Vertriebenen-Chöre aus einem Schicksal hervorgegangen sei, für das es in der Geschichte kein Beispiel gebe. Aus Seelennot hätten die Vertriebenen in der Besinnung auf die geistigen Werte ein neues Heimatgefühl geformt und neue Kraftquellen der Heimat erschlossen. Wir können keine politischen Probleme lösen, sagte er, aber wir können in der Kulturgemeinschaft die Seelennot des Nächsten lindern und dadurch Glück schenken.

 

Den Höhepunkt des musikalischen Teils der Veranstaltung bildeten die Darbietungen des Ostvertriebenen-Chors Herne unter Otto Weber. Nach einem Satz von Emil Rabe „An die Heimat" brachte er den polyphonen Satz „Heimweh" von Gerhard Strecke, der beim Publikum eine wahre Sympathiekundgebung für den anwesenden Komponisten und den Herner Chor hervorrief. Anschließend demonstrierten die Werke „Heimatliche Erde" und „Schönstes Schätzchen" die ungewöhnliche Vielfalt der Streckeschen Kompositionen. Gerhard Strecke äußerte sich im Anschluss, dass nur wenige Chöre in der Lage seien, sich an seine polyphonen Sätze zu wagen. Seine Ausführungen waren eine eindeutige Qualitätswertung für den Herner Ostvertriebenenchor.

 

Eine anschließende zwangslose Diskussion ergab viele wertvolle musikalische und technische Hinweise. Die gesamte Veranstaltung wurde auf Tonband aufgenommen. M. J.-F.

 

Seite 15   Frankfurt

Herrenabende. Die Herrenabende der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen finden jeweils am ersten Donnerstag eines jeden Monats in der Gaststatte „Zum Heidelberger", Bockenheimer Landstraße 140, statt, und zwar um 20 Uhr.

 

Sprechstunden.

Nach Beendigung der Sommerferien finden die Sprechstunden am Montag  oder nach dem 1. und 15. eines jeden Monats in der Zeit von 18 - 19.30 Uhr in der Geschäftsstelle statt. In dieser Zeit werden auch die Mitgliedsbeiträge und die Beiträge zur Sterbegeldkasse entgegengenommen. Um Begleichung der rückständigen Beiträge wird gebeten.

 

Mitteilung der Jugendgruppe.

Unsere Jugendgruppe trifft sich jeden Mittwoch im „Haus der Jugend", Zimmer 523, um 20 Uhr. Am Donnerstag jeder Woche um 20 Uhr findet die Zusammenkunft der Laienspielschar statt. Wir bitten Sie, die Jugendlichen zur Mitarbeit in der Jugendgruppe anzuhalten und dafür Sorge zu tragen, dass die Abende der Jugendgruppe besucht werden.

 

Lübbecke

Die letzte Monatsversammlung der Landsmannschaft war dem Heimatgedenken gewidmet. Mit Spruch und Lied umrahmte die Jugendgruppe die Stunde, deren Mittelpunkt ein Vortrag von Fräulein Kutzner über Trakehnen bildete. Ein Vortrag von Frau Szapla anlässlich des 100. Geburtstages von Hermann Sudermann mit Lesungen aus seinen Werken schloss sich an. Der Ausklang zeigte die ostpreußische Heimat von ihrer humorvollen Seite.

 

Bayreuth

 

Am 17. September fand im Rahmen einer durch Musik- und Gesangvorträge feierlich ausgestalteten Mitgliederversammlung durch den Vorsitzenden Dr. Dullek die Ehrung verdienter Mitglieder statt. Der Bezirksvorsitzende Dehn-de Resée erhielt die Ehrennadel des Landesverbandes. Die Mitglieder Willi Kurrek, Kurt Röhn, Hans Günther, Arwid Rio und Asaf Bohnau die Ehrennadel des Bezirks, deren Verleihung letztmalig vorgenommen wurde. Ferner wurden die Lichtbilder „Ostpreußen heute" vorgeführt. Sie zeigten deutlich, wie trostlos es heute In den Städten unserer Heimat aussieht und wie vieles noch in Trümmern liegt. Für die Ausgestaltung des Abends hatten sich die Landsleute Mulack, Wittke und Engel zur Verfügung gestellt. Einige neue Mitglieder konnten wieder begrüßt werden.

 

Lichtbilderreise in den fernen Osten

Wilhelmshaven.

Beim letzten Treffen der Landsmannschaft Ostpreußen konnte der Vorsitzende Obermedizinalrat Dr. Zürcher unter den zahlreich Erschienenen mehrere Gäste begrüßen, wobei sein besonderer Gruß Frau Pollakowski galt, die gegenwärtig aus Allenstein bei ihren Verwandten zu Besuch weilt. Dr. Zürcher wies die Erklärungen der Staatschefs von Polen und Jugoslawien zur Oder-Neiße-Linie als endgültiger Ostgrenze zurück. Erst im Friedensvertrag könne darüber entschieden werden, und die Vertriebenen würden nicht aufhören, ihren Anspruch auf die angestammte Heimat vor der Welt anzumelden.

 

Als Vortragender war Konsulatssekretär Christian aus Hongkong gewonnen worden, der früherer in Wilhelmshaven tätig war und jetzt seinen Urlaub hier verlebt. „Ein Deutscher erlebt Hongkong hatte der Vortragende seine Ausführungen überschrieben, zu denen er 300 eigene Farbdias zeigte. Er verstand es meisterhaft, seine Zuhörer durch die kleine übervölkerte englische Kronkolonie zu führen. Großartig gelungene Nachtaufnahmen zeigten die prunkhaften Neujahrsfeiern und Oktoberfeste sowie herrliche Landschaftsaufnahmen. Die zwei Stunden des Vortrages vergingen sehr schnell und waren sehr eindrucksvoll. Mit reichem Beifall dankte die Versammlung dem Vortragenden, der in seinem nächsten Urlaub nach zwei Jahren mit neuen Bildern und Erlebnissen schon jetzt herzlich willkommen geheißen wurde.

Die Landsmannschaft trifft sich wieder am 7. Oktober, 20 Uhr, bei Dekena.

 

Seite 15   Westpreußische Heimatkreistreffen

Die Lm. Westpreußen, Kreisgruppe Dortmund, veranstaltet folgende Heimatkreistreffen: am 6. Oktober Heimatkreise Marienburg und Stuhm und am 20. Oktober Heimatkreise Dirschau und Pr. Stargard.

 

Göttingen

Am 1. September fand bereits zum 5. Male die sehr eindrucksvolle Feier zur Ehrung der ostpreußischen Gefallenen an deren Ehrenmal in Göttingen statt. Wieder hatten sich alteingesessene Göttinger und Ostpreußen von nah und fern in großer Zahl an dieser schönen Stätte des Gedenkens eingefunden. Für die beiden Bekenntnisse sprachen Pastor Westrén-Doll, früher Elbing, und Pfarrvikar Schaffrin, früher Allenstein. Als Vertreter der ostpreußischen Soldaten sprach Generalleutnant a. D. Brand, früher Königsberg/Pr. Nachdem bereits vorher über 4000 Blumensträuße mit Namensschleifen der einzelnen Gefallenen in großen Beeten vor dem Ehrenmal niedergelegt waren, legten über 50 Abordnungen der bei der Feier vertretenen Organisationen unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden, Kränze nieder.

 

Seite 16   Ausstellung „Deutsche Heimat im Osten“. Initiative des Bremer VdL-Landesverbandes.

Der Landesverband Bremen des Verbandes der Landsmannschaften hat eine Ausstellung über die geschichtlichen Leistungen des deutschen Ostens zusammengestellt, die von dem Bremer Senator Dehnkamp in der Aula des Berufsschulzentrums eröffnet wurde. In einer Feierstunde konnte der Vorsitzende der VdL-Landesgruppe, Baron Pilar, zahlreiche Gäste und Ehrengäste begrüßen. Der Bundeskulturreferent des Verbandes der Landsmannschaften, Dr. Adolphi, schilderte in seinem Festvortrag den Geist, der die ostdeutschen Siedlungen vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert beseelt hat. Von den einheimischen Territorial- und Landesherren gerufen, haben die deutschen Ostsiedler eine friedliche Christianisierung- und Kultivierungsarbeit zugunsten ihrer Auftraggeber wie auch des deutschen Volkes und nicht zuletzt für die vorgefundene Bevölkerung geleistet. In dieser jahrhundertelangen Aufbauarbeit gründet das Recht auf die ostdeutsche Heimat.

 

Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung, die unter dem Motto „Deutsche Heimat im Osten" bis zum 15. Oktober gezeigt wird, führen die Landsmannschaften in Bremen und die Deutsche Jugend des Ostens verschiedene kulturelle Veranstaltungen durch. Das Programm sieht neben einem Elternabend der DJO, einem Filmabend der Danziger, einem Heimatabend der Pommern und einer Dichterlesung mit Hansgeorg Buchholtz, die bereits in diesen Tagen stattfanden, noch folgende Veranstaltungen vor: am 5. Oktober einen Sudetendeutschen Volkstumsabend; am 10. Oktober einen Heimatabend der Oberschlesier; am 11. Oktober einen Lichtbildervortrag der Lm. Ostpreußen über „Die Leistung des Deutschen Ritterordens" und am gleichen Abend einen Filmabend der Lm. Schlesien.

 

Seite 16   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm. (23) Oldenburg (Old.). Gotenstraße 33.

Herzliche Glückwünsche zum neuen Lebensjahr allen Geburtstagskindern des Oktober 1957, insbesondere denen, die ein Jahrzehnt beenden und unseren Ältesten:

 

am 19.10.1957: Günther Krause (KMTV Kbg.) 30 Jahre;

 

am 18.10.1957:  Gertrud Ohl (Fr. T. V. Danzig) 50 Jahre;

 

am 18.10.1957: Eduard Skodowski (Marienwerder) 60 Jahre;

 

am 25.10.1957: Paul Grünke (Danzig-Langfuhr) 75 Jahre;

 

am 20.10.1957: Georg Wegener (KMTV Kbg.) 78 Jahre;

 

am 26.10.1957: Hanna Vogel (KMTV Kbg.) 79 Jahre.

 

Das Deutsche Turnfest in München 1958 ist aus verkehrstechnischen Gründen auf die Zeit vom 20. bis 28. Juli 1958 vorverlegt worden, findet also eine Woche früher als bisher geplant statt. Wer teilnehmen will, tut gut, sofort die „Restblätter Deutsches Turnfest 1958 München" bei seinem Postamt oder beim Wilhelm Limpert-Verlag Frankfurt (Main), Zeil 65 - 69. zu bestellen. Sie erscheinen monatlich einmal; Bezugspreis vierteljährlich 2,40 DM zuzügl. Zustellgebühr.

 

Unser X. Wiedersehenstreffen findet wegen Vorverlegung des Deutschen Turnfestes auch eine Woche früher als bisher vorgesehen statt, und zwar der Hauptabend im Bennosaal des Löwenbräukellers zu München, Nymphenburgerstraße — am Stiglmaierplatz — am 22.07.1958 (Dienstag). Wer daran teilnehmen will — hoffentlich sehr viele —, den bitte ich, recht bald an mich oder an den Vertreter seines heimatlichen Turnvereins seine Absicht mitzuteilen, damit er laufend mit den Sondernachrichten bedacht werden kann. Auch die „Festblätter" werden gelegentlich Nachrichten über unser Wiedersehenstreffen bringen.

 

Vorschläge für die Einladung von Turnschwestern und Turnbrüdern aus der Heimat, die jetzt in der Sowjetzone wohnen, nach München nehme ich gern entgegen. Die Hilfsbereitschaft weiter Kreise macht es voraussichtlich möglich, allen freie Verpflegung, freie Unterkunft und die Rückreisekosten zu gewähren.

 

Zugänge in der Anschriftenliste:

Dr. Rudolf Aßmann (Mohrungen).

Emil Bach (Danzig-Neufahrwasser).

Steffen Benk (Zoppot).

Charlotte Grey-Jensen (Danzig Tgm.).

Willy Laurien und Frieda Laurien-Hippler (KMTV Kbg).

Elli Nath (Jahn Heubude),

Herbert Semrau (Zoppot)

Anneliese Heyer-Kruschinski und Helene Skibba-Kruschinski (Lyck).

Onkel Wilhelm.

 

Seite 16   Kameradschaft Luftgau I

Es liegen folgende Suchanfragen vor:

Luftkommandant von Berlin.

Wer war der letzte Luftkommandant von Berlin und wer kann darüber Auskunft geben, wo er jetzt zu erreichen ist.

 

Flugplatz Prowehren/Samland.

Wer weiß etwas über das Schicksal des Flugplatz-Kommandos und wer kennt den Feldwebel Leo Wenker, geb. 23.08.1889, der von seiner Ehefrau Martha Wenker, Bienenbüttel. Kreis Uelzen, Lüneburgstr. 99. gesucht wird?

 

Wo sind Angehörige der Flugzeug-Werft Thorn, insbesondere der Technischen Leitung und der Prüfgruppe? Wer weiß etwas über das Schicksal dieser Dienststellen?

 

Werft Seerappen.

Zum Nachweis der Tätigkeit gesucht:

Fl.-Stabsing. Schubert,

Ob.-Wkm. Walter Kirchner,

Hilfsprüfer Stoll und

die Klempner Otto Grünheit und Paul Grünheit, Fritz Borrmann und Herbert Derks

von Bruno Piekert, Dörfler bei Coburg, Ringstraße 5a.

 

Kameraden! In Göttingen wurde 1953 ein Ehrenmal für die Gefallenen ostpreußischer Einheiten geweiht. An diesem Ehrenmal findet in jedem Jahre eine Gedenkfeier, veranstaltet von der Landsmannschaft Ostpreußen und den Traditionsverbänden, statt. Gelegentlich der im nächsten Jahre veranstalteten Heldenehrung wollen wir das erste eigentliche Treffen in Göttingen, wahrscheinlich im September, abhalten. Wir machen hierauf schon jetzt aufmerksam, damit sich jeder entsprechend einrichten kann. Etwaige Anregungen und Wünsche für den Ablauf unseres Treffens nehmen wir dankbar entgegen. Anfragen usw. nimmt der Schriftführer Kam. W. Gramsch, Celle, Waldweg 83. entgegen. Es wird gebeten, Rückporto beizulegen.

 

Seite 16   Treffen der ostpreußischen Arztfamilien

Göttingen. Das diesjährige Treffen der Arztfamilie hatte sein besonderes Gesicht durch die überaus starke Teilnahme von Familienmitgliedern aus der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands. Einen Höhepunkt bildete der Lichtbildervortrag des Landsmannes Otto Stork am Samstagvormittag. Landsmann Stork zeigte mehr als 140 Aufnahmen aus der Heimat, zum Teil Farbaufnahmen, die die ganze Schönheit der Heimat einem dankbaren Publikum vor Augen führte. Daran schloss sich das schon traditionelle Rundgespräch. Den Samstagabend füllte ein Vortrag von Prof. Walter Müller „Die Pathologie des Alterns" im Hörsaal des Physiologischen Institutes, zu dem als Gäste u. a. Oberbürgermeister Prof. Dr. Jungmichel, Prof. Joppich und Prof. Gruber begrüßt werden konnten. Der gleichfalls vorgesehene Vortrag von Landsmann Prof. v. Mikulicz-Radecki musste leider ausfallen, da der Vortragende auf dem Wege nach Göttingen durch eine Autopanne festgehalten wurde. Bis in die späten Nachtstunden saß man noch in den Hainberggaststätten bei Tanz und dem Austausch von Erinnerungen beieinander.

 

Der Sonntag und Montag brachte weitere Vorträge und Fahrten in die landschaftlich schöne Umgebung von Göttingen. Die letzten Teilnehmer schlossen sich am Montag einer Fahrt der akademischen Jugend an die Zonengrenze an, wo mit Einbruch der Dunkelheit ein Mahnfeuer entzündet wurde, das die Zusammengehörigkeit aller Deutschen von hüben und drüben symbolisch vor Augen führen sollte.

 

Seite 16   In den Ruhestand getreten.

Nienburg. Der in Stöckse, Kr. Nienburg lebende, aus Ostpreußen stammende Lehrer Stibor ist dieser Tage in den Ruhestand getreten. Lehrer Stibor war seit 1947 in Stöckse tätig und hat dort das Schulwesen vorbildlich ausgebaut. Heimatkunde und Musik waren seine liebsten Fächer. Seit 1950 war Lehrer Stibor auch Leiter des Männergesangvereins Stöckse.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Unsere Reihen lichten sich. In kurzer Zeit verloren wir:

Oscar Kölling, Oberstleutnant a.D., gest. 03.08.1957 im 65. Lebensjahr in Leverkusen.

Kaufmann Ernst Rump, gest. 03.08.1957, im 65. Lebensjahr in Leverkusen.

Kurt Dzwillo, Ob.-Reg.-Rat und Finanzamtsvorsteher, gest. 30.08.1957 im 48. Lebensjahr in Berlin.

Drei in Heimat und Nachkriegszeit immer bewährte und beliebte Kameraden. Wir können sie nicht vergessen. Sportvereinigung „ASCO" Königeberg/Pr. Hans Schemioneck, Sulingen/Hann.

 

Mein herzensguter, treusorgender Mann, Vater und Großvater, Bruder und Schwager Dr. med. dent. Andreas Beckmann, verstarb plötzlich an einem Herzinfakt am 24. Oktober 1956 im 82. Lebensjahr. Frau Lisbeth Beckmann geb. Adebahr, Berlin-Schöneberg, Gotenstraße 74. Dr. Hans-Joachim Beckmann, Düsseldorf-Holthausen, Ritastraße 2. Dr. Karl-Heinz Beckmann, Facharzt für Chirurgie Gelsenkirchen Resse, St. Hedwigs-Krankenhaus. Dorrit Kruschel geb. Beckmann. Alfred Kruschel, Berlin-Schöneberg und 8 Enkelkinder

 

Am 16. August 1957 verstarb im 70. Lebensjahr unsere liebe Turnschwester Anna Tribukait.

In herzlicher Anteilnahme an dem Schmerz ihrer in der Sowjetzone nunmehr vereinsamt zurückgebliebenen Schwester Hilde Tribukait erinnern wir uns in Dankbarkeit der Hingabe der Verewigten an die Aufgaben deutschen Turnens, an ihre Einsatzfreudigkeit und ihr immer frisch-fröhlich-fromm-freies Wesen, ihr aufrechtes Turnerherz. — Sie wird uns unvergessen bleiben.

Königsberger Männerturnverein von 1842 (KMTV 1842). Wilhelm Alm

 

Seite 16   Suchdienst

Ermländer! Wer kann Angaben über den Verbleib des vermissten Geistlichen Hugo Wessolek machen? Er ist am 1. Oktober 1905 geboren, war zuletzt Kaplan in Gr.-Köllen und Pfarrvikar in Schellen, Kreis Rößel. Er wurde Im Februar 1945 von den Russen verschleppt. Vater und Schwester benötigen dringend diese Angaben zur Todeserklärung. Früher wohnhaft Allenstein, Kopernikusstraße 8. — Mitteilungen bitte an Frau Irene Klappe, Warburg/Westf., Hauptdurchgangslager

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