Ostpreußen-Warte, Folge 10 vom Oktober 1956

Ostpreußen-Warte

Folge 10 vom Oktober 1956

 

Seite 1   Unvergessene Heimat. Foto: Die Kirchenstraße in Mohrungen mit dem Turm der Pfarrkirche aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts.

 

Seite 1   Vertriebenenpolitik auf neuen Wegen? Ostblockstaaten werben um die Vertriebenen / Gefahr einer „Befreiungspolitik“

Nicht von ungefähr sind die Maßnahmen der osteuropäischen Satelliten zur Revision ihrer Haltung gegenüber den Volksgruppenminderheiten. Zwei große Züge zeichnen sich dabei ab. Erstens will man im Zeichen der Demokratisierung dem Westen ein Beispiel vorbildlicher Wahrung der Minderheitsrechte geben und zum anderen spielen dabei wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte eine nicht unerhebliche Rolle. Da es sich in Ländern wie Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien um starke deutsche Minderheitsgruppen handelt, ist bemerkenswert, wie schnell das Ruder bislang antideutschen Politik herumgeworfen worden ist.

 

Die Prager Regierung begann mit der Auflockerung ihrer Haltung bereits im Sommer vorigen Jahres; Rückkehraufforderungen an Sudetendeutsche durch Presse und Rundfunk wurden immer häufiger. In Rumänien mit noch über 400 000 dort lebenden Deutschen läuft seit Dezember vorigen Jahres eine besonders wirkungsvolle Rückkehrpropaganda, die bisher ein Ergebnis von rund 1900 Rücksiedlern aus der Bundesrepublik und der Sowjetzone gezeitigt hat. Auch Warschau hatte sich im Frühjahr entschlossen, einen weichen Kurs einzuschlagen. Immerhin leben noch rund 800 000 Deutsche in den „westpolnischen Gebieten", die jahrelang schwersten politischen und wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt waren.

 

Bei der Beobachtung der Methoden dieser neuen Minderheitspolitik fällt auf, dass sie frei von ideologischen und politischen Beimengungen ist. Vor allem werden in den Aufrufen und Erklärungen der Familiensinn und das Heimatgefühl der Ostdeutschen angesprochen. Das Stichwort ist „Eure Familie erwartet Euch in Eurer alten Heimat“. Dazu muss bemerkt werden, das viele Vertriebene heute noch Angehörige in den ostdeutschen Gebieten haben und nicht immer bei den in der Heimat Verbliebenen der Wunsch nach Umsiedlung besteht. Hinzu kommen Garantieversprechungen wirtschaftlicher und sozialer Art. So wurde beispielsweise den Siebenbürger Sachsen die Rückgabe ihrer Höfe, langfristige Aufbaudarlehen, Sozialrenten und — sogar ehemaligen Wehrmachtsangehörigen — Pensionen versprochen. Jegliche Diskriminierung von Rückkehrern aus nationalen, politischen, religiösen und rassischen Gründen wird verworfen. Es werden auch Zugeständnisse für die Schaffung einer gewissen kulturellen Eigenständigkeit gemacht. Im westlichen Teil Polens sollen bereits deutschsprachige Klassen in den Grundschulen eingeführt werden.

 

Insbesondere im Zusammenhang mit den erregten Diskussionen um das Problem Oder-Neiße in letzter Zeit gewinnt diese Entwicklung fraglos eine elementare Bedeutung für die deutsche Ostpolitik. Wie es den Anschein hat, treffen hierbei bestimmte Absichten des Westens und Ostens für eine nach ihrer Auffassung befriedigende Lösung des ostdeutschen Problems bereits aufeinander, ehe überhaupt offizielle Verhandlungen begonnen haben. Natürlich kann so das rechtliche und politische Problem einer Neuordnung des europäischen Ostens grundsätzlich nicht gelöst werden. Die kompromisslose Auffassung Millionen deutscher Heimatvertriebener zum Heimatrecht bleibt bestehen, und es bleibt auch das tiefe Misstrauen dieser Menschen gegenüber einem politischen System, das ihnen die Heimat nahm. Schließlich wissen die Vertriebenen in Westdeutschland, dass sich das Gesicht ihrer Heimat seit 1945 grundlegend verändert hat. Elf Jahre sind an den Lebensformen in diesen Ländern nicht spurlos vorübergegangen.

 

Hier beginnt tatsächlich eine der großen Aufgaben der deutschen Ostpolitik, die leidenschaftslos die Erfordernisse des Völkerrechts und der Menschenrechte gegen die Möglichkeiten eines vernünftigen Ausgleichs mit den politischen Interessen der osteuropäischen Völker abzuwägen hat. Das kann aber nicht von heute auf morgen geschehen. Viel Ballast ist dabei abzuwerfen, übertriebene Forderungen und schwelende Ressentiments sind auf beiden Seiten aufzugeben, bevor an Gespräche mit den Ostblockstaaten und den Großmächten gedacht werden kann. Deutschland hingegen hat eine einmalige Gelegenheit, durch eine ebenso maßvolle wie rechtlich wohlbegründete Ostpolitik der Welt den Beweis des deutschen Friedensund Verständigungswillens zu erbringen.

 

Der 6. Jahrestag des Görlitzer Oder-Neiße-Grenzabkommens am 6. Juli brachte für den aufmerksamen Beobachter der internationalen Diskussion über die deutsch-polnische Frage mit dem eisernen Beharren Warschaus und Pankows auf der „endgültigen Grenze" zwischen beiden Staaten nicht viel Neues. Auffallend nach allen vorangegangenen Gerüchten, man sei auch darin uneins geworden, war jedoch die Unterstreichung der Solidarität beider Regierungen in dieser Sprache. „Trybuna Ludu", das offizielle Organ der polnischen Kommunisten, sprach in diesem Zusammenhang prononciert vom großen Verdienst Pankows um die Festigung der deutsch-polnischen Freundschaft. Das war eindeutig an Bonn adressiert, als wollte man klarstellen, dass westliche Spekulationen, Pankow durch spätere Territorialkonzessionen zu überspielen, keine Zugkraft besitzen.

 

Der Argwohn Warschaus gegenüber den NATO-Staaten wird nun durch die Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes im Bundestag in der Oder-Neiße-Frage propagandistisch noch stärker als bisher von den Ostblockstaaten genutzt werden. Auf den gemeinsamen Freundschaftskundgebungen entlang der Oder-Neiße-Linie wurde von polnischer und mitteldeutscher Seite bereits starker Gebrauch davon gemacht, da nun — wie in Frankfurt a. d. Oder von einem polnischen Redner gesagt wurde — „eine akute Bedrohung der Friedensgrenze" eintreten werde.

 

Verzichtet man auf alle „realpolitischen Erwägungen" über das Für und Wider der westdeutschen Aufrüstung in einem Zeitraum der schrittweisen Entspannung, so muss man immer mehr in Frage stellen, ob der Wiedervereinigung im Großen und der Sache Ostdeutschlands ein Dienst erwiesen worden ist. Ohne der einseitigen Agitation des Ostens zu folgen, gewinnt man auch durch die westliche Brille gesehen den Eindruck, welchen unheilvollen Einfluss die „Politik der Stärke" auf die künftige Behandlung des Oder-Neiße-Problems nehmen muss. Das beginnt mit der schroffen Ablehnung diplomatischer Beziehungen zu den Ostblockstaaten und endet mit der These der Rückkehr in ein „freies Polen". Die Leidtragenden einer solchen Politik sind in erster Linie die Vertriebenen selbst, denen damit jeder Weg zur Schaffung einer neuen Vertrauensbasis verbaut wird. 1950 hatten die Vertriebenenverbände in einem großartigen Aufschwung mit ihrer Charta den Verdacht einer gewaltsamen Revisionspolitik erstickt. Dieser echte Ansatzpunkt für vorurteilslose Gespräche mit den Anrainerstaaten droht jetzt verloren zu gehen. Sonntagsreden mit aggressiver Note sind tödliches Gift für eine konstruktive Vertriebenenpolitik.

 

In besonnenen Vertriebenenkreisen wird diese Entwicklung mit großer Sorge beobachtet, da die Gefahr besteht, dass die an sich sehr national denkenden Ostdeutschen nach dem Debakel der Ostpolitik Hitlers ein zweites Mal in das Fahrwasser einer „Befreiungs“-Politik geraten, die jedoch diesmal nur vorgetäuscht werden kann, um später freie Hand für jedes beliebige Ostmanöver zu bekommen. Unter diesem Aspekt verstärkt sich für die Vertriebenenpolitik die Alternative, dem Bemühen um eine Wiedervereinigung den Vorrang zu geben, einer Wiedervereinigung allerdings, die nicht mit Gewehr bei Fuß verhandelt wird, sondern im Geiste geschichtlicher Einsichten. Die Vertriebenen werden sich insbesondere zu entscheiden haben, welchen politischen Kräften sie ihr Schicksal anvertrauen, denen, die nur atlantische Blockpolitik treiben, oder denen, die gewillt sind, das nationale Anliegen eines ganzen Deutschland, frei von ideologischen Beklemmungen, auch mit dem Osten offen zu diskutieren. Niemand braucht dabei den Boden des Rechts zu verlassen, weiß man doch in Warschau und Moskau allzu gut, dass auf lange Sicht eine allgemeine politische Befriedung Osteuropas auch die Liquidation der Annexionspolitik Stalins unvermeidlich macht.

 

Was im Einzelnen an diskutablen Vorschlägen zu verhandeln sein wird, kann heute noch nicht gesagt werden. Mit einem Deutschland, das ehrlich gewillt ist, mit den Polen und Tschechen Recht und Schuld gegeneinander abzuwägen, wird sich ein allseitig befriedigender Ausweg aus dem Dilemma finden lassen. Für die Vertriebenen ist jetzt der Zeitpunkt da, sich entweder für die einseitige Bonner Regierungspolitik oder für eine aufgeschlossene gesamtdeutsche Politik zu entscheiden.

 

Seite 1   Ja zum Recht – Nein den Verzichtern!

Wer der Heimat die Treue hält, weiß sich auch dem Staat verantwortlich. Von solcher Gesinnung erfüllt, werden die ostdeutschen Heimatvertriebenen im BVD mit vielen Deutschen aller Stämme und Landsmannschaften der Weltöffentlichkeit am 7. Oktober in Bonn ihren Willen zu einem ganzen Deutschland dokumentieren. Keine egoistische und enge Interessenpolitik führt sie dazu. Kein Hass und kein Ressentiment gegen alle anderen Völker Europas, denen wie den Deutschen ein verbrecherischer Krieg politisches Verhängnis und menschliche Not brachte, werden dabei die Ostdeutschen bewegen. Ein „Halt" aber werden sie den Politikern und ihren Hintermännern zurufen, die da glauben, dass man unter Missachtung des Rechtes auf die angestammte Heimat und bei Ignorierung des Selbstbestimmungsrechtes einfach zur Tagesordnung übergehen kann.

 

Über zehn Jahre sind vergangen, da im Osten Deutschlands und in anderen Staaten Osteuropas Millionen Menschen in verantwortungsloser Weise der Willkür und dem Ungeist einer extremen Machtpolitik überantwortet wurden. Der Kalte Krieg trug weiterhin dazu bei, die Entfremdung zwischen dem deutschen Volk und den einst zum freiheitlichen europäischen Raum gehörenden Völker im Osten zu fördern. Daraus konnte kein neues friedensbeständiges und gesundes Europa entstehen. Am deutschen Beispiel sind die verheerenden Folgen dieser Entwicklung besonders deutlich erkennbar. Deutschland ist ein zerrissenes Land und widerrechtlich seiner blühenden Ostprovinzen beraubt worden. Es steht ohnmächtig zwischen den Machtblöcken und geht einem ungewissen nationalen Schicksal entgegen.

 

Die Vertriebenen haben in ihrer Stuttgarter Charta von 1950 ein Bekenntnis zu Europa, zu Recht und Freiheit abgelegt. Ihre Absage an jede extreme Politik ist, gemessen an ihren Opfern und Verlusten, in der deutschen Geschichte einmalig. Ihr großer Anteil an dem Aufbau in der Bundesrepublik nach einem verlorenen Krieg ist unbestritten. Dennoch versuchen heute starke Kräfte im In- und Ausland den Heimatvertriebenen ihre Rechte zu schmälern oder sie sogar zum Verzicht zu überreden und andere wieder, sie als Revanchisten und Störenfriede zu diffamieren. Dennoch wird ihr natürliches Verlangen nach Schaffung eines ganzen Deutschlands und der Wiederherstellung einer freien deutschen Heimat jenseits der Oder-Neiße-Linie als unrealistisch hingestellt. Niemand kann den ostdeutschen Menschen daran hindern, sich für die gesamtdeutsche Sache mit allen legalen und friedlichen Mitteln einzusetzen. Für sie sprechen — und das ist symbolisch für den Kampf um die deutsche Einheit — der ostpreußische BVD-Vorsitzende Dr. Linus Kather als verdienstvoller und unbeirrter Sachwalter einer gerechten Vertriebenenpolitik sowie der Präsident des Saarländischen Landtages, Dr. Heinrich Schneider, als erfolgreicher Vorkämpfer für das Recht auf Selbstbestimmung an der Saar.

 

Was der Welt am 7. Oktober von diesen beiden Männern gesagt und von allen Vertriebenen bekundet wird, mag vielleicht für manchen Politiker unbequem sein. Aber das ist von jeher das Kennzeichen der Wahrheit gewesen, in diesem Falle der Wahrheit, dass die Welt der Ordnung und Sitte aus den Fugen gerät, wenn das Recht unterliegt. Das nach Kräften zu verhindern und zur Besinnung zu mahnen, führt die deutschen Heimatvertriebenen zur Demonstration in Bonn zusammen.

 

Seite 1   Bartensteiner danken Lloyd.

Die heimatvertriebenen ostpreußischen Bartensteiner haben es freudig begrüßt, dass der Norddeutsche Lloyd in Bremen einem kürzlich vom Stapel gelaufenen Motorschiff von 8000 Tonnen Tragfähigkeit den Namen „Bartenstein" gegeben hat. Der Sprecher der Bartensteiner sprach der Reederei den herzlichen Dank dafür aus.

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Den auf der Londoner Suezkonferenz vorgeschlagenen Dulles-Plan lehnte der ägyptische Staatschef Nasser ab, schlug seinerseits aber eine erneute Konferenz mit sämtlichen Kanalbenutzerstaaten vor. Auf der zweiten Londoner Suezkonferenz kam es durch den Widerstand verschiedener kleinerer Staaten nicht zur geplanten Vereinigung der Kanalbenutzer.

 

Einen dreitägigen Staatsbesuch stattete der indische Ministerpräsident Nehru Saudi-Arabien ab. Im Mittelpunkt standen Gespräche über den Suez-Konflikt.

 

Die seit langem angekündigte Note zur Wiedervereinigung Deutschlands wurde in Moskau seitens der Bundesrepublik überreicht. Eine weitere Note beschäftigt sich mit dem Schicksal der deutschen Fachleute in Suchomi am Schwarzen Meer. Die Bundesregierung fordert die Sowjetunion darin erneut auf, der Bundesregierung die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit diesen Deutschen zu geben. Nach Angaben des Bundesvertriebenenministeriums haben sich bisher 200 von ihnen zur Rückkehr gemeldet. Die Verträge der Sowjetregierung mit den deutschen Spezialisten sind bereits um die Jahreswende 1954/1955 abgelaufen.

 

Die seit 1949 unter belgischer Militärverwaltung stehenden Orte Bildchen, Leykaul, Losheim und Hemmeres wurden durch einen Staatsvertrag, den Außenminister von Brentano und der belgische Außenminister Spaak in Brüssel unterzeichneten, an Deutschland zurückgegeben. Im Zuge der Grenzregelung erhält Belgien dafür Waldgebiete.

 

Das erste Fracht- und Fahrgastschiff mit Atomantrieb wird in Amerika gebaut und soll 1959 fertig sein. Es wird etwa 160 Millionen DM kosten und eine Wasserverdrängung von 12 000 Tonnen haben.

 

 

Die Explosion einer amerikanischen Wasserstoffbombe verzeichnete die Moskauer Erdbebenwarte, wie die sowjetische Armeezeitung „Roter Stern" berichtete.

 

Die industrielle Produktion in China soll in den nächsten fünf Jahren verdoppelt und das Bauvolumen verdreifacht werden, kündigte der chinesische Ministerpräsident Tschu En-lai auf dem 8. Kongress der kommunistischen Partei in Peking an. Die Landwirtschaft soll sogar 35 Prozent mehr produzieren als jetzt. Dagegen werden die Kosten für Verteidigung und Verwaltung um 20 Prozent verringert.

 

96 000 Soldaten bis zum Jahresende will die Bundeswehr als Freiwillige aufgenommen haben. Bundeskanzler Adenauer hat das Bundesverteidigungsministerium beauftragt, den Aufbau der Bundeswehr so rasch wie möglich voranzubringen. Im nächsten Jahre soll eine Stärke von 238 000 Mann erreicht werden, die allerdings nicht mehr mit Freiwilligen allein zustande kommen wird. Die Unterbringung der Soldaten bringt schon jetzt erhebliche Schwierigkeiten mit sich, da die Kasernen nicht so schnell geräumt werden können.

 

Zu einem überraschenden Besuch Titos in der Sowjetunion kam es im Anschluss an einen Urlaub Chruschtschows, den er in Jugoslawien verbrachte. Als Grund werden Innenpolitische Auseinandersetzungen in der Sowjetunion vermutet. Tito hält sich in Chruschtschows Privatvilla auf der Krim auf.

 

Gegen die Teilnehmer am Posener Aufstand vom 28. Juni wurde in Posen der Prozess eröffnet. Zu den Verhandlungen sind westliche Reporter und Fotografen zugelassen, zeitweise finden Rundfunkübertragungen statt. Fünf hohe Polizeibeamte wurden wegen unkorrekter Behandlung der Strafgefangenen entlassen.

 

König Paul und Königin Friederike von Griechenland statteten der Bundesrepublik in Erwiderung des Staatsbesuches von Bundespräsident Heuß einen mehrtägigen offiziellen Besuch ab, der sie nach Bonn, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen führte.

 

Der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb verstarb durch Herzschlag. Walter Kolb galt als das prominenteste Stadtoberhaupt der Bundesrepublik und machte sich einen Namen durch seinen unermüdlichen Einsatz für den Tierschutz.

 

Eine gesamtdeutsche Mannschaft wird zu den Olympischen Spielen nach Melbourne entsandt, wie die Vertreter der Olympischen Komitees der Bundesrepublik und der Sowjetzone beschlossen. Vorläufig einigte man sich auf eine Stärke von 110 Aktiven.

 

Der bisherige Nato-Oberkommandierende in Mitteleuropa, der französische Marschall Juin, hat sein Amt niedergelegt.

 

Die Hinrichtung dreier Junger Zyprioten in Nikosia wurde von der Bevölkerung der Stadt und der ganzen Insel mit einem Schweigeprotest beantwortet. Der britische Gouverneur Harding hatte ein Gnadengesuch in letzter Stunde abgelehnt.

 

Die bei weitem kleinste Atombombe mit der größten Wirkung hat nach Ansicht amerikanischer Fachleute England zur Explosion gebracht. Damit sei alles übertroffen, was in Amerika und den UdSSR bisher hergestellt sei.

 

3 Milliarden DM werden nach Ansicht des saarländischen Arbeitsministers Conrad zur wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik innerhalb von drei Jahren benötigt. Conrad kritisierte, dass die Bundesregierung immer nur mit den Franzosen über die Saar spreche und nicht mit den Saarländern selbst.

 

Seite 2   Kein Mut zur Wahrheit. Litauer weisen sowjetische Geschichtslüge zurück.

Die nachstehenden interessanten Ausführungen entnehmen wir dem in Deutschland erscheinenden Litauischen Informationsdienst Elta:

 

Als es im Sommer 1914 den russischen Armeen gelungen war, weite Teile Ostpreußens zu besetzen, publizierten zaristisch-russische Zeitungen einen angeblichen urslawischen Charakter der Provinz Ostpreußen. Aber damals standen zahlreiche russische Historiker auf, die dieser Fälschung offen entgegentraten und den Beweis erbrachten, dass die Urbevölkerung Ostpreußens aus den baltischen Preußen bestand, zu denen sich später deutsche Einwanderer gesellten.

 

Nachdem die Russen Nordostpreußen 1945 wieder in Besitz genommen haben, finden wir in der von kommunistischen Redakteuren verfassten 2. Auflage der Großen Sowjetischen Enzyklopädie, Band 19, auf Seite 426 - 429 weitgehende Ausführungen über Nordostpreußen. Darin heißt es. „Am 4. Juli 1946 wurde Königsberg in Kaliningrad umbenannt und sein Hafen Pillau in Baltijsk. Das Kaliningrader Gebiet wurde am 7. April 1946 aus den von alters her slawischen Gebieten am Baltischen Meer gebildet".

 

Die kommunistischen Mitarbeiter der Enzyklopädie betrachten Ostpreußen, ähnlich wie die Schriftleiter der zaristischen Zeitungen, als ein von slawischen Völkern bewohntes Land. In der Tat haben in Nordostpreußen niemals Slawen gesiedelt. Die Bolschewisten sind die ersten, die dieses Gebiet systematisch mit Slawen zu besiedeln beginnen.

 

1914 fanden sich noch russische Wissenschaftler, die nachwiesen, dass die Autochthonen Nordostpreußens keine Slawen, sondern die alten Preußen waren. Heute findet kein sowjetischer Wissenschaftler den Mut zur Wahrheit. Selbst die sowjetlitauischen Wissenschaftler, denen die Autochthonen-frage in Nordostpreußen bekannt ist, sind still und finden nicht den Mut, der Wahrheit eine Gasse zu brechen.

 

Seite 2   Polnischer Schwarzhandel in der UdSSR.

Moskau. In der sowjetischen Hauptstadt und in anderen sowjetischen Städten, die auf der Reiseroute ausländischer Touristen liegen, hat sich in den letzten Monaten ein reger Schwarzhandel polnischer Gesellschaftsreisender mit verschiedenen Gebrauchsartikeln bemerkbar gemacht. In erster Linie werden polnische Textilien unter die russische Bevölkerung gebracht und von dieser mit erheblichen Überpreisen bezahlt. Die sowjetischen Behörden haben in Polen. Schritte unternommen und die Unterbindung dieses Handels verlangt, der den Sowjetrussen ein unzutreffendes Bild vom Lebensstandard in Polen biete.

 

Seite 2   Warschau geht eigene Wege.

Die jüngsten Berichte aus Polen bestätigen erneut, dass die Lage der polnischen Wirtschaft ein kritisches Tief erreicht hat. Ohne Umschweife haben Partei- und Staatsführung die Bevölkerung auf einen „harten Winter", der durch Kohlen- und Lebensmittelknappheit gekennzeichnet sein werde, vorbereitet und erklärt, man werde „alles tun, um das Schlimmste abzuwenden". Gerade diese Maßnahmen sind es nun, die im Kreuzfeuer der Kritik stehen.

 

Um der Lebensmittelknappheit zu begegnen, hat die Regierung u. a. erklärt, sie werde künftig der Privatinitiative in der Wirtschaft einen „gewissen Spielraum" zubilligen müssen. Wenn man bedenkt, wie schwer es den Kommunisten fällt, von ihren Verstaatlichungstheorien auch nur einen Schritt abzugehen, dann lässt sich ermessen, wie ernst die Sorgen sind, die dieses Einschwenken auf eine liberale Wirtschaftspolitik erzwungen haben. Und Moskau hilft nicht, im Gegenteil: Bulganin hat gelegentlich eines Warschau-Besuches in einer internen Sitzung den bestürzten polnischen Genossen eröffnet, dass die Sowjetunion keine Unterstützung gewähren könne. Polen sei auf sich allein gestellt, könne aber „eigene Wege" gehen, um mit den Problemen fertig zu werden.

 

Seite 2   Keine „verzuckerten" Berichte über die Sowjetunion mehr.

Warschau. In einem Kommentar beschäftigt sich der Warschauer Rundfunk mit den Berichten der polnischen Presse über das Leben in der Sowjetunion. Diese Berichte zeigten häufig eine kritische Note. Die Umstellung von einer „verzuckerten, gloriosen und kritiklosen Bewunderung" auf eine nüchterne, sachliche Beurteilung könne jedoch der Freundschaft zwischen den beiden Ländern nur dienlich sein. Es gehe darum, überflüssigen Ballast abzuwerfen, auch wenn derartige Berichte in der Sowjetunion teilweise auf Ablehnung stießen. In den Augen des Auslandes müsse der Eindruck verschwinden, als wäre Polen „nur ein sowjetischer Satellit".

 

Seite 2   Raketenabschussbasen.

In Pommern und Westpreußen haben in letzter Zeit Einheiten der Roten Armee gewaltige Raketenabschussbasen errichtet. Zu ihrem Schutz wurden hier, nach vorherigem Abtransport aller polnischen Truppen aus diesem Gebiet, starke Kräfte stationiert, darunter auch Regimenter, die zuvor in Niederschlesien in Garnison lagen. Die üblichen Frühjahrsmanöver in Schlesien wurden dagegen noch gemeinsam von sowjetischen und polnischen Truppen durchgeführt.

 

Seite 2   Alle Spuren des Polentums ausgerottet.

Wenn der Wiederaufbau der Danziger Marienkirche im gleichen Tempo wie bisher fortgesetzt werde, werde er noch etwa 50 Jahre dauern, erklärten polnische Sachverständige einem Berichterstatter der polnischen Zeitschrift „Zycie i mysl' (Leben und Geist), der kürzlich die alte Hansestadt besuchte. Bisher ist die Kirche nur Überdacht und allein das Querschiff und der Altarraum sind in Ordnung. Auf die Ecktürme wurden stumpfe Turmhelme aufgesetzt. Das Innere der Marienkirche ist vollkommen leer; man sieht nur die Grabplatten, die den Boden bilden und von denen durch das einstürzende Gewölbe viele zerschlagen worden sind. Einige der Grabplatten sind wieder zusammengesetzt worden, die Zwischenräume wurden mit Beton aufgefüllt, über die Grabplatten schreibt der Berichterstatter der polnischen Zeitschrift: „Als ich die deutschen Inschriften sah, die wie ein großer Teppich in der Kirche ausgebreitet sind, kam mir der Gedanke, mit welcher Verbissenheit die Kreuzritter und die preußischen Chauvinisten im Laufe der Jahrhunderte alle Spuren des Polentums ausgerottet haben ...“

 

Seite 2   Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor.

Der Magistrat von Ostberlin gab bekannt, dass das Brandenburger Tor, das Wahrzeichen Berlins, wieder in seiner alten Form hergestellt werden soll. Es war im Kriege schwer beschädigt worden; denn die Quadriga, ein Werk von Schadow, haben die Russen entfernt. Der Ostberliner Magistrat ist nun an den Westberliner Senat mit der Bitte herangetreten, die in Charlottenburg aufbewahrten Gipsformen für einen Neuguss zur Verfügung zu stellen. Der Westberliner Magistrat hat sich bereit erklärt, den Abguss selbst vornehmen zu lassen und die Quadria nach Instandsetzung des Brandenburger Tores dorthin zu schaffen.

 

Seite 2   Erweiterte deutschsprachige Sendungen.

Das deutschsprachige Programm des Warschauer Rundfunks auf der Mittel- und Kurzwelle ist seit kurzer Zeit erheblich erweitert worden. Warschau sendet seit der Programmerweiterung jetzt ein einstündiges Morgenprogramm, das insbesondere für die Bundesrepublik und die DDR bestimmt ist. Eine zweiwöchentliche Sendereihe trägt den Titel „Grüße an Bekannte und Verwandte aus Polen nach beiden Teilen Deutschlands". Am Deutschland-Programm des Warschauer Rundfunks sind seit Mitte Mai auch die volkspolnischen Landesstudios und Bezirkssender in den Oder-Neiße-Gebieten beteiligt.

 

Seite 2   Elsässer protestieren in Algerien.

Von glaubwürdiger Seite wird uns mitgeteilt, dass in Algerien von elsässischen Soldaten, aus Protest, die rotweiße Elsaßflagge gehisst wurde, weil sie von innerfranzösischen Elementen mit „Boches" beschimpft worden waren.

 

Seite 2   Pressespiegel.

Aufgabe der deutschen Politik.

„Aufgabe der deutschen Politik muss es sein, den anderen Mächten den Weg zur umfassenden Abrüstung zu erleichtern und nicht etwa den Eindruck zu erwecken, als wollten wir ihnen den Abbau der Rüstungslasten verbieten. Das wäre der Weg in die weltpolitische Einsamkeit. Der Atomkrieg kann nicht durch mehr konventionelle Waffen, sondern nur durch umfassende Verminderung aller Rüstungen vermieden werden. Schließt sich die Bundesrepublik Deutschland von den Bemühungen um die Herabsetzung der Truppenstärken aus, so treibt sie die anderen zu einer Einigung auf der Grundlage der Spaltung Deutschlands. Wer auf 500 000 Mann für die Bundesrepublik beharrt, wohl wissend, dass damit etwa auch 250 000 für die Sowjetzone erwartet werden müssen, der sieht für Deutschland insgesamt eine Truppenmacht vor, welche jedem unserer Nachbarn die Wiedervereinigung zu einem gefährlichen Risiko macht. Auch um der Wiedervereinigung willen sollten wir mit eigenen Vorschlägen das Abrüstungsgespräch erleichtern, statt es zu blockieren, und die Bereitschaft erklären, eine in Aussicht stehende Begrenzung der Rüstungsstärken in angemessener Weise auch für uns gelten zu lassen, selbst wenn dann die Pläne für die Bundeswehr erheblich geändert werden müssten“. Ostdeutscher Heimatbote, Bielefeld

 

 

Seite 2   Kommt Bonn zu spät? Französische Stimme zum Bonner Moskau-Memorandum.

„Man kann sich in der Tat fragen, ob die Initiative von Bonn nicht zu spät kommt und ob sie im Geist von Herrn Adenauer nicht eher dazu dienen soll, gute Argumente für den Wahlfeldzug des kommenden Jahres zu liefern als wirklich der Wiedervereinigung einen Auftrieb zu geben. Tatsächlich ist das Klima der Beziehungen zwischen Bonn und Moskau immer schlechter geworden seit der Ankunft von Herrn Sorin in der Bundeshauptstadt Ende des letzten Jahres. Der schlechte Empfang, der dem russischen Botschafter bereitet wurde, seine Rückberufung Mitte Juli, die zusammenfiel mit einer neuen Moskau-Reise der Herren Grotewohl und Ulbricht, der Austausch von süß-sauren Noten über die Staatsangehörigen, die gegen ihren Willen zurückzuhalten beiden Länder sich gegenseitig vorwerfen, schließlich das Verbot der westdeutschen kommunistischen Partei im August, nicht zu vergessen die Hartnäckigkeit, mit der der Kanzler die Aufstellung der neuen Bundesarmee betreibt, alles das kann die Reaktion des Kremls nur schlecht beeinflussen“. Le Monde, Paris.

 

Seite 2   Wiedervereinigung — Aufgabe von mir und dir.

„Wir wollen äußerst nüchtern die Lage des Westens und die Lage des Ostens, die Lage Berlins und die Lage des ganzen Deutschlands hinstellen in den Zusammenhang der Weltgeschicke. Wir wollen über die Wiedervereinigung sprechen, nicht, wie man von einem Ideal spricht, sondern wie man von einer sehr schweren Aufgabe spricht, von der man sich nicht lösen kann, von allen Schwierigkeiten und allen Risiken. Wir wollen mithelfen, dass es Menschen mit der Mentalität des Westens sich bewusst halten: die Wiedervereinigung ist nötig auch, damit wir selbst zu uns selbst kommen. Denn was sonst aus dem Westen wird, ist ein Stückchen Talmi-Europa und kein Deutschland mehr. Und wir wollen den Menschen im Osten und denen unter uns, die in Gefahr sind, nur vom Osten her zu denken, deutlich machen, was an Geduld und was auch an Risiko nötig ist. Denn das müssen beide wissen: Die Wiedervereinigung ist nicht umsonst, sie wird ein größeres politisches Risiko einschließen, als es der einfache Anschluss an die Westmächte heute darstellt. Sie wird ein nicht unerhebliches wirtschaftliches Risiko einschließen und organisatorisch Unannehmlichkeiten mit sich bringen. Sie schließt auch ein geistiges Risiko ein. Die Auseinandersetzung mit den Erlebnissen, die dem Westen erspart geblieben waren, ist schon schwierig, und die Auseinandersetzung mit dem Gegner, den man bisher nicht ernst genommen hat und die man in Freiheit von denen übernehmen muss, die bisher in Unfreiheit führen mussten, wird noch schwieriger sein. Die Wiedervereinigung ist nicht eine Sache von mir und von dir im Osten und im Westen, und sie ist vielleicht die schwerste Aufgabe für diejenigen, die so genau darum wissen, wie wir es hier zu tun glauben!" Das Parlament, Bonn

 

Seite 2   Militärisch neutral bleiben.

?????kenkopf (? = unlesbar) Amerikas zu bleiben ist mit der Wiedervereinigung ebenso unvereinbar wie Wurmfortsatz Asiens zu werden. Das können wir nicht und wollen wir nicht. Eine Wiedervereinigung Deutschlands ist nur denkbar, wenn wir aus den gegensätzlichen Paktsystemen ausgeklammert werden und militärisch neutral bleiben — wie Österreich. Die ersten Schritte zu einer solchen Lösung müssen wir Deutsche unternehmen. Die Entwicklung der letzten Wochen, ja seit der Genfer Konferenz zeigt, dass die Welt mit einem gespaltenen Deutschland ganz gut zurecht kommt. Aber wir nicht!

 

Es ist einfach nicht wahr, dass die Westmächte der Bundesregierung eine eigene Initiative übelnehmen würden. Premierminister Eden, Botschafter a. D. George Kennan und der amerikanische Geopolitiker Dr. Friedrich haben uns in letzter Zeit geradezu dazu ermuntert! Warum nehmen wir sie nicht beim Wort!

 

Keine der oben aufgeführten Befürchtungen ist bei näherer und nüchterner Untersuchung stichhaltig:

 

Dass bei einem Abzug der Besatzungstruppen die Amerikaner mehrere tausend Kilometer Ozean zwischen sich und uns legen, die Russen aber an der Oder oder Weichsel unsere Nachbarn bleiben würden, ist eine Gegebenheit der Geographie, die wohl auch in tausend Jahren noch gilt. Achi weitere zehn Jahre Adenauer-Kurs werden sie nicht aus der Welt schaffen. Wenn wir mit Adenauer warten wollen, bis den Russen die Kartoffeln ausgehen (wie er vor drei Jahren orakelte) oder die Chinesen die Russen ins Bein beißen (wie er nach dem Erscheinen des Buches von Dr. Starlinger vor zwei Jahren glaubte) oder bis das russische Volk ausstirbt (wie er vor einem Jahr meinte, weil er in Moskau kaum Kinderwagen sah), dann verschieben wir die Lösung unteres dringendsten nationalen Problems auf den Nimmerleinstag“. Nation, Rundschau, Karlsruhe

 

Seite 3   Von Rastenburg blieb nur eine Straße. Die Stadt des ostpreußischen Hauptquartiers heute – Minen und Garnisonen.

Zeichnung: St. Georgskirche zu Rastenburg, ein ehrwürdiger Bau aus dem 14. Jahrhundert.

Wie vor elf Jahren springt einem auch heute noch das unermessliche Leid an, das in einer Nacht des Jahres 1945 über die ostpreußische Kreisstadt Rastenburg kam. Jene Nacht, in der siegestrunkene sowjetische Haufen durch die Stadt zogen und überall Brände legten. Da die durch direkte Kampfhandlungen erfolgten Zerstörungen minimal waren, kommen die 1000 zerstörten Häuser Rastenburgs zum allergrößten Teil auf das Konto der marodierenden Rotarmisten.

 

Nach dieser Nacht, die vielen Deutschen auch Freiheit, Leben und Ehre nahm, war das alte Rastenburg ausgelöscht. Noch Tage brannte und qualmte es in der blindwütig vernichteten Innenstadt. Grausige Vorzeichen des Beginns einer leidensvollen Zeit für Rastenburg und seine Bürger!

 

Was blieb von dieser einstmals blühenden Stadt? Eigentlich nur eine Straße! Und zwar die frühere Hindenburgstraße, die wie durch ein Wunder dem in der Innenstadt wütenden Brand entging. Das ist heute die einzige Straße der Stadt, die erhalten geblieben ist. In allen anderen Gassen und Straßen findet man nichts von dem wieder, was Rastenburg einmal sein Gepräge gegeben hat.

 

Nur eine Ausnahme gibt es noch: das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt: die fast unbeschädigte Ordenskirche von St. Georg, hat die Brandnacht ebenfalls überstanden. Heute steht das mächtige Gotteshaus in einem Ruinenfeld. Noch mächtiger wirkt die Kirche mit ihren Türmen dadurch — mahnend reckt sie sich in der Trümmerlandschaft gen Himmel.

 

Was ist aus den anderen Teilen der Stadt geworden? Fiel auch nur etwa die Hälfte Rastenburgs dem Feuer zum Opfer, so sucht man doch vergeblich nach den anderen 1000 Häusern, die unzerstört sein müssten. Von ihnen haben die Polen in der Nachkriegszeit noch viele abgebrochen oder so verfallen lassen, dass sie nicht mehr bewohnt werden können.

 

Hierfür ein Beispiel. In einem Stadtteil nach Carlshof zu standen vor der Besetzung von etwa 80 Häusern noch 72. Hiervon wurden durch Brandstiftungen 38 vernichtet, so dass immerhin noch 34 bewohnbar gewesen wären. Doch was geschah? Nachdem die Polen eingezogen waren, durchsuchten sie nicht etwa die ganz oder nur halb abgebrannten zerstörten Häuser nach brauchbarem Material — nein, sie rissen innerhalb von zwei Jahren von den 34 bewohnbaren Gebäuden einfach 19 weitere ab. Mit den Dachziegeln, Dachsparren, Balken, Trägern usw. reparierten sie einige öffentliche Gebäude. Der Landsmann, der uns das berichtet, meint, dass der Abbruch dieser 19 Häuser völlig sinnlos gewesen ist.

 

 Landsleute, die der Vertreibung entgingen, hatten bis in die Gegenwart große Schwierigkeiten, wenn sie noch in ihren Häusern wohnten. Teilweise beließ man ihnen die Gebäude zum Selbst-Einwohnen und zum Vermieten, aber oft jagte man sie einfach aus ihrem Besitz fort oder begann ihnen das Haus über dem Kopf abzureißen. Viele Güterzüge mit Baumaterial aus den Häusern der Stadt wurden im Laufe der Jahre nach Warschau und anderen innerpolnischen Städten abtransportiert. Die Trümmerräumung jedoch wurde längst nicht konsequent durchgeführt, so dass man noch immer auf ausbaufähige Ruinen oder einsturzgefährdete Häuser trifft. Tote und Verletzte gab es im vergangenen Winter, als die Stürme heulten und Ruinen einfielen. Als Tote und Verletzte wurden auch einige Personen geborgen, die versucht hatten, die auf den Trümmerbergen wachsenden Bäumchen als Brennholz zu schlagen. Die mit dem Mauerwerk verbundenen Stämme rissen beim Abschlagen Wände mit und begruben so die Brennholzsammler. Jetzt ist die Holzsuche auf diesen Grundstücken streng verboten. Wer hätte je gedacht, dass in Rastenburg einmal ein Trümmerwald wachsen würde?

 

Wieviel Menschen leben heute in dieser Stadt? Die Polen behaupten gern, Rastenburg habe seine Vorkriegsbevölkerung — 17 000 im Jahre 1939, 19 600 im Jahre 1940 — wieder erreicht. Ein Jahr nach Kriegsende befanden sich aber erst wieder 7880 Menschen in der Stadt. Und in den seitdem vergangenen zehn Jahren kamen jedoch längst nicht 10 000 Neusiedler nach hier. Und das, obwohl man bei der Einwohnerzählung recht großzügig verfährt und die Menschen in weitem Umkreis mitzählt. Voriges Jahr beispielsweise ermittelte man die Einwohnerzahl, indem man alle Personen als zu Rastenburg gehörig registrierte, die auch in den weiter entfernten Gemeinden wie Rosenthal, Tolksdorf, Neumühl, Weischnuren, Carlshof-Görlitz und Schwarzstein lebten. Die Rastenburger wissen, dass das kein echtes Bild der tatsächlichen Bevölkerungszahl ergeben kann.

 

Allerdings scheinen die Polen hier wenigstens nicht die starke Garnison als „Einwohner" zu rechnen, wie das sonst gern getan wird. Die polnischen Soldaten in und bei Rastenburg werden wegen der nahen Demarkationslinie zum sowjetisch verwalteten Ostpreußen sehr isoliert gehalten. Sie erhalten nur wenig Ausgang, was jedoch nicht für die Offiziere und die Unterführer zutrifft. In diesem Jahr wurden viele bei den Erntearbeiten eingesetzt, andere lösen die Grenztruppen ab. In den Rastenburger Kasernen, deren Kriegsschäden beseitigt worden sind und die sogar teilweise erhebliche Erweiterungen erfuhren, liegt nach Schätzungen von Landsleuten die doppelte Anzahl Soldaten wie zu deutscher Zeit.

 

Ganz unter das Militärgebiet, das für Zivilisten verboten ist, fällt das Land gleich hinter Görlitz/Ostpreußen, wo das Gelände der „Wolfsschanze" — des ehemaligen Führerhauptquartiers — beginnt. Man hat in der letzten Zeit alle Straßen nach hier und auch die Bahnlinie wieder instandgesetzt. Man brauchte lange Jahre, um das Gebiet von den hier aus den Kriegszeiten eingegrabenen Minen zu säubern. Das kostete viele Opfer, worunter auch Deutsche zu beklagen sind. Heute ist etwa 60 Prozent des Gebietes minenfrei, das Betreten der großen Stadtwaldforste ist noch immer sehr gefährlich. Man schätzt, dass gegenwärtig noch ein Bataillon polnischer Sondertruppen aus dem Rastenburger Kasernenzeit hier zum Ordnung schaffen eingesetzt ist.

 

Unter den Pioniertruppen, die in Rastenburg stationiert sind und ausgebildet werden, kann man auch nicht wenige junge Deutsche aus Ostpreußen finden. Sie wurden in den letzten Jahren wie die polnischen Bewohner eingezogen und müssen hier ihren Militärdienst ableisten. An der Guber ist unter anderem ein neues großes Ausbildungsgelände entstanden. Einer von den deutschen Rekruten hier schrieb kürzlich in einem Brief: „Kennt ihr noch den kleinen Ort Partsch östlich vom Görlitzer Wald? Bis dahin geht heute unser Übungsgelände. In Partsch selbst ist jetzt ein staatliches Gut eingerichtet. Alles Gelände, was von den Kameraden von Minen geräumt wird, wird entweder diesem Gut zugeteilt oder es wird Militärgebiet. Bisher sind 30 000 Minen insgesamt geräumt worden, und zwar auf einer Fläche von 150 Hektar“.

 

Die Deutschen in Rastenburg haben ein schweres Schicksal erlitten. Man schätzt die Zahl derjenigen, die in die Hände der Sowjets fielen, auf die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung. Und von diesen mussten weit mehr als 5000 den bitteren Weg in die Deportation nach der Sowjetunion antreten, von wo die meisten nicht zurückkehren sollten. Wieviel Landsleute heute noch in der Stadt sind, weiß niemand genau zu sagen. Die Polen schweigen sich aus. Und wenn sie auf diese Frage eingehen, so tun sie, als ob alle Deutschen längst für Polen optiert hätten.

 

Das stimmt jedoch nicht. Berücksichtigt muss weiter werden, dass die jetzt noch in Rastenburg lebenden Deutschen nur zu einem kleinen Teil Alteingesessene sind. Die überwiegende Mehrzahl stammt aus anderen ostpreußischen Kreisen und Städten. An früheren Rastenburger befinden sich hier nur sehr alte und jüngere Menschen — sie entgingen zum Teil allein der Verschleppungsaktion.

 

Die deutschen Landsleute haben eine kleine protestantische Gemeinde gebildet. Ihr Gotteshaus St. Georg können sie jedoch nicht mehr benutzen, es dient jetzt den polnischen Gläubigen. Vielmehr steht der kleinen deutschen Gemeinde ein Anbau dieser Kirche zur Verfügung, wo ein Pfarrer der polnisch-evangelischen Kirche predigt. Einige protestantische Weißrussen nehmen ebenfalls daran teil (in Rastenburg leben jetzt viele Weißrussen). Wie schwer die Lage der Deutschen hier ist, mag daraus hervorgehen, dass sie keine Möglichkeit haben, den alten deutschen Friedhof zu pflegen. Nicht einmal, wer Verwandte hier zu liegen hat, kann und darf das! Der Gottesacker bietet das Bild einer einzigen großen Verwüstung. Nur im geheimen kommt einmal jemand nach hier, um zwischen den sinnlos zerschlagenen Grabsteinen nach dem letzten Ruheplatz seiner Lieben zu suchen und um ein wenig Ordnung zu schaffen.

 

Das alles ist Rastenburg heute. Es hat nichts mehr mit dem gemein, was wir kennen. Alles ist unsagbar fremd geworden. Nur die St. Georgskirche über dem Tal der Guber ist das letzte architektonische Wahrzeichen, das hier vom jahrhundertealten Deutschtum kündet. Wann werden die Rastenburger im Schutz ihrer gewaltigen Türme wieder mit dem Aufbau ihrer Stadt beginnen?

 

Seite 3   Blick nach Osteuropa.

Russland.

Die Maßgebende sowjetische Literaturzeitung „Literaturnaja Gazetta" kritisiert neuerdings die immer noch anhaltende Starrheit der sowjetischen Dichtung, die mangels „natürlicher Romantik" ihre Anziehungskraft auf die Jugend fast völlig verloren habe. „Literaturnaja Gazetta" schreibt dazu, die Liebe müsse endlich vom Traktor herunter und wieder unter die Fliederbüsche!

 

500 000 Jugendliche haben sich bisher, wie TASS belichtet, freiwillig für das Aufbauwerk in Sibirien gemeldet, darunter auch zahlreiche entlassene Soldaten. Die Jugendlichen sind bereits zum Teil bei den großen Wirtschaftsprojekten im Donbasbecken, in Kasachstan und im Kohlenbecken von Argrensk zum Einsatz gelangt.

 

Die Transsibirische Bahn wird auf Beschluss der sowjetischen Regierung auf elektrischen Verkehr umgestellt. Die Teilstrecke über Tscheljabinsk - Nowosibirsk bis Irkutsk soll bereits ab 1960 elektrisch betrieben werden, die Linie bis Wladiwostok im darauffolgenden Fünfjahresplan. Mit 9300 km wäre dann die Transsibirienlinie die längste elektrische Linie der Welt.

 

Einen Ring von Opiumhändlern hat nach einer Meldung des Moskauer „Komsomolskaja Prawda" die sowjetische Polizei in Frunse zerschlagen und mehrere Händler dabei verhaften können. Das Opium, von dem ein Teil noch beschlagnahmt werden konnte, war auf dem Schmuggelwege in die Sowjetunion gelangt.

 

Das vereinigte Kernforschungsinstitut der Ostblockstaaten wurde in der sowjetischen Atomstadt Dubna eröffnet, wie der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete. Diese Behörde vertritt außer der Sowjetunion die DDR, Nordkorea, China, die Mongolei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Tschechoslowakei und Albanien. Die Atomstadt Dubna liegt 120 km nördlich von Moskau, hat 5000 Einwohner und ist erst neun Jahre alt.

 

Tschechoslowakei.

Die Tschechoslowakische Regierung erließ am 6. September ein Dekret, das die 46-Stunden-Woche generell in der CSR einführt. Die Regelung ist so gedacht, dass die Arbeitszeit an Samstagen auf wenigstens fünf Stunden verkürzt wird, während sich der Rest auf die Arbeitszeit der übrigen Wochentage verteilt.

 

Rumänien.

Eine Deutsche Mittelschule wurde Mitte September in Bukarest eröffnet. In Kürze wird auch ein deutsches Restaurant seinen Betrieb aufnehmen. Es trägt den Namen „Berlin".

 

Das State Department hat der Regierung der Rumänischen Volksrepublik, die sich schon seit längerem um eine Verbesserung der amerikanisch-rumänischen Beziehungen bemüht, vorgeschlagen, am 15. Oktober Gespräche aufzunehmen. Man ist amerikanischerseits bereit, die Gespräche in Bukarest zu führen.

 

Polen.

Die Neuwahlen in den Sejm, dem polnischen Parlament, erfolgen im Dezember d. J. Diese Wahlen stehen im Zeichen eines neuen Kurses durch die Zulassung von Wählerlisten, die mehr Kandidaten als zu wählende Abgeordnete enthalten. Den Wahlfeldzug wird die aus allen Parteien und Organisationen gebildete „Front Narodawy" (Volksfront).

 

Unter den kürzlich im Hafen Gdingen eingetroffenen Repatrianten befand sich auch Adam Sokolowski, Mitglied des „Rates der Republik" in London.

 

Ungarn.

Nach Rumänien hat nun auch der Ministerrat der Volksrepublik Ungarn ein Dekret über die Aufnahme von Rückwanderern ehemaliger ungarischer Staatsangehöriger erlassen. Nach dieser Verordnung können jedoch nur solche Personen bei einer Rückkehr nach Ungarn wieder in den Besitz ihrer vollen Staatsbürgerrechte kommen, die durch Schaffung einer Grenzzone im Süden Ungarns ihren Wohnsitz verlassen mussten. Ob dieses Dekret auch auf die ausgetriebenen deutschstämmigen Staatsangehörigen angewendet werden kann, ist noch nicht bekannt.

 

Seite 3   Gerüchte um Polens Ostgrenze.

Unter den in den ehemaligen deutschen Ost- und jetzigen polnischen Westgebieten angesiedelten Polen aus dem ehemaligen Ost-Galizien, das heute sowjetisch ist, will in letzter Zeit ein hartnäckiges Gerücht nicht verstummen, wonach zwischen Polen und der UdSSR gewisse Grenzveränderungen durchgeführt werden sollen, welche große Teile Ostgaliziens wieder zu Polen schlagen werden und den dort Lebenden wieder eine Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen.

 

Diese Gerüchte haben sich nun dermaßen verdichtet, dass die Allensteiner Zeitung dieser Frage hintereinander zwei Artikel gewidmet hat. In einem dieser Artikel wird die 1944 - 1946 durchgeführte Zwangsaussiedlung der Polen aus dem ehemaligen Ostpolen in die Oder-Neiße-Gebiete als „unmenschliche und grausame Maßnahme" und ihre Heimatsehnsucht als „sehr verständlich" bezeichnet.

 

Seite 3   Kranker Mais.

Der bereits seit Jahren in Nord-Ostpreußen forcierte Maisanbau hat nicht die erwarteten Erfolge gehabt. So werden die Maisfelder um Pillkallen/Schloßberg vom Maisbrand so stark heimgesucht, dass die Ernte hier völlig in Frage gestellt ist.

 

Seite 3   Verzicht Niemals. Auf nach Bonn zur Kundgebung des Bundes der vertriebenen Deutschen am 7. Oktober 1956. Das Recht muss bleiben. Demonstration für das Recht.

 

Verzicht niemals — Das Recht muss bleiben! Unter diesem Motto steht die Großkundgebung des „Bundes der vertriebenen Deutschen" — Landesverband Nordrhein-Westfalen — am 7. Oktober 1956 um 15 Uhr auf dem Bonner Marktplatz.

 

Die deutschen Heimatvertriebenen werden gemeinsam mit heimatbewussten Deutschen aller Stämme und Landsmannschaften für das Recht auf Heimat und Selbstbestimmung demonstrieren.

 

Es sprechen der BVD-Bundesvorsltzende Dr. Linus Kather und der Präsident des Saarländischen Landtages, Dr. Heinrich Schneider.

 

Nähere Auskünfte erteilt der BVD-Landesverband Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Marienstraße 41, Tel. 2 14 14.

 

Seite 3   Deutsche Gemeinde in Breslau erhält Kirche. Vor weiteren Freigaben evangelischer Gotteshäuser?

Der deutschen evangelischen Gemeinde in Breslau, die sich bisher mit unzureichenden Räumen begnügen musste, ist die alte Christophori-Kirche zurückgegeben worden. Die Außenmauern des im Krieg stark beschädigten Gotteshauses sind wiederaufgebaut; für die Innenausstattung will die Breslauer Gemeinde selbst sorgen. In Posen hat die ständig wachsende evangelische Gemeinde außer der ihr bislang zur Verfügung stehenden Friedhofskapelle um Überlassung der früheren evangelischen Lukas-Kirche in Jersitz gebeten. Die anderen großen evangelischen Gotteshäuser der Stadt werden von den polnischen Katholiken benutzt. Die älteste evangelische Kirche Posens, die 1785 erbaute Kreuzkirche, trägt jetzt den Namen „Allerheiligen" und wird im Posener Stadtplan unter den Sehenswürdigkeiten aufgeführt. — In Pommern sind die deutschen Gemeinden bemüht, die Freigabe alter Dorfkirchen, die von der polnischen katholischen Bevölkerung nicht benutzt werden, zu erreichen.

 

Die evangelische Gemeinde in Warschau wartet nach wie vor auf die Rückgabe ihrer vor Jahren beschlagnahmten und zurzeit nicht benutzten Dreifaltigkeitskirche. Der Vorschlag, den der Dresdener Frauenkirche ähnlichen Rundbau in eine öffentliche Bibliothek umzuwandeln, ist von der evangelischen Bevölkerung mit Entrüstung zurückgewiesen worden.

 

Seite 3   Einbringung der Ernte gefährdet.

Nach polnischen Feststellungen ist die Einbringung der diesjährigen Ernte im polnischen Verwaltungsgebiet Ostpreußens sowie in den Wojewodschaften Stettin, Köslin, Grünberg und Oppeln ernstlich gefährdet. Das ist auf den Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen. Die in den letzten Jahren vorgenommene gewaltsame Umgestaltung Polens in ein Land mit industriellem Übergewicht hat die Landwirtschaft von den ohnehin knappen Arbeitskräften entblößt. Auf 5000 Staatsgütern und Produktionsgenossenschaften in den Oder-Neiße-Gebieten musste der Einsatz der diesjährigen Erntearbeiten nochmals verschoben werden, weil weder zusätzliche Arbeitskräfte noch landwirtschaftliche Geräte zur Verfügung standen.

 

Seite 4   Übersetzungen deutsch – polnisch.

Unser Leser Dr. A. Rentz, beeidigter Urkundendolmetscher und Übersetzer für die polnische Sprache, empfiehlt sich unseren Lesern für die Übersetzung von Dokumenten (Geburts-, Trauungs- und Sterbe-Urkunden, Entlassungspapiere usw.). Gerade in letzter Zeit verlangen die Behörden für die Bearbeitung der Spätheimkehrer - Entschädigungsanträge deutsche Übersetzungen der in polnischer Sprache ausgestellten Entlassungspapiere, und es kommt oft vor, dass die Spätheimkehrer nicht wissen, an wen sie sich wegen der Übersetzung und Beglaubigung wenden sollen. Für alle diese Fälle hält sich zur Verfügung: Dr. A. Rentz, Mannheim-Sandhofen, Mondgasse 17.

 

Seite 4   Aufruf an die heimatvertriebene Landjugend.

Mit großer Sorge beobachten wir alle das beängstigende Schwinden unseres bäuerlichen Standes! Nur einem Teil ist es gelungen, wieder sesshaft zu werden. Auf Baugerüsten, in Fabriken oder wo sonst immer unsere Jugend den Lebensunterhalt verdient, ist ihr bäuerliches Berufserbe einer starken Belastung ausgesetzt. Wenn es auch z. Zt. nicht möglich ist, dass unsere bäuerliche Jugend wieder einen landwirtschaftlichen Beruf erlernt, so müssen wir wenigstens für eine Erziehung im bäuerlichen Sinne sorgen. Aber auch die bereits sesshaft gewordene bäuerliche Jugend bedarf der Fortbildung. Ohne ein gefestigtes Bauerntum ist der Kampf um unsere Heimat nicht zum guten Ende zu führen.

 

Die Ackermann-Gemeinde ruft deshalb alle heimatvertriebenen Burschen, die sich mit der Scholle und dem Bauerntum noch verbunden fühlen, zu einem 4-wöchigen Bauernschullehrgang im Januar 1957 auf. Wir haben bereits 3 solche Lehrgänge mit gutem Erfolg durchgeführt und hoffen, dass auch im Jahre 1957 unsere heimatvertriebenen Burschen unserem Aufruf Folge leisten werden. Der Lehrgang findet in Eichstätt/Bayern statt.

 

Was kostet der 4-wöchige Lehrgang? Die Fahrtkosten werden voll vergütet. Für Unterkunft, Verpflegung, Tagungsbeitrag für die gesamte Zeit sind etwa DM 50,-- zu entrichten. In besonderen Notfällen kann auf Antrag eine Ermäßigung gewährt werden.

 

Wer also an dem Bauernschullehrgang der Ackermann-Gemeinde Interesse hat, schreibt umgehend eine Postkarte an die Hauptstelle der Ackermann-Gemeinde, München 23, Beichstraße 1. Von dort wird dann Näheres mitgeteilt werden.

 

Heimatvertriebene Landjugend, heimatvertriebene Bauern, unterstützt uns in unserer Sorge um das ostdeutsche Bauerntum!

 

Seite 4   Bankbestätigungen.

Die Geschäftsführer der früheren ostpreußischen Filialen der Deutschen Bank Königsberg, Allenstein, Gumbinnen, Memel und Tilsit befinden sich bei der Auskunftstelle Süddeutsche Bank AG. Filiale Coburg in Coburg. Kunden der genannten ostpreußischen Filialen, die noch Saldenbestätigungen, Depotbestätigungen etc. zur Anmeldung ihrer RM-Werte benötigen, wollen sich nach Coburg wenden.

 

Seite 4   Landhunger ist nicht zu stillen. 24 359 Siedlerstellen hat Niedersachsen trotzdem geschaffen.

Zu den unumstößlichen Gesetzen der Volkswirtschaft gehört, dass Grund und Boden nicht vermehrbar sind. Was das für Westdeutschland bedeutet, wo rund 50 Millionen Menschen zusammengepfercht sind, haben wir nach dem Kriege ganz besonders erfahren. Hunderttausende von Landwirten — Einheimische, Flüchtlinge und Vertriebene — suchten Höfe oder Siedlerstellen, aber Deutschland ist klein geworden. Trotzdem musste soweit wie möglich versucht werden, Siedlerstellen für Einheimische, Flüchtlinge und Heimatvertriebene zu schaffen, damit nicht noch mehr landverbundene Menschen dem Lande verlorengehen.

 

Ganz in der Stille ist jedoch Erhebliches getan worden, um den Landhunger, wenigstens in geringem Umfange, zu stillen. Seit dem Inkrafttreten des Flüchtlingssiedlungsgesetzes 1949 in Niedersachsen bis zum 31.12.1955 eine Fläche von 138 847 ha mit 24 359 Stellen an Siedler übergeben worden. Davon betrug der Anteil der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen allein 20 798 auf einer Fläche von 118 296 ha. Hiervon entfielen auf Pacht- und Kaufstellen 8 917 und 11881 auf Neusiedlersteilen.

 

Wie schon der Vergleich der Siedlerstellen zu der aufgesiedelten Fläche zeigt, sind nicht nur Vollbauernstellen geschaffen worden. In nicht geringerem Umfange sind auch Landarbeiter-, Handwerker- und Nebenerwerbsstellen mit oftmals recht unterschiedlichen Größen ausgelegt worden.

 

Erheblich sind auch die Mittel, die seit der Währungsreform bis zum 31. Dezember 1955 in Niedersachsen für die Siedlung ausgeschüttet wurden. Insgesamt sind es für Niedersachsen 471 Mill. Mark, von denen rund 176 Mill. auf Landesmittel entfallen, während sich die restliche Summe auf Bundesmittel sowie auf Zuschüsse der Gemeinden und Siedlungsgesellschaften u. a. verteilt. Die Kosten der Siedlung belaufen sich deshalb besonders hoch, weil nicht nur neue Gebäude errichtet werden müssen, sondern auch gleichzeitig für Kanalisation, Wegebau, Aufmessung, installieren von Strom und Wasser gesorgt werden muss.

 

Dennoch, die Siedlung wird nie den großen Landhunger stillen können, der in unserem überbevölkerten Westdeutschland herrscht.

 

Seite 4   10 000 Bauernhöfe für Vertriebene.

Mit 10 000 Bauernhöfen und Siedlerstellen, die seit 1945 für Heimatvertriebene, überwiegend auf aufgeteiltem Großgrundbesitz errichtet worden sind, liegt das Land Schleswig-Holstein nach Mitteilung eines Kieler Regierungssprechers an der Spitze aller Bundesländer. Außerdem seien seit Kriegsende 130 000 staatlich geförderte Neubauwohnungen gebaut worden, und zwar überwiegend für Flüchtlinge. Von den 1,1 Mill. Heimatvertriebenen, die nach 1945 nach Schleswig-Holstein gekommen seien sind 372 000 inzwischen in andere Bundesländer umgesiedelt worden. Trotzdem leben aber im Lande immer noch 50 000 Flüchtlinge in Baracken und Notunterkünften.

 

Seite 4   Steuerfreibetrag für Spätheimkehrer.

Die Finanzverwaltungen haben nunmehr eine Regelung zugelassen, die besagt, dass einem Spätheimkehrer, der nach dem 31. Dezember 1954 zurückgekehrt ist, auch dann für drei Jahre ein steuerfreier Betrag zugebilligt wird, wenn seine Frau bereits drei Jahre vorher den Freibetrag ausgenutzt hat.

 

Seite 4   Hausratsentschädigung und „Möbelkinder. Auch Unverheiratete und Minderjährige haben Anspruch auf Entschädigung.

§295 LAG gibt auch Unverheirateten, die im Zeitpunkt der Schädigung mindestens die Möbel für einen Wohnraum besessen haben, einen Rechtsanspruch auf Hausratsentschädigung. Allerdings wird die Entschädigung hier nur in halber Höhe der üblichen Sätze gezahlt. § 16, 4 des Feststellungsgesetzes und eine entsprechende Weisung des Bundesausgleichsamtes besagt, dass diese Antragsteller die Möbel in Eigentum besessen haben müssen. Bei Antragstellern, die im Zeitpunkt der Schädigung noch minderjährig waren, muss darüber hinaus noch ein besonders strenger Maßstab seitens der Ausgleichsämter angelegt werden.

 

Nun wissen wir, dass bei der Bewilligung derartiger Anträge oft gewisse Ungerechtigkeiten vorkommen, andererseits aber auch die Antragsteller und die herangezogenen Zeugen über den Begriff des Eigentums nicht genau orientiert sind. So glauben die Antragsteller, wenn sie in der elterlichen Wohnung vor der Vertreibung ein eigenes Zimmer bewohnt haben, in jedem Falle entschädigungsberechtigt zu sein. Sie nehmen an, dass die in dem Zimmer befindlichen Möbel ihr Eigentum waren, obwohl eine Eigentumsübertragung, wie sie nach dem Wortlaut des Feststellungsgesetzes notwendig ist, nie stattgefunden hat.

 

Wenn auch jeder Fall individuell verschieden liegen wird, so können wir unseren Landsleuten doch in großen Zügen Aufklärung über den rechtlichen Begriff „Eigentum" im vorgenannten Sinne geben. Im Normalfall sind die im eigenen Zimmer befindlichen Möbel der Kinder nach wie vor Eigentum der Eltern. Kann nun aber der Nachweis erbracht werden, dass Gegenstände mit selbstverdientem Geld erworben wurden, so liegt zweifellos Eigentum vor. Dazu wäre zum Beispiel nachzuweisen, dass der Antragsteller eine entsprechende Zeit ein Einkommen hatte, aus dem er die Anschaffung bestreiten konnte.

 

Hat die Tochter von den Eltern Aussteuermöbel erhalten, so sind diese Eigentum des Kindes. Eine Aussteuer wird dem Kind im Jahr der Hochzeit zur Gründung eines eigenen Hausstandes, aber auch dem Sohn, der bald das Elternhaus verlässt, gegeben. Dieser Hausrat muss von den Ämtern als Eigentum des Kindes anerkannt werden, wenn die Möbel nachweislich als Aussteuer angeschafft und es dem Kind freistand, frei darüber zu verfügen.

 

Wird der Nachweis erbracht, dass der Hausrat, der zweifellos für den späteren Haushalt des Kindes bestimmt war, mit Mitteln angeschafft wurde, die dem Kind persönlich gehörten, zum Beispiel Geschenke oder Erbschaft, so sind die Möbel in jedem Falle als Eigentum des Kindes anzuerkennen. Alles ist natürlich Auslegungssache und die Entscheidung der Ämter wird durch einwandfreie Zeugenaussagen wesentlich erleichtert.

 

Seite 4   Unsere Heimat heute.

Ärger in Allenstein.

In der Allensteiner Fabrik für Haushaltsgeräte herrschen — wie aus polnischen Zeitungsberichten hervorgeht — „mangelhafte hygienische Verhältnisse". So fehlen vor allem Waschräume und Garderoben. Die Arbeiter haben nirgends Gelegenheit, sich wenigstens die Hände zu waschen. Nachdem bereits von der Belegschaft Abhilfe gefordert worden war, kam es jetzt wegen der Nichtbeachtung dieser Wünsche zu einer Protestversammlung. Dabei kam auch zur Sprache, dass das Werk schon seit Jahren so schlechtes Material erhält „das wir praktisch einfach nicht anders können, als viel Ausschuss zu produzieren". Auch gegen eine Lohnsenkung, die infolge der hohen Ausschussquote erfolgte, wurde protestiert. Die Arbeiter waren so erregt, dass die Betriebs- und die Parteileitung sofortige Abhilfe versprach. Unter der Belegschaft befinden sich auch eine Menge Deutscher.

 

Seite 4   Handarbeit.

Den Einzel- und Staatsbauern im östlichen Teil des Kreises Sensburg wurde mitgeteilt, dass sie dieses Jahr nicht mit Hilfe der Maschinenausleihstation in „Nowy Talty" (NeuTalten) rechnen können. Es heißt, dass das umfangreiche Reparaturprogramm an den im letzten Winter verkommenen Mähmaschinen usw. nicht bewältigt werden konnte. Wie aus der Benachrichtigung hervorgeht, hat die Station im Winter alle landwirtschaftlichen Maschinen im Freien stehengelassen.

 

Seite 4   Heute in Goldap.

Junge deutsche Paare, die zu heiraten beabsichtigten, wurden aufgefordert, sie müssten vorher erst die polnische Staatsbürgerschaft annehmen. Nur unter dieser Voraussetzung sei eine Eheschließung möglich. Auch aus anderen ostpreußischen Gebieten wird berichtet, dass ohne Option jede standesamtliche Trauung für Deutsche verweigert wird.

 

Seite 4   Flugzeuge gegen Waldschädlinge.

Die Abteilung „Forstwirtschaftlicher Luftdienst" der Warschauer Luftfahrtgesellschaft trägt sich mit Plänen, gegen die in Ostpreußen, dem Bialystocker Gebiet und in Westpreußen vermehrt auftretenden Baumschädlingen mit Flugzeugen zu bekämpfen. Erfahrungen sammelte man erst kürzlich in Bulgarien, wo polnische Flieger große Waldgebiete mit chemischen Mitteln bestäubten, die ebenfalls sehr unter Befall von Waldschädlingen zu leiden hatten. Wann ein Einsatz in Ostpreußen erfolgen soll, ist noch nicht bekannt. Anscheinend will man das Ende der Urlaubs- und Feriensaison abwarten.

 

Seite 4   Wasserpflanzen als Schweinefutter.

Durch Zufall habe man festgestellt, dass die Wasserpflanzen der Masurischen Seen ein ausgezeichnetes Schweinefutter darstellen, berichtet die Warschauer Zeitung „Sztandar Mlodych". Aus diesem Grunde werde nun die Einbringung der Wasserpflanzen für die Schweinemast in großem Umfange aufgenommen werden.

 

Seite 4   Von Sachsen nach Ostpreußen.

In der ostpreußischen Kleinstadt Hohenstein im Landkreis Osterode sind landwirtschaftliche Maschinen und Geräte aus der Sowjetzone eingetroffen. Die Lieferungen kommen aus sächsischen Fabriken und umfassen unter anderem Heuerntemaschinen, Mähbinder sowie Breit-Eggen. In Empfang genommen werden diese mitteldeutschen Exportgüter von der in Hohenstein durch die Polen gegründeten Maschinen- und Traktorenstation, die zwischen Neide und Plautzinger See viele Agrarbetriebe unterstützt. Die Polen hoffen, mit Hilfe dieser Lieferungen die landwirtschaftliche Erzeugung erheblich verbessern zu können. Bisher stand der Hohensteiner Station nur ein kleiner Maschinen- und Gerätepark zur Verfügung. Ebenfalls landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Sowjetzone erwartet die Agrar-Kreiszentrale in Osterode. Noch bis zum Herbst rechnet man mit dem Eintreffen von Kalisalzen aus Thüringen und Stickstoffdüngemitteln wiederum aus Sachsen. Für das nächste Jahr wurde außerdem eine Liefervereinbarung über den Import mitteldeutscher Schädlings - Bekämpfungsmittel abgeschlossen.

 

Seite 4   Polen erleichtert Ausreise.

Die Präsidentin des Polnischen Roten Kreuzes, Frau Domanska, hat dem Präsidenten des DRK, Dr. Weitz, mitgeteilt, dass die Zahl der Transporte zur Familienzusammenführung im September und in den folgenden Monaten des Jahres 1956 vergrößert werden soll. Da das DRK im Juni in den Besprechungen mit dem Polnischen RK eine Verdoppelung dieser Transporte angeregt hatte, kann damit gerechnet werden, dass in den Monaten bis Ende d. J, jeweils 1600 bis 2000 Deutsche aus Polen zu ihren Familien in die Bundesrepublik ausreisen können. Frau Domanska sagte, außerdem zu, dass das Ersuchen des DRK, katholischen deutschen Ordensschwestern die Ausreise in die Bundesrepublik zu gestatten, geprüft werde. Wo die Berechtigung zur Ausreise vorliege, soll positiv entschieden werden. Ferner wurde zugesagt, dass deutsche Familien, die während des Krieges nach Polen evakuiert waren, in die Bundesrepublik zurückkehren dürfen.

 

Seite 4   Richtlinien für Besuchsreisen nach Polen.

Die „Mission der Volksrepublik Polen" (Berlin W, Schlüterstraße 42) hat eine Liste derjenigen Waren veröffentlicht, die Bürger der Bundesrepublik auf eine Besuchsreise nach Polen mitnehmen dürfen. Als Geschenke sind erlaubt: Wecker, Armbanduhren, je zwei Paar Nylon- und Kunstseidenstrümpfe, 1 Kopftuch, 1 Coupon Wollstoff (doppelt breit bis zu 5,5 m oder einfach breit bis zu 7 m), Baumwoll- und Kunst Seidenstoff bis zu 8 m (oder Kleider aus dieser Menge Stoff), 1 Damenhandtasche oder eine Aktentasche, Wäsche und Kinderkleidung bis zu 5 kg, ein Paar Schuhe und 1 Füllfederhalter. Ausgenommen als Geschenke sind Pelze aller Art. Ferner dürfen mitgenommen werden: bis 200 Zigaretten, bis zu 80 Zigarren, 10 kg Lebensmittel, davon bis zu 3 kg Obst, weiterhin Zucker, Süßwaren, Kaffee, Tee und Kakao in gleicher Menge. Auch Arzneimittel mit Ausnahme von Opiaten sind bis zu 2 kg zollfrei.

 

Seite 4   Gesellschaftsreisen in die Ostgebiete.

Nach den Angaben eines Amberger Reisebüros wird es von Mitte November an wieder möglich sein, nach Schlesien und Porten zu reisen. Das Reisebüro, das als erstes in der Bundesrepublik den Reiseverkehr in die Tschechoslowakei in sein Programm aufgenommen hat, will am 16. November die erste Fahrt von Amberg aus über die CSR nach Schlesien, und zwar nach Breslau, Gleiwitz, Beuthen und Kattowitz unternehmen. Entsprechende Verhandlungen mit den zuständigen Behörden seien, so gibt das Reisebüro bekannt, erfolgreich gewesen.

 

Seite 4   Einreisegenehmigung rechtzeitig.

Anträge auf Einreisegenehmigungen für Verwandte, die besuchsweise aus den Ostblockstaaten, wie CSR, Polen (einschließlich der zur Zeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete), Ungarn, Rumänien und Bulgarien, in die Bundesrepublik kommen wollen, sind nicht mehr beim Bundesminister des Innern in Bonn, sondern von den Angehörigen in der Bundesrepublik bei der für den Besuchsort zuständigen Ausländerbehörde einzureichen. Die Anträge müssen mindestens 6 bis 8 Wochen vor dem geplanten Antritt der Besuchsreise gestellt werden.

 

Seite 4   Auch Erben anspruchsberechtigt.

Der Bundestag stimmte einem Änderungsgesetz zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz zu, durch das jetzt die Erben verstorbener Kriegsgefangener ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage Anspruch auf Auszahlung der Kriegsgefangenenentschädigung erheben können. Außerdem gibt das Gesetz denjenigen Anspruchsberechtigten, die es bisher versäumt haben, einen Antrag auf Auszahlung der Entschädigung zu stellen, nochmals die Möglichkeit, den Antrag einzureichen.

 

Seite 4   6000 Flüchtlingsbetriebe.

Im Bundesgebiet gibt es gegenwärtig annähernd 6 000 Industrieunternehmen der Vertriebenen. Das stellte die Lastenausgleichsbank fest. In diesen Firmen sind 165 000 Arbeitnehmer — das sind 2,7 Prozent aller industriellen Arbeitnehmer des Bundesgebietes — beschäftigt.

 

Seite 4   Zuzugsbeschränkungen.

Die bisher für Warschau und Nowa Huta bestehende Zuzugsbeschränkung ist auf 16 weitere Städte ausgedehnt worden. Darunter fallen auch ostdeutsche Städte wie Hindenburg, Beuthen, Gleiwitz und Kattowitz sowie Danzig und Zoppot. Demgegenüber ist ein Zuzug nach Stettin und Breslau erwünscht. Polnische Zeitungen schreiben, es sei beklagenswert, dass es immer noch Menschen gäbe, die sich aus Mangel an Vertrauen in die Stabilität der „Volksmacht“ nicht in den „polnischen Westgebieten“ festsetzen wollen. Neben einer stärkeren Kontrolle der Stadtbevölkerung nach dem Aufstand in Posen bezweckt die Zuzugsbeschränkung der Landflucht zu steuern.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der „Ostpreußen-Warte“. Nummer 8. Oktober 1956.

Unvergessliche Stadt. Ein Lob auf Danzig.

Diese Stadt ist unvergleichlich. Die Aussicht auf den Bergen, und in den Gärten; die Gegend von Oliva; der Wohlstand der Bauern im Werder und anderen zur Stadt gehörigen Dörfern; der Blick auf die See; das Große der segelnden Schiffe; das Gewühl unzähliger Fremder aus allen Nationen, Kaufleute, Schiffer, Arbeiter — mir ist das alles, als hätte ich es noch nie gesehen; so sehr scheint es dieser Stadt eigentümlich zu sein. Hermes (1771)

 

Danzig liegt paradiesisch in einem Garten. Seine Umgebung vereinigt Reize und Naturschönheiten, wie man sie sonst nirgends in Deutschland vereinigt findet. Es verschmilzt hier das Großartige der Meeresanschauung und des Seelebens auf eine überaus wohltuende Weise mit belebten Strömen, bewaldeten Höhen, lieblichen Tälern, Landseen und Dorfschaften, in welches stilles romantisches Fischer- und Landleben mit Hammerwerken und lautem rührigem Fabriktreiben wechselt, so dass man, je nachdem man auf einem Höhenpunkte das Auge weidet, bald im Samlande, bald auf Rügen, bald in Thüringen, bald im Harze oder in den Ausgangstälern des Schwarzwaldes zu sein glaubt. Cornelius (1836)

 

Die Hauptstraßen in Danzig sind breit; in dem Raum zwischen den beiden einander gegenüberliegenden Häuserreihen könnten zwei, ja drei Kutschen bequem nebeneinander hinfahren und zu beiden Seiten bliebe noch Platz für einen mit Platten belegten Fußweg. Und dennoch ist die eigentliche fahr- und gangbare Straße durchweg so enge, dass ein recht gut eingefahrener Kutscher es nicht immer vermeiden kann, mit seinem ihm entgegenkommenden Kollegen in unangenehme Kollision zu geraten. Die in solch einen Wirrwarr hineinkommenden Fußgänger aber haben genug zu tun, um ihre gesunden Gliedmaßen zu salvieren.

 

Die Beischläge vor allen Häusern sind die alleinige Ursache dieser seltsamen Erscheinung. Balkone sind diese Beischläge nicht, eher möchte ich geräumige, ziemlich breite Terrassen sie nennen, die, mit großen Steinplatten belegt, längs der Front des Hauses sich hinziehen, zu denen einige breite bequeme Stufen hinaufführen und die straßenwärts mit eisernen Brustwehren versehen sind.

 

Zwischen den aneinanderstoßenden Beischlägen der zunächst benachbarten Häuser bilden vier bis fünf Fuß hohe Mauern die Grenze; blecherne Röhren führen der auf derselben ruhenden steinernen Rinne das Regenwasser von den Dächern zu, die diese durch den Rachen kolossaler, zuweilen recht kunstreich in Stein gehauener Walfisch- oder Delphinköpfe wieder ausströmen lässt.

 

Und welch einen Spielplatz bot in meiner Jugend der Beischlag den Kindern! So sicher, so bequem! Dicht unter den Augen der oben am Fenster nähenden und strickenden Mutter, die zuweilen es nicht verschmähte, mitten unter ihnen des milden Abends zu genießen. Bei leidlichem Wetter brachten wir mit unseren Gespielen alle unsere Freistunden in diesem Asyl zu, das noch den unschätzbaren Vorzug besaß, dass wir unseres lärmenden Treibens wegen weniger gescholten wurden, weil es hier bei weitem nicht so lästig wurde, als im Hause selbst. Johanna Schopenhauer (1830)

 

Seite 5   Der Elch. Unser Titelbild.

Der kurzhalsige, hochbeinige, ramnasige und plumpe Elch ist der Riese unter den Hirschen. Er erreicht eine Länge von drei Metern und eine Schulterhöhe von zweieinhalb Metern. Besonders charakteristisch sind die überhängende Muffel, der lange Kinnbart und das gewaltige Schaufelgeweih. Noch im 18. Jahrhundert durchstreifte der Elch die Wälder Sachsens und Schlesiens, heute hat er in Deutschland überhaupt keine Freistatt mehr. Die letzten Elche, die auf der Kurischen Nehrung lebten, sind den Wilderern zum Opfer gefallen. Aber er lebt noch in den sumpfigen und morastigen Wäldern Norwegens, Schwedens, Russlands, Sibiriens und in Nordamerika. Je undurchdringlicher, vermoorter und wilder der Wald ist, umso wohler fühlt er sich. Die geringste Störung durch den Menschen kann ihn vertreiben. Der gewaltige Kerl ist im Grunde seines Wesens gutmütig, dabei sehr unbeholfen, wenig anpassungsfähig und ziemlich eigensinnig. Die fortschreitende Landkultivierung verengt seinen Lebensraum unaufhaltsam.

 

Der Elch, der sich von Laub, Gezweig, Wasser- und Sumpfpflanzen und von junger Rinde nährt, lebt Sommers über gerne einzeln, der Hirsch für sich, das Mutterwild mit den Kälbern, und schlägt sich nur Winters über zu stärkeren Rudeln zusammen, um der Wolfsgefahr begegnen zu können. Bei den Elchen — gerade umgekehrt wie bei den Rothirschen — sind die Bullen bedeutend vertraglicher als die Kühe und kümmern sich sogar um verwaiste Kälber.

 

Im Mittelalter glaubte man fest daran, dass ein Koller aus Elenhaupt hieb- und stichfest mache. Die Menschen verwendeten damals auch die Elenklauen als Heilmittel gegen vielerlei Krankheiten.

(Aus „Tiere erlebt und belauscht", C. Bertelsmann Verlag. Gütersloh).

 

Seite 5   Das Lied vom Elch. Worte und Weise mündlich überliefert aus Nordostpreußen.

 

Abends treten Elche von den Dünen,

ziehen von der Palve an den Strand,

wenn die Nacht wie eine gute Mutter

leise deckt ihr Tuch auf Haff und Land.

 

Ruhig trinken sie vom großen Wasser,

darin Sterne wie am Himmel stehn,

und sie heben ihre mächt'gen Köpfe

lautlos in des Sommerwindes Wehn.

 

Langsam schreiten wieder sie von dannen,

Tiere einer längst vergang'nen Zeit,

und sie schwinden in der Ferne Nebel

wie im hohen Tor der Ewigkeit.

 

Seite 5   Westpreußischer Rundbrief.

Für alle interessierten westpreußischen Mädel und Jungen gibt die DJO-Bundesgruppe Westpreußen Bonn, Leipziger Straße 3, kostenlos einen Rundbrief heraus, der in erzählender Form heimatkundliche Beiträge enthält und als Bindeglied aller westpreußischen Jugendlichen anzusehen ist. Westpreußische Mädel und Jungen in der DJO bitte, meldet Euch!

 

Seite 5  

Drücke den Pfeil zu schnelle nicht ab, der nimmer zurückkehrt:

Glück zu rauben ist leicht; wiederzugeben so schwer. Johann Gottfried Herder

 

Seite 5   Wir basteln im Herbst (Foto).

Das alles können wir mit Kastanien basteln! Storch und Wiege, Korb und Pilze und Männchen jeder Art. Habt ihr es auch schon einmal versucht? Wenn nicht, dann aber ran! Das Material liegt auf der Straße, und ein Taschenmesser hat jeder von euch. Weitere Möglichkeiten bieten Eicheln und Hagebutten. Herrliche Halsketten lassen sich aus reifen Sonnenblumenkernen fertigen; einen Faden in der Länge der gewünschten Kette und eine Nadel, mehr braucht ihr nicht dazu. Und nun an die Arbeit. Wir wünschen ein gutes Gelingen und viel Spaß dabei.

 

Seite 5   Aus Bund und Gruppen.

Kulturwoche verschoben.

Die für die Zeit vom 13. bis 21. Oktober in Marburg geplante Kulturwoche der DJO musste aus technischen Gründen verschoben v/erden. Sie soll während der Osterferien des kommenden Jahres durchgeführt werden.

 

Seite 5   Bundesthing der Jungenschaft.

Das Bundesthing der Jungenschaft innerhalb der DJO findet am 27. und 28. Oktober auf dem Heiligenhof, Bad Kissingen statt.

 

Seite 5   Ostdeutsche Musizierwoche.

Gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Haus- und Jugendmusik führt die DJO vom 10. bis 17. Oktober eine Ostdeutsche Musizierwoche in Marburg durch. Sie steht unter der Leitung von Werner Gneist. Anmeldungen an den Arbeitskreis für Haus- und Jugendmusik, Kassel-Wilhelmshöhe, Heinrich-Schütz-Allee 35

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. 7. Fortsetzung.

Auch Wolf fühlte sich ergriffen und im Innersten erfreut. Nicht nur um Jorges, sondern auch um seiner selbst willen. Denn er wusste nur zu gut, was die Genossen seinem Schützling antaten, galt auch ihm. Und Vertrauen ist der wertvollste Schatz, den ein Mensch erwerben kann. So dankte er allen Strutern mit herzlichen Worten, Unsatrape aber mit einem festen Druck der Hand.

 

„Und jetzt, liebe Freunde", so fuhr er fort, „lasst uns unsre Tagfahrt beginnen“.

 

Wieder nahmen sie alle im Kreise auf dem frischen Rasen Platz. Wolf hatte sich neben Unsatrape gesetzt und Jörge stellte sich hinter ihn. Das aber behagte Tönnchen nicht. Er schnitt grimmige Gebärden und fuchtelte mit den Händen, um dem Knaben zu bedeuten, er solle in der Reihe der anderen niedersitzen. Wolf lachte, winkte aber mit der Hand ab.

 

„Lass mir den Jungen, Tönnchen! Er weiß, was einem Knappen ziemt. Doch setzen magst du dich, Jörge. Es wird lange dauern“.

 

Als Jörge dem Geheiß gefolgt war, wurde es still und alle Augen blickten auf Wolf. Das war das seltsame in diesem Kreise von Männern, die nun schon seit langen Jahren im bittersten Heidenkampf standen, jeder für sich selbst und doch gemeinsam; jeder frei und doch selbst gebunden. Sie würden alle, und nicht zuletzt Wolf selbst erstaunt aufgeblickt haben, wenn einer sie gefragt hätte, ob Wolf ihr Führer wäre. Nein, das war er nicht; denn niemand hatte ihn dazu gewählt noch bestellt durch Brief und Siegel. Und doch war er's, denn sie folgten ihm alle, ohne sich große Rechenschaft davon zu geben. Denn was sie zwang, war allein die überlegene Kraft der Gesinnung und der Tat. Ihr beugt sich frei und willig jeder Mensch, der gradwüchsig ist im Denken und Fühlen. Wolf aber nahm die Gefolgschaft an, wie sie ihm geboten wurde. Er führte mit dem Recht, das sich von selbst versteht. Doch wusste er seine Macht mit klugem Maß zu üben. Wolf sprach:

 

„Viele Siege haben wir nun errungen, unzählig sind die Heldentaten, deren Ruhm allein das Rauschen der Wildnis singt, und doch haben wir es nicht hindern können, dass der listige Feind immer wieder unsre dünne Wehr durchbricht und mit Raub, Mord und Brand in christlichen Landen wütet. Darum frage ich euch, Genossen: soll das immer so weitergehen? Muss dem nicht ein Schluss gesetzt werden?"

 

Wolf hielt inne und blickte forschend um sich. Alle Struter nickten Zustimmung, darum fuhr er fort:

 

„Mich bindet ein Gelöbnis. An jenem Tage, als ich diesen hier fand", seine Linke legte sich bei diesen Worten auf Jörges Schulter, „den einzig Überlebenden seiner Sippe, als ich den Rauch aus den Trümmern eines friedlichen Dorfes stumme Klage zum Himmel emportragen sah; als ich vor den Erschlagenen stand, deren Blut die Erde trank, da schwor ich: übers Jahr soll der Kampf mit den Sudauern beendet sein. Das Jahr der Entscheidung ist da. Nun frage ich euch, liebe Genossen, wollt ihr mir helfen, dass ich meinen Schwur wahrmachen kann?"

 

Dieses Mal blieb es stumm in dem Kreis, und nachdenklich blickten die Struter vor sich hin. Nur der rote Willim schaute zu Wolf hinüber und sprach in seiner ruhigen, entschlossenen Art: „Wolf, ich hörte an jenem Tage deinen Schwur mit diesen meinen Ohren. Ich und meine Leute stimmten dir aus vollem Herzen zu. Drum, was du auch unternehmen willst, wir stehen zu dir“.

 

Jetzt sprach der Leichengraf, ohne sich zu regen, und nur zwei Worte sprach er: „Ich auch!"

 

Da kam Bewegung in die andern. Viele schickten sich an, zu reden, aber Matz Schluck kam ihnen zuvor.

 

„Verstehe uns recht, Wolf", sagte er voll Eifer, „wir stehen alle zu dir, da bedarf es keiner langen Rede“. „Nicht einmal einer so langen wie Leichengrafs Rede", fuhr Tönnchen spottend dazwischen.

 

„Ja! Und ich wünsche, auch deine Rede wäre nicht länger als dein Fass von Leib, dafür aber nicht weniger gewichtig. Doch lasst uns nun erst bleiben, Genossen. Du, Wolf, deute es nicht falsch, dass wir dir nicht sogleich lauten Beifall gaben. Was du planst, ist so groß, da hat unsereins tagelang darüber nachzudenken. Du aber wirfst es uns ins Gesicht, so mit drei Worten, dass es uns an den Schädel haut wie eine preußische Keule. Und da soll man nicht ein bisschen benommen sein?"

 

Hier aber sprang Gockel dazwischen:

 

„Ach, Matz Schluck! Du redest vom Kampf, der aufhören soll, und meinst doch nur die Beute!"

 

Wieder lachten die Struter, denn jeder wusste, dass Matz Schluck ins Herz getroffen war. Mühsam nur vermochte er den Stich abzuwehren: „Krähe du nur auf deinem eigenen Mist, Gockel! Groß genug ist der Haufen!"

 

„Zugegeben, Matz. Aber ich krähe wenigstens gerade heraus und nicht drum herum, wie du, alter Heuchler!"

 

Jetzt unterbrach Unsatrapes tiefe Stimme das muntere Wortgefecht der beiden, die im Übrigen die besten Freunde waren, und führte das Gespräch wieder auf den Weg der ernsten Beratung zurück.

 

„Ich verstehe dich, Matz Schluck. Es ist nicht jedem gegeben, nach so langen Jahren des Krieges, ihrer zwanzig sind, es bei mir wieder zurückzufinden, zu den Werken des Friedens. Aber mag er sich trösten. Heute sind es die Sudauer, die gegen die Christenheit stehen. Der Feind von morgen wird stärker und furchtbarer sein. Ihr wisst, im Norden und weit nach Osten lebt noch ein anderes Volk, die Litauer, das um ein Vielfaches zahlreicher ist als Skomands Stamm, aber nicht weniger verstockt in der Finsternis des Heidentums beharrt. Wer für unseren Herrn Christus das Schwert schwingen will, wird darum nicht zu sorgen brauchen, dass es Rost ansetze. Aber darin pflichte ich Wolf bei: wir können nicht Jahr um Jahr dem Raubgesindel nur auf die Finger klopfen; wenn es hoch kommt, einige erschlagen und ihnen die Beute wieder abjagen. Und immer gegenwärtig sein, dass sie aus einem anderen Loch wieder hervorbrechen. Nein, einmal muss das ganze Nest ausgeräuchert werden. Aber wie? Das sage du uns, Wolf!"

 

„Ja, wie?" rief es rundum.

 

Wolf überlegte einen kurzen Augenblick, dann erwiderte er scharf und bestimmt:

 

„Wir müssen Skomand in unsere Gewalt bringen, lebendig oder tot!"

 

Das Wort riss sie alle hoch, jeder rief und jeder schrie, dass es wie ein Hagelschauer von Fragen und Ausrufen auf Wolf herniederprasselte. Der aber saß da, ruhig und gelassen, und schaute mit leisem Lächeln in die erregten Gesichter. Endlich winkte er mit der Hand, und es wurde wieder still.

 

„Liebe Freunde, ich hörte den einen von euch sagen, so klug wäret ihr auch. Und die anderen schreien mir ins Ohr: Wie willst du's anstellen? Nun wohl, ich pflichte euch bei: das, was ist leicht, aber erst beim ,wie beginnt die Kunst. Es ist leicht, das Ziel zu stecken: schlagt Skomand und Sudauen ist geschlagen. Niemand zweifelt daran. Aber mit Recht haltet ihr mir entgegen: das wissen wir, seitdem dieser Krieg währt, und die Herren vom Orden wissen es auch. Haben nicht sie, wie wir, es immer wieder versucht, dieses Ziel zu erreichen? Gewiss, aber ohne Erfolg! Darum sage ich euch, wir sind bisher auf falschem Wege gewesen, wir müssen einen neuen suchen“.

 

„Willst du", fiel Nikel Eisenhut hier ein, „dass der Orden wieder ein großes Heer entsende? Denke an die Schlacht vor drei Jahren am Spirdingsee. Sie war ein Sieg, doch wo blieb die Ernte“.

 

Du hast recht, Nikel Eisenhut. Wenn ein Land nicht nur durch seine Söhne verteidigt wird, sondern sich selbst verteidigt, wie dieses, durch seine Wildnis, Hügel, Seen und Sümpfe, da ist mit Heeresmacht nichts zu erreichen. Da gibt es nur eines: Ein Mann muss ausziehen, Skomand zu erschlagen!"

 

Die Struter erstarrten. Endlich ließ sich Idweto vernehmen, aber seine Stimme klang leise und scheu:

 

„Ein Mann allein?"

 

„Ja", nickte Wolf, „ein Mann allein!“

 

„Und ..." Idweto vermochte seine Frage nicht zu vollenden.

 

„Wer?... Ich!"

Fortsetzung folgt

 

Seite 6  

Ein Tor, der klaget

Stets andre an!

Sich selbst anklaget

Ein halb schon weiser Mann!

Nicht sich, nicht andre klaget

Der Weise an.

J. Gottfr. Herder

 

Seite 6   Liebe Freunde!

„Mit altem Kurs weiter! Die Kogge liegt richtig! Alles Zeug oben lassen, wie der Sturm auch heult! Keinen Zentimeter Leinwand reifen!“ so schreibt uns Hermann G. aus Hbg. Zustimmend zum bisherigen Kurs der Kogge äußern sich auch die anderen Freunde, von denen wir auf unsere letzte Umfrage Post erhielten. Gelegentliche Anregungen für Bastelarbeiten wurden gewünscht, damit die Kleineren unter den Kogge-Lesern nicht zu kurz kommen. Das lässt sich machen. Die ersten Anregungen findet Ihr bereits in dieser Folge.

 

Eine Bitte: schreibt uns weiter Eure Wünsche! Wir werden sie, soweit es uns möglich ist, erfüllen.

 

Gute Fahrt! Euer Hanns.

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats. Daniel Chodowiecki.

Foto: Daniel Chodowiecki: Ölbild v. Anton Graf

Als Sohn eines Kaufmanns wurde Daniel Chodowiecki am 16. Oktober 1726 in Danzig geboren. Gleichfalls zum Kaufmannsberuf bestimmt, spürte er schon früh einen starken Hang zur Malerei in sich. Die erste Anleitung erhielt er von seinem Vater, der, wie er in seiner Selbstbiographie berichtet, „zu seinem Vergnügen in Miniatur malte". Nach dem frühen Tode des Vaters nahm sich seine Tante seiner Begabung an. Ohne rechte Ausbildung errang er, als Buchhalter bei seinem Onkel tätig, seine ersten Erfolge, indem er Miniaturbilderchen für Tabaksdosen malte, die sein Onkel vertrieb. Doch fand er in dieser Beschäftigung keine rechte Befriedigung; sie brachte ihm jedoch so viel ein, dass er einen eigenen Hausstand gründen und nebenher seinen zeichnerischen Studien nachgehen konnte. Wie er diese Studien trieb, zeigt ein Rückblick auf diese Zeit aus seiner Selbstbiographie, die wir nebenstehend im Wortlaut wiedergeben. Chodowiecki entwickelt sich zum Meister der Illustration seiner Zeit, der klassischen Zeit der deutschen Literaturgeschichte. Seine Blätter zu „Minna von Barnheim", den „Räubern" und Cenvantes „Don Quijote" sind wohl die bekanntesten. Seine Radierkunst kam vor allem der in Blüte stehenden Kalenderliteratur zugute. Als Vorbilder Chodowieckis dürfen Wetteau und Boucher gelten. Lavater, Chodowieckis Zeitgenosse, brach beim Anblick seiner Radierung „Les adieux de Calas" in begeisterte Anerkennung aus: „Eines der herrlichsten, natürlichsten, kräftigsten Stücke!" Frühzeitig ist er nach Berlin gegangen, wo man bald auf ihn aufmerksam wurde. Seit 1764 gehörte er der Berliner Akademie der Künste an und wurde 1793 ihr Direktor. Seine Kunst hat stark auf die Entwicklung der Genre-Malerei bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts hinein gewirkt. Seiner Vaterstadt Danzig hat er ein unvergängliches Denkmal in den zahlreichen Blättern aus dem „Tagebuch der Danziger Reise" (1773) gesetzt. Von jener Reise berichtet die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer mit Stolz, dass ihr als kleines Kind das Glück wurde, von dem Meister in Danzig porträtiert zu werden, und zahlreiche andere Damen der Danziger Gesellschaft waren eifersüchtig auf die Ehre, während seines Aufenthaltes in der Vaterstadt ihm zu einem Konterfey sitzen zu dürfen. — Chodowiecki starb am 27.02.1801 in Berlin.

 

Seite 6   Aus Danzigs Vergangenheit.

Merkwürdigkeiten der Marienkirche.

Über der Hedwigskapelle in der Marienkirche zu Danzig befand sich ein in Holz geschnitztes Bild des Gekreuzigten von so unübertrefflicher Schönheit, dass man es keinem geringeren Künstler als dem großen Michelangelo glaubte, beilegen zu können. Die Darstellung des schmerzvollen und doch so sanften Hinscheidens ist in der Tat so treu und wahr, dass sie nicht die Nachbildung eines Ideals, sondern der Natur selbst zu sein scheint.

 

So wird denn auch erzählt, dass der Künstler, nachdem er die Anfertigung übernommen und lange vergeblich nach einem ihm genügenden Vorbilde gesucht, endlich einen schönen Jüngling gefunden habe, der ihm in jeder Beziehung dazu geeignet schien. Diesen habe er, verblendet von der Leidenschaft, ein vollkommenes Kunstwerk zu schaffen, in seine Wohnung gelockt und dort lebendig ans Kreuz geschlagen, dann aber nicht Nacht nicht Tag geruht, bis er das Bild vollendet, und darauf sich selbst das Leben genommen.

 

Noch andere Merkwürdigkeiten bewahrte die Marienkirche, an welche sich wunderbare Sagen knüpfen; so eine äußerst kunstreiche Uhr, ein Meisterwerk des Nürnbergers Hans Düringer, den man nach der Vollendung, damit nicht auch andere Kirchen dergleichen Werke von ihm erhalten könnten, seiner Augen beraubt. Aus Rache soll darauf von ihm das Haupttriebwerk zerstört worden sein. Dann ein aus Ton geformtes Bild der Maria, von welchem berichtet wird, dass ein zum Tode verurteilter Verbrecher es im Gefängnis verfertigt und zum Lohn Begnadigung erhalten habe.

 

Haus „Adam und Eva".

In der Langgasse stand ein Haus, das von dem daran befindlichen Schnitzwerke den Namen Adam und Eva führte. Obwohl es nicht nur in dem schönsten und gesuchtesten Teile der Stadt gelegen, sondern auch ein herrliches Denkmal der Baukunst unserer Altvordern war, so hat es doch lange Jahre hindurch unbewohnt und wüste gestanden, weil es in dem Hause umging. Früher hatte man es öfters zu beziehen versucht, doch zwangen die Geister, welche nicht Nacht nicht Tag Ruhe hielten, immer bald wieder, es zu verlassen. Also kam es, dass es ganz verfallen war, als es in die Hand eines neuen Besitzers geriet, der  es nun wieder herstellen lassen wollte. Aber wenn das Werk beinahe zu Ende war, so ward plötzlich alle Arbeit wieder vernichtet gefunden, so dass der Aufbau nie zum Ziel gelangte und zuletzt ganz aufgegeben wurde. Erst in neuesten Zeiten ist es geglückt, ihn wirklich ganz zu vollführen und das Haus bewohnbar zu machen.

 

Noch wird erzählt, dass jeder, der zur Zeit, als die Geister dort noch hausten, darin allein eine Nacht zu schlafen gewagt, morgens an seinem Lager eine gefüllte Börse gefunden habe, mit der Weisung, das darin befindliche Geld, ohne es zu verschenken, bis auf den letzten Pfennig im Laufe des bevorstehenden Tages auszugeben, widrigenfalls ihm das Genick gebrochen werden würde. Die meisten wurden dieser Freigebigkeit, die ihnen mehr Angst und Mühe als Vergnügen bereitete, selbst bald überdrüssig; einige aber, die solche Quelle länger benutzen wollten und sich ihrer bedienten, um den Lüsten zu frönen, wurden in ihrer Aufmerksamkeit auf die gedachte Bedingung bald lässig, was denn auch ihren jählichen Tod nach sich zog.

 

Seite 6   Natur – meine einzige Lehrerin. Aus Chodowieckis Selbstbiographie.

Ich zeichnete nebenher. War ich in Gesellschaft so setzte ich mich so, dass ich die Gesellschaft oder eine Gruppe aus derselben oder auch nur eine einzige Figur übersehen konnte, und zeichnete so geschwind, oder auch mit so vielem Fleiß, als es die Zeit oder die Stetigkeit der Personen erlaubte. Bat niemals um Erlaubnis, sondern suchte es so verstohlen wie möglich zu machen; denn, wenn ein Frauenzimmer (und auch zuweilen Mannspersonen) weiß, dass man's zeichnen will, so will es sich angenehm stellen und verdirbt alles, die Stellung wird gezwungen. Ich ließ es mich nicht verdrießen, wenn man mir auch, wenn ich halb fertig war, davonlief; es war doch so viel gewonnen. Was habe ich dabei zuweilen für herrliche Gruppen mit Licht und Schatten, mit allen den Vorzügen, die die Natur, wenn sie sich selbst überlassen ist, vor allen den so gerühmten Idealen hat, in mein Taschenbuch eingetragen! Auch des Abends bei Licht habe ich das oft getan; kein besseres Studium, um große Parteien, Licht und Schatten hervorzubringen. Ich habe stehend, gehend, reitend gezeichnet; ich habe nach Gemälden wenig, nach Gips etwas, viel mehr nach der Natur gezeichnet. Bei ihr fand ich die meiste Befriedigung, den meisten Nutzen; sie ist meine einzige Lehrerin, meine einzige Führerin, meine Wohltäterin.

 

Seite 6   Weißt du ...

. . . dass die besten „Kunden" des Krantores in Danzig, das zum Einsetzen von Schiffsmasten diente, in früheren Zeiten nicht Seeschiffe, sondern Weichselkähne waren. Sie kamen ohne Masten mit der Strömung die Weichsel herab und fuhren mit dem Winde wieder den Strom aufwärts.

 

. . . dass das berühmte Altargemälde von Hans Memling „Das jüngste Gericht" auf eigentümliche Weise in die Danziger Marienkirche kam. Es wurde von dem Danziger Kaperkapitän Paul Brennecke 1473 auf einer Kreuzfahrt erbeutet und nach Danzig gebracht.

 

Seite 7   Als ob er mit dem Pferd zusammengehörte. Reitlehrer Max Adler unterrichtet Mensch und Tier – Voltigiergruppe mit 20 Kindern als Krönung seiner Arbeit.

2 Fotos: Die Bilder zeigen den Reitlehrer Max Adler aus Insterburg (oben) und seine Voltigiergruppe in der Selsinger Reithalle (unten) Aufnahmen: Jaquet

Während der ländlichen Reit- und Fahrturniere im Kreis Bremervörde vor zwei Jahren fiel eine Einlage immer wieder besonders auf: Max Adler aus Selsingen mit seiner Dressurnummer. Es waren Höhepunkte und reitsportliche Demonstrationen zugleich, wenn Max Adler, der frühere ostpreußische Reitlehrer, mit dem Pferd „Anblick" eine bewunderungswürdige Harmonie zwischen Mensch und Tier aufzeigte, die einen glauben lassen konnte, dieser Mensch wäre bereits mit einem Pferd zusammen auf die Welt gekommen. Welche Liebe zur Reiterei und besonders zu den Pferden muss da in einem Menschenherzen Platz gegriffen haben, um sich diesen Dingen mit solchem Idealismus zu verschreiben?

 

Wir glaubten Max Adler durch seine unverkennbare Aussprache als Ostpreußen zu erkennen und fragten ihn nach den einzelnen Stationen seines Lebens. In Pommern geboren, kam er schon mit 14 Jahren zu den Pferden des Grafen Bernstorf, als Kriegsfreiwilliger des ersten Weltkrieges zu den 9. Ulanen und beschloss nach zwölfjähriger Dienstzeit das soldatische Leben bei der Reichswehr.

 

An der damaligen Reit- und Fahrschule in Insterburg, der bekannten Turnierstadt des deutschen Ostens, verdiente sich Max Adler dann die ersten „Sporen" als privater Reitlehrer. Heute lebt und lehrt Max Adler in Selsingen (Kr. Bremervörde). Welch wertvolle Kraft hier tätig ist, erkennen die Mitglieder des Reitvereins Selsingen immer wieder, wenn die Abteilung zweimal wöchentlich zu Reitstunden mit ihrem Reitlehrer zusammenkommt.

 

In Selsingen steht eine geräumige Reithalle zur Verfügung, so dass der Betrieb auch während der Wintermonate niemals ruht. Und der Reitverein Selsingen schätzt sich glücklich, einen derartig begabten und mit der Tierseele verbundenen Pferdepädagogen verpflichtet zu haben. Erst wenige Jahre ist Max Adler an der augenblicklichen Stätte seines Wirkens tätig. Recht bedeutsame Erfolge hat er in der Zeit errungen.

 

Vier bis sechs Pferde — mehr fasst der kleine Stall neben der Reithalle nicht — hat Max Adler ständig in Ausbildung. Die Tiere werden von Bauern zu ihm gebracht. Nach frühestens sechs Wochen hat Max Adler erkannt, ob das jeweilige Tier ein Spring- oder Dressurpferd wird, ja, ob es überhaupt die körperliche Beschaffenheit besitzt, die eventuell zu höherem fähig ist. — So gingen schon vor einem Jahr drei erstklassig zugerittene Pferde nach Columbien. Die vierjährige Stute „Püppi", nur 168 cm groß und ein ausgesprochenes Damenpferd, wurde für einen guten Preis vom Fürsten von Bismarck erworben.

 

„Man konnte mit ‚Püppi‘ sprechen", sagte Max Adler. Es war äußerst anhänglich und ging in der Freiheitsdressur zum Schluss ohne Longe. Es beherrschte schließlich Piaffe und Passage, bewunderungswürdige Gangarten der Hohen Schule! Nur ein halbes Jahr benötigte er für die Ausbildung von „Anblick", der inzwischen an einen bedeutenden Hamburger Turnierstall verkauft worden ist. So ließe sich die Reihe der Erfolge noch eine Weile fortsetzen. Jedenfalls die Bauern als Besitzer der Pferde freuen sich immer wieder, wenn sie für ihre ehemaligen „Ackergäule" nach Max Adlers Ausbildung so gute Preise beim Verkauf erzielen.

 

Die Krönung seiner Reitlehrertätigkeit bedeutete aber die Aufstellung einer Voltigiergruppe vor Jahresfrist. Fast zwanzig Kinder im Alter zwischen acht und vierzehn Jahre aus dem gesamten Kreise Bremervörde kommen wöchentlich einmal nach Selsingen, um sich mit Max Adler und dem Schimmel-Kleinpferd „Möwe" innerhalb einer Voltigierabteilung munter zu tummeln.

 

Auf unsere Frage, was mit der Gruppe bezweckt werden soll, antwortet uns der erfahrene ostpreußische Reitersmann: „Einmal sollen die Kinder Vertrauen zum Pferd gewinnen und dann sollen körperliche Gewandtheit, Mut usw. angeregt werden“. Aus solcher Voltigierabteilung, betonte Max Adler, gehe später einmal der wirklich gute Reiternachwuchs hervor. Und Max Adler muss es schließlich wissen, denn mit seinen 59 Jahren — seit dem 14. Lebensjahr sitzt er im Sattel — besitzt er eine Unmenge Erfahrungen auf allen Gebieten des Reitsports wie auch des Pferdes überhaupt.

 

Die Mädchen und Jungen der Voltigiergruppe haben besonders im letzten Jahre eine große Liebe zu dem kleinen Pferd entwickelt. In der Turniersaison 1956 waren sie fast jeden Sonntag unterwegs. Die vielen Wünsche der Reitvereine, die Gruppe als Schaunummer auf den ländlichen Turnierplätzen auftreten zu lassen, können nicht alle befriedigt werden.

 

Seite 7   Dr. von Etzdorf Botschafter in Ottawa.

Die kanadische Regierung hat dem Gesandten Dr. Hasso von Etzdorf das Agreement als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ottawa erteilt.

 

Dr. von Etzdorf, geboren am 02.03.1900 in Elbing, ist Nachfolger des an die Botschaft in Rio de Janeiro berufenen Botschafters Dr. Dankwort. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und der Geschichte trat er 1938 in den Auswärtigen Dienst. Er war in Tokio, Rom, Palermo und Genua sowie in der Zentrale des früheren Auswärtigen Amts, zuletzt als Vortragender Legitationsrat, tätig.

 

Dr. von Etzdorf, der während des Krieges der Widerstandsbewegung angehörte, betätigte sich nach Kriegsende zunächst freiberuflich. Von 1948 - 1950 arbeitete er im Deutschen Büro für Friedensfragen in Stuttgart und Bonn, anschließend trat er als stellvertretender Leiter der Länderabteilung wieder in den Auswärtigen Dienst. Nach seiner Ernennung zum Ministerialdirigenten im Juni 1953 wurde er im Oktober des gleichen Jahres als Gesandter mit der stellvertretenden Leitung der deutschen Delegation, beim Interimsausschuss für die EVG in Paris beauftragt Seit dem 01.06.1955 ist Dr. von Etzdorf stellvertretender Generalsekretär der Westeuropäischen Union in London.

 

Seite 7   Oberstudiendirektor i. R. Alfred Walsdorff 75 Jahre.

Am 27. September 1956 beging Oberstudiendirektor i. R. Alfred Waldsdorff seinen 75. Geburtstag. An diesem Tage gedachten viele seiner einstigen Schülerinnen und sein ehemaliges Kollegium mit guten Wunsch des Jubilars, der seinen Lebensabend in Wernigerode verbringt, fern der Stätte seiner Wirksamkeit in Königsberg/Preußen.

 

Direktor Waldsdorff besuchte das Altstädtische Gymnasium und studierte an der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. Mathematik, Physik und Latein. Ab 01.04.1908 war er als Oberlehrer an der Königin-Luise-Schule tätig, an der er auch nach dem ersten Weltkrieg in dem er verwundet wurde, bis April 1921 blieb. Dann wurde ihm die Leitung des Hufenlyzeums übertragen, das 1921 staatlich wurde. Er leitete den Erweiterungsbau und den Ausbau der Schule zur Vollanstalt mit nie ermüdendem Eifer und ging erst 1945 nach Salzwedel, wo er die Kapitulation erlebte und bei Wiedereröffnung der Schulen an der dortigen Oberschule kommissarisch beschäftigt wurde. Dann veranlasste die Schulbehörde seine Übersiedlung nach Tangermünde, wo er zum Schulleiter der dortigen Oberschule ernannt wurde. Da sich aber bald ein Augenleiden bei ihm einstellte, das seine Sehkraft stark verminderte und ihm viele Schmerzen bereitete, ging er in den Ruhestand wurde aber zunächst wegen des großen Lehrermangels noch als Lehrer beschäftigt, so lange seine Gesundheit es ihm erlaubte. In Wernigerode schrieb er die Geschichte der Schule auf den Hufen, die zeigt, wie er an seinem Lebenswerk hing, wie er die Jugend für Wandern, Sport und für die Arbeit im Schulgarten, in dem er jeden Baum und Strauch kannte, begeisterte. Möge ihm trotz seines Leidens ein gesegneter Lebensabend beschieden sein! Margarete Wenzel

 

Seite 7   70. Lebensjahr vollendet Segensreiche Tätigkeit in Ostpreußen.

Am 15. September 1956 vollendete Bergrat a. D. Hans Loebner in Hannover, Ellernstraße 4 B, sein 70. Lebensjahr. Der Jubilar — seit dem 1. April ist er im Ruhestand - kann auf eine langjährige, erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken, die ihn für viele Jahre auch nach Ostpreußen geführt hatte. Nachdem er in Oberschlesien arbeitete, war er beim Bernstein-Bergwerk Palmnicken tätig, kam dann zur Hauptverwaltung der Preußag nach Berlin und ging im Jahre 1930 wieder nach Ostpreußen, um in Königsberg als Direktor der Preußag-Zweigniederlassung zu wirken. Er hat sich späterhin sehr verdient gemacht um das Unternehmen und um den Bergbau überhaupt und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

 

Seite 7   Elchförster Quednau gestorben. Sein Leben gehörte dem heimatlichen Wald und dem Elch!

Am 11. September 1956 nahmen in Hamburg-Ohlsdorf Verwandte, ostpreußische Jäger und Freunde Abschied von dem Revierförster Johann Quednau, der in weitesten Kreisen als aufrechter Jäger und Forstmann bekannt und geschätzt war und als Nestor der ostpreußischen grünen Farbe gelten darf. Fast 60 Jahre ist er seinem Beruf in den ostpreußischen Elchrevieren nachgegangen. Viele Jäger, gekrönte Häupter und andere Männer, deren Namen in die deutsche Geschichte eingegangen sind, hat er auf den Edelsten der deutschen Wildbahn, den Elch, geführt. Hochbetagt sprang er auch während des letzten Krieges, als die meisten Beamten zum Frontdienst einberufen waren, wieder in die Bresche, und tat seinen Dienst weiter bis zum bitteren Ende der Vertreibung. Manches von dem, was er der Natur abgelauscht hat, ist zum Nutzen und Frommen seines Waldes und Wildes verwandt worden. Zahlreiche Anerkennungen sind ihm zuteil geworden, so wurde u. a. die von ihm 13 Jahre verwaltete „Försterei Meyruhnen" ihm zu Ehren in „Försterei Quednau" umbenannt. Erst vor 2 Jahren, anlässlich seines 85-jährigen Geburtstages, erhielt er von der Jägerei Hamburgs die Hegenadel des Deutschen Jagdschutzverbandes. Die größte Anerkennung für ihn aber war, wenn man ihn in Kreisen der ostpreußischen Jägerschaft zu denen zählte, denen man den Ehrentitel „Elchvater" gab.

 

Auf seinen Sarg legte der Landesjägermeister von Hamburg, Herr Christian Fries, den letzten grünen Bruch, dann erklang zum Abschied „Jagd vorbei" und „Halali". Dr. W.

 

Seite 7   Der vergilbte Brief / Ein Ostpreuße fand zweimal dieselbe Zufluchtstätte.

Zuweilen wird ein Mensch seltsame Wege geführt, vielleicht sogar weite Strecken entlang, ohne dass er weiß, dass er sie schon einmal gegangen ist. Und manchmal gehört dann nur eine Kleinigkeit dazu, dieses Schicksal aufzudecken, ein Brief vielleicht, der lange in einer Kommode geruht hat. Aber wer sagt denn schon, dass dieser Brief noch einmal hervorgeholt und auch richtig gelesen wird. Und dies zum rechten Zeitpunkt. Viele Kleinigkeiten müssen wohl zusammentreffen, fein abrollen wie Perlen von der Schnur, damit der Anfang wieder gefunden wird.

 

Dieses Spiel hat sich in unseren Tagen das Schicksal mit einem ostpreußischen Bauern gemacht. Der Brief war von seiner Mutter geschrieben, die schon lange nicht mehr lebt, und lag in der Kommode einer alten niedersächsischen Bäuerin. Geschrieben im Sommer 1915 in Lissen bei Angerburg. Es steht darin von Dank für die Aufnahme beim Bauern Plinke. Der Bauer Plinke lebt auch nicht mehr, aber seine Frau Sina Plinke erinnerte sich der ostpreußischen Flüchtlinge von 1914, als im Frühjahr 1945 wieder Einquartierung kam. Dieselben zwei Kammern wurden frei gemacht, wieder kam eine ostpreußische Bauernfamilie aus dem Kreise Angerburg, Albert Jaquet mit Frau und Kind.

 

Und der Brief? Frau Plinke fand ihn eines Tages, als sie ihr irdisches Hab und Gut ordnete; denn sie rechnete damit, dass sie nun nicht mehr lange leben würde. Als der Krieg zu Ende war, zählte sie schon 75 Jahre, ein schönes Stück Leben hatte sie hinter sich gebracht. Und nun war schon wieder eine Reihe Jahre ins Land gegangen. Sie wusste sich vor Staunen kaum zu halten, als sie diesen vergilbten Brief in die Hände bekam, von der Mutter ihres Flüchtlingsbauern geschrieben. Der Bauernhof in Lissen war zerstört, steht darin, die Möbel zerschlagen, die Wäsche verschwunden, gerade ein Bettgestell für die beiden Jungen Albert und Franz besaß sie noch. Albert Jaquet wurde gewahr, dass er als fünf Monate alter Säugling schon einmal als Flüchtling in denselben Zimmern Aufnahme gefunden hatte. Sein Bruder Franz ist im letzten Kriege gefallen, er selbst hat ein Bein verloren und erlernte das Dreherhandwerk, nachdem er bei Frau Sina in Fuhrberg einquartiert war.

 

So seltsam sind zuweilen die Wege, die ein Mensch geführt wird.

 

Seite 7   81-jährige aus Ostpreußen gekommen.

Sie war immerhin schon 70 Jahre alt, als das Kriegsende ihre Familie auseinanderriss. Frau Kruck behielt aber immer die Hoffnung, dass sie ihre Söhne, die nach Westdeutschland gezogen waren, noch einmal wiedersehen würde. Zusammen mit ihrer Tochter war sie in Ostpreußen, in der alten Heimat, geblieben und überstand verhältnismäßig gut die harten Zeiten. Schließlich ging es auf die Reise, zu den Söhnen, die in Hornburg bei Salzgitter leben. Das gab ein freudiges Wiedersehen, und ein weiterer Grund zum Feiern war, dass der 81. Geburtstag vor der Tür stand, den sie zusammen feiern konnten. Auch ihre Tochter war mitgekommen, sodass der Kreis wieder vollständig ist. Die Reise war gewiss nicht leicht, zumal erst ein Sammellager in Pommern passiert werden musste; aber alle Strapazen waren vergessen, als Mutter Kruck sich in den Armen ihrer Söhne sah.

 

Seite 7   DRK vereinte Dirschauer Familie.

Familie Schewe aus Dirschau — Vater, Mutter und zwei Töchter — lebt jetzt in Sande im Kreis Friedland und suchte seit Kriegsende nach einer Spur des einen Sohnes und Bruders, von dem zu hoffen war, dass er noch lebte. Der zweite Sohn war im Kriege gefallen, und wo konnte wohl der erste sein, der als Sechzehnjähriger nach Straßburg zum Arbeitsdienst geholt wurde? Alles Suchen war vergebens, bis jetzt durch die Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes den wartenden Eltern die frohe Kunde überbracht wurde, dass ihr Sohn bei Bruck in Neuberg wohnt. Seine Eltern konnten ihn dort in Oberbayern auch schon besuchen, ihn und seine Familie, die er inzwischen gegründet hat.

 

Seite 7   Verbesserte Lage der Krankenschwestern.

Die im südlichen Ostpreußen noch tätigen deutschen Hebammen und Krankenschwestern sowie anderes ärztliches Hilfspersonal haben vom 1. Juni 1956 ab endlich die seit langem zugesagte Gehaltsaufbesserung erhalten. Bisher hatten die lokalen polnischen Behörden immer mit Erfolg eine menschenwürdige Entlohnung hintertrieben. Nur in wenigen Fällen wurden den Leistungen entsprechende Vergütungen gezahlt. Ein kürzlicher Regierungsbeschluss in Warschau regelte aber jetzt auch endgültig die Gehälter des deutschen Hilfspersonals. In Allenstein musste man sich zu der Erklärung bequemen, dass die Deutschen nicht schlechter als die Polen in diesen Berufen gestellt werden dürften.

 

Seite 7   Nun werden sie Deutsch lernen. Zwei Kinder kamen aus Allenstein.

Edelgard-Ingeborg und Reinhard sind zwei Kinder, die zwar in ihrer Heimat, der Heimat ihrer Väter, aufwuchsen, aber ihrem eigenen Vater fast zu Fremden wurden, denn sie sprechen nun, da sie sich wiedersahen, eine andere Sprache und müssen es erst lernen, die deutschen Worte zu gebrauchen. Aber sie sind jung und werden es schon bald schaffen. Die Hauptsache ist ja, dass es dem Vater gelang, seine Kinder aus Allenstein zu sich zu holen. Zusammen mit 220 Ausgesiedelten aus dem polnisch besetzten Gebiet kamen sie in Friedland an. Auch Frau Klomfaß, ihre Tante, und ihr Großvater Anton Frenschkowski, waren dabei und wurden von dem glücklichen Vater der Kinder, Fritz Tysarzik, begrüßt. Sie haben den Jungen und das Mädchen all die bitteren Nachkriegsjahre hindurch aufgezogen und in Not und Elend, in Hunger- und Kältezeit versorgt. Sie konnten es aber nicht verhindern, dass die Kinder in der polnischen Schule erzogen wurden und nun der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

 

Noch immer liegt Ungewissheit und Leid über dieser Familie. Die Mutter der Kinder brach vor Erschöpfung zusammen, als sie 1945 von den Russen in ein Konzentrationslager verschleppt und erbarmungslos erschossen wurde. Auch ihre Mutter wurde verschleppt, und bis heute hat niemand etwas erfahren, ob sie noch lebt und wo sie sich vielleicht aufhält. Damals war Edelgard noch keine vier Jahre alt und Reinhard noch im Säuglingsalter. Der Großvater nahm sich des Mädchens an, der Junge fand bei der Tante eine Bleibe.

 

Es vergingen Jahre, bis Fritz Tysarzik von dem Schicksal seiner Familie erfuhr. Er war noch während des Krieges als Verwundeter in russische Gefangenschaft geraten und erhielt dort 1948 die ersten Nachrichten. Ein Jahr später wurde er entlassen und kam in den Kreis Alfeld/Leine, nach Lamspringe, wo er Verwandte hat. Sechs Jahre lang hat er sich über das Deutsche Rote Kreuz bemüht, seine Verwandten herholen zu können. Jetzt endlich ist der Tag gekommen, an dem er sie in Empfang nehmen konnte. Edelgard wird bei ihm bleiben, bei ihm und ihrer zweiten Mutter, die sie liebevoll umsorgen wird, damit sie das Leid und die Not ihrer Kindheit vergessen kann. Reinhard soll weiterhin bei seiner Tante bleiben, die von Verwandten in Mönchen-Gladbach aufgenommen wurde.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten auf zu klären.

 

Aus Cranz, Kreis Samland, Graf Keyserlingkstraße 7, wird Hans-Jürgen Stiller, geboren am 19. Februar 1937 in Altheide, Schlesien, gesucht von seiner Mutter Elisabeth Stiller, geborene Donner, geboren am 28 April 1903 in Tarnowo/Posen. Hans-Jürgen Stiller ist im Januar 1947 von Königsberg/Preußen nach Litauen gefahren.

 

Aus Geidau, Kreis Samland wird Willi Hoffmann, geboren am 7. August 1938 oder 1937, gesucht von seinen Schwestern Frieda Hoffmann, geboren am 16. März 1926 und Herta Hoffmann, geboren am 14. September 1927 in Geidau.

 

Aus Gumbinnen, Tilsiter Tor, Städtische Wohnbaracke 1, wird Werner Buttler, geboren am 16. Februar 1941 in Insterburg, gesucht von seiner Tante Helene Wicht, geborene Bussat. Werner Buttler wurde im November 1944 mit seiner Mutter in Osterode/Ostpreußen gesehen.

 

Aus Hirschberg, Kreis Allenstein, bei Familie Sabotta, wird Horst Drews, geboren am 18. September 1938, gesucht von seinem Onkel Anton Drews, geboren am 6. Februar 1911. Die Mutter Anna Drews, geboren am 26. März 1916 wird auch noch gesucht.

 

Aus Klimkau, Kreis Allenstein, werden Reinhold Gedigk, geboren am 14. Dezember 1938 und Erika Gedigk, geboren am 24. November 1935 in Klimkau, gesucht von ihrem Vater Johann Gedigk, geboren am 6. September 1904.

 

Aus Königsberg, Gottschedtstraße 53 oder Dürerstraße 2 wird Detlef Thiel, geboren am 8. Dezember 1938 in Königsberg, gesucht von seinem Vater Willi Thiel, geboren am 18. Oktober 1912 in Königsberg. Die letzte Nachricht von Detlef Thiel war vom Oktober 1949 aus Uderwangen/Ostpreußen, bei Frau Wunderlich.

 

Aus Königsberg, Roonstraße 19 wird Dorothea Wohlgemuth, geboren am 12. August 1936, gesucht von Hermann Wohlgemuth, geboren am 10. September 1905. Die letzte Nachricht von Dorothea Wohlgemuth war vom Februar 1945, und zwar von dem Schiff „Steuben".

 

Aus Königsberg, Simon Wichmannstraße, wird Bernhard Böhm, geboren 1940 in Königsberg, gesucht von seinem Bruder Arthur Böhm, geboren am 1. März 1931.

 

Aus Königsberg, Steile Straße 12, wird Brigitte Sczepansky, geboren am 30. Januar 1939, gesucht von ihrem Vater Erich Sczepansky, geboren am 20. Juni 1915 in Königsberg. Brigitte Sczepansky war 1946 im Waisenhaus in Schaaken/Ostpreußen.

 

Aus Königsberg-Kohlhof, Straße 1064, Nummer 10 wird Wolfgang Herzberg, geboren am 12. März 1943, in Königsberg gesucht von seiner Tante Hildegard Otto, geborene Herzberg. Die Mutter Elli Herzberg, geboren am 28. Februar 1920 wird auch noch gesucht.

 

Aus Königsberg - Ponarth, Dreysestraße 80 wird Gisela Gehlhaar, geboren am 17. Mai 1942,

gesucht von ihrer Tante Friedel Mauer, geborene Gronau. Gisela Gehlhaar war zuletzt mit ihrer Mutter Lotte Gehlhaar, geborene Gronau und ihrer Schwester Brigitte Gehlhaar, die ebenfalls noch vermisst werden, nach Peyse, Kreis Samland evakuiert.

 

Aus Leidtkeim, Kreis Preußisch Eylau werden: Heidemarie Mertins, geboren im Februar 1942, Udo Mertins, geboren am 25. Januar 1941 und Gerhard Mertins, geboren am 6. Dezember 1938, gesucht von ihrem Onkel Hans Mertins.

 

Aus Mantwieden, Kreis Heydekrug, wird Adolf-Siegfried Cipories, geboren am 31. Dezember 1941, gesucht von seiner Mutter Josefa Cipories. Der Knabe wohnte 1944 während der Räumung des Memelgebietes bei den Eheleuten Schluszas aus Mantwieden, Kreis Heydekrug. Frau Schluszas soll das Kind dann in Deutschland in ein Kinderheim gebracht haben.

 

Aus Mehlsack, Kreis Braunsberg. Hospitalstraße 2 oder 5 wird Manfred Schacht, geboren am 16. Dezember 1936 in Berlin, gesucht von seiner Schwester Waltraud Schacht, geboren am 31. August 1934 in Berlin.

 

Aus Pothainen, Kreis Mohrungen wird Horst Keuchel geboren am 10. März 1939, gesucht von seiner Mutter Anna Wist, verwitwete Keuchel, geboren am 5. März 1919 in Nasewitt, Kreis Mohrungen.

 

Aus Preußisch Eylau, Krankenhaus, wird Hubert Birdel, geboren am 26. Juni 1941, gesucht von seiner Mutter Charlotte Mischke. Hubert Birdel kam im Oktober 1944 in das Krankenhaus in Preußisch Eylau.

 

Aus Spiegelberg, Kreis Allenstein werden Josef Gollan, geboren am 12. April 1937 und Agnes Gollan, geboren am 9. März 1935, gesucht von ihrem Vater Aloysius Gollan.

 

Aus Schillfelde, Kreis Schloßberg, wird Manfred Nieth, geboren am 16. Juli 1940, gesucht von seinem Vater Hermann Nieth, geboren am 17. Juni 1908. Manfred Nieth, seine Mutter Helene Nieth, sowie die Großeltern Hermann und Charlotte Nieth kamen auf der Flucht am 22 Januar 1945 nach Pogauen, Kreis Samland. Dort soll der Großvater Hermann Nieth schwer erkrankt sein.

 

Aus Memel, Lotsenstraße 6 wird Heinz-Walter Melullies, geboren am 28. Juni 1938, gesucht von seiner seiner Tante Meta Taruttis, geboren am 19. Januar 1906.

 

Aus Open, Kreis Braunsberg wird Monika Graw, geboren etwa im März 1941 in Open, gesucht von ihrem Vater Josef Graw, geboren am 2. August 1910. Monika Graw wurde nach dem Tode ihrer Mutter einer alten Frau übergeben, deren Name unbekannt ist.

 

Aus dem Krankenhaus in Ortelsburg wird Reinhard Napiwotzki, geboren am 8. Juni 1944 in Ortelsburg, gesucht von seinen Eltern. Der Knabe befand sich im Januar 1945 in Krankenhaus in Ortelsburg und wurde von hier in das Krankenhaus Heiligenbeil, Säuglingsstation, evakuiert. Der leitende Arzt, beziehungsweise Schwestern des Krankenhauses Heiligenbeil, sowie die Kinderärztin vom Krankenhaus Ortelsburg, Frau Dr. von Katschee, die den Transport von Ortelsburg nach Heiligenbeil leitete, könnten vielleicht über das Schicksal des Knaben Reinhard Napiwotzki Auskunft geben.

 

Aus Ragnit, Lehrhöferstraße 14, wird KlausJürgen Bier, geboren am 29. Januar 1943 in Gotenhafen, gesucht von seiner Mutter Erna Bier. Klaus-Jürgen Bier befand sich zuletzt auf dem U-Boot-Versorgungsschiff „Memel". Dieses ging am 29. Januar 1945 vor Swinemünde unter. Bei der Rettungsaktion soll Klaus-Jürgen Bier von einem Obermaat des Zerstörers „F 13" gerettet worden sein. Wer kann Namen und Anschriften von Besatzungsmitgliedern des Zerstörers „F 13" nennen?

 

Aus Rheinswein, Kreis Orteisburg, bei den Großeltern Borkowski, wird Horst Pahl, geboren am 11. November 1939 in Hagen, gesucht von seinem Großvater Otto Pahl, geboren am 21. März 1881 in Ubing.

 

Aus Soffen, Kreis Lyck wird Hildegard Naporra, geboren am 4. April 1941 in Soffen, gesucht von ihrer Halbschwester Renate Schmiegel, geboren am 12. Dezember 1933 in Soffen.

 

Aus Stablack, Kreis Preußisch Eylau, wird Ernst Müller, geboren im Dezember 1943 in Stablack, gesucht von seinem Vater Eugen Müller, geboren am 23. September 1892. Die Mutter, Gertrud Müller, geborene Samland, geboren am 14. April 1911 wird auch noch gesucht.

 

Aus Tapiau, Kreis Wehlau, Lindemannstr. 16 wird Wolfgang Römpke, geboren am 4. Januar 1939 in Tapiau, gesucht von seiner Mutter Gertrud Römpke, geborene Schmidtke, geboren am 24. Juli 1914 in Königsberg. Wolfgang Römpke befand sich seit dem 18. Juli 1945 im Waisenhaus in Schloßberg/Ostpreußen.

 

Aus Wehlau, Parkstraße 40 wird Ingrid Hoppe, geboren am 27. Juli 1939 in Wehlau, gesucht von ihrer Großmutter Margarete Schmidt, geborene Krüger, ihrem Großvater Emil Hoppe und von Wally Ludwig, geborene Krüger.

 

Aus Königsberg, Kopernikus-Straße 14 oder Briesenerstraße 25 wird Edeltraut Gohl, geboren am 27. Dezember 1941 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Martin Gohl, geboren am 16. Januar 1916.

 

Aus Königsberg, Vorder Anger 15a werden Günther Witte, geboren am 16. März 1940 in Königsberg und Gisela Witte, geboren am 24. Februar 1937 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Ernst Witte. Günther und Gisela Witte sollen ins Waisenhaus Pobethen, Kreis Samland/Ostpreußen gekommen sein.

 

Aus Königsberg-Schönfließ, Werksiedlung 117 wird Siegfried Döbler, geboren am 25. Dezember 1933 in Königsberg, gesucht von seiner Großmutter Ernstine Döbler, geborene Schöl, geboren am 4. Juli 1882 in Schuditten, Kreis Samland. Siegfried Döbler ist im April 1947 nach Litauen gefahren.

 

Aus Lichtenfeld, Kreis Heiligenbeil werden Dieter Zayko, geboren am 8. April 1944 und Helmut Zayko, geboren am 15. Dezember 1941, gesucht von ihrer Großmutter Minna Kroschull verwitwete Zayko. Die Kinder sollen mit ihrer Mutter Erna Zayko, geborene Schulz im März 1945 in Danzig-Oliva gewesen sein.

 

Aus Miswalde, Kreis Mohrungen werden die Geschwister Helmut Hahn, geboren 1942 in Miswalde, Liesbeth Hahn, geboren 1938 in Miswalde, Lotti Hahn, geboren 1937 in Miswalde und Fritz Hahn, geboren am 15. Dezember 1933, gesucht von ihrer Schwester Herta Zarth, geborene Kukroschewski, geboren am 6. April 1923.

 

Aus Narzym, Kreis Neidenburg wird Walter Heinrich Gradtke, geboren am 5. Juli 1945, gesucht von seiner Mutter Erna Gradtke, geborene Hellerdt, geboren am 13. Mai 1914. Das Kind wurde der Mutter Ende Oktober 1945 im Durchgangslager Berlin abgenommen, weil es an Unterernährung litt.

 

Aus Neidenburg, Hindenburgstraße 23 wird Günther Eckert, geboren am 6. August 1939 in Neidenburg, gesucht von seiner Tante Hedwig Lange, geborene Eckert, geboren am 8. Januar 1915 in Omulefofen, Kreis Neidenburg.

 

Aus Puppen, Kreis Orteilsburg werden Klaus Kostrzewa, geboren 1940 in Puppen und Elly Kostrzewa, geboren 1937 in Puppen, gesucht von Berta Kloss, geboren am 23. Juni 1897.

 

Aus Ruß, Kreis Heydekrug, bei Familie Wendefeuer werden Gerhard Georg Jokoszies, geboren am 22. Juli 1942 und Ruth Marie Jokoszies, geboren am 29. März 1939, gesucht von ihrem Vater Georg Jokoszies, geboren am 14. Mai 1913 in Wirkitten. Die Mutter Leokadia Jokoszies, geborene Girtschus, geboren am 14. August 1908 wird auch noch vermisst.

 

Aus Groß-Schiemanen, Kreis Ortelsburg werden Werner Prell, geboren am 15. November 1941 und Waltraud Prell, geboren am 28. April 1935, gesucht von ihrer Mutter Charlotte Prell, geborene Satlowsky.

 

Aus Neu-Schiemanen, Kreis Ortelsburg werden die Geschwister Erika Bogumil, geboren am 28. September 1943 in Neu-Schiemanen und Hedwig Bogumil, geboren am 21. September 1934 in Neu- Schiemanen, gesucht von August Bogumil, geboren am 28. Oktober 1894. Die Mutter Frieda Bogumil, geborene Witkop, geboren am 4. Juli 1900 wird auch noch vermisst.

 

Aus Uderwangen, Kreis Preußisch Eylau wird Karl-Heinz Frank, geboren am 21. März 1937 oder 1938, gesucht von Eva Schieler.

 

Aus Ußpelken, Kreis Heydekrug wird Edith Perkau, geboren etwa 1938 in Ußpelken, gesucht von Frau Helene Bittins. Die Geschwister Waltraut Perkau, Hildegard Perkau und Artur Perkau werden auch noch vermisst, ebenso der Vater Heinrich Perkau, geboren etwa 1909.

 

Aus Willims, Post Rothfließ, Kreis Rössel werden Renate Bogdanski, geboren am 8. Oktober 1940 und Paul Bogdanski, geboren am 13. Dezember 1942, gesucht von ihrem Vater Anton Bogdanski, geboren am 9. Juli 1905 in Willims, Kreis Rössel. Es werden auch noch gesucht: die Mutter Anna Bogdanski, geborene Kostrzewa, geboren am 18. Februar 1915, die Großmutter Anna Kostrzewa und die Tante Angelika Kurowski mit Sohn Dieter Kurowski, geboren etwa 1942.

 

 

Kindersteckbrief mit Foto: 02 371 Kn.

Name: Korn

Vorname: Erhard

geb.: etwa 1941

Augen: bräunlich

Haar: dunkelblond

Vermutlich stammt der Knabe aus Ostpreußen. Die Eltern sollen in einer großen Stadt in einem Miethaus gewohnt haben, in dem der Vater angeblich Hausmeister war. Im Luftschutzkeller will er seine Eltern verloren haben. Er erinnert sich an einen Bruder und an eine Schwester, deren Namen er nicht mehr weiß.

 

Seite 8   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm, (23) Oldenburg (Old.) Gotenstraße 33

 

Herzlichste Glückwünsche zum Geburtstage den im Oktober 1956 geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern! Ganz besonders gelten sie den beiden Turnern

 

vom KMTV Königsberg, die ihr 50. Lebensjahr vollenden,

 

Otto Pallentin am 10.10.1956 (50 Jahre) und

 

Erwin Rauter am 17.10.1956 (50 Jahre)

 

sowie den beiden ältesten Geburtstagskindern, ebenfalls vom KMTV,

 

George Wegener, dem Universitätsfechtlehrer, s. Zt. Helfer von Grüneklee, der am 20.10.1956, das 77. Lebensjahr vollendet, und

 

Hanna Vogel aus der alten Königsberger Turnerfamilie, die am 26.10.1956 in das 79. Lebensjahr eintritt.

 

Unser Sprecher und Familienvater Fritz Babbel musste kurz vor dem Wiedersehenstreffen in Espelkamp-Mittwald schweren Herzens wegen Krankheit seine Teilnahme absagen. Mit tiefem Bedauern wurde sein Grußbrief entgegengenommen. Wir wünschen ihm gute Besserung und hoffen auf ein Wiedersehen mit ihm beim nächsten Treffen in Gesundheit und Frische. Gut Heil zum Gruß! Onkel Wilhelm

 

Das IX. Wiedersehenstreffen in Espelkamp/Mittwald vom 31.08. bis 03.09.1956 war von 212 Turnerinnen und Turnern, darunter 33 aus der Sowjetzone, besucht und wurde für alle ein großes festliches und freudiges Erlebnis. Nun heißt es, beizeiten sparen für das X. Treffen, das 1956 (wohl eher 1957, ich gehe von einem Druckfehler aus) steigen soll. Vielleicht eignet sich das letzte Wochenende vor dem Deutschen Turnfest in München am besten dazu und bietet sich ein geeigneter Ort in der Nähe Münchens dafür an.

 

Berichte und Bilder aus dem Geschehen des letzten Jahres und aus dem heimatlichen Turnbetrieb, vom Treffen in Espelkamp-Mittwald und von Treffen unserer Vereine bei landsmannschaftlichen Veranstaltungen usw. bitte ich mir möglichst bald als Beiträge für einen allgemeinen Rundbrief zuzuschicken. Der Weihnachtsrundbrief 1955 hat sehr viel Anklang gefunden. Deshalb beabsichtige ich eine ähnliche Ausgestaltung.

 

In die Kartei neu aufgenommen:

 

Margarete Aust-Fischer, KTV

 

Artur Benson, KMTV und

 

Bruno Renk, KMTV

 

Wilhelm Böhm, früher Friedland (Ostpr.), Marienburg und KTC sowie

 

Gustav Sandhack, früher Tapiau, KTC und KMTV.

 

Für einen dritten Nachtrag zur Anschriftenliste bitte ich um Mitteilung weiterer neuer Anschriften und Bekanntgabe etwa eingetretener Veränderungen

 

Seite 9   Wenn sich auf dieses Blatt dein Auge senket … Ein Blick in ostpreußische Poesie-Alben von einst.

Das Poesiealbum, einst der ganze Stolz unserer Mütter und Großmütter, ist im Zeitalter der Atomforschung und des Radios zum Aussterben verurteilt. Vor Jahrzehnten war es in unserer alten Heimat noch ein besonders geschätzter Gegenstand.

 

Jene alten Poesiealben, mitunter auch „Stammbuch" genannt, kommen mir heute vor wie jene längst vergilbten Visitenkarten einer innerlich anständigeren, bestimmt aber friedlicheren und in sich gekehrten Zeit vor. Der Gebrauch scheint heute nicht mehr so nötig zu sein, nachdem wir in unserem Umgang mit den lieben Mitmenschen Sprache und Tempo einer hastenden Gegenwart bevorzugen. In einem solchen Poesiealbum meldete sich nämlich nicht selten auch das liebende Herz zu Wort, und zwar mit den ersten taktvollen Regungen eines im Ganzen noch immer romantischen Gemüts. Dafür stellen sich heute die Jungmänner mit ihrem Motorrad vor das Fenster der Geliebten, o nein, „Freundin", hupen zweimal und winken mit der Kinokarte. Die Leinwand nimmt dem jungen Manne das ab, was er eigentlich sagen müsste. Auch in der Liebe darf man keine Zeit verlieren.

 

In der Biedermeierzeit wurde ein solches Büchlein noch mit allerlei bunten Bildchen geschmückt oder mit feinen Flechtmustern aus Frauenhaar und mit duftigen Seidenstickereien verziert. Später hatten die Papiergeschäfte solche Dinge bereit.

 

Mancher Einband bestand aus kostbarem Leder, einfache hatten farbige Samtdeckel mit einem Vierklee geziert. Aber der Inhalt blieb gewöhnlich derselbe.

 

Der erste eingetragene Spruch stammte in der Regel von den Eltern oder Taufpaten. Goethes Worte: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ gaben in vielen Fällen den Auftakt. Darauf trugen sich dann die Lehrerinnen und Lehrer ein, die aus der Literatur schöpften. Auch der Geistliche durfte nicht fehlen, der natürlich einen Bibelspruch wählte oder ein Zitat aus dem Gesangbuch aussuchte. Dann kam das Gros der Freundinnen, die Basen und Vettern und die zum Besuch weilenden Verwandten.

 

Und dann kamen die schmachtenden Jünglinge, vielleicht ein Fähnrich oder ein Gymnasiast und der Tanzstundenherr. Ja, diese Jünglinge versuchten sich selbst einmal in der Reimkunst. Der Marsjünger schrieb wohl:

 

„Donner kann zwei Felsen trennen,

Aber treue Liebe nicht;

Ewig soll mein Herz dir brennen,

Heller als ein Sonnenlicht“.

 

Der Primaner äußerte sich etwas anders:

 

„Weiter wünsch ich nichts von dir,

Als ein Blättchen weiß Papier,

Und darauf sollst du mir schreiben,

Ob du willst die Meine bleiben;

Aber nicht für kurze Zeit,

Sondern bis in Ewigkeit“.

 

Die Tanzstundenbekanntschaften waren etwas zurückhaltender:

 

„Dein Leben sei fröhlich und heiter,

Kein Leid betrübe dein Herz,

Das Glück sei stets dein Begleiter,

Nie treffe dich Kummer und Schmerz“.

 

Oder auch:

 

„Heiter, wie ein Frühlingsmorgen,

Den kein Wölkchen trübt,

Frei von Gram und bangen Sorgen,

Stets vom Glück geliebt;

So ein ruhig frohes Leben

Wolle dir die Vorsicht geben“.

 

Nachbars Rolf, der Lenchen so gern das Fahrrad reparierte, schrieb die erste Zeile dachartig:

 

„So geht's hinauf, so geht's hinunter,

Hast du Freunde, zähl auch mich darunter“.

 

Aus dem Kreise der Freundinnen sind folgende Eintragungen erwähnenswert:

 

„Wenn sich auf dieses Blatt dein Auge senket,

Betracht es still, als wär's mein Leichenstein,

Und mild, wie man der Toten sonst gedenket,

Gedenke mein!"

 

Aber nicht nur Jungmädchen hatten ein Poesiealbum, Bruder Studio musste auch ein Stammbuch führen und Eintragungen sammeln, wie jener fahrende Schüler in Goethes Faust, dem Mephisto die besinnlichen Worte in Latein einschreibt.

 

Solche Studentenbücher waren natürlich etwas anders, neben philosophischen Betrachtungen fungierte der Humor.

 

Da spricht ein Kommilitone recht zweideutig:

 

„Ich wünsch' dir den Teufel — weit hinter dem Rücken!

Dich treffe der Blitz — von liebenden Blicken!

Der Donner zerschlage — der Missgunst die Beine!

Dass dich das Wetter — der Liebe bescheine!

Stirb — in den Armen eines schönen Mädchens!

Verdirb — nie eine gute Gesellschaft

Brich den Hals — mancher Flasche Wein!"

 

Ein anderer sagt etwas Ähnliches:

 

„Wer nur den lieben Gott lässt walten und — hat nichts,

Und hoffet auf ihn alle Zeit und kriegt nichts,

Den wird er wunderbar erhalten, — das kost't nichts,

Jetzt und in alle Ewigkeit — das schad't nichts!"

 

Ein Ratschlag für einen Trinkfreudigen lautet:

 

„Geh du nur deine Wege,

Du gar so frommer Christ,

Und falle nicht vom Stege,

Wenn du besoffen bist!"

 

Auch Gott Amor darf nicht fehlen:

„Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,

Verriecht' das Deine nur getreu,

Und kommt ein Mädchen dir entgegen,

Lass es nicht ungeküsst vorbei!"

 

Liebe die Mädchen, liebe den Wein;

Sie sind ja die Mittel, um heiter zu sein!"

 

„Immer lustig und content,

Wie der Erpel auf der Ent'."

 

Auch der fernen Zukunft wird gedacht:

 

„Lebe, wie du, wenn du stirbst,

Wünschen wirst, gelebt zu haben."

 

„Leb' stets froh und glücklich!

Dies der treue Freundeswunsch.

Gedenke auch oft, wie es schicklich,

Meiner beim Glase Punsch!"

 

„Wenn du dereinst als Herr Papa

Im Lehnstuhl sitzt und Frau Mama

Dir freundlich Pfeif‘ und Tabak reicht

Und liebreich dir die Wangen streicht,

Dann denk in deinem Eheglück

Auch gern an deinen Freund zurück!"

 

In den Alben fand man selbstverständlich auch Worte großer Männer, unserer Dichterfürsten und Heimatschriftsteller. Wenn heute noch Stammbücher im Gebrauch wären wie einst, würden wohl andere Zitate zu finden sein, vielleicht: „Kann Liebe Sünde sein?" Unsere heutige Jugend lächelt am meisten über das Poesiealbum von einst.

 

Ich erlebte eine alte Ostpreußin beim Durchblättern ihres geretteten Albums. Wer dabei den Glanz ihrer schon müden Augen wahrgenommen hätte, dürfte begriffen haben, dass jenes vergilbte Büchlein eine ihrer schönsten und wertvollsten Lebensdokumente war, denn in ihm spiegelte sich noch einmal alles wider: die Heimat, das Elternhaus, die Schule, die Konfirmation und auch die Zeit der ersten Liebe; denn auch jener Mensch hatte sich mit einem sinnigen Sprüchlein eingetragen, der zum Lebenskameraden wurde und mit ihr das Schicksal der Vertreibung teilte, bis sich die Augen für immer schlossen. Da versteht man auch die zuletzt eingetragenen Worte:

 

„Von Euch ein Denkmal zu besitzen,

Die Ihr vor Allen wert mir seid,

Da nichts vor Trennung uns kann schützen,

Sei dieses Stammbuch Euch geweiht!"

Hermann Bink

 

Seite 9   Königsberger Winkel. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt 6. Fortsetzung.

IX. Der Garten des Zimmermann'schen Stiftes.

So unfreundlich und dunkel die Ziegelstraße war, so hatten die sie bildenden Häuser nach hinten hinaus größtenteils größere oder kleinere Gärten. Auch zu dem Eckhaus an der Königsstraße (Nr. 37), dem Zimmermann'schen Stift, gehörte ein hübscher und gepflegter Garten.

 

Wenn ich diesen Garten, von dem wohl nur die wenigsten Königsberger etwas wussten, unter den Königsberger Winkeln aufführe, so geschieht es nicht allein wegen der Weltabgeschiedenheit und des Friedens, der hier herrschte, sondern, weil sich hier eine künstlerische Kostbarkeit befand: das nicht sehr große, aber umso schönere Marmorgrabmal Daniel Zimmermanns (1742 - 1804).

 

Es war von Johann Gottfried Schadows Meisterhand und zeigte drei schöne klassizistische Flachreliefs: Glaube, Hoffnung, Liebe darstellend.

 

Da die Embleme und Figuren des Barocks nun um die Jahrhundertwende völlig verpönt waren, sich aber für den gar zu kahlen, ja nackten Klassizismus neue Schmuckformen als dringend notwendig erwiesen, so mussten sie geschaffen werden.

 

Thorwaldsen, der damals in heute unvorstellbarer Weise die Bildhauerkunst, ja überhaupt die bildende Kunst seiner Zeit beherrschte, war es, der diese Formen im Wesentlichen schuf. Das Gewinde, die Fackel, die Urne, das Medaillon, die Frau im wallenden Gewande wurden immer wiederkehrende, auf Häusern, wie in der Innenkunst nie vermisste Ausdrucksformen der neuen Kunst.

 

Sie hatte ihren Anfang bereits in den achtziger Jahren, weshalb sie auch die „Kunst Ludwig XVI." oder „Zopfstil" genannt wird, doch nahm sich besonders der Welteroberer und sein Hof ihrer an: Paris wurde der Mittelpunkt der neuen Kunst, wie es der Mittelpunkt der neuen Welt geworden war, von ihm aus erhielt die neue Kunst den Namen: Empire — die Kunst des großen Empereurs!

 

Sie war nur eine kurze Epoche, denn nach des Korsen Sturz wollte die übrige Welt, die ihn gehasst hatte, auch von seiner Kunst nichts mehr wissen, und so ging sie schnell vorbei.

 

Dazu kommt, dass die Zeit Napoleons Deutschlands Leidens- und Armutszeit war, so dass weder Städte noch Privatleute viel Aufträge vergeben konnten.

 

So kommt es weiter, dass in Königsberg nur wenige Häuser und Denkmale im Empirestil stehen.

 

Umso wertvoller war dieser so wenig bekannte Besitz in diesem stillen Winkel.

 

Die Schreckensnacht vernichtete das Stift, das Denkmal blieb, wie ich mich selbst überzeugte, erhalten. Ob es aber heute noch vorhanden ist, weiß ich nicht.

 

Seite 9   Angst vor Widerstand.

Im südlichen Ostpreußen werden neuerdings die wichtigsten Umformerstationen, Überlandleitungen und Fernsprechkabel von bewaffneten Miliz- und Militärstreifen laufend überwacht. Anlass dieser Maßnahme sind zwei Vorfälle, bei denen einmal eine Telefonleitung in das sowjetisch verwaltete Ostpreußen und zum anderen eine Hochspannungsleitung von Widerstandskämpfern unterbrochen worden sind. Es handelte sich dabei einwandfrei um Sabotage.

 

Seite 9   Foto: Kartoffelernte / Rudolf Warnecke

„Ehe ihr da wäret, ihr Leute aus der Stadt, ob reich, ob arm, ob hoch, ob niedrig, war ich da. Ich brach den Boden, ich säte das Korn, ich schuf das Feld, auf dem ihr leben und gedeihen konntet mit eurem Gewerbe, eurem Handel, eurer Industrie, eurem Verkehr. Ich fand das Recht, ich gab das Gesetz, ich wehrte den Feind ab, ich trug die Lasten Jahrtausende lang. Ich bin der Baum und ihr seid die Blätter, ich bin die Quelle und ihr seid die Flut, ich bin das Feuer und ihr seid der Schein“. So denkt er, und darf er denken. Wo wären wir, hätte nicht der Bauer die starken Knochen, die derben Nerven und das gesunde Blut gehabt? Ausgelöscht hätten uns Hunger, Pest und Krieg. Nie wieder wären wir aufgestanden nach dem dreißigjährigen Kriege. Und wo wäre unser ureigenes Wesen, wäre deutscher Geist nicht lebendig geblieben unter den Strohdächern der Dörfer?

Hermann Löns

 

Seite 9   Blüht uns doch ein Garten, reift uns doch ein Feld! Von Dr. Walter Schlusnus.

Foto: Erntedank-Altar in Weißuhnen, Krs. Johannisburg Foto: Schlusnus.

Längst sind die Getreidefelder kahl und schon wieder für die neue Saat umgebrochen. Wie sie reiften, wurden die Feldfrüchte geborgen. Der Rauch der Kartoffelfelder würzt die klare Herbstluft. Ehe der Nachtfrost kommt, müssen nun auch die Hackfrüchte aus der Erde heraus. Nur der Gemüsegärtner strotzt noch von der Überfülle seiner Erträge. Die lichten Farben des Sommers sind von den Feldern verschwunden. Dunkelbraune Ackerstreifen ziehen sich über das Land. Die Wiesen haben ihre sattgrüne Farbe wiedergewonnen. Das niedriggetretene Gras auf den einsamen Waldpfaden hat sich wieder aufgerichtet, und das Wild kommt näher an Schneisen und Lichtungen aus dem Dickicht heraus.

 

Am Abend und am Morgen liegt Nebel über Waldlichtungen, Wiesen und Seen. Das Wasser ist schon abgekühlt, und der Wald rauscht ein anderes Lied voll dunklerer Töne. Aber noch behauptet sich die Sonne mit ihrer mittäglichen Wärme, und zu keiner anderen Zeit des Jahres empfängt der Mensch ihre Strahlen liebevoller. Zu keiner anderen Zeit auch berührt uns die Pracht der Blumengärten in den Dörfern mehr, noch einmal in voller Farbenfülle entfaltet: Astern in verschwenderischer und vergänglicher Schönheit, wie ein Wunder in der ringsum absterbenden Natur.

 

Steil steht die Riesenwand der Kiefernstämme im Breitenheider Revier, braungolden im Sonnenglanz gefärbt, wenn man vom erhöhten Sitz des Wagens herüberschaut über die ausgedehnten Fichtenschonungen, die sich an der Straße Johannisburg - Rudzanny entlangziehen. Verlockt von der Macht und Schönheit dieser unergründlichen Weite, sind wir von der Chaussee rechts in den Wald abgebogen. Schnell hat der Wald Gefährt und Menschen verschlungen. Dumpfer klingt der Hufschlag, freudiger greifen die Pferde auf dem Waldweg aus.

 

Wo sich der Wald wieder öffnet, liegt das Dorf Weissuhnen vor uns, und dahinter gabelt sich der Weg und führt nach Nordosten weiter bis zum einsam gelegenen Bärenwinkel, von den Wellen des breiten Spirdingsees bespült. Nach Norden läuft er vorbei an der Försterei Warnold zur Fähre Wirsba am Beldahnsee. — Aber aus der Kirche in Weissuhnen ertönt Gesang: „Ein Jahr, Allgütiger, ließest du gedeihen ..." Die Orgel braust über den Warnoldsee, und wie wir in die Kirchenhalle eintreten, finden wir vor dem Altar die ganze Pracht des Segens der Heimaterde ausgebreitet: Feldfrüchte und Blumen, rote Weinranken und gelbe Korngarben, in bunter Farbe und Fülle. Keinen schöneren Altar sah wohl je ein Menschenauge als diesen im Jahre 1936 in der Kirche des masurischen Dörfchens Weissuhnen.

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat. Ostpreußen lebt in seinem Werk.

Der Komponist Heinz Tiessen (Foto).

Es erscheint fast unmöglich, ein so reiches Leben und Schaffen wie das von Heinz Tiessen in einem kurzen Artikel auch nur einigermaßen zu würdigen. Tiessen ist mit Otto Besch der repräsentative ostpreußische Komponist unserer Tage. Er wurde am 10. April 1887 in Königsberg geboren und lebt seit 1905 in Berlin, studierte an der dortigen Universität Philosophie, Musik und Literatur und zugleich am Stern'schen Konservatorium Komposition und Dirigieren. 1911 - 1917 war er Musikkritiker der „Allgemeinen Musikzeitung", dann Korrepetitor und Assistent von Richard Strauß am Kgl. Opernhaus. 1918 - 1921 Kapellmeister und Schauspielkomponist an der Volksbühne (Zusammenarbeit mit Dr. Berger, Max Reinhardt, Barnowski, Fehling). Er leitete das- akademische Orchester der Universität und führte es auf eine Norwegen-Tournee und war 1924 bis 1949 der gründende Dirigent eines Chores, der vor 1933 als „Der Junge Chor" bekannt war, nachher sich „Berliner Singgemeinschalt“ nannte. 1925 -1945 war Tiessen Lehrer für Komposition und Theorie an der Berliner Hochschule für Musik, 1946 bis 1949 wieder Hochschulprofessor und Abteilungsleiter für Komposition. Außerdem war Tiessen ab 1919 ein Jahrzehnt lang Jury-Mitglied des Allgemeinen deutschen Musikvereins, ab 1922 Mitgründer und Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik, Mitglied der preußischen Musikalischen Sachverständigenkammer, künstlerischer Beirat des Arbeiter Sängerbundes und Vorstandsmitglied der Gesellschalt deutscher Tonsetzer. 1930 wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Im selben Jahr erfolgte seine Ernennung zum Professor. 1953 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

 

Die Liste seiner Tonschöpfungen ist umfangreich: Allein 22 Klavier-Lieder-Zyklen, 11 Werke für gemischten Chor, 7 Kammermusikwerke (darunter das entzückende „Amsel-Septett" Op. 20); 6 Klavierwerke (darunter die „Naturtrilogie" Op. 18, die ostpreußische Erinnerungen verklärt); ein Passacaglia und Fuge für Orgel; 9 Orchesterwerke (darunter die II. Symphonie „Stirb und werde" und die „Visionen" für Violine und Orchester), das große Ballett „Salambo" usw.

 

Außerdem schrieb Tiessen verschiedene größere Aufsätze über musikalisch zeitgeschichtliche und pädagogische Themen in führenden Zeitschriften und gab unter dem Titel „Musik der Natur" im Atlantis-Verlag ein Buch „über den Gesang der Vögel, insbesondere über Tonsprache und Form des Amselgesanges" heraus. Tiessens Musik zeigt deutliche Spuren ihrer spätromantischen Herkunft, ist aber im Ganzen als freitonaler, formgebändigter Expressionismus sehr individueller Prägung anzusprechen.

 

Neben seiner schöpferischen Kraft und außerordentlichen intellektuellen Klarheit ist für Tiessen vor allem sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und für menschliche Werte überhaupt charakteristisch. Er hat sich immer leidenschaftlich für alle Menschen eingesetzt, die er in irgendeiner Weise benachteiligt sah. So kam es, dass er als erster deutscher Komponist (außerhalb des eigentlichen Schönbergkreises) für die Werke Schönbergs und anderer modernster Richtungen eintrat und, gemeinsam mit Scherchen und Erdmann recht eigentlich die Berliner Urzelle der „Neuen Musik" bildete, wobei es gar nichts zu sagen hatte, dass sein eigenes Schaffen durchaus nicht so radikal war. Sein Gerechtigkeitsgefühl veranlasste ihn auch dazu, sich der damals um den sozialen Aufstieg kämpfenden Arbeiterschaft als Dirigent, Komponist und künstlerischer Berater zur Verfügung zu stellen, was ihm, zusammen mit der eigenen Stilrichtung in der Zeit des Dritten Reiches manche arge Behinderung und Zurücksetzung eintrug.

 

Sollte aus dem eben Gesagten indes jemand den Schluss zu ziehen versuchen, dass der gebürtige Ostpreuße Tiessen in Berlin etwa ein überintellektualisierter und „entwurzelter“ Großstädter geworden sei, so wäre das ein arger Irrtum. Tiessen ist kerngesund und besitzt einen wundervollen Instinkt für das wirklich Lebendige, einerlei, ob es ihm in bestimmten Menschen, künstlerischen oder politischen Richtungen entgegentreten möge. Seine Naturverbundenheit zeigt sich u. a. in seinem Buch über den Amselgesang, das von der Jury des Börsenvereins der Buchhändler und Verleger nicht umsonst unter die „schönsten Bücher des Jahres 1953" eingereiht wurde. Den Kontakt mit der ostpreußischen Heimat hat Tiessen gepflegt, solange dies möglich war.

 

Das Bild des Musikers und Menschen Tiessen wäre unvollständig, wenn man nicht seiner überaus umfangreichen und bedeutenden Tätigkeit als Lehrer gedenken wollte, als Lehrer, der sich in vielen Fällen in einen Freund fürs ganze Leben verwandelte. Die Zahl seiner berühmt gewordenen Schüler ist groß. Hier mögen nur Eduard Erdmann, Klaus Fischer-Dieskau und Sergiu Celibidache genannt werden, als wohl die Bekanntesten eines Kreises, der sich bis nach Amerika und Ostasien erstreckt. Heinrich Simbriger.

 

Seite 10   Der Phönix spricht:

Suche die Flamme,

Folg deinem Stern!

Unangetastet

Bleibt der Kern.

 

Wage die Schritte,

Flieh nicht die Not!

Dort in der Mitte

Das Leben loht.

 

Scheue nicht Wandlung,

Fürchte nicht Tod!

Nur dem Erstarrten

Verwesung droht.

 

Doch in den Feuern

Brennst du dich rein,

Gehst in die große Unsterblichkeit ein.

Lydia Ganzer

 

Seite 10   „Schabbelbohnen“ einmal anders betrachtet.

Eines Tages flatterte mir das Büchlein „Schabbelbohnen" von Dr. Lau auf den Tisch. Mit den bildhaften urwüchsigen Ausdrücken ließ es die Heimat wieder vor mir auferstehen. Sind es doch gerade diese eigenartigen Wörter, die unserer Mundart Saft und Kraft und das Einmalige, Besondere, Liebenswerte verleihen. Diese manchmal so seltsam und drollig klingenden Wörter sind es wohl wert, näher betrachtet zu werden, denn sie haben alle ihren Ursprung, ihre geschichtliche Entwicklung und Bedeutung. Sie spiegeln das Schicksal Ostpreußens wider. Sie rühren von den Menschen her, die in unserer Heimat gewohnt, gekämpft, gesiedelt, Handel getrieben, gelebt und gelitten haben, von den alten Preußen und Litauern, Polen, Deutschen, Böhmen, Russen, Schweden, Holländern, Engländern, Franzosen, Italienern.

 

Von den deutschen Siedlern, die nach der Unterwerfung der Preußen und Litauer durch den deutschen Ritterorden unsere Heimat bevölkerten und die vom Niederrhein und Westfalen das Platt mitbrachten, stammen die meisten Ausdrücke. Einige davon sind:

 

Glums -  gloms, Käsebrei, poln. glomsda.

Gnubbel - Knubbe, Holzauswuchs, Knüppel.

Heemske -  Ameise

krätsch - krötig, Kröte.

Pogg - Frosch, estn., finn. poeg.

Prickel - Stachel, Dorn, lit. prikelis = Stab.

Schnurgel  - Schnörkel, Vorsprung, Nase.

schorren - schurren, scharren, gleiten.

Schrobber - schrubbern, scheuern, engl, scrub.

Spind - spinde, Speiseschrank, lit. Spintas.

suckeln - saugen, lutschen, auch rauchen, engl, suckle.

Zagel - Schwanz, engl, tail.

 

Einige wenige Wörter leuchten aus dem Althochdeutschen herüber, aus der Zeit der tausend und mehr Jahren:

 

Abmarachen - marach Pferd, wie ein Pferd arbeiten.

Boß, boßig - bösi böse.

dollen  tol rasend.

Fleck - flec Lappen, Rindermagen.

jachern - fahi schnell, gahjan eilen.

Plaaster - phlastar Überzug.

Schaff - scapha Schrank.

Schlunz - slunt zu slinden schlingen; Frühstückssuppe der Soldaten.

schurgeln - scurgan stoßen, schieben.

spak - spakka trocken.

Zodder - zotta Haarbusch.

Kirste - crusta Rinde.

 

Auf das Mittelhochdeutsche gehen zurück:

 

dammeln - schlafend gehen.

Fladen - vlade flacher Kuchen.

missrig - misse unrecht, übel; zabbern viel reden, engl. jabber.

schabbern – schwatzen.

Tachtel - tahtel Schlag, Ohrfeige.

wuien - wuof Wehgeschrei

 

Interessant sind die Wörter, die uns die alten Preußen und Litauer hinterlassen haben:

 

Brusche - briûsze Beule.

Kissehl -kièlus Haferbrei.

Krebsch - krepsys Tasche.

Kuijel - kuilys Eber.

Lauks - lankas Feld, Feldarbeiter.

Lorbaß - Iiûrbas dummer, maulaffiger Mensch.

Mergell - mergele Mädchen.

Plurksch - plurziti pladdern.

Schlorren - sliûre Pantoffel.

Spirgel - spirgas Speckstück.

Wabbel - wàbalas Käfer.

Wuschen - wyza Bastschuhe.

 

Es erinnern uns an die böhmischen Soldaten:

 

Dubbas – domp Eiche, Eichenklotz.

Bröch, Brich - bricho Bauch.

 

an unsere russischen Nachbarn:

 

Bartsch – borschtsch Beetensuppe.

Flinsen – blince flacher Pfannkuchen.

 

an die polnischen Siedler:

Fladdrusch - flattern und poln. Endung ôs, stark beputzte Frauenhaube.

Gnoss  - gnusni hässlich.

plachandern - zutragen, schwatzen.

Rabauk - rasboinltz Räuber.

Schabbelbohnen szabla Säbel, Schwertbohne.

 

Die holländischen Seeleute haben uns vermacht:

 

dittchen – duit Deut.

Beete – beet rote Rübe.

Foorts – fort sogleich.

Lucht - lucht Luft, Bodenraum.

rebbeln - ravelen auflösen, engl, ravel out zerfasern.

 

und die Engländer:

 

Fijuchel - vigour of youth Jugendkraft, Frische, Übermut.

Fossel - fuzz fasern.

karäsig - courageous mutig, keck.

Modder  - mud Schmutz.

plieren - blear Triefaugen haben.

Schäckert - jacket Jacke.

 

Von den Schweden und Dänen haben wir übernommen:

 

Hanschke - hanske Handschuh.

Gekraaßel - kras alter Hausrat.

plinkern - blinka mit den Augen winken.

 

An die französischen Soldaten und Siedler gemahnen uns:

 

adjeh - á dieu mit Gott.

Bottkes - bottes Stiefel.

Kaluttchen - calotte Käppchen.

kiewig - qui vive? wer da? keck, mutig.

kriejuhlen - crier schreien.

simmelieren - simuler nachdenken, erfinden.

 

Und die Italiener haben uns unter anderem mit dem

 

Pojatz - pagliaccio Bajazzo.

 

beschenkt.

 

So gibt es noch Tausende von typisch ostpreußischen Wörtern, die uns unsere Urahnen als Zeugnis und Vermächtnis hinterlassen haben und die der Volksmund mit zäher und getreuer Beharrlichkeit durch die Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Tage aufbewahrt hat. An uns liegt es nun, unsere Heimatsprache trotz räumlicher Trennung nicht zu vergessen, sondern sie weiterhin zu hüten und zu pflegen, auf dass sie nicht untergehe. Susanne Gissing

 

Seite 10   Gab es eine „Eichenschanze“ bei Alt-Thorn?

Missverständnisse und Irrtümer im Aufnehmen und Weitergeben von Überlieferungen sind bei Geschichtsschreibern des Altertums keine Seltenheit. Für manche hat die Kritik Klarheit geschaffen und die durch falsche Interpretation überdeckten wahren Verhältnisse aufgehellt. Oft genug aber lebt trotz Aufklärung der alte Irrtum zähe fort. So steht es um ein Missverständnis, dem der Ordenschronist Peter von Dusburg (14. Jahrh.) zum Opfer gefallen war.

 

Dieser schreibt in seiner 1335 beendeten, im allgemeinen zuverlässigen, Preußischen Chronik", dass die „Sieben Brüder des Deutschen Hauses mit einer geringen Anzahl Bewaffneter im Anfang durch Erbauung einer Schanze auf einer Eiche im Kulmer Land es gewagt haben, eine so volkreiche und zahllose Menge der Heiden anzugreifen". Der vielfach unzuverlässige Simon Grunau, der im Anfang des 16. Jahrh. seine „Preußische Chronik" schrieb, ist dieser Meinung gefolgt, hat dazu aber noch die Nachricht mit schmückendem Beiwerk umrankt. Auf beiden fußt der Ordenschronist Lukas David aus dem Ende des 16. Jahrh. Seine Beschreibung, ins verständliche Hochdeutsche übertragen, mag hier wiedergegeben werden: „Da ersah Hermann Balke samt den Seinen eine schöne dicke Eiche an der Weichsel auf einem siemlichen Berge der Culmischen Seite stehen, die in ziemlicher Höhe ihre großen starken Äste nach allen Seiten ausgebreitet hat. Man trat allda aus dem Schifflein ans Culmische Land. Nachdem sie den Ort allenthalben wohl besehen hatten, behagte er ihnen sehr wohl, und es däuchte sie bequem, allda eine Festung wider der Preußen Festungen zu bauen. Sie ließen das Volk große dicke Balken niederhauen und an den Ort bringen, bauten zunächst auf den großen starken Ästen, weil die in ziemlicher Höhe waren, auf den vier Orten, gleichwie vier Erker mit Zinnen, auch mit dem Schießen von der Höhe dem Feinde desto besser Schaden zufügen konnten. Um die Eiche haben sie einen Raum, wie etliche sagen, zwei Morgen groß, wo sich das Volk samt den Pferden und der Notdurft aufhalten konnte, mit großen Balken, die ineinander verbunden und verschränkt waren, befestigt usw."

 

Schon die Ausmalung der an sich dürftigen Notiz des Dusburg hätte frühzeitig die Späteren stutzig machen sollen. Aber immer wieder bis in allerneueste Zeit wird gemäß diesem älteren Schrifttum behauptet, der Deutsche Ritterorden habe im Jahre 1231 eine Eiche bei Thorn zum ersten Befestigungsort stark ausgebaut.

 

Und doch hat schon Johannes Voigt vor über hundert Jahren in seiner „Geschichte Preußens“ (II, 1827, S. 221, Anmerkung) glaubhaft gemacht, dass höchstwahrscheinlich ein Missverständnis Dusburgs vorliegt. Nach ihm verhält sich die Sache folgendermaßen: Es lag ein Dorf mit Namen Querc an der Weichsel, das in einer Urkunde von 1228 Quercus genannt wird. „Wenn nun Dusburg vernahm oder in einer alten Quelle las, die erste Befestigung sei geschehen in ‚Quercu' oder in ‚Quercz‘, d. h. in dem so genannten Dorf, konnte daraus bei ihm sehr leicht ,arbor Quercina' (Eichenbaum) entstehen“. Auch nach Max Toeppen, „Geschichte der preußischen Historiographie" (1853, S. 4) beruht die Nachricht des Dusburg über eine Eichenschanze „höchstwahrscheinlich auf einem Missverständnis".

 

Wir werden die Ansicht von einer ersten „Eichenburg" der Ordensritter bei Alt-Thorn als irrige Kombination des Dusburg endgültig aufgeben dürfen. Immerhin scheint aus den Berichten des Simon Grunau und Lukas David der Schluss möglich zu sein, dass „Wachbäume“ mit Plattformen im Geäst einen Bestandteil des Kriegswesens jener Tage bildeten. Solche mögen beide Schriftsteller gekannt und danach ihre Berichte entworfen haben. Dr. Wilhelm Gaerte

 

Seite 10   Kunstbetrachtung.

Schopenhauer besichtigte auf Einladung eines reichen Bankiers die wertvolle Bildergalerie des Bankmannes. Nach Beendigung der Bestätigung meinte Schopenhauer: „Besten Dank, dass Sie Ihre Schätze mit mir geteilt haben!" – „Wieso, ich habe meine Bilder nicht mit Ihnen geteilt!" entgegnete entrüstet der Bankier. „Doch, Sie haben alle Ihre Bilder mir gezeigt, und ich habe sie eingehend betrachtet und als die Bilder betrachten, können Sie ja auch nicht tun!.

 

Seite 10   Ferdinand Gregorovius / Der Mann, der im Mittelalter gewesen ist.

Die einer Hugenottenfamilie entstammende, 1876 in Minden geborene Dichterin Gertrud von Le Fort, die heute auf Schloss Konradshöhe bei Baierbrunn im Isartal lebt, vermittelt uns in ihrem in Rom spielenden Roman „Das Schweißtuch der Veronika" ein interessantes Zeugnis über den geistigen Rang des ostpreußischen Historikers Ferdinand Gregorovius aus Neidenburg, den er sich durch sein achtbändiges Werk „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter" erwarb. In Anerkennung seiner Verdienste hat Gregorovius am 8. Mai 1876 als erster Deutscher und einziger Protestant vom römischen Gemeinderat die Rechte eines Ehrenbürgers der Stadt Rom verliehen erhalten. Die Dichterin nimmt in dem folgenden Vergleich Bezug auf eine Dichtung der Weltliteratur, die „Divina Commedia" (Göttliche Komödie) von Dante (1265 - 1321):

 

„Meine Großmutter hatte noch in ihrer Jugend den berühmten Historiker Gregorovius gekannt, und ich hatte sagen hören, es habe eine Zeit gegeben, wo ihm ihr wunderschönes, geistvolles Antlitz noch viel interessanter gewesen sei als die ,Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter'. Sie selbst aber sagte das niemals, obwohl sie sich sonst nicht ungern daran erinnerte, wieviel sie als junge Frau gefeiert worden war. Aber von den Männern, die, an ihrem Geist gebildet hatten, oder von denen sie es doch glaubte, sagte sie stets nur, dass sie selbst sie hoch verehrt habe. Von Gregorovius erzählt sie gerne, die deutsche Kolonie habe ihn immer den Mann genannt, .der im Mittelalter gewesen sei', so wie etwa die Einwohner von Verona Dante den Mann genannt hätten, der ,in der Hölle gewesen sei'. Sie teilte dann die Historiker überhaupt in solche ein, die ‚dabei waren', und solche, die ‚nicht dabei waren'. Von Mommsen zum Beispiel, den sie auch gekannt hatte, meinte sie, er sei „nicht dabei gewesen“. Dr. Walter Schlusnus.

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Die Mutter / Von Wanda Friese.

Es dunkelte schon stark, als die kleine Karawane der Flüchtenden aufbrach. Gehetzte Menschen waren es mit fiebrigen Augen und Angstschweiß auf der Stirn. Kinder weinten, schrien. Der alte Podszus mit dem Klumpfuß nahm eins der erbarmungswürdigsten auf den Arm.

 

„Scht — scht — nu plinz man nich, hier hast'n Kuchchen, da —.“

 

Das Kind griff gierig mit seinen schmutzigen Händchen danach. Anna dachte: Wie gut, wer keines hat. Die armen Dinger, was steht ihnen nicht alles bevor!

 

Sie blickte auf ihren gesegneten Leib herab. Ganz am Ende des Zuges schritt sie, zart, schmächtig, keineswegs jung, dazu abgehärmt von dem Gram um den Verlust der geliebten Mutter, die den letzten Aufregungen nicht standgehalten hatte. Annas Tränen waren schließlich versiegt. Sie war stumpf geworden und so müde. Aber hierbleiben? Um keinen Preis! Denn im Westfälischen oder im Rheinland wartete, vielleicht, wenn er noch lebte, der einzige, den sie noch besaß: Hannes. Es war, wenn sie an ihn dachte, als dachte sie ans Paradies.

 

Anna griff spontan nach irgendeines Kindes Arm und gab das letzte Plätzchen aus dem Beutel her, um ein Lächeln auf den seltsam alten Gesichtchen hervorzuzaubern. Diese Kinder, alle schienen sie irgendwie alt geworden von gestern auf heute. Monoton ging der Marsch durch das winterliche Land, das Heimat war und doch nicht mehr war. Alles sah so traurig und fremd aus. Sie redeten nicht viel miteinander, diese Menschen, die ihr Hab und Gut, alles, was das Leben schön machte, verloren hatten. Worte schienen so unnütz. Immer waren es nur dieselben Ausrufe: „entsetzlich" — „schrecklich" — „kommen wir noch hin?"

 

Wohin? Einige wussten wohl von einem Ort, da Verwandte wohnten, die sie aufnehmen würden. Die meisten aber gingen ins Nichts. Auch Anna ging ins Nichts. Von Hannes war seit Monaten keine Zeile mehr gekommen. Die Mutter, der sie all ihr Leid klagen konnte, lebte nicht mehr. Dies war das Erschütterndste für sie, ärger als der ganze Krieg. Anna sah das geliebte, zuletzt so klein gewordene Antlitz mit den flehenden Augen, sah die federleichte Gestalt vor sich und schluchzte haltlos. „Nicht weinen" — sagte eine rissige, doch merkwürdig anheimelnde Stimme. Ein kleines Frauenwesen mit weißem, schütterem Haar und verhärmten Zügen war da plötzlich neben ihr und strich tröstend über den Ärmel von Annas abgetragenem Mantel. Wie wohl das tat! Anna breitete ihren ganzen Kummer aus, und die andere hörte geduldig zu. Wie selbstverständlich schritt sie neben Anna im stärker werdenden Schneefall, der die Erde wie mit einem Tuch zudeckte. Das Leichentuch, dachte Anna erschauernd. Nein, diese Landschaft war keine Heimat mehr, war ein Land ohne Gnade. Wer aber war diese alte Frau? Hatte die tote Mutter sie gesandt, um Anna, die so leicht Versagende, zu stützen? Anna glaubte fest daran. Sie schritt von nun an kraftvoll aus. Sie fühlte, dass etwas Gutes ihr geschah und weiter geschehen würde.

 

Ein Wind brach auf und machte das Sprechen fast unmöglich. Dennoch machte Anna unter ihrem Kopftuch hervor Versuche, ihre Beschützerin zu fragen, ob auch sie allein sei und in Nichts gehe.

 

Da tauchte eine hagere, große Frauenperson auf, die sich resolut anschickte, Annas Beschützerin von ihrer Seite zu reißen. „Komm, Mutter. Wo warst du bloß? Ich suchte dich überall“. Die Mutter sagte ruhig: „Bleibe hier, mein Kind, wir wollen diese liebe Frau nicht verlassen“.

 

Ein funkelnder Blick traf Anna aus den Augen der Tochter. Der Blick sagte tausenderlei. Er sagte: Nun kommst du daher und nimmst mir die Mutter. Geh fort, sagte der Blick, ja, er befahl es. Dann wurde er um eine Spur weicher. Auch du, sagte er, bist eine der Unsrigen mit dem schweren Schicksal, auch du —. Aber die Angst, teilen zu müssen, vertrieb die flüchtige Weichheit.

 

„Komm, Mutter, dort vorn ist es besser. Wasser wird dort ausgegeben, auch etwas Brot, hier bekommen wir nichts“.

 

„Dann muss auch sie" — die Mutter zeigte auf Anna — „mit“.

 

Anna erbebte vor Rührung und Dankbarkeit, aber ihr Stolz bäumte sich mächtig auf.

 

Sie sagte: „Nein, gute Frau, gehen Sie nur, Ihre Tochter möchte Sie für sich allein haben, ich begreife das, und ich dränge mich niemandem auf“.

 

Dennoch blieb sie, nicht fähig, diesen Platz, der sie mit geheimen Kräften speiste, zu verlassen.

 

„Geh doch, warum gehst du nicht?“ schien die Tochter zu sagen, wenngleich ihre Lippen stumm blieben.

 

Die alte Frau erriet es. Sie kannte ihr Kind.

 

„Schäme Dich, Elsbeth", tadelte sie, doch mehr zärtlichen als scheltenden Tones, „die da bedarf unser, die ist in der Hoffnung“.

 

Elsbeth sah an der anderen herunter und sagte nichts. Sie ging wie ein Hund, den man zum Gehorsam gerufen hatte. Auch Anna ging schweigend. Sie schlug den Mantel fester um sich. Sie besaß nur den einen. Die Pakete mit dem warmen Zeug waren liegengeblieben in der Eile. Sie hätte sie ohnehin nicht schleppen können. Sollte sie der Tochter den Platz allein gönnen? Sollte sie verzichten?

 

Auch Elsbeth kämpfte. Sollte sie die andere dulden?

 

So kämpften sie beide wortlos um den gleichen Menschen, um diese Mutter, deren unbeugsamer Wille zum Guten, deren Geduld und Unbeirrbarkeit sie zu einer Art Engel stempelte. Dieser Leidensweg würde noch Tage, vielleicht Wochen sich hinziehen, und so lange würde der Kampf der beiden Frauen andauern. Die Mutter, sie hieß Frau Gottschalk, nahm jetzt aus einem kleinen ledernen Beutel zwei armselige Äpfelchen und gab Elsbeth den einen, Anna den anderen.

 

„Wie verdiene ich Ihre Güte?" schluchzte Anna halb und biss schon verzweifelt hinein. Die Mutter hatte keinen Apfel für sich, der Beutel war leer, und man musste sehen, im nächsten Dorf irgendetwas zum Essen zu beschaffen.

 

Das Kind vorn begann wieder zu schreien, denn der lahme Podszus konnte es nicht mehr halten, seine Arme waren steif geworden, und er musste es absetzen. Hatte es keine Mutter? Es schien so. Frau Gottschalk rief in die Menge: „Das Kind — gebt es mir, ich schaff's noch, ja, kann zwar selber kaum noch laufen, aber gebt es mir“. Niemand achtete auf ihre Worte. Der Schnee fiel dichter, man ging beschwerlicher, und es war Zeit, in einen Ort zu kommen, wo man sich wenigstens ein paar Stunden hinsetzen konnte. Das Kind schrie lauter. Sein Gesichtchen war blau angelaufen, die Augen wie erloschene Sterne. Endlich erbarmten sich zwei junge Männer seiner; die Frauen waren stur, erschöpft, unwillig, zudem hatten die meisten selber ein Tross Kinder hinter sich, von denen etliche gezogen, ja geschleift werden mussten, um mitzukommen.

 

Elsbeth sah verbissen drein. Sie hing sich an die Mutter, redete auf sie ein, beanspruchte sie ganz für sich. Anna ging abseits, den Kopf gesenkt.

 

„Kommen Sie", rief Frau Gottschalk, „haben Sie noch jemand wo?"

 

„Kaum", erwiderte Anna. Sie hätte ehrlich sein, hätte von Hannes reden müssen, aber dann hätte sie mehr besessen als Elsbeth. Elsbeth grübelte: Wenn sie keinen hat, wird sie uns immer weiter zu Last fallen. Sie bot alles auf, der anderen den Aufenthalt in ihrer Nähe so unangenehm wie möglich zu machen, was Frau Gottschalk mit mildem Wort unter der nassen Kapuze immer wieder ausglich.

 

„Glaubt nur, Kinder, glaubt", mahnte sie, „der alte Gott ist noch da“.

 

„Ist er?" zweifelte Anna ketzerisch. Elsbeth zuckte nur mit den Schultern. Sie mochte fünfzig sein. Ihre rechte Hand war ohne Ring. Sie hatte vielleicht bittere Zurücksetzungen erleiden müssen, und nun hatte sie alle Hoffnung auf Liebe begraben. „Wie heißen Sie?" wollte die alte Frau wissen. Anna nannte ihren Namen. Einer von unzähligen. Sie selber war eine von unzähligen, weder hübsch noch jung, unterschied sie sich durch nichts von den anderen außer etwa mit ihren dicken braunen Ponyhaaren über der Stirn bis in die Augen, was ihr etwas leicht Exotisches verlieh. Elsbeth mochte das nicht leiden. Es regte sie auf. Sie war sich bewusst, dass die andere mehr vorstellte als sie, jünger war, und vor allem, sie erwartet das Kind. Anna würde einen Lebensinhalt haben.

 

Sie sagte: „Gehen Sie doch nach vorn. Sie haben es besser da“. „Bleiben Sie", gebot die Greisin mild. Sie wusste, was sie Anna bedeutete, die ihre Mutter verloren hatte.

 

Und Anna blieb. Zu wem sollte sie sonst hin? Zum alten Podszus noch am ehesten, der das kleine Kind Stunden um Stunden auf dem Arm getragen, ohne zu murren. Aber er war selber am Ende, sackte plötzlich zusammen und fiel schwer in den Schnee.

 

„Es jeht nich mehr — es jeht nich mehr!" — Niemand konnte ihn aufheben. Er wog zu schwer, und wie sollte er bei den verwehten Wegen mit seinem Klumpfuß weiterkommen? Die Nacht brach schon ein. Die meisten begannen zu laufen, jappend, stöhnend. Frau Gottschalk blieb stehen. „Wir können doch den Mann nicht hilflos zurücklassen“.

 

„Aber er ist zu schwer, Mutter", drängte Elsbeth, und auch Anna flehte: „Kommen Sie, wir haben noch an die zwei Stunden bis P., vielleicht, dass der nächste Treck ihn aufsammelt“.

 

Und die beiden zogen die sich Wehrende vorwärts, wobei sie immerfort vor sich hinmurmelte: „Mein Gott, der Podszus, der arme Podszus, er ist doch ein guter Mensch“. „Ach, was bedeutet einer unter den Tausenden“. Das kam von Elsbeths harten, schmalen Mund.

 

Immer mehr Schnee fiel. Man watete förmlich, sah nichts mehr von der Landschaft, tappte wie

durch Wüste. Anna fühlte ihre Füße kaum noch. Sie ersehnte nichts als einen winzigen, gesicherten Platz irgendwo, um den Kopf an eine Wand legen zu können. Kam er nicht, so würde sie bald hinfallen wie der Podszus, schwer, nicht aufzuheben, trotz ihres leichten Gewichts. Und das wäre das Ende. O, aber das durfte nicht sein, um des Kindes willen, um Hannes willen nicht. Vielleicht, dass er doch lebte. Noch wusste er nichts von seinem Kinde, das er vergöttern würde.

 

„Häuser" — rief da einer von den Jungens an der Spitze des Zuges. Und alle echoten jubelnd: „Häuser — ein Dorf — ein paar Stunden Ausruhen“.

 

„Seht Ihr, ich sagt's doch", lachte Mutter Gottschalk.

 

Aber ihr Lachen sollte nur Sekunden währen. Denn von oben gab es plötzlich ein wildes, krachendes Geräusch. Ein Schrei aus aller Munde: „Tiefflieger — rasch" — Alles stob auseinander, warf sich in den Schnee oder duckte sich irgendwo. Nur Elsbeth nicht. Wollte sie nicht? Suchte sie den Tod? Noch ein Krachen — und Mutter Gottschalk, die hervorgestürzt war und sich schützend vor die Tochter stellte, sank hin und war sofort tot. Noch ein paar Schüsse — dann wieder Stille. Eine Panik entstand unter den Menschen. Wer war tot? Wer? Nur Mutter Gottschalk war tot, weil sie ihre Tochter hatte retten wollen, retten müssen. Man wartete, dass die Gerettete aufschrie, sich wild gebärdete an der Leiche der Mutter oder dass sie vor Dank in die Knie sank. Nichts geschah. Kein Wort kam aus ihrem Mund. Ihre Zunge war gelähmt.

 

„Die da war eine Mutter" — sagte Anna schlicht und faltete die Hände, „die meine hätte nicht anders gehandelt. Komm, Elsbeth“. Und Elsbeth widerstrebte nicht. Alle Härte war aus ihrem Gesicht gewichen, das fassungslos vor sich hinstarrte. Dann gingen die beiden, als wären sie Geschwister, um die Mutter zur letzten Ruhe zu betten. Hier blieb sie nun, in der Heimat, für immer.

 

Seite 11   Aufforderung. Von Arno Holz.

Spann deine Flügel weit,

fern allem Tagesstreit,

schwing dich durch Raum und Zeit

über dein Leid!

 

Jenseits des letzten Blau's

Blitzt deiner Heimat Haus,

hinter dir Tod und Graus,

Halt durch, harr' aus!

 

Seite 11   Zeichnung: Arthur Degner (Gumbinnen) Am Waldrand (Lithographie) Aus dem Kunstkalender „Die Kunstgilde (Eßlingen)

 

Seite 11   Der Garten voller Astern. Eine Skizze von Tamara Ehlert.

Die Sonne verkroch sich. Die Kiefern sahen wie Tuschpinsel aus, mit einem Streifen ausgelaufener roter Farbe darüber, über den Äckern schwebten die Rauchfahnen ferner Kartoffelfeuer.

 

Ahorn hockte auf der Treppe vor der offenen Tür und sah den Rauchfahnen zu. Die Treppe war aus Holz und fühlte sich von der Sonne ganz warm an.

 

Über die Wiese kam ein Mann. Er ging langsam, als hätte er sehr viel Zeit. Sie erkannte ihn erst, als er bei dem kleinen weißen Pfahl angelangt war. Sie stand auf und ging ihm entgegen.

 

„Hallo, Ahorn", sagte der Mann, „dein Haar ist ja noch roter als sonst, oder macht es die Beleuchtung?"

 

„Du bist ein abscheulicher Mensch", sagte sie und versuchte ein böses Gesicht zu machen. Sie gingen ins Haus. Er packte seine Aktentasche aus und verstreute den Inhalt auf dem Küchentisch. „Wo ist dein Badezeug?" fragte sie. „Ich mache das Abendbrot zurecht, und du gehst baden“.

 

„Nein", sagte er. „Wir gehen nachher zusammen an den Strand. Ich möchte jede Minute, die ich noch hier bin, mit dir zusammen sein“.

 

Sie sah auf den Wandkalender. Über dem Wort „September" hockte ein Zwerg in giftgrünem Umhang und ließ die Beine baumeln. Unter seinen rotbeschuhten Füßen kauerte die Zahl „1939", schwarz, fett und feindlich wie eine Kröte.

 

„Du musst fort", sagte sie. Die kleine Küche mit den lustigen blauen Emailletöpfen und dem hüpfenden Flämmchen über dem Spirituskocher wurde ganz dunkel.

 

„Ja", sagte er. „Morgen schon. Es ging rascher, als ich dachte“. Sie versuchte gefasst auszusehen. Es misslang genauso wie vorhin der Versuch, ein böses Gesicht zu machen.

 

„Auf jeden Fall müssen wir etwas essen", sagte sie schließlich. „Willst du die Eier gekocht oder gebraten?"

 

„Gebraten“, sagte er. „Du bist ein wundervolles Geschöpf. Ich werde solange den Tisch im Garten decken“.

 

Er ging ins Zimmer und nahm das Tischtuch aus der Kommode. Es war eine kleine, altmodisch geschwungene Kommode aus Nussholz. Auf der zerkratzten Platte lagen ein paar Äpfel. Vor dem Bett trieben sich ihre Sandalen herum, kleine schiefgetretene Dinger mit schmalen Riemen. Er hob sie auf, ein bisschen Seesand kam ihm entgegen. An der Wand hing ihr Bademantel, blau mit weißen Tupfen. Daneben die Badetasche. Auf der Tasche war ein großes weißes C, der Anfangsbuchstabe ihres Namens. Seltsam zu denken, dass sie einen so ernsthaften Vornamen hatte. Clementine.

 

Er nahm das Tischtuch unter den Arm und ging in den Garten. Es wurde schon dämmerig, Ahorn stellte ein Windlicht auf den Tisch. Eine Kuhherde trottete vorüber. Die Tiere steckten ihre Köpfe über den Stacheldraht und sahen mit ihren stumpfen braungoldenen Augen zu ihnen hin.

 

„Ich mag Kühe schrecklich gern", erklärte Ahorn mit vollem Mund. „Kühe sind verkappte Philosophen. Du musst sie bloß mal beim Wiederkäuen beobachten“.

 

„Beim Wiederkäuen fällt mir ein, dass ich die eingemachten Pfirsiche vergessen habe", sagte er. „Warte, ich hole sie“.

 

Als er wiederkam, saß sie ganz in sich versunken da. „Was ist los?" fragte er. „Magst du keine Pfirsiche?"

 

„Doch", sagte sie. „Ich habe bloß daran gedacht, dass es unser letzter Abend ist“.

 

„Nicht unser letzter", sagte er. „Ich komme ja wieder“.

 

„Natürlich", sagte sie. Sie sah in das Windlicht. Es brannte still und gelb und feierlich „Natürlich kommst du wieder“.

 

Er nahm die Flasche mit dem Etikett „Blutgericht Nr. 7" und drehte sie liebevoll hin und her. „Wenn ich nicht ein so amusischer Mensch wäre, würde ich jetzt ein Lied schreiben. Über dich, über den Wein, über die Kühe am Zaun. Vielleicht auch über den Sonnenuntergang heute. Wie du auf der Treppe hocktest, und der Garten stand voller Astern. Was meinst du dazu? Ein hübscher Titel: Der Garten war voller Astern. Später sagen sie dann: Das war der Kerl mit dem Asternlied. Schade um ihn“.

 

Sie schob ihre Hand über den Tisch. „Nicht so", sagte sie. „Bitte nicht so“.

 

Später saßen sie auf einer Düne und sahen aufs Meer. Es war glatt und schwarz und eins mit dem Himmel.

 

„Vor vier Wochen", sagte sie, .haben wir von hier aus noch die Lichter von Cranz gesehen. Jetzt dürfen sie nicht mehr brennen. Du hattest einen so hübschen Vergleich: Lichter, auf die dunkle Küstenschnur unordentlich aufgereiht, wie Perlen an einer Kinderhalskette. Vor vier Wochen hast du mir auch gesagt, dass Clementine ein unmöglicher Name sei. Du sagtest: Dein Haar sieht aus wie Ahornblätter im Herbst, ich werde dich Ahorn nennen“.

 

Der Wind knisterte im Strandhafer und berührte ihre Gesichter. „Du kennst meine Abneigung gegen Bahnhofs- und Wartesaalszenen", sagte er. „Wenn ich morgen früh gehe, will ich dir im Garten Auf Wiedersehen sagen“.

 

„Ja", sagte sie. „Und du musst mir versprechen, dich nicht mehr nach mir umzudrehen, wenn du bei dem kleinen weißen Pfahl angelangt bist. Du musst dann so tun, als sei ich gar nicht mehr da“.

 

Als er in seinem Zimmer die Kerze auf dem Nachttisch anzündete, fand er auf dem Kopfkissen eine Schachtel Zigaretten und einen Zettel: „Bitte, nicht das Bettzeug durchzubrennen. Clementine“. Das „Clementine" stand steif und mahnend da wie ein erhobener Zeigefinger.

 

„Ich fürchte", sagte Ahorn von der Tür her, „du wirst es nicht beachten und drei weitere Löcher in das gute Buntkarierte brennen. „Sie hatte den blauen Bademantel an, und ihre nackten Füße steckten in den schiefgetretenen Sandalen. „Und dann — vergiss nicht die Kerze auszulöschen. Oder soll ich es für dich tun? Ich glaube, es ist sicherer“.

 

Es war noch nicht richtig hell, als er ging. Die Morgenkühle hatte sich spiegelnd über die Treppe gelegt. Ahorn stand an der Tür und sah ihm nach. Jetzt war er bei dem kleinen weißen Pfahl angelangt. Dreh dich nicht um, dachte sie. Bitte, dreh dich nicht um.

 

Er drehte sich nicht um. Er ging über die Wiese davon, ganz langsam, als hätte er sehr viel Zeit.

 

Seite 12   Der Künstler in der Zeit / Zur – Eßlinger Begegnung – vom 27. September bis 1. Oktober 1956.

Foto: Esslinger Begegnung 1956.

Die „Eßlinger Begegnung 1956“, die fünfte in der Reihe, die vom 27. September bis zum 1. Oktober eine große Zahl bedeutender ostpreußischer Künstler aller Gruppen, Altersklassen, Stilrichtungen und landsmannschaftlichen Herkünfte zum Gespräch untereinander, aber auch zur Begegnung mit den schöpferischen und interessierten einheimischen Kräften, Männern des öffentlichen Lebens Publizisten, Kulturpolitikern, Kritikern usw. zusammenführen soll, ist unter den Leitgedanken „Der Künstler in der Zeit“ gestellt.

 

Nachdem in den vergangenen Jahren einmal die bildenden Künstler, dann wieder die Dichter oder die Komponisten und die ausübenden Musiker im Vordergrund standen, ist dieses Mal eine Gesamtrepräsentation und die Beschäftigung mit Grundfragen der Zeit auf dem Programm. Ziemlich gleichmäßig kommen die einzelnen Fachgruppen zu Wort. Nur die Darstellende Kunst, die freilich in diesem Jahre mit einer Reihe sehr beachtlicher Theaterausstellungen in Darmstadt, Nürnberg, Ludwigsburg, Ludwigshafen und demnächst Düsseldorf von sich reden machte, tritt etwas in den Hintergrund, um für 1957 umso Gewichtigeres vorzubereiten. Die Fachgruppe Bildende Kunst kann abweichend vom bisherigen Brauch auf eine eigene Kunstausstellung verzichten, nachdem sie mit den Kollektionen in Darmstadt, Stuttgart und Bamberg, die jetzt geteilt nach Göttingen und Erlangen gehen, außerordentlichen Widerhall in der breitesten Öffentlichkeit gefunden hat. Sie wird freilich bei den allgemeinen Diskussionen und mit den Kunstberichten und Lichtbildervorträgen (Niels von Holst, Rainer Zimmermann, Dr. Ernst Schremmer) in der allgemeinen Reihe einen wesentlichen Beitrag leisten. Hier beteiligt sich die Musik mit den Ausführungen und Beispielen des Komponisten und Pädagogen Professor Günther Bialas und die Literatur mit der Überschau von Dr. Ernst Schremmer, dem Dr. Karlheinz Gehrmann konferieren wird. Die Ausstellung im Erdgeschoss des Alten Rathauses der alten Reichsstadt Esslingen, das auch sonst der Treffpunkt und der Austragungsort der Wortgefechte sein wird, bestreitet diesmal die erstmalig vollgewichtig auf den Plan tretende Gruppe Lichtbildwesen mit einer Ausstellung neuer Arbeiten namhafter Fotografen, die so manche Überraschung bieten wird.

 

Die Summe der Jahresarbeit und der Beiträge und Diskussionen wird intern in der vorwiegend als Arbeitssitzung gedachten Hauptversammlung und öffentlich, in abschließenden Rundgespräch, am Sonntagnachmittag gezogen.

 

Die literarische Darbietung, die in der Festlichen Stunde am Freitag, 28. September, abends, gipfelt, in der eine Reihe beachtlicher Dichter mit neuen Arbeiten zu Wort kommt, und bei der der Träger des Sudentendeutschen Förderpreises, der junge Pianist Schubert spielt, findet ihren Anschauungsunterricht in zwei parallelen Ausstellungen: „Aus dem

Schaffen ostdeutscher Autoren" und „Aus der Produktion ostdeutscher Verleger", gewissermaßen also einer kleinen ostdeutschen Herbstmesse des Buchhandels und einer Auslese ostdeutscher literarischer Repräsentanz.

 

Die Musik wird auch diesmal nicht fehlen: sie beteiligt sich aber nicht so sehr mit geschlossenen Veranstaltungen, in denen das zeitgenössische Schaffen Revue passiert, als vielmehr eingebaut in den ganzen Ablauf, so besonders bei den Festgottesdiensten — mit sehr ausgewähltem musikalischen Teil u. a., unter Mitwirkung der Sopranistin Erna Hassler, bei der morgendlichen Turmmusik, die Arno Knapp der gastlichen Stadt Esslingen gewidmet hat, und damit auch einmal die sogenannte, aber sehr gehobene Unterhaltungsmusik zu Worte kommt, im Begrüßungsabend mit dem heiteren Kammerkonzert, gestaltet von Fritz Mareczek, unter Mitwirkung der Solisten Erna Hassler und Erich Rauch, Baß.

 

Dem Film sind zwei Vormittage gewidmet: Dir. Max Lippmann, der immer wieder Anregendes und Aufwühlendes auf diesem Gebiet bot, kündigt eine Reihe deutscher und ausländischer hochinteressanter Problemfilme an, die den Film in Bezug zu den anderen, den klassischen Künsten, setzen.

 

Der letzte Tag bietet, gleichfalls in guter Esslinger, immerhin schon fünfjähriger Tradition, eine Fahrt ins Land der Staufer, verbunden mit einer kleinen Huldigung an das Werk der Parler und Balthasar Neumanns. Und dass man sich auch selbst zum Besten haben will, soll das Kabarettier, am Samstagabend erweisen, bei der die Umkehrung des sonst sehr ernst gemeinten Leitgedankens ins Satirische den Ernst umso mehr untermauern soll: „Keine Zeit für Künstler".

 

In diesen Tagen aber sollen die Künstler Zeit haben zu vielfältiger Begegnung mit sich und ihrem Werk, zur Selbstbesinnung, untereinander und mit allem, die Sinn und Herz für ihr Schaffen haben.

 

Und wir können nur hoffen, dass es auch diesmal so heißen wird wie in den letzten Jahren „Ich bin begeistert" und „Darf ich bald wiederkommen?" E-S.

 

Seite 12   Wir blättern in neuen Büchern.

Ostdeutsche Kulturhefte. Schriftenreihe für das Vertriebenenwesen. Herausgegeben vom Minister für Arbeit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Wegweiser-Verlag, Troisdorf, Bez. Köln.

 

In diesen, von der kundigen Hand des Schriftstellers Harald von Koenigswald sorgfältig zusammengestellten Kulturheftes finden wir Proben besten heimatlichen Schrifttums der Gegenwart und Vergangenheit vereint. Die Auswahlen reihen sich jeweils um ein bestimmtes Grundthema. Unter dem Titel „Es war ein Land . . ." (Heft 17, 96 S., 1,75 DM) finden wir Prosa- und Lyrikbeiträge aus der Feder namhafter ostdeutscher Autoren, die sich den gestaltenden Kräften ostdeutscher Landschaft zuwenden; „Ostdeutscher Herbst" (Heft 19, 100 S., 2,-- DM) ist ein Loblied auf Natur und Menschen der Heimat in ihrer ganzen bunten Fülle und Vielfalt; ein Hebens- und lesenswertes Weihnachtsbüchlein verbirgt sich unter dem Titel „Es kommt ein Schiff geladen" (Heft 20, 108 S., 2,-- DM). Zu den Mitarbeitern dieser empfehlenswerten Schriftenreihe gehören u. a. Agnes Miegel, Paul Fechter, Walter von Sanden, Tamara Ehlert, Martin Kakies, Ernst Gall, um uns auf einige Namen ost- und westpreußischer Herkunft zu beschränken. Jedes Heft enthält zahlreiche ganzseitige Fotowiedergaben auf Kunstdruckpapier, die in ausgesuchten Motiven die Schönheiten der Heimat im Osten vor Augen führen. Diese Bändchen werden als kleine Geschenke viel Freude auslösen.

 

Rudolf Neumann: Ostpreußen 1954 - 1955. Bd. I der Reihe Ostdeutschland unter fremder Verwaltung. Alfred-Metzner-Verlag, Frankfurt/M.-Berlin. 112 S. mit einer Kartenbeilage. 7,80 DM.

 

Wenn man die Heimat nicht nur im Spiegel der Vergangenheit sehen will, sondern sich ernsthaft mit den Möglichkeiten beschäftigt, die sich uns in der Zukunft bieten, muss man sich vor allem auch mit den derzeitigen Gegebenheiten beschäftigen, die sich in den vergangenen zehn Jahren in der Heimat entwickelt haben. Über alle sich hieraus ergebenden Fragen gibt für Ostpreußen der soeben erschienene Band 1 der vom Herder-Forschungsrat herausgegebenen Schriftenreihe „Ostdeutschland unter fremder Verwaltung" aufschlussreiche Antwort. In den Jahren unter polnischer Verwaltung sind in den Heimatgebieten tiefgreifende Veränderungen vorgegangen, wirtschaftliche und verwaltungsmäßige, vor allem aber doch in der völligen Umgruppierung der Bevölkerung durch Aussiedlung und Zuwanderung. Man muss dem Verfasser dankbar sein, all dieses Material in so erschöpfender Weise zusammengetragen zu haben. Wer sich heute mit der Frage der deutschen Ostgebiete beschäftigt, wird nicht umhin können, auf dieses Standardwerk zurückzugreifen.

 

Einer für den anderen. Buch der Patenschaft. Deutscher Buchverlag, Itzehoe. 66 S., engl. Brosch.

 

Als ein schöner Beitrag zur Patenschaft eines westdeutschen Kreises über einen Kreis aus den deutschen Vertreibungsgebieten ist dieses Gemeinschaftsbändchen anzusehen, das dem Patenschaftsverhältnis der Kreise Steinberg In Schleswig-Holstein - Pr. Holland in Ostpreußen gewidmet ist. In den Händen der Einheimischen wie der Patenkinder wird sich diese Veröffentlichung als Mittlerin erweisen, aus dem Wissen umeinander jene Bände zu knüpfen, die Voraussetzung einer jeden ernstgemeinten Patenschaft sein sollten. Hierauf wird sich weiter aufbauen lassen. Das Bändchen enthält neben anderen Beiträgen kurz gefasste geschichtliche Schilderungen der beiden Kreisstädte Pr. Holland und Itzehoe und ist mit zahlreichen Bildern geschmückt.

 

E. T. A. Hoffmann: Berliner Novellen. Mit Illustrationen von G. Gossmann. Verlag Das Neue Berlin, Berlin. 2. verb. Auflage, 296 S., 8,50 DM.

 

Die Freunde Hoffmanns werden mit dieser Ausgabe ausgewählter Erzählungen eine seltene Freude erfahren! Man könnte sich vorstellen, dass die Ausstattung dieses Bandes vom Dichter selbst suggeriert worden wäre, so gleicht sie sich den gespenstischen Geschichten an, werden sie von der feinen, versponnenen, ins Groteske zielenden Feder Gossmanns auf einfühlsame Weise ergänzt und bereichert. Bei einer Reihe kolorierter Blätter wird man besonders gern verweilen. Der Band enthält die Erzählungen aus den Abenteuern der Silvesternacht, Die Brautwahl, Das Sanctus, Ritter Gluck und Des Vetters Eckfenster. Sie wurden im Hinblick auf ihre Berliner Bezogenheit und Färbung vom Verlag unter dem Titel „Berliner Novellen" zusammengefasst. Ein Geschenkband erster Klasse! Man sollte ihn sich für Weihnachten vormerken.

 

Walter von Sanden-Guja: Ingo. Die Geschichte meines Fischotters. Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart. 106 S. 26 Abb., Halbl. 5,90 DM

 

„Ingo ist kein Mensch, sondern ein Fischotter, und darum musste ich vom ersten Tage unseres Zusammenseins an einen anderen Maßstab als bei Menschen anlegen“, beginnt Walter von Sanden die Geschichte dieser seltsamen und nicht alltäglichen Freundschaft. Ist an sich schon die bloße Begegnung mit diesem selten gewordenen Geschöpf ein ereignisreiches Erlebnis, um wieviel mehr erst eine häusliche Gemeinschaft mit ihm. Walter von Sanden, den wir schon in seinen bisherigen Werken als den großen Freund der Tiere kennenlernen konnten, fand auch hier den richtigen Maßstab als Grundlage einer beglückenden Freundschaft von Mensch und Tier. Die Erlebnisse mit diesem putzigen Gesellen stellen den ganzen „Brehm" in Frage. Er fühlt sich im warmen Bett, auf dem Sofa, in der Badewanne, bei seinen Streifzügen durch Haus, Hof und Garten mindestens ebenso wohl wie seine Artgenossen in ihrer Flussbehausung. Dass bei so einer außerordentlichen Wohngemeinschaft auch Außerordentliches passiert, ist nur zu verständlich! Wir können nicht anders, als diesen kleinen Kerl liebgewinnen. Allen Tierfreunden wird dieses Buch zu einer beglückenden Lektüre.

 

Seite 12   Förderungen für ostdeutsche Künstler.

Unter den neuen Stipendiaten und Preisträgern des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie, die in einer Feierstunde in Baden-Baden in Anwesenheit des Bundespräsidenten Prof. Heuss verkündet wurden, befinden sich der sudetendeutsche Maler und Zeichner Roland Dörfler, geboren 1926 in Silberbach im Erzgebirge, ausgebildet an den Kunstakademien Nürnberg und Stuttgart. Der Künstler war u. a. auch auf Ausstellungen der Künstlergilde vertreten. Dörfler lebt in Kornwestheim bei Stuttgart.

 

Ein weiteres Stipendium erhielt der Oberschlesier Reiner Zimnik aus Beuthen, Jahrgang 1930, wohnhaft in München, ausgebildet an der dortigen Akademie. Während Dörfler großformatige Öle und Zeichnungen mit kraftvollen Figuralkompositionen zeigt, entwickelt Zimnik phantasiereiche und treffsichere Buchillustrationen. Wie bedeutsam diese Stipendien sind, zeigt die Praxis des nunmehr 5 Jahre bestehenden Kulturkreises, der die jungen Künstler weiterhin durch Ausstellungen, Ankäufe, Prämien usw. zu fördern trachtet, so aus den Auszeichnungen der letzten Jahre die Sudetendeutschen Helmut Lang und Thomas Zach und den Ostpreußen Dietmar Lemcke.

 

Unter den Auszeichnungen und Förderungen des literarischen Förderungswerks ist besonders die für den 1904 geborenen schlesischen Dichter Horst Lange (München), den Verfasser vor allem des Romans „Schwarze Weide" erfreulich. Dieses 1937 geschriebene Romanwerk, kürzlich neuaufgelegt, wirkt heute aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte wie eine große Vision des Geschehens um die schlesische Heimat.

 

Seite 12   Das heutige Ostpreußen.

Nicht nur die Ostpreußen, sondern alle, die das Land zwischen Weichsel und Masuren kennen und lieben, sind daran interessiert zu erfahren, wie es jetzt in Ostpreußen aussieht, das in den letzten Monaten des Krieges grauenvoll zerstört wurde und nach der Vertreibung seiner deutschen Bewohner verödete und verfiel.

 

Nun konnte im Juni 1956 ein westdeutscher Bildberichter, Willi Michael Beutel, durch den polnisch besetzten Teil Ostpreußens fahren. Über das, was er dabei sah und im Bilde festhalten konnte, wird ein demnächst in Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft Ostpreußen im Aufstieg-Verlag, München 23, erscheinender Bildband „Das heutige Ostpreußen" (91 Bilder auf 68 Kunstdrucktafeln, 12 Seiten Text, Preis DM 5,80) in Wort und Bild berichten.

 

Wir machen schon heute auf diese unsere Leser besonders interessierende Neuerscheinung aufmerksam, auf die wir nach Erscheinen noch ausführlicher zurückkommen werden.

 

Seite 12   Gerhart Pohl: Bin ich noch in meinem Haus? Die letzten Tage Gerhart Hauptmanns. Lettner-Verlag, Berlin-Dahlem. 120 S., 8 Fotos, Ganzleinen. 5,80 DM.

 

Dieses Buch ist eine Begegnung von ergreifender Art, eindringlich und unmittelbar, wie sie vielleicht nur Gerhart Pohl gestalten konnte, der das letzte Lebensjahr Hauptmanns in dessen unmittelbarer Nähe und als häufiger Gast im Hause des Dichters, dem Wiesenstein in Agnetendorf, erlebte. Vor dem lauten Vordergrund der 54-, 46-er Jahre vollzieht sich das stille Auslöschen dieses großen Dichters und Menschen. Seine letzten Worte „Bin ich noch in meinem Hause?" sind nicht allein für sich gefragt, sondern zugleich auch als Frage an Zeit und Menschheit gestellt. Gerhart Pohl, dem wir für diese Aufzeichnungen nicht genug danken können, lieferte damit nicht allein einen Beitrag zur Biographie Hauptmanns, sondern gleicherweise ein Zeitdokument, und als solches nicht weniger ergreifend und nicht weniger notwendig in unserer Zeit.

 

Seite 12   Lesen Sie Gedichte? Lieben Sie Gedichte?

Dann sollten Sie nicht versäumen, den „Karlsruher Boten" kennenzulernen! Unter diesem Titel erscheinen seit fünf Jahren Sammelhelte zeitgenössischer Lyrik, herausgegeben von Kurt Rüdiger. Selbst Ostdeutscher, ist er immer wieder bemüht, junge ostdeutsche Autoren herauszustellen. Namen, die auch den Lesern der „Ostpreußen-Warte" ein Begriff sind, finden sich darunter: Tamara Ehlert, Lydia Ganzer, Emil Merker, Gerhard Riedel, Jochen Hoffbauer, Herbert Wessely u.a. Um auch minderbemittelten Freunden des Gedichts die Möglichkeit des Bezuges zu geben, erfolgt die Verteilung direkt durch den Herausgeber. Den Heften liegen Zahlkarten bei, die jeder nach eigenem Ermessen ausfüllen kann.

 

Es ist etwas Bewundernswertes zu sehen, wie bei einem derart unkaufmännischen und allein auf gegenseitigem Vertrauen gegründeten Unternehmen, das keine Mäzene oder Hilfsquellen hinter sich hat, diese Blätter für junge Dichtung", wie der Untertitel des Karlsruher Boten heißt, es in fünf Jahren bereits zu 25 Veröffentlichungen brachte, ganz auf jede Propaganda und Reklame verzichtend. Immer wieder nach jungen Talenten ausschauend, fordert er auch diejenigen unter den Lesern unserer „Ostpreußen-Warte" zur Mitarbeit auf, die sich um das dichterische Wort mehr als gelegentlich bemühen.

 

Zu Weihnachten erscheint ein Heft mit Sprüchen und Kurzgedichten (Einsendeschluss der 01.11.1956), im Frühjahr 1957 eine weitere Gedichtsammlung, die dem Erleben des Waldes wie der dichterischen Erfassung des Baumes gewidmet ist. Das Anfang Oktober erscheinende Heft trägt den Titel „Brücke aus Hauch" (Nachtlieder und Gebete). Preis je Heft nach Selbsteinschätzung zwischen 1,-- DM und 2,-- DM. Interessenten wenden sich an: Kurt Rüdiger, Karlsruhe, Weinbrennerstr. 47.

 

Seite 12   Einkehr und Besinnung.

Die Liebe war im Ursprung aller Dinge. Tu auf dein Herz, damit der Riegel springe!

 

Fritz Kudnig besitzt den Zauberschlüssel zu den Herzen aller, die bereit sind, ihm ihr Ohr zu schenken. Jeder seiner Verse lässt uns beglückend den Hauch des Ewigen spüren.

 

Das Wunder am Meer. Das Lied einer Landschaft. Mit 8 ganzseitigen Bildern. 40 Seiten - Kart. 2,80 DM, Leinen 4,-- DM.

 

Gottes Lautenspiel. Gedichte. 36 Seiten, 1,50 DM.

 

Neu!  Seliges Gotteslied. Ein Ruf in die Zeit. 18 Seiten, 1,50 DM.

 

Zu beziehen durch: Elchland-Verlag. Abt. Ostpreußen - Buchdienst Göttingen.

 

Neu! Neu! Kleine Elchland-Reihe. Eine ost-westpreußische Kleinbuchreihe. Eine Brücke mehr zur unvergesslichen Heimat. Interessant • Geschmackvoll • Preiswert

 

Soeben erschien Band 1:

Elisabeth Pfeil: Hunger, Hass und gute Hände. Erlebnisse und Begegnungen jenseits der Memel. Das Erlebnisbuch einer Ostpreußin aus den Jahren nach dem Kriege. Das sterbende Königsberg ist Ausgangspunkt abenteuerlicher Fahrten in das benachbarte Litauen. Hunger und Hass zeichnen die Straßen; aber überall strecken sich helfende Hände. Ein Dokument der Menschlichkeit! Ein Buch, das eine Aufgabe zu erfüllen hat in unserer Zeit!

 

Anfang Dezember erscheint Band 2:

Fritz Kudnig: Herz in der Heimat. Erzählungen aus Heimat und Kindheit. Ein echtes Kudnig-Buch.

 

Folgende Veröffentlichungen liegen vor und erscheinen in Kürze:

Hermann Bink: Rosmarin und Thymian. Heimatkundliche Skizzen.

Tamara Ehlert: Die Dünenhexe. Erzählungen

Wilhelm Gaerte: Königsberger Merkwürdigkeiten.

Walter Schlusnus: Masurische Geschichten.

 

Ausstattung der Bändchen: Engl, broschiert mit farbigem Umschlag, Format 12 X 19 cm, Umfang zwischen 48 und 72 Seiten. Ladenpreis 2,20 DM, im Abonnement 1,60 DM.

 

Beachten Sie bitte das dieser Ausgebe beiliegende Prospektblatt!

Elchland-Verlag, Göttingen

 

Seite 13   „Wie ein Stern strahlt mein Gedächtnis!“ Zum Todestag des Dichters Arno Holz am 26. Oktober.

Portraitzeichnung mit Unterschrift. Arno Holz, geboren 26.04.1863 in Rastenburg, gestorben 26.10.1929 in Berlin.

Am 26. Oktober 1929 starb in Berlin-Wilmersdorf im Alter von 66 Jahren der am 26. April 1863 in Rastenburg als viertes von zehn Kindern geborene, Sohn eines Apothekers, der schon 1875, im zwölften Jahre des Dichters also, nach Berlin umsiedelte: Arno Holz. Mit achtzehn Jahren finden wir den schlechten Schüler mit katastrophalen Noten vom Königstädtischen Gymnasium abgehen und wenige Monate darauf schon einen Lyrikband „Spielmanns weisen", der freilich noch refusiert wird und erst zwei Jahre später, 1883, als „Klinginsherz" an die Öffentlichkeit tritt, einreichen. Noch ist er nicht der eigene, sondern der Epigone eines Heine, Geibel, Julius Wolff. Auch der Versuch des nächsten Jahres, sich durch ein „Gedenkbuch Emanuel Geibel" die Protektion des Lübecker Dichterfürsten zu verschaffen und dadurch in den Genuss des Einjährig-Freiwilligen-Jahrs zu kommen, schlägt fehl; Geibel antwortet kurz und ablehnend.

 

Zum ersten und letzten Male reist er über die Grenzen nach Holland und Paris. Längst ist er mit Kirche und Religion zerfallen. Da kommen ihm Zolas kritische Bände gerade recht in die Hände. Fortan, nach Niederschönhausen zurückgekehrt, wird er sich mit den Büchern der modernen Naturwissenschaft, mit den Traktaten Millers, Lecomtes, Spencers und Taines beschäftigen. Von diesem griff er den Satz auf, dass „das Wesen der Kunst nicht in der exakten Reproduktion der Natur bestehe" und prägt ihn in die Gleichung um „Natur ist Kunst weniger X", was er bald später in die positive Formel wendet: „Die Kunst ist das Das", nämlich die Realität.

 

„Das Buch der Zeit" ist der Titel des Gedichtbandes, mit dem der 22-jährige die Fanfare ansetzte. Die ganze Breite und Fülle unmittelbaren, großstädtischen Lebens, die hässliche Umwelt des Berliner Nordens mit seinen Mietskasernen, Fabriken, grässlichen Vorstädten findet hier, verbunden mit viel Polemischem, Zeitkritischem, seinen Ausdruck. Schon hier wird die „Reimklangklingelei" verhöhnt, obwohl er sich sowohl in diesem Buche als auch später in seinen parodierenden oder verspielt archaisierenden Werken wie „Aus Großmutters Garten" (1903), „Daphnis" (1904) als artistischer Meister sowohl der traditionellen Reim- wie Strophenformen erweist. Der leidenschaftliche Antitraditionalist wurde zum Entdecker und Verkünder der großen Barockformen des 17. Jahrhunderts. Aber auch als Richter über das 19. Jahrhundert brachte er bei aller Schärfe viel Nachsicht auf, ließ Rückert und Geibel wegen des einen oder anderen schönen Gedichts, Scheffel wegen seines Ekkehart und Dahn wegen seines „Kampf um Rom" gelten. (Wir wollen nicht vergessen, dass auch Rilke sich in seinen Literatururteilen vergriff). Noch Formkünstler in den Anfängen, wird er mehr und mehr zum Formdenker, zum Formtheoretiker. Zunächst gibt er mit Johannes Schlaf drei naturalistische Milieustudien „Papa Hamlet" heraus. Er wählt dazu ein norwegisches Pseudonym; denn er weiß, dass nur unter dieser Mystifizierung ein Werk beim breiten Lesepublikum ankommt (ist es heute viel anders?). Ihm folgt (1890) das, ebenfalls mit Schlaf erarbeitete, Milieustück „Familie Selicke", das in eine Arbeiterfamilie hineinleuchtet, der das jüngste Kind in der Weihnachtsnacht stirbt. Es ist die gleiche Zeit, da Gerhart Hauptmann, eben seinen ersten naturalistischen Prosabeitrag mit „Bahnwärter Thiel" leistend, auf Arno Holz stößt und „Vor Sonnenuntergang" schreibt (den Titel gab Arno Holz dem Stück!), das am 20. Oktober 1889 wenige Monate vor „Familie Selicke" (7. April 1890) über die Freie Bühne ging.

 

„Hier scheiden sich die Wege, hier trennt sich alt und neu", das sagt Fontane nicht etwa zu Hauptmanns, sondern zu dem Stück von Arno Holz. Ja, er betont ausdrücklich, an diesem Stück gemessen seien Hauptmanns Drama und Tolstois Macht der Finsternis keineswegs revolutionär.

 

Noch einmal kam es, in einer Gemeinschaftsarbeit mit seinem Jugendfreund Oskar Jerschke, mit „Traumulus" zu einem großen Erfolg, diesem Stück, das später durch seine Verfilmung in breitere Volksschichten gelangt ist, in dem ein junger Mensch an der Muffigkeit und Prüderie einer saturierten und verlogenen Zeit „unters Rad" gelangt. Und erst nachdem er sich von allen seinen Mitarbeitern (Schlaf, Jerschke, Paul Ernst), oft unter öffentlichen vehementen Polemiken gelöst hatte und seine 1908 zur Aufführung gelangende und nicht beachtete Berliner Künstlerkomödie „Sonnenfinsternis" durchfiel, gab er seine Theaterpläne auf und verspann sich die letzten zwanzig Lebensjahre hartnäckig in seine Verszyklen „Phantasus" (1898, 1913, 1916, 1926) und „Die Blechschmiede (1902, 1917, 1921), die bei immer neuen Erweiterungen und Umschmelzungen zu wahren Mammutgebilden gediehen.

 

„Nur über den reimlosen notwendigen Rhythmus führt der Weg in die Zukunft", war seine bahnbrechende Erkenntnis. Der erste, den der Reim Herz auf Schmerz, Brust auf Lust, Sonne auf Wonne gefunden habe, sei ein Genie, der tausendste, der es nachgetan hätte, ein Kretin gewesen. Nur ein Viertel unserer deutschen Worte sei für die Verwendung als Reim brauchbar; folglich gingen der deutschen Lyrik auch Dreiviertel an der dichterischen Seinsbewältigung verlustig. „Durch jede Strophe, auch durch die schönste, klingt der geheime Leierkasten", meint er und will selbst die freien Rhythmen eines Hölderlin und Goethe nicht davon ausnehmen. Er erfindet das Mittelachsengedicht, das drucktechnisch symmetrisch auf einer unsichtbaren Mittelachse aufgebaut ist, was freilich schon verspielte Barockdichter vor ihm getan haben, und was besonders in anglikanischen Ländern durchaus keine Seltenheit war. Der „Phantasus", sein Spiegelbild, sein Ego, das er schon im Buch der Zeit, freilich dort noch in einem gereimten Zyklus von 13 Gedichten, beschworen hat, gelangt so aus zunächst kleinen, verhältnismäßig überschaubaren stillebenartigen Gebilden, die an japanische Vorbilder gemahnen, zu wahren bombastischen, barocken, mit enzyklopädischem Wissen erfüllten, oft mit hundert aufeinanderfolgenden alliterierenden Adjektiven versehenen Wortkaskaden, wie wir sie in dieser Elefantiasis weder vor noch nachher bei einem deutschen Dichter finden. Alle Sprachregister, vom Jargon bis zur Hoch- und Hymnensprache werden gezogen. Immer ist der Einschuss ätzender Zeitkritik in diesem Riesengewebe. Alfred Döblin, sein getreuer Verfechter und Ausleger, sagt mit Recht, dass zur modernen Malerei, der eines Kandinsky etwa, mit ihrem Bemalen von Riesenflächen,

deren Zusammenhang dem Betrachter nicht mehr überschaubar, Parallelen bestehen. Ob solches Werk freilich noch bei einer Leserschaft ankommt? In der Landesbücherei einer Viertelmillionenstadt fand ich das einzige Werk der Blechschmiede, mit der Widmung seines Autor versehen, unaufgeschnitten vor!

 

Dieser Dichter, kaum mittelgroß, ja klein, mit schmalem Gesicht und kühn aufsteigender Stirn, mit der harten Fügung um Nase und Mund, dieser rechthabenwollende Polemiker, der starr auf seinem gewählten Wege fortschritt, ewig unzufrieden mit sich wie mit anderen, war letzten Endes doch mehr als ein Prinzipienreiter. Stammgast der Königlichen Bibliothek wurde aus dem durchgefallenen Schüler von einst der Poeta doctus und der Ehrendoktor der Königsberger Universität. Nach Ruhm und Lorbeer begierig, wollte er seine Nation als Praeceptor Germaniae zu seinen Füßen haben; er kränkte sich, dass er nicht den Nobelpreis bekam, für den ihn Stresemann vorgeschlagen. Stattdessen sah er, immer freundloser, den Ruhm und die Faszination die von Dichtem wie George, Rilke und Hofmannsthal ausgingen, die das „Gefühl" (gegen das er freilich oft genug polemisierte) ganz anders ansprachen, als er es konnte und wollte.

 

Im Technischen fand er Nachfolger genug, aber keinen, der sich zu ihm dankbar bekannte. Am gerechtesten wird man sein Werk wohl in Parallele zu dem Walt Whitmans setzen, wenn auch die Charaktere der beiden völlig verschieden sein mögen. Ob freilich, wie Alfred Döblin meint, der „Phantasus" jenes große symbolische Werk sei, „dessen Tage noch kommen werden", wer kann das erhoffen? Die „Akademie der Wissenschaften und der Literatur" hat unter der Reihe „Verschollene und Vergessene" auch einen Band Arno Holz herausgebracht. Hat er mehr als ein kleines Gremium gefunden, das ihn ohnehin schon kannte? Aber seine Riesenfresken, sein zwölfbändiges Gesamtwerk, wird sich noch eine Handvoll Junger damit einlassen wollen? Lassen unsere Lebensbedingungen solche Beschäftigung noch zu? Liegt uns nicht ein kurzes gedrungenes Werk wie das Georg Heyms oder Trakls mehr? Trennt uns nicht von ihm, der dem 19. Jahrhundert sein Gepräge gebende Agnostizismus? Kann uns für eine notwendige Revision der Auffassung der Transzendenz ein Rilke nicht mehr geben als der uns nicht gerade als homo religiosus erscheinende Arno Holz? Hat Stefan George nicht immerhin durch drei Generationen eine Handvoll Menschen geprägt, der er ein wirklicher Praeceptor wurde? Werden wir jemals mehr von Arno Holz zur Kenntnis nehmen als das, was bisher schon in unseren Lesebüchern stand: jene kleine Idylle („So einer war auch er") und die Fischerballade „Een Boot ist noch buten"? Fragen über Fragen, die nicht wir, die erst eine kommende Zeit beantworten können. Der Dichter aber, der ein Leben lang in stolzer Einsamkeit gegen Unverständnis und Missgunst sich verteidigen muss, der nie paktiert, nie die Fahne streicht, er darf sich wohl als den Herold eines kommenden Jahrhunderts fühlen und prophetisch von sich sagen: „Mein Staub zerstob, wie ein Stern strahlt mein Gedächtnis".

Kurt Rüdiger.

 

Seite 13   Lachende Heimat.

Die richtige Fakultät.

Der ehemalige Direktor des Zoologischen Museums in Königsberg, Geheimrat Braun, hatte in seinem Haushalt eine Stütze. Nach zwanzig Jahren sollte sie eine Auszeichnung für langjährige treue Dienste erhalten, und eines Tages erhielt sie die Aufforderung, zu dem zuständigen Geistlichen zu gehen. Der Pfarrer fragte sie, wo sie wohne. „In der Sternwartstraße", antwortete Anna. „Ach, ja, richtig, Sie sind ja bei einem Professor angestellt erinnerte sich der Pastor, „da sind Sie wohl in der Sternwarte?" Diese Vermutung stellte Anna richtig; sie reckte sich und sagte stolz und mit Betonung: „Nein, wir sind Zoologie“.

 

Klare Scheidung.

In einem Dorf bei Tilsit hatte die Familie Dudeck zwei kleine Söhne. Das fünfjährige Fritzchen hielt sich stets blitzsauber und adrett. Sein vierjähriger Bruder Hermann war ganz das Gegenteil. Trotzdem liebten sich beide Jungen sehr.

 

Als eines Tages die Mutter das saubere Fritzchen mit zum Einkaufen in die nahegelegene Stadt nahm, fühlte sich auch Hermännchen bewogen, eiligst hinterherzulaufen. Mutter und Bruder sahen ihn schon von weitem kommen. Aber da rief Fritz: „Mutterke, kommt schnell opp die annere Siet Stroaß, dann weet keener, dat he ons geheert“.

 

Gefangen bestimmt nicht.

Während des Krieges, den die Hanse gegen England zu führen hatte, zeichnete sich der Danziger Seeheld Benecke durch mehrere Siege über englische Kriegsschiffe aus.

 

Eines Tages vertraute ein schwedischer Prinz, der Danzig besuchte, sich einem Schiffe an, das von Benecke geführt wurde. Als die Reise glücklich beendet war, sprach der hohe Gast dem Kapitän seinen Dank aus und sagte: „Nur gut, dass wir die englische Flotte unterwegs nicht getroffen haben. Sonst säße ich jetzt wohl gefangen in London!"

 

 „Oh, nein, Hoheit", antwortete Benecke, „gefangen wären Sie bestimmt nicht. Ich hatte meinen Steuermann mit einer brennenden Lunte vor die Pulverkammer gestellt. Wäre das Gefecht unglücklich verlaufen, so wären wir mit Mann und Maus in die Luft geflogen!"

 

Seite 13   Kulturelles in Kürze.

Der Holzner-Verlag, Würzburg (fr. Tilsit) hat anlässlich der Deutschen Buchmesse in Frankfurt ein neues Verzeichnis seines Verlagsschaffens herausgegeben, in welchem die wertvollen Publikationen des Göttinger Arbeitskreises und des Joh. Gottfried Herder-Institutes u. a. enthalten sind. Dieses Verzeichnis wird allen Interessenten auf Verlangen kostenlos zugesandt.

 

Eine gesamtdeutsche Graphik-Ausstellung wurde in den Staatlichen Museen der Heidecksburg bei Rudolstadt eröffnet. Wie die Sowjetzonenagentur ADN meldet, werden Arbeiten von 46 Künstlern aus der Bundesrepublik und von 107 Künstlern aus der Sowjetzone gezeigt.

 

Anlässlich der Kundgebung „Der Wald geht alle an", die die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald gemeinsam mit dem Nordwestdeutschen Forstverein am 13. September in Hannover durchführte, wurde dem Schriftsteller Friedrich Schnack der diesjährige „Adalbert-Stifter-Preis" verliehen.

 

Anlässlich der Aufführung von Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder" am Deutschen Theater Göttingen wurden statt der befürchteten Protestkundgebungen Intendant Heinz Hilpert, der in dem Stück selbst eine Hauptrolle spielte, und seine Schauspieler von dem Premierenpublikum stürmisch gefeiert.

 

Seite 13   Kulturelle Nachrichten.

Referate des ersten Ostseminars als Buch.

Die während des ersten Ostseminars, das von der Hochschule für politische Wissenschaften München durchgeführt wurde, gehaltenen Referate wurden jetzt unter dem Titel „Der deutsche Osten" in einem Buch zusammengefasst. In diesem Außenseminar anlässlich der zehnjährigen Wiederkehr des Verlustes der deutschen Ostgebiete hatten namhafte Wissenschaftler, wie die Professoren Kuhn, Koch, Thiel, Freiherr von der Heydte, sowie Dr. Gotthold Rhode vom Herder-Institut Marburg und der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Dr. von Lodgman, vor Studenten der Hochschule und Vertretern der DJO Stellung genommen. Das Buch „Der deutsche Osten“ erschien im Isar-Verlag Dr. Günther Olzog K.-G, München (95 Seiten, 4,80 DM).

 

Prälat Prof. Horst gestorben.

Prälat Prof. Horst von der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg ist im Alter von 66 Jahren gestorben. Prof. Horst stammt aus Westpreußen und war von 1930 bis 1945 Leiter der Theologischen Hochschule in Posen. Zu seinen bedeutendsten Veröffentlichungen gehört eine Arbeit über die theologischen Beziehungen der evangelischen Kirchen Polens zu anderen Ländern.

 

„Deutschland ist unteilbar"

Das Kuratorium Unteilbares Deutschland gibt den Wandkalender 1957 „Deutschland ist unteilbar" heraus. Die Gegenüberstellung bekannter Bau- und Kunstdenkmäler aus Ost- und Westdeutschland in einer hervorragenden graphischen und drucktechnischen Ausführung geben diesem Kalender eine besonders eindringliche Wirkung. Neben dem ideellen Zweck dient die Verbreitung des Kalenders auch der finanziellen Stärkung der gemeinnützigen Arbeit des Kuratoriums. Ausstattung: 27 Blätter mit Bildern aus Ost und West, dreifarbiges Titelblatt, Format 24 X 34 cm, Druck auf Kunstdruckpapier, Verlag: Graphische Gesellschaft Grunewald GmbH., Berlin-Grunewald, Bismarckplatz. Eine frühzeitige Bestellung ermöglicht den verhältnismäßig niedrigen Preis von 5,-- DM.

 

Ergänzungsstudium am Osteuropa-Institut.

Das Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin richtet mit Beginn des Sommersemesters 1957 (1. April 1957) erneut Studiengänge in Fächern der Osteuropaforschung ein, die vornehmlich dazu dienen sollen, Jungakademiker auf diesen Gebieten für die Praxis und Forschung auszubilden. Diese Studiengänge sind für Volks- und Betriebswirte, Juristen, Publizisten und politische Wissenschaftler mit abgeschlossener Hochschulbildung bestimmt, da sich in diesen Fächern ein fühlbarer Mangel an Spezialisten bemerkbar macht. Das Studium dauert vier Semester und wird mit einer am Osteuropa-Institut Berlin abzulegenden Abschlussprüfung beendet. Für die Dauer des Ergänzungsstudiums erhalten die Teilnehmer ein monatliches Stipendium in Höhe von 200,-- DM netto. Einmalige An- und Abreisekosten trägt das Osteuropa-Institut Berlin. Bewerbungen müssen bis spätestens 15. November 1956 an das Osteuropa-Institut Berlin, Berlin-Dahlem, Ehrenbergstraße 35, eingerichtet werden. Nähere Einzelheiten können jederzeit beim Osteuropa-Institut erfragt werden.

 

Ostdeutsche Kulturtage verschoben.

In Anbetracht der Düsseldorfer Kommunalwahlen sind die diesjährigen Ostdeutschen Kulturtage des Ostdeutschen Kulturrates, als deren Ort Düsseldorf gewählt worden ist, auf den 10. und 11. November verlegt worden. Der Festakt ist für Sonntag, den 11. November, vorgesehen. Die Festrede wird Prof. Dr. H. Herzfeld, Dekan der Philosophischen Fakultät und Direktor des Friedrich-Meinecke-Institutes der Freien Universität Berlin, halten. Am Sonnabend, dem 10. November, findet die Studientagung der vier regionalen Kulturwerke der Vertriebenen und eine gemeinsame Arbeitssitzung des Ostdeutschen Kulturrates, der Kulturwerke, der Bundeskulturreferenten der Landsmannschaften und der Deutschen Jugend des Ostens statt. Auch die Mitglieder des Ostdeutschen Kulturrates treten am 10. November zu ihrer Jahreshauptversammlung zusammen.

 

Uraufführung eines Danziger Dramatikers.

Am 5. Oktober bringt die Bühne in Iserlohn das Schauspiel „Der Brief des Königs" von Franz Erdmann als Uraufführung heraus. Die Regie wird mit dem vorzüglich aufeinander eingespielten Ensemble Gastspielreisen in viele Orte von Nordrhein-Westfalen unternehmen, um dem Stück einen möglichst großen Widerhall zu verschaffen. Erdmann, der schon 1932 mit seinem Frontstück „Sappenkopf F" erfolgreich an die Öffentlichkeit trat und dann mit seinem 1939 am Staatstheater in Danzig uraufgeführten Friesendrama „Pidder Lüng" die Aufmerksamkeit maßgeblicher Theaterkreise auf sich zog (das historische Drama soll jetzt verfilmt werden), hat das indische Legendenspiel „Das Postamt" von Rabindranath Tagore in freier dichterischer Nachgestaltung aus dem Englischen zum Vorwurf seiner dramaturgisch und sprachlich modernisierten Neufassung genommen.

 

Gothaer Bibliothek heimgekehrt.

Die Bibliothek der sowjetischen Akademie der Wissenschaften hat nach einer Meldung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS die Rückführung der Bücherbestände der Gothaer Bibliothek in die Sowjetzonenrepublik abgeschlossen. Sie waren in den letzten zehn Jahren in Leningrad aufbewahrt. Nach sowjetischen Angaben sind über 300 000 Bücher und wertvolle Manuskripte zurückgegeben worden.

 

Seite 13   Herbst. Von Kurt Rüdiger.

Es ist ein stilles Wunder,

Das unsern Sinn erfreut,

Wie alle Tage bunter

Der Herbst den Teppich streut.

 

Manch Herz, das sommersmüde

Nach stillerm Licht verlangt,

Jetzt an des Herbstes Farben

Mit inniger Freude hangt.

 

Und manchmal in dem Rauscher

Hält ein der Liebe Fuß,

Zwei Menschenherzen tauschen

Sich Frühlings erster Kuss.

 

Es ist ein stilles Wunder

Das nach den Herzen fasst.

Den Winter nun hinunter

Bleib, Liebe, unser Gast!

 

Seite 14   Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit.

Eheleute Otto Sahm und Frau Anna, geb. Brasilge am 5. Oktober 1956, in Stade/Elbe, Holzstr. 7. Otto Sahm ist am 28.10.1880 in Lievenberg, Keis Heilsberg, geboren und entstammt einer dortigen alten Gutsbesitzerfamilie. In Königsberg/ Pr. ist er jahrzehntelang als Buchdruckermeister und Korrektor, bei der bekannten „Königsberger Allgemeinen Zeitung" tätig gewesen. Die Jubilarin wurde am 01.10.1882 in Königsberg geboren. Die Trauung erfolgte in der Königsberger Löbenichtschen Kirche. Bis zu ihrer Flucht wohnten sie in Königsberg, Richard Wagnerstr. 30 und leben heute an der obigen Adresse bei ihrer einzigen Tochter Hildegard. Soweit nicht die Strapazen des Krieges und der Flucht sowie das fortschreitende Alter die Gesundheit beeinträchtigt haben, genießt das Ehepaar einen geruhsamen Lebensabend.

 

Eheleute Schmiedemeister Julius Schedereit und Frau Maria, geb. Ehlert aus Ragnit am 24. August 1956 in der Bauernschaft Groß-Roscharden, Münsterland, Gemeindebaracke. Der Jubilar ist mit seinen 77 Jahren geistig und körperlich noch äußerst rege und nimmt am Tagesgeschehen interessiert Anteil. Sein Garten und die Kaninchen beschäftigen ihn von früh bis spät. Oma Schedereit, die am 8. Oktober 1956 ihren 74. Geburtstag feiert, hat trotz der plagenden Gicht ihren echten ostpreußischen Humor nicht verloren. Ein Sohn, sechs Enkel und drei Urenkel konnten dem Paar zu ihrem Ehrentag gratulieren.

 

Eheleute August Kupstor und Frau Minna, geb. Drinkmann aus dem ostpreußischen Kreise Schloßberg am 26. August 1956 in Buxtehude, Ritterstr. 11. Der Jubilar war 30 Jahre als Arbeiter und Lagerverwalter in einer Maschinenfabrik in Tilsit tätig. 1944 musste das Paar die Heimat verlassen. Ihr sehnlichster Wunsch ist, ihren Lebensabend in einer netten Wohnung zu verbringen; dieser Wunsch soll nun mit Hilfe der Stadtverwaltung in Kürze in Erfüllung gehen.

 

Eheleute Emil und Berta Pareike aus Marienwerder am 2. September 1956 in Linswege. Emil Pareike war als Maurer in Marienwerder tätig. Seine Ehegefährtin schenkte ihm elf Kinder, davon acht Söhne, von denen zwei im letzten Kriege gefallen sind. Außer den Kindern nahmen 21 Enkel und 10 Urenkel an ihrem Festtage, der in Westerstede begangen wurde, teil. Eheleute

 

Wilhelm Hauptmann und Frau Maria, geb. Poersch, aus dem kleinen ostpreußischen Dörfchen Königl. Blumenau am 2. September 1956 in Eyendorf, Krs. Winsen. Der Jubilar war seit 1917 Glöckner und Kirchendiener in Schloditten, unterstützt von seiner Ehefrau; er hatte das Amt bis zur Vertreibung im Januar 1945 inne. Von den sechs Kindern verlor das Ehepaar vier Söhne im Krieg. Der fünfte und jüngste Sohn kehrte 1946 aus der Gefangenschaft zurück. Im gleichen Jahr konnte auch über den Suchdienst die Verbindung mit der jetzt in Flensburg lebenden Tochter wieder hergestellt werden.

 

82. Geburtstag

Rentner Fritz Leimann, geboren in Reichensee (Masuren), am 14. September 1956 in Grone, Zehntscheuerstr. 17.

 

81. Geburtstag

Ida Lippick, geb. Rehra, geboren in Sprindenau, Krs. Lyck, am 12. September 1956 in Aurich.

 

80. Geburtstag

Pfarrwitwe Hedwig Poetz, geb. Baege aus Königsberg Pr., Schillerstr. 20. Die Jubilarin verlebt ihren Lebensabend im Hause ihrer zweiten Tochter im Pastorat Steilshoop, Hamburg-Bramfeld, Steilshooperstr. 284.

 

Abteilungsleiter i. R. Eugen Reuser aus Königsberg/Pr. am 12. Oktober 1956 in Salzgitter-Lebenstedt, Bauerngraben 4.

 

Uhrmachermeister Max Dygutsch, geboren in Borowen, Krs. Sensburg, zuletzt wohnhaft in Neidenburg, am 1. September 1956 in Aurich, Ostertor.

 

79. Geburtstag

Anna Nicolaus, geb. Stegmann aus Königsberg/Pr. am 26. Oktober 1956 in Coburg, Gustav-Hirschfeldring 40. Die Jubilarin verlebt dort bei ihrer Tochter Frau Offen in geistiger und körperlicher Frische einen von Gott gesegneten Lebensabend.

 

Geburtstagskinder in Flensburg

Berta Wispereit aus Metgethen b. Kbg., jetzt Flensburg, Osterallee 40, am 06.09.1956, 80 Jahre.

 

Anna Knorr aus Königsberg, jetzt Flensburg, Südermarkt 15, am 13.09.1956, 78 Jahre.

 

Christine Meyer aus Gumbinnen, jetzt Flensburg, Kloster z. Hlg. Geist, am 14.09.1956, 79 Jahre.

 

Hermann Pettelkau, jetzt Flensburg, Norderstr. 111, am 14.09.1956, 79 Jahre.

 

Therese Heppener aus Heistern b. Mehlsack, jetzt Flensburg, Friedheim 30, am 19.09.1956, 75 Jahre.

 

Olga Perrey aus Königsberg, jetzt Flensburg, Fruerlundlücke 9, am 28.09.1956 .75 Jahre.

 

Allen Jubilaren wünscht ihr Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

Seite 14   Frisch = fromm = fröhlich = frei!

IX. Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen in Espelkamp

Heil war das ein munteres Völkchen, das sich vom 31. August bis 3. September 1956 in Espelkamp - Mittwald (Kr. Lübbecke/Westf.) ein Stelldichein gab! Wer es in dieser, mitten im Walde völlig aus dem Nichts entstandenen Flüchtlingsstadt mit heute fast 8000 Einwohnern noch nicht gewusst haben sollte, merkte es sofort an dem munteren Plaudern, den frischen, fröhlichen Gesichtern, den Abzeichen, den Fahnen mit den vier F und an dem nicht zu übersehenden breiten Schriftband „Standquartier der Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen" vor dem Kreisjugendheim, dass Turner aus Deutschlands Nordosten hier eingezogen waren, um ihr munteres Wiedersehenstreffen abzuhalten.

 

Über zweihundert Männlein und Weiblein jeden Alters aus allen deutschen Gauen einschließlich dem Saarland und der Sowjetzone hatten alle wirtschaftlichen, zeitlichen und sonstigen Hemmnisse überwunden, sich hier ein frohes Wiedersehen zu geben. Groß war die Zahl derer, die noch an keinem der vorausgegangenen acht Treffen teilgenommen hatten, und so gab es Begrüßungsszenen zwischen alten Freunden von so impulsiver Gewalt und Herzlichkeit, wie sie seit dem ersten Treffen 1947 in Rendsburg kaum zu beobachten waren, ganz besonders natürlich mit den dreiunddreißig Turnerinnen und Turnern, die heute in der Sowjetzone wohnen und durch ihr Erscheinen der Zusammengehörigkeit aller Deutschen besonderen Ausdruck verliehen.

 

Von den Turnvereinen des ehemaligen Turnkreises I Nordost waren vertreten: Allensteiner Turnerschaft, Angerburg, Bartenstein, Bischofsburg, Turngemeinde Danzig, Turn- und Fechtverein Danzig, Turnclub Danzig, Frauenturnverein Danzig, TV Danzig-Neufahrwasser, Danzig-Langfuhr, Danzig-Ohra, Elbinger Turngemeinde, Ebenrode, Gumbinnen, Heiligenbeil, Insterburg, Königsberger Männer-Turn-Verein, Königsberger Turn-Club, TV Königsberg-Ponarth, Frauen Turnverein Königsberg, Landsberg (Ostpreußen), Lötzen, Lyck, Marienburg (Westpreußen), Marienwerder, Memel, Rastenburg, Sensburg, Tapiau, Tiegenhof, Tilsit und Zoppot. Fast alle waren bereits zum Begrüßungsabend am 31. August eingetroffen. Soweit die Betten im Kreisjugendheim nicht ausreichten, waren von der Bevölkerung Quartiere zur Verfügung gestellt worden, und in den Familien der Gastgeber gab es zumeist noch zusätzlich herzlichen Austausch gemeinsamer Erinnerungen an frohe und ernste Stunden in der Heimat.

 

Am Sonnabend früh wurde zum Gedächtnis der Toten beider Weltkriege am Ehrenmal ein Kranz in den Turnerfarben niedergelegt. Die von der Landsmannschaft der Ost-, Westpreußen und Danziger, Ortsgruppe Espelkamp-Mittwald, mit Musik und Gedichtvortrag festlich umrahmte Feierstunde am Nachmittag in der blumenreich geschmückten Turnhalle der Waldschule gab nochmals Gelegenheit zu einer Totenehrung und zum Gedenken aller derer, die heute noch in fremdem Gewahrsam oder vermisst sind, mit dem dringenden Appell an alle Mächte: Gebt unsere Schwestern und Brüder endlich frei! Den Festvortrag in dieser Feierstunde hielt an Stelle des durch Krankheit verhinderten letzten Kreisvertreters Fritz Babbel, der Vorsitzende des Königsberger Turn-Clubs, Dr. Curt Reicke. Er befasste sich vor allem mit der Einheit von Körper und Geist, mit der Notwendigkeit, einen gesunden Körper als Gefäß für eine gesunde Seele zu schaffen und zu erhalten, und mit der daraus erwachsenden, schon von Friedrich Ludwig Jahn als vornehmstes Ziel deutschen Turnens gestellten Aufgabe, der Jugend körperliche Bildungsstätten zu geben und sie in wahrem turnerischem Geist zu erziehen. Immer nur die Jugend kann für die Zukunft verantwortlich sein, für die Jugend aber die Verantwortung zu tragen sei stets Auftrag von der zu ihrer Erziehung berufenen Generation. Ohne die Jugend ist die Wiederherstellung der deutschen Einheit, die Wiedergewinnung eines wahren Friedens und der Freiheit unmöglich. Die Turnvereine und wir in ihnen haben damit die hohe Aufgabe, der Jugend eine turnerische und kulturelle Pflegestätte zu bereiten. Das Deutschlandlied beschloss die eindrucksvolle Feier.

 

Am Vormittag des Sonnabends führte der örtliche Vorsitzende der Landsmannschaft, Otto Posanski, die Turnerschar durch Espelkamp-Mittwald. Er verstand es prächtig, den auch für einen stillen Beschauer gewaltigen Eindruck von den in knapp sieben Jahren entstandenen Wohnanlagen, Geschäftshäusern, Industrie- und Gewerbebetrieben, Kirchen, Schulen, Turn- und Sportanlagen, Altersheim und vielem anderen mehr durch knappe Zahlen und bildhafte Worte zu verstärken. Den Abschluss des Tages bildete ein besinnlicher und fröhlicher Heimatabend. Höhepunkt dieser Veranstaltung war ein Vortrag des Ehrenmitgliedes des Deutschen Turnerbundes, Nikolaus Bernett (Oldenburg/Oldb.), der 1934 mit der Oberprima eines Oldenburger Gymnasiums eine Klassenreise durch das deutsche Land jenseits des „Korridors" gemacht und dabei tiefe Eindrücke von der Eigenart und Schönheit unserer Heimat gewonnen hatte, die er in begeisterter Rede und in so prachtvollen Versen wiedergab, wie wir Heimatvertriebenen aus Danzig, Marienburg, Masuren, Memelland, Samland und von der Nehrung sie anschaulicher und überzeugender nicht hätten geben können.

 

Der Sonntag war nach einer Morgenfeier unter dem Leitwort: „Das ganze Deutschland soll es sein" angefüllt mit Freundestreffen in kleineren Kreisen, sowie durch Tummeln und Spiel im Waldstadion und in der Turnhalle der Waldschule. In einem Turnier von acht Mannschaften, darunter zwei einheimischen aus Espelkamp und aus Lübbecke, konnte die Mannschaft des MTV Königsberg/Pr. mit Petri, Haak, Wark, Lau und Radtke sich als Sieger durchsetzen.

 

Der Kameradschaftsabend am Sonntag unterstrich die Verbundenheit aller Deutschen und ließ stark den Glauben aufklingen, dass die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit kommen wird.

 

Eine Busfahrt zur Wilhelmshöhe und zum Dümmer See am Montag beendete das Treffen. Am Dümmer See gab es tüchtig Regen, aber sonst war beständig heiteres, schönes Wetter. Von allen Teilnehmern aus West und Ost, aus Süd und Nord wurde dieses IX. Wiedersehenstreffen als eins der schönsten bezeichnet. Es stand im Ganzen unter dem Leitwort der Morgenfeier vom Sonnabend: „Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nichts an, als dass er Treu er zeigen und Freundschaft halten kann." O. W.

 

Seite 14   Es starben fern der Heimat

Adolf Lange, aus Kannegen/Ostpr. am 21. August 1956 in Wahnbek-Krefeld.

 

Friedrich Zilian, Bauer aus Albrechtsdorf/ Ostpr., 70-jährig am 10. September 1956 in Schelmkappe, Münsterland

 

Seite 14   Pilze. Von Dr. Lau.

Der Fritz hädd Pilzchens im Wald gefunden

Und brachd se, im Schnupptuch eingebunden,

E paar hädd er außerdem noch inne Taschen,

Zu Haus bei e Muttche. Die hädd se gewaschen,

Bebrieht und bepult und geputzt mitte Hand.

Mit Speck se gebraten und saurem Schmand.

Nu aßen se, jeeder aus seinem Schalche.

Der Vatche, de Muttche, der Fritz und de Malche.

De Pilzchens, dem Speck, dem Schmand und de Zwiebel.

Mit eins wurd de Matche e bißche iebel,

Herrjehs", sagd der Vatche, „de Malche wird krank,

Da sind bestimmt e paar giftige mang.

Lasst schnell mal de Katz e bissche probieren,

Bei mir tut sich auch all im Bauch was riehren.

Das Kakeln und Reden, das könnt Ihr Eich sparen,

Wir missen gleich aller beim Dokter fahren

So wie wir sind, in Schlorren und Klumpen,

Der muss uns das Gift außern Magen pumpen.

Da, seht Ihr de Katz? Se tut sich all strecken

Und krimmen und winden, die is am Verrecken.

So huckt auch uns all der Tod im Genick,

Vleicht haben wir aber auch noch mal Glick!“ —

Der Dokter, der hat mittem Schlauch se gepeinigt

Und ihnen aller dem Magen bereinigt,

Mit Rizinus ihnen noch abgefiehrt

Und zwanzig Gulden vom Vatche kassiert.

Denn fuhren se wieder beruhigt zu Haus,

Von vorn und von hinten — das Gift war raus!

De Katz? Ja, sehn Se, wer hädd das gedacht,

Die hädd drei Junge zur Welt gebracht!

Da griend der Fritzche: „Na, viel Vergniegen!

Ei wenn wir nu aller Junge kriegen?“

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (38)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nu is wieder Herbst, und zu Haus im Garten hängen wieder de reife Pflaumen und de Spillen und de Krekeln, de Grauchen und de Honigbirnen! Vleicht hängen se jetz auch nich mehr, aber damals hingen se. Und im Gebisch de daumendicke Brombeeren, wo dir de Bixen und de Hände zerreißen konntst, und im Wald de Pilzchens und de Blaubeeren! Im Oktober wurden denn Kartoffel gegraben. Frieh morgens ging es los, meist war es so kalt, dass einem de Hände verklamden. Um zehn wurd denn Kleinmittag aufes Feld gebracht, belegtes Brot und heißer Kaffe, und denn wurd langsam wärmer. Abends wurden denn de Säcke mit die große, blanke Litauer aufem Wagen gewuchtet, und aller spierden im Kreiz, dass se was getan hädden, was war das scheen, wenn de Kartoffel im Keller geschitt wurden und längs em Holzrost runterkullerden, dass es man so bullerd. Ei denn die Rieben und die Bruken, so groß, dass beide Hände nicht reichden. Und dazu ein Wetterche, dass einem orndlich warm wurd untre West. Besonders scheen war immer das Honigschleidern und das Schmengern mittem Finger. Ja, unsre Bienchens waren fleißig und fanden ja auch ieberall genug zum Suckeln. Nachdem suckelden wir, und zwar dem sießen Bärenfang. Sagt mir nuscht gegem ostpreißischen Herbst, er war wirklich scheen. Um die Zeit fand sich auch immer der alte Lipp bei uns ein. Eigentlich hieß er Gottlieb Sbassek. Er war Wenktiener und wohnd postlagernd. Frieher, wie er noch jinger war, hädd er mit Meisefallen gehandelt, denn heerd er damit auf und wenktienerd durche Gegend rum. Er war gutmietig und ehrlich, bloß vonne Arbeit wolld er nuscht wissen. Sein Wahlspruch war: Wer Arbeit kennt und sich nich drickt, der is verrickt. De Ärmel und de Kniee waren geflickt, auße Rocktasch kickd immer e kleine Buddel raus, und inne Hosenfupp hädd er e Schniefkedos. Kein Mensch wußd, wovon er eigentlich lebd. Betteln tat er nich, weil er Angst hädd vorem Schandar. Aber er kriegd ieberall was zu essen und zu trinken, und in seinem Kreppsch, wo ihm iebre Schulter hing, hädd er immer Speck und Brot. Er war beriehmt und beliebt inne ganze Gegend. Einmal hädd er einem kleinen Jung, wo bald versoffen war, außem Teich rausgeholt, und einmal hädd er nachts dem Besitzer Pasenau rausgekloppt, weil de Schein anfing zu brennen. Dem Pasenau sein großer Tyras hädd ihm bei die Gelegenheit de Bixen zerrissen und e Stickche vonnes Hintervirtel abgegnagt. Aber er heerd nich auf mit Kloppen und Bullern, bis der Pasenau wach wurd und das Feier gelösch werden konnd. Und der alte Lipp hat mit seine entzweine Hinterfront Wasser geschleppt, dass sogar dem Tyras leid tat, weil er ihm gebissen hädd. Deshalb hat er sich mit Händelecken bei ihm entschuldigt, und von Stund an waren se gute Freinde. Wie er aber mal e Portmanneeh mit achtzig Mark fand und beim Gemeindeverstand abgab, da haben se ihm im Krug aufe Schultern gehoben und ihm so viel Kornus eingeschitt, dass er drei Tag inne Schein schlafen mißd, bis er wieder zu sich kam. Sehn Se, das war der alte Lipp! Aber einmal ging ihm schlecht. Es wurd langsam Herbst, die Zeit also, wo er regelmäßig bei uns auftauchd. E scheener, warmer Tag. De Sonnche prickeld, als wenn se noch mal Sommer machen wolld, und der alte Lipp kam dem Sandweg am alten Kirchhof vorbei aufes Dorf zugestampft wie de Luckmotiew vonne Kraupischker Kleinbahn. Mittem Ärmel wischd er sich dem Schwitz vonne Stirn und war froh, wie er endlich in Lehrersch Garten hintrem Schweinestall e bißche Schatten fand. Er war ja nu auch nich mehr der Jingste. Wie alt er wirklich war, wußd er wohl selbst nich. Aber er hädd es all e paar Jahre mittes Kölstern, und aufe Brust garrd es ihm immer, wenn er pusten tat. So haud er sich hin innes weiche Gras und war bald eingeschlafen. Nu hädd aber der Lehrer so an die fuffzig Bienenvölker, und weil de Sonnche so scheen warm schien, hädden die beschlossen, einem Betriebsausflug zu machen. So kamen se auch in die Gegend, wo der alte Lipp unterm Holzäppelbaum schlief, dass ein Aug nich das andre sah. Vleicht wollden sie dem Schniefke suchen, jedenfalls krochen se ihm, unternehmungslustig wie se waren, von unten inne Bixen rein. Erst man fimf oder sechs, aber denn immer mehr, bis se zuletzt de ganze Bixen besetzt hädden. So lang wie er ruhig lag, taten se ihm nuscht. Aber wie er sich mit eins aufe andre Seit drehd, da kriegden se Angst und fingen an, ihm zu stechen. Erst man zwei oder drei, aber denn immer mehr, dass er wach wurd und nu erst merkd, was ihm passiert war. De ganze Bixen hädd er voll aufgeregte Bienen, und die buggerden ihm von alle Seiten inne Schinken und inne Karmenad, dass er dachd, er missd vor Schmerz beschwiemen. Da zodderd er sich geistesgegenwärtig de Bixen vonne Beine und sockd mit Gebrill durchem Garten. Und das Unglick wolld es, dass Lehrersch Rosa gerad umme Eck bog, de Peed mit zwei volle Eimers aufe Schultern, denn se hädd geradzig Wasser vonne Plump geholt. Die sieht dem Lipp mit ohne Bixen, denkt, er is verrickt geworden und schreit laut auf und lässt vor Schreck de Peed fallen. Er an ihr vorbei aufem Hof rauf, und da passierd das zweite Unglick. De Frau Lehrer hädd gerad im Hiehnerstall Eier gesucht und kommt nu auf dem Schrei vonne Rosa rausgestirzt. Da wird sie auch all vom Lipp, weil er nich mehr bremsen kann, umgerannt, und nu wälzen se sich aller aufe Erd: Der Lipp ohne Bixen, de Frau Lehrer und die zwölf Eier,

wo se inne Schissel hädd! Und indem dass de Frau Lehrer, von oben bis unten mit Eier bekleckert, nu auch losbrillt wie am Spieß, springt der Lipp auf und hoppst inne volle Regentonn rein, teils weil er sich vor die Frauensleit schenierd und Deckung suchd, teils aber auch, weil er Kiehlung gegne Bienen brauchd. Der Tyras, wo geradzig auf Lehrersch Hof Knochen sucht, ihm nach, stellt sich mitte Vorderpfoten aufem Rand vonne Tonn und bellt, dass er vor Aufregung sogar de lebenslängliche Feindschaft vergisst. Das Gebell und Gebrill macht nu auch noch die Kinder inne Schul wild. Se lassen dem Einmaleins und de Fibeln liegen und rennen raus aufem Hof, der Herr Lehrer hinterher, wo sich de Frau Lehrer gerad außem Eierkuchen erhebt und de nassgeschwaukste Rosa mit angeklatschte Röcke das rechte Schienenbein hält, wo de Peed ihr gegengeschlagen hädd. Auße Regentonn kickt dem Lipp sein Kopp raus, und er wuit und wimmert, vom Schmerz gepeinigt, denn er hädd so zwanzig, dreißig Stiche gekriegt. Armer Lipp! Irgendwie is es denn aber doch alles wieder gut geworden De Kinder mißden zerick inne Klass, der Tyras wurd weggeschicked, der Lipp kroch auße Tonn raus und kriegd e paar abgelegte Bixen vom Herr Lehrer iebergezogen, de Frau Lehrer hat sich von das Riehrei bereinigt und de Rosa hat ihr Schienbein mit essigsaure Tonerd gekiehlt. Dem Lipp seine Beine sind denn orndlich angeschwollen, dass er sich innes Bett legen mißd und sogar Fieber kriegd. Erst wolld er gar nich rein innes Bett, weil es so weiß war. Denn wurd buntkariert bezogen, und denn kroch er rein kriegd zu essen und zu trinken, de Schniefkedos hingestellt, und denn konnd er seinem von die Bienen unterbrochenem Schlaf fortsetzen. Aber von die Zeit an ging er jedes Bienche weit außem Weg, und wenn irgendwo e Fliege burren tat, denn kickd er sich immer ganz ängstlich um, ob es nich womeeglich e bienche is. Hier bei uns im Dorf burren keine Bienchens nich, leider! Genug fier heite! Bleiben Se scheen gesund und lassen Se sich herzlich grießen von Ihrem

Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Patenschaftstreffen.

Aschendorf. Die Stadt Aschendorf übernahm die Patenschaft über die ermländische Stadt Guttstadt und gab damit den vielen verstreut lebenden Guttstädtern eine neue Heimat. Am Vorabend kamen die Bewohner beider Städte im Festzelt zusammen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Lehrer Wessel durchstreifte die Geschichte Aschendorfs, und Lehrer Kuhn gab einen Überblick über Entwicklung und Bedeutung Guttstadts. Gedichte, Lieder und Instrumentalmusik taten ein übriges, die neue Verbindung zu stärken. Zur Hauptveranstaltung waren zahlreiche Ehrengäste erschienen, um der feierlichen Patenschaftsübernahme beizuwohnen. Bürgermeister Dr. Pieper sagte, in der Zeit der großen Heimatlosigkeit solle damit in den Menschen Guttstadts das Gefühl wach werden, wieder ein Fleckchen Heimat gewonnen zu haben. Als Festredner wandte sich der BVD-Bundesvorsitzende Dr. Linus Kather gegen diejenigen deutschen Politiker, die schon vor den Verhandlungen glaubten, Kompromisse hinsichtlich der Oder-Neiße-Linie machen zu müssen. Er forderte, die Bundesregierung müsse verlangen, dass sich die britische Regierung von den Ergebnissen der Studie der Elizabeth Wiskemann deutlich distanziere. Dr. Kather schloss seine begeistert aufgenommene Rede mit den Worten Kaergels: „Gebt eure Heimat nicht aus den Händen! Haltet sie fest!"

 

Gelsenkirchen. Es waren mehrere tausend Allensteiner, die zum Patenschaftstreffen nach Gelsenkirchen gekommen waren. Neben dem gut gelungenen Heimatabend und den kirchlichen Feiern war es vor allem die Großkundgebung im Hans-Sachs-Haus, die unzählige Menschen anzog. Oberbürgermeister Geritzmann (MdB) sagte, die Patenstadt wolle vor allem die kulturelle Tradition und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Allensteinern und ihrer neuen Heimat stärken. Das ganze deutsche Volk sei nicht gewillt, auf die deutschen Ostgebiete zu verzichten. Pfarrer Kewitsch wandte sich mit einem Appell zur Hilfsbereitschaft mit Herz und Hand an die Versammelten und gedachte der Toten und der noch in der alten Heimat Lebenden. Der Bundessprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Gille, erklärte, dass er fest an die Wiedervereinigung glaube und durch manche objektive Stimme aus dem Ausland darin bestärkt werde. Jeder Realpolitiker müsse trotz aller Schwierigkeiten diese Dinger immer vorantreiben helfen. Nationale Geschlossenheit über alle Parteien hinweg sei die Grundvoraussetzung zur Erreichung des gesteckten Zieles.

 

Nordhorn. Unter ihrem Kreiswappenzeichen, dem Elchkopf, auf grünem Fahnentuch, trafen sich die Ostpreußen des Kreises Elchniederung zum ersten Male in Nordhorn im Kreise Grafschaft Bentheim, der im vorigen Jahre die Patenschaft für den Heimatkreis dieser Gäste übernommen hatte. Die Stadthalle war an den Wänden mit Schildern versehen, die die Ortsnamen des Kreises Elchniederung angaben und unter denen sich die früheren Bewohner dieser Städte trafen, Schakendorf und Herdenau, Skören und Seckenburg und wie sie alle heißen. Oberkreisdirektor Dr. Mawick betonte in seiner Begrüßungsansprache, die Heimatverbundenheit der Vertriebenen müsse erhalten und vertieft und die Grafschafter Bevölkerung immer wieder daran erinnert werden, dass auch die Provinzen östlich der Zone zu uns gehören. Besonders die Jugend Ostdeutschlands müsse stärker denn je ihren Willen zur Wiedervereinigung bekunden. In jedem Jahr solle ein Jahreshaupttreffen abgehalten werden. Der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Elchniederung, Landrat i. R. Klaus, dankte für die Hilfe des Patenkreises und versicherte: „Wir wollen bleiben, was wir immer waren: eine große Schicksalsgemeinschaft“.

 

Syke. Als allein rechtmäßige Vertretung des Kreises Wehlau wählten die Kreisvertreter der Kreisgemeinschaft den Exil-Kreistag. Vorsitzender wurde mit Stimmenmehrheit der frühere Kreisbürodirektor des Kreises Wehlau, Strehlau. Dieser Protest gegen die Vertreibung vollzog sich, als Hunderte von Wehlauern zum Kreistreffen in den Patenkreis Hoya gekommen waren. Alle offiziellen Stellen der Stadt hatten zu Ehren der Gäste geflaggt. In der Hauptveranstaltung im Schützenhaus sagte der stellvertretende Landrat Schieweck, Syke und der Kreis sollten Hort der Traditionen des Kreises Wehlau sein. Er verwies darauf, dass es des Willens und der Mitwirkung des ganzen deutschen Volkes bedarf, um die Wiedervereinigung zu verwirklichen, wenn heute im Westen aus dem Gegensatz zur Sowjetunion heraus das Verständnis für die deutsche Stellungnahme erwache, so möge man sich dort daran erinnern, dass die deutschen Soldaten gegen den Kommunismus kämpften, als der West noch Arm in  Arm mit seinem heutigen Feind vereint stand. Als Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen sagte Teichert unter anderem, unser deutsches Nahziel müsse die Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland durch den Verzicht auf die ostdeutschen Gebiete eintauschen. Die Neuordnung Osteuropas sei zwar eine Aufgabe größter staatsmännischer Kunst, aber sie müsse gelöst werden, denn man könne kein Europa schaffen, wenn das größte, das deutsche Volk, getrennt sei.

 

Nienburg. Seit einem Jahre ist Nienburg die Patenstadt des Landkreises Bartenstein/Ostpreußen. Jetzt trafen sich hier zum ersten Male 400 Bartensteiner zu einem machtvollen Treuebekenntnis zur Heimat. Im neuen Kreishaus wurde in einer Kreistagssitzung der Bartensteiner beschlossen, Museumsstücke aus der Heimat für das Museum in Nienburg zu sammeln und eine Kartei der Bartensteiner anzulegen. In der Hauptkundgebung sprach als Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen Wagner-Landshut, auf dessen Initiative es zurückzuführen ist, dass überall in der Bundesrepublik Patenschaften für ostpreußische Städte und Landkreise übernommen wurden. Bundesvorstandsmitglied Wagner kritisierte, dass man in Bonn Milliarden verbaut habe, Berlin aber als fünftes Rad am Wagen kümmerlich sein Dasein fristen müsse. Für alle sei Berlin die Hauptstadt Deutschlands.

 

Hannover. Der Festsaal des Alten Rathauses bot nicht genügend Sitzplätze, als die Danziger zusammenkamen, um Aufnahmen zu sehen, die der in Lübeck lebende Arzt Dr. Erich Lenz kürzlich aus Danzig mitbrachte. Sie zeigen die Heimatstadt, wie sie jetzt aussieht, und es war schon so, wie der Vortragende selbst sagte, dass „ein hartes Herz dazu gehört, diese Bilder zu betrachten; denn das Danzig von einst besteht nicht mehr". Mehr als 5000 Deutsche leben noch dort, die sich jetzt auch wieder der deutschen Sprache bedienen dürfen. Dr. Lenz, der sich mit seiner Gattin und einem Lübecker Frachtschiffkapitän drei Tage in Danzig aufhielt, konnte selbst keine Aufnahmen machen, da den Deutschen das Fotografieren nicht erlaubt ist. Die Einheimischen dürfen wenigstens Personenfotos machen, und so wurde ein Weg gefunden: Ein in Danzig lebender Fotograf nahm die Reisenden vor verschiedenem Hintergrund auf. In der Innenstadt sind viele Straßenzüge vollständig verschwunden, aber viele historische Bauten wurden aus den alten Steinen wieder in ihrer Form aufgebaut. Die Gaststätten sind — abgesehen von einem einzigen Hotel — zerstört. Die Straßenbahn verkehrt noch mit den alten Linienbezeichnungen, und altvertraut, wenn auch in neuer Bemalung, blieb der Leuchtturm erhalten.

 

Bielefeld. Die Gumbinner Jugend verlebte ihre dritte Freizeit in der Jugendherberge Sieker vom 28. September bis zum 1. Oktober. Vor allem die Pflege des alten Kulturgutes ist es, die der Jugend am Herzen liegt. Ein mundartlicher Erzählerwettbewerb unter dem Thema „Bie ons to Huus" wird dabei abgehalten.

 

Zeven. Die Landsmannschaft Ostpreußen sah auf einem Heimatabend vier Tonfilme aus der alten Heimat. Herr Matzkeit vom Verband der Heimkehrer hatte sich für die Vorführung zur Verfügung gestellt. In den einführenden Worten betonte der 1. Vorsitzende, Obermedizinalrat Dr. Zürcher, dass trotz der Äußerungen Außenministers von Brentano, McCloys und Elizabeth Wiskemanns nach wie vor die Inschrift vieler Abstimmungsdenkmäler In Ostpreußen gilt: „Dies Land bleibt deutsch!" Die mächtigen Burgen, die Bollwerke des Deutschtums, zeigte der erste Film, „Ostpreußen, deutsches Ordensland". Es folgten „Königsberg, wie es war", „Die Rominter Heide" und „Jagd in Trakehnen". Ein Zeichentrickfilm, „Thomas Schuler", zeigte das Schicksal eines deutschen Auswanderers in den Vereinigten Staaten und seinen Anteil am Aufbau des Staates. Das nächste Treffen der Landsmannschaft ist am 15. Oktober bei Dekena.

 

Oldenburg i. O. 350 Titel umfasst bereits die „Ostdeutsche Jugend-Bücherei" in der Huntestraße. Sie wurde von Joachim Engelmann mit Hilfe verschiedener Organisationen und Behörden aufgebaut und enthält gute Jugendliteratur über Geschichte, Land und Leute des deutschen Ostens, Jugenderinnerungen berühmter ostdeutscher Männer und Frauen, wissenschaftliche Werke über Ostdeutschland und Dichterwerke ostdeutscher Menschen. Es ist vorgesehen, die Bibliothek vorerst auf 500 Bände zu erweitern.

 

Celle. Die Memelländer aus Celle und Umgebung hielten ihr Jahrestreffen ab. Vorsitzender Schmitt wies auf das wechselvolle Schicksal jeder Grenzbevölkerung hin, das auch den Memelländern nicht erspart blieb. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Memelkreise widerrechtlich von Deutschland abgetrennt, nachdem sie über 700 Jahre nordöstlichster Eckpfeiler des Deutschtums waren. Die Vorstandswahl ergab die einstimmige Wiederwahl des bisherigen Vorstandes. — Am 21. Oktober wird in Hamburg das große Heimattreffen der Memelländer sein. Für die Fahrt sind noch einige Plätze frei, die bei Frau Clemens In der Hannoverschen Straße 55 zu bestellen sind.

 

Leer. Auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Memelkreise, Abteilung Nord in der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen sprach der Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft, Görke, aus Oldenburg, über das Problem der verschleppten und zwangsweise zurückgehaltenen Memeldeutschen. Der frühere Oberbürgermeister von Memel, Schulz, behandelte in seinem Vortrag das Wesen seiner Landsleute. Der Tonfilm „Zwischen Haff und Meer" brachte Aufnahmen von dem Tier- und Pflanzenleben der Kurischen Nehrung und berichtete von der Vogelwarte Rossitten. Chor und Orchester der Landsmannschaft verschönten den Vorführungsabend mit musikalischen Darbietungen. — In der anschließenden Vorstandswahl wurde Lankowsky 1. Vorsitzender, Lappöhn 2. Vorsitzender, Döring Schriftführer und Lackner Kassenreferent.

 

Bad Homburg. Ost- und Westpreußen in Hessen begingen in Bad Homburg ihr erstes Landestreffen. In einer Kundgebung auf dem oberen Schlosshof in Bad Homburg konnte als Gastgeber der Kreisvorsitzende Otto Schulz Ehrengäste und die große Zahl der erschienenen Heimatfreunde begrüßen. Er wies auf den Zweck des Treffens hin, dass die Heimat lebendig bleiben lassen solle, das aber gleichzeitig auch ein Treuebekenntnis zu ihr sei, im festen Glauben an die Rückkehr. Für die Landsmannschaft Westpreußen sprach Helmuth Berend, der an das wechselvolle Schicksal des Weichsellandes erinnerte, das nach dem zweiten Thorner Frieden und wiederum nach dem ersten Weltkrieg vom Mutterland abgetrennt worden sei. Der gegen den Willen seiner Bevölkerung künstlich geschaffene Korridor sei mit Gewalt von Deutschland gerissen worden, bleibe aber trotzdem rein deutsches Land. Nicht die Grenzen der Gewalt, sondern ausschließlich die Grenzen des Rechtes könnten für die Westpreußen Geltung haben.

 

Der Landesobmann Opitz der Landsmannschaft Ostpreußen betonte gleichfalls die Jahrhunderte alte Zugehörigkeit Ostpreußens zum deutschen Land und brachte die Verbindung mit Homburg, das ebenfalls zu Preußen gehöre, zum Ausdruck.

 

Lübbecke / W. In der Augustversammlung wurden nach einleitenden Worten des Vorsitzenden Lm. Hardt eine Reihe Kulturfilme aus Ortsgruppen gezeigt, die bei den anwesenden Landsleuten großen Beifall weckten.

 

Braunschweig. Am „Tag der Heimat", dem 9. September, trafen sich die Landsleute nach der gemeinsamen eindrucksvollen Kundgebung auf dem Burgplatz, im Hotel Lessinghof in der Oberstraße zu einer heimatlichen Gedenkfeier. Der zweite Vorsitzende Lm. Kuhn gab dem berechtigten Wunsche nach Rückgabe der Ostgebiete Ausdruck. Lm. Köhlmann wies in einem spannenden Vortrag nach, dass zwischen dem braunschweigischen Raum und unserer ostpreußischen Heimat engste Verbindungen schon in früheren Jahrhunderten bestanden haben. Einen aktuellen Beitrag lieferte Lm. Dörr durch ein Zwiegespräch mit einem Landsmann aus Barranowen, der vor drei Monaten aus Ostpreußen gekommen ist. Volkstänze unserer Jugendgruppe, Rezitationen und gemeinsame Gesänge umrahmten den festlichen Teil. Der anschließende Tanz vereinigte alle Teilnehmer in frohester Stimmung bis Mitternacht.

 

Am 8. Oktober um 20 Uhr hält Lehrer Hoffmann, Syke, im Gewerkschaftshaus einen Vortrag mit Lichtbildern über die ostpreußische Vogelwelt unter dem Titel „Der See der Adler und Kormoran“. Der

Vortragende ist in der Heimat unter dem Namen „Vogelhoffmann" allgemein bekannt gewesen. Die Veranstaltung findet gemeinsam mit der Landsmannschaft Westpreußen statt.

 

Seesen. Bei dem Gemeinschaftsabend der Ost- und Westpreußen zum Tag der Heimat liefen in den übervollen Festräumen des Ratskellers die schönen Tonfilme „Das war Königsberg", „Land in der Stille", „Heimat und Volkskunst" und „Ostpreußen, deutsches Ordensland". Den geselligen Teil würzte Lina Fahlke (Pillau) mit köstlichen Proben ostpreußischen Humors. Am 6. Oktober findet eine Erntebrauchtumsfeier mit Volkstanzvorführungen statt. Bei dieser Gelegenheit wird Mittelschullehrer Budzinski den neuen Farbfilm „Zwischen Haff und Meer" vorführen.

 

Seite 15   Lachendes Ostpreußen.

Für landsmannschaftliche Veranstaltungen jeder Art stellt sich der bekannte ostpreußische Mundartdichter Dr. Lau gern zur Verfügung. Er beansprucht kein Honorar, sondern nur den Ersatz der tatsächlich entstehenden Auslagen: Fahrt 3. Klasse, Unterkunft und Verzehr in bescheidenem Rahmen.

 

Bitte, die Einladungen nicht zu kurzfristig halten, sonst ist es ihm nicht möglich, allen Wünschen zu entsprechen. Anforderungen bitte direkt an Herrn Dr. Alfred Lau, Bad Grund (Harz), Hübichweg Nr. 16.

 

Bundestreffen der Memeler in Hannover.

Hannover. Aus ganz Westdeutschland kamen 2000 Memeler in Hannover zum Bundestreffen zusammen. Der Landesvorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, der niedersächsische Landtagsabgeordnete Hellmut Gosing, sagte, mit ihrem Verzicht auf Rache und Vergeltung hätten die Ostvertriebenen die Existenz der Bundesrepublik erst ermöglicht, sie forderten keinen Dank, aber die Schaffung fester Lebensgrundlagen. Nicht Deklamationen, sondern nur eine gute Sozial- und Wirtschaftsordnung könnten der Auseinandersetzung mit dem Osten standhalten. Eine Politik des Verzichts auf die Ostgebiete bedeute eine Unterschätzung Moskaus und eine Überschätzung Bonns und schraube den Preis für eine Wiedervereinigung herauf. Der erste Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer, Oberregierungs- und Schulrat a. D. Richard Meyer, formulierte eine Entschließung, die einstimmig angenommen wurde. Sie richtet sich gegen den Erlass der Regierung der Sowjetunion, in dem es heißt, die Einwohner des Memellandes seien sowjetische Staatsbürger. In der Entschließung wird betont, dass diese Bestimmung jeder Rechtsgrundlage entbehre.

 

Seite 15   Memel-Treffen in Hamurg 21. Oktober 1956. Arbeitsgemeinschaft der Memelkreise in der Landsmannschaft Ostpreußen.

Programm.

9 Uhr Gedenkfeier am Memel-Gedenkstein in der Memeler Straße, Hamburg-Barmbeck (S-Bahn Haltestelle Friedrichsberg). Es sprechen Prof Dr. G. Grundmann und Hubert Koch.

 

10 Uhr  Ostpreußischer Kirchgang, Hauptkirche St. Jacobi, Hamburg, Steinstraße (U-Bahnhof Mönkebergstraße, Nähe Hauptbahnhof). Predigt: Generalsuperintendent Obereigner, früher Memel.

 

12 Uhr Kundgebung im Winterhuder Fährhaus. Es spricht der 1. Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen Dr. Gille, MdB.

 

Für alle Teilnehmer am Kirchgang, der für alle Angehörigen der Landesgruppe Hamburg der LO gemeinsam mit auswärtigen Landsleuten und der einheimischen Bevölkerung gedacht ist, besteht folgende Fahrtgelegenheit zur Kundgebung: Ab Jungfernstieg mit den Alsterschiffen unmittelbar zum Winterhuder Fährhaus.

 

Ab 14 Uhr Kreisversammlungen in verschiedenen Räumen des Winterhuder Fährhauses.

 

Seite 15   Treffen des Luftgau I in Göttingen.

Unser Treffen am 9. September in Göttingen war leider nicht so besucht, wie wir es in Anbetracht des damit verbundenen guten Zwecks, nämlich der Aufklärung von Schicksalen unserer vermissten Kameraden, hätten erwarten dürfen. Das gilt in erster Linie für die in Göttingen ansässigen Kameraden. Wir nahmen Teil an einer sehr würdigen und erhebenden Feierstunde, welche die Landsmannschaft Ostpreußen in Göttingen am Ehrenmal im. Rosengarten veranstaltet hatte und legten dort ebenfalls einen Kranz mit Schleife nieder. Auch die Bundesleitung des Luftwaffenrings ließ durch den Vorsitzenden des Landesverbandes Niedersachsen, Oberst a. D. Arndt, einen Kranz niederlegen. Danach trafen sich die Kameraden zum gemeinsamem Mittagessen und kameradschaftlichen Beisammensein im „Deutschen Garten". Es wurde nach den Begrüßungsworten des Sprechers, Kam. Gramsch, Celle, die Grußbotschaft des Generals d. Fl. a. D. Musshoff, ehem. Befehlshaber im Luftgau I und Danzig, der aus gesundheitlichen Gründen leider an der Teilnahme verhindert war, verlesen. Es wurde dann über die Frage diskutiert, ob sich die ehem. Angehörigen zu einer Traditionsgemeinschaft zusammenschließen sollten. Man kam überein, hierüber bei nächster Gelegenheit in einem größeren Kreise einen Beschluss zu fassen und bis dahin es in der jetzigen Form zu belassen. Kam. Bodeit, Göttingen machte den Vorschlag, die Geschäftsführung wegen der zentralen Lage dann nach Göttingen zu verlegen. Kam. Eickhoff dankte dem Sprecher für seinen uneigennützigen Einsatz und sprach die Hoffnung aus, dass sich der Kameradenkreis in Zukunft erweitern möge und sich somit unser vernehmlichstes Ziel, die Aufklärung von Vermisstenschicksalen und die Beschaffung von Unterlagen über Dienstzeiten, erfolgversprechender bearbeiten lasse. Herr Oberst a. D. Zielke, der leider -aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls nicht teilnehmen konnte, beabsichtigt die ehem. Angehörigen des Luftgaus I im nächsten Jahre ebenfalls nach Göttingen zusammenzurufen, was Anerkennung fand. Der Sprecher gab dann eine Reihe von Suchanfragen bekannt, die teilweise durch Fotos ergänzt wurden und die leider in keinem Falle durch die Anwesenden geklärt werden konnten. Es handelt sich um nachstehende Anfragen:

 

Gesucht werden:

Major Oskar Greiser, zuletzt Flugleiter Kdo in Dresden und Reichenberg beim Geschwader Rudel, von seiner Ehefrau Agnes Greiser, Heilbronn, Schwabstraße 19.

 

Obergefr. Arno Neubauer, zuletzt beim LN-Führer in Sensburg/Ostpr., FP Nr. L 29 699 LgpA Königsberg, von seiner Mutter Berta Neubauer, Stade b. Hamburg, Schiffertor Str. 1.

 

Vermessungs-Assessor Karl Randow von Frau Erika Gnirek, Calmlbach/Enz, Enge Brücke 226.

 

Obergefr. Richard Fischer, bei einer Flak-Einheit, letzter Wohnort Pobethen, Krs. Samland Ostpr., von Frau Grete Riechert, Reutlingen, Max Eydt Str. 153 für die 3 in der Sowjetzone als Vollwaisen lebenden Kinder des Kam. Fischer.

 

Uffz. Heinz Uffelmann, s. Zt. Triebwerk-Prüfer bei der Werft in Thorn, von F. Sannecke, Hamburg-Fuhlsbüttel, Brombeerweg 56.

 

Gefr. Helmuth Bertuleit, zuletzt beim Lw-Regiment Hermann Göring als Sanitäter, letzter Wohnort Prökuls b. Memel, im Raum von Warschau zuletzt gemeldet, von Meta Ballnus, Gelsenkirchen-Erle, Cranger Str. 475.

 

Oberstleutnant Krantz, Lw - Verbindungsoffizier bei der Wehrersatz-Inspektion Königsberg, von Frau Erna Engelfried, Stuttgart-Wangen, Bingener Str. 6.

 

Leser-Suchdienst.

Königsberger gesucht!

Otto Stolzenberg, Alter Graben 34

 

Otto Lablack, Alter Graben 20/22

 

Walter Westphal, Alter Graben 19

 

Nachricht erbeten an Kurt Pustlauk, Nienhagen/Celle, Langerbeinstr. 1a.

 

Achtung! Rastenburger!

Wer kann Auskunft geben über Karl Goldan, geb. 03.11.1886, Landgestüt Rastenburg (Ostpreußen), letzter Aufenthalt Juditten b. Bartenstein, Gut v. Kuhnheim. Nachricht erbittet: Frida String, Hamburg-Othmarschen, Klein Flottbekweg 89, Gartenhaus.

 

Gesucht wird:

Uffz. Arthur Boeck, geb. 25.01.1892 in Bogdahnen, Krs. Elchniederung, letzte Einheit: Heeres-Feldzeugkompanie, Neu-Ruppin b. Alt-Ruppin. Gesucht von: Ella Boeck, geb. Schimkat, Achern/Baden, Hauptstr. 6 (Heimatanschrift: Neufeld b. Wildwiese, Krs. Elchniederung).

 

Firma Diering, Königsberg/Pr., Höckergasse 1. Gesucht wird der Inhaber der Firma sowie der Buchhalter. Nachricht erbeten an die Ostpreußen-Warte, Göttingen.

 

Seite 15   Guttstädter Heimatkartei.

Liebe Guttstädter!

Unsere Patenstadt Aschendorf/Ems benötigt für die Anlage einer Guttstädter Heimatkartei die Angaben aller früheren Einwohner von Guttstadt (Name, Vorname, Geburtsdatum und Geburtsort). Da viele Landsleute keine Zeitung lesen und ein großer Teil in der Sowjetzone wohnt, bitten wir alle, sämtliche bekannten Anschriften von Verwandten, Bekannten und Nachbarn der Stadtverwaltung Aschendorf/Ems zu melden. Jubiläen wie goldene Hochzeiten usw. bitten wir, ebenfalls der Stadtverwaltung mitzuteilen.

 

Das für Oktober in Köln-Deutz geplante Heimattreffen der Guttstädter muss leider ausfallen.

 

Otto Zagermann, Bad Honnef/Rhein, Bergstr. 5

 

Seite 15   Hufenoberschule Königsberg.

Die von Oberstudiendirektor Wallsdorf verfasste Schulgeschichte der Hufenoberschule für Mädchen ist mit mit 10 Bildern von der Schule erhältlich bei Oberschullehrerin H. Schmidt, Soest-W., Wilhelm-Morgner-Weg 16. Preis DM 8,80. Versand gegen Nachnahme.

 

Seite 16   Eine stolze erfolgreiche Leistungsschau Ostpreußische Jagd und Landwirtschaft auf der DLG-Ausstellung.

Eine Jagdausstellung — wen wird sie nicht begeistern! Und wenn die Trophäen so einmalig und kostbar sind, so prächtig, schön und groß, wie die in Hannover gezeigten, dann ist jede Bewunderung echt und verdient. Dann sieht jeder Laie, dass dies etwas Besonderes ist und dass es solche Tiere hier gar nicht gibt. Sie waren in Ostpreußen beheimatet, in den weiten, weiten Jagdgebieten, die unzähligen großen und kleinen, fliegenden, schwimmenden und vierbeinigen Tieren Raum und Nahrung boten. Das Großwild wies so prächtige Exemplare auf, die einen harten Kampf boten, ehe die tüchtigsten Jäger sie erlegen konnten.

 

Es waren wahrhaft einmalige Jagdtrophäen, die auf der Ostpreußenschau innerhalb der 44. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Hannover gezeigt wurden. Eine stolze Schau bot sich den Besuchern, eine Leistungsschau der gesamten landwirtschaftlichen Tätigkeit in Ostpreußen Das Land bot Überschuss an Menschen, Material und Produkten und wurde so zum bedeutenden Lieferanten für viele Länder. Ja, auch Menschen lieferte es: jährlich gingen 20000 Arbeitskräfte nach Westdeutschland. Es ist erstaunlich, aber der fünfte Teil der Gelsenkirchener Bevölkerung ist in Ostpreußen geboren.

 

Ostpreußen hatte 2,3 Millionen Einwohner. Der Bodenertrag lag jedoch so hoch, dass weitere 3,3 Millionen Menschen davon ernährt werden konnten. Die Leistungsschau hat Vergleiche aufgestellt, aus denen hervorgeht, dass durchschnittlich in Ostpreußen je Hektar 18 Doppelzentner Weizen, in Polen nur 12 und in Litauen gar nur 11,2 Doppelzentner geerntet wurden.

 

Der überaus große Waldbestand deckte den eigenen Bedarf vollständig und ermöglichte darüber hinaus die Ausfuhr nach Westdeutschland in so reichem Maße, dass das gesamte Ruhrgebiet vier Monate des Jahres hindurch mit Grubenholz versorgt war. 90 500 Wohnungen konnten jährlich von dem Nutzholz gebaut werden, das Ostpreußen abgab.

 

Vieles gab es in der Ostpreußenschau zu sehen. Mit Stolz und Sehnsucht betrachteten es die Ostpreußen, die früher selbst in diesem Schaffensprozess gestanden hatten, und die Westdeutschen bekamen es zahlenmäßig belegt und bewiesen, dass die Überfülle und der Reichtum tatsächlich in Ostpreußen zu Hause waren. Eine hervorragende Stelle nimmt selbstverständlich die Pferdezucht ein, die weit über die Grenzen des Landes hinaus berühmt wurde. In jedem Jahre lieferten die ostpreußischen Pferdezüchter 13 000 hochqualifizierte Pferde in das übrige Deutschland und in andere Länder.

 

Das ostpreußische Geistesleben, verwurzelt im Heimatboden, wurde in einer Zusammenstellung von einhundert Persönlichkeiten wiedergegeben, die sich jeweils über ihre Zeitgenossen durch künstlerische und geistige Leistungen hervorgehoben haben. Die Namen vieler von ihnen sind in alle Erdteile gedrungen, wie Kant, Kopernikus, Herder, Simon Dach, Käte Kollwitz, Corinth.

 

Die DLG-Ausstellung besuchten 600 000 Besucher aus Deutschland und dem Ausland. Unzählige darunter haben auch die ostpreußische Leistungsschau besichtigt und dabei das Schaubild des „Durchschnittsdorfes" Wiese betrachtet. Es zeigt das Nachkriegsschicksal der ostpreußischen Bevölkerung: Während 31 Prozent nach Westdeutschland kamen, leben 25 Prozent in der Sowjetzone, 9 Prozent sind verschleppt nach Russland, 7 Prozent verschollen, 28 Prozent wurden ein Opfer der Vertreibung.

 

Das Leben des Grenzland-Menschen ist weitgehend von den geschichtlichen Ereignissen bedingt, die das Nebeneinander verschiedener Völker mit sich bringen. Bilddokumente, graphische Darstellungen und Modelle erweiterten die Leistungsschau durch einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Landes. Neben den deutschen Stämmen haben Dänen, Holländer, Schotten, französische Hugenotten, Schweizer und Salzburger daran gearbeitet, den Ordensstaat aufzubauen, dessen prächtigstes Bauwerk, die Marienburg, in einem großen Modell in der Eingangshalle vertreten war. Eine Fotokopie der Goldbulle von Rimini war ausgestellt, die besagt, dass Kaiser und Papst im Jahre 1226 dem Orden das Land verliehen haben. In der jüngeren Geschichte ist es besonders die Volksabstimmung von 1920, auf die verwiesen wird; damals war der Bevölkerung die Gelegenheit gegeben, den Willen ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Reich zu bekunden.

 

Die Ostpreußenschau war ein voller Erfolg. Viele sahen sie und nahmen Eindrücke mit, und das war es auch, was damit beabsichtigt war. Auch andere Städte bemühen sich darum, dass diese Ausstellung zu ihnen kommt, um weiteren Kreisen Gelegenheit zu geben, diesen interessanten Einblick in das ostpreußische Leben kennenzulernen. Viele Fürsten schickten ihre Ritter gen Osten, um das Land zu besiedeln, und alle Deutschen haben so Anteil daran. Es ist geplant, die Leistungsschau in Berlin auf der „Grünen Woche" zu zeigen. Zu dieser Landwirtschaftsausstellung kommen auch sehr viele Bauern aus Mitteldeutschland, die die Ostpreußenschau sicher mit besonderem Interesse besuchen werden.

 

Ferner sind es Bremen, Frankfurt, Hamburg und München, die ihren Messen die ostpreußische Jagd- und Leistungsschau angliedern wollen.

 

Seite 16   Herbstfest auf der Katlenburg.

Die Siedlerschule Katlenburg veranstaltet am 13. und 14. Oktober ihr diesjähriges Herbstfest, das unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Friedrich von Kessel, stehen wird. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird am Sonntagvormittag die Eröffnung der ländlich-hauswirtschaftlichen Frauenschule und ihres Wohnheimes durch Minister von Kessel stehen.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Nach langem Krankenlager hat Gott der Herr meinen lieben Mann, Vater, Schwiegervater, Bruder, Schwager, Onkel und Großonkel, Johann Quednau, im gesegneten Alter von 87 Jahren zu sich heimberufen. Im Namen aller Angehörigen Frieda Quednau, geb. Bondig. Hamburg-Poppenbüttel, den 6. September 1956 Langenstücken 10

 

Erst jetzt erreichte uns die Kunde, dass unser lieber Turnbruder Hans Groß im Alter von 49 Jahren am 1. Mai 1956 unerwartet gestorben ist. Spät aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt, suchte er bald wieder Anschluss an die alten Turnfreunde und wusste dadurch manches Missgeschick, das ihn betroffen, zu meistern. Ohne seinen Tod zu ahnen, vermissten wir ihn in Espelkamp-Mittwald sehr. Der Jugend galt seine Arbeit im Turnverein. Ein ehrendes Andenken werden wir ihm für immer wahren. Königsberger Männer-Turn-Verein von 1842. Wilhelm Alm.

 

Müh' und Arbeit war Dein Leben, Ruhe hat Dir Gott gegeben. Fern seiner geliebten Heimat hat Gott am 7. August 1956 meinen lieben Mann, unseren treusorgenden Vater, Großvater und Schwiegervater Josef Neumann, Eisenbahnbeamter i. R. nach längerem Leiden, wohl vorbereitet mit den hl. Sterbesakramenten, im Alter von 81 Jahren, in den ewigen Frieden heimgeholt. In stiller Trauer Magdalena Neumann, geb. Totzilowski, Ehefrau sowie Kinder und Enkelkinder. Lindau (Bodensee), den 7. August 1956 Barfüßer Platz 8. Bayreuth - Lohne - Oldenburg - Dornum

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