Ostpreußen-Warte, Folge 08 vom August 1954

Ostpreußen-Warte

Folge 08 vom August 1954

 

Seite 1   Foto: Landsberg, Ostpreußen

 

 

Seite 1   Deutschlandproblem wieder im Vordergrund. Neue Sowjetnoten an die Westmächte.

 

Wir leben in einem eigenartigen Moment zwischen den diplomatischen Schlachten. Auch Adenauer macht Ferien — und wir warten.

 

Es ist ein Zeichen von guten Nerven, wenn man das kann, warten und erwarten. (Wir Vertriebenen haben es nun schon gelernt.) Aber auch das Unerwartete ist eine Kraft, die plötzlich oft ins Dasein tritt, wirkt, meist zerstört, aber mitunter auch Gutes schafft, in festgefahrenen Lagen weiterhilft oder gar die Lösung bringt.

 

Und es gab manches Unerwartete in der letzten Zeit. Zunächst und vor allem kam die Einigung in Genf nach dem vollen Fehlschlag der Berliner Konferenz den allermeisten wohl unerwartet. Ein Frieden wurde geschlossen. Frankreich gelang es, sein mitgenommenes Renommee zu bessern, durch sein Ausharren und dank sehr großer gebrachter Opfer ein Remis zu erzielen, das militärisch kaum gerechtfertigt schien. Es war ein diplomatischer Erfolg, dass die Liquidierung des Krieges gelang. Mehr als ein Remis haben auch die so viel mächtigeren USA in Ostasien nicht erreicht, im Koreakrieg.

 

Der Ruhm des Friedensschlusses gebührt dem neuen starken Manne Frankreichs, Herrn Mendés-France, ganz zweifellos. Doch haben andere geholfen. England, auch Indien wohl, und nicht zuletzt wird das Schwergewicht und die Drohung der zürnenden United States im Hintergrunde zum Entschluss der Chinesen und Indochinesen, den langen Krieg zu beenden, beigetragen haben. Die Sowjets haben fraglos viel erreicht. Ein neues Land wird ihrer Macht und ihrem Glauben unterworfen, zunächst nur zur Hälfte, bald wohl ganz. Wenn man den Berichten glauben darf. Doch sie haben nicht das Entscheidende erreicht. Weiterhin behalten die europäischen Mächte in Asien ihre Hand im Spiel, und noch gibt es vor allem bürgerliche, oder wie sie es nennen, kapitalistische Staaten in Sudostasien. Der Ring um die kommunistische Welt ist geweitet, aber nicht gesprengt. Die große Entscheidung, die in Asien fast mehr die Frage der Freiheit von europäischen Herren, als die der gesellschaftlichen Neuordnung ist, wurde vertagt. Asien kann warten.

 

So hat der Frieden von Genf ein doppeltes Gesicht. Er ist ein unschätzbarer Zeitgewinn für die Welt, durch die ein hörbares Aufatmen geht, ja vielleicht ist er mehr. Vielleicht ist der größte aller Kriege dieser Erde abgewendet mit allen seinen Folgen. Vielleicht ist der Vernunft nun ein Tor geöffnet. In Moskau und in Peking jedenfalls feiert man den vollen Sieg über das roll bac, das Amerika verkündete, und man beeilt sich, ja man stürzt dem asiatischen Erfolg einen in Europa anzufügen. Hieß es erst in Berlin „zuerst Asien“ so verlangt Russland nun die deutsche Neutralität und den Verzicht auf die EVG. Es hat es plötzlich sehr eilig, das Berliner Gespräch fortzusetzen. Glaubt es den Westen heute nachgiebiger als im Februar? Es muss so sein, denn es wiederholt nur, was es damals anbot.

 

Noch ist nichts bekannt geworden über die Antwort, die ihm erteilt werden wird. Die Aufnahme der Note in Washington war kühl, und doch erwarten wir eine Fortsetzung des Gesprächs in absehbarer Zeit - vielleicht nach einem kurzen Notenwechsel mit klar umrissenen Forderungen, um ein erneutes Scheuern des Deutschlandgespräches, wie in Berlin, vermeiden — nach Möglichkeit.

 

Unerwartet kamen fraglos auch im jetzigen Moment die Flugzeugabschüsse bei der Insel Hainan im Chinesischen Meer. Sie haben die Atmosphäre nicht gebessert und sie zeigen, wie nah man in Ostasien auch jetzt noch und weiterhin dem Katastrophenpunkt steht. Doch sie sind kaum mehr als eine Episode. Ihr Sinn war wohl, dass China seinen ungebrochenen Kampfwillen demonstrieren wollte und die USA mit gleicher Münze antworteten.

 

Herr Mendés-France hat einen Terminkalender, den er, wie alle Welt nun weiß, sehr ernst nimmt. Auf ihm steht die Frage der EVG für den Monat August verzeichnet, und er weiß, dass die Geduld Amerikas erschöpft ist. Zweifellos ist hier der Grund für die ungewohnte Eile Moskaus zu suchen. Die Verhinderung der EVG ist und bleibt Russland erstes Ziel. Hier geht es um die Entscheidung ob Deutschlands Niederlage im zweiten Weltkrieg zugleich die sowjetische Herrschaft über ganz Mitteleuropa einschloss, nicht nur die schon gesicherte über dessen östliche Länder. Die Annahme der heutigen Vorschläge Molotows würde dies bedeuten!

 

Was ist die EVG denn nun eigentlich und in Wirklichkeit? Für jeden Beteiligten etwas ganz Verschiedenes, soweit man sehen kann. Von uns ist sie gedacht als die Beendigung des Zweiten Weltkrieges durch den gleichberechtigten und freiwilligen Eintritt Deutschlands in die westliche Völkerfamilie, als der Beginn eines neuen, fast souveränen staatlichen Daseins in einem entstehenden übergeordneten europäischen Staatenverband, der seinerseits das Ende der zerstörenden Politik nationaler Egoismen bedeuten würde. Sein Sinn sollte vor allem das Ende des deutsch-französischen Zwistes sein — ein Angebot ohne jeden Hintergedanken, wie wir meinen, aber auch gegenüber dem Osten ohne aggressive Tendenz. Die gemeinsame Wehrkraft der sechs teilnehmenden Staaten, die durch enge Anlehnung an die anglo-amerikanischen Mächte erhöht wurde, sollte uns vor dem sowjetischen Machtanspruch schützen, von dem Alpdruck der größten Panzerarmee der Welt befreien, die an unseren fast ungeschützten Ostgrenzen steht. So weit wir.

 

Viele Franzosen sehen es anders. Sie erblicken in der EVG das Aufgeben der vollsouveränen Großmachtstellung Frankreichs zugunsten eines Zusammenschlusses, in dem die größere deutsche Volkskraft, der fanatische Arbeitswille der Deutschen, leicht die Oberhand gewinnen könnte. Unsere vermeintliche Aggressivität würde Frankreich in Händel verstricken. Frankreich fürchtet um die führende Stellung, die es beansprucht und nun aufgeben müsste; es fühlt sich als Sieger. Auch der ungleich fester gefügte und tiefer verwurzelte Begriff der französischen Kultur steht vielleicht uneingestanden jedem Zusammenschluss mit anderen im Wege. Russland ist ihm befreundet, die von ihm drohende Gefahr vermag Frankreich kaum zu begreifen.

 

Und die Sowjets? Die kleine, im Vertrag vorgesehene Armee der Deutschen kann sie kaum schrecken. Aber der Vertrag reiht das Kampfpotential Deutschlands, das heute lahmgelegt ist, ein in den Kreis ihrer Gegner im Westen und verstärkt ihn erheblich. Was Wunder, dass sie den mitteldeutschen Raum, den sie besetzt halten, als Faustpfand betrachten um dies zu verhindern. Man nehme der Welt die Furcht und die Gier, und alles ließe sich lösen. Es gäbe so einen leichten Weg für die Sowjets, den Knoten zu lösen. Anstatt darauf zu sinnen, wie sie auch uns verschlingen können, brauchten sie nur sich in ihren Raum zurückzuziehen und Deutschlands Dank wäre ihnen ebenso gewiss wie das Scheitern der EVG. Aber das erwarten wir nicht!

 

So weise ist nur England! Es tat in Ägypten den großen Schritt, um den so lange schon gestritten wurde, es gibt den Ägyptern die Zone am Suezkanal frei, es bietet ihnen seine Freundschaft an und zeigt Vertrauen. Auch das kam etwas unerwartet im jetzigen Augenblick, und ist ein Schritt zur Befriedigung der Welt. Dass diese Entspannung im arabischen Räume Moskau gefällt, ist nicht anzunehmen. So wiegt dieser Verzicht wohl als Sieg des Westens im größeren Spiel. England demonstriert damit den Weg, der allerorts zum friedlichen Nebeneinander zu führen imstande wäre.

 

Ja so, Herr John! Auch der gehört in die Gruppe der unerwarteten Dinge, er verschlechterte die Atmosphäre im kritischen Moment. Auch er wird zur Episode werden, die den Gang der Dinge nicht aufzuhalten vermag. Denn wenn man nicht hineinschliddern will in die drohende Weltkatastrophe, dann wird man eine Lösung der deutschen Frage einmal ernsthaft anpacken müssen, Deutschlands Wiedervereinigung betreiben, seine Stellung festigen müssen. Wir erwarten keine Wunder der Einsicht in Moskau und in Washington und auch nicht in Bonn, das wenig vermag. Aber wir glauben an das Schwergewicht der logischen Entwicklung, das sich durchsetzen wird. Da man einzusehen beginnt, dass der Krieg ein Wahnsinn wäre, muss man den Frieden betreiben — selbst als Marxist. Wenn auch sehr ungern. Das kann natürlich noch sehr lange dauern — und so lange werden auch wir warten müssen. Immer wieder wappnen wir uns mit Geduld, aber bleiben wir fest, ganz fest!

 

 

Seite 2   Die Gestalt des Reichsverwesers. Zum Todestag des Marschall-Präsidenten von Hindenburg.

 

Neben vielen anderen, Ängsten ist es „die Angst, unzeitgemäß zu sein“ (Karl Jaspers), die unser heutiges Lebensgefühl beherrscht. Nichts aber erscheint so unzeitgemäß, als sich des geschichtlichen Werde Flusses zu erinnern. „Zeitgemäß“ ist hingegen, die Geschichte zu verachten, insbesondere die deutsche Geschichte, die uns behände fremde und eigene Schwätzer und Propagandisten als „Irrweg“ verekelten. Diese Seuche geistesgeschichtlicher Drückebergerei gedieh wie in einem Treibhaus in der simplen Vorstellung, man könne als einzelner aus der Geschichte aussteigen, wie aus einem Verkehrsmittel, um in ein anderes einzusteigen, darin man sich nur dem kritiklosen Rausch des konjunkturellen Fortschritts hingeben könne. Benedetto Croce nannte jenen behänden Antihistorismus die gefährlichste sittliche Schwäche, und die Respektlosigkeit vor der Geschichte versetzt ein hochzivilisiertes Volk wie das unsere in eine Lage, in welcher sich ein reifer Mensch befindet, der sein Gedächtnis verlor. Was nützt ihm seine Reife, wenn er nicht weiß, wie er heißt, woher er kommt? Wie soll er wissen, wohin er geht?

 

Es waren Männer der Politik, die sich überaus „zeitgemäß“ dankten, als sie vor Monaten widerrieten, im Bundeshaus die Porträts der Reichspräsidenten nach 1918 anzubringen. Da müsste ja wohl auch das Bild Hindenburgs aufgehängt werden, meinten sie erschreckt. Der Gedanke, das Bild Hindenburgs könnte einen Platz im Bundeshaus bekommen, war für sie so, als sollte das Porträt des Gespenstes vom „Irrweg der deutschen Geschichte“ einen Ehrenplatz erhalten. Einer ihres Geistes, der ehemalige Anwalt am Berliner Kammergericht, Erich Eyck, hat doch in seiner „Geschichte der Weimarer Republik“ (Eugen Rentsch Verlag) geschrieben: „Die Präsidentenwahl (von 1925) war aber auch ein Triumph des zu neuem Leben erweckten Militarismus“.

 

Welch eine historische Unwahrhaftigkeit! Eyck bescherte uns von London aus schon eine Bismarckbiographie, die eine unhistorische Polemik darstellt, die eine Anklageschrift ist, wie sein jüngstes Buch, die „Geschichte der Weimarer Republik“, auch. Allerdings kommt er in dieser ganz ungewollt auch zu einer nicht ganz falschen Feststellung, wenn er sagt (S. 447): „Das entscheidende Ergebnis dieser Wahl ist die Feststellung, dass in der deutschen Republik die Republikaner in der Minderheit waren“. Sie waren es in der Tat. Das deutsche Volk hat 1918 nicht nach der Republik, nicht nach dem Umsturz seiner staatlichen Lebensform, sondern nach dem Frieden gerufen. Friedrich Eberts überragende Persönlichkeit verstand es mit staatsmännischer Weisheit, die gefährliche Bruchstelle von 1918 im geistigen Organismus des Volkes zu überbrücken und die Wunden jenes Bruchs im geschichtlichen Werdefluss zu heilen. Wen aber hatte die Republik, auf die das deutsche Volk unvorbereitet war, als seinen Nachfolger zu präsentieren?

 

Was die halbe Welt 1925, was Erich Eyck noch gestern missdeuteten, war, dass durch die Volkswahl keine sieben Jahre nach Kriegsende der letzte Chef des Generalstabes des Feldheeres, der Senior des kaiserlichen Offizierskorps, der noch immer auf der Liste der „Kriegsverbrecher“ der Alliierten stand, Präsident der deutschen Republik geworden war. Walter Görlitz schreibt dazu in seiner vorzüglichen Biographie „Hindenburg“ (Athenäum-Verlag, Bonn, 16,80 DM): „In dieser Verehrung großer geschichtlicher Mächte aber enthüllte sich eine sehr echte Sehnsucht breiter deutscher Volksschichten, die an der Spitze des Reiches eine Gestalt zu sehen wünschten, die symbolhaft die Mächte der Überlieferung verkörperte und die einen Weg aus dem Dunkel der Jahre nach dem Zusammenbruch in eine neue Zukunft zu weisen vermochte“.

 

In der Tat manifestierte die Wahl Hindenburgs den ausgeprägten Willen der überwiegenden Mehrheit aller Deutschen, die verderbliche Bruchstelle zwischen der eigenen geschichtlichen Vergangenheit und der Gegenwart zuzuschütten, um den schweren Weg in die Zukunft gehen zu können, ohne den Blick nach rückwärts scheuen zu müssen. In der Person des damals 78-jährigen erblickte man das Symbol der Kontinuität des Lebens der Nation, die Verkörperung sittlicher Standhaftigkeit, ritterlicher Gesinnung und nicht zuletzt eine Gestalt, die als Sohn des deutschen Ostens, die Einheit des verstümmelten und gerade im Osten so arg gefährdeten Reiches zu wahren versprach. Nicht die Republik hatte einen Präsidenten gewählt, sondern das Volk einen Regenten, einen Reichsverweser, der im alten Deutschland groß geworden, an seinem Lebensabend noch die ungewöhnlich drückende Bürde des Präsidialamtes in einem Staate übernahm, der in seiner sechsjährigen Vergangenheit mit dem Amtsantritt Hindenburgs bereits sein 12. Regierungskabinett hatte.

 

Der Regierung Dr. Luthers waren die Scheidemanns, Bauers, Hermann Müllers, Fehrenbachs, zwei Kabinette Wirths, Cunos, zwei Kabinette Stresemanns und zwei Kabinette Marx' vorausgegangen. Gab es ein deutlicheres Zeichen, dass das Nachkriegsdeutschland von einer tiefen, schleichenden Krise des parlamentarischen Systems befallen war? Ist ein größeres Opfer denkbar, als der Mann es brachte, der mit 78 Jahren einen ruhigen Lebensabend im späten Leuchten seines Ruhmes als Sieger von Tannenberg hätte verbringen können?

 

Der hochbetagte Feldmarschall hat seine Aufgabe in der Tat als die eines Regenten aufgefasst: Sein Eid, das Recht und die Pflicht waren ihm Richtschnur. Der Reichstag, die Verkörperung des parlamentarischen Systems, hat indes zu keiner Stunde seine hohe Aufgabe begriffen, sich vielmehr selbst zum Schauplatz kleinlicher Parteiintrigen, Klassen- und Interessengegensätzen degradiert. Die Parteiführer, mit denen der Marschall-Präsident in unendlicher Geduld während jeder Kabinettskrise verhandelte, um einer neuen, gefestigteren Regierung in den Sattel zu helfen, ließen immer wieder erkennen, dass sie genau wussten, was sie nicht wollten. Keiner von ihnen aber wusste, was zu geschehen habe. Sie enthüllten von einem zum anderen Male mehr die Krise des Weimarer Parlamentarismus, während der „Alte Herr“ sehr frühzeitig auf einen mittleren Weg gedrängt wurde, der weiteste Kreise derjenigen, die ihn 1925 gerufen, gegen ihn einnahm, ohne dass die anderen, die damals gegen ihn waren, jetzt für ihn gewesen wären. Die Agitation der „Harzburger Front“ traf sein Innerstes tiefer, als die taktlose Absage der preußischen Staatsregierung unter Otto Braun, an der Einweihung des Tannenbergdenkmals aus Anlass seines 80. Geburtstages teilzunehmen. Im politischen Sprachgebrauch nach dem zweiten Weltkrieg ist Hindenburg der Mann, der Hitler an die Macht verholfen hat. Eine schlimmere Entstellung der geschichtlichen Wahrheit ist kaum denkbar. Wie auch Görlitz nachweist, waren es die Reichstagsparteien selbst, die den Reichstag in den Abgrund manövriert halfen. Niemand hat sich leidenschaftlicher und hartnäckiger einer Kanzlerschaft Hitlers widersetzt, als Hindenburg. Der alte, in Ehren und bruchloser, treuer Pflichterfüllung weiß gewordene Feldmarschall dachte sogar einen Augenblick lang daran, seinen Eid zu brechen, um eine Kanzlerschaft Hitlers zu verhindern. Die unheilvollen Rollen Schleichers und Hilgenbergs können in diesem Zusammenhang nur erwähnt werden. Prälat Kaas, der Vorsitzende des Zentrums, hat Hindenburg sogar empfohlen, Hitler als Reichskanzler zu berufen. Seit seiner Wahl hatte Hindenburg neun weitere Reichsregierungen erleben müssen, ehe der 30. Januar 1933 kam; Hitler war der 21. Regierungschef seit 1919. Diesen Tag überlebte der Reichsverweser Paul von Hindenburg nur um knapp 1 ½ Jahre.

 

Das Ehrenmal von Tannenberg nahm seine sterbliche Hülle auf. In der Nacht zum 20. Januar 1945, in der ein eisiger Schneesturm um die mächtigen Türme den Ehrenmals tobte, trat der Sarg gemeinsam mit dem seiner Frau und den Fahnen der Tannenbergregimenter die Flucht an, während Pioniere wenige Stunden später das Ehrenmal sprengten. Der Kreuzer „Emden“ brachte die Toten westwärts ins Reich. Auch aus, Potsdam mussten sie verbracht werden, um schließlich in der Elisabethkirche in Marburg an der Lahn eine vorläufige Herberge zu finden. Deutsche Kriegsgefangene, die man aufs Land geschickt hatte, Kartoffeln aus unversehrten Mieten zu buddeln, um die Kameraden zu verpflegen, fanden das Herrenhaus Neudeck, das die Hindenburgspende des deutschen Volkes seinem Regenten einst wiedergegeben, ausgebrannt wie das Reich... Egmont Roth

 

 

Seite 2   Altsparerentschädigung frei

Der Kontrollausschuss beschloss auf seiner am 5. Juli in Bonn durchgeführten Sitzung, ab sofort alle Altsparentschädigungen für Spareinlagen im Sinne des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener freizugeben. Die Auszahlung der entsprechenden Beträge durch die Kreditinstitute erfolgt jedoch erst nach Ablauf des Monates, in dem die Ausgleichsgutschrift erteilt wurde, beginnend mit dem 1. September 1954.

 

Nach einer im Rahmen des Altsparergesetzes verfügten Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener werden grundsätzlich 20 Prozent des im Zeitpunkt der Vertreibung bestehenden Guthaben, so behandelt, als ob sie schon am 1. Januar 1940 vorhanden gewesen wären, und dementsprechend die Altsparguthaben auf insgesamt 20 Prozent ihres RM-Nennwertes aufgewertet. Da die Sparguthaben Vertriebener jedoch bereits einmal um 6,5 Prozent aufgewertet worden sind, beträgt der jetzige Aufwertungssatz nur noch die Ergänzung zu 20 Prozent, nämlich 13,5 Prozent.

 

Mehr als 20 Prozent des im Zeitpunkt der Vertreibung bestandenen Guthabens erhält nur der, der nachweisen kann, dass sein Guthaben am 1. Januar 1940 tatsächlich höher war als eben ein Fünftel des Vertreibungs-Sparschadens. Wer z. B. seinerzeit einen Sparerschaden von beispielsweise 10 000 RM angemeldet bat, hat inzwischen 650 DM als Entschädigung nach dem Gesetz über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener ausgezahlt erhalten. Nach der im Altsparergesetz verfügten Änderung zum Währungsausgleichsgesetz sind ihm 20 Prozent, also 2000 RM, als Altsparguthaben anerkannt worden, für die er nunmehr einen Entschädigungsbetrag von 20 Prozent, also 400 DM zu erhalten hätte. Da er für diese 2000 RM jedoch im Rahmen des Währungsausgleichsgesetzes bereits 6,5 Prozent, also 130 DM, aufgewertet erhalten hat, bekommt er jetzt nur noch 270 DM.

 

 

Seite 2   BHE droht mit Regierungsaustritt

Die innenpolitische Sensation der vergangenen Woche war die von allen Tageszeitungen in großer Aufmachung gebrachte Nachricht, dass der „Gesamtdeutsche Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ aus der Regierungskoalition austreten will, wenn seine Forderungen von den Koalitionspartnern in der Bundesregierung nicht erfüllt werden.

 

Zu starken Bedenken wegen der weiteren Regierungsbeteiligung war es bereits auf dem Parteitag des BHE in Bielefeld gekommen. Damals erregte einerseits die scharfe Formulierung gegen die CDU wegen des Wahlgesetzes in Nordrhein-Westfalen Aufmerksamkeit (dieses Wahlgesetz verhinderte auch den Einzug des BHE in den neuen Landtag von Nordrhein-Westfalen, während für das zahlenmäßig schwächere Zentrum ein Ausweg gefunden wurde), während anderseits zahlreiche Delegierte die Frage stellten, was denn ihre Partei von der CDU oder andern Regierungsparteien unterscheide. Die Wähler würden entsprechende Fragen stellen und erwarteten eine klare Antwort.

 

Die derzeitigen Parlamentsferien geben die Möglichkeit, dass über die Schlussfolgerungen des BHE nicht nur in den Kreisen der Regierungsparteien, sondern auch in den Reihen des BHE selbst gründlich debattiert werden kann. Die Vertriebenen, die dem BHE bei den Wahlen ihr Vertrauen geschenkt haben und auf die sich insbesondere die Erkenntnis der Parteiführung bezieht, dass der BHE mit den bisher erreichten sozialen Verbesserungen unzufrieden ist, werden die weitere Entwicklung sicherlich mit größtem Interesse verfolgen, zumal sie sich gerade in sozialer Hinsicht als immun gegen alle Verlockungen aus dem Osten erwiesen haben, während dies — siehe den Fall John — auf der sogenannten großen politischen Ebene bei maßgebenden Faktoren nicht immer der Fall ist.

 

Im Einzelnen wird die Haltung des BHE mit folgenden Punkten erklärt:

 

1. Entgegen den Zusagen sind die Kompetenzen für das Vertriebenenministerium, das von Minister Oberländer (BHE) geleitet wird, nicht erweitert worden. Der BHE besteht aber darauf, dass diesem Ministerium entscheidender Einfluss auf die Aufgabenseite des Lastenausgleichs eingeräumt wird.

 

2. Der BHE fordert, dass unmittelbar nach den Parlamentsferien über ein neues Wahlgesetz beraten wird, um Bestrebungen zu verhindern, dass das Wahlsystem den beiden stärksten Parteien eine Monopolstellung schafft. Der BHE lehnt eine Mitverantwortung für die bevorstehenden außen- und innenpolitischen Entscheidungen — einschließlich aller mit dem Verteidigungsbeitrag zusammenhängenden Fragen — ab, wenn versucht werden sollte, den BHE durch ein Wahlgesetz von der weiteren politischen Mitarbeit auszuschließen.

 

3. Der BHE ist mit den bisher erreichten sozialen Verbesserungen unzufrieden. Die Parteiführung meint, dass der anhaltende wirtschaftliche Aufstieg es dem Bundestag zur Pflicht machen müsste, nun endlich auch jenen Teilen des Volkes wirksam zu helfen, die bisher von diesem Aufstieg ausgeschlossen waren. Besonders wird beanstandet, dass die längst überfällige Rentenaufbesserung noch nicht Gesetz ist.

 

 

Seite 2   Polen fordert Beseitigung der deutschen Kirchenprovinzen

Massive Angriffe auf die immer noch bestehende Einteilung der Oder-Neiße-Gebiete in Kirchenprovinzen nach dem Status der Vorkriegszeit unternahm in den letzten Tagen der Warschauer Rundfunk. Seinen Berichten zufolge soll eine Gruppe von über 100 polnischen Geistlichen, die in den deutschen Oder-Neiße-Provinzen seelsorgerisch tätig sind, ihre Wünsche auf Neueinteilung der Diözesen der Warschauer Regierung vorgebracht haben.

 

 

Seite 2   John war fehl am Platze. Wie die „Ostpreußen-Warte“ in der März-Ausgabe schrieb.

Der Fall John muss erst gründlich geklärt werden, bevor man ein abgewogenes Urteil darüber haben wird. Aber es sind einige Seiten dieser wenig erfreulichen Affäre doch heute so weit schon sichtbar, dass man sie bereits jetzt beleuchten kann, ohne dass man sich selbst der Gefahr aussetzt, für voreilig gehalten zu werden. Nicht alles, was in Bonn heutzutage geschieht, ist gut, und nicht alles, was früher war, ist schlecht zu nennen, und darüber ist bald zu reden, weil es sich um Grundfragen handelt.

 

Einem echten Preußen, einem normalen gut vorgebildeten Mann von östlich der Elbe, kurzum einem klaren Juristen, Offizier oder Akademiker aus diesen ehemaligen Bezirken der Kraftquellen unserer Nation wäre früher etwas Ähnliches undenkbar erschienen, was wir heute nun im Fall John hinnehmen müssen. Das Preußentum (mehr sein als scheinen) ist nicht an geographische Grenzen gebunden gewesen; es ist eine Frage der Gesinnung und des Charakters.

 

Und dieser schillernde Fall Dr. John durfte gerade Vertriebene und Flüchtlinge noch vor kurzem mit Menschen zweifelhaften Rufs in eine Reihe stellen, die für verbrecherische und landesverräterische Taten besonders anfällig seien. Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge seien besonders labil östlichen Einflüssen gegenüber. Warum wurde Dr. John nicht allein für diese Äußerung sofort scharf zur Verantwortung gezogen? Dieses System, das leicht zu dem Spiel „Haltet den Dieb“ führen kann, war und ist für die Heimatvertriebenen unerträglich, da gerade sie die stärkste Abwehrkraft gegen den Bolschewismus verkörpern. Salonbolschewisten wird man unter Vertriebenen und Flüchtlingen kaum finden. Bezahlte Agenten des Ostens aber auch nur sehr selten. Wer den Osten kennt, wird nicht so leicht seine Beute, wenn er im Westen wohnt.

 

Ging Dr. John freiwillig zum Osten über, dann war das eine Katastrophe für die Bonner Personalpolitik, wurde er als „Abwehrchef“ gekidnappet, dann ist solch eine „Kindentführung“ eine Groteske. Der Fall John erinnert an die Dreigroschenoper!

 

Warum wartete man nach den mannigfachen Pannen des „Präsidenten“ (das wurde der Mann mit rund 40 Jahren) Dr. John so lange, bis es zu spät war. Geschah das nur wegen der englischen Protektion? Der „common sense“ (gesunder Menschenverstand) der Engländer ist bekannt. Sie hätten Dr. John sicherlich fallen lassen. Aber hat Bonn das von London auch ernsthaft verlangt? Zivilcourage fehlte den Deutschen gar zu oft in ihrer Geschichte. Sie fehlt in Bonn sicherlich auch heute noch sehr oft. Abenteurer-Naturen nutzen solche Zustände immer aus.

 

An die Spitze einer Abwehrbehörde gehört am besten ein hoher richterlicher oder staatsanwaltschaftlicher Beamter, ein General oder ein Mann, der in seinem Leben sich so bewährt hat, dass er an seinem Lebensende seinen guten Ruf nicht mehr riskieren kann, also ein alter, abgeklärter Politiker, der nahezu jenseits von Gut und Böse ist. Ein junger Mann, der vielleicht trinkt, womöglich mit Frauen böse umgeht, oder gar möglicherweise mit Leidenschaften behaftet ist, über die man besser schweigt, gehört nicht an solch einen Platz. Männer, die korporativ gebunden sind, gehören aber am besten auch nicht dorthin. Selbst polizeiliche Fachleute sind nicht immer das Richtige dafür. „Lieber einen Erzbischof zum Kriegsminister als einen General“, diese englische Regel ist gut. Der Kavallerist Winston Churchill war u. a. auch der erste Seelord Englands gewesen. Wir können englische Regeln nicht kopieren. Was der Rat aus London bezüglich der Ernennung des Dr. John beweist. Wir können englische Regeln aber sinngemäß anwenden. Wir haben früher gezeigt, dass wir wirklich gut und sparsam verwalten können; erinnern wir uns doch nur etwas mehr unserer Traditionen.

 

Kein ehemaliger Nationalsozialist sollte nun Morgenluft wittern, denn die guten deutschen Traditionen wurden am 30. Juni 1934 (also rund elf Jahre vor dem Zusammenbruch Deutschlands) endgültig begraben. Polen, Stalingrad usw., usw. bis zum Fall John sind nur Folgen und keine Ursache. Die Ursache liegt in Versailles von 1919 und in Berlin von 1934. Wir sollten darum, ob rechts stehend oder ob im sozialistischen Lager seiend, heutzutage in Deutschland berücksichtigen, dass alle Deutschen, die jetzt guten Willens sind, die Bundesrepublik zu stützen, nicht mehr kollektiv wegen ihrer „politischen“ Vergangenheit beleidigt werden dürfen. Eine kollektive Schuld oder Unschuld gibt es nie für rechtlich einwandfrei denkende Menschen. Und individuelle Verbrecher gehören vor den Richter. Und so sollte auch der Fall John schonungslos klargestellt werden.

 

„Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht“, diese uralte Weisheit aus dem Buch der Bücher geriet stark in Vergessenheit, und ist es nicht auffällig, wie sehr gerade jetzt der Osten lockt? Der Westen braucht heutzutage mehr noch als zu den Zeiten von Dschinghis Khan Stärke und Geschlossenheit. Bringt er sie auf, dann sehen wir den Osten zahmer werden. Jede versöhnende Geste des Kremls wird man so lange als Bauernfängerei betrachten müssen, wie es Fälle á la Dr. John überhaupt geben kann. Moskau möge der Westwelt versöhnende Taten nachweisen. Dann erst wird es an der Zeit sein, aufzuatmen. Bis dahin aber wäre es nötig, dass der Westen sich fest auf ein stark gewordenes Deutschland stützt, dessen spätere Hauptstadt Berlin in den Grenzen von einstmals wäre, in dessen gesunder Luft Fälle á la Dr. John ganz undenkbar sein würden.

 

 

Seite 3   Wiederaufbau der ostpreußischen Grenzstade Schirwindt im Kreise Pillkallen 1915 – 1921

7 Bilder: Grenzstadt Schirwindt. Unsere Bilder zeigen die einzelnen Stadtteile der Stadt Schirwindt nach der Zerstörung durch die Russen im ersten Weltkriege. - Blick auf die unzerstörte Stadt mit den beiden charakteristischen hohen Kirchtürmen – Schirwindt im Wiederaufbau und einzelne Straßenzüge nach dem Wiederaufbau.

 

Schirwindt war ein kleines Grenzstädtchen mit ca. 1100 Einwohnern, hauptsächlich Ackerbürgern und schlichten Handwerkern, die etwas abseits von den großen Verkehrsstraßen ein beschauliches und friedsames Leben führten, bis der Russe die Stadt durch Brandstiftungen von allen Seiten her total zerstörte. Lediglich die auf dem großen Innenplatz stehende zweitürmige, wenig schöne Kirche neueren Ursprungs blieb erhalten. Schirwindt besaß ein in sich geschlossenes und heimatlich gewachsenes Stadtbild. Um eine große, geräumige Platzanlage baute sich in ziemlich geschlossenen Straßen- und Platzfronten, ein- und zweistöckig wechselnd, die Stadt auf. Als ich 1915 das Trümmerfeld der Stadt sah, konnte ich mir ihr altes, bodenständiges Gesicht, das Gesicht einer ostpreußischen Ackerbürgerstadt gut vorstellen, das beim Wiederaufbau genauso einheitlich und bodenständig erstehen sollte. Es gab sich von selbst, dass einige bemittelte Hausbesitzer ihre Häuser aufwendiger und mit einem weiteren Oberstock wieder aufzubauen gedachten. Hier mussten gewisse Grenzen gezogen werden, in die sich die zurückgekehrten Bewohner auch bald freiwillig fügten. Andererseits war es nicht möglich, bestimmte Platz- oder Straßenwände in einheitlicher Höhe aufzubauen, da der Staat nur eine Vorentschädigung für den Umfang des zerstörten Altbaus gewährte. So wechselten auch im neuen Stadtbild ein- und zweistöckige Häuser scheinbar willkürlich und wahllos ab. Und doch lag über diesem scheinbar willkürlichen Wechsel die lenkende Hand des Städtebauers, Härten auszugleichen, Übergänge von einer niederen zu einer höheren Bebauung durch die Anordnung von Dachausbauten zu schaffen. Giebelstellungen mit Traufhäusern harmonisch zu wechseln, dabei die Straßen- und Platzecken einheitlich zweistöckig zu bauen, was auch in allen Fällen gelang. Dazu überall die gleichen Dachneigungen; auch bei Nebengebäuden, Ställen und Schuppen, keine hässlichen Pappdächer, sondern die gleichen Pfannendächer, wie die Wohnhäuser. Eine gelenkte Freizügigkeit gestattete den für den Einzelbau verantwortlichen Hausarchitekten über die allgemein gültigen städtebaulichen Anforderungen hinaus die äußere Gestaltung der Häuser unter Berücksichtigung bodenständiger Schlichtheit durchzuführen.

 

So wurde die total zerstörte Ackerbürgerstadt Schirwindt durch die harmonische und erfolgreiche Zusammenarbeit aller schaffenden Kräfte ein Musterbeispiel schlichter, bodenständiger Stadtbaukunst. Auch Bremen, die Patenstadt von Schirwindt, hat dem Wiederaufbau der Stadt wertvolle Hilfe geleistet und durch die tatkräftige Mitarbeit ihres nach Schirwindt entsandten Architekten zu dem erfreulichen Erfolg beigetragen. Ihnen und auch den heimischen Architekten meinen Dank für die damalige kameradschaftliche Zusammenarbeit. Der Wiederaufbau von Schirwindt war für mich die dankbarste Aufgabe meines damaligen großen Schaffensgebietes, an die ich mich heute nach 35 Jahren gerne erinnere.

 

Professor Kurt Frick, jetzt Bad Reichenhall,

1915 - 1921 Bezirksarchitekt des staatlichen Bauberatungsamtes Stallupönen

 

 

Seite 4   Unsere Leser schreiben: Heimatnot – Handwerksnot. Das ostpreußische Handwerk auf der Wanderung zwischen Gestern und Morgen.

 

Hier soll nicht nur vom Handwerk die Rede sein. Das Wort gilt auch der wachsenden Sorge um das künftige Schicksal unserer alten Heimat. In jüngster Zeit hat sich das Vertriebenenhandwerk, voran das ostpreußische, mit dem unbefriedigenden Zustand seines gegenwärtigen Daseins beschäftigt. Es teilt mit dem Bauerntum das gleiche Schicksal und vertritt die Auffassung, dass es neben diesem die wichtigste wirtschaftliche Gruppe innerhalb der Landsmannschaft ist. Sollte je in Zukunft die friedliche Inbesitznahme unserer Heimat erfolgen, dann wird sich die Pionieraufgabe des Handwerks für jedermann sichtbar zeigen. Daher ist es verständlich, wenn das ostdeutsche Handwerk auch eine breitere Erörterung seiner Gegenwartsfragen wünscht, um in Zukunft allen Anforderungen gerecht zu werden. Das Schicksal der Besitzlosen und Enterbten aus dem deutschen Osten ist keine Sache einer mitleidsvollen oder spekulativen Sozialpolitik. Es geht um mehr. Um den wirtschaftlichen und sozialen Standort des Vertriebenenhandwerks festzustellen, muss man zuvor das allgemeinpolitische und heimatpolitische Gelände erkunden.

 

Ohne die deutschen Länder im Osten ist der Bestand des westlichen Restdeutschlands dauernd gefährdet — trotz des Wirtschaftsaufstiegs. Ostdeutschland gab mehr als Korn und Herden. Es war ein geburtenfrohes Kinderland. Diesen Reichtum an arbeitsamen Menschen schenkte es seit langem dem Westen und erfüllte dennoch seine Schutzaufgabe. Wohl vermag heute die ansteigende Industrieleistung und die Ausfuhr Westdeutschlands ersatzweise kanadischen Weizen und australisches Fleisch hereinbringen — aber keine jungen Menschen. Mit ernster Besorgnis erleben wir neben der Warenausfuhr die Ausfuhr unserer jugendkräftigen und tatfrohen Mannschaft. Sie verlässt die Enge und Aussichtslosigkeit des zerhackten Vaterlandes. Zunächst stellen wir Vertriebenen die Masse der Wandernden. Zunächst..! Ein erfahrener ostpreußischer Handwerksmeister stellte jüngst die Frage, ob die Wanderung der Vertriebenen immer noch nicht zu Ende ist?

 

Wer wollte darauf eine befriedigende Antwort geben. Es ist nicht undenkbar, dass wir Ostdeutschen eine große Wanderbewegung — gewissermaßen als Vorausabteilung — westwärts, immer weiter westwärts eingeleitet haben. Wenn sich die Frage nach der Zukunft Mittel- und Ostdeutschlands nicht im deutschen Sinne löst, wird die große Wanderung weitergehen. Ohne jeden Krieg wird dann Westdeutschland und Randeuropa dem Geburtendruck des Ostens erliegen. Dann werden noch ganze Völker auf den großen Treck gehen. Der Osten steht an den Quellen der Werra. Nicht dem Kriege und dem politischen Abenteuer soll mit diesen Worten freie Fahrt gegeben werden. Aber es muss immer wieder gesagt werden, dass alle Sieger und alle Besiegten aus der Vergangenheit und Gegenwart lernen sollten, um die zur Zerreibung unseres Volkes führende politische Verkrampfung der Gegensätze zu lösen.

 

Der Sinn der Vertriebenenpolitik ist

 

die seelischen Wunden des Heimatverlustes zu lindern — zu heilen sind sie nicht — und die Schäden an Lebensgrundlagen und Eigentum annähernd zu beseitigen,

 

die Rückgabe der alten Heimat mit den Mitteln undogmatischer Politik zu erreichen und die Wiederbesiedlung vorzubereiten.

 

Die erste Forderung wird nur unvollkommen erfüllt. Die zweite ist in dieser Zeit der allgemeinen Verwirrung hoffnungsloser denn je. Es geschieht nichts, was die Verwirrungen löst und alles, was sie vermehrt. Darüber sterben die alte Generation der Vertriebenen und die ausgeschlossene mittlere Generation hinweg. Die Fremde birgt ihre Gräber und zu ihren Häuptern steht nicht einmal der Grabstein des Rechtes. Die junge Generation aber, welche die Heimat nicht mehr oder nur noch aus verschwommenen Kindheitserinnerungen kennt, quält sich über eine not volle Ausbildung und über die sogenannte „Mischehe“ zur „Eingliederung“ oder zur Auswanderung.

 

In wenigen Jahren ist die deutsche Vertriebenenpolitik tot, wenn sie sich nicht bald entschließt, mit allem Mut auch die vorhandene innerdeutsche Verkrampfung anzugehen und eine Aktivierung des politischen Kampfes mit allen Mitteln des Rechtes gegen das Abgeschrieben werden von Menschenschicksalen und Heimatboden zu erreichen. Sie muss dabei auch die großen Arbeitsstände ins Treffen führen: Das Bauerntum und das Handwerk. Versagt sie, so vergeht sie am natürlichen Absterben der Alten, an der Auswanderung, an der eigensüchtigen Gleichgültigkeit der „Assimilierten“ und an der Enttäuschung, übrig bleibt eine wehmütige Heimaterinnerung und ein gesellschaftliches Erlebnis bei Zusammenkünften und Fahrten.

 

Aus dem Bundesministerium für Vertriebene verlautet, dass im Allgemeinen die Neugründung von Handwerksbetrieben abgeschlossen sein dürfte. Rund 59 000 Handwerker haben wieder einen Betrieb errichten oder übernehmen können. Diese Erklärung bestätigt eine beachtliche Leistung, beweist aber auch, dass noch erschreckend viel zu tun bleibt. Ende 1939 bestanden in den deutschen Ostgebieten — einbegriffen das Sudetenland, Danzig-Westpreußen, Wartheland und das wieder hergestellte Oberschlesien — rund 292 000 deutsche Handwerksbetriebe. Zieht man von dieser Zahl die gleiche kriegsbedingte Verlustquote ab wie bei der Bevölkerung dieser Gebiete, also 16,4 Millionen vermindert um 5 Millionen, so sind das: 292 000 Betriebe vermindert um 89 000 ausgelöschte Betriebe. Es gingen in die Vertreibung etwa 203 000' früher selbständige Handwerksmeister. Wenn 59 000 wieder neu angesetzt wurden — ein nicht geringer Hundertsatz sind Einmannbetriebe — so verbleiben als berufsfremd tätig oder sozial abgestiegen 144 000 ostdeutsche Handwerksmeister. Auf die ostpreußischen Verhältnisse umgelegt heißt dieses, dass von den rund 41 000 ostpreußischen Handwerksbetrieben, die bei Kriegsausbruch vorhanden waren, etwa 12 000 Meister ausgelöscht wurden, 8000 neu angesetzt sein müssen und etwa 21 000 Meister sozial abgestiegen sind. Diese bilden mit ihren bäuerlichen Schicksalsgenossen und vielen anderen wertvollen Ostdeutschen den Ersatz für die früheren „Ostarbeiter“. Aus dieser ironischen Selbstkennzeichnung spricht die ganze Verbitterung der Betroffenen. Daraus folgt, dass die Eingliederung noch keineswegs erreicht ist und es verfrüht wäre, die Neugründung von Handwerksbetrieben im Allgemeinen als abgeschlossen zu betrachten.

 

Vorausgesetzt, dass die 59 000 neu gegründeten Handwerksbetriebe trotz der steuerpolitischen Vivisektion — Eingriff am lebenden Wesen zu Versuchszwecken — alle noch am Leben sind, so muss klar gesagt werden, dass die Mehrzahl dieser Betriebe die ersten Opfer einer möglichen Wirtschaftskrise sein werden. Wir werden vielleicht noch nicht den Scheitelpunkt der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung erreicht haben. Dennoch ist jedem aufmerksamen Beobachter der weltwirtschaftlichen und der eigenen volkswirtschaftlichen Vorgänge klar, dass wir nicht mehr weit vom Scheitelpunkt entfernt sind. Unsere wirtschaftliche Entfaltung ist nicht in allen Teilen echt und haltbar. Sie tragen, wie auch gewisse politische Lebensäußerungen, zu deutlich das Merkmal des Provisorischen, des Vorübergehenden. Die meisten Vertriebenenbetriebe entbehren der schützenden Hülle des Eigenkapitals. Sie schleppen das Fremdkapital als einen Klotz am Bein ihrer Existenz herum. Die beabsichtigte „Steuerreform“ schlägt vornehmlich diese Betriebe mit dem Fortfall der bisher gewährten steuerlichen Begünstigungen. Es muss ein wichtiges Anliegen aller einsichtigen Parlamentarier sein, die Krisenfestigkeit der Neubetriebe gesetzlich schaffen zu helfen.

 

Das lässt sich erreichen durch die Weitergewährung der bisherigen Steuervergünstigungen für die Heimatvertriebenen. Zudem muss eine gesetzliche Regelung erreicht werden, welche etwa 20 bis 30 v. H. der veranlagten Einkommensteuer den Vertriebenenunternehmungen belässt mit der Auflage, sie wahlweise für die Abdeckung der Vertriebenenkredite oder für Investierung im eigenen Betrieb zu verwenden, also eine Investitionshilfe aus eigener Kraft. Diese Forderungen sind keine Übertreibungen, sondern wohlüberlegt und sollen eine Vorwarnung sein. In 2—3 Jahren könnte der Schaden größer und nicht mehr wieder gutzumachen sein.

 

Zuvor wurde gezeigt, dass der Umfang der erreichten Eingliederung unbefriedigend ist. Eindringlich ist vor der Auffassung zu warnen, dass die unternehmungswilligen und strebsamen Handwerker eingebaut und nur die Alten, Kranken und Untüchtigen berufsfremd tätig sind oder brach liegen. Das ist nur zu einem sehr kleinen Teil richtig. Viel richtiger ist, dass die Eingliederung erheblich dem Zufall überlassen war und ist. Aber der Zufall nach persönlichen und örtlichen Gegebenheiten ist nicht das geeignete Mittel, um die eingetretenen verheerenden sozialen Umschichtungen gerecht und neu zu ordnen.

 

 

Seite 4    Man muss sehr viel Glück haben.

Wer angewiesen ist, seine Existenzgründung nur mit Hilfe der Kredite aus öffentlicher Hand zu betreiben, muss sehr viel Glück haben. Er muss ein Objekt solange an Hand behalten, bis die beantragten Kredite bewilligt sind. Häufig treten kaufkräftigere und daher kaufschnellere Wettbewerber auf; ihnen wandert das Objekt zu. Die Bewilligung der Anträge kommt oft zu spät. Die aufgewendeten „Aufschließungskosten“ für Porto, Schriftverkehr, Beglaubigungen, Gespräche, Reisen und Zeitverlust sind nutzlos vertan. Selten verfügt ein existenzlos gewordener Handwerksmeister über diese Mittel. Ist er arbeitslos, Hilfsarbeiter oder in unterbezahlter Stellung tätig, so werden alle seine Bemühungen und Wünsche zu Enttäuschungen. Die Summe dieser Enttäuschungen gewinnt allmählich ein politisch beachtliches Gewicht. Die Laufzeit der Anträge für Kredite zur Existenzgründung muss unter allen Umständen herabgesetzt werden, ohne dass die Sorgfaltspflicht einer gründlichen Nachprüfung verletzt wird.

 

Für ehemalige Selbständige ist eine sogenannte „Aufschließungshilfe“ zu gewähren. Sie müsste sich nach der Höhe des angemeldeten Schadens errechnen und dient zur Erstattung der nachweisbaren Kosten für Inserate, Reisen, Schriftverkehr und Telefonate. Die Fürsorgeverbände sollten nach Richtsätzen Vorschüsse auf solche „Aufschließungskosten“ zahlen, die Ausgleichsämter die definitive Abrechnung vornehmen.

 

Die Fahrpreisermäßigung der Vertriebenen für Arbeitssuche und zur Existenzgründung ist wieder einzuführen. Am härtesten traf der soziale Abstieg die im Lebensabend stehenden Vertriebenen. Der Beamte beispielsweise kann sich auf seine wohlerworbenen Rechte berufen. Er wartet im ungünstigsten Falle auf seine Wiederverwendung; im äußersten Falle steht ihm die Hilfe des Art. 131 des Grundgesetzes zur Seite. Aber wer als Bauer, Handwerker, Kaufmann oder Angehöriger der freien Berufe seine Lebensgrundlagen einbüßte und Eigentum und Alterssicherung dazu, für den ist der Himmel wirklich eingestürzt. Bestenfalls hat er die Anwartschaft auf eine dünne Unterhaltshilfe.

 

Wer sein Leben lang anständig in der Gemeinschaft des Volkes und der Arbeit mitschaffte, hat auch ein wohlerworbenes Recht auf Sicherung seines Lebensabends. Dieses Recht ist für alle Staatsbürger unabdingbar und unteilbar. Nichts ist würdeloser, als wenn ein unverschuldet in Not geratenes Mitglied des Volksganzen immer wieder als Hilfesuchender vor jeder der zahlreichen Amtstüren ein Stück seines Menschentums begraben muss. Darüber trösten auch keine Höflichkeitswettbewerbe hinweg. Die meisten Menschen über 50 Jahre sind keine Garderekruten mehr. Dahin sind die früher eingegangenen Versicherungen. Ihre anerkennenswerte Umwandlung in beitragsfreie seit dem Währungsstichtag ist eine kleine, aber unzulängliche Hilfe. Der Bundestag muss sehr bald eine Verbesserung der Altersversorgung der ehemaligen vertriebenen Selbständigen und ihrer Ehefrauen schaffen. Am besten geschähe das durch eine besondere, die verschiedenen Rentenarten zusammenfassende Altersrente für die Alten und Arbeitsunfähigen auf der Grundlage ihrer anerkannten Vertreibungsschäden. Es geht hier um ein im edelsten Sinne wohlerworbenes Recht; erworben durch eine von Geschlecht zu Geschlecht treu geleistete Arbeit auf dem Heimatboden.

 

Dankbar ist der Vorstoß der BHE-Fraktion im Bundestag zur Bekämpfung der Not der älteren Angestellten begrüßt worden. Neben dieser Not steht die gleich große, der früher Selbständigen,

die heute als sozial Abgestiegene die Bitterkeit des beginnenden Alters spüren. Ihnen muss gleiche Aufmerksamkeit gewidmet werden.

 

Meines Wissens ist im Bundestag beantragt, die Vertreibungsschäden bis 1979 abzugelten. Allein die Tatsache, dass die „Vorverlegung“ auf 1979 bereits als ein wesentlicher Fortschritt betrachtet werden soll, zeigt, dass der jetzige Zustand eine offene Verhöhnung des international gebilligten Eigentumsraubes ist. „Schon 1979“!? Das heißt, dass der Jungbauer oder der jüngste Handwerksmeister von 1939 dann nur 65 Jahre alt ist! Und jene, die damals schon 55 oder 65 Jahre alt waren? Wir vernahmen warmherzige Worte zur „Woche der Brüderlichkeit“. Kann und darf diese nicht auch unter deutschen Volksgeschwistern Eingang finden? Vielleicht gar mit den gleichen finanziellen Vorleistungen? Eine Vorverlegung des Entschädigungsabschlusses genügt nicht. Alle heute schon mehr als 65-jährigen müssen sofort mit wesentlichen Vorauszahlungen der Entschädigung bedacht werden. Alle jüngeren Vertriebenen sollten bis spätestens 1965 abgefunden werden. Wo sind die Herzen und der Mut, diesen vornehmsten Verteidigungsbeitrag zu leisten und aufrecht vor aller Welt zu begründen?

 

Die Feststellung der Vertreibungsschäden ist trotz des Guten und einsichtigen Wollens der damit Befassten zu langsam. Dabei ist doch die schnelle Abwicklung die Voraussetzung für alle angestrebten Verbesserungen.

 

Eine nötige Ergänzung zur Schadensfeststellung ist die Angabe der Verluste von Unterlagen über Arbeits- und Fertigungsverfahren, sowie von Betriebsrezepturen. Oft sind diese durch mehrere Generationen erarbeitet worden und bildeten die solide Grundlage für viele gewerbliche Betriebe. Sie waren ein realer Wert und müssen den Verlusten von Gegenständen der Berufsausübung oder der wissenschaftlichen Forschung gleich geachtet werden. Das gleiche gilt für das Werkzeug der Handwerksgesellen.

 

Mit Unmut nimmt das vertriebene Handwerk von der Behandlung solcher Schäden Kenntnis, die durch den wirtschaftlichen Einsatz von deutschen Betrieben und Unternehmern in den eingegliederten oder besetzten polnischen oder russischen Gebieten entstanden. Die Behandlung des Schadens eines westpreußischen Malermeisters im Bezirk Zichenau ist der Anlass zu ernsten Befürchtungen. In einer in Vorbereitung befindlichen Verordnung zu § 359 des LAG heißt es, dass Schäden und Verluste an Vermögenswerten die in „Ausnutzung“ von Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erworben worden sind, weder einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen begründen, noch bei Festsetzung der Vermögensabgabe berücksichtigt werden.

 

Das ist eine für jede politische Willkür anwendbare Kautschukverordnung, welche die unselige Entnazifizierung endlos fortwälzt. Oder wird hier der Antinazikomplex aus durchsichtigen finanzfiskalischen Gründen bemüht? In einem Rechtsstaat sollte das nicht möglich sein. Die Sachlage ist, dass deutsche Handwerker, Landwirte und Gewerbetreibende von den damaligen deutschen Behörden beauftragt wurden, landwirtschaftliche oder gewerbliche Betriebe zu übernehmen oder neu einzurichten. Sie gingen mit Personal, Werkzeug, Maschinen und Geräten dort hin und arbeiteten im Sinne der damaligen Staats- und wirtschaftspolitischen Aufgabenstellung oder für die Kriegführung, Die deutschen Betriebe wurden ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit von dem Reichsnährstand, den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern ausgewählt und vorgeschlagen. Sofern sie, sagen wir beispielsweise im Regierungsbezirk Zichenau, dort vorhandene und ausgestattete Betriebe übernahmen, wurden Verträge abgeschlossen, die eine treuhänderische, pachtweise oder kaufweise Übernahme in einwandfreier Rechtsform begründeten. Was diese Betriebe an Wirtschaftlichen Erträgen erarbeiteten, ist vor dem Rechte genauso einwandfrei, als wenn diese Erträge im „Altreich“ erzielt wurden. Handelt es sich um die Übernahme früher jüdischer Betriebe im „Altreich“, so ist es unerheblich, ob der Geschädigte ein deutscher Inhaber oder ein jüdischer war. An der Tatsache des Betriebsverlustes ändert das nichts. Der deutsche Erwerber eines jüdischen Unternehmens hat nach damals geltendem Recht die Erwerbung vorgenommen und aus seinem Vermögen die Erwerbskosten erlegt. Geschenkt bekam er nichts. Es ist nicht einzusehen, warum der Verlust solcher Vermögenswerte nicht entschädigt werden soll. Die Entschädigung der jüdischen Verlustträger erfolgt ohnehin auf Grund der Wiedergutmachungsgesetze. Ein lauteres und klares Recht muss bei der Regelung dieser Fragen walten. Wenn ein Politikum an die Stelle des Rechts tritt, wird die Sache ein hartes Unrecht. Unsere Abgeordneten mögen wachsam sein.

 

 

Seite 4   Bestätigung des Eigentumsrechts

Mit Befriedigung hören wir, dass die Ausbildungsbeihilfen, die laufenden wie die einmaligen, nach neuen und besseren Grundsätzen gewährt werden sollen. Die Ausbildung und die Zukunft unserer heranwachsenden Vertriebenen und Flüchtlingsjugend macht uns Sorgen. In zahllosen Fällen sind die Eltern nicht in der Lage, die Kosten für die berufliche Ausbildung ihrer Kinder zu tragen. Diese Schwierigkeiten sind unüberwindbar, wenn die Ausbildung außerhalb des elterlichen Wohnsitzes erfolgt. Wohl heißt es, dass die Ausbildung der Kinder nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein soll. Das gilt zu oft nur in der Theorie. Haben die Eltern nichts, und das ist bei einer Vielzahl der Vertriebenen der Fall, dann müssen die Kinder trotz Fleiß und Begabung den sozialen Abstieg ihrer Eltern auch an sich erfahren. Die sittlich-materiellen Kräfte des Elternhauses trugen früher die Kinder nach vorwärts und aufwärts. Es ist hohe Zeit, dass der Staat wirksam helfend eintritt. Besser als bisher. Eine heimatwillige, gut ausgebildete Vertriebenenjugend ist unentbehrlich für künftige Aufbauarbeit in der Heimat. Im andern Falle wird ein großer Teil dieser Jugend der engen und engherzigen Heimat den Rücken kehren. Ein anderer Teil verliert die Bindung zu Volk und Gesellschaft. Trotz oder wegen aller Hinweise auf christlich abendländische Werte.

 

Alle Heimatvertriebenen und alle einsichtigen Heimatverbliebenen empfinden peinlich, dass das Verständnis für die vom Heimatboden losgelösten Menschen nach den ersten sozialen Pflästerchen als ausreichend betätigt angesehen wird. Wir sind „eingegliedert“, mancher hat wohl gar eine eigene Wohnung, mancher einen Betrieb, wir erhalten Unterhaltshilfe, Renten, Arbeitslosenfürsorge — kurz, wir sind, „versorgt“. Um die kommende Jahrtausendwende werden „wir“ vielleicht sogar schon Teilbeträge unserer Entschädigungsansprüche erhalten haben.

 

Unsere Auffassung ist eine andere: Die jetzt laufende Schadensfeststellung ist nach Anerkennung des Vertreibungsschadens nichts anderes als die Vorbereitung einer eng umgrenzten Regelung zur Abwendung der ärgsten sozialen Schäden. Wir müssen fordern, dass der Lastenausgleich keiner Ablösung der persönlichen Besitztitel in unserer einstweilen verlorenen ostdeutschen Heimat gleichkommt. Durch ein besonderes — und bald! — zu schaffendes Bundesgesetz ist das uneingeschränkte und ungeschmälerte Eigentumsrecht eines jeden Vertriebenen und Flüchtlings an seinem Besitz in seiner alten Heimat zu bestätigen. Herrenlos gewordener Besitz geht einstweilen in die treuhänderische Pflegschaft des Staates.

 

Noch mehr beunruhigt uns die aus Rechtsblindheit, Vernunftarmut und Ichsucht gewachsene Gleichgültigkeit vieler Westdeutscher gegen unsere Brüder und Schwestern in Mitteldeutschland. Sie quält uns ebenso wie die Teilnahmslosigkeit am künftigen Geschick Ostdeutschlands. Manche scheuen sich nicht, diese Haltung wirtschaftlich zu begründen: Es würden nur Kapitalien aus der westdeutschen Wirtschaft herausgezogen und diese schwächen. Mittel- und Ostdeutschland wären wirtschaftlich gesehen nur „Fässer ohne Böden“; wir sollten uns mit dem status quo abfinden.

 

Wir meinen dazu: Freie Wahlen in Mitteldeutschland, genannt DDR, können wir gegen den Willen der Sowjetunion nicht erzwingen. Aber in Westdeutschland, der Bundesrepublik, welche ein Bestandteil der Freien Welt ist, haben wir die Möglichkeit, einen wahrhaft friedlichen und demokratischen Beweis für die unverletzlichen Menschenrechte herbeizuführen. Wir erwarten in Westdeutschland die baldige Annahme eines Bundesgesetzes, welches eine Volksabstimmung über das unveräußerliche Recht auf Heimat aller Heimatvertriebenen unter Einschluss aller Ost- und Sudetendeutscher ermöglicht. Für jeden nach der Vertreibung Geborenen geben die gesetzlichen Vertreter eine Stimme ab. Als Vorbild mögen im Übrigen die Volksabstimmungen von 1920 dienen. Wir werden mit der Unterstützung der Freien Welt für diese echte Kundgebung unseres friedfertigen und guten Willens zur Lösung eines brennenden Weltproblems rechnen dürfen. Sie wird uns in ihrem Bereich nicht versagen, was sie für Mitteldeutschland durch freie Wahlen anstrebt. Es ist besser, wenn die heimatfordernden Stimmen der Heimatlosen die Welt erfüllen, als der Untergangsorkan der Wasserstoffbomben. W. Magunia

 

 

Seite 5   Grußwort an die Ortelsburger

Zum Zeichen der engen Verbundenheit mit unseren Brüdern und Schwestern aus dem angestammten deutschen Osten, die gegen Recht und Gesetz aus ihrer Heimat vertrieben wurden, haben die Vertreter des Landkreises und der Stadt Münden einstimmig beschlossen die Patenschaft über den Kreis Ortelsburg und die Stadt Ortelsburg zu übernehmen.

 

Wir begrüßen unser Patenkind. Hann. Münden soll künftig der Sammelpunkt sein, von dem es erwarten darf, dass er alle heimatlichen Belange vertreten wird, bis der Tag der Rückkehr in die Heimat anbricht. Hann. Münden, den 22. Juli 1954. Kamlah, Landrat. Henkelmann, Bürgermeister. Ronge, Oberkreisdirektor. Werner, Stadtdirektor.

 

 

Seite 5   Ostpreußen auf heimatkundlicher Fahrt

Schorndorf. Um ihre neue Heimat ausführlicher kennenzulernen und in ihr festeren Fuß zu fassen, unternimmt die Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgemeinschaft Schorndorf, jedes Jahr eine größere heimatkundliche Fahrt. In diesem Jahr hatte sich der Vorsitzende des Heimatvereins Schorndorf, Dipl.-Ing. I. C. Rösler, bereit erklärt, bei der Fahrt die Führung zu übernehmen und den Ostpreußen das Wichtigste über historische Momente, geologische Zusammensetzung und die Bevölkerungsbewegung zu erzählen.

 

In zwei großen Aussichtsomnibussen ging die Fahrt in froher und erwartungsvoller Stimmung bei schönstem Wetter über Schlichten zu einem Aussichtsturm vor Plochingen. Hier gab Dipl.-Ing. Rösler vor dem in klarer Sicht liegenden Albrand eine geschichtliche und geologische Betrachtung und nannte die in der Ferne liegenden markantesten Höhenzüge und Berge. Im bläulichen Dunst des schönen Morgens sahen die Ausflügler bereits die Burg Hohenzollern, ein Ziel dieser Reise.

 

Dann führte die Fahrt weiter über Nürtingen, Metzingen, Reutlingen bis zum Fuße des Lichtensteins, wo Dipl.-Ing. Rösler weitere Erklärungen abgab. Anschließend fuhr unsere lustige Reisegesellschaft zur Besichtigung der Bährenhöhle und war von diesen wunderschönen Tropfsteinhöhlen mit ihren bizarren und malerischen Gebilden allgemein begeistert.

 

In Stetten bei Hechingen wurde Mittagsrast gemacht, und hier fand Dipl.-Ing. Rösler nochmals Gelegenheit, reichen Aufschluss über die Geschichte und die Bevölkerungsbewegung dieses Landes zu geben. Er hob hierbei besonders hervor, dass bereits in frühesten Zeiten ein reger Handelsverkehr zwischen den Bewohnern an der Ostsee und den Schwaben bestanden hätte, wovon heute noch wertvolle Bernsteinschmuckstücke Zeugnis ablegen. Seine Ausführungen, die von den Ostpreußen mit größtem Interesse aufgenommen wurden, schloss der Vortragende mit einigen Kostproben urschwäbischen Humors.

 

Der zweite Vorsitzende der Landsmannschaft, Heinz Kubelke, sprach Dipl.-Ing. Rösler im Namen aller Landsleute den herzlichen Dank für seine ausgezeichnete Führung und seine leicht verständlichen Vorträge aus und gab der Hoffnung Ausdruck, dass sich das einmal so freundschaftlich geknüpfte Band zwischen Heimatvertriebenen und Heimatvertriebenen in Zukunft zum Wohle beider Teile weiter festigen möge.

 

Den Höhepunkt dieses schönen Ausfluges bildete die Besichtigung der Burg Hohenzollern, und die Stimmung konnte auch durch den inzwischen eingesetzten Regen in keiner Weise beeinträchtigt werden. Über Tübingen und Stuttgart ging es dann wieder heimwärts. Stürmischen Anteil nahmen die Ostpreußen an der Übertragung des Endspieles um die Fußballweltmeisterschaft, die sie in ihren Omnibussen hören konnten. Der Jubel über den deutschen Sieg bildete den wohl überraschenden, aber denkbar schönsten Abschluss dieser lehrreichen und harmonischen Entdeckungsfahrt durch die neue Heimat der Ostpreußen.

 

 

Seesen/a. Harz.

An dem Ostpreußentreffen in Hannover nahmen 110 Angehörige unserer Landsmannschaft teil. — Im Mittelpunkt der heimatpolitischen Stunde am 7. August werden aufschlussreiche „Heimkehrerberichte aus der alten Heimat“ stehen.

 

 

Seite 5   Münden übernimmt Patenschaft über Ortelsburg. Großes Heimattreffen des Kreises Ortelsburg und aller Vertriebenen am 28./29. August 1954

Der Kreis und die Stadt Münden im südlichsten Zipfel Niedersachsens haben die Übernahme der Patenschaft für die Stadt und den Landkreis Ortelsburg, Ostpreußen beschlossen. Der Festakt soll im Rahmen eines großen Heimatkreistreffens des Kreises Ortelsburg und des „Tag der deutschen Heimat“ für den Kreis und die Stadt Münden am 28./29. August 1954 stattfinden. Die Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen und des BvD treffen alle Vorbereitungen, um die Patenschaftsübernahme zu einem Ereignis nicht nur für die Ortelsburger und die Mündener, sondern allen Vertriebenen und den gesamtdeutschen Gedanken werden zu lassen.

 

Das Programm sieht bisher vor:

 

Sonnabend, 28. August

10.00 - 12.30 Uhr Sitzung des Kreisausschusses Ortelsburg unter Teilnahme von Vertretern des Kreis- und Stadtparlaments Münden.

15.00—17.00 Uhr Patenschaftsübernahme in Anwesenheit der Vertreter der Behörden, Verbände usw.

20.00 Uhr Empfang des Kreises und der Stadt für die Vertretung des Kreises Ortelsburg.

 

Sonntag, 29. August

0930 – 10.30 Uhr Gottesdienste beider Konfessionen mit Geistlichen aus der Heimat

11.30—12.30 Uhr Großkundgebung für die gesamte Bevölkerung mit folgenden Rednern: Landrat und Bürgermeister, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, MdB Dr. Gille, Landesgruppenleiter der Landsmannschaft Ostpreußen und Landesvorsitzender des BvD, Hellmut Gossing.

 

Nachmittags Heimatkreistreffen.

 

Alle beteiligten Behörden und Verbände sind bemüht, den Teilnehmern der Veranstaltungen am 28./29. August einen erinnerungsreichen Aufenthalt in Hann. Münden zu vermitteln. Quartiere jeder Art werden zur Verfügung stehen. Alle örtlichen Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen und des BvD werden gebeten, so weit wie möglich Gemeinschaftsfahrten zu organisieren und vor allem die Ortelsburger zur Teilnahme aufzurufen. Anfragen sind zu richten an die Organisationsleitung „Heimattreffen Ortelsburg“, Kreisgeschäftsstelle des BvD, Hann. Münden, Bremer Schlagd.

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen. Aufrufe zum Wiedersehenstreffen in Hameln vom 19. bis 23. August 1954

Zum 8. Male hat Wilhelm Alm zum Wiedersehenstreffen aufgerufen. Die erhebenden Tage in Marburg 1952 und das großzügige Entgegenkommen der Festleitung veranlassen uns, das diesjährige Wiedersehenstreffen wiederum in den festlichen Rahmen des Alterstreffens des Deutschen Turnerbundes in Hameln einzubetten.

 

Wiederum wollen wir uns unter das schwingende Lebensgefühl unserer Gemeinschaft im Sympathiebereich des Deutschen Turnerbunds stellen und wiederum wird uns die heimatliche Verbundenheit in ihren Bann zwingen und unsere Bereitschaft beleben, den starken Ruf der Heimat zu hören.

 

Wir erwarten von Hameln ein einmütiges Bekenntnis zum gesamtdeutschen Gemeinschaftsgefühl und die Vertiefung unserer Hoffnung, dass bald ein einzig Zelt ob allem deutschen Land gespannt werde.

 

Ich heiße Euch willkommen mit heimatlichem Turnergruß!

 

Fritz Babbel letzter Kreisvertreter I Nordost der DT.

 

 

Seite 5   KTC Auf nach Hameln!

Ich wiederhole noch einmal meine dringende Bitte, sich möglichst zahlreich an dem diesjährigen Treffen in Hameln zu beteiligen, vor allem auch meinen Herzenswunsch, mit den Männern und Frauen vom KTC, die es irgend ermöglichen können, im Anschluss daran noch eine fröhliche Turnfahrt zu unternehmen. Zu meiner großen Freude habe ich schon willkommene Zusagen erhalten, darunter von unserer lieben Frau Elsa Kallinich und der munteren Ilse Ponsel. Ihr können wir übrigens herzlich Glück wünschen. Ihr Mann ist endlich aus langjähriger Gefangenschaft in Frankreich zurückgekehrt. Werden wir endlich auch unsern lieben Willy Gau, der aus der Ostzone zu uns herübergewechselt ist, in unserer Mitte begrüßen können?

Gut Heil! Euer Curt Reicke, letzter Vorsitzend, des Königsberger Turn-Club

 

 

Seite 5   Stelldichein der Lycker Turner in Hameln

Der Rattenfänger von Hameln möge auch den Männer-Turnverein Lyck recht zahlreich locken. Die Turnschwestern und Turnbrüder, die mir auf meine Zeilen antworteten, wissen auch, wer aus der Mittelzone in diesem Jahr an unseren Wiedersehensfreuden teilnimmt.

Möge ihr Wunsch, recht viele Freunde wiederzusehen, in Erfüllung gehen.

 

Unsere Vereinsgeschichte mit Bildern ging im Süden als Stafettenstab von Mann zu Mann. Nun durchläuft sie den Norden. Wenn die Vereinsgeschichte rechtzeitig am Ziel ist, liegt sie auch in Hameln zur Einsicht und weiteren Mitarbeit aus. Unsern Dank für die treue Arbeit unseres Turnbruders Adam Lojewski und auch allen anderen Vereinsangehörigen, die dieses Erinnerungswerk vervollständigten.

Gut Heil! Helmut Gronen. Betreuer des MTV Lyck.

 

 

Von unseren in Mitteldeutschland wohnenden Turnbrüdern und Turnschwestern werden etwa 25 an dem Treffen in Hameln teilnehmen. Wegen des Währungsunterschiedes können sie die damit verbundene wirtschaftliche Belastung ohne turnbrüderliche Hilfe von uns nicht tragen. Wer ein Scherflein zu Gunsten der Teilnehmer aus der Sowjetzone beisteuern will, der wird gebeten, seinen Beitrag mit dem Stichwort „Ostspende Hameln“ auf das Postscheckkonto von Turnbruder Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.) beim Postscheckamt Hannover Nr. 11 60 75 einzuzahlen. Treue um Treue! Ein solches Opfer schafft Euch und vielen Schwestern und Brüdern große Freude!

Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 5  

Wir gratulieren!

Seinen 85. Geburtstag feiert Superintendent i. R. Paul Brehm am 3. August 1954. Er ist in Angerburg geboren. Superintendent Brehm war von 1897 an 10 Jahre Pfarrer der damals neu errichteten Pfarrstelle in Theerwisch bei Jablonken, Kr. Ortelsburg. Von 1908 - 1911 verwaltete er die Pfarrstelle in Schwentainen, Kreis Treuburg und von 1911 - 1936 war er Pfarrer in Lyck. Von 1926 an verwaltete er die Superintendentur des Kreises Lyck.

 

Nachdem er Ostpreußen verlassen musste, war er zunächst ein Jahr in Schlesien und hatte dort unter der Bedrückung durch die Polen mancherlei zu erdulden. Seit 1946 wohnt er mit drei seiner Tochter in Meldorf in Holstein, Heiderstraße 6.

 

 

Seite 5   Hermann Beutler 80 Jahre alt.

Am 5. August 1954, kann der aus Königsberg (Pr.) stammende Lehrer i. R., Herr Hermann Beutler, Flensburg, Peter-Christian-Hansen-Weg seinen 80. Geburtstag feiern. Der Jubilar ist körperlich und geistig sehr rüstig und nimmt an allem Zeitgeschehen regen Anteil. Die Landsmannschaft Ostpreußen, der Kreisverein Flensburg-Stadt, denkt an diesem Tage ganz besonders an Hermann Beutler. War er doch einer von denen, die im Jahre 1945, nachdem viele aus der Heimat vertriebene Ostpreußen und ganz besonders Königsberger, hier in Flensburg ein vorläufiges Unterkommen gefunden hatten, die Gruppe der Königsberger ins Leben rief. In Bartelsens Gasthof in der Friesischen Straße waren die ersten Zusammenkünfte. Aus dieser Gruppe wurde dann später die Landsmannschaft Ostpreußen in Flensburg. Am 5. Geburtstag der Flensburger Ostpreußenfamilie Anfang August 1950 wurde Beutler durch den derzeitigen 1. Vorsitzenden Schulrat a. D. und Ratsherrn Babbel zum Ehrenmitglied der Landsmannschaft Ostpreußen ernannt. Auch bei der Gründung der jetzt innerhalb der Landsmannschaft Ostpreußen bestehenden Gruppe der Königsberger war Hermann Beutler dabei. Vor kurzem war es dem 80-jährigen vergönnt sich mit seiner Gattin wieder ein eigenes neues Heim zu gründen. Die Ostpreußenfamilie in Flensburg gratuliert Hermann Beutler aufs herzlichste und wünscht ihm einen gesegneten Lebensabend. Armoneit.

 

 

Seite 5   Lastenausgleichsbankgesetz missraten

V.K. Die Parteien missbilligen den politischen Alleingang der Vertriebenen, aber gleichzeitig erzwingen sie ihn durch ihr Verhalten. Dies wurde sehr deutlich bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsbankgesetzes am 14. Juli im Bundestag. Es gab eine sehr große Mehrheit und nur der gesamtdeutsche Block protestierte durch geschlossene Stimmenthaltung.

 

Es ging im Wesentlichen um die Bildung des Verwaltungsrates und dabei in erster Linie um die Vertretung der Vertriebenenorganisationen. Als die Vertriebenenbank seinerzeit gegründet wurde, bestand der Aufsichtsrat aus 7 Mitgliedern, von denen 2 vom Zentralverband der vertriebenen Deutschen gestellt wurden, Vorsitzender des Aufsichtsrates war vom ersten Tage an und ist auch heute noch der Vorsitzende des ZvD/BVD, Dr. Kather.

 

Als das Institut zur Lastenausgleichsbank umgewandelt wurde, erweiterte sich der Aufsichtsrat auf 30 Mitglieder, von denen frei von den Vertriebenenorganisationen gestellt wurden, und zwar eins von den Landsmannschaften und zwei vom ZvD. Dieser Nachteil wurde ausgeglichen dadurch, dass 10 Mitglieder der Gefolgschaft in den Aufsichtsrat aufgenommen wurden. Das verabschiedete Gesetz bringt die Umwandlung der bisherigen Aktiengesellschaft in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. An die Stelle des Aufsichtsrates tritt der Verwaltungsrat. Nach dem Gesetz wird der Verwaltungsrat aus 37 Mitgliedern bestehen. 30 davon sind unter die Ressorts und die verschiedenen Organisationen aufgeteilt, 7 sind vom Bundestag zu wählen. Den Vertriebenenorganisationen sind 3 Mitglieder zugewiesen also dieselbe Zahl wie gegenwärtig. Eine Vertretung der Gefolgschaft ist nicht vorgesehen. Vorsitzender des Verwaltungsrates wird nach dem Gesetz der Präsident des Bundesausgleichamtes.  

 

Der BVD hatte sämtlichen Fraktionen des Bundestages Abänderungsvorschläge zugehen lassen. Zunächst wurde verlangt dass ein weiterer Platz für die Vertretung der heimatvertriebenen Wirtschaft (VHW) eingeräumt wurde und es wurde eine stärkere Beteiligung des Lastenausgleichsfonds gefordert, von künftigen Kapital der Bank von insgesamt 25 Millionen DM stellt der Fonds 22 Mill DM, der Bund die restlichen 3 Mill. DM. Der BVD regte an, dass außer dem Bundesausgleichsamt selbst auch der Kontrollausschuss und der ständige Beirat mit je 2 Vertretern am Verwaltungsrat beteiligt sein sollten. Schließlich schlug der BVD vor, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates von diesem aus der Reihe seiner Mitglieder auf 3 Jahre gewählt werden sollte. Die Vorschläge des BVD wurden nur von einer Fraktion aufgegriffen, nämlich von der des Gesamtdeutschen Blocks. Sie wurden von ihr zum Gegenstand eines Abänderungsantrages gemacht. Diese Anträge des Gesamtdeutschen Blocks wurden durchweg mit großer Mehrheit abgelehnt. Es ist besonders bemerkenswert, dass die Vertriebenenabgeordneten der CDU/CSU geschlossen gegen diese Anträge stimmten und ebenso die übergroße Mehrheit der SPD, bei der einige Vertriebenenabgeordnete eine Ausnahme machten.

 

Eine Personalunion sichert Schauers Einfluss.

Es ist offensichtlich, wie sehr der Einfluss der Vertriebenen und ihrer Organisationen auf die Bank durch diese parlamentarische Entscheidung zurückgedrängt worden ist. Während der BVD von insgesamt 7 Mitgliedern des Aufsichtsrates bei Errichtung der Bank 2 hatte, wird er aller Voraussicht nach bei 37 Mitgliedern des Verwaltungsrates auch nur 2 Plätze haben.

 

Dasselbe gilt in der Frage des Vorsitzes. Es ist eine sehr merkwürdige und einzig dastehende Regelung, die man getroffen hat. Es gibt kein anderes ähnliches Kreditinstitut, bei dem der Vorsitz des Verwaltungsrates gekoppelt ist an den Träger irgendeines anderen. Amtes. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah vor, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates von der Bundesregierung ernannt würde. Die Ministerialbürokratie, der es schon lange ein Dorn im Auge war, dass der Vorsitzende eines großen Selbsthilfeverbandes den Vorsitz im Aufsichtsrat hatte, kam auf die kluge Idee dieser Koppelung, um auf diese Weise sicherzustellen, dass auch in dieser Position der Einfluss der Bürokratie zum Zuge kommt.

 

Das alles geschah ganz offensichtlich, um auch nur die Möglichkeit auszuschalten, dass wieder ein Vertriebener diese Position einnehmen kann.

 

Gegen die Person soll nichts gesagt werden. Aber es ist eine Tatsache, dass die ersten Präsidenten des Hauptamtes für Soforthilfe, aus dem das Bundesausgleichsamt hervorgegangen ist, Vertriebene waren, und dass es bei den Vertriebenen, allgemein ungünstig aufgenommen worden ist, dass nunmehr kein Vertriebener, sondern ein Mann aus dem Hause Schäffer, an dieser Stelle steht. Der Präsident des Bundesausgleichsamtes ist entscheidend für die produktive Eingliederung der Geschädigten. Das ist keine Aufgabe für einen Steuerfachmann. Der Bundesfinanzminister Schäffer hat sich als Gegner der Vertriebenen und ihrer Selbsthilfebestrebungen erwiesen, so dass es als eine Gefahr für den Fonds angesehen werden muss, wenn ein Mann aus seinem Hause an dieser Stelle steht. Vor allem ist das eine Gefahr auch für die Selbständigkeit des Fonds. Dass man nun diesen Einflussbereich auch noch auf die Bank ausdehnt, muss als eine völlig verfehlte Maßnahme gekennzeichnet werden.

 

 

Seite 5   Wichtige Frist: 31. August 1954

Das Bundesvertriebenengesetz ist im Wesentlichen ein Grundsatzgesetz. Daneben ist aber eine Reihe von sachlichen Regelungen getroffen, deren Ausfüllung Richtlinien vorbehalten blieb. Mehrere dieser Richtlinien sind in letzter Zeit herausgegeben worden. Sie ermöglichen zum erheblichen Teil überhaupt erst die Anwendung des Bundesvertriebenengesetzes in der Praxis. Die bisher ergangenen Richtlinien mit eingehenden Erläuterungen stellt die jetzt herausgegebene Broschüre (Richtlinien zum Bundesvertriebenengesetz) des Regierungsdirektors im Bundesministerium für Wirtschaft, Dr. Leitreiter, zusammen, die als Ergänzung seines Kommentars zum Bundesvertriebenengesetz im Carl Heymanns Verlag, Köln zum Preise von 3,80 DM erschienen ist. Unter den dort besprochenen Richtlinien sind die Grundsätze für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen von besonderer Bedeutung.

 

Die Vertriebenen und Flüchtlinge sowie die Unternehmen in den notleidenden Gebieten sollen bei Aufträgen, die die öffentliche Hand vergibt, bevorzugt behandelt werden. Ist das Angebot dieser bevorzugten Anbieter ebenso wirtschaftlich oder liegt es nur geringfügig über dem wirtschaftlichen Angebot anderer Anbieter, so soll die öffentliche Hand den Auftrag an den Bevorzugten vergeben. Die Richtlinien und die von Dr. Leitreiter gegebenen Erläuterungen zu diesen werden den Gewerbetreibenden aus diesem Personenkreis eine Handhabe bieten, um ihre Rechte bei den Vergabestellen zur Geltung zu bringen. Sie werden aber auch der Verwaltung bei der Anwendung der Richtlinien helfen.

 

Von nicht geringerer Bedeutung für die Vertriebenen und Flüchtlinge sind die weiterhin im Kommentar erläuterten Richtlinien zu § 73 Absatz 2 des Bundesvertriebenengesetzes (Beihilfen). In dieser Bestimmung ist vorgesehen, dass 7 Millionen DM vom Bund aus Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden, die an Gewerbetreibende aus dem Vertriebenen- oder Flüchtlingskreis gezahlt werden, soweit sie durch die Nichtgewährung steuerlicher Vergünstigungen im Veranlagungszeitraum 1951 (§§ 7e und 10a des Einkommensteuergesetzes) steuerliche Nachteile gehabt haben.

 

Die Beihilfe wird in der Form berechnet, dass der Antragsteller einen Betrag erhält, der seinem steuerlichen Vorteil entspricht, den er bei der Geltung des § 10a des Einkommensteuergesetzes im Jahre 1951 gehabt hätte. Die Berechnung muss der Vertriebene oder Flüchtling selbst vornehmen. Hierfür ist eine Frist in den Richtlinien bis zum 31. August 1954 gesetzt.

 

Die Erläuterung dieser Richtlinien im Kommentar von Dr. Leitreiter werden vielen Betrieben eine wertvolle Handhabe bei der Ausfüllung der Formulare, die bei den Landesflüchtlingsverwaltungen oder den großen Flüchtlingsorganisationen zu erhalten sind, sein.

 

In dem kleinen Band werden weiterhin die Richtlinien über die bevorzugte Arbeitsplatzvermittlung, über die Flüchtlingssiedlung sowie die Einkommensteuerdurchführungsverordnung vom 31. März 1954, die wichtige Bestimmungen für den Fall der Beendigung der Betreuung eines Vertriebenen oder Flüchtlings enthält, besprochen.

 

 

Seite 6   Der Schreckenstag von Heinrichswalde. Eine Erinnerung an den 9. September 1914.

Foto: Pfarrer Mertens.

 

Die ungeheuerlichen Greul der „Roten Armee“ auf deutschem Boden stellen alles in den Schatten, was asiatische Steppenhorden sich bei ihren Kriegs- und Raubzügen gegen Wehrlose zuschulden kommen ließen. Der Schreckenstag von Heinrichswalde verblasst daneben, aber er zeigt uns, dass Furchtlosigkeit und beherztes Handeln auch in anscheinend hoffnungsloser Lage fruchtbringend sind.

 

Deshalb lassen wir eine kurze Schilderung der nun vierzig Jahre zurückliegenden Ereignisse hier folgen:

 

„Am 26. August 1914 wurde Tilsit von den Russen besetzt. In Heinrichswalde, dem Kreisort der Elchniederung, tauchten nach dem 1. September, an welchem Tage die Russen den Bahnhof Groß-Brittanien und die umliegenden Güter niederbrannten und sieben Männer und eine Frau umbrachten, täglich nur einzelne Reiter auf. Erst am 8. September machte eine Reiterschwadron auf der Hauptstraße Rast. Sie verhielt sich anständig und zog abends nach Groß-Friedrichdorf weiter. Am 9. September war der Ort vormittags frei von Russen. Um 3 Uhr nachmittags hielt Pfarrer Mertens eine Leichenfeier in einem Sterbehause ab. Plötzlich erscheint eine Frau mit dem Ruf: „Fliehen Sie, die Russen sind da! Sie zünden die Häuser an und treiben die Einwohner zusammen“.

 

Der Leichenzug bewegt sich auf einer Hinterstraße nach einem Nachbardorf. Der Pfarrer eilt ins Pfarrhaus, rafft ein Bündel mit wichtigen Schriftstücken zusammen und wickelt es in seinen Talar. Wieder auf der Straße, wird er von russischen Posten nach dem östlichen Ortsausgang Richtung Tilsit gewiesen. Auf der Wiese vor dem Eingang zum neuen Friedhof sieht er viele Menschen mit entblößtem Haupt auf Knien liegen, Männer von den Frauen und Kindern getrennt. Flammen schlagen aus dem Kreishaus und den benachbarten Gebäuden. Der Platz ist von Soldaten umstellt. Der Pfarrer muss hinter den anderen niederknien. Vor den Menschen steht ein stattlicher, grimmig aussehender Rittmeister, Pistole in der Rechten, Knute in der Linken. Nach einigen Minuten ruft er: „Pastorr!“ Der erhebt sich und steht vor dem Offizier, der die Pistole auf ihn richtet. Die Frage des Rittmeisters: „Menschen alle?“, glaubt der Pfarrer zu verstehen. Er will wissen, ob noch Menschen in den Häusern zurückgeblieben sind. Der Ort zählt etwa 2500 Einwohner, einige hundert mögen knien (es waren 645), viele sind geflüchtet. Der Pfarrer will das erklären. Aber er reizt damit den Offizier nur zur Wut. Der setzt ihm die Pistole auf die Brust und brüllt ihn auf Russisch an. Der Pfarrer versteht ihn nicht. Inzwischen kommen immer noch Nachzügler an. Der Rittmeister spornt sie ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht durch Knutenhiebe zur Eile an. Einen Hund, der zwischen den Knienden kauert, tötet er mit zwei Schüssen. Der Pfarrer versucht, einen jüngeren Offizier auf Deutsch, Litauisch und Lateinisch anzusprechen, aber der rückt schweigend von ihm ab. Da sprengt ein junger Unteroffizier heran und macht dem Rittmeister eine Meldung. Des Deutschen völlig mächtig (als Sohn des Hauptpastors Walter von der St. Gertrud-Kirche in Riga) sagt er dem Pfarrer, der Rittmeister habe ihm befohlen, zu dolmetschen. Der Pfarrer habe Wort für Wort der Gemeinde zu wiederholen und müsse dann dem Rittmeister jedes Wort des Pfarrers wieder übersetzen.

 

„Gestern sei an dieser Stelle des Ortes auf eine russische Patrouille geschossen worden. Radfahrer hätten dann die Soldaten verfolgt. Der Kommandant habe daher befohlen, sämtliche Einwohner, — Männer, Frauen und Kinder — zu erschießen und den ganzen Ort niederzubrennen“.

 

Der Pfarrer flüstert dem Dolmetscher zu: „Retten Sie doch diese Menschen!“ Der antwortet bekümmert: „Glauben Sie mir, mein Herz blutet mir. Ich bin Pastorensohn. Ich kann aber nichts für Sie tun“.

 

Nun bestreitet der Pfarrer entschieden die Anklage und sucht sie in längeren Ausführungen zu widerlegen. Er bettelt nicht ums Leben und fleht nicht um Gnade, sondern sucht rein sachlich das Unsinnige der Beschuldigung nachzuweisen. Nach langem Hin und Her übersetzt der Dolmetscher: „Ihnen und den Frauen und Kindern schenkt der Rittmeister das Leben, dagegen werden die Männer erschossen. Teilen Sie das den Leuten mit!“ Der Pfarrer verhandelt weiter. Der Rittmeister wird schließlich weich und befiehlt: „Nur jeder sechste Mann wird erschossen!“ Er erlaubt auch, als die Glut unerträglich wird, dass die Knienden etwas von den brennenden Gebäuden abrücken. Die umständliche Verhandlung hat fast zwei Stunden gedauert. Es erfolgt die Entlassung der Frauen und Kinder. Der Pfarrer erhält den Befehl, sofort alle Schusswaffen mit Munition und alle Fahrräder herbeischaffen zu lassen. Er sieht noch, wie einigen Männern Stricke um den Hals gelegt werden. Die anderen mustert der Rittmeister und lässt einige, die er wohl für verkleidete Soldaten hält, bei Seite führen. Frauen und Kinder bestürmen den Pfarrer, ihre Männer und Söhne zu retten. Die Ausgemusterten - 31 an der Zahl — müssen sich bäuchlings auf den Boden legen, sie werden der Reihe nach mit der Knute ausgepeitscht. Nicht still Liegenden trat der Rittmeister auf Nacken und Hände.

 

Der Pfarrer, der inzwischen Jagdgewehre, Teschings und Fahrräder hat zusammenholen helfen, wird wieder zu dem Rittmeister geholt. Er erhält den Auftrag, genügend Wagen zum Abtransport der hochaufgestapelten Beute herbeizuschaffen. Lehrer Klink aus Noragehlen übernimmt es, dafür zu sorgen. Nun wird der Pfarrer zu zwei Männern geführt, die mit einem Strick um den Hals unter den Birken stehen. „Vor dem Tode sollen Sie von Ihnen das Abendmahl bekommen“, übersetzt der Dolmetscher. Der eine versteht nur russisch. Er ist ein Fremdarbeiter, den der Kriegsausbruch im Ort überrascht hat. Mit ihm ist eine Verständigung nicht möglich. Mit dem anderen, dem Instmann Dreßler des Gutes Adlig, Heinrichswalde, muss der Pfarrer ohne Bewachung in die nahe Kirche gehen und ihm in dem fast finsteren, nur durch einige Altarlichte erhellten, riesigen Raum das Abendmahl reichen. Der dem Tode Geweihte machte keinen Fluchtversuch. Bei der Rückkehr zum Rittmeister tritt der Pfarrer nochmals für seine Schuldlosigkeit ein. Auch er wurde begnadigt und entging sogar der Auspeitschung.

 

Die Ausgepeitschten werden entlassen. Der Pfarrer muss noch bleiben. Es ist jetzt sieben Uhr. Der Rittmeister scheint sich mit Alkohol in gute Stimmung versetzt zu haben. Er zeigt auf seine Armbanduhr und sagt: „Wenn nicht siebenhalb Uhr Wagen, mindestens zehn große, zur Stelle, brennt ganzer Ort. Der alte Rentier Artschwager lässt sich nicht zurückhalten und bittet, den Ort nicht durch Feuer zu zerstören, lieber ihn zu erschießen. Er wird vom Rittmeister kurz abgewiesen. Offenbar hatte der alte Herr davon gehört, dass Lehrer a. D. Otto Grau vorher, als sieben Männer zum Erhängen abgeführt werden sollten, zum Dolmetscher getreten war mit der Bitte, man möge lieber ihn erschießen. Der Rittmeister hatte daraufhin dem mutigen Mann die Hand gereicht, ihn belobt und entlassen.

 

Jetzt gestattete er auch auf Bitten des Pfarrers, die Feuerspritze zu holen und eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern, nicht allerdings die angezündeten Gebäude zu retten.

 

Um halb acht waren die Wagen zur Stelle, wurden beladen und fuhren ab. Die Soldaten kampierten nachtüber im Freien. Die Offiziere ließen sich im Hotel „Deutsches Haus“ mit Speisen und Getränken bewirten, bezahlten auch einen Teil.

 

Anderen Tags begegnete der Pfarrer auf der Straße dem Dolmetscher und fragte ihn, wohin die Wagen denn gefahren seien. Der nahm an, Insterburg, von wo sie Brot mitbringen sollten. In Wirklichkeit wurden die Fahrzeuglenker nach Sibirien verschleppt bis auf vier, die hatten fliehen können.

 

In der nächsten Nacht waren die Reiter verschwunden. An ihrer Stelle besetzte Infanterieregiment 270 den Ort und nahm den Gemeindevorsteher Raudies und zwei Kaufleute als Geiseln mit. Am 12. September sprengte die erste deutsche Kürassier-Patrouille — vier Mann — vom Walde her in den Ort und wurde heftig beschossen. Sie verlor drei Pferde; ein Verwundeter wurde rasch ins Kreiskrankenhaus gebracht. Die Russen zogen sich nach Nassental ohne die Geiseln zurück. Am Sonntag, den 13. September, rückte das Landwehr-Regiment Nr. 33 ein und entwickelte sich zum Gefecht gegen Nassental. Nach kurzem Kampf wurde der Feind vernichtet, ohne eigene Verluste. Die Russen verloren 15 Tote, 42 Verwundete und 4000 Gefangene.

 

Ein Jahr später wurde Pfarrer Emil Mertens mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse am Kämpferbande ausgezeichnet. Lehrer a. D. Grau wurde wieder im Schuldienst angestellt. M.

 

 

 

Seite 6   Foto: Gr.-Engelau, Kreis Wehlau

Wie oft ist an dieser Stelle schon über die Schönheiten Ostpreußens bildlich berichtet worden? Niemand aber denkt im Entferntesten an die stillen Dörfer, die abseits von den großen Verkehrsstraßen lagen. Wer da geglaubt hatte, dass da die Welt mit Brettern vernagelt war, der wusste über diese abgelegenen Dörfer recht wenig Bescheid. Wenn heute Gr.-Engelau im Bilde erscheint, dann deshalb, weil damit bewiesen wird, dass Aufbau, Straßen usw. sich mit vielen Dörfern des Westens messen konnten. Auch soll durch diese Veröffentlichung all derer gedacht werden, die durch ihren Fleiß und Treue zur Heimat dieses stille, abgelegene, schöne Dorf zur Blüte gebracht haben. 1914 hatte auch hier der Krieg die Einwohner zur Flucht gezwungen. Kirche und einige Bauernhöfe wurden damals ein Raub der Flammen. Die alte Ordenskirche erhielt ihren alten Stil beim Aufbau wieder. Die Zerstörungen 1914 wurden nach der Befreiung Ostpreußens auch hier in Gr. Engelau von Kaiser Wilhelm II. und Feldmarschall von Hindenburg besichtigt. Schnell waren die Wunden des Krieges geheilt und Ackerbau und Viehzucht erreichten eine nie gekannte Blüte.

 

Es wäre nun wünschenswert, wenn all die 1945 zurückgebliebenen Dorfbewohner, die später nach dem Westen kamen, über ihre Erlebnisse und über die stehengebliebenen Gehöfte berichten würden. Walter Kolbe

 

 

 

Seite 6   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (12)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Sagen Se, was is das bloß fier e verricktes Wetter! Dem ganzen Juli ieber hat es gegossen wie mit Eimers, dass einer foorts de Schlorren vollschöpfd, wenn er man ieberm Hof ging, und nu päsert einem mit eins de Sonnche aufes Fell, dass rein Brandblasen kriegst durchem Schäckert. Nei, nei, wer mög da bloß anne Wetteruhr gepinksert und gemaddert haben? Das is ja wirklich nich mehr feierlich. Erst versaufen de Bohnen anne Stang, und jetz versängt der Kumst im Garten. Ob das nich doch was mit die Atom-Bomben zu tun hat? Einer is ja bloß e ganz kleines Stearinlichtche gegen die helle Starkstromköppe, aber eines is bei wenigstens nich ganz dammlich als Landbriefträger 2. Kl., und so macht einer sich seine eigene Gedanken. Je öfters dass se inne Zeitungen schreiben, dass das verrickte Wetter und die Unwetterkatastrofen mit die Atombomben nuscht nich zu tun haben, desto misstrauischer wird einer. Einer hat da so seine besondere Erfahrungen. Aber meeg es nur sein, wie es will, in diese Tage wandern meine Gedanken ganz weit zurück inne Vergangenheit. Das is nu gerad virzig Jahre her, da stand ich mit viele andere Menschen in Insterburg inne Goldaper Straß vor das Gebäude vonne Ostdeutsche Volkszeitung, wo de Mobilmachung angeschlagen war. Daneben hädden se mit Blaustift de neieste Depäschen aufgeschrieben, dass hinter Gumbinnen de erste Kosaken iebre Grenz gekommen waren und von unsere Ulanen de erste blaue Bohnen umme Ohren gekriegt hädden. Virzig lange Jahre liegt das nu all zurück, und damals dachden wir alle: So is der Krieg! Aber wie der Krieg denn wirklich war, das kriegden wir erst später zu spieren, und von die zweite Auflage haben wir sich ja immer noch nich erhold. Nu haben wir zunächst mal dem Stehkragen gestrichen voll, aber damals waren wir aller rein auße Fassong vor lauter Begeisterung. De Kriegsfreiwilligen wurden aller nach Haus geschickt, weil se garnich so viel Flinten und Patronen hädden, wie fier die gebraucht wurden. Ich wurd denn auch bald eingezogen, hing meine Briefträgertasch annem! Nagel und kriegd bei die „Sprengtrichters“ in Stettin — das waren die 34-er Fuseliere, Königin Viktoria von Schweden, das V aufe Achselklappen war der „Sprengtrichter“ — e viel zu große blaue Montur verpasst. „Das wächst sich aus“, meind der Kammerbulle, wo aber gar kein Bulle nich war, sondern man bloß e Spinner. Das is nur aber noch einer, wo spinnen tut, sondern e Unteroffzier. Vorher hädd er e kleinem Vogel gehabt, da war er nämlich Hofreiter gewesen, später wurd er denn Scherschant und noch später Feldwebel. Denn kriegd er e großem Vogel, das heiß, er konnd sich große Knöppe mittem Adler annem Kragen annähen. Was die Montur zu groß war, war der Helm zu klein, aber das war ganz eingal, denn mißd der Kopp ebend nachgeben. Jedenfalls wurd der Helm mittem Rucks raufgestilpt, und der Spinner sagd: „Passt!“ Wissen Se, wenn ich ehrlich sein soll, denn bin ich gern Soldat gewesen. Se brauchen mir deswegen nich gleich zu steinigen und Milletarist zu schimpfen, aber wenn ich heite so manchem halbstarken Babommel beobachten tu, denn

denk ich so im Stillens: „Was machd das Dir bloß gut tun, wenn Dir e anständiger Untroffzier mal de Knochen lang zieht“. Wirklich, was kamen da zum Teil fier komische Figuren bei die Preußen, und was wurden das nachdem fier gerade Kerdels! Liebe Ostpreußen, ich will hier keine Polletik nich machen, aber einer kann nich aus seine Haut raus, und sone Gedanken kommen einem, wenn einer sich annem 2. August 1914 erinnert. Das war der erste Mobilmachungstag. Bei uns in Stettin waren auch e paar auße Kaschubei, die stellden sich manchmal e Happche dammlich an. Sagt der Untroffzier inne Instruktionsstund: „Kaschubzik, bilde mal einem Satz mit Fanfaren“. „Zu Befehl, Herr Untroffzier, fan fahren wir auf Urlaub?“ Und abends kommt der Kaschubzik ganz aufgeregt in unße Stub rein und sagt: „Kamrad, hast Du Fahne?“ „Was fier Fahne?“ meint der Mrozek, „Regimentsfahne?“ „Dummes Aas“, sagt Kaschubzik, natierlich Bratfahne!“ Aber denn hädden wir einem Spieß, das war nuscht zum Spicken, sondern der Herr Feldwebel, de Mutter vonne Kompanie. Der konnd zu gleiche Zeit mit jedes Aug einzelnt in zwei verschiedene Ecken vonnem Kasernenhof kicken, das heiß, er schield. Wie der das erste Mal vor unsre Front stand, das dicke Notizbuch inne Brust reingepremst, sagd er zum rechten Fliegelmann: „Wie heißen Sie?“ Da sagd der zweite: Zu Befehl, Schmidt, Herr Feldwebel!“ Da kickd er dem Schmidt ganz glupsch an und sagd: „Ich hab Sie ja gar nich gefragt!“ Da sagd der dritte Mann: „Zu Befehl, Herr Feldwebel, ich hab ja auch nich geantwortet!“ Zuletzt muss ich Ihnen nu auch noch erzählen, wie es dem K. K. ging. Das heiß nich Königlich-Kaiserlich, sondern Kaczmarck aus Krotoschin. Das is auch nich bei die „Sprengtrichters“ passiert, wahrscheinlich hat sich das ieberhaupt nich ereignet, denn so dammlich kann ja eigentlich keiner nich sein, aber es is so scheen erfunden, dass es wirklich zu schad is zum Vergessen. Und wenn Se die Geschichte all kennen sollden, denn seien Se man nich bees, viele andre kennen se noch nich: Besichtigung durchem Herr General. De Kompanie steht angetreten aufem Kasernenhof und lauert all bald zwei Stunden. Der Spieß is nerwiös, der Hauptmann noch viel doller, und mittem Oberst is ieberhaupt nich zu reden. Dem Kaczmarek haben se auf Wache geschickt, damit er nich mit seine zwei linke Fieße de Front und de ganze Besichtigung versaut. Der Untroffzier vom ersten Zug vonne vierte Kompanie wird rausgeschickt nachsehen, ob der General noch nich kommt. Dreimal kommt er fragen: „Kaczmarek, is der General noch nich zu sehen?“ „Zu Befehl, nein, Herr Untroffzier!“, sagt Kaczmarek. Endlich kommt nu aber der Herr General. Kaczmarek kickt ihm ganz dußlig und dreidammlich an. Da sagt der General, wo ausnahmsweise gut gefrischtickt hat: „Na, mein Sohn, kennst Du mich nicht?“ „Warum sagen Se Sohn, Se sind doch nich mein Vater“, meint Kaczmarek. „Nein, Dein Vater bin ich Gott sei Dank nicht, aber Dein General!“ Da wird Kaczmarek mit eins aber munter. „Was, Sie sind der General? Na, denn kann ich Ihnen scheen gratulieren. Gehen Se man rein, Se werden was erleben! Der Herr Unteroffzier hat all dreimal nach Ihnen gefragt!“ — Sehen Se, meine lieben Landsleite, das sind so Sachen, wenn einer nich laut genug „Hier!“ gerufen hat, wie das Gehirnschmalz verteilt wurd. Aber manches is ja auch ohne Schmalz mittes Leben fertig geworden. Ohne Schmalz geht, aber ohne Geld geht nich. Deshalb lauer ich all jeden Tag wie e Dummer auf die dreihundert Mark Schmerzensgeld. Die vier Wochen sind all lang rum, aber der besoffne Autokutscher meld sich nich. De Emma is all ganz fißlig von das unnitze Lauern. Aber einmal wird das Glick ja an unsre Tier bullern, das heiß der Briefträger-Kollege, wo das Geld bringt. Manchmal hat de Post auch e bißche Verspätung, das muss einer alles bericksichtigen. So wollen wir in Geduld abwarten, je frieher, dass das Geld ankommt, desto frieher is es ja auch wieder ausgegeben. Und nu zerfließen Se man nich in die heiße Sonn, kriegen Se keinem Sonnstich und lassen Se sich herzlich grießen von Ihrem

alten Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 7   Königsberger, meldet Euch bei der Patenstadt Duisburg

Foto: Königsberg. Ein Blick vom Kaiser-Wilhelm-Platz in Richtung Gesekus-Platz + Im Hintergrund das Haupttelegraphenamt und die Altstädtische Kirche

Foto: Das schöne Duisburg

Karteien und Fragebogen — wer will mit solch seelenlosen Papieren zu tun haben? Das praktische Leben geht vor. ----

 

Die Karteiführer der ostpreußischen Heimatkreise wissen es besser. Sie sehen täglich, wie ihre Kartei lebt und dringenden praktischen und nützlichen Zwecken dient. Die Vertriebenengesetzgebung ist angelaufen. Vertriebenengesetz, Lastenausgleich, Währungsausgleich, Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes, Wiedergutmachungsgesetz bieten manchem die Möglichkeit, einen Teil des Verlorenen zurückzugewinnen. Der Anspruch soll aber bewiesen werden. Die ostpreußischen Heimatkreiskarteien haben den Vertriebenen die nötigen Zeugen und Beweise vermittelt. Mehr als das, sie haben Tausende von versprengten Familienangehörigen zusammengeführt. Noch größer wären allerdings die Erfolge, wenn sich alle Ostpreußen bei ihren Heimatkreiskarteien melden würden.

 

Die Stadt Königsberg war der volkreichste ostpreußische Kreis. Von fast 400 000 Einwohnern mögen noch etwa 200 000 am Leben sein. Eine solch große Kartei kann nicht ehrenamtlich verwaltet werden. Die Patenstadt Duisburg fasst ihre Patenschaft praktisch auf und führt die Königsberger Kartei, unterstützt von der Landsmannschaft Ostpreußen, mit ortskundigen Königsberger Dienstkräften. Duisburg ruft die Königsberger:

 

Meldet Euch bei Eurer Patenstadt! Man fragt nach Euch!

 

Oft wurde schon dazu aufgerufen; leider fehlen noch viele. 21 000 Königsberger Suchanfragen konnte die Patenstadt in den letzten 2 Jahren beantworten, davon ein Drittel erfolgreich. Die vergeblich gesuchten Königsberger sind aber nicht alle tot. Viele leben, doch sie haben sich zumeist aus Gleichgültigkeit nicht gemeldet — bis sie einmal einen Beweis oder einen Zeugen für den Lastenausgleich oder den neuen Vertriebenenausweis brauchen und sich sagen lassen müssen, dass sie selbst nicht in der Kartei vorkommen. Zwar sind die Karteiführer erfinderisch in der Erfassung der Königsberger. Doch es ist ihnen leider nicht möglich, alle Mitgliederlisten, Einwohnermeldekarteien und Unterlagen der Vertriebenen- und Ausgleichsämter in der ganzen Bundesrepublik zu erreichen. Nur diejenigen Königsberger können damit rechnen, in der Kartei genannt zu sein, die sich bei der Patenstadt Duisburg ausdrücklich schriftlich zur Königsberger Kartei gemeldet haben.

 

Verwendet die Karteiblätter, die die Stadt Duisburg, Auskunftstelle Königsberg, bereitwillig verteilt und versendet. Es genügt auch eine Postkarte, in der für den Einsender und seine Familienangehörigen mitgeteilt werden: Name, Vorname, Geburtsname bei Frauen, Geburtstag, Beruf, Wohnung und Arbeitsstelle in Königsberg und am jetzigen Wohnort. Allzu zurückhaltend und unbefriedigend ist die häufig vorkommende knappe Mitteilung: „Ich habe früher in Königsberg gewohnt“.

 

Beachtet bitte noch einige Wünsche:

 

Ruft auch Königsberger im Bekannten- und Verwandtenkreise auf, sich zu melden!

 

Teilt auch die Anschriften derjenigen bekannten Königsberger mit, die nicht in der Bundesrepublik wohnen!

 

Frauen, die nach dem Zusammenbruch 1945 geheiratet haben, sollen bitte ausdrücklich darauf hinweisen. Sie werden in der Kartei unter ihrem Geburtsnamen aufgeführt, unter dem sie bekannt waren und gesucht werden. Das gilt sinngemäß für wiederverheiratete Frauen.

 

Wer seine Wohnung in Königsberg etwa nach 1939 gewechselt hat, möge alle Königsberger Anschriften angeben, nicht etwa nur die Anschrift nach der Ausbombung.

 

Teilt der Stadt Duisburg, Auskunftstelle Königsberg jeden neuen Wohnungswechsel, Eheschließungen, Todesfälle und andere wesentliche Veränderungen mit! Bei Wohnungswechsel bitte die bisherige und die neue Anschrift angeben.

 

Bitte meldet auch Königsberger, die im Kriege oder nach dem Kriege verstorben sind, da nach ihnen ebenso häufig gefragt wird. Macht auch für sie die erbetenen ausführlichen Angaben; „Bruder Hans verstorben“ genügt nicht.

 

Königsberger, die 1945 bis 1948 unter sowjetischer Besetzung in Königsberg gelebt haben, werden besonders gebeten, Angaben über Verstorbene zu machen, auch wenn sie nicht mehr wissen als Namen und Wohnung. Es starben Zehntausende; viele Schicksale sind noch ungeklärt.

 

Wer Suchanfragen nach Duisburg richtet, wird gebeten, den Gesuchten so genau zu beschreiben, wie es ihm irgend möglich ist: Name, Vorname, Beruf, Königsberger Anschrift und Arbeitsstelle, Alter. Es gibt außerordentlich viele Namensgleichheiten. „Paul Müller, Haberberg“, kann nicht ohne weiteres ermittelt werden. War der Gesuchte in Königsberg noch Jugendlich, sollen auch die Eltern bezeichnet werden.

 

Seid Eurer neuen Heimat voll und ganz zugehörig, aber erhaltet auch Eure alte Bürgerschaft der Königsberger. So lange Ihr lebt, seid Ihr eng und unlösbar mit Euren Landsleuten verbunden. Helft mit, dass das schon 9 Jahre währende rastlose Suchen nach Versprengten bald gestillt werden und zur Ruhe kommen kann.

Stadt Duisburg Patenstadt für Königsberg (Pr.)

 

 

Seite 7   Königsberger Suchdienst

Königsberg-Metgethen, Tankwitzer Weg: Siegfried Doberleit, geb. 08.10.1934 in Königsberg, von seiner Tante Elise Bansemir, geborene Doberleit, geb. 30.09.1901.

 

Königsberg-Rotbenstein, Reiherweg 16: Evamarie Tutlies, geboren etwa 1938, und Hannelore Tutlies, geb. etwa 1939, von Elli Heineke, geborene Hellmones, geb. 29.03.1913.

 

Königsberg, Waisenhaus: Siegfried Assinner, geb. 11.07.1938 in Landskron, und Irmgard Assinner, geb. 17.07.1940 in Landskron, von ihrer Mutter Minna Assinner, geb. Reimann, geb. 28.06.1914.

 

 

Seite 7   Zwei Preisausschreiben der Patenstadt

Im Jahre 1255 wurde Königsberg gegründet. 1955 wird die 700-Jahrfeier dieses historischen Ereignisses in der Patenstadt Duisburg begangen. Die Vorbereitungsarbeiten für dieses Stadtjubiläum, das alle Königsberger in der Patenstadt vereinigen soll, sind angelaufen.

 

Für die 700-Jahrfeier sucht die Stadt Duisburg, Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung, ein Symbol, das bei allen Veranstaltungen und Publikationen verwandt werden soll (Festschrift. Festabzeichen, Prospekte, Embleme bei Feiern und sonstigen Anlässen). Zur Ermittlung dieses Symbols wird ein Wettbewerb ausgeschrieben, für den nachfolgende Bedingungen gelten:

 

1.     Das Symbol soll auf die historische Bedeutung Königsbergs hinweisen. Es soll so gestaltet sein, dass es für die verschiedensten Materialien und Anlässe gebraucht werden kann (Festschrift. Festabzeichen. Prospekt, Holzembleme u. ä.).

2.     Das Symbol soll so geschaffen sein, dass der Zusatz „700 Jahre Königsberg“ ohne Schwierigkeiten eingefügt werden kann.

3. Die Entwürfe sollen im Hochformat DIN A 2, einfarbig, auf festem Papier, eingereicht werden. Sie müssen reproduktionsreif sein. Die Entwürfe müssen eine wesentliche Verkleinerung zulassen.

4. Für die besten Arbeiten werden folgende Prämien ausgezahlt:

 

1. Preis: 300,-- DM

2. Preis: 200,-- DM

3. Preis: 100,-- DM

 

5. Der Presse- und Werbeausschuss zur Vorbereitung der 700-Jahrfeier Königsberg entscheidet über die Zuerkennung der Preise unter Ausschluss des Rechtsweges. Die Preisgerichtsentscheidung wird den Preisträgern spätestens bis 31. Oktober 1954 mitgeteilt.

 

Preisgekrönte Entwürfe gehen mit dem Recht uneingeschränkter Verwertung in den Besitz und das Eigentum der Stadt Duisburg über. Umarbeitungen werden nach ihrem jeweiligen Ausmaß besonders honoriert.

 

Die Teilnahme am Wettbewerb schließt die Anerkennung vorstehender Bedingungen ein.

 

6. Die Entwürfe müssen in der oberen rechten Ecke mit einer fünfstelligen Kennziffer versehen sein. Jeder Bewerber darf höchstens 3 Entwürfe einreichen. Jedem Entwurf muss ein verschlossener, undurchsichtiger Umschlag beigefügt sein, auf dem außen die Kennziffer des jeweiligen Entwurfs steht und der einen Zettel ebenfalls mit der Kennziffer und der vollen Anschrift des Einsenders enthält.

 

7. Die Entwürfe müssen gut verpackt bis spätestens 30. September 1954 kostenfrei beim Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung der Stadt Duisburg, Duisburg. Rathaus, abgeliefert, oder beim Postamt eingeliefert sein. Im letzteren Falle ist das Datum des Poststempels maßgebend.

 

8. Die Rücksendung der nicht prämiierten Entwürfe erfolgt auf Kosten der Stadt Duisburg.

 

 

1955 wird die 700-Jahrfeier in der Patenstadt Duisburg begangen. Die Vorbereitungsarbeiten für dieses Stadtjubiläum, das alle Königsberger in der Patenstadt vereinigen soll, sind angelaufen. Die Feier steht bisher unter dem Motto „700 Jahre Königsberg“. Dieser Arbeitstitel soll durch ein Motto ersetzt werden, das die historische Bedeutung der Stadtgründung und den Anteil Königsbergs an der abendländischen Geschichte charakterisiert. Zu diesem Zweck schreibt die Stadt Duisburg hiermit einen Wettbewerb aus, für den nachfolgende Bedingungen gelten:

 

1. Das Motto soll möglichst die historische Tatsache „700 Jahre Königsberg“ enthalten.

2. Das Motto muss im Umschlag verschlossen eingesandt werden an „Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung der Stadt Duisburg, Duisburg, Rathaus“ unter Beifügung des Kennworts „Motto Königsberg“. Das eingesandte Motto muss in der oberen rechten Ecke mit einer fünfstelligen Kennziffer versehen sein. Jeder Bewerber darf höchstens 3 Entwürfe einreichen. Jedem Entwurf muss ein verschlossener, undurchsichtiger Umschlag beigefügt sein, auf dem außen die Kennziffer des jeweiligen Entwurfs steht und der einen Zettel ebenfalls mit der Kennziffer und der vollen Anschrift des Einsenders enthält.

3. Die Entwürfe müssen bis spätestens 30. September 1954 kostenfrei beim Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung der Stadt Duisburg. Duisburg, Rathaus, abgeliefert, oder beim Postamt aufgeliefert sein; im letzteren Falle ist das Datum des Poststempels maßgebend.

4. Für die besten Entwürfe werden folgende Prämien ausgezahlt: 1. Preis 100,-- DM; 2. Preis 75,-- DM; 3. Preis 50,-- DM

5. Über die Zuerkennung der Preise entscheidet der Presse- und Werbeausschuss für die Vorbereitung der 700-Jahrfeier Königsberg unter Ausschluss des Rechtsweges. Gehen mehrere gleichartige Lösungen ein, die prämiiert werden, so entscheidet das Los. Die Teilnahme am Wettbewerb schließt die Anerkennung vorstehender Bedingungen ein.

 

Die Preisgerichts-Entscheidung wird den Preisträgern spätestens bis 31. Oktober 1954 mitgeteilt.

 

 

Seite 8   Königsberger Suchdienst

Es werden gesucht:

 

232. Gerta Brandtner, etwa 1899 geboren, früher: Baczkostraße 2a

 

233. Kurt Budweg, geb. 24.04.1907, Büroangest. Schichauwerft, früher: Prinzenstr. 19 II, vermisst seit September 1944.

 

234. Gertrud Dietrich, geb. 16.03.????, früher: Kalthöfsche Str. 7 (Kinder Hannelore und Günther, Januar 1945 nach Marienburg gekommen, seitdem vermisst).

 

235. Fritz Fresser, geb. 26.03.1888, Kaufmann, in Fa. Lindner & Co., Frau Fanny, geb. Schirren, geb. 01.03.1898 in Riga, Sohn Heinz, Schrötterstr. 26.

 

236. Gustav Giese, Apotheker, Hanseaten-Apotheke, früher: Hammerweg 10, und Frau Käthe Hedwig, geb. Hagemann, seit 10.05.1945 vermisst. Gesucht von Sohn Dr. med. Gustav-Wilhelm Giese.

 

237. Friedrich Hoppe, geb. 12.11.1898 in Pregelswalde, früher: Artilleriestr. 16, gesucht von Ehefrau.

 

238. Adeline Joost, geb. Pohlke, geb. 20.03.1875 in Schönfließ bei Korschen, früher: Lämmerweg 6, vermisst seit 20.01.1945, gesucht von dem Ehemann.

 

239. Werner Karrich, geb. 11.10.1927 in Marienwerder, früher: Königstr. 18a.

 

240. Wilhelm Kelm, früher: Börsenstr. 2/3 und Frau Therese Kelm, vermisst seit Frühjahr 1946.

 

241. Alfred Kerwginski, früher: Palwestr. 59, seit 26.06.1944 bei Bobruisk (Russland) vermisst,

 

242. Paul Kerwginski, früher: Palwestr. 59, seit 04.02.1945 bei Königsberg an der Oder vermisst, gesucht von den Eltern.

 

243. Adolf, Lindenau, geb. 12.12.1891 in Königsberg (Pr.), Kaufmann, selbständ., früher: Richard-Wagner-Str. 52/53, gesucht von seiner Ehefrau.

 

244. Paul Lutat, geb. 23.01.1879, Obersteuersekr. beim Finanzamt Pillauer Landstr., früher: Altr. Kirchenstr. 10/11.

 

245. Fritz Marx, geb. 21.06.1894 in Königsberg (Pr.), Lehrer, früher: Lindenstr. 1.

 

246. Richard Naß, geb. 13.10.1896, früher: Roßg., Neue Gasse 2.

 

247. Ernst Papendick, geb. 26.10.1880 oder 1882, früher: Scheffnerstr. 2.

 

248. Martha Papendick, geb. Tettenborn, geb. 18.05.1862, früher: Scheffnerstr. 2.

 

249. Fritz Puck, Stadtobersekretär, früher: Hammerweg 8.

 

250. Friedrich Rietenbach, geb. 28.04.1876 in Gr. Lindenau, Arbeiter beim Städt. Fuhrpark, und Ehefrau Marie Rietenbach, geb. Boehnke, geb.  25.06.1882, früher: Sternwartstr. 15.

 

251. Fritz Salewsky, geb. 12.12.1897, Ehefrau Martha Salewsky, geb. Linius, geb. 17.10.1898 und Sohn Alfred Salewsky, geb. 1921, gesucht von Sohn und Bruder.

 

252. Auguste Schmidt, geb. Bay, geb. 1883 und Sohn Artur Schmidt, früher: Königstr. 32.

 

253. Emil Schwesing, geb. 01.12.1897, Maurer, gesucht von Ehefrau.

 

254. Luise Skott, geb. Schulz, geb. 30.07.1867, früher Pon. Bergstr. 9, letzte Nachricht im März 1945 von Danzig-Langfuhr, Friedrichallee 21.

 

255. Franz Sprengel, geb. 16.08.1896 und Lina Sprengel, geb. Goronzi, früher: Sackh., Gartenstr. 6a.

 

256. Frida Stand, geb. Skott, geb. 27.04.1898 in Seepothen, früher Pon. Bergstr. 9; letzte Nachricht März 1945 von Danzig-Langfuhr, Friedrichallee 21.

 

257. Rüdiger Szengel, geb. 19.03.1928 in Königsberg, früher Oberhaberberg 14, vermisst als Soldat seit März 1945.

 

258. Erich Tiahrt, Pol. Insp., früher: Tragh. Pulverstr. 43; vermisst seit Mai 1945, Lager Georgenburg, gesucht von seiner Ehefrau.

 

259. Anna Timmler, geb. 07.02.1880, früher: Gebauhrstraße oder Löben. Hospitalstr.; vermisst seit 1945 (Leissonenen, Krs. Wehlau, Gauschule).

 

260. Manfred Timmler, geb. 14.07.1922, früher: Sackheim 113/14; vermisst in Ungarn.

 

261. Paul Walter Timmler, geb. 13.11.1882, früher: Schubertstr. 6.

 

262. Alfred Wischnewski, geb. 11.09.1904 in Königsberg, Regierungssekretär, früher: Tragh. Pulverstr. 28/29, vermisst seit 26.02.1945.

 

Auskünfte und Hinweise erbittet die Stadt Duisburg, Auskunftsstelle Königsberg.

 

 

 

Seite 8   Her Trompeter von Kösnicken

Zwischen Königsberg und der nördlichen Küste des Samlandes liegt in einer besonders reizvollen Hügellandschaft das Dorf Pobethen. Im Anschluss an eine alte Fliehburg der ureingesessenen Pruzzen, die der Deutsche Ritterorden zu einem „Festen Haus“ ausbaute, entstand dort zu Beginn des 14. Jahrhunderts die große und architektonisch schöne Ordenskirche. In dieser Kirche von Pobethen wurden eine alte Trompete und ein Degen aufbewahrt, von denen der Volksmund folgendes berichtet:

 

Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebte in dem nahe gelegenen Dorf Kösnicken ein Bauernsohn, der es meisterlich verstand, die Trompete zu blasen. Das war seine liebste Beschäftigung in den Feierstunden. Darum hieß er schon damals der „Trompeter von Kösnicken“.

 

Als die Schweden in das Land einfielen, zieht der Trompeter von Kösnicken in den Krieg. Er gerät in Gefangenschaft und wird von den Feinden in ihr Land mitgenommen. Hier lebt er als Kriegsgefangener an der Südküste Schwedens. Im Laufe der Jahre gestaltet sich sein Los immer erträglicher. Er wird einem Bauern als Knecht zugeteilt und genießt schließlich volle Bewegungsfreiheit. Aber die Sehnsucht nach der Heimat lässt ihn seines Lebens nicht mehr froh werden. Abend für Abend steht er an dem Strande der Ostsee. Seine Gedanken schweifen dann südwärts über das Meer nach der fernen Heimat. Sein einziger Trost ist die geliebte Trompete, die er ebenso wie seinen Degen, hat behalten dürfen Er bläst die Lieder der Heimat, dass sie hinausgetragen werden über das weite Wasser.

 

Es kommt ein Winter, der so hart und anhaltend ist, wie keiner je zuvor. Weithin ist die Ostsee in Eis erstarrt.

 

An einem Sonntag sattelt der Trompeter das Pferd, das sein Bauer ihm überlassen hat, legt sein sorgsam aufbewahrtes Kriegerwams an und reitet hinaus auf die endlosscheinende Eisfläche. Er weiß wohl, dass die Ostsee nicht völlig zufrieren kann. Aber er will der Heimat näher sein. Und nun, wie er schon das blanke Wasser vor sich sieht, geschieht das große Wunder. Mit gewaltigem Krachen löst sich die Eisscholle, auf der der Trompeter sich befindet, und treibt ins offene Meer hinaus. Zuerst durchfährt ein gewaltiger Schreck des Trompeters Herz. Er sieht sein letztes Stündlein gekommen. Dann aber tröstet er sich mit dem Gedanken, dass er in der Fremde doch nicht länger hätte leben mögen. Er setzt seine Trompete an den Mund und bläst den Choral, der ihn in den Kriegsnöten schon so oft gestärkt hat:

 

„Herr Jesu Christ, mein's Lebens Licht,

Mein. Hort, mein Trost, mein' Zuversicht,

Auf Erden bin ich nur ein Gast,

Und drückt mich sehr der Sünden Last.

 

Ich hab' vor mir ein' schwere Reis'

Zu Dir in's himmlisch Paradeis;

Da ist mein rechtes Vaterland,

Woran Du hast Dein Blut gewandt

 

Zur Reis' ist mir mein Herz sehr matt,

Der Leib gar wenig Kräfte hat,

Allein mein' Seele schreit In mir:

Herr, hol' mich heim, nimm mich zu Dir!

………….“

 

Als er alle dreizehn Verse des Chorals geblasen hat, wird er ganz ruhig. Die Nacht bricht früh herein, und der Trompeter versinkt in einen tiefen Schlaf.

 

Eine starke Erschütterung lässt ihn erwachen Die Scholle ist auf eine zusammenhängende Eisfläche gestoßen. Ein neuer Tag ist angebrochen. In weiter Ferne sieht der Trompeter Festland. Er reitet über das Eis. Der Trompeter traut seinen Augen nicht: Der Ort, der vor ihm liegt, ist Rantau, das seinem Heimatort nächstgelegene Fischerdorf an der Samlandküste, kaum eine Meile von Kösnicken entfernt.

 

Der Trompeter steigt vom Ross, sinkt in die Knie und dankt Gott für seine gnädige Führung. Dann reitet er heimwärts. In Pobethen setzt er noch einmal seine Trompete an und bläst einen Lob- und Dankchoral. Danach hängt er Trompete und Degen in der Kirche auf zum ewigen Andenken an seine wunderbare Errettung und Heimkehr.

 

 

 

Seite 8   Landsleute bitte herhören!

Wir suchen und wer berichtet:

 

Brückenwärter Ferdinand Dank (Hohebrücke),

 

St.-Insp. Kramm,

 

St.-O.-Insp. Kreß,

 

Standesbeamter Karrer,

 

Paul Kurschat,

 

Angest. Krüger (St.-A. 16),

 

St.-Insp. Helmut Kast,

 

St.-Vollz.Sekr. Otto Kluschke,

 

Verm.-Techn. Helmut Kaiser,

 

Oberinspektor d. Siechenhauses Emil Klöß,

 

Inspektor d. Fuhrgesell. Krieg,

 

St.-O.-Sekr. Bruno Kirbach,

 

Angestellter Kandit (Fuhrges.),

 

St.-Amtmann Krüger,

 

St.-Insp. Otto Kaiser,

 

Angest. August Kniest,

 

Alexander Karnat,

 

St.Insp. Klein,

 

Telefonist August Krause (Spark.),

 

Angest. Bruno König (Wi.-A.),

 

Arbeiter Richard Krause,

 

Angest. Gerhard Kollmitz u. Karlshofer (St.-Plangs.-Amt),

 

Witwe Ursel Krause, geb. Chmilewski (Ehefrau! d. Oberreg.-Rats Krause),

 

Frau Grete Kowalczyk, Kühnast (Opernhaus),

 

Angest. Karl Klute (Wi.-A.),

 

Konrektorin Alice Kiehn,

 

die Angehörigen des Schlossers Julius Kluge (E-Werk),

 

Kraftwagenführer Ernst Klaus,

 

Oberinsp. d. Fuhrges. Kahleck,

 

St.-O.-Insp. Kerkmann,

 

Oberinsp. Heinr. Kelletat,

 

Krankenschwester Anni Klunkat (Alters- u. Pflegeheim),

 

Stud.-Rätin Elisabeth Kunze.

 

Für die Berichterstattung danken wir folgenden Landsleuten:

 

Erna Slow,

 

Karl Ritter und

 

Hans Kolleck.

 

Bei Anfragen bitte stets Rückporto beizufügen. Anträge auf Dienstbescheinigung sind über die Patenstelle Kbg. Pr. (22a) Duisburg, Oberstr., zu stellen. Anschriftensammelstelle der Königsberger (16) Biedenkopf, Hospitalstr. 1.

 

 

 

Seite 8   Vier im Millionentaumel. Flüchtlinge aus Ostpreußen erben das sagenhafte Dembinski-Vermögen

Ein Märchen wird Wirklichkeit — vier Flüchtlinge aus Ostpreußen sollen nun endlich die sagenumwobenen Dembinski-Millionen erben. Ihnen soll künftig ein Teil des Texas-Öles gehören. Das Vermögen ist größer als das der weltberühmten Garret- oder Astor-Erbschaften. Es wird auf 4,2 Milliarden DM geschätzt. Damit würde das letzte in der Gründerzeit der Vereinigten Staaten entstandene Vermögen seine Besitzer gefunden haben.

 

Kürzlich hielten die Dembinskis in Berlin-Tempelhof Familienrat ab. Aus Ost- und Westdeutschland waren die vier alleinberechtigten Handwerker zusammengekommen, um zu beraten, was sie mit dem vielen Geld anfangen würden.

 

Hinter verschlossenen Türen tagen die Milliarden-Erben seit Anfang der Woche. Hin und wieder dringt lautes Stimmengewirr aus dem Raum, dann wieder wird geflüstert. Sechs Menschen sind es, die um den runden Tisch sitzen, auf dem eine große Landkarte von Texas ausgebreitet liegt. Mit Blaustift sind die sieben Ländereien eingezeichnet, die einer ihrer Vorfahren geschenkt bekommen hat. Sieben Landkreise des amerikanischen Bundestages Texas, in denen Städte wie Dallas, Franklin und Wichita Falls liegen; sieben Landkreise, in denen das flüssige Gold unerschöpflich aus dem Boden zu fließen scheint.

 

Spannend wie ein Roman ist die Geschichte der Dembinski-Millionen. Sie begann damit, dass es dem 23-jährigen Louis Napoleon Dembinski zu eng in Allenstein (Ostpreußen) wurde. Kurz entschlossen schiffte sich der Müllers-Sohn 1830 in Le Havre (Frankreich) ein. Sein Schiff hatte Kurs Amerika. Er siedelte sich in dem damals mexikanischen Texas an. Während des Krieges der Kolonisten gegen die Herren des Landes fiel Louis Napoleon Dembinski 1836 in der Schlacht um Goliath als Nationalheld. Nachdem Mexiko geschlagen und die unabhängige Republik Texas ausgerufen worden war, schenkte die neue Regierung den Angehörigen des gefallenen Helden für dessen Verdienste große Gebiete der damals unfruchtbaren Steppe. Man schickte Jakobus Johannes Dembinski, dem Bruder Louis Napoleons, als dem nächsten lebenden Verwandten, einhundert goldene 20-Dollarstücke nach Allenstein. Damit sollte er die Überfahrt nach Amerika bezahlen. Jakobus bedankte sich für das Geld und nahm schriftlich die Schenkung der Ländereien an. Doch kurz darauf, bevor er noch selbst nach Amerika hätte fahren können, starb er und hinterließ seiner Frau den Leinensack mit den harten Dollars und die Texassteppe.

 

Witwe Dembinski war die Großmutter Franz Dembinskis, des Seniors der heutigen Erbengemeinschaft. Erst auf dem Sterbebett vertraute sie ihrem Sohn das Geheimnis der Goldstücke an. Doch der Vater von Franz nahm das Geld lieber, um sich damit eine Existenz als Mühlenbauer aufzubauen, als um nach Amerika zu fahren und Herr über die unfruchtbare Steppe zu werden.

 

„Franzi, ich bin zu alt, aber du wirst noch einmal in einer goldenen Kutsche fahren“, sagte er eines Abends beim Zeitunglesen zu seinem Sohn. Er hatte gerade einen Bericht über Erdölfunde in Texas gelesen. Seit diesem Tage kämpft Franz Dembinski um die seinem Urgroßvater geschenkten Ländereien. Unterstützt wurde er dabei von seinen drei Neffen, den Ururenkeln Jakobus Johannes Dembinskis, die gleichfalls erbberechtigt sind.

 

Nach jahrelangem Schriftwechsel mit den amerikanischen Gerichten standen sie schließlieh kurz vor der Anerkennung ihrer Ansprüche. Doch dann kam der Krieg. Die Dembinskis mussten aus ihrer ostpreußischen Heimat fliehen. Die meisten der Unterlagen, mit denen sie ihren Erbanspruch beweisen konnten, gingen auf der Flucht verloren.

 

Erst 1948 wurde Franz Dembinski aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen. In Gelsenkirchen-Buer eröffnete er eine kleine Autoreparatur-Werkstätte. In seiner Freizeit schrieb Franz Hunderte von Briefen, um sich die Zweitschriften der verlorenen Dokumente zu beschaffen, denn seine drei Neffen, die anderen Erbberechtigten, konnten ihren Anspruch nicht verfechten. Sie wurden in den letzten Kriegswirren in die heutige Ostzone verschlagen.

 

Anfang dieses Jahres hatte Franz endlich alle Unterlagen wieder zusammen. Er schickte sie sofort über den großen Teich, und vor einigen Wochen teilte ihm das Nachlassgericht von Texas mit, dass es grundsätzlich seinen Anspruch und den seiner Neffen anerkenne. Die schnelle Arbeit der amerikanischen Behörden ist auf einen unwahrscheinlich erscheinenden Zufall zurückzuführen: Die Tochter eines Kunden Franz Dembinskis hat vor einigen Jahren den Nachlassrichter des Staates Texas, Quentin Haiden, geheiratet. Als ihr Vater von Franz Dembinski die Schwierigkeiten geschildert bekam, die ihm die Durchführung seiner Erbansprüche bereitete, schrieb er an seinen Schwiegersohn. Quentin nahm sich der Sache an, und nun scheint es endgültig festzustehen: Vier deutsche Ostflüchtlinge erben die Dembinski-Millionen

 

 

Seite 8   Wie öck Peerd joage mußd

„Michst, Mönsch, jeern Häcksel schniede loate un kannst nich“, säd de Voader ärjerlidi, wie he önne Stoaw rönkeem.

 

„Nanu?“ frooch de Mutter. „Ach, wiel son schnoddrijem Jung nich hast, wat Peerd joage soll!“ Un de Voader fung an to schömpe: „Sonst krängle sich dä Luntrusse rom oppem Hoff, obber groadst, wenn eenem bruke michst, denn ös keiner doa“.

 

„Obber Voader, kann hier de Jung nich goahne?“ säd jeruhig de Mutter. „Wat. huckt dat döm ganze Dach önne Stoaw un stockt de Näs önne Beker“.

„Oes uck woahr, Mutter . . . driew!“ „Bie wäm?“ frooch öck. „Biem Karl Balschus“.

„Ach, bie däm ohl Glummas. Hat ömmer de Oge vardreecht, als wenn he äwend eenem jefräte hat un oppem zweite luurd“.

 

Ach wat, schabber nich lang un driew!“ Wie öck öm Peerdstall römkeem, brölld he mie an: „Wat wöllst du Dap?“ „Peerd joage“. „Du, un Peerd joage. Du sitzt mie groadst turnoa ut“.

 

Om e Wielke: „Zehm op de Vodderpeerd“. Nu mot öck joa segge, als Jung dat möt Peerd omgoahne, wör nich miene Sach. Doa ons Otto, väl jinger wie öck, obber opschörre, anspanne, riede un foahre, kunn ör wie e Ohler. Oeck mot äm doa doch to lang romjepingelt hebbe, möt eens kreech öck e Rabacks. „Goah furt! Säd öck doch, dat du to dammlich böst“ un om e Wielke. „Bring rut de Hinderpeerd!“

 

Oeck nehm nu de beide Hinderpeerd, fiehrd änne äwrem Hoff hen noa de graue Schien, wo öt Roßwerk stund. Nehm eent un fierd öt zwöschne beide Diessels, moakd öt vorne mötte Halskoppelkädd fest un strängd hinde anne Brack fest un denn öt andre.

 

Wie de Balschus uck de beide Vodderpeerd anjesträngd had, jing he önne Schien rön, wo de Häckselmaschien stund un möt äm de Lise, wat Stroh toreke solld un de Miene motte Hark döm Häcksel wächtoschuwe. Oeck nehm de lange Pitsch un kladderd rop oppet Roßwerk. Doa stund e klenet Stohlke. Wenn öck wull, kunn öck mie henhucke.

 

Omme Wielke stöckd de Balschus sien Kopp dorch dat klene Fönsterke un schreech möt siene depe Stömm: „Na, driew an!“

 

Oeck nehm de lange Pitsch, feimeld noa alle Siede rom un reep:

 

„Hü, hü hott!“ De Peerdkes toche an, de Räder drechde sich, un de Messersch säde „schnarp, schnarp!“ ön dat Stroh. Hinde önne Häckselkoamer fung de Miene an to singe möt äre feine helle Stömm:

 

„Ein Edelmann ritt zum Tor hinaus,

ein Schäfer trieb seine Lämmlein aus“

un wie se keem an dä Stall

„fari, fara farllala“

 

doa sung de Balschus möt möt siene depe Stömm. Eener fien, dör andre grow, ei wie dat

klung! Oemmer, wenn de Marjellens önne Schol oppem Dreiangel önne Rund spälde, denn sunge se dit Leed, un wenn de grote Marjellens oppem Spieker Jetreid fuchteld, sunge se öt ok.

 

Oeck huckd wie e Keenich oppem Thron, de Pitsch önne Hand, leet mie foahre un sung möt. Vun hier boawe kunn öck döm ganze Hoff äwersehne böt bie ons fare Där. De junge Ramunde wöre bute önne Karrees, Brunes, Fuchse un Rappe, lepe rom un spälde, beemde sich hoch, schloche hinde ut un kullerde sich. De Miene sung fien, de Balschus grow un öde turmang

 

„Der Edelmann nahm sein Hütchen ab

und bot dem Schäfer einen guten Tag“.

 

Und kickd öck am rode Stall varbie, denn sach öck äwre wiede Aßtes hen böt boawe, wo de Stroaß noa Gumbinn jing, wo de Voader mie mötnehm, wenn he öm Harvst möt Kartoffel fohr. Anne Schien varbie jing e Stiech run noat Burestruk. Ach, wat sön wie Junges däm Stiech jerännt noa däm schene Woold!

 

„Bist du ein armer Schäferssohn

und kannst in Samt und Seide gehen“.

 

Wäjen mie kunn ör ruhig in Samt un Seid goahne. Wie Junges rännde öm Sommer barft dorch Földer un Wäse. Wo wär so scheen, wie bie ons ön Budepehn!

 

De Futtermeister stund anne Aeck vum Stall, had een Been äwrem Krukaß hänge un kickd noa mie. Wat had där bloß ömmer noa hier to kicke?

 

De Ramundsknechts keme e Sack undrem Oarm un jinge noa de Koamer noa Häcksel. Wie Dannerts Gustov varbiekeem, säd he: „Pirr!“ Un e öck mie varsach, jinge de Peerd langsam un blewe stoahne. De Gustov lachd un rennd los, de Balschus stöckd döm Kopp dorchet Fönsterke un brölld los:

 

„Schläppst, du Hund, doa boawe? Oeck koam die bool rut un war die de Röbbe mat, möttem Harkestäl, wenn du mie nich besser driewe warscht“.

 

Oeck nehm de Pitsch un dreew wedder an. De Futtermeister huckd noch ömmer doa un kickd noa mie. He ställd e Wentraß önt Karnoal op Hechts, un wie Junges jinge äm jeern rewondeere. Wußd he amend dat?

 

De Voader keem un spannd ut, uck de Futtermeister keem ran un säd: „Du kannst moal rasch ope Post lope un dissem Breef henbringe. Hier sön uck zwei Dittkes far die“.

 

Oeck wor froh, dat öck vun däm ohl Glummas wächkeem.

August Schukat

 

 

Immanuel Kant [1724 - 1804]:

„Reich ist man nicht durch das, was man besitzt, sondern mehr noch durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß, und es könnte sein, dass die Menschheit reicher wird, indem sie ärmer wird, und gewinnt, indem sie verliert“.

 

 

Seite 9   Ostpreußische Sommertage. Von Ernst Krause-Millenberg. (Schluss)

Foto: Schwanenteich im Landsberger Land

Foto: Röhrenteich mit Badeanstalt bei Landsberg

Foto: Im Landsberger Wald

Die „Kiebigsten“ drängen sich nach vorn und lassen ein Quietschen hören, wenn die Eltern wieder mit ihrer „Insektensammlung“ unter pfeifendem Sirenen heransegeln. Der Abend sinkt nun ganz hernieder, die Nacht bricht herein, die eigentlich ja keine rechte Nacht ist. Wenn wir Glück haben, erleben wir wieder denselben späten Besuch wie vor ein paar Tagen, wo es neben der Bank in dem Steinhaufen mit einem Male zu rascheln anfing, als wir eine Zeitlang still gesessen hatten. Eine Igelmutter („Stachelschwein“ sagten wir als Kinder) kam uns ihre sechsköpfige Nachkommenschaft vorzustellen, allerliebste kleine Dingerchen mit weißschimmerndem Stachelpelz die auch schon ihre rosigen Schnäuzchen in Blätterbäuschen hineinzufummeln trachteten. Im Dorf unten spielt eine Ziehharmonika. Von hinterm Walde her, vielleicht von jenseits der Alle, klingt leise, aber vernehmlich ein Waldhorn herüber. Eine Eule „wischt“ in ihr rundes Schlupfloch im Scheunengiebel. Heute ist Peter-Paul. Es fällt uns ein, dass am Peter-Paul-Tage vor dreißig Jahren mit den Mörder Schüssen von Sarajewo „es anfing“. Die Fledermäuse haben die zwitschernden Schwalben mittlerweile längst abgelöst, sie huschen in unheimlicher Lautlosigkeit ganz dicht an uns vorbei. Im Osten loht es von Zeit zu Zeit auf. Ist das schon die Front? Das kann doch nicht sein. Ach nein, es wetterleuchtet nur. Plötzlich fängt uns zu frösteln an, wir gehen still zur Ruhe.

 

Hochsommer in unserm Ostpreußen! Neben den vielen gelben Blüten und dem Weiß der Schafgarbe läuten an den Feldrainen und Wegen überall in Blau alle Arten von Glockenblumen, und hin und wieder züngeln ein paar Flammen des roten Klatschmohns dazwischen. In den alten Bauerngärten duftet es jetzt stark nach Morgenblatt und Reseda, und die „Christoorbeeren“ werden gepflückt und die blankroten Trauben der Johannisbeeren. Die „Austäpfel“ sind zwar noch nicht ganz reif, schmecken den Jungens aber doch schon. Die Kinder ziehen jeden Morgen am Gehöft vorbei in ganzen Scharen, begleitet von einzelnen Frauen, in die „Heiden“, wie die Wälder vielfach genannt werden, um den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, den Blaubeeren Herr zu werden. Wenn sie mittags oder abends mit vollen Körben und Eimern zurückkehren, sieht man ihnen recht deutlich an, was sie tagsüber getrieben haben. In die Himbeeren, die auch nicht alle zu kriegen sind, gehen sie an anderen Tagen. Die schwarzen Brombeeren und die rotweißen Preißelbeeren, die den herben Beisatz abgeben, den wir im Winter zum Braten nicht missen mögen, kommen etwas später. Zwischendurch liefert der Wald Steinpilze, Reizger und Gelbchen, und die Weidegarten überziehen sich jede Nacht von neuem mit ganzen Kolonien gelblich-weißseidener Champignons, die in Kartoffelkörben gesammelt werden. An den Landwegen werden bald die Ebereschen mit ihren roten Quitschendolden leuchten, ans denen sich die kleinen Mädchen Ketten machen. Vom Walde her rucksen die Tauben und unsere Waldpolizisten, die Häher, „schreien uns aus“, wenn wir in ihr Revier eindringen. Die Lerche steigt noch immer ab und zu ins Blaue“ und fällt wie ein Stein herab, sobald sie sich verausgabt hat. Im Bruch unten an der Tränke der Jungviehgärten schiebt eine Entenmutter mit ihrer Nachkommenschaft vor uns davon.

 

Alles hat „gefruchtet“, alles neigt sich der Ernte zu. Das Getreide reift zusehends und das Korn wird schwer dies Jahr. Beim Roggen erkennt man schon ohne weiteres, dass er „gut lohnen“ wird, wenn man sieht, wie die langen Ähren vor lauter Gewicht sich überlegen. Der Weizen steht wohl noch steif und spitzenstarrend wie ein Landsknechtsheer; aber eine Handvoll von seinen Kolben hin- und hergewuchtet erweist, was drin ist. Der Hafer wird erst richtig zeigen, was er in sich htat, wenn man seine ersten Garben in der Hand auswiegen kann.

 

Ja, nun kommt die Hauptsache für den ostpreußischen Landmann, den Segen, den sein Fleiß und seine Geschicklichkeit mit Hilfe des Lieben Gottes bereiteten, zu ernten. Es war sprichwörtlich in unserer Heimat: wachsen tut bei uns meist genug, aber das Kunststück ist jedes Jahr immer dasselbe, das was gewachsen ist, hereinzubekommen. Mit der Tatsache musste man sich bei uns abfinden und mit ihr fertigzuwerden suchen, dass nämlich die Haupterntemonate Juli und August die niederschlagsreichsten Monate des Jahres waren, gegen die die anderen Monate erheblich abfielen. Die Ernte musste oft vom Felde „gestohlen“ werden. Es gab bei uns im Osten auch nicht wie hier im Westen gewisse größere Klimateppiche, z. B. etwa für ganz Ostpreußen jenseits der Weichsel; nicht nur in Wärme und Sonnendurchschnitt, sondern vor allem in den Niederschlägen sah die Klimakarte unseres Landes wie ein heimatlicher Flickerteppich aus. Ein Dorf, ein Gut, ein Kirchspiel hatte manchmal tage-, ja wochenlang leidliches Erntewetter, während auf ein oder zwei Meilen Entfernung einfach nichts zu machen war, alles „Umschmeißen“ nichts nützte und der Weizen längst „Zägel“ hatte oder die Hocken oben schon zusammengewachsen waren. Ostpreußen war eben eine Klimascheide,

der alle Extreme und alle Himmelsrichtungen sich auszugleichen trachteten. Wir hatten kein bequemes Leben bei diesem Klima. Dass alle Nas' lang ein Donnerwetter losging, damit rechnete man. Aber wenn es sich so langsam einregnete, wenn der Himmel wie ein Dudelsack grau in grau aussah oder ganz duster oder „beschworken“, wenn es mit „Sibbern“ abends aufhörte und morgens damit anfing, dann begann manchem doch „der Kragen zu platzen“.

 

Ernte heißt Gericht. Denn Gericht wird gehalten über alles, was auf dem betreffenden Acker gearbeitet wurde. Bald wird die Sense durch das Korn zischen. Ob man dies Jahr wie gewöhnlich mit der Gerste anfangen soll oder mit dem Roggen, weiß man noch nicht.

 

Noch ist es nicht ganz so weit. Es ist, als hielte alles auf dem Lande erst noch einmal den Atem an. Man fischt noch schnell die Teiche ab, damit die Fischkästen einen Vorrat an Karpfen und Schleien aufweisen. Es wird auch noch das Ding von der „Lucht“ geholt und in Bewegung gesetzt, von der unser Kleinster, Besuchern erzählte, „wir haben eine große, blanke, runde Blechtrommel, wenn der Papa die dreht, kommt Honig heraus“. Man fährt noch gegenseitig zu Verwandten und Bekannten zu Besuch. Man zeigt einander stolz die Felder, wobei eine geschickte Führung schwache Stellen auszusparen sucht, schlaue alte „Onkels“ aber immer ausgerechnet dorthin zu finden wissen und sich auch nicht ablenken lassen auf die dies Jahr noch immer guten Weiden mit den strotzenden Kühen.

 

Das Schönste an der Fahrt war bei solchen Besuchen dann stets die Heimkehr durch schweigende Dörfer, durch Wälder, in denen die Glühwürmchen im Grase grünlich leuchteten und winzige Laternchen dazwischen hin und her ihre Striche zogen. Und an Wiesen und Waldblößen vorbei, über denen die Nebelschwaden sich wie Elfenschleier sachte bewegten, fuhr man meilenweit, ohne dass ein störendes Wort fiel. Wenn es nicht schon zu spät geworden war, musste immer ein kleiner Umweg gemacht werden. An dieser Stelle wurde darin ganz langsam gefahren und schließlich gehalten. Diese Örtlichkeit hatten die Kinder „die Rehwiese“ benannt. Sie lag bei der Försterei Bollgudden an der Brücke über das Rammfließ. Dort standen dann die Rehe, die sich meist nicht stören ließen, rundherum herausgetreten aus dem Walde und ästen, hin und wieder einmal herüberäugend.

 

Eigentlich war schon alles bereit zu der Hauptschlacht, von der für den Landmann — und für den Städter mit — so viel, wenn nicht alles abhing. Die Maschinen standen schon alle aufgereiht fertig zum Einsatz. Das Spielchen mit dem „über-den-Nagel-brechen“ der Roggenkörner war schon einige Zeit in Tätigkeit gewesen. Aber den Ausschlag gab doch die Nachricht, dass jenseits von Wormditt schon die Hocken standen. Natürlich hatte der Kluth-Kluthshagen — Gott hab' ihn selig; er ist auch den Siegern zum Opfer gefallen auf seinem schönen Hofe — wieder vorgemuckt. Es gab ja in jeder Gegend immer Leute, die sich unter keinen Umständen den Ruhm nehmen ließen, die Ersten zu sein, manchmal auch auf die Gefahr hin, dass die Stengel noch grün waren und die Körner nachher schrumpften. Aber zu lange lohnte es auch nicht „zuzuwarten“, denn sonst klapperten nachher die Garben ihre Körner schon gegen die Leitern und auf der Tenne aus. Das Signal zum Anhauen zu geben, war verantwortungsvoll. Menge der Ernte und Gewicht der Körner hing davon ab. Es handelte sich dabei um Tage, um für jede Wirtschaft jede Lage den richtigen Zeitpunkt zu finden. Dazu gehörte Fingerspitzengefühl.

 

„Na, denn in Gottes Namen los!“ Die schönste Musik im Sommer ist das Dengeln der Sensen, wie im Winter das Brummen der Dreschmaschinen. Es ertönt jetzt überall. Morgen wird vorgehauen. Am Abend vorher gibt es nach Arbeitsschluss auf dem Hofe im Stehen für alles, was morgen eine Sense in die Hand nimmt, noch einen Schnaps aus einem „Klischchen“, immer in derselben Rangordnung, vom Herrn angefangen über den „Entspekter“ „Wirt“ oder „Vormann“ bis zum Jüngsten, der dieses Jahr zum ersten Mal dabei sein darf, was ihm unter seinesgleichen nicht zu knapp die Heldenbrust wölbt. Nun Bauernferien aus! Am nächsten und übernächsten Tage fahren die Maschinen vom Hof, „Ableger“ und Pferdebinder bei den Großbauern, große Zapfwellenbinder auf den Gütern, und in ganz kleinen Betrieben die Grasmäher mit einem Sozius, der die Portionen zum Binden abteilt. Sie knattern immer rundherum, d. h. wenn es geht. Denn oft genug muss mindestens eine Tour leer gefahren werden. Manches Jahr kann man zufrieden sein, wenn man das Getreide wenigstens von einer Seite fassen kann, ohne ihm die Ähren abzusäbeln. Nicht bloß die vier oder fünf „Ermländer“, die vor dem schweren „Fella“ gehen, sind, wenn daran kein Hilfsmotor mitarbeitet, schon nach einem halben Tage wie durchs Wasser gezogen und werden ausgewechselt. Auch die Menschen sind, Männer und Weiber, oft genug in Schweiß gebadet und arbeiten Tag für Tag elf Stunden ohne Auswechseln. „Das Trinken“ muss immer ausgiebig zur Stelle sein hinter einem schattenspendenden Busch, „das Trinken“, bestehend aus Kaffee, Dünnbier oder „Schemper“.

 

Es ging, wenn die „Ladersche“ ihr Geschäft verstand, etwas rauf auf diese achtzehn Fuß langen ostpreußischen Leiterwagen, die leer, natürlich unter Peitschenknall und Singen und Pfeifen der stehenden Kutscher in schlankem Trabe zum Tor hinausfegten. Erst voll beladen ächzten und schwankten die Fuhren im Schritt über die zu Staub zerstoßenen Wege die Anhöhe zum Hof empor. Und auf dem Felde musste sich auch jeder dranhalten, um mit seinem Fuder wieder zur Stelle zu sein auf dem Hof, wenn der vorige Kutscher gerade durch die dem Hofe abgekehrte Türe mit seinem Wagen die Scheune verließ. Die „Ladersche“ hatte gerade den Kutscher an den Leinen aufs Fuder klettern lassen und war selbst soeben erst, Röcke zusammengerafft, damit die Jungens nichts zu lachen hatten, heruntergerutscht. Sie gedachte, sich manchmal ein ganz klein wenig zu „verpusten“ und setzte sich an den Rand hinter eine Hocke. Aber es wurde meist nicht viel daraus. Schon bog der nächste Fahrer um die Ecke. Und sie geriet kaum, sich mit dem Kopftuch den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Die Lader mussten sich ungeheuer sputen, wenn sie die Garben, die ihnen die Staker nur so zufliegen ließen, einigermaßen ordentlich fleien wollten. Im Fach ging es ebenfalls hoch her, wörtlich hoch, besonders wenn man erst über dem Stakbalken stand. Es musste anständig eingeflieen werden, nach althergebrachten Regeln.

 

Und dabei spendete oft unsere herbe, aber frohwüchsige Heimat ihre Gaben in so verschwenderischem Maße, dass wir trotz der riesigen Scheunen noch Getreide in „Berge“, auch „Schober“ genannt, fahren mussten. Ein sachgemäß gesetzter „Berg“, der zum Dreschen natürlich später zuerst herankam, war übrigens durchaus als einigermaßen sicher zu erachten. Es musste alles, was zwei Beine hatte, heran zur Arbeit. Auch die Kinder wirkten mit, und war es auch nur beim „Weiterfahren“. Jeder hatte schon immer seinen Posten, den ihm keiner streitig machen durfte. Auch der alte Opa aus dem „Häuschen“ kam sich jedes Mal zum Schlepprechenfahren melden. Erst mit sinkender Nacht knarrte das letzte Fuder herein in den Hof und blieb gleich stehen, wie es war, unabgeladen, wenn für den nächsten Tag alle Anzeichen für andauerndes gutes Erntewetter

sprachen. Müde und steif krabbelten die letzten Leute, die noch auf den Feldern gewesen waren vom Fuder, überm Abendbrottisch schlief mancher beinahe schon ein. Die Knechte nahmen noch ein Bad im nahen Sprindteich oder im Bach. Der Sohn, der schon mit fünfzehn Jahren den von ihn übernommenen Binder nicht mehr aus der Hand gab, lag noch um 10 Uhr in der Dunkelheit unter der Maschine und schmierte und klempnerte daran herum. Zuletzt zog auch er noch mit Handtuch und Seife den Knechten nach, um wenigstens Staub, Schweiß und Öl so weit los zu werden, dass er nicht mehr „abmatschte“, wenn er ins Bett kroch.

 

Die Gerste steht am längsten in Hocken. Man muss die bestimmte Zeit abwarten können, bis man sie einfährt; sonst zahlt man Lehrgeld. Gleich kommt der goldene Weizen an die Reihe und der dies Jahr schwere Hafer. Ein Kapitel für sich ist das Ernten von allen Arten Rundgetreide. Die Ölfrucht, der ostpreußische Winterrübsen, ist ja sowieso schon vor dem Roggen geholt worden. Es war, wie immer, der reinste Eiertanz. Wenn seine kleinen Samen rote oder braune Bäckchen bekommen, dann nimm ihn! Nicht früher, auch nicht später! Das Rezept klingt einfach. Ja, wenn bloß nicht gerade immer ein kleines Schauerchen dazwischen gekommen wäre! Na, nehmen wir an, es verlief diesmal programmgemäß; trotzdem musste mit Unterlegetüchern und ähnlichem gearbeitet werden. Aber auch alles größere Rundgetreide, Erbsen, Bohnen, Wicken und Peluschken, so schön sie als wirtschaftseigenes, wertvollstes Eiweißfutter einen mit Vieh und Pferden nahezu unabhängig machten — der bessere Teil ließ sich immer außerdem noch für einen „guten Groschen“ verkaufen —, soviel Sorgen machte das Zeug während der Ernte. Jeder Regen und besonders abwechslungsreiches Wetter verringerte den Ertrag. In dieser Hinsicht gab es nichts, Empfindlicheres; immer mehr Schoten rollten sich wie Spiralen auf und ließen den Inhalt herauskullern. Es klapperte beinahe schon, wenn man scharf hinsah.

 

Mittlerweile werden die Tage schon sichtlich kürzer, aber der Arbeit ist noch immer übergenug, wenn man auch nicht mehr so unmäßig hasten braucht. Die Farben des Himmels werden am Abend immer prächtiger; der liebe Gott verwendet dazu seine schönsten Tuschen und Tinten. Der Storch, unser Haustier fast in der Heimat, hat mittlerweile schon seine Jungen groß gezogen, die in der letzten Zeit schon tüchtig Flugübungen veranstaltet haben. Immer war er dabei, wo es etwas für ihn zu tun gab. Er kannte den landwirtschaftlichen Betrieb so weit, dass er immer erst hinter den Erntemaschinen sich einfand, wenn das betreffende „Gewend“ fast ganz abgemäht und nur noch ein nicht zu großes Stück davon übrig war, in dessen Schutz die Mäuse des ganzen Feldes in einem ängstlichen Gewimmel sich zusammengeflüchtet hatten. Jetzt passte er genauestens auf und folgte dem Binder oder Ableger immer dicht aufgeschlossen. Jedes Mäuslein, das schon den drohenden langbeinigen Schatten bemerkt hatte und noch im letzten Augenblick unbemerkt zu enteilen versuchte, wurde erwischt. Und wenn das allerletzte Stückchen der Halme umsank, hatte es der alte Geselle recht schwer, um mit Herunterschlingen immer schnell genug fertig zu werden. Bei der Frühjahrsbestellung war er ein ebenso treuer Begleiter des Pflügers gewesen wie im Sommer beim Brachen. Nun war seine Zeit schon wieder einmal um: am 25. August war von alters her sein Abreisetag, zehn Tage nach Maria Himmelfahrt, wie man im Ermland sagte. Es war wohl noch Hochsommer, und die jungen Störche hätten vielleicht noch etwas mehr an Übungen vertragen. Aber bei der langen Reise, die man vor sich hatte, konnte man nicht mehr länger zögern. Die Vögel des Himmels gehorchten dem Willen ihres Schöpfers.

 

Unsere eigenen Jungens mussten im letzten Sommer in der Heimat z. T. noch als Kinder zusammen mit älteren Leuten vom Hofe weg nach Litauen und an die Heimatgrenze unter dem sinnlosen Zwang verantwortungsloser Tyrannen; manch einer kehrte nie mehr zu den Seinen zurück, über dem Walde hatte es schon vor Beginn der Roggenernte zu donnern angefangen. Es donnerte unaufhörlich, bald schwächer, bald stärker. Das war leider nicht der gewöhnliche Donner des Himmels.

Und dieser Donner verstärkte sich von Woche zu Woche. Und jeden Abend und jede Nacht wurde das Blitzen am Nordosthimmel immer deutlicher, und zuletzt war es ein wahres Feuerwerk. Mit blutendem Herzen krampften wir uns fest in den Boden, aus dem wir gewachsen waren, und beschlossen, zu bleiben um jeden Preis. Wir zahlten einen entsetzlichen Preis, aber umsonst. Der Tod hielt eine schreckliche Ernte unter uns und riss uns übrigbleibende los und schwemmte uns in die Fremde und in die Zerstreuung . . .

 

 

Seite 10   Bonner Bundestag passt veraltete Gesetzgebung an.

Noch vor den großen Ferien erließ der Bundestag am 14. Juli 1954 eine Verordnung, die nicht nur von einem ganzen Wirtschaftszweig als längst fällig erwartet wurde, sondern auch darüber hinaus als Präzedenzfall angesehen werden darf.

 

Die Vorgeschichte ist kurz folgende: Als nach der Währungsreform die Lage des deutschen Weinbaues immer schwieriger wurde, gingen einige führende Firmen daran, neue Möglichkeiten der Weinverarbeitung zu suchen, um gerade auch den kleinen Winzern, die sich auf Grund ihrer fehlenden Verkaufsorganisationen einer fast ausweglosen Situation gegenübersahen, einen regelmäßigen Absatz zu sichern. Andererseits brachten Marktuntersuchungen und eine Beobachtung der geäußerten Einfuhrwünsche seitens des Handels die Feststellung, dass in Deutschland ein gesteigerter Bedarf an weinhaltigen Getränken verschiedener Geschmacksrichtung besteht, die im westlichen und südlichen Ausland seit langem eingeführt sind und sich dort großer Beliebtheit erfreuen. Das gilt vor allem für den wohlbekannten Aperitif der Franzosen, der sich viele deutsche Freunde gewonnen hat.

 

Es erschien deshalb durchaus logisch, dass man eine Herstellung eines gleichartigen Getränkes aus deutschen Weinen ins Auge fasste, zumal die eingeholten Erkundigungen bei den zuständigen Stellen ergaben, dass dem von gesetzgeberischer Seite nichts im Wege stände. Sollte, so wurde ausdrücklich vom zuständigen Bundesministerium versichert, in der alten Gesetzgebung irgendein Hemmnis für diese Herstellung sein, so werde man vor Neuregelung auf keinen Fall die Herstellung oder den Verkauf irgendwie hemmen. Soweit schön. Bedeutende Kellereien, unter anderem die Hans Müller KG, Rastatt, die als größte Kellerei des Weinlandes Baden gilt, nahmen die Produktion und den Verkauf eines „deutschen Aperitifs“ auf, und die Absatzkurve ging bald steil aufwärts. Ebenso bald zeigte sich aber auch, dass die Gesetzgebung wirklich nicht in der Lage war, eine eindeutige Stellungnahme zu diesem neuen „Fall“ zu geben. In einem Prozess wurde nachgewiesen, dass die Kräuterweinverordnung von 1936 eine Handhabe bot, den deutschen Aperitif zu verbieten. Zwar waren führende Juristen gegenteiliger Ansicht, auch wurde ins Treffen geführt, dass man bei Erlass dieser Verordnung im Jahre 1936 wohl kaum an Aperitifs gedacht haben dürfte, da diese unter dem damaligen Regime als fremdländisch verfemt waren. Aber dem Freispruch der Hersteller durch die 1. Instanz folgte eine gegenteilige Entscheidung durch die Berufungsgerichte mit dem Erfolg, dass eine allgemeine Unsicherheit entstand, die nicht nur dem Hersteller schwersten Schaden zuzufügen drohte, sondern auch den ganzen Plan der Hilfe für die große Zahl der kleinen Winzer illusorisch zu machen schien. Natürlich ergingen Eingaben an die Bundesbehörden, aber es geschah nichts, lange, lange Zeit. Einzelne Bundestagsabgeordnete, die besonders am Weinbau interessiert sind, bemühten sich ebenso um eine Regelung wie die zuständigen Berufsverbände und Organisationen.

 

Endlich beschloss nun der Bundestag am Tage vor Beginn seiner Ferien eine Ergänzungsverordnung, nach der diese Herstellung möglich ist. Er beendete damit einen Schwebezustand, der für alle Beteiligten zu einer immer unerträglicheren Belastung wurde.

 

Jeder Unternehmer weiß heute, welches Risiko mit der Neuherstellung eines Artikels verbunden ist, welche Belastung die im Allgemeinen notwendigen Bankkredite darstellen und wie viel unbekannte Faktoren an und für sich schon jede Vorausspekulation trägt. Zeigt sich dann doch, dass von Seiten eines Bundesministeriums ausdrücklich gegebene Versicherungen nicht eingehalten werden, so übersteigt das Risiko das erträgliche Maß.

 

Das vorliegende Beispiel beweist, wie sehr die Wirtschaft des Verständnisses gerade des Gesetzgebers bedarf, damit sie im heutigen scharfen Kampf um den Markt wirklich alle Möglichkeiten zum Wiederaufbau und zur Stärkung der gesamten Volkswirtschaft ausschöpfen. Es wäre überaus erfreulich, wenn dieser Fall für die Bundesgremien Anlass zu weniger langwieriger und mehr von praktischem Denken beeinflusster Behandlung der Sorgen und Nöte der Wirtschaft wäre. Den Nutzen hätten alle Kreise unseres Volkes.

 

 

 

Seite 10   Wir gratulieren

75 Jahre alt

Am 12. Juli 1954, feierte Frau Krause ihren 75. Geburtstag. Sie war die Ehefrau des Konrektors Krause in Kreuzburg bei Königsberg, der über 40 Jahre dort amtierte und das musikalische Leben der Stadt beeinflusste. Frau Krause musste es mit ansehen, wie ihr Mann auf der Flucht in Stolp ermordet wurde. Frau Krause war lange Jahre die Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins in Kreuzburg und ihre Tätigkeit dabei ist in dankbarer Erinnerung geblieben. Sie lebt heute in Kaltenkirchen/Holst. Ihre Freunde und alle die, denen sie geholfen hat, wünschen ihr einen Lebensabend in Gesundheit, Frische und Zufriedenheit.

 

Gestütsoberrentmeister i. R. Richard Baller vom früheren Preuß. Landgestüt Georgenburg. Kr. Insterburg, jetzt in Relliehausen, Kr. Einbeck wohnhaft, vollendet am 13.198. 54, sein 75. Lebensjahr. Alle ehem. Gestütangehörigen gedenken seiner und wünschen weitere gesunde Ruhejahre.

 

 

Seite 10   Flensburg

Im Monat August 1954 können die nachstehend aufgeführten betagten Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern.

 

Am 02.08.1954: Ferdinand Schoettke, Apenrader Straße 8, früher: Pillau, Breite Str. 8, 78 Jahre.

 

Am 05.08.1954: Emil Berge, Bauerlandstraße 44, früher: Schanzkrug, Kreis Labiau, 88 Jahre.

 

Am 05.08.1954: Hermann Beutler, Lehrer a. D. Peter-Christian-Hansen-Weg 9, früher: Königsberg (Pr.), Am Bahnhofswall 9, 80 Jahre.

 

Am 06.08.1954: Martha Felsner, Sager Schützenheim, früher Insterburg, Göringstraße 13, 75 Jahre.

 

Am 07.08.1954: Leo Schleicher, Wees, Landkreis Flensburg, früher Memel, 79 Jahre.

 

Am 07.08.1954: Hans Unruh, Tegelbarg 52, früher: Germau, Kreis Samland, 71 Jahre.

 

Am 08.08.1954: Benina Görke, Friesische Str. 84, früher: Schmalenken, Kreis Tilsit, 73 Jahre.

 

Am 08.08.1954: Berta Pedack, Friesische Straße 29, früher: Nußberg, Kreis Lyck (Ostpreußen), 74 Jahre.

 

Am 09.08.1954: Fritz Böhnack, Heinz-Krey-Lager, früher: Schippenbeil, Königsberger Straße 17, 73 Jahre.

 

Am 13.08.1954: Hermann Fischer, Mühlenholz 20, früher: Insterburg-Waldgarten, Oberlandjäger i. R., 74 Jahre.

 

Am 14.08.1954: Anna Lenzen, Husumer Weg 124, 71 Jahre.

 

Am 19.08.1954: Barbara Karpinski, Martinsstift, früher: Johannisburg, Abb. 8, 82 Jahre.

 

Am 19.08.1954: Ida Schleicher, Wees, Landkreis Flensburg, früher: Memel, 70 Jahre.

 

Am 22.08.1954: Hedwig Danielczyk, Bismarckstraße 58, früher: Königsberg, Rippenstr. 29, 71 Jahre.

 

Am 22.08.1954: Peter, Maaßkaserne, früher: Gr.Jägersdorf, Kreis Insterburg, 72 Jahre.

 

Am 24.08.1954: Albert Gubbey, Johannisstraße 29, früher: Spirgsten, Kr. Lötzen, 70 Jahre.

 

Am 28.08.1954: Fritz Müller, Marienhölzungsweg 26, früher: Löwenhagen, 74 Jahre.

 

Allen treuen, alten Mitgliedern unserer Familie gratuliert die Landsmannschaft Ostpreußen (insbesondere der Vorstand) in Flensburg aufs herzlichste und wünscht Ihnen für den Lebensabend alles Gute. Armoneit.

 

 

Seite 10   Suchanzeigen

Gesucht wird Frau Rechnungsrat Anna Rossius, Königsberg Beethovenstr. 43, von Frau Marga Baltrusch. Bad Reichenhall, Luitpoldstraße 12.

 

Frau Frieda Friedel, geborene Czwanka, geboren 1892, ist am Sonntag, den 04.07.1954 beim Ostpr.-Treffen in Hannover, Halle 4, gesehen worden. Ich bitte um die Anschrift von Frau Friedel. Paul Born, Göttingen, Weidenweg 22

 

Gesucht wird Klemens Schliwa, Kaufmann, aus Wartenburg/Ostpreußen, von seiner Schwester M. Moschall (24b) Erfde über Rendsburg.

 

Litauenheimkehrer! Wer kam am 10.05.1951 mit Sammeltransport „Kaunas“ nach Deutschland und traf am 14.05.1951 um 17 Uhr im Lager Wolfen bei Bitterfeld mit einer Edith Lange ein? Im Auftrage der G. P. U. waren ihr 2 Kinder (1 Junge 8 Jahre, 1 Mädchen 10 Jahre) anvertraut. Am 6., 7. od. 8. Juni 1951 kam Edith Lange (damals 15-jährig) mit beiden Kindern in ein Kinder- oder Mädchenheim. Wer kam mit ihr und auch von dort weg und wohin? Nachr. erb. gegen Unkostenerstattung an Hertha Bartel, Bad Pyrmont, Humboldtstr. 14.

 

Heimkehrer! Wer weiß etwas über Wachtmeister Heinr. Wallat, geb. am 04.03.1916, Heimatanschr.: Tilsit, Bismarkplatz, zuletzt bei Nachrichtenabteilung 41, im Raum von Rumänien. Feldpostnr. 01739. von Rumänien. Feldpostnr. 01739. Nachr. erb. an Charlotte Wassel, Hirnstetten. Haus 16, über Eichstätt.

 

Suchen Hans und Erna Danegger, aus Bartenstein (Ostpreußen), Zietenstr., und Aug. Helferich, aus Heilsberg (Ostpreußen) Waldhaus. Nachricht erb. an E. Schmekal u. Frau, Brelingen über Hannover.

 

Achtung, Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal oder den Verbleib der Familie Schuhmacher, Fritz Ludat, aus Königsberg, Ballieth Br. 51. Ludat hat lange Jahre beim Wehrmachtbekleidunigsamt in Rothenstein als Schuhmacher gearbeitet. Kameraden des Bekleidungsamtes, die über seinen Verbleib berichten können, meldet Euch! Unkosten werden vergütet. Ferner wird gesucht der Töpfer Bartek und seine Frau geb. Ludat. Nachr. erb. Fritz Niemsik, Dachtmissen, Kr. Burgdorf über Lehrte/ Hann.

 

Gesucht werden August u. Maria Jordan, aus Schmauch, Kreis Pr.-Holland; ferner die Brüder Karl und Gustav Jordan, aus Schmauch. Kreis Pr.-Holland, sowie die Schwestern Berta Becker geb. Jordan, Maria Eichler, Hedwig Giesa, Anna Reinholz, Ida Armbrust, Emma Jordan und Erna und Frida Jordan, aus Schmauch, Kreis Pr.-Holland. Nachr. erbeten an Frau Anna Platz, Wipperfürth, Josefstraße 18.

 

Suche meine Eltern: Ernst Sagert und Anna Sagert, geb. Steinbrück, verw. Krebs, bis Dezember 1944 in Königsberg, Blücherstraße 4 wohnhaft gewesen. Seitdem verschollen. Nachr. erb. an Fritz Krebs, Berlin N. 20, Exerzierstraße 16.

 

Kaufmännischer Verein, Königsberg (Pr.), wer weiß etwas über den Verbleib von Fräulein Anna Liehr, der langjährigen Bibliothekarin der Bücherei des Kaufm. Vereins Königsberg, Gluckstraße.

 

 

Seite 11   Familienanzeigen

Es ist bestimmt in Gottes Rat, . .

Fern der Heimat starb nach langem, schwerem Leiden unsere liebe, treusorgende Mutter, Großmutter, Schwester, Schwägerin und Tante, die Lehrerwitwe Frau Antonie Buttkereit, geb. Kühnast, aus Königsberg-Metgethen, im 76. Lebensjahr. Reichenbach bei Lahr (Schulhaus), den 12. Juli 1954

In tiefer Trauer: Else Zilian geb. Buttkereit, Stadtoberinsp.-Witwe. Siegfried Zilian, Enkel

 

Zum 80. Geburtstag

am 8. August 1954, gratulieren wir unserm lieben Onkel und Schwager, Herrn August Stadthaus in Los Angeles (USA), früher: Königsberg i. Pr., Berenstraße. Die Böddenstedter, Krs. Uelzen

 

 

Seite 12   Turnstätten des Königsberger Männer-Turn-Vereins von 1842

Foto: Schauturnen des K.M.T-V. 1842 beim Stiftungsfest 1899 aul dem Vereinsplatz Königstraße 72 (Königseck)

Foto: Vereinsheim des K.M.T.V. 1842 in Königsberg, Cranzer-Allee 32

Im Juni 1842, unmittelbar nach Aufhebung der sogenannten „Turnsperre“, wurde der Königsberger Männer-Turn-Verein gegründet, der damit der älteste Turnverein in ganz Preußen war. Für das Turnen im Sommer stellte ihm die Stadt zunächst den Platz der Altstädtischen Armenschule und von Mai 1844 ab einen größeren Raum auf dem Jahrmarktsplatz zur Verfügung. Im ersten Winter wurde zweimal wöchentlich im Saale des Altstädtischen Gemeindegartens und vom Winter 1843/1844 ab mit Genehmigung des Königs im Moskowitersaal des Königsberger Schlosses über der Schlosskirche geturnt. Der Vorstand des Vereins war aber von vornherein bedacht, eine richtige Turnhalle zu schaffen.

 

Die Begeisterung der Mitglieder für die turnerische Zielsetzung brachte schon 1846 das Baukapital für eine eigene Turnhalle zusammen, die mit einem Aufwand von 8000 Thalern auf dem Jahrmarktsplatz erbaut und am 09.11.1846 mit einem festlichen Schauturnen eröffnet wurde. Da der Grund und Boden städtisches Eigentum geblieben war und die Halle auch dem Schulturnen diente, übernahm die Stadt am 01.10.1858 die Halle gegen Zahlung einer Entschädigung von 5000 Thalern in ihr Eigentum, räumte aber dem Verein ein dauerndes Benutzungsrecht für seine Übungsabende ein.

 

Im Laufe der Jahre stellte sich jedoch das Bedürfnis nach einer größeren, den neueren Anforderungen gewachsenen Turnhalle ein, bei der auch ein größeres Freigelände für das Sommerturnen sein sollte.

 

Am 09.08.1891 wurde mit einem früheren Vereinsmitglied, Dr. Fritz Lange in New York, dem Begründer der Albertina, ein Kaufvertrag über das Grundstück Königstraße 72 abgeschlossen. Der Kaufpreis betrug 69 000 Mark, wovon 19 000 Mark bar angezahlt wurden. Zu dem Bau der dort geplanten Turnhalle ist es nicht gekommen, aber als Turn- und Spielplatz wurde dieses Grundstück sehr rege benutzt. Die Turnhalle am Jahrmarktsplatz, in der Kaiserstraße, blieb weiterhin Übungsstätte für die wöchentlichen Turnabende und das ganze Winterturnen.

 

1900 verkaufte der Verein das mitten in der Stadt gelegene Grundstück Königstraße 72 an die Stadt; von ihr erwarb es 1902 die Königsberger Wohnungsbaugenossenschaft, die darauf die Wohnblocks Königseck errichtete. Die Verhandlungen über eine Ersatzbeschaffung zogen sich einige Jahre hin. Erst 1906 wurde der vor dem Roßgärter Tor an der Cranzer Allee liegende 20 000 qm große Turn- und Spielplatz erworben, auf dem 1910 ein Fachwerkbau mit Gerätehalle, Umkleide- und Duschräumen und Platzmeisterwohnung errichtet wurde. Zwei Luftbäder für Männer und für Frauen vervollständigten die Platzanlagen. Die Entfestigung von Königsberg im Jahre 1910 brachte zwar die Aufhebung der Baubeschränkungen mit sich, die bisher auf dem Grundstück ruhten. Für die Errichtung einer eigentlichen Turnhalle konnte sich der Turnrat aber nicht entschließen. Das Grundstück war zwar unbelastet. Die Aufnahme einer Bauhypothek erschien den verantwortlichen Männern aber als ein zu großes Risiko.

 

Ein Bebauungsplan für das ehemalige Festungsvorgelände sah eine Straße von der Cranzer Allee über den Vereinsplatz hinweg nach der Rennparkallee vor. Dazu wurde vom Verein mit der Stadt ein Vertrag geschlossen, nachdem der durch die Straße abgeschnittene südliche Teil gegen ein an den nördlichen Teil angrenzendes größeres Gelände getauscht und dadurch eine Gesamtgröße von 40 000 qm für den neuen Spielplatz des Vereins erreicht wurde. Die Ausbaukosten hatte allerdings der Verein zu tragen. Bis zu dem niemals verwirklichten Bau der neuen Straße stand außerdem das übrige Grundstück auch noch dem Verein zur Verfügung. Der erweiterte neue Platz wurde 1932 beim 90. Stiftungsfest eingeweiht. Er war bald der Mittelpunkt des ganzen Vereinslebens, soweit der Betrieb nicht an eine feste Turnhalle gebunden war. Für den Ausbau des alten und des erweiterten Spielplatzes an der Cranzer Allee hat der Verein zusammen rund 170 000 Mark aufgewendet, wohl das beste Zeichen für den wahrhaft turnerischen Geist, der stets im KMTV 1842 geherrscht hat. Wilhelm Alm

 

 

Seite 12   Goldene Hochzeit

Das Ehepaar Max Wolcke — Luise Wolcke, geb. Buckner (geboren in Insterburg Ostpreußen) 75 Jahre und 69 Jahre alt, feiert am 2. September 1954 seine goldene Hochzeit in Alpirsbach im Schwarzwald, Burghalde 52, wohin es am Ende seiner abenteuerlichen Flucht über die Ostsee gelangt ist. Jeder Ostpreuße weiß, was das damals im Januar 1945 in der grimmigen Kälte bedeutete. Hameln war ihr erster Ruhepunkt auf der großen Völkerwanderung. In Alpirsbach sind sie nun sesshaft geworden, haben sich aber nicht mehr von dem Verlust ihrer Heimat und ihres Besitzes erholt. Beide Ehepartner sind in Insterburg aufgewachsen, da ihre Eltern dort wohnten. Frau Wolcke übernahm dann später ihren mütterlichen Besitz als Erbin in Insterburg in der Belowstr. 21.

 

10 Enkel hoffen, ihre Großeltern zur goldenen Hochzeit einigermaßen gesund wiederzusehen.

An unsere Leser!

 

 

Seite 12   Gesucht werden aus:

Königsberg, Samitter oder Cranzer Allee: Gertrud Kähler, geb. etwa 1917, von ihrer Tochter Irmgard Kähler, geb. 17.09.1939.

 

Königsberg: Fritz Donath und Trude Donath, von ihrem Sohn Hans-Georg Donath, geb. 01.07.1938 in Königsberg.

 

Königsberg: Erwin Emil Laskowski und Frieda Charlotte Laskowski, von ihren Kindern Arno Laskowski, geb. 09.07.1937, und Erika Laskowski, geb. 10.01.1940.

 

Königsberg: die Mutter oder sonstige Angehörige sowie Frau Fischer mit Tochter Waltraut, für Klaus Müller, geb. etwa 1943.

 

 

Seite 12   Bei den Falknern vom Falkenhof Ortelsburg

Dass die „Falknerei“, die Jagd mittels abgerichteter Raubvögel, vorzüglich der Falken, Habichte und Sperber, eine der ältesten Jagdarten überhaupt, in unserer Heimat vor den Kriegszeiten wieder etwas in Erscheinung trat, ist fast ganz unbekannt. Wir hatten nun aber in Ortelsburg einen ausgesprochenen „Falkenhof“, der dem Jägerbataillon Graf Yorck von Wartenburg gehörte und sich bereits größten Interesses erfreute.

 

Die Falknerei wurde nachweislich zuerst von mittelasiatischen Nomadenstämmen betrieben und kam im Mittelalter zu hoher Blüte. Das Aufkommen der Feuerwaffen und andere Gründe drängten dazu, dass die Falknerei in Europa in den Hintergrund trat, dass sie fast gar nicht mehr ausgeübt wurde.

 

In aller Stille entstand nun im Jahre 1929, wohl in erster Linie auf Betreiben des Vogelprofessors Dr. Thienemann von der Vogelwarte Rossitten auf der Kurischen Nehrung, in Ortelsburg ein regelrechter Falkenhof.

 

Wer seinerzeit aus heimatkundlichen Gründen Ortelsburg aufsuchte, wurde bereitwilligst durch einen Posten zu dem mit einem netten niedrigen Zaun aus Birkenstämmchen umhegten Falkenhof geführt. Der Falkenmeister Ernst Stock, ein hochgewachsener, frischer Obergefreiter, übernahm nicht nur die Begrüßung, sondern auch die Einführung in die Geheimnisse der ganzen Falknerei.

 

Der Werdegang des Ortelsburger Falkenhofes war in einem Gästebuch festgehalten. „Den Gedanken, das Jägerbataillon mit der ältesten und weidgerechtesten Jagdart zu verbinden, verdanken wir Herrn Oberleutnant Knabe. Unser lieber Vogelprofessor Dr. Thienemann, Rossitten, lehrte uns 1929 „die Kunst mit Raubvögeln zu jagen“. Dem deutschen Osten dieses kulturelle Werk zu erhalten, es seinen ideellen, ästhetischen wissenschaftlichen und segelflugsportlichen Aufgaben zuzuführen, ist unsere höchste und vornehmste Aufgabe. Die Durchführung dieses einzigartigen Werkes im deutschen Osten war nur durch die restlose Unterstützung von Vorgesetzten, Kameraden und Freunden der Falknerei möglich“.

 

Der Ehrenvorsitzende des Falknervereins, Professor Dr. Thienemann, der mit seiner unübertroffenen Erfahrung und Liebe zur Vogelwelt hegend und pflegend, beratend dem Falknermeister und seinen drei Falknern zur Seite stand, hat seinerzeit sein Urteil über die zweite Falknertagung und die aus diesem Anlass abgehaltene Beizjagd auf Hasen, Wildkaninchen, Rebhuhn und Fasan in der Umgebung von Ortelsburg in dem Gästebuch festgelegt.

 

„Unter dem Eindruck der heute früh erlebten, wohlgelungenen Falkenjagd beim Jägerbataillon schreibe ich diese Zeilen und wünsche dem so prächtig ausgebauten Falkenhof weiteres Blühen, Wachsen und Gedeihen.

 

Hoch die edle Falknerei!“

 

Auch andere Falkner, so der Generaloberarzt a. D. Molet de Beauregard, legte in dem Gästebuch fest, „dass seine Erwartungen durch die vorzüglichen Leistungen übertroffen worden seien und die Beizjagd zu Pferde ein prächtiges Bild geboten hätte“.

 

Die Besichtigung des ganzen Falkenhofes war interessant. Die eine Seite desselben nahmen die „Kammern“ der Falken ein. Eine lange Schriftzeile über diesen trug folgende Inschrift: „Wir jagen nicht um der Beute willen, sondern des Hohen und Schönen wegen bei der Jagd!“ Die Kammern waren verhältnismäßig groß und waren mit den Namen der Insassen versehen. Man las die Namen Erika, Werda, Urte, Kriemhild, Brunhild, Oberleutnant Knabe, Professor Thienemann und stellte fest, dass der seinerzeit berühmte Thienemannsche Kaiseradler „Sturm“, der einzige Kaiseradler Deutschlands, hier sein Stammquartier aufgeschlagen hatte und für die Beize abgerichtet war. Der Falkenhof verfügte damals außer dem „Sturm“ über fünf Wanderfalken, elf Habichte mit Flug, vier Habichte ohne Flug, einen Uhu und das zur Atzung dienende Tierzeug. Besonders interessant war die Feststellung, wie einzelne der Falben zu den Falknern standen, wie ja das gewisse Freundschaftsverhältnis zwischen dem Falkner und den Falken eine der wichtigsten Voraussetzungen für die „Abtragung“ — so nennt der Falkner die Abrichtung, ist. Einer der Falken, es war die „Erika“, erwies seine Kunst beim Schlagen auf eine tote Beute, eine Hasenatrappe, und erbrachte durch sein sonstiges Verhalten den schönsten Beweis dafür, wie Mensch und Tier zusammenarbeiten können, wenn Verständnis und Liebe des wahren Tierfreundes die natürliche Scheu des Falken überwunden hat

 

Alles, was seinerzeit hinsichtlich des Ausbaues des Falkenhofes geplant wurde, staatliche Anerkennung als Raubvogelwarte, der auch gleichzeitig Wildschutz bedeutet, alles dieses, was in unserer Heimat geplant wurde, einzigartig im Deutschen Reich, hat durch die Ereignisse des Raubes unserer Heimat sein Ende gefunden. Erich Reichelt

 

 

Seite 12   Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a, zu richten.

 

Gesucht wird:

 

Franz Schmidtke, aus Aglohnen, Kreis Memel, für Fritz Schmidtke, geb. 08.04.1922

 

Frau Wolf, aus Allenstein, für Alfred Wolf, geb. in Allenstein

 

Familie Wessolek, aus Alt-Märtinsdorf. Kr. Allenstein, für Richard Wessolek, geb. 17.10.1926 in Alt-Märtinsdorf

 

Familie Wiede, aus Bärholz, Post Thierenberg, für Bruno Wiede, geb. 11.05.1927 in Bärholz

 

Martha Wichert, aus Balden, Kreis Neidenburg, für Eduard Wichert, geb. 22.11.1908 in Bialutten .

 

Friedrich Weißenfeld, aus Bischofsburg, Markt 11. für Heinz Weißenfeld, geb. 03.10.1908 in Groß-Rominten

 

Gustav Wenzlawski, aus Breitenfelde. Kr. Neidenburg, für Artur Wenzlawski, geb. 06.12.1926 in Breitenfelde

 

Familie Winter, aus Geierseck, für Gustav Winter, geb. am 13.03.1901

 

August Weinert, aus Groß-Köllen, Kreis Allenstein, für Alfons Weinert, geb. 06.08.1920 in Groß-Köllen

 

Johann Rabenhorst, aus Großmannstern, Kreis Groß-Werder, für Kurt Wessel, geb. 12.01.1926 in Großmannstern

 

Familie Wolff, aus Groß-Warzni, für Hermann Wolff, geb. 08.02.1920 in Groß-Warzehnen

 

Frau Winter, aus Insterburg, Skagerrakstr. 8 für Herbert Winter geb. 14.12.1908 in Berlin-Charlottenburg

 

Gustav Weinert, aus Jaugehnen (Samland), für Gustav Weinert, geb. 15.03.1916 in Jaugehnen

 

Irma Winter, aus Kämmersdorf, Kreis Osterode, für Hans Winter, geb. 10.04.1910 in Kämmersdorf

 

Dorothea Dotos, aus Klein-Nonnütz Kr. Trappen, für Johann Wiltorszky, geb. 26.06.1901 in Trappen

 

Lieselotte Wolf, aus Königsberg, Alte Pillauer Landstr. 25, für Ulrich, Helmuth, Hugo Wolf, geboren am 24.02.1926 in Kiaunten

 

Emma Wiener, aus Königsberg, Am Landgraben 12, für Günther Wiener, geb. 24.06.1925 in Königsberg

 

Auguste Wiechert, aus Königsberg, Buddestr. 16, für Günther Wiechert, geb. 14.02.1916 in Königsberg

 

Fritz Woelm, aus Königsberg, Königseck 2, für Heinz Woelm, geb. 21.07.1920 in Königsberg

 

Frau Wichmann, aus Königsberg, Lauth, für Fritz Wichmann, geb. 02.09. 1907 in Lobitten

 

Frida Wernke, aus Königsberg, Pappel, bei Rasch, für Helmut Wernke, geb. 27.10.1906 in Königsberg

 

Franz Wöcköck, aus Königsberg, Samitter Allee 122, für Willi Wöcköck, geb. 28.07.1920 in Hierenberg

 

Gertrud Wink, aus Königsberg, Metgethen, Jägerweg 11 – 13, für Johann Wink, geb. 07.07.1914 in Tengen

 

Herr Wehslowski, aus Lautern, Kreis Rössel, für Josef Wehslowski, geb. 01.09.1926 in Lautern.

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