Ostpreußen-Warte, Folge 08 vom August 1951

Seite 1   Bekenntnis zu Gesamtdeutschland

 Im gesamten Bundesgebiet und in Berlin werden sich am 5. August 1951 Millionen Heimatvertriebener zusammenfinden, um den „Tag der Heimat" zu begehen. Mit ihnen werden sich auch alle Westdeutschen, die sich ihrer gesamtdeutschen Verantwortung bewusst sind, zum deutschen Osten und damit zu Gesamtdeutschland bekennen. Der „Tag der Heimat" soll für uns nicht nur ein Tag der Erinnerung an unsere Heimat sein, wir wollen uns auch darauf besinnen, was nicht nur wir selbst, sondern alle Deutschen mit dem deutschen Osten vorläufig verloren haben und dass dessen Rückgewinnung eine Lebensnotwendigkeit für unser gesamtes Volk darstellt. Deshalb ist es notwendig, dass in diesem Jahr der „Tag der Heimat" noch stärker als in den Vorjahren zu einem gemeinsamen Bekenntnis der Ost- und Westdeutschen zum deutschen Osten gestaltet wird.

Nach der Atlantik-Charta wollten die Alliierten keine territorialen und sonstigen Veränderungen suchen, sie wünschten keine territorialen Veränderungen, die nicht mit den frei ausgedrückten

Wünschen der betreffenden Völker übereinstimmen. - Nur wenige Jahre nach der Unterzeichnung der Atlantik-Charta geschah eines der größten Verbrechen der Weltgeschichte: Die Austreibung von

15 Millionen Ostdeutscher aus ihrer Angestammten Heimat! Für Millionen brachte das Potsdamer Abkommen den Tod!

 Heute fordern wir mehr denn je, dass die Grundsätze der Atlantik-Charta auch für uns Deutsche Gültigkeit erhalten, dass damit das gewaltige Unrecht an uns Ostdeutschen wieder gutgemacht wird!

Erst wenn dieses Unrecht beseitigt sein wird und wir Deutschen in einem geeinten freien Deutschland leben werden, wird Europa und damit die gesamte kultivierte Welt auf die Dauer bestehen können. Daran wollen wir am „Tag der Heimat" denken und auch bei dieser Gelegenheit fordern, dass dieser Tag zu einem nationalen Feiertag des deutschen Volkes erklärt wird. Alle Deutschen sollen sich bewusst sein, dass ohne den deutschen Osten ein Deutschland niemals sein wird! Stärker denn je ist daher heute das Gebot der Stunde: Einigkeit! So wollen wir Ost- und Westdeutschen uns unserer gesamtdeutschen Verantwortung bewusst sein und am „Tag der Heimat" ein gemeinsames Bekenntnis zum deutschen Osten und damit zu Gesamtdeutschland ablegen.

 

Die Landsmannschaft vertriebener Ostpreußen, Kreisverband Straubing, gab bekannt, dass sie die Hochkommissare bitten werde, sich für die Freilassung des früheren Großadmirals Dönitz einzusetzen. Es sei der Entschlossenheit von Dönitz zu verdanken, dass es gelingen sei, Tausende von Ost- und Westpreußen über See nach Westdeutschland zu retten.

 

 

Seite 1   Wir haben das Korn geschnitten. Dr. Walter Schlusnus

Foto: Treuburg, die deutsche Stadt an der Grenze

 Wenn der Glanz des Sommers, die Sonnenpracht der heißen Wochen über der Erde steht, reift das Getreide auf den weiten Feldern Ostpreußens. Schier geblendet wird das Auge von dem goldenen Schimmer der Ähren ringsum bis zu der flimmernden Linie, wo der lichtblaue Himmel im grellen Sonnenlicht die gelbe Erde in dunstiger Ferne berührt. Von Johanni bis Bartholomäi dauert diese segensreiche Zeit, und sie ist nur kurz. Aber wenn eich die Wünsche des Volksmundes nach den alten Wetterregeln erfüllen, genügen die wenigen Wochen vollauf, um den ganzen Erntesegen in den Scheunen zu bergen. Die Zeit der Reife und die Erntezeit fallen bei dem kurzen ostpreußischen Sommer fast zusammen. Ab Johanni darf es deshalb nicht mehr regnen, so wünscht es sich der um die Ernte besorgte Landmann: „Johanniregen ist ohne Segen!" Doch schon zu Bartholomäi

(24. August) muss das Korn in den Scheuern sein, denn längere Trockenzeit würde wiederum die Feldfrüchte des Herbste« verderben: „Wenn es zu Bartholomäi regnet .wird der Herbst trocken, und die Kartoffeln gedeihen gut!“

 Jetzt i«t die hohe Zeit des Jahres, die Erntezeit. Wenn die Sensen im Schwung der Männerarme erklingen und die Binderinnen sich eilen müssen, mit dem Schritt der Mäher im Binden der Garben mitzukommen, wenn die langen Reihen der Schnitter und Schnitterinnen im Rhythmus der Arbeit durch die welligen Kornfelder ziehen, dann gibt es keinen Müßigen. Jeder nimmt Anteil an dieser Arbeit des Kornschneidens, von den Schuljungen angefangen bis zum ältesten Mütterchen. Der vorübergehende Nachbar oder Fremde ruft den Schnittern ein freundliches „Viel Glück!" zu. Auf dem Felde weckt der Schweiß der Arbeit und die Hitze des Tages brennenden Durst, dass auch zurückhaltende Gemüter sich zum abkühlenden Trunk ermuntert fühlen. Eine stille Verabredung besteht deshalb unter den Schnittern: Jeder achtet darauf, wann der Hofbesitzer auf dem Felde erscheint, um nach dem Fortgang der Arbeit zu sehen. Wird er dann von einer Schnitterin unvermutet überrascht und „gebunden", dann muss er sich durch eine Extra-Spende mit Geld, Bier oder Schnaps „loskaufen". Erst wenn er mit dem erfrischenden Getränk wieder aufs Feld kommt, darf er das Seil aus Ähren, das ihm um den Arm gebunden ist, lösen.

 

So ist die Erntearbeit nach alter Oberlieferung mit der Ausübung vieler Bräuche verbunden, deren Sinn in der Verknüpfung von Naturgesetz und Menschenleben begründet ist. Schon der Beginn der Ernte wird von den ausziehenden Schnittern und Schnitterinnen mit einem feierlichen Lied begangen, wie solch frommer Anfang auch bei manch anderer Gelegenheit im ländlichen Leben Sitte und Brauch ist.

 

Das Feld Ist weiß, die Ähren nun sich neigen, um ihrem Schöpfer Ehre zu erweisen-, sie rufen: Schnitter, lass die Sensen klingen und unsers Herren Lob zum Himmel dringen!

Ein Jahr, Allgüt'ger, ließest du gedeihen, bis sich gereift die Saat zum Brot will weihen; wir sammeln nun die dargebotne Gabe. Von dir, o Herr, kommt alle unsre Habe.

Dein Ruhm besteh' in alle Ewigkeiten, und wollest stets uns Armen Schutz bereiten. Lass unsern Preis zu deinem Ohre dringen, von deinen Taten wolln wir fröhlich singen.

(Ostpreußen-Erntelied aus Masuren)

 Wirkliche Festtage sind die Erntetage. Frischer „Fladen" und ein kräftiger Trunk gehören als besondere Zusatz-Erfrischung dazu. Und wenn gegen Abend die Garben zu Hocken zusammengestellt werden und die Hockenreihen weit über die Felder bis in den vom abendlichen Sonnenlicht erstrahlten den Himmel verlaufen, erklingt unter den vom Segen der Tagesarbeit erfüllten, heimkehrenden Männern und Frauen das alte Lied:

 „Es dunkelt schon auf der Heide, nach Hause

lasst uns gehn, wir haben das Korn geschnitten mit unserm

blanken Schwert . . ."

 Schon fahren unablässig die mit vier Pferden bespannten, hoch getürmten Erntewagen zur Tenne, kunstvoll mit Peitschenknall vom Sattel aus gelenkt, hindurch durch die Tücken der schmalen Feldwege, hohen Wegeböschungen und vorspringenden Zaunecken. Die abgestakten Wagen rasseln aufs neue in schlankem Trabe, vom Jauchzen der in der Kunst des Ladens wetteifernden Mädchen begleitet, aufs Feld. Keiner der Kutscher und keins der Mädchen möchte die Schande auf sich nehmen, mit einem schlecht geladenen Fuder oder einem schlecht kutschierten Gespann umzukippen oder die halbe Ladung im Trab zu verlieren. Achsen und Leitern haben dabei gewiss etwas auszuhalten. Aber jetzt beim Einfahren zeigt es sich, wer seine Sache versteht. Stolz steht der Bauer am Hoftor und wacht aufmerksam darüber, dass kein Hemmnis den Fluss der Arbeiten unterbricht. Auch die Jungens haben in der Erntezeit ihren großen Tag Jetzt haben sie Gelegenheit, auch einmal viere lang zu kutschieren. Wenn der Gespannführer auf dem Felde die Forke zum Staken ergreift, um seiner „Laderin" Bewegung zu verschaffen, haben sie schon die zugeworfene Leine und Peitsche aufgenommen und sitzen im Sattel, um kunstgerecht „weiterzufahren". Wer von den Zwölfjährigen Pech hat und die von Bremsen geplagten Pferde nicht dirigieren kann, erlebt in den Augen der Altersgenossen den Schimpf, in angemessener Entfernung zuschauen oder die Gänse auf den Stoppeln hüten zu müssen.

 

Höhepunkt der Erntezeit ist in Ostpreußen die Beendigung des Roggenschnitts. Dieses Ereignis wird zu einem regelrechten Fest, bei dem die Freude über das vollbrachte Jahreswerk an Übermut grenzt. Das innige Bewusstsein der ewigen, gleichen Gesetzlichkeit von Natur und Leben, wie es vom ländlichen Menschen erlebt wird, erregt alle Beteiligten zu festlicher Stimmung, in die sich selbstbewusste Freude über das gelungene Werk eigener Mühe und Arbeit und tief empfundener Dank für den Segen der Erde mischen. Der hoffnungsvolle Wunsch, das Glück des Reichtums dieser Erde für Haus und Hof auch in Zukunft zu besitzen, ist das innere Motiv, allen, die zum Gelingen des Werkes beigetragen haben, gern und freudig vom Überfluss zu spenden. Das ist eine gleiche Selbstverständlichkeit wie die Sitte, die Symbole des Erntesegens heilig und in Ehren zu halten. Von Jahr zu Jahr werden sie im Hause bewahrt, - und solange die Erntekrone am Deckenbalken hängt, solange geht das Brot im Hause nicht aus.

 

Das ostpreußische Erntebrauchtum ist tief verwurzelt in der Überlieferung der altpreußischen Vorfahren. Wenn gelegentlich noch vor 400 Jahren das ostpreußische Landvolk im Herbste dem Gott der Fruchtbarkeit und des Ackersegens, der gleichzeitig Schutzherr alles jungen Lebens war, Ähren- und Früchteopfer darbrachte, so konnten sich diese Bräuche bis in die Gegenwart lebendig erhalten. Der Gott des Ackersegens der altpreußischen Mythologie wird auf einer Zeichnung des 16. Jahrhunderts dargestellt als ein Jüngling mit dem Ährenkranz auf dem Haupte. Der Darstellung sind ferner beigefügt die Bilder eines kleinen Kindes, des Feuers und einer Urne. Sie verraten nach Sinngehalt und Form einen Naturglauben, wie er vor der Christianisierung im germanischen Ostseegebiet herrschend war. So knüpften sich im Naturglauben die Jahrtausende ohne inneren Bruch aneinander. Wenn in unserer Zeit die Ährengarbe des Erntefestes vor dem Altar in der Kirche stand wie z. B. in Weißuhnen im Kreise Johannisburg am Spirdingsee, so weihten auch unsere Vorfahren vor Jahrhunderten dem altpreußischen Ernte- und Fruchtbarkeitsgott Kurche die letzte Gabe, und deren Körner mischten sich zum Zeichen fortdauernden Segens in die Saat des Frühjahrs. Der gleiche Brauch wurde in Ostpreußen bis in die Gegenwart hinein geübt, wie man auch in den Zwölften und zu Neujahr dem Vieh einige Körner vom Erntekranz ins Futter mischte, damit es im kommenden Jahre gut gedeihe.

 

Die letzte Garbe, der Ährenstrauß und Ährenkranz, die Wassergüsse, Trunk Und Feier mit segens- und Dankesspruch sind die Hauptmotive des ostpreußischen Erntebrauchtums. Die letzte Garbe wird mit besonderer Feierlichkeit abgemäht. Lärmend streichen alle Schnitter ihre Sensen. Der letzte Schnitter erhält einen Trunk. Die Garbe wird alleine auf das Stoppelfeld gestellt, alle Schnitter und Schnitterinnen treten herum und binden aus den Ähren dieser Garbe den Erntekranz und -Strauß und die Erntekrone. Mancherorts ließ man auch einen Rest des Getreidefeldes unabgemäht stehen für die Korn- oder für die Erdgeister, damit man im nächsten Jahr Glück habe. In Burdungen im Kreise Neidenburg wurde dieser unabgemähte Rest „Petrusknoten" genannt, worin sich noch eine Beziehung zum alten prußischen Wetter- und Erntegott zu erkennen geben mag. Verschiedentlich fand bereits auf dem Felde um dieses letzte Ährenbüschel eine Feier statt, wenn von ihm der Ährenstrauß gebunden wurde. Ein frommer Spruch und ein feierliches Lieb begleiten die Handlung.

 

An der Sense des Vorhauers befestigt wird die Erntekrone in feierlichem Zuge nach Hause gebracht. Je näher der Zug dem Dorfe kommt, desto munterer wird die Stimmung. In langgezogenen Tönen singt der Vorhauer einen Satz des Ernteliedes vor. Der folgende Chor gibt in lebhafter Weise Antwort. Von den Birken auf dem Hofe, den schönen Töchtern der Hofherrin, vom Honigschnaps und dem stolzen Freier auf dem braunen Pferdchen ist die Rede und noch von vielen anderen Dingen, die die erntefrohen Menschen sich selbst oder ihrer Herrschaft wünschen. Und immer wieder ertönt der Kehrreim gemeinsam. Bei der Ankunft auf dem Hofe wird der Zug vom Bauern und der Bäuerin vor der Haustreppe empfangen. Mit einem langen Spruch und vielen Segenswünschen werden Erntekrone, Strauß und Kranz überreicht, und die Schnitter und Schnitterinnen singen dazu das beschwingte alte Volkslied von der Erntekrone.

 „Mit lautem Jubel bringen wir die schöne Erntekron,

mit voller Pracht und voller Zier winkt nun der holde Lohn.

 Seht, Brüder, diesen Erntekranz! Er führt zum Ernteschmaus

und dann zum raschen, muntern Tanz vor unsers Herren Haus.

 

Die Garben, die hier um uns stehn, die folgen uns bald nach,

sie nähren uns von früh bis spät so manchen lieben Tag.

 

Das Brot, es schmeckt uns doppelt süß! Wir wissen, was es kost',

wenn man mit saurem Schweiß und Fleiß es selbst verdienen muss.

 

Wir alle ziehen nun davon vom Felde, das uns trug.

Ihr Schnittermädchen, geht voran, fangt an, fangt an den Zug!

Wir wünschen unserm Herrn viel Glück und schenken ihm die Kron',

es ist ein Schnittermeisterstück und mehr als bloßer Lohn.  

Und unser Gutsherr lebe hoch mit seinem ganzen Haus!

Wir rufen ihm zu seiner Ehr ein dreifach Hoch nun aus!

(Ostpreußisches Erntelied)

 

Alle Arbeiter werden jetzt vom Gutsherrn, der dem Gesinde seinen Dank für die Arbeit ausspricht, zum Erntefest auf der Tenne und zur Bewirtung mit Kuchen, Bier und Schnaps geladen. Doch ehe die Versammlung sich auflöst, trifft auch schon die Mädchenschar der erste Wasserguss, und es entwickelt sich eine regelrechte Wasserschlacht, ein alter Brauch, der nach dem Volksglauben besonders den Mädchen Schönheit und dem ganzen Hause der Herrschaft wie dem Gesinde, Glück und Gedeihen bringen soll. Wenn die Ziehharmonika und die Geige erklingen, erreicht das Fest mit Tanz und Fröhlichkeit auf der Tenne seinen Höhepunkt, Der Ernst und die Strenge harter Arbeit finden Auslösung in Scherz und Ausgelassenheit. Gewisslich erlebte bei solchen Gelegenheiten manche verschlossene Natur explosive Durchbrüche. Aber der natürliche Wechsel als Ausgleich der Kräfte erfrischte Herz und Sinn zu neuer Arbeit und bewahrte überlieferte Sitte und ehrwürdigen Brauch.

--- Die ostpreußischen Getreidefelder werden wieder einmal reifen. Wie früher in der Heimat müssen wir auch jetzt in der Verbannung bereit bleiben zur Ernte - das Korn zu schneiden - … mit unserm blanken Schwert".

 

 

Seite 2   Vertriebenen-Schicksal 


Vor dem Landgericht Hildesheim kam kürzlich noch einmal die ganze Tragik unseres Vertriebenen-Schicksals und ihre Folgen zur Sprache. Ein Ostpreuße hatte gegen seine Ehefrau, wegen Tötung seiner vier Kinder, die Ehescheidung beantragt. Das Gericht kam jedoch zu der grundsätzlichen Entscheidung, dass in diesem Falle die beantragte Ehescheidung abzulehnen sei.

 

Beim Einmarsch der Russen war die Frau mit ihrer Mutter und ihren Kindern ins Wasser gesprungen, um Vergewaltigungen zu entgehen. Während die Kinder ertranken, kam sie selbst mit dem Leben davon. Der Antrag des Mannes, die Tötung als schwere Ehe-Verfehlung anzusehen, wurde vom Gericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass auf Grund der herrschenden Verzweiflungsstimmung die Ehefrau für ihre Tat nicht voll verantwortlich gemacht werden könne.

 

 

Seite 2   Ostpreußen auf sowjetisch

 Der Göttinger Arbeitskreis" hat aufgrund einer eingehenden Auswertung sowjetamtlicher Karten vom „Gebiet Kaliningrad", d. h. des sowjetisch besetzten Gebietsteils Ostpreußens, eine umfassende Liste der sowjetischerseits durchgeführten Umbenennungen der deutschen Ortsnamen durchgeführt, die demnächst veröffentlicht werden wird. Es geht daraus her. vor, dass man viele Ortsnamen nach Ereignissen oder Personen aus der Geschichte der KP-UdSSR wählte wie z. B. Kaliningrad (Königsberg), Krasnooktjabrskoje (Gr. Ponnau bei Wehlau), Komssomolsk (Löwenhagen), Pionjerskij (Neukuhren), Frunsenskoje (Großlugau), Sowjetsk (Tilsit, Sowjetskoje (Bergendorf) u. a. m. Besonders interessant ist auch, dass die Namen russischer Heerführer aus den napoleonischen Kriegen zur Umbenennung ostpreußischer Orte benutzt wurden. So heißt z. B. Pr.-Eylau jetzt Bagrationowsk, Schirwindt: Kutosowo und Eydtkau: Tschernischewskoje.


Außerdem sind, wie ein Vergleich der Karten von 1947 und 1950 ergab, verschiedene Orte bereits zweimal umbenannt worden: Tschernischewskoje hieß vorher Tschkalow und Rossitten hatte zunächst den Namen Rybatschij (von: rybak = Fischer), heißt aber jetzt Rabotschij (von: rabotschij der Arbeiter). Eine Anzahl von Ortsnamen ist selbst auf Karten von 1950 sowjetamtlich noch In deutscher Sprache angegeben, so: Ellerkrug, Gutenfeld, Marienhof, Quednau, Nordenburg und andere.

 

Nach Stalin oder einem sowjetischen General des zweiten Weltkrieges wurde bisher kein ostpreußischer Ort benannt.

 

 

Seite 2   Ein Grußwort von Ernst Pawelcik

 Der Begründer der Marienburg-Festspiele und Erster Bürgermeister von Marienburg, Regierungsrat a. D. Bernhard Pawelcik, richtet aus Anlass der Wiederaufnahme der Festspieltradition durch Eberhard Gieseler, folgendes Grußwort an die „Marienburg-Festspiele":

 Eine frohe Kunde ist für mich als den Begründer der Marienburg-Freilichtspiele vor dem historischen Rathaus im Schatten der Marienburg die Wiederaufnahme dieser Festspieltradition durch Eberhard Gieseler, den erfolgreichen Veranstalter und künstlerischen Leiter der Wallenstein-Festspiele 1950 in der ostdeutschen Kulturwoche und in dem Niedersachsentag in Braunschweig.

 Die Gedanken schweifen zurück in jene auch schwer bedrängte Zeit nach dem 1. Weltkrieg im gefährdeten korridorgetrennten West- und Ostpreußen, das in der Volksabstimmung des 11. Juni 1920 um sein Deutschtum zu kämpfen hatte. Auf meine Anregung wurde mit Unterstützung aus dem abgetrennten Danzig, in Hochmeisters Großem Remter der Marienburgbund als Träger der Marienburg-Festspiele gegründet. Als es mir dann gelang, für diese Hermann Merz, den erfolgreichen Generalintendanten der Zoppoter Wagner-Waldfestspiele und seine hochbegabte Gattin Etta zu gewinnen, wurde wagemutig mit ersten deutschen Schauspielern und den Kräften des Danziger Stadttheaters sowie mehreren hundert Marienburger Laienspielern unsere Festspielbühne unter der Schirmherrschaft Hindenburgs eröffnet. Ernst Hammers „Bartolomäus Blume", jenes feierliche kultische Spiel vom tapferen Leben und aufopfernden Sterben des Marienburger Bürgermeisters: J. 1460 ging mit durchschlagendem Erfolg über die Bühne. Mehr als 20 000 Ostdeutsche fanden hier begeistert Erhebung bei den mehrjährigen Wiederholungen.

 Die Große Presse erkannte den Festspielen, wahrhaft und in ethischem Sinn volkstümlichen Charakter mit hinreißender Wirkung zu. In den Folgejahren kam es u. a. zu Aufführungen von Goethe's Egmont und Götz von Berlichingen sowie Max Halbes Heinrich von Plauen. Bei meinem Scheiden aus Marienburg, konnte ich einen bedeutenden Fundus einen beachtlichen baren Reservefond hinterlassen.


Eberhard Gieseler gehörte zu den begeisterten Freunden und Förderern der Marienburg-Festspiele. Mit heller Freude und heißen Wünschen begrüße ich das Unternehmen der Wiederaufnahme dieser wertvollen Tradition und weiß sie in bewährter Hand an solchen Stätten wie u. a. in Bad Harzburg, vor der Kaiserpfalz Goslar und im traditionsreichen Lüneburg.

 Möge auch das bedrohte Grenzland Schleswig-Holstein Eichendorff's „Der letzte Held von Marienburg' an würdiger Stelle erleben.

Erster Bürgermeister, gez. Bernhard Pawelcik (Schleswig)

 

 

Seite 2   Raub bleibt Raub

 Vor seiner Abreise nach Europa veröffentlichte der bekannte amerikanische, Vorkämpfer für die Menschenrechte der deutschen Heimatvertriebenen, Prof. Dr. A p p, Philadelphia, in der Zeitung des „Verbands amerikanischer Staatsbürger deutscher Herkunft": „The Voice of the Federation" einen grundsätzlichen Aufsatz zur Frage der amerikanischen Europapolitik, in dem er forderte, dass die Vereinigten Staaten mit Nachdruck für eine Rückgabe der Heimatgebiete der deutschen Vertriebenen eintreten sollten.

 

In Erwiderung auf von exilpolnischer und exiltschechischer Seite laut gewordene Stimmen, dass der gegenwärtige Stand der „Grenzen" Polens und der CSR in alle Zukunft beibehalten werden müsse und die Vertriebenen niemals zurückkehren dürften, schreibt Prof. App u. a.: „Die Antwort hierauf ist, dass Amerika in Europa keine andere Aufgabe hat, als dafür zu sorgen, dass kein weiteres europäisches Gebiet in sowjetische Hände fällt und dass jene Gebiete zurückgegeben werden, die durch unsere Potsdam-Politik bereits in sowjetische Hand fielen. Das heißt, dass es "unsere Hauptaufgabe ist, Ostpreußen, Pommern, Schlesien und das Sudetenland für die deutschen Vertriebenen zurückzugewinnen. Wenn man dies polnischer- oder tschechischerseits nicht will, so sei darauf hingewiesen, dass Diebstahl Diebstahl und Raub Raub ist, ganz gleich, ob er von kommunistischer oder von demokratischer Seite begangen wird."

 Mit Nachdruck hebt Prof. App hervor, dass es vor allem darauf ankomme, die moralischen Grundsätze auf diese Weise auch in Europa durchzusetzen.

  

Seite 3   Der „Masurenhof“ bei Treuburg

Foto: Der Masurenhof, von ostpreußischen Kiefern umgeben

 ,,Ich habe auf meinen vielen und weiten Reisen zwischen Spitzbergen und Oberägypten und den Kanarischen Inseln und Kleinasien und Insbesondere auch in unserm schönen deutschen Vaterlande viele schöne Erholungsunterkünfte kennengelernt, aber ich muss gestehen, dass ich meinen Aufenthalt im „Masurenhot" mit zu den allerschönsten Erinnerungen im Gedächtnis behalten werde."

 Diese Zeilen entnehmen wir dem Schreiben eines namhaften Arztes, der im „Masurenhof“ einige Wochen Ausspannung und Erholung gesucht und gefunden hatte.

 Fürwahr, unser Ostpreußen war und ist so überaus reich an landschaftlichen Reizen. Eine Vielzahl von ihnen war allgemein bekannt und zog ständig einen regen Fremdenverkehr an sich. Daneben aber gab es wundervolle  Stellen, die abseits lagen, die völlig unberührte Natur geblieben und nur wenigen, man möchte sagen, den „Feinschmeckern unter den Naturfreunden“ bekannt und von diesen besucht waren.

 Ein solch herrliches Fleckchen der Schöpfung war jene Stelle am Ostufer des Treuburger Sees, wo einst, nur wenige Meter vom Strande entfernt, von ragenden Kiefern geschützt, die kleine Gaststätte „ Liebchensruh" den Wanderer zur Rast einlud. Den Wanderer, der von Treuburg her vorbeiwandelte an der Badeanstalt, vorbei am schmucken Bootshaus des Segelklubs, vorbeiwanderte an dem von alten Erlen bestandenen Berg, aus dessen Fuß munter eine frische Quelle sprudelte, der vorüber kam auch am Seedranker Berg, zur Rechten immer begleitet von dem Plätschern und Gemurmel der zum Ufer treibenden Wellen des Sees, bis ihn der Wald - - - der Borr - - - aufnahm und ein schmaler Pfad nach „Liebchensruh" führte.

 

Nach kurzer  Rast dort ging es dann weiter hinein in den Wald - in Richtung Eichhorn. Und der stille Lauscher der Natur horchte auf das Klopfen der Spechte und das Gurren der wilden Tauben, schaute dem behänden Eichhörnchen nach und stand gebannt beim Anblick eines Rudels friedlich äsenden Rehe, während hoch über den Wipfeln der Bäume ein Bussard seine Kreise zog.

 

So war es einst vor zwanzig und gewiss auch schon vor fünfzig und noch mehr Jahren. Und an der für Masuren eigenen, so wunderbaren Verbindung von Wald und Wasser und dem tiefblauen Himmel, über den einmalig schön geformte und phantastisch gefärbte Wolken ziehen, hatte sich auch später nichts, natürlich nichts geändert.

 

Nur, wo ehemals die kleine Gaststätte „Liebchensruh" stand, war ein weit größeres, mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattetes Gästehaus, der „Masurenhof" erstanden. Stilvoll passte auch er sich in die Landschaft und bot einem größeren Kreis von Menschen, die einen aufgeschlossenen Sinn für die Natur und ihre Schönheiten haben, Gelegenheit zu längerem Aufenthalt und Erholung in diesem naturbegnadeten Eckchen des Herzens Masurens.

 

In der Zeit seines Bestehens weilten viele, viele Gäste aus Ostpreußen selbst, aus allen anderen Teilen Deutschlands und auch aus dem Ausland im „Masurenhof". Viele von ihnen haben sich anerkennend über die schöne Lage, über den Bau- und Einrichtungsstil und über die Leitung und das Personal dieser ostpreußischen Gaststätte geäußert, und alle haben die Erkenntnis mitgenommen, dass selbst im entlegendsten Teil Ostdeutschlands eine allen abendländischen Ansprüchen entsprechende Wohnkultur gepflegt wurde, und dass die Inhaber von ostpreußischen Gaststätten Willen und Sinn hatten, ihren Gästen ein schönes und behagliches Heim zu bieten. Dieses mögen die hier gebrachten Aufnahmen einhärten, bei deren Anblick sich wohl manchem ehemaligen Gast die Frage aufdrängen wird: „Wo aber sind Jungbluts geblieben, unter deren Leitung der Masurenhof stand?!"

 

Sie führen mit altem Schwung und der bekannten Umsicht die „Lutherschenke" in Holzminden und hoffen, noch einmal mit Krebsen aus der Lega und Spritzkuchen aus eigener Konditorei alle die bewirten zu können, die auch noch einmal wieder von der Terrasse des „Masurenhof" über den wellengekräuselten See auf Treuburg, die treue deutsche Stadt, schauen wollen. Gern, brennend gern wäre ich mit dabei . . .

Wilhelm Keller

 

 

Seite 3   Aus dem Stammbuch des „Blutgerichts“

 Das Blutgericht in Königsberg – wie viel Erinnerungen werden wach bei diesem Namen. Wie viele Gäste sind dort eingekehrt, wie viele hat der Wein zu ein paar Versen angeregt? Da schrieb am 19. Oktober 1922 Graf Luckner:

 Kiekt in de Sünn

Und nicht in das olle Muslock,

Wo das so duster ist -

Uns deutsche Eichbaum steiht noch.

Als Philosoph betätigt sich der ostpreußische Dichter Fritz Skowronnek am 3. Juli 1920:

 Allzeit fröhlich ist gefährlich,

Allzeit traurig ist beschwerlich,

Allzeit glücklich ist betrüglich,

Eins ums andre ist vergnüglich.

 

Ostpreußens Humorist Robert Jordan schreibt am 19. Februar 1903:

 

In unserm lieben Blutgericht —

Hei, wie die Pfropfen knallen!

Ist mancher, ob er wollt, ob nicht

Die Treppe hinauf gefallen.

Das können schon kleine Kinder,

Herunterfallen ist nicht schwer,

Jedoch hinauf! das ist schon mehr

Ein Kunststück für zechende Sünder.

 

Ernst von Wolzogen tut es nicht ohne ein ausgewachsenes Gedicht. Es lautet:

 Versagt ist mir der Ruhm des Zechers,

Denn ich bin kein Athlet des Zechers,

Nie bin ich untern Tisch gesunken,

Nie war ich richtig noch betrunken.

Allein an guten alten Flaschen

Andächtig mit Verständnis naschen,

Bis der befreiten Seele Schwung

Sich steigert zur Begeisterung,

In dämmrig trauen Kellerecken

Der Herzen Tiefstes zu entdecken

Und in solch wohligem Erschließen

Die Poesie des Weins genießen,

Wie nur der deutsche Biedermann,

Ja, das gelingt mir dann und wann.

Hab solche frohen Feierstunden

Auch hier im Blutgericht gefunden.

Hier, wo's von rauchgeschwärzten Mauern

herabweht voll Erinnerungsschauern.

Es freut sich heut Mann, Weib und Kind,

dass statt des Blutes nur Rotwein rinnt,

kein Ketzerrichter Ränke spinnt Und –

Jungfrau'n nicht mehr eisern sind.

 

Deutschlands Außenminister Gustav Stresemann war am 27. November 1924 im Keller. Er hielt es mit Goethe:

 Trunken müssen wir alle sein,

Jugend ist Trunkenheit ohne Wein.

Trinkt sich das Alter wieder zur Jugend,

So ist das wundersame Tugend.

 Doch Schluss. Man wird sonst wehmütig. Heute ist das Blutgericht zerstört. Der Stein mit der Inschrift ist zerbrochen. Aber ein Wort aus dem Stammbuch hat heute noch Kraft. Es lautet: „Es gibt ein Reich, welches nicht da ist, aber durch unser Tun und Lassen wirklich werden kann."

 

 

Seite 3   Landrat Dr. Wachsmann gestorben

 Erst jetzt erreicht uns die Nachricht, dass am 6. April 1951 Dr. Bruno Wachsmann verstorben ist. Dr. Wachsmann war bis zum Jahre 1933 Landrat des Kreises Treuburg. Seinem gediegenen Wissen, seinem verwaltungstechnischen Können und ganz besonders seiner Energie und seiner nie Ruhe wollenden Schaffenskraft verdankt der Grenzkreis Treuburg sein Aufblühen. Dr. Wachsmann sorgte neben vielem anderen für den Ausbau der Straßen und schenkte der Stadt und dem Kreis Treuburg und damit Ostpreußen das Ehrenmal im Hindenburgpark, das nach dem Reichsehrenmal Tannenberg das größte Natursteindenkmal Ostdeutschlands darstellte.  

Wir, die wir den Vorzug hatten, damals mit dem Dahingegangenen eng zusammenzuarbeiten, wissen uns eins mit vielen, vielen Ostpreußen in der Trauer um diesen geraden und aufrechten deutschen Mann.

Dr. Bruno Wachsmann wohnte nach dem Zusammenbruch in Wiesbaden und war als Regierungsdirektor der ständige Vertreter der Regierungspräsidenten.

 

 

Seite 6   Wir gratulieren

 Frau Oberin Margarethe Weiß, geb. zu Milchbude bei Tilsit - Tochter des Oberamtmannes und Rittergutsbesitzers Weiß-Perwalkischen - vollendete am 19.06.1951 bei bester Gesundheit ihr 75. Lebensjahr. Frau Weiß, die heute in einem kleinen Dachkämmerchen in Volmarstein/Ruhr, Altersheim Bethanien wohnt, hält treu an ihrer Heimat fest.

 

 

Seite 8   Das Memelland von 1919 bis 1939. Von Hans Mittelstaedt

(1.     Fortsetzung)

 Das während der französischen Verwaltung in deutscher und litauischer Sprache erschienene „Amtsblatt des Memelgebiets" erschien jetzt in litauischer und deutscher Sprache. Zoll, Post und Eisenbahn nahm Litauen sogleich aus der Gebiets- in seine unmittelbare Verwaltung. An Stelle der bisherigen memelländischen Briefmarken - französische Marken mit Sonderaufdruck - erschienen litauische Marken mit Sonderaufdruck. - Litauen betrachtete sich bereits als endgültigen Erwerber des Memellandes.

Die Arbeiterschaft und die ärmere Bevölkerung des Memellandes erhielten - die alte deutsche Mark war gesetzliches Zahlungsmittel und die Reichsbankstelle in Memel geblieben - von Litauen je 5,— Litas litauischer Währung (= ½  USA-Dollar) geschenkt. Politisch blieb das Geschenk eindruckslos. Durch eine Verordnung wurde mit dem 30.06.1923 (als 150 000 Mark = 1 USA-Dollar galten) die litauische Währung an Stelle der Mark im Memelland eingeführt. Das gehörte auch nicht zu der Weiterführung der Verwaltung, war wirtschaftlich gesehen aber kein Nachteil für die Bevölkerung.

 

Der vorher eingetretenen Beruhigung und Rechtssicherheit war nach der litauischen Okkupation eine neue Zeit voll Unsicherheit und Spannungen gefolgt. Lange Verhandlungen um das weitere Schicksal des Memellandes unter wesentlicher Beteiligung von Oberbürgermeister Dr. Grabow in Paris folgten. Litauen verkündete schnell eine Autonomie des Memellandes, die jedoch wenig Wert hatte, da sie als bloßes litauisches Gesetz von Litauen auch jederzeit wieder aufgehoben oder eingeschränkt werden konnte.

 

Am 1. Mai 1924 endlich wurde zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten (ohne die USA, die auch den Versailler Vertrag nicht unterzeichnet hatten) einerseits und der Republik Litauen andererseits als internationaler Staatsvertrag die „Konvention über das Memelgebiet" geschlossen. Sie gliederte das Memelgebiet als autonome Einheit Litauen nur an, nicht ein. Das Memelstatut als Bestandteil der Konvention und parlamentarisch - demokratische Verfassung des Memellandes mit Vorrang vor den litauischen Gesetzen gab dem Memelland insbesondere:

 

Gleichberechtigung der deutschen und litauischen Sprache als Amtssprachen, eigene Gesetzgebung und Verwaltung auf den Gebieten des Schulwesens, des bürgerlichen und Strafrechts sowie der Gerichtsverfassung, direkten Steuern, der Kommunalverwaltung und Polizei, anerkannte ausdrücklich die „wohl erworbenen Rechte" der Beamten, schuf für die eingesessene Bevölkerung, die ursprünglichen Einwohner des Memelgebiets", die Eigenschaft als „Bürger des Memelgebiets" und gewährte ihnen allein das Wahlrecht zum Gebietslandtag, die Regelung des Bürgerrechts für später Zugezogene der autonomen Gesetzgebung übertragend, und gewährte ein Optionsrecht.

 

Gesetzgebende Versammlung war der Landtag des Memelgebiets (mit 29 Abgeordneten). Die von ihm beschlossenen Gesetze wurden vom Präsidenten des Landesdirektoriums gegengezeichnet und von dem litauischen Gouverneur im Amtsblatt des Memelgebiets verkündet. Oberste Gebietsbehörde war das Landesdirektorium, Vertreter der litauischen Regierung ein von ihr ernannter Gouverneur in Memel. Der Gouverneur hatte ein genau umgrenztes Vetorecht gegen vom Landtag beschlossene Gesetze. Er ernannte den Präsidenten des Landesdirektoriums, dieser bildete dann das Direktorium, das zur verfassungsmäßigen Amtsführung des Vertrauens des Landtages bedurfte. Im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Landesdirektoriums konnte der Gouverneur den Landtag auflösen. Die Neuwahlen mussten in bestimmter Frist stattfinden.

 Als gutachtliches Organ der autonomen Gesetzgebung bestimmte das Autonomie-Statut einen Wirtschaftsrat unter dem Vorsitz des Memeler Oberbürgermeister.

 Ein besonderer Teil der Konvention, „Statut des Hafens von Memel", bestimmte für diesen wegen seiner internationalen Bedeutung eine besondere Verwaltung, „Direktion", bestehend, aus je einem von der litauischen Regierung, dem Landesdirektorium und dem Völkerbund ernannten Mitglied, die aus ihrer Mitte den Präsidenten wählten.

 Im litauischen Landtag (Seim) erhielt das Memelland eine Vertretung durch 5 Abgeordnete.

 Diese bisher einzigartige Regelung hätte einen Fehler des Vertrages von Versailles z. T. etwas verbessert und zwischen den beiden sehr verschiedenen Partnern Litauen und Memelland ein leidliches Verhältnis ermöglicht wenn Litauen, das sich nun Großlitauen (mit kaum 2 ½  Millionen Einwohnern verschiedener Nationalität) nannte, die Autonomie aufrichtig erfüllt und der Völkerbund dafür sein ganzes Gewicht eingesetzt hätte. Leider geschah das nicht.

 

III. Das autonome Memelland

 Litauen zögerte die erste Wahl zum Gebietslandtag bis zum Herbst 1925 hinaus, nachdem bei der Memeler Stadtverordnetenwahl im Frühjahr 1924 die litauische Gruppe nicht einmal Fraktionsstärke erreicht hatte und keinen Vertreter im Magistratskollegium (unbesoldeten Stadtrat) erhielt. In der Landtagswahl wurden rd. 62 500 deutsche gegen rd. 5500 litauische Stimmen abgegeben - eine klare Volksabstimmung für Deutschland, trotz des litauischen Wahlterrors, der mit einem Sprengstoffanschlag auf das Gebäude des „Memeler Dampfboot" begann.

 

Von den politischen Parteien Deutschlands war nur die SPD im Memelland organisiert geblieben unter ihrem Vorsitzenden Matzies, nunmehrigen Leiter der Landesversicherungsanstalt des Memelgebiets. Neu gebildet hatte sich die Memelländische Volkspartei unter dem Vorsitz von Fabrikdirektor Josef Kraus und die Memelländische Landwirtschaftspartei unter Führung der Abgeordneten Gubba und Conrad.

 

Weltanschauliche, rassische und religiöse Gegensätze trennten die Memelländer nicht. Sie hatten andere Sorgen. Die beiden Parteien waren etwa gleich stark, hatten und behielten die absolute Landtagsmehrheit unter dem immer mehr stärker werdenden litauischen Druck. Der Nachfolger des ersten litauischen Gouverneurs Budrys, Gouverneur Merkys, griff sogar amtlich in die Landtagswahl ein, indem er den Landtagskandidaten der Volkspartei, Schulrat Meyer, von litauischer Polizei wegen „Landesverrats" verhaften und in ein Gefängnis außerhalb des Memellandes bringen ließ, weil er einem ausländischen Journalisten einige Daten über das Memelland gegeben hatte, die allgemein "bekannt und in jeder Buchhandlung erhältlich waren. Litauischer Wahlterror durch Steinbombardements auf Wählerversammlungen, Autofallen u. dgl. waren später schon nichts Außergewöhnliches mehr. Spätere Versuche zur Gründung litauisch gerichteter memelländischer Parteien kamen über die erste Wählerversammlung nicht hinaus.

 

Aus der Beamten- und Lehrerschaft gehörten der Landtagsfraktion der Vp. Landgerichtsrat Rogge - langjähriger Vorsitzender der Beamten-Spitzenorganisation -, Schulrat Meyer und Polizeikommissar Riechert an.

 

Die Beamten- und Lehrerschaft des Memellandes sah sich nach der Abtrennung vor ganz anderen und größeren Aufgaben als in Deutschland, nämlich: ein starker Träger der deutschen Kultur und der Autonomie zu sein, sich auf der alten beruflichen Höhe zu halten und den gleichen Nachwuchs heranzubilden, entsprechend der Präambel der dem Memelland „zur Sicherung der überlieferten Kultur und Rechte" gegebenen Autonomie.

 

Neben der nach der Abtrennung zunächst nur bestehenden „Interessenvertretung der ehem. preußischen und deutschen Beamten" organisierte sich die neue Beamtenschaft im „Verband der memelländischen Beamten" mit dem Bindeglied durch den alten Verband der „Beamten und Angestellten der Stadt Memel" unter dessen Vorsitzenden Mittelstaedt, der lange Zeit auch dem Vorstand der Spitzenorganisation angehörte, deren Presseorgan und Wahlpropaganden leitete und Fraktionsführer in der Memeler Stadtverordnetenversammlung war. In der Stadtverordnetenversammlung und im Magistratskollegium waren auf dem Wahlvorschlag der Spitzenorganisation die Beamten, Lehrer und Behördenangestellten von 1924 bis 1933 durch eine Fraktion in wesentlich mit entscheidender Stellung vertreten.

 

In die Verfassung der evangelischen Kirche im Memelland hatte Litauen – dessen Bevölkerung überwiegend römisch-katholisch war - auch eingegriffen, um sie von der evangelischen Kirche der altpreußischen Union zu trennen. Der Versuch scheiterte nach heftigen Kämpfen an der festen Haltung der kirchlichen Organe und Gemeindeglieder, wobei die Einsetzung eines „Staatspfarrers" (Bruders des Präsidenten Gailius) in einer ländlichen Kirchengemeinde eine sehr drastische Abweisung erfuhr.

 

Die evangelische Kirche im Memelland blieb als Kirchenprovinz in der evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Erster Generalsuperintendent wurde Superintendent Gregor des Kirchenkreises Memel-Stadt und -Land.

 

Nach den bereits gemachten Erfahrungen und dem eindeutigen Ergebnis der Landtagswahl war es ein großes Entgegenkommen der Mehrheitsparteien und der Ausdruck ihres besten Willens zu gedeihlicher Zusammenarbeit mit Litauen, dem durch den litauischen Überfall des Memellandes kompromittierten Landesdirektor während der französischen Verwaltung, Simonaitis, das Präsidium und die Bildung des ersten autonomen Landesdirektoriums zu übertragen. Litauen hat das leider nicht eingesehen und sein Ziel weiterverfolgt, das Memelland zu einer bloßen Provinz zu machen und der Autonomie höchstens ein Scheindasein zu gönnen.

 

Von den zum litauischen Landtag (Seim) gewählten fünf memelländischen Abgeordneten gehörten Oberbürgermeister Dr. Grabow und Lehrer Jaksteit der Volkspartei, die anderen drei der Landwirtschaftspartei an.

 

Mit den memelländischen Gesetzen nicht vereinbar war die litauische Miliz (Sauliu sajunga = Schützenverband) im Memelland, deren Angehörige die Waffen in ihrer Wohnung hatten. Landespolizei-Wachtmeister Heinemann wurde von einem Milizangehörigen erschossen, dem er die Waffen abnehmen sollte. Die Erregung der Bevölkerung darüber war ungeheuer. Die Beamten-Spitzenorganisation erhob energische Vorstellungen beim Gouverneur und die Teilnahme der Bevölkerung an der Beerdigung wurde zu einem gewaltigen Protest. Der von der Memeler Staatsanwaltschaft in Untersuchungshalt genommene Täter wurde von einer, litauischen Militärabteilung unter einem Offizier befreit.

 

Als der Landtag dem Präsidenten Simonaitis das Misstrauen wegen seiner Haltung in Schulfragen aussprach, löste der Gouverneur ihn auf. Damit begann und wiederholte sich fortgesetzt das Spiel, dass die Neuwahl nicht in verfassungsmäßiger Frist stattfand, der Gouverneur einen nur ihm genehmen Präsidenten ernannte und dieser sich ein Landesdirektorium nur seiner Wahl bildete, das verfassungswidrig mehr oder weniger lange Zeit ohne Landtag regierte, „Beamtenschübe" ohne Beachtung der landesrechtlichen Anstellungsbestimmungen machte, die im Memelland gebliebenen deutschen Richter allmählich entfernte - darunter Landgerichtsrat Rogge - und selbstherrlich schaltete. Die Präsidenten solcher Landesdirektorien - Falk, Borchertas, Schwellnus, Reisgys, Kadgiehn u. a. - haben die Autonomie schwer verletzt. Bereitwillige Personen dafür (neuzeitlich sagt man wohl Kollaborateure) fanden sich leider, und ihr Landesdirektorium war nur eine Nebenstelle der litauischen Regierung.

 

Wenn der Völkerbund und die Signatarmächte der Memel-Konvention die östliche Mentalität besser gekannt hätten, dann würden sie wohl Sicherheiten gegen ein solches Spiel mit der Verfassung in das Autonomie-Statut eingebaut haben.

 

Ein sehr langer Streitfall, besonders mit dem Magistrat in Memel, und Vorwand für die sehr langen Verzögerungen der Landtagswahlen, war die litauische Forderung des Landtagswahlrechts für alle in das Memelland - besonders zahlreich vor Wahlen und zum Teil nur vorübergehend dazu - gekommenen Litauer, deren Eintragung in die Wählerlisten die Gemeindebehörden, auch auf ausdrückliche Anweisung, ablehnten.

Der Gouverneur sabotierte die Arbeiten des Landtags durch Veto gegen die meisten Gesetze, sehr ähnlich dem Sowjetvertreter in der UNO.

 

Auf die vielen Beschwerden des Landtages beim Völkerbund, deren Hauptvertreter In Genf die Abg. Rogge und Meyer waren, erfolgten nie klare Entscheidungen, sondern Kompromisslösungen, die Litauen eher ermutigten als zu verfassungsmäßigem Verhalten nötigten.

 

Verfassungsmäßige Verhältnisse bestanden im Memelland selten und nur zweimal ein verfassungsmäßiges Landesdirektorium mit dem Präsidenten Otto Böttcher (und dem sehr energischen Landesdirektor Pfarrer Podszus) und Dr. Schreiber. Beide wurden von dem Gouverneur gewaltsam gestürzt.

 

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Memellandes verschlechterten sich durch die Angliederung an Litauen mehr und mehr. Die Holzindustrie und der Holzhandel mit dem Ausland verlor die alten Bezugsquellen durch den wegen Wilna bestehenden „Kriegszustand" Litauens mit Polen und die Sperrung des Memelstromes. Die memelländische Landwirtschaft litt schwer und verschuldete durch die Konkurrenz des Agrarlandes Litauen, und die litauische Autonomiepolitik verschloss zeitweise den deutschen Absatzmarkt. Einige neue Industrien konnten nur durch hohe Schutzzölle bestehen. Die litauischen hohen Einfuhrzölle und Akzisen verteuerten die Lebenshaltung, obgleich das Memelland nicht die direkten Steuern erhob wie Deutschland, z. B. die Umsatzsteuer aufhob, die Hauszinssteuer nicht einführte.

(Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 8   Das Lied vom Memelland

 

1.       Schwarze Fahne weht im Osten,

durch die Felder geht der Tod!

Und die Pflüge stehn und rosten,

düster sinkt das Abendrot.

Memelland, Heimatland! Dein Volk geht durch die Not.

Memelland, wir sind dein getreu bis in den Tod.

 

2.       Männer stehn am Memelufer

und in Ketten starrt die Hand.

Harte Schreie fremder Rufer

gell'n vom Strom zum Ostseestrand.

Memelland, Heimatland!

Dein Volk geht durch die Not.

Memelland, wir sind dein getreu bis in den Tod.

 

3.       Nun wir miteinander gehen

Hand in Hand in bittrem Leid,

soll in unsern Herzen stehen

glühend dieser heilge Eid:

Memelland, Heimatland!

Dein Volk geht durch die Not.

Memelland, wir sind dein getreu bis in den Tod.

Dichtung: Erich Hannighofer, Vertonung: Herbert Brust. Erschienen für gem. Chor im ROMOWE-VERLAG, Bremerhaven-G., Hohenstaufenstraße.

 

 

 

Seite 8   Wie Ströpken zu seinem Namen kam. Pastor Helmut Watsdorff

 Nicht weit von Darkehmen, gleich hinter dem Bahnhof Darkehmen-Ost, lag ein kleines Dörfchen, das hieß „Ströpken". Es hatte früher einen anderen Namen gehabt. Da hat es „Mazzatsch" geheißen. Aber dann ist es durch königliche Kabinett-Order unter Friedrich Wilhelm I. umbenannt worden. Und das kam so.

 

Der König hatte 1713 ein schweres Erbe angetreten, - gerade das preußische Kronland war besonders hart heimgesucht und durch die Pest weithin entvölkert. Es bestand die Gefahr, dass aus den angrenzenden, nicht deutschen Gebieten zu viel Fremde eindrangen, und dass die alte Kultur verdorben wurde. So mussten aus den deutschen Landen Siedler geworben werden, die hier Grund und Boden erhalten sollten.

Im Pfarrarchiv in Wilhelmsberg lag eine wunderschöne Darstellung des dortigen Pfarrers, der den neuen Siedlern zuliebe aus ihrer Heimat geholt war und hier nun nicht nur aufs Genaueste seinen Weg schilderte, wo er übernachtet hatte und wie oft die Pferde gewechselt wären, wo und was er verzehrt und genossen, sondern auch auf Heller und Pfennig genau alle Unkosten aufschrieb, wie viel der Fisch und wie wenig das Bier kostete, wie teuer die Übernachtung und wie billig die Pferde waren und dergleichen mehr. Dieser Pfarrer aber war aus dem Magdeburgischen über das Halberstädtsche nach Preußen gekommen, und denselben Weg dürften auch die Bauern gezogen sein, die nun in Mazzatsch wohnten.

 Der König liebte es nicht, halbe Arbeit zu tun. Er schaute selbst nach dem Rechten und sah auch in Preußen nach, ob es alles so ginge, wie er es wollte.

 Auf einer solchen Reise kam er nun auch nach Mazzatsch. Der Dorfschulze Kräkel mit seinen alten Freunden Görlitz und Mehl, Gericke, und wie sie hießen, begrüßte' den Monarchen, Er aber ließ sich mit ihnen in ein gründliches Gespräch ein und fand an ihrer kernigen Art Gefallen. Als er hörte, dass sie auch zum Magdeburger Treck zählten, wollte er mehr über das Woher wissen.

 

„Wie hieß denn Euer Heimatdorf?" Da leuchteten die Augen der Bauern und wie aus einem Munde kam die Antwort: „Ströbeck, Majestät!"

 

„Ei der Tausend, dann seid Ihr ja wohl große Schachspieler?" Beglückt sahen sich die Männer an: dass der König das wusste, dass man in Ströbeck von Kindesbeinen an das königliche Spiel übe!

 

„Gewiss, Majestät!", kam es wieder wie aus einem Munde. „Dann habt Ihr wohl auch ein Schachspiel hier?", und nochmals, gewiss Majestät!

 

„So kommt, so wollen wir eine Partie wagen!", - und schon saßen der König und der Schulze beim Schach unter der Linde - und der König verlor. Aber er war zufrieden, obwohl er sich nicht gern besiegt gab.

„Nun, ich sehe es, Ihr habt nichts verlernt. Nun könnt Ihr Euch auch etwas wünschen!"

Und wieder brauchten die Männer nicht lange zu überlegen. Kräkel als der Schulze und Sieger über den König ergriff das Wort, es ginge ihnen hier ja ganz gut und sie wären dem König für seine Huld sehr dankbar, aber eins gefiele ihnen nicht. Indessen spitzte der König nun umsonst die Ohren, es wurde über keinen seiner Beamten geklagt, es ging um etwas anderes.

 Der Name, Majestät, der Name unseres Dorfes hier i«t so sehr fremd; kann es nicht nach unserer Heimat Ströbeck heißen?" - und so kam es, dass Friedrich Wilhelm I. eine Kabinetts-Order herausgab, der zufolge das Kräkelsche Dorf umbenannt wurde. So gab es nun dicht bei Darkehmen das Dörflein Ströpken.

 Als ich vor bald 20 Jahren dort mit einem Kräkel zusammentraf, der mir diese Geschichte wieder erzählte, meinte er, sein Ahnherr wäre eigentlich bescheiden gewesen, er hatte sich den Hof Beinuhnen oder mindestens Angerapp wünschen sollen. Aber ich meine, die Höfe wären spätestens 1945 verloren gegangen, aber die Erinnerung daran, wie sehr unsere Väter ihre Heimat liebten, bleibt - uns zum Vorbild.

 

 

Seite 9   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen. Unerwartet hat der Tod eine schwere Lücke in unsere Reihen gerissen. Arthur Troyke

Foto: Das 5. Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie Ost- und Westpreußen vom 27. bis 30. August 1951 in Flensburg-Mürwik nahm bei prachtvollem Wetter einen erhebenden und fröhlichen Verlauf. Unsere Aufnahme zeigt eine Gruppe der über 250 Teilnehmer, die sich in Flensburg einfanden. Aufnahme: Erich Arndt, Flensburg

 

der Senior des Zoppoter Turnvereins von 1890 und der letzte Vorsitzende dieses Vereins ist am 15.07.1951 für immer von uns gegangen.

 

Von Jugend an dem Turnen fest verbunden, hat er uns bis zum letzten Atemzuge die Treue gehalten. Jederzeit hilfsbereit und nimmer müde, hat er Jahrzehnte hindurch in den verschiedensten turnerischen Ämtern gewirkt und aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus sich stets besonders der Jugend gewidmet. Sein offenes gerades Wesen, sein vornehmer Charakter und sein Humorsprühender Geist machten ihn beliebt bei Alt und Jung. Die überragende Leistungshöhe der Danziger Turner und die mehrfachen Faustballmeisterschaftssiege des Zoppoter Turnvereins bei den Männern und Frauen sind nicht zuletzt auf seine Schulung und sein tatkräftiges Wirken als Turnwart, Oberturnwart und Spielwart zurückzuführen.

 

Wenn je ein Turner die Auszeichnung verdient, ein echter Jünger Jahns genannt zu werden, so war er es, der in wahrhaft turnerischem Geist allen Lebenslagen gerecht geworden ist und nicht nur in Freude und Fröhlichkeit, sondern auch in schwersten Zeiten seinen Mannen ein gutes Vorbild gewesen ist, dem nachzustreben wert und ehrenhaft ist. Die höchsten Auszeichnungen und Ehrungen, die die Deutsche Turnerschaft zu vergeben hatte, wurden ihm zu teil. Die äußeren Abzeichen hierüber sind in dem Fluchtchaos des Jahres 1945 verloren gegangen. In sinniger Weise hat aber der Hamburger Turnverband ihm aus Anlass seines 70. Geburtstages am 03.11.1950 auf Veranlassung seiner Vereinsbrüder mit herzlichen Grußworten eine Zusammenfassung der verlorenen Ehrungen und Anerkennungen geschenkt. Das schönste und dauerhafteste Denkmal ist aber die Liebe und die Verehrung, mit denen alle Herzen der ganzen Turnerfamilie Ost- und Westpreußen ihm entgegenschlugen und weiterhin über den Tod hinaus für ihn schlagen werden. Die Geschichte des ostdeutschen Turnens ohne den Namen Arthur Troyke ist undenkbar. Für immer wird dieser Turnbruder unter uns fortleben und mit seinem Geiste in uns und in den kommenden Geschlechtern wirken.

 In stummer Trauer nehmen wir von ihm Abschied und grüßen ihn zum letzten Mal mit dem Turnergruß, mit dem er so oft uns gegrüßt und seine zündenden Ansprachen geschlossen hat:

Gut Heil!Im Namen der Turnerfamilie Ost- u.Westpreußen

Fritz Babbel, Wilhelm Alm

 

 

Seite 9   Junges Ermland

 Ihre Vermählung gaben bekannt: Josef Pohlmann und Frau Thea, geb. Schröer. Ferner haben geheiratet: Anna Masuch aus Scharnigk bei Seeburg mit Franz Schriefers aus Dilkrath/Rheinland und Bruno Schulz aus Teistimmen bei Lautern mit Josefine Weber aus Dilkrath. Das „Junge Ermland" übermittelt ihnen herzlichste Glückwünsche

 

 

Seite 10   Landsleute, bitte herhören!

Nach dem Druck unserer Anschriftenliste haben sich folgende Arbeitskameraden gemeldet oder deren Adressen hierher gereicht oder ermittelt wurden:

 

Walter Maser (Hafen), Witwe M. Maertsch (St.-0.-Insp. Kurt M.), Helene Mertins (Wohlfahrtsamt), Eva Melzer (Fuhrges.), Insp.-Anw. Kurt Marczog, Stenotypistin Mauleiter (Gesundheitsamt), Fürsorgerin Lydia Mettner, St.-B.-Insp. Gustav Manstein, St.-O.-Sekr. Kurt Müller, Lina Müller, verehel. Scheffler (Schauspielhaus), techn. Angest. Otto Neumann (Hafen), Vorarbeiter Karl Neumann, St.-O.-Insp. Bruno Neubauer, Lothar Neubauer, Angest. Margarete Norrmann (Fuhrges.), Maschinenbaumeister Kurt Oltersdorf (Hafen), St.-O.-Sekr. Richard Olinski, Gartenmeister Gustav Ogrzall, Angest. Richard Plüschke, Betriebsleiter Erich Podzus (Hafen), Angest. Frau Wally Possels (Wi.-Amt), Angest. Lucie Petzold (Meßamt), Ernst Potschuck, Lehrer Dr. Franz Philipp, Stadthofs-Insp. Kurt Pluskat, Witwe Minna Plowinski, St.-Insp. Witwe Pfeil, Kraftwagenführer Robert Poßinke (Fuhrges.).

 

Vom Gesundheitsamt folgende Fürsorgerinnen:

Elise Preuß, Gertrud Philipp, Ilse Pohl geb. Schlick, Hanna Prepens, Peitsch geb. Brikner, Dorothea Paschlan, Lotte Petersdorf, Peterson, Pyko und Schulzahnpflegeschwester Susanne Paape, Gerda Rokett, Ursel Schulz, Marg. Schimlowski, Martha Schulz, Elise Stengel.

 

Wäger und Trichinenbesch. Wilhelm Preikschat (Schlachthof), Lehrerin i. R. Ilse Podlech, Arbeiter Friedrich Pokern, Therese Quint (Wwe. des St-O.-Insp.), Maria Reiß (Mutter des vermissten Emil Reiß K. W. S.), Frau Sofie Rau, Schlosser Felix Rutkowski (St.-Kr.-Angest.), Hausmeister Gustav Reinecker, Vorarbeiter Wenzel Romann (Gartenamt), Dr. Martha Ridtker (Ges.-Amt), St.-Verm.-Insp. Ronzuch, Angestellter Botho Rehberg, St.-Insp. Richard Rupsch, Lehrerwitwe Lotte Rogge, Frau Erna Ruck (Sparkasse), St.-O.-Sekr. Albert Szyddat, Gleisprüfer Franz Sachs (K.-W.-S.), Stenotypistin Ilse Skerstupp, Frau Elfriede Supply geb. Paukstadt, Techniker Bruno Skibbe, Handwerker Karl Sandmann, Verm.-Geh. Witwe Anna Schorowski, St.-Insp. i. R. Heinr. Schulz, Hausverw. der Stiftung Frau Schimmelpfennig, St.-0.-Sekr. i. R. Robert Schlicker, Angest. Maria Schmidt geb. Will, Witwe Auguste Schröder, Studienratswitwe Alice Schwarz-Neumann, St.-Insp. Karl Scheller, Walzenführer Max Schnoedland, St.-Insp. Scheiba, Lehrerin Frau Lisbeth Schmidt, Frau Hanna Schimkat (Mag.-Schulratsfrau), Marg. Schwuj (Tochter des Andreas Schw., Fuhrges.), Zeichner Albert Scheffler, Paul Schesnack, St.-Insp. Reinhold Steffen, Hermann Stein (Fuhrges.), Angest. Max Theophil, Meta Tresp (Schwester des St.-Insp. Bruno Tresp), a. pl. St.-Insp. Willi Turowski, Gärtner Hermann Tilsner, Brückenwärter Otto Timm, Arbeiter Albert Timm (Schlachthof), Stenotypistin Thea Tutlewsky, Handwerker Otto Thiel (Fuhrges.), Kassierer Gustav Tomuscheit (Fuhrges.), Dienststellenleiter Wilhelm Tiedemann (K.-W.S.), Arbeiter Emil Thalau (Fuhr-Ges.), Fürsorgerin Eva Timnick, Arbeiter Fritz Trampau, Angest. Karl Tiltmann (Fuhrges.), St.-Insp. a. D. Theodor F. K. Krohm, Elsbeth Klietz verehelichte Faust.

Weitere Namen werden in der nächsten Nummer dieser Heimatzeitung bekanntgegeben.

 

Unsere Arbeitskameradin Frau Frida Schulz, geb. Brustat, ist es nun gelungen, festzustellen, dass der Komba doch noch am Leben ist.

 

Folgenden Landsleuten danken wir für die Berichterstattung:

Frau Olga Mielke, Frau Bertha Bannasch, Verm.-Ob.-Insp. Willi Schwarz, Max Tschoppe, Frau Luzie Braunschweig, Dr. Gause, Verw.-Rat Gustav Meyer, Sparkassenzweigstellenleiter Erich Sagronski, Frau Marie Seidler, Lehrerin i. R. Ilse Podlech, St.-Sekr.in Lisbeth Dauksch, verehel, Bandelow. Den Arbeitskameraden Kurt Lewark und Max Wetzki, danken wir für die Papierspende, für Porto: Herbert Gelies u. Ernestine Naujoks.

 

 

Seite 11   Suchanzeigen

 Hans von Massow, Neuhausen bei Königsberg und seine Gattin Eva geb. Stoff sandten letzte Nachricht im März 1945 aus Labs in Pommern. Wer kann über ihren Verbleib oder Tod Auskunft erteilen? Nachricht erbittet Hertha Stoff, Berlin-Zehlendorff, Am Fischtal 22.

 

Seeger, Josef, Elbing, Horst-Wessel-Straße 5. Wer kann Auskunft geben über den Verbleib meines Mannes? Mein Mann wurde in Braunsberg, Bahnhof, Obertor, mit anderen älteren Mnnern auf einem Leiterwagen transportiert und zwar im Februar 1945. Nachricht erbittet Frau Selma Seeger, Reichersbeuern/Obb., Kreis Bad Tölz.

 

Helmut Korthals, geb. 03.04.1939, aus Königsberg, ist 1947 in Litauen gesehen worden. Wer hat ihn gesehen und kann Auskunft geben? Nachricht erb. Herta Korthals, (14b) Slgmaringen-Hohenzollern, Josefinenstraße 25 II. (früher Gänsekrug, Kreis Königsberg).

 

Walter Perlbach, Kaufmann aus Paaringen, Kreis Labiau, geb. 20.04.1898, seit Januar 1945 von den Russen entrissen. (Durch Augenzeugen) Neun Tage Gefängnis in Labiau, dann verschleppt.

 

Walter Perlbach (Finanzamt Insterburg), geb. 09.09.1922, Feldpostnummer 30 001 (Funkzentrale). Letzte Nachricht vom. 7. August 1944.

 

Ursula Perlbach, geb. 07.07.1924, Gewerbeschule Tilsit, kam April 1945 in Königsberg in russische Gefangenschaft, dann Ernteeinsatz Neuhof/Sandlauken. (Trug Brille und roten Rock), soll Oktober 1945 im Krankenhaus Königsberg-Roßgarten verstorben sein. Wer weiß Todestag? Nachricht erbittet Frau Ella Perlbach, (20a) Bleckmar 21 über Soltau (früher Paaringen, Kreis Labiau).

 

Fritz Schmidtmann, Maurer- und Zimmerrneister (Baugeschäft), Regentenstr. 24, Königsberg geb. 26.10.1892 War bei der III. Volkssturmkompanie Kampfgruppe Bahl, Königsberg. - letztes Quartier Busoldstraße (Hafen). Habe seit meiner Flucht am 08.04.1945 kein Lebenszeichen erhalten, wer weiß etwas über den Verbleib meines Mannes? - Wo sind die Insassen des Altersheims Königsberg-Rothenstein nach dem 08.04.1945 verblieben? Suche meinen Vater Paul Siegemund, geb. 25.01.1869. Ferner wird Wilhelm Zollitsch (Stempelhesse) und Tochter, Frau Gertrud geb. Zolhtsch, früher Königsberg, Kaiserstraße 9, gesucht von Frau Charlotte Schmidtmann, Darmstadt, Rhönring 20.

 

Erich Bleich, Grenadier, geb. 04.09.1925 in Lötsen. Letzter Wohnort in Bludau, Kreis Fischhausen verwundet in Urlaub gewesen. Letztes Zusammensein in Pelau am 02.02.1945. - Gertrud Bleich, geb. 04.09.1925 in Lötzen, zuletzt in Neuhäuser, Kreis Fischhausen (03.03.1945) im Haushalt tätig gewesen. Wer weiß etwas über den Verbleib meines Sohnes und meiner Tochter? Nachricht erb. Marie Bleich, Remlingen 97, Kreis Wolfenbüttel (früher Bludau, Kreis Fischhausen).

 

Königsberger! Robert Happach, Bankoberinspektor, geb. 03.07.1884 (Hauptstelle Königsberg d. Bank der ostpr. Landschaft, Landhofmeisterstraße), Wohnung Voigdstr. 2, zuletzt Luisenallee 106. Soll in den ersten Tagen des Russeneinmarsches bei einem Ausgang verschwunden sein. Wer kann über sein weiteres Schicksal Auskunft geben oder ist noch in einem Lager mit ihm zusammengewesen?

 

Renate Happach, geb. 16.06.1935, hat nach dem Tode ihrer Mutter in Königsberg, Kohlhof 1063, Nr. 8, bei Frl. Heske gelebt. Soll im Mai 1947 verstorben sein. Wer kann Gewissheit geben? Mitteilungen an Frau Rosemarie Eckelberg, geb. Happach, Duisburg-Hamborn, Körnerstraße 80.

 

Berta Mirke, geb. Mindt, geb. am 23.10.1900, wohnhaft in Königsberg, Schleiermacherstr. 31a, war mit ihrer Tochter Ursula Mirke und mit ihrer Mutter Friederike Mindt, geb. am 23.10.1893 auf der Flucht. In der Nähe von Zielkeim (Samland) wurde sie von meiner Tochter Ursula getrennt. Meine Frau soll in Schloßberg mit Königsberger Frauen schwere Arbeit verrichtet haben und wegen schwerer Erkrankung nach Insterburg gekommen sein. Wer kann über den Verbleib meiner Frau und Schwiegermutter Auskunft geben? Nachricht erb. an August Mirkel (20a) Almke über Vorsfelde, Kreis Gifhorn.

 

Deutscher Fremdenlegionär (Ostpreuße), 26 Jahre alt, seit seinem 17. Lebensjahr Soldat, bittet um Briefwechsel mit Landsleuten. Anschrift: Georg Aschmies, S. P. 50 578. T. O. E. Indo-China.

 

Uffz. Heinz Behrendt, Feldp.-Nr .56 499C, Sich.-Regt. 75, 3. Batl., Landgerichtsrat in Lyck, Danzigerstr. 42. Wer kann über meinen Bruder Auskunft geben? Am 7. Juli 1944 im Raume Wilna in russ. Gefangenschaft geraten. Ist im Lager Czenstochau/Polen und dann im Lager 73 333/10/Bukowina gewesen, im Dezember 1947 im Lager 244 500 nördl. Bukarest. Evtl. Nachricht erb. an Alfred Behrendt, (24a) Hollern 33, Kreis Stade.

 

Gertrud Langkau und Tochter Regina, letzte Wohnung Königsberg, Lochstädterstr. Mitteilungen an Wilhelm Gramsch, Celle/Hannover, Windmühlenstr. 93 (früher Königsberg, Lawsker Alee 103).

 

Claus Jungblut Festungs-Pionier-Batl. 2. Komp. Schlüther o. Quinther, Königsberg, Feldp.-Nr. 36 100 A. T. Letzte Nachricht vom März 1945, Kampfabschnitt Königsberg-Ponarth. Vermutlich in russ. Kriegsgefangenschaft geraten. Wer war mit meinem Sohn in jenen Tagen zusammen und kann mir über seinen Verbleib Auskunft geben? August Jungblut, Holztninden/Weser, Mittlere Str. 3 (früher Treuburg/Ostpreußen, Hotel „Königlicher Hof").

 

Luftmuna Domnau! Etwa am 20.01.1945 sind von der Luftmuna Domnau/Ostpreußen mit Treck und. Lastwagen eine ganze Reihe Frauen, Kinder und Wehrmachthelferinnen in Richtung Königsberg in Marsch gesetzt worden. Nur von wenigen konnte ich bisher erfahren, ob sie durchgekommen sind. Wo sind Maria Brauer aus Pr. Wilten, Irma Krauskopf, Irmgard Schmalz, Frl. Frölian, Else Beutler ausBartenstein, Frl- Radschun mit Mutter geblieben?

Nachricht erb. Richard Richter, Oberlengenhardt, Kreis Calw/Württemberg.

 

Fr. Lampe, Königsberg, Kaiserstr. oder Querstraße, Fabrik Steinbeckstraße, Former Liekert, Königsberg, Jerusalemer Str. 48, Frida und Otto Grigull, Königsberg, Altroßgärter Predigerstraße 1c, werden gesucht von Fr. Charlotte Ernst, Karlsruhe, Wichernstraße 29.

 

Tetzlaff, Obergerichtsvollzieher, Königsberg, Tiergartenstr. 52 (?), wird gesucht von Richard Labinsky, (23) Bramsche bei Osnabrück, Auf dem Damm 7.

 

Friedrich Marzinzik, aus Kreuzofen, Kreis Johannisburg, soll in einem Lager in Russland verstorben sein. Mitteilungen über ihn sollen am 24.06.1949 über den Rundfunk durchgesagt worden sein. Wer weiß Näheres über seinen Tod und kann Angaben machen? Nachricht erb. Friedrich Marzinzik, Woltorf 83, Kreis Peine.

 

Elisabeth Kirstein, Lehrerin, Königsberg, Strauß-Str. Nr. 5, nebst drei Schwestern Margarete, Marie und Martha - letzte Zuflucht wahrscheinlich Karlsberg-Rauschen - werden gesucht von Hildeg. Olzien, Göttingen, Herzberger Ldstr. 21.

 

Laura Bercio, geb. Reichel, Pfarrerwitwe, Königsberg, Mozartstr. 15 – Februar 1945 noch in Königsberg am Leben - wird gesucht von Hildeg. Olzien, Göttingen, Herzberger Landstraße 21.

 

Richard und Georg Kaufmann aus Danzig-Neufahrwasser, Hanna, Bruno und Gerd Eichler aus Danzig werden gesucht von Gerhard Jeykowski, Landshut, Neustadt 519 (früher Königsberg, Fasanenatraße 10),

 

 

Seite 12   Wehlau und Metgethen. Stätten des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens in Ostpreußen

Foto: Die 1912 erbaute Landfrauenschule in Metgethen und die Wehlauer Schule

Foto: Gruppenaufnahme. Ein Lehrgang der Landfrauenschule Wehlau

 Ostpreußen als Agrarprovinz war in weiten Kreisen Deutschlands bekannt. Dass es auf diesem Gebiet fortschrittlich, ja oft beispielhaft arbeitete, ist eine in Fachkreisen anerkannte Tatsache. Dass aber auch das Bildungswesen der Landjugend auf hoher Stufe stand, dürfte weniger bekannt sein, im Besonderen, welchen hohen Anteil die Ausbildung der weiblichen Jugend hatte.

 36 Landwirtschaftsschulen und eine höhere Lehranstalt für praktische Landwirte sorgten für die fachliche Ausbildung des männlichen Nachwuchses. An 32 waren Mädchenklassen angegliedert, die ebenfalls in Winterlehrgängen die Bauerntöchter des Kreises erfassten, damit diese im Sommer nicht dem elterlichen Hof entzogen wurden. Außerdem bestanden drei Landfrauenschulen mit ganzjährigen Lehrgängen.

 Schon 1874 entstand die erste Landwirtschaftsschule in Gumbinnen, es folgte 1877 die in Angerburg, 1879 die in Wehlau. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges arbeiteten 19 in der Provinz, alle nur für die männliche Jugend. Ihre Tätigkeit bestand in theoretischem Unterricht in den Wintermonaten, der im Sommerhalbjahr durch Wirtschaftsberatung und Begehungen ergänzt wurde.

 Die einzige Ausbildungsstätte für die weibliche Landjugend war die Landfrauenschule Wehlau, sie wurde bereits 1906 vom Landwirtschaftlichen Zentralverein gegründet. Sie wurde wie die anderen Fachschulen 1907 der neugegründeten Landwirtschaftskammer übergeben und bestand bis zum Russeneinfall 1944. Weit über 1000 Schülerinnen sind durch diese Schule gegangen und haben nicht nur das praktisch Erlernte, sondern auch die Erziehung und die dort aufgenommene Lebensauffassung in die Provinz herausgetragen. Wie sehr diese Erziehung ihren Einfluss ausübte, bewies, dass bereits die zweite Generation die Schule besuchte. Sie alle danken ihr bewusst, eine gediegene praktische und theoretische Ausbildung in allen Zweigen der ländlichen Hauswirtschaft erhalten zu haben.

 Außer dieser ältesten Landfrauenschule kam 1912 die neuerbaute Landfrauenschule in Metgethen dazu. Das Grundkapital spendete der ostpr. Verband Landwirtschaftl. Hausfrauenvereine, der auf Anregung von Frau Elisabeth Boehm in allen Vereinen gesammelt hatte. Der stolze Bau öffnete Ostern 1912 seine Tore. Nach kurzer Besetzung 1914/15 durch deutsches Militär zogen im Herbst 1915 wieder Maiden ein. 1916 konnte der Unterrichtsplan auf zwei Jahre verlängert werden, um nach ministerieller Vorschrift in einem Seminarjahr den Nachwuchs an Lehrerinnen für die Provinz auszubilden. Heute steht diese schöne Schule nicht mehr, die letzte Direktorin ist den Russen zum Opfer gefallen, aber ihr Wirken und die Leistung der Schule während des 30jährigen Bestehens haben vielen Landtöchtern die Richtung fürs Leben gegeben und eine große Schar landwirtschaftlicher Lehrerinnen zum Segen der Landjugend ausgebildet.

 Die dritte Landfrauenschule arbeitete unter sehr erschwerenden Umständen, jahrelang unter litauischer Herrschaft, als ein Hort des Deutschtums und Kulturträgerin im besetzten Memelgebiet. Erst nach der Angliederung kam die Landfrauenschule Heydekrug unter Verwaltung des Reichsnährstandes.

Die Lehren des ersten Weltkrieges öffneten die Augen und damit auch die Geldquellen für eine allgemeine Schulung der weiblichen Landjugend. Die Landfrau als Verbraucherin und Erzeugerin hat eine doppelte Bedeutung für die Volkswirtschaft! So wurde allgemein an den Landwirtschaftskammern ein Frauenreferat geschaffen und die Einrichtung von Mädchenklassen an den Landwirtschaftsschulen von oben gefördert. 1925 wurden in Ostpreußen zunächst 4 Klassen bewilligt, da Anbau bzw. Neubau nicht unerhebliche Summen verschlangen, denn Küchen und Wirtschaftsräume mussten unbedingt eingerichtet werden. Auch hieß es abwarten, wie sich die konservative Landbevölkerung dazu stellen würde. Aber die Meldungen kamen überaus zahlreich. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl.

 Die Kreise baten um Einrichtung, stellten Räume und Lehrmittel zur Verfügung, so dass Internatsräumen, weil der praktische, hausstattliche Neubauten entstanden, häufig mit wirtschaftliche und theoretische Unterricht nicht in den Vormittagsstunden erledigt werden konnte. Gab es doch viel Gebiete zu lehren: Kochen, Backen, Einmachen, Einschlachten, Nadelarbeit, Wäsche, jegliche Hausarbeit denn alle Räume mussten ein Vorbild an Ordnung und Sauberkeit sein.

Ergänzt und erweitert wurde der praktische Unterricht durch vielseitige Unterweisung in Haushaltführung, Gesundheits- und Kleinkinderpflege, häuslicher Buchführung sowie der charakterbildenden Fachen. Außerdem erfolgte Unterweisung in Tierhaltung, Geflügelzucht und Gartenbau in Anlehnung an die elterlichen Betriebe und vor allem ergänzt durch mehrtägige praktische Lehrgänge in den Sommermonaten sowie durch die Wirtschaftsberatung.

Im Allgemeinen nahmen die Schülerinnen eine gute Vorbildung für ihre spätere Tätigkeit mit, zumal sie durch die Altschülerinnenvereine immer mit der Schule in Verbindung blieben, die auch ihrerseits enge Fühlung und Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereinen pflegte.

Aber mit der gediegenen praktischen Ausbildung war das Ziel noch lange nicht erreicht, sondern die kulturelle Erziehung stand überall im Vordergrund und kann im Allgemeinen als glänzend gelöst betrachtet werden. Schon allein die hellen, sauberen, gut gelüfteten und geschmackvoll eingerichteten Räume übten nachhaltigen Einfluss aus, denn auch Möbel und Bildschmuck dienten als Vorbild für die Einrichtung eines Bauernhauses und in mancher jungen Ehe fand dieses Vorbild seine Nachahmung. Der stets hübsch gedeckte Tisch, der Blumenschmuck, und waren es auch nur einige Tannenzweige, dienten als Vorbild für das häusliche Leben. Durch den Kochunterricht wurde eine neuzeitliche schmackhafte Küche gelehrt.

 Das Zusammenleben mit den jugendlichen Lehrerinnen ergab eine wirksame Erziehung für das tägliche Leben. Anzug und Haartracht blieben nicht unbeachtet, die gleiche Arbeitstracht, die handgewebten Kleider, die bei Festen getragen wurden, erweckten den Stolz und das Verständnis für zweckmäßige und doch schöne Kleidung.

 Und dann die Feste überhaupt! Mit Liebe und Eifer vorbereitet, bildeten sie einen Teil des Unterrichts, mit welchem Fleiß wurde dafür gekocht und gebacken, der Schmuck für Raum und Tafel hergestellt! Wurde doch im Unterricht besonderer Wert auf die Ausgestaltung der Familienfeste gelegt!

 

 Junge Menschen sind eindrucksfähig und da die Verbindung mit der Schule durch Jahre bestehen blieb, wirkte sich ihr Einfluss in den Bauernhäusern nachhaltig aus. „Schon beim Betreten eines Bauernhauses spürten wir, ob die Töchter die Schule besucht hatten", sagten mir Mitglieder einer Kommission, die die Provinz bereisten. Aber nicht nur die Mädchen unterlagen diesem Einfluss, auch auf die Schüler wirkte er sich aus. Als junge Ehemänner wussten sie die gepflegte und durchdachte Haushaltführung sehr zu schätzen.

 Die ostpreußische Bäuerin war keineswegs rückständig, sie war oft fortschrittlicher als ihr Mann. War sie doch durch den Landw. Hausfrauenverein geschult und wusste daher die Ausbildung der Söhne und Töchter zu schätzen, um den oft sehr kargen Lebensstil zu heben. So war der Andrang zu den Schulen in Masuren, der ärmsten Gegend unserer Heimat besonders groß. Das wirkte sich auch bei der Errichtung der Lehrwirtschaften aus, die in großer Anzahl eine beachtliche Ausbildung des Nachwuchses erreichten.

 Ich habe viele Jahre in enger Zusammenarbeit die ostpreußische Bäuerin kennen und von Jahr zu Jahr mehr schätzen gelernt, sie war stets bereit, für die Allgemeinheit etwas zu leisten, von Enge war an ihr nichts zu spüren. Sie wird auch im Flüchtlingsdasein ihre Eigenart bewahren und ihre kulturelle Höhe beweisen, sie wird unter primitiven Verhältnissen ihre Kinder in diesem Sinne erziehen, bis sie dermaleinst wieder in der alten Heimat wirken können.

 

 

Seite 12   Der ostpreußischen Erde

 Heimat, die mich auserkoren, Heimat,

da ich ward geboren,

Wo mein erstes Lächeln, Lallen

Weckt' der Eltern Wohlgefallen,

Kraftquell du, der Ahnen Zier,

Lebensformer auch von mir,

Spenderin des Edlen, Schönen,

Dir soll Preis und Dank ertönen.

 

Heimat, du mein Vaterland,

 Wo einst meine Wiege stand,

Wunderbarster Edelstein,

Lass mich deiner würdig sein!

 

Ob deine Höhen schneebedeckt,

Des Meeres Weite Andacht weckt,

Die Pflugschar geht in grüner Au,

Empor zum Sternenzelt ich schau,

Ob deiner Wälder Pracht mir rauscht,

Der Flüsse Murmeln ich gelauscht, D

u, Heimat, meiner Seele Halt, Z

u dir zieht's mich mit Allgewalt.

 

Heimat, du mein Vaterland,

Wo einst meine Wiege stand,

Wunderbarster Edelstein,

Du sollst stets mir heilig sein

 

Heimaterde, oft umstritten,

Deine Bräuche, frommen Sitten,

Geistesgröße hehr und stark

Wurzeln fest in meinem Mark,

lass dein heilig' Feuer brennen,

Mich in Ehrfurcht stets dich nennen!

Tief verbunden alle Zelt

Preis' ich dich in Ewigkeit.

 

Heimat, du mein Vaterland,

Wo einst meine Wiege stand,

Wunderbarster Edelstein,

Bleib dir treu bis in den Tod.

Dr. M. Kobbert.

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