Ostpreußen-Warte, Folge 07 vom Juli 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 07 vom Juli 1957

 

Seite 1   Foto: Kornkammer Ostpreußen.

Nicht umsonst nannte man Ostpreußen die Kornkammer des Reiches. Der deutsche Osten war mit einem Drittel an der gesamten deutschen Roggenernte beteiligt. Foto: Hallensleben.

 

Seite 1   Europa – der Weg zum Frieden. Wiedervereinigung Deutschlands ist Polens Chance – Nur echte Versöhnung Gewähr für einen echten Ausgleich.

Die Polen haben es nunmehr ganz verlernt, den Träumen von einem großen Reich aller Slawen nachzuhängen, das früher von den nationalistischen Führern dieses Volkes immer wieder propagiert wurde. Denn das Volk hat jetzt das Zwangsreich der Slawen unter Stalins Führung jahrelang erlebt und ist praktisch noch immer an dieses Reich gefesselt, das ihm nicht nur materielle und geistige, sondern auch moralische Enttäuschungen brachte. Dass aus dieser Ernüchterung der breiten Schichten der Bevölkerung der Wunsch entstand, den Gedanken eines Ost-Slawenstaates gegen ein westlich ausgerichtetes Gesamteuropa einzutauschen ist recht natürlich. Was liberale Politiker in Polen von 1850 bis 1939 nicht geschafft hatten, brachten die 12 Jahre stalinistischer Herrschaft zustande.

 

Diese Situation zwingt die bisherige europäische Gemeinschaftskonzeption auf neue Wege, sobald man sich der neuen Tatsachen auch allgemein bewusst wird. Und es ist zu hoffen, dass sich dieses Bewusstsein, von dem eine rechtzeitige und vernünftige Reaktion abhängt, sich in nächster Zeit einstellt.

 

Das polnische Bekenntnis zu Europa ist nach außen hin verhalten und nicht so spürbar auffällig, wie andersgeartete Pflichtdemonstrationen. Gomulka kann es sich einerseits nicht leisten, Moskau und die anderen Satellitenländer zu provozieren, andererseits ist er Realist genug, um zu sehen, dass eine mögliche Verwirklichung dieses Gedankens kaum vor einigen Jahren in ein akutes Stadium treten kann. Aber außerhalb der Politik ist dieses Drängen umso stärker, ähnlich wie es bei uns in den vergangenen Jahren der Fall war, bis schließlich eine kleineuropäische Konzeption den großen Gedanken des Zusammenschlusses vorläufig aufs Eis legte.

 

Gegenwärtig wird in Polen kaum ein Werk eines sowjetischen Autors übersetzt — fast neunzig Prozent der Neuerscheinungen sind Übersetzungen von englischen, französischen und italienischen Autoren. Westdeutsche Schriftsteller fehlen noch darunter, was aber im Teil am Bundesinnenministerium liegt, das polnischen Übersetzern, die sich an Ort und Stelle über die westdeutsche Literatur informieren wollen, kein Visum gibt. Ein gleicher Maßstab der Publizierung westeuropäischer Autoren gilt für die polnischen Zeitschriften und für die Arbeiten der Auslandsseiten in den Tageszeitungen. Die polnische Presse und der Rundfunk bringen in vermehrtem Maße Meldungen westlicher Agenturen und verwenden die sowjetische Agentur Tass nur noch in seltenen Fällen.

 

Drei Tage und Nächte warten in Warschau die Interessenten oft auf eine Touristenkarte nach Westeuropa — dies auch trotz der relativ hohen Preise. Westeuropäische Zeitungen in den Lesesälen der Presseklubs kann man nur nach langem Warten für einige Minuten zum Lesen bekommen. Die Rundfunkempfänger sind auf deutsche oder britische Kurzwellenstationen eingestellt und erst jetzt, nachdem auch der polnische Rundfunk grundlegend sein Programm gewechselt hat, wird er wieder mehr gehört. Radio Polski hat jetzt auch eine Familiensendung mit politischen Seitenhieben eingeführt und bringt Dokumentarsendungen über vorher verschwiegene Vorgänge. Die Musiksendungen ähneln amerikanischen Programmen.

 

Die früheren Vertreter westdeutscher Firmen in Polen melden sich jetzt wieder bei ihren Direktionen, nachdem seit kurzem ausländische Firmen in Warschau wieder Niederlassungen einrichten können. Westeuropäische Lizenzen werden gesucht, um Arbeitsplätze zu schaffen. Die Bemühungen in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht, Anschluss an das westliche Europa zu finden, sind außerordentlich vielfältig und im Rahmen eines Artikels unmöglich einzeln aufzuführen. Sie gehen bis in das private Leben des einzelnen, der nichts mehr vom großslawischen Reich hören will.

 

Für die Lösung der deutsch-polnischen Probleme und für den Aufbau eines größeren Europa ist diese neue Situation von großer Bedeutung. Sie nährt die Hoffnung, dass es eines Tages doch ein echtes Gesamteuropa und damit die Basis für den Frieden auf diesem Erdteil geben kann. Der Bremsschuh für eine schnellere Entwicklung liegt in der geographischen Situation und in der Existenz der DDR. Pankow als Junior-Partner Moskaus ist ein reales Stoppschild. Darum geht die Verwirklichung der Chance Polens, zu Europa zu kommen, über die Wiedervereinigung Deutschlands, die die Grenze eines vereinigten Europas nicht nur bis an die Oder, sondern bis an die gegenwärtige polnisch-sowjetische Grenze verschieben könnte.

 

Mit einer darauf ausgehenden europäischen Konzeption des Ausgleichs werden sich auch die deutsch-polnischen Probleme wesentlich leichter lösen lassen. Eine Aufweichung der Grenzen, eine vielseitige wirtschaftliche Zusammenarbeit, ein lebhafterer kultureller Austausch, die Verwirklichung des Niederlassungsrechtes für jeden Europäer an jedem Ort in Europa wären unter anderem die Grundlagen für eine echte Versöhnung und einen echten Ausgleich. Mörderische Grenzstreitigkeiten, neuerliche Vertreibungen und dergleichen unmenschliche Vorgänge und Reaktionen wären dann unmöglich.

 

Ein einiges Europa kann auch Polen zur Seite stehen, um wenigstens einen Teil des von den Sowjets besetzten ostpolnischen Gebietes zurückzuerhalten. Bevor diese Frage nicht geregelt wird, dürfte man kaum Zugeständnisse der Polen in den ostdeutschen Gebieten erwarten, weil die Polen nicht die alleinigen Verlierer des letzten Krieges sein wollen. Will man ehrlich den deutschen Vertriebenen die Heimat oder doch das Heimatrecht wiedergeben, und lehnt man gleichzeitig jede Gewaltlösung ab, dann bleibt nur der Einsatz für die europäische Sache. Willi Michael Beutel

 

Seite 1   Sind wir noch ein Volk? Von Edmund Marhefka

Wir sind ein Volk — Das war der Ruf, mit dem einst Theodor Herzl als Einzelner den Siegeslauf des Zionismus begann. Der Erfolg war ihm sicher, da er das Volksbewusstsein auf die Formel der Selbstverständlichkeit gebracht hatte: „Wir sind ein Volk!“ Und das jüdische Volk war nicht nur in zwei Teile gespalten, sondern über fast alle Länder der Erde verstreut und hatte damit nach den Begriffen der Theoretiker aufgehört, ein Volk zu sein, da ihm der eigene Boden unter den Füßen fehlte.

 

Die Naturkraft solchen Bewusstseins kann unterdrückt, aber nicht erstickt werden. Die Freiheitsbestrebungen der Völker bleiben in der Regel auch nicht ohne gewisse Sympathien außerhalb ihres regionalen Bereichs. Beispiele hierfür bieten die Entwicklungen der letzten Zeit in Ägypten, Indochina, Indien, Pakistan, Ceylon, Tunis, Algier, Marokko. Selbst die Sowjetunion hat, soweit es sich nicht um ihre Satelliten handelt, solche Bestrebungen verschiedentlich für ihre Zwecke auszuwerten versucht.

 

In Deutschland ist das anders. Es wurde anders, als um die Jahrhundertwende mit dem Durchbruch der englischen Vernichtungspolitik gegenüber Deutschland („Germania est delenda“) die Hetzpropaganda gegen alles, was deutsch war, weltumspannend betrieben wurde. Und als auf das Versailler Diktat der Rückschlag der völkischen Selbstverständlichkeit folgte, verkündete Winston Churchill 1937 dem deutschen Botschafter in London: „Wenn Deutschland zu stark wird, wird es wieder zerschlagen werden“. Nachdem dies erreicht war, wurde es Ziel der Siegermächte, die Selbstverständlichkeit deutschen Volksbewusstseins vollends zu unterdrücken. Auch dies ist beinahe erreicht. Die durch Begriffsverwirrung Eingeschüchterten sind auch heute noch in der Mehrzahl.

 

Sind wir noch ein Volk? Jeder Versuch, den Aufbau der menschlichen Gesellschaft nach den Einfällen menschlicher Willkür zu regeln, muss fehlschlagen, da die gesellschaftliche Ordnung naturgesetzlich bestimmt wird. Nicht willkürlich, sondern naturgesetzlich erklären sich Familie, Volk und Staat als energieverbundene Spannungsträger. Ihre Seins-bedingungen lassen sich mit denjenigen des Atoms vergleichen. Die Ehegemeinschalt verdankt ihre schöpferische Potenz der körperlichen und geistigen Beziehung zwischen Mann und Frau, das Volk der Verbundenheit einer geschlossenen Sprach- und Geisteswelt, der Staat der Beziehung zwischen den Inhabern der Macht und dem Volk. Die Familie ist die atomare Grundlage für den molekularen Bestand des Volkes. Dadurch erhält das Volk seine naturgesetzliche Begründung.

 

In der Einheitlichkeit der naturgesetzlichen Grundlage liegt die Selbstverständlichkeit des völkischen Gedankens. Die Allgemeingültigkeit lässt Spielraum für den individuellen Charakter der Familien und Völker, der durch Alter, Bildung, Leistung, Klima, Bodenverhältnisse u. a. m. entsteht. Der individuelle Charakter wächst von der völkischen Selbstverständlichkeit zum bewussten Willen nationaler Lebensformen und Lebensgesetze.

 

Bei all seiner Selbstverständlichkeit bedeutet das Bekenntnis zur Nation noch nicht die Anerkennung ihrer Entartungen in Nationalismus. Das 19. und 20. Jahrhundert hat manche ideologische Verirrungen aufzuweisen. Sie gipfeln in falsch verstandenem Internationalismus und verderblich übersteigertem Nationalegoismus. Sowjetrussland ist in beide Fehler verfallen infolge der Zwiespältigkeit der kommunistischen Ideologie. England und Frankreich verfielen einem übersteigertem Nationalegoismus und lösten dadurch entsprechende Reaktionen in Deutschland und Italien aus.

 

Jener falsch verstandene Internationalismus, der das Phantom der Diktatur des Proletariats international begründen will, verkennt die Verschiedenheit der bedingten individuellen Charaktere der Familien und Völker, die nur durch eine nationale Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung entwickelt werden können. Die Naturgesetzmäßigkeit dieser Tatsache ist so offenkundig, dass Stalin in der Sitzung vom 17.05.1945 gegenüber Harry Hopkins als dem Beauftragten des amerikanischen Präsidenten F. D. Roosevelt und dessen Nachfolger H. Truman jene Erklärung abgab, „die Sowjetunion habe keineswegs die Absicht, sich in die inneren Angelegenheiten Polens zu mischen. Polen werde unter demselben parlamentarischen System leben wie die Tschechoslowakei, Belgien und Holland, und alles Gerede über eine Sowjetisierung Polens sei Unsinn. Die polnischen Führer selbst, von denen einige Kommunisten seien, lehnten das Sowjetsystem ab, da das Volk Polens landwirtschaftliche Kollektive und auch sonstige sowjetische Methoden nicht wünsche. Darin hätten die polnischen Führer ganz recht, denn das Sowjetsystem sei nicht übertragbar — es müsse sich auf Grund gewisser Bedingungen entwickeln, die in Polen nicht vorhanden seien“. Die nachfolgende sowjetrussische Politik fand an der Praxis nicht den Weg der nationalen Vernunft. Der sowjetrussische Kommunismus ist vom Internationalismus bisher nicht losgekommen und hat vorerst nur Jugoslawien und Rotchina notgedrungen Zugeständnisse gemacht.

 

Nicht minder verderblich ist der übersteigerte Nationalegoismus, der sich in kurzsichtiger Verblendung den Lebensrechten anderer Nationen verschließt und in Imperialismus ausartet. Er bildet den Tummelplatz derjenigen Politiker, Bürokraten und Demagogen, die durch den billigen Appell an die niedrigsten Triebe der Habgier, Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit ihren Weizen blühen sehen. Die echte Nation hingegen achtet die Rechte anderer Nationen.

 

Zu spät erkannte Napoleon am Ende seines Lebens die Fehler seiner Eroberungspolitik. Sehr spät auch bekannte Ex-Präsident Harry Truman in dem Bericht über seine Europa-Reise 1956: „Wir müssen uns in unserer Außenpolitik zu der Erkenntnis durchringen, dass jedes Land und jedes Volk seine eigenen Ideen über die eigene Souveränität hat. Je weniger wir uns in ihre internen Angelegenheiten einmischen, umso besser wird es für den Frieden der Welt sein. Sie handeln so, wie sie es in ihrem eigenen nationalen Interesse für notwendig halten, und wir dürfen ihnen unter keinen Umständen vorschreiben, was sie zu tun haben“.

 

In später Erkenntnis seiner eigenen Fehler bekannte Winston Churchill gegenüber demselben Ex-Präsidenten Truman 1956: „Nicht wahr, wir würden die Welt schon geradebiegen, wenn wir noch einmal auf unsere Posten zurückkehrten?"

 

Wo gegen die Naturgesetze des Volkseins verstoßen wird, dort entstehen die großen weltgeschichtlichen Katastrophen. So war der Versailler Vertrag die tiefste Ursache des Zweiten Weltkrieges. So wird die Teilung Deutschlands zur Ursache einer endgültigen Weltkatastrophe, wenn nicht der Wahnwitz der Zerstörung eines lebendigen Volkszusammenhangs eingesehen und rückgängig gemacht wird.

 

Seite 2   Gesamtdeutscher Rat gefordert. Amerikanische Vorschläge zur Wiedervereinigung Deutschlands.

Einen Achtpunkteplan für die Wiedervereinigung Deutschlands leitete der „amerikanische Rat für die Wiedervereinigung Deutschlands" — eine Gruppe einflussreicher amerikanischer Bürger deutscher Herkunft — der USA-Regierung und dem amerikanischen Kongress zu.

 

Der Plan sieht vor:

1. Konstituierung eines gesamtdeutschen Rates zur Vorbereitung freier gesamtdeutscher Wahlen.

 

2. Freie Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unter Überwachung dieses gesamtdeutschen Rates und internationaler Beobachter.

 

3. Zusammentritt einer Nationalversammlung zur Ausarbeitung der Verfassung und der Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung.

 

4. Errichtung eines europäischen Sicherheitssystems mit Nichtangriffsverpflichtung, Schiedsgericht für Streitfälle, Waffenbegrenzung und -kontrolle, Verzicht auf Atomwaffen, gegenseitiger Garantie durch die USA und Sowjetunion und Registrierung als Regionalabkommen im Rahmen der UNO.

 

5. Entlassung der Bundesrepublik aus den NATO-Verpflichtungen und Entlassung Polens und der Tschechoslowakei aus den Verpflichtungen des Warschauer Paktes.

 

6. Abzug aller ausländischen Truppen aus Mittel- und Osteuropa.

 

7. Umgruppierung der NATO, Aufnahme Spaniens in das atlantische Bündnis, Stationierung der bisher in der Bundesrepublik eingesetzten USA-Truppen auf der Iberischen Halbinsel.

 

8. Friedensvertrag für Deutschland, in dem alle ungelösten Fragen, wie die der Oder-Neiße-Linie und des Flüchtlingsproblems, geregelt werden.

 

Seite 2   Polen hilft dem Suchdienst

Die Suche nach im polnischen Bereich vermissten deutschen Soldaten und Zivilisten wird beschleunigt werden können. Das polnische Rote Kreuz hat dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes zugesagt, Unterlagen über vermisste Soldaten der früheren deutschen Wehrmacht zu übermitteln. Außerdem will das polnische Rote Kreuz bei der Nachforschung nach Zivilgefangenen und Kindern helfen, von denen letzte Nachrichten aus Polen stammen. Der Suchdienst erhielt diese Zusage nach einem zweitägigen Besuch einer Delegation des polnischen Roten Kreuzes In Hamburg.

 

Gleichzeitig teilten die polnischen Gäste mit, dass die Familienzusammenführung mit Hilfe der Aussiedlung auch in der zweiten Hälfte dieses Jahres wie bisher fortgesetzt werden solle. Wahrscheinlich werde bis zum Jahresende der größte Teil der noch im polnischen Bereich lebenden Deutschen ausgesiedelt werden können.

 

Seite 2   Polen wirbt um seine Deutschen. Bekenntnis zum deutschen Volkstum keine Begründung für Diskriminierung.

Das Zentralorgan der polnischen Arbeiterpartei „Trybuna Ludu" befasst sich in einem längeren Artikel mit den Volkstumsfragen in den Oder-Neiße-Gebieten, wobei folgende bemerkenswerte Ausführungen zu lesen sind:

 

„Die einheimische Bevölkerung der Westgebiete bedient sich oft der deutschen Sprache und oft auch hält sie die deutsche Sprache für ihre Literatursprache. Ein Teil dieser Bevölkerung bekennt sich zum deutschen Volkstum. Wir verzichten nicht darauf, das polnische Volkstumsbewusstsein unter der einheimischen Bevölkerung zu wecken, aber ausschließlich durch Einwirken auf kulturellem Wege und vor allem durch Anwendung einer weisen Politik. Wir sind uns aber bewusst, dass trotz dieser Tätigkeit ein Teil der einheimischen Bevölkerung sich weiterhin als Deutsche fühlen wird — dass dieses ihnen rechtens zusteht und dass eine solche Haltung keineswegs die Begründung für eine Diskriminierung auf irgendwelchem Gebiete sein darf. Noch aber sind alle diejenigen, die deutsch sprechen und sich als Deutsche fühlen, den örtlichen Staatsorganen verdächtig, was zu einer Diskriminierung und zu einer Repolonisierungspolitik führt.

 

Natürlich musste das unter der Bevölkerung Misstrauen und Widerstand erwecken. Auch heute noch ereignen sich immer wieder Zwischenfälle zwischen den Einheimischen und Beamten. Kann man sich also wundern, dass die Ergebnisse im Kampf um die Überwindung der Diskriminierung der Bevölkerung nicht zufriedenstellend sind?

 

Trotz der positiven Veränderung, die in Polen vor sich gegangen sind, verzeichnet man also unter einem Teil der einheimischen Bevölkerung die Tendenz, auszureisen. Manche politische Funktionäre sind von dieser Tatsache überrascht: Sie erblicken darin den Beweis, dass alle Anstrengungen, die zur Lösung des Problems der einheimischen Bevölkerung gemacht wurden, zwecklos sind und dass die Besonderheit dieser Bevölkerung nie verschwinden wird“.

 

Seite 2   Siedler-Familien wanderten ab.

Wie die Warschauer Wochenzeitung „Pro prostu“ berichtet, haben seit 1951 allein in der „Wojewodschaft“ Allenstein nicht weniger 6300 Familien polnischer Neusiedler, die ihnen zugeteilten deutschen Gehöfte verlassen und sind irgendwohin abgewandert. 4000 polnische Neusiedler verließen die Gehöfte mit Genehmigung der polnischen Verwaltungsbehörden, weitere 2300 „verzichteten" ohne die behördliche Genehmigung einzuholen oder abzuwarten. Als Hauptgrund für diese Abwanderungsbewegung bezeichnet „Po prostu" die Tatsache dass „die meisten Bauern nicht mit einer dauernden Ansiedlung" rechneten.

 

Seite 2   Deutsche Literatur in Breslau sehr gefragt.

In Breslau wird seit vielen Monaten ein lebhafter Handel mit deutschsprachigen Büchern festgestellt. Es handelt sich größtenteils um Druck-Erzeugnisse aus der Zeit vor 1945, die jetzt in größeren Mengen auf dem sogenannten „Freien Markt" angeboten werden. Darunter befinden sich deutsche Klassiker in vollständigen Ausgaben und andere namhafte Schriftsteller. Ein Buch kostet durchschnittlich 4 - 5 Zloty. Viele deutsche Aussiedler, die kürzlich in Westdeutschland eintrafen, führten in ihrem Gepäck große Bücherkisten. Sie hatten ihr letztes polnisches Geld im Kauf deutscher Bücher angelegt. Auch unter der polnischen Bevölkerung ist ein wachsendes Interesse für deutsche Literaturerzeugnisse zu beobachten. Besonders Fachliteratur in deutscher Sprache und Märchenbücher und Wilhelm-Busch-Ausgaben sind sehr gefragt.

 

Kürzlich beauftragte die Breslauer Wojwodschaftsregierung ihre Organe, sich in den Buchkauf auf dem Breslauer „Freien Markt" einzuschalten oder bisher unbeachtete deutsche Buchantiquariate für Hochschulen und andere Lehranstalten in Schlesien zu kaufen. Ein Käufer der Regierung erwähnte im Laufe eines Verkaufsgespräches, es sei doch besser, dass diese Kulturgüter nicht auseinandergerissen würden, sondern als Studienmaterial in ihrer Gesamtheit der Jugend zugutekämen.

 

Seite 2   Pressespiegel

So oder so „Wenn Kanzler Adenauer uns heute versichert, er habe den Vorschlägen Amerikas für die Londoner Abrüstungskonferenz in vollem Ausmaße zugestimmt, so können wir daraus entnehmen, einmal, dass Frankreich eingelenkt hat, zum anderen dass das bevorstehende Gutachten des Generals Lauris Norstad sich ebenfalls für die europäische Inspektionszone aussprechen wird. Wir möchten weiter hoffen, dass die Bonner Regierung dieses Wort auch wahrmacht, d. h. dass sie den Versuch Eisenhowers tatkräftig unterstützt, wozu in erster Linie gehört, dass sie keine Angst mehr davor hat, im Rahmen der Vorbesprechungen zu einer solchen Zone mit der DDR an einen Tisch zu kommen. Aber hier liegt bekanntlich der wunde Punkt, hier kann das Kabinett Adenauer nicht über seinen Schatten springen. Bonn hat sich in eine Sackgasse manövriert, es dauert nicht mehr lange, da wird das Problem so lauten: Verhandlungen auch unter Beteiligung des östlichen Teilstaates oder Sabotage der europäischen Inspektionszone. Oder aber — da diese Alternative dreiteilig ist — ein Ausklammern des Problems Deutschland durch die Großmächte, wonach die allgemeine Entspannung dann unter Aufrechterhaltung der deutschen Teilung verwirklicht wird“. Nation, Rundschau, Karlsr.

 

Weg führt über Pankow

„Es wäre gut und schön, wenn wir um Verhandlungen mit Pankow herumkämen. Aber ich sehe nicht, wie wir auf die Dauer darum herumkommen sollen. Unser Standpunkt ermangelt der Überzeugungskraft. Die Machthaber der Zone sind nicht unmoralischer als die Russen selbst. Wenn der Bundestagspräsident von den „Dolmetschern" in Pankow spricht, so gibt er damit zu erkennen, dass man die Sowjets direkt nicht mehr ansprechen kann. Der Weg führt über Pankow, nicht der Sache nach, aber der Form nach.

 

Wir können unsere Verbündeten nicht daran festhalten, dass sie uns bei Meidung aller denkbaren Ost-West-Abkommen vor Verhandlungen mit Pankow bewahren. Sie werden uns vor Verhandlungen mit Pankow bewahren — aber sie werden anderweitige Abkommen mit den Sowjets schließen. Unsere Weigerung dient nur dazu, die deutsche Frage weiterhin am Ende der Traktandenliste zu behalten, wohin sie nicht zuletzt dank unseres inhaltlosen Säbelgerassels gesetzt worden ist.“. Der Spiegel, Hamburg

 

Keine chinesische Mauer

„Auch die Oder-Neiße-Grenze dürfte da (in der Entwicklung zu Europa. D. Red.) keine Chinesische Mauer sein, über die hinweg ein Gespräch nicht möglich wäre. Es ist völkerrechtlich nur korrekt sie kommenden Friedensverhandlungen vorzubehalten. Gerade darum sollte man noch vorher ins Gespräch zu kommen versuchen, das ein gegenseitiges Verständnis vertieft als notwendige Voraussetzung späterer Verständigung“. Neue Politik, Hamburg

 

Wohin führt Kanzler-Politik?

„Dr. Konrad Adenauer . . . gefiel es, während seines Wahlfeldzuges hierher zu kommen in dem Glauben, dass Zustimmung aus Washington ihm an den Wahlurnen helfen werde. Hierin weicht er von der allgemeinen Regel ab, die lautet, dadd ein Politiker in jedem Lande besser fährt mit den Wählern, wenn er laut seine Unabhängigkeit von fremdem Einfluss hinausschreit. Dr. Adertauer jedoch hat sowohl vor wie nach den Wahlen seine Politik auf die Vereinigten Staaten gebaut, und niemand hätte mehr mit Washington zusammenarbeiten können. — Wiedervereinigung ist das alles übertrumpfende politische Thema in Westdeutschland, und hierin ist der Kanzler offensichtlich gescheitert, denn noch immer gibt es zwei Deutschland. Seine sozialdemokratische Opposition hat seit Jahren behauptet, dass seine Politik, die wie die Hand im Handschuh mit der US-Politik übereinstimmen, keine Wiedervereinigung bringen konnte. — Sowjetaußenminister Gromyko hat öffentlich gesagt, dass die deutsche Frage aus den Abrüstungsverhandlungen ausgeklammert werden muss. Wenn dem nicht zugestimmt wird — und Präsident Eisenhower hört auf Dr. Adenauer — dann könnte das bedeuten, dass kein Abrüstungsabkommen möglich sein wird und dass Westdeutschland die Verantwortung dafür trägt, den ersten Hoffnungsschimmer zerstört zu haben, dass der gesunde Menschenverstand über das thermonukleare Rennen siegt“. The Evening Bulletin, Phildelphia

 

„Saubere" H-Bombe

Vor dem liberalen Arbeitskreis München fällte Prof. Gerlach ein vernichtendes Urteil über die neue „saubere" H-Bombe, die in den Vereinigten Staaten entwickelt wurde. Er erklärte: „Neue Worte für eine Atombombe bedeuten noch lange nicht, dass sie eine schwächere Wirkung hat“. Der Physiker warnt erneut die Politiker: „Wenn wir aus unserem politischen Denken nicht den Faktor Gewalt ausscheiden, dann führt die Entwicklung zur Anwendung des letzten und gewaltigsten Mittels. Wir können nicht mit den alten Methoden ins Atomzeitalter gehen, die darin bestanden, zuerst mit einem Krieg zu drohen und dann einen Krieg zu führen."

Stuttgarter Zeitung.

 

Seite 2   Der letzte Monat

Parteisekretär Chruschtschow forderte in einem Fernsehinterview die USA auf, ihre Truppen aus der Bundesrepublik und anderen NATO-Ländern abzuziehen und erklärte die Bereitschaft Moskaus, bei einem solchen Schritt die Sowjettruppen aus Mitteldeutschland sowie Polen, Ungarn und Rumänien zurückzuziehen.

 

In ganz Algerien sind die französischen Truppen zu Vergeltungsaktionen für das Massaker von La Casbah, der blutigste Zwischenfall seit Beginn der Aufstände in Algerien, angetreten.

 

15 Soldaten der Bundeswehr, junge wehrpflichtige, fielen einem ersten schweren Manöverunfall zum Opfer. Beim Überqueren der Iller bei Hirschdorf wurden sie von der Strömung mitgerissen und ertranken.

 

Zweitausend amerikanische Wissenschaftler haben einen „Aufruf an die Regierungen und Völker der Welt“ unterzeichnet, in dem sie den sofortigen Abschluss eines Abkommens über die Einstellung der Atom- und Wasserstoffbombenversuche fordern.

 

Besondere Luftschutzvorkehrungen sollen bei Neubauten von Wohn- und anderen Gebäuden ab 1. April nächsten Jahres berücksichtigt werden. Diese Bestimmung steht im Mittelpunkt des Bundesluftschutzgesetzes, das im zuständigen Ausschuss des Bundestages fertiggestellt worden ist und noch vor Ende der Wahlperiode verabschiedet werden soll.

 

Louise Schröder, das populärste Stadtoberhaupt von Berlin nach dem Kriege, ist am 4. Juni 1957, im Alter von 70 Jahren gestorben.

 

Radioaktive Abfallprodukte seien ständig in der Luft, die die Amerikaner atmen, und in dem Wasser, das sie trinken, enthalten, erklärte der Leiter des radiologischen Gesundheitsprogramms des amerikanischen Gesundheitsdienstes, Terril, vor dem Kongress-Untersuchungsausschuss für atomare Strahlung.

 

In ihrer neuen Note an Moskau besteht die Bundesregierung darauf, dass bei neuen Verhandlungen in Moskau nicht nur Fragen des deutsch-sowjetischen Handels besprochen werden sollen, sondern auch die Rückführung der Deutschen aus Russland in den Mittelpunkt gestellt werden solle.

 

Bonn wandte sich gegen die in London erarbeiteten Abrüstungspläne, die als ersten Schritt die Einrichtung einer militärischen Inspektionszone in Europa vorsehen. Da hier sowjetisches Gebiet nicht oder nur in geringem Maße einbezogen sei, empfiehlt man für die erste Phase ein größeres Gebiet in der Arktis.

 

Die Wiedervereinigung Deutschlands sei eine ausschließlich innerdeutsche Angelegenheit, die von Bonn und Pankow geregelt werden müsse, erklärte der sowjetische Parteisekretär Chruschtschow auf einer Pressekonferenz in Helsinki.

 

Bei den Londoner Abrüstungsverhandlungen machte der sowjetische Vertreter Sorin den überraschenden Vorschlag, alle Atomwaffenversuche für die Dauer von zwei bis drei Jahren einzustellen. Eine Internationale Organisation solle die Einhaltung dieser Vereinbarung kontrollieren. Die USA-Regierung will hingegen, amerikanischen Presseberichten zufolge, Ihren Verbündeten eine zehnmonatige Einstellung der Kernbombenversuche empfehlen.

 

Der Britische Premierminister Mac Millan hat die Sowjetregierung aufgefordert, eindeutig zur Deutschlandfrage Stellung zu nehmen und erklärte in diesem Zusammenhange, dass wenig Aussicht auf eine zufriedenstellende Lösung der großen Ost-West-Probleme bestehe, wenn die Sowjetregierung nicht bereit sei, den Deutschen das „elementare Recht der Selbstbestimmung" zu geben.

 

Chruschtschow wiederholte in Japan erneut seine Forderung nach Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus Mitteleuropa.

 

Mit der zur Explosion gebrachten dritten H-Bombe will Großbritannien seine Versuchsserie im Pazifik abgeschlossen haben, wurde aus London amtlich mitgeteilt.

 

Polen werde auf seinem eigenen Weg zum Sozialismus bleiben, erklärten Gomulka und Ministerpräsident Cyrankiewicz auf einem Staatsempfang in Ostberlin.

 

Der Plan des amerikanischen Abrüstungsdelegierten Stassen sieht als ersten Punkt eines „Teilabkommens" die Herabsetzung der Streitkräfte der USA und der Sowjetunion auf 2,5 Millionen Mann innerhalb eines Jahres nach Vertragsunterzeichnung vor. Diese Kürzungen sollen ohne politische Vorbedingungen beschlossen werden. Als weitere Punkte nennt er: Begrenzte Luftüberwachung, Kürzung der Streitkräfte, Erfüllung eines Kontrollsystems.

 

Südkorea hat den Vorschlag des Nordkoreanischen Ministerpräsidenten Kim Il-sung, eine sofortige Konferenz zur Wiedervereinigung Koreas einzuberufen, entschieden zurückgewiesen. Südkorea vertrat in diesem Zusammenhange die Ansicht, Korea könne nur mit Waffengewalt wiederhergestellt werden.

 

Nach siebenwöchiger Regierungskrise in Italien erhielt der christlich-demokratische Nationalpräsident Zoli von Staatspräsident Gronchi den Auftrag, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Zoli nahm an. Dadurch kann die langandauernde Regierungskrise In Italien als abgeschlossen gelten.

 

Der Abzug aller amerikanischen Truppen aus Japan innerhalb eines Jahres wurde anlässlich des Staatsbesuches von Ministerpräsident Kishi in Washington zwischen den USA und Japan beschlossen.

 

Nobelpreisträger Prof. Dr. Otto Hahn hat sich entschieden gegen die Fortsetzung der Versuche mit Wasserstoffbomben gewandt. Statt des Aufpeitschens in Furcht müsse die Welt endlich Wege einer allmählichen Entspannung einleiten. Er befürwortete gleichzeitig eine internationale Aussprache der führenden Sachverständigen aus aller Welt.

 

Sowjetbotschafter Smirnow stattete dem Hauptgestüt Rantzau in Schleswig-Holstein einen Besuch ab. In Rantzau hat ein Teil des berühmten Trakehnergestüts nach der Flucht aus Ostpreußen eine neue Heimat gefunden.

 

Das im Krieg zerstörte Reichstagsgebäude in Berlin soll wieder aufgebaut werden und dem Bundestag bei künftigen Sitzungen in Berlin als Parlamentsgebäude dienen. Mit den Arbeiten soll noch in diesem Jahre begonnen werden.

 

Drei der prominentesten Sowjetführer und die letzten Vertreter der alten bolschewistischen Garde in der Führung der sowjetischen KP, Malenkow, Molotow und Kaganowitsch sind wegen „parteifeindlichen Verhaltens“ aus dem Präsidium und dem Zentralkomitee der KP ausgeschlossen worden. Der frühere Außenminister Schepilow, der im Februar dieses Jahres von Gromyko abgelöst wurde, wurde seines Postens als Parteisekretär enthoben.

 

Auf der 26. Internationalen Messe in Posen, die am Pfingstsonntag eröffnet wurde, sind auch 182 westdeutsche Firmen mit ihren Fabrikaten vertreten. Ministerpräsident Carankiewicz drückte seine besondere Befriedigung über diese starke Beteiligung der Bundesrepublik aus und wünschte für die Zukunft einen stärkeren Handelsaustausch beider Länder als bisher.

 

Auf dem Atomversuchsgelände in Nevada detonierte die bisher stärkste auf dem amerikanischen Kontinent zur Explosion gebrachte Atombombe. Ihre Wirkung soll die der Hiroshima-Bombe um ein dreifaches übertroffen haben, sie hatte eine Sprengkraft von rund 60 000 Tonnen gewöhnlichen Sprengstoffs.

 

Seite 3   Heilsberg, fast unversehrtes Kleinod Ostpreußens. Bischofsschloss blieb bestehen – Wiederaufbau geht voran – Erträgliche Mängel.

Für polnische Verhältnisse sind die heutigen Zustände in der ermländischen Stadt Heilsberg erträglich. Kann man auch keinen Vergleich zur Vorkriegszeit ziehen, so sind hier doch viele Dinge besser als in den übrigen polnisch verwalteten Städten des südlichen Ostpreußens.

 

Das macht sich einmal schon in der vor einigen Tagen erlassenen Anordnung bemerkbar, zukünftig keine heilen oder beschädigten Häuser mehr abzureißen. In Heilsberg ist es jetzt endlich verboten, die sinnlose Abbruch-Politik weiter zu verfolgen und so zum Niedergang der Gemeinwesen beizutragen. Tatsächlich wurden inzwischen auch die Abrissarbeiten eingestellt.

 

Dafür bemüht sich die Stadtverwaltung um Initiative im Wiederaufbau. Die Behörden entschlossen sich, keine Neubauten in der nächsten Zeit aufzuführen, sondern von den Baubetrieben in erster Linie Reparaturarbeiten an den Gebäuden durchführen zu lassen. Damit hat endlich ein seit langem notwendiges Programm zur Erhaltung der den Krieg gut überstandenen Häuser eingesetzt! In der letzten Zeit wurde verschiedentlich festgestellt, dass solche Erhaltungs-Arbeiten dringend notwendig sind, wolle man nicht die Zerstörung der Stadt durch Nachlässigkeit riskieren.

 

Die polnischen Anstrengungen konzentrieren sich auf alle Stadtteile, um möglichst auf einmal alle reparaturfähigen Gebäude wiederherzustellen und damit eine Abwanderung von Bürgern zu verhindern. In der letzten Zeit nämlich zogen bereits einige Familien ab, deren Häuser unbewohnbar wurden und die keine neuen Wohnungen zugeteilt erhielten. Eine Wohnungs- und Bau-Kommission überprüft jetzt alle Häuser der Stadt und legt die Reihenfolge fest, in der Renovierungen usw. vorgenommen werden sollen.

 

Gleichzeitig werden erstmalig auch Neubauten für das kommende Jahr projektiert, wenn auch an den eigentlichen Häuserbau jetzt noch nicht gedacht ist. Die polnischen Pläne sehen vor allem den Wiederaufbau des zerstörten Marktes vor (sonst gab es nur wenige Kriegsschäden in der Stadt). Die Enttrümmerung dieses Gebietes ist bereits im Gange und soll bis zum Herbst abgeschlossen sein. Sind dann bis Jahresende die dringendsten Reparaturarbeiten ausgeführt, will man 1958 mit dem Neubau von Wohngebäuden an dieser Stelle beginnen.

 

Um die Renovierungen jetzt exakt durchführen zu können, haben sich die Handwerker freiwillig zu Arbeitsgruppen zusammengeschlossen. Tischler und Zimmermeister haben die meiste Arbeit zu bewältigen, da bei den erhalten gebliebenen Häusern in erster Linie Reparaturen an den Dächern, Zimmerböden, Treppenhäusern und Fenstern und Türen auszuführen sind. Auch für die Dachdecker gibt es viel Arbeit. In der Umgebung des Hohen Tores wurden bereits verschiedene Gebäude renoviert, so dass dem Verfall Einhalt geboten worden ist. Vorbereitungsarbeiten für den Wiederaufbau im Jahre 1958 werden außer am Marktplatz auch an der Alleebrücke und in der Klosterstraße vorgenommen, wo ebenfalls enttrümmert wird.

 

Als sehr günstig für Heilsberg hat es sich erwiesen, dass alle Schulgebäude den Krieg heil überstanden haben. Die Bauwirtschaft braucht hier keine Arbeiten auszuführen, so dass man sich tatsächlich der Erhaltung von Wohnraum widmen kann. Dasselbe trifft für den Bahnhof zu, der unbeschädigt die Kriegswirren überstand. Im Übrigen sind es gerade jetzt die intakten Verkehrsbedingungen, die das Heranschaffen von Material ermöglichen und den Anstrengungen auf dem Bausektor entgegenkommen. Als gut erweist sich nun auch in diesem Zusammenhang, dass die polnische Verwaltung einiges getan hat, um einen gut eingespielten Busverkehr einzurichten. Hier jedenfalls hat die Bauwirtschaft wenigstens nicht auch noch wie sonst in Ostpreußen mit Verkehrsbeschränkungen zu kämpfen.

 

Die polnische Aktivität in Heilsberg ist nicht zuletzt dadurch ausgelöst worden, dass man sich hier reelle Chancen im Touristen- und Urlaubsverkehr verspricht. Fehlt zwar auch noch ein repräsentatives Hotel, so wurden in letzter Zeit doch verschiedentlich Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen. Außerdem gibt es für länger bleibende Urlauber neuerdings zwei Pensionen. Hauptanziehungspunkt für Touristen und Feriengäste sind das bekannte Heilsberger Bischofsschloss, das zwischen 1350 und 1400 erbaut worden ist, und die reizvolle landschaftliche Umgebung.

 

Der massige, quadratische Ziegelbau des Schlosses mit dem doppelgeschossigen Kreuzgang, dessen Gewölbe auf Granitpfeilern ruht, ist für länger bleibende Urlauber aus Polen und Touristen aus Allenstein und dem Ermland bereits zu einem beliebten Ausflugspunkt geworden. Von polnischer Seite wird die historische Wahrheit über dieses gewaltige Bauwerk selbstverständlich verschwiegen. Um den Eindruck hervorzurufen, es handele sich um ein polnisches Bauwerk, wurde im Innern des Schlosses ein polnisches Museum angelegt. Die alten deutschen Kunstschätze und Sammlungen des Bischofsschlosses sind nicht mehr vorhanden — sie wurden 1945 bei der sowjetischen Besetzung verschleppt oder vernichtet. Polnische Restauratoren sind gegenwärtig dabei, innerhalb des Schlosses Renovierungsarbeiten durchzuführen und mittelalterliche Wandmalereien freizulegen. Viel Propaganda wird damit gemacht, dass im Schloss längere Zeit Nikolaus Kopernikus lebte, den Warschau ja ebenfalls als einen Polen auszugeben versucht. Die Kopernikus-Gedenkstätte hält jedoch heute wegen der 1945 verschleppten Erinnerungsstücke keinen Vergleich mehr mit früher aus.

 

Was die kulturellen Bauten und Anlagen der Stadt angeht, so kann berichtet werden, dass die schöne Pfarrkirche „St. Peter und Paul" ebenfalls den Krieg gut überstanden hat. Hier haben die Polen sogar nach einer Sammelaktion umfassende Verschönerungsarbeiten ausgeführt, die den Charakter des Gotteshauses nicht verändert. Unter anderem wurde ganz neues Gestühl angeschafft, dessen Kosten weitgehend die Bürger und Gläubigen übernahmen. Neue Bänke usw. waren notwendig, weil die Russen nach dem Einmarsch das Gestühl verheizten. Die deutschen und polnischen Katholiken benutzen heute gemeinsam das Gotteshaus, in dem allerdings nur noch in polnischer Sprache gepredigt wird. Dagegen ist es meistens möglich, die Beichte in Deutsch abzulegen. Die deutsch-evangelische Gemeinde ist ganz zusammengeschmolzen. Die protestantische Kirche ist zwar auch erhalten geblieben, sie wird aber nicht mehr benutzt.

 

Die polnische Bevölkerung in Heilsberg ist nahezu so zahlreich wie früher die deutsche Einwohnerschaft. Es sind etwa anderthalbtausend Personen weniger in der Stadt als vor dem Kriege. Die Zahl der Deutschen nimmt durch Sterbefälle und die Familienzusammenführung laufend ab. Zu Schikanen gegenüber unseren Landsleuten kommt es nicht mehr. Beide Nationalitäten leben ohne Liebe oder Hass nebeneinander her.

 

Von der Stadt ist noch zu sagen, dass der Stadtpark und die Anlagen an der Simser seit einiger Zeit wieder besser in Ordnung gehalten werden. Man sieht hier viele Urlaubsgäste und alte Leute aus der Stadt. In die Verschönerungsarbeiten wurden auch die Friedhöfe einbezogen, die glücklicherweise die sonst in Südostpreußen unter den Polen übliche Entehrung und Vernachlässigung vermissen lassen. Hier sieht man nichts von Grabschändungen, wenn auch notgedrungen viele Grabstellen wegen mangelnder Pflege eine dichte grüne Decke aus Blumen, Gras oder Büschen tragen. Die Friedhofsanlagen selber wie die Wege usw. werden gepflegt. Verboten wurde inzwischen von der Stadtverwaltung auch das Abholzen der jahrhundertealten Bäume im Stadtgebiet. Noch vor einiger Zeit fielen viele der ehrwürdigen Bäume den Äxten zum Opfer. Jetzt stehen sie unter Naturschutz.

 

Gute Fortschritte hat auch die Entbürokratisierung der Stadt gemacht. In Heilsberg gibt es gegenüber der Zeit vor zwei Jahren fast die Hälfte weniger Behörden und Büros. Nur wirklich für die Verwaltung wichtige Dienststellen werden beibehalten. Die freigewordenen Büroräume müssen dem Wohnungsamt zur Vergabe an Wohnungsuchende übergeben werden. Diese Aktion fand naturgemäß die Zustimmung der Bürger.

 

Über sonstige Vorgänge in Heilsberg ist bekannt, dass das Kloster noch immer von einigen, wenn auch sehr gebrechlichen, Ordensschwestern bewohnt wird. Nachwuchs gibt es keinen. Weltliche Schwestern sind dagegen in verschiedenen Gesundheitsstellen und im Städtischen Krankenhaus zu finden. Die Behörden sind heute meistens im früheren Rentenamt und dem Magistratsgebäude untergebracht. Die Kantinen für städtische Angestellte werden immer weniger, seitdem private Gaststätten usw. ihre Pforten geöffnet haben. Im Volksgarten wurden verschiedene Unterhaltungsmöglichkeiten geschaffen, und das Waldkurhaus wurde zum Sommer 1957 nach Renovierung neu eröffnet. Nach wie vor steht es aber mit Theater und Kino schlecht, da zu wenige Plätze vorhanden sind. Alles in allem aber sind die Zustände in Heilsberg doch wesentlich besser als im Übrigen südlichen Ostpreußen.

 

Seite 3   Das Danziger Krantor wird wieder aufgebaut. „Graue Börse“ in Gdingen – Zweites Jazzfestival in Zoppot.  

Spätestens im Herbst 1958 wird Danzig sein in aller Welt bekanntes Wahrzeichen, das Krantor an der Langen Brücke, wiederhaben. Es brannte 1945 bis auf die breiten Mauerstümpfe ab. Weiter heißt es in der Stadtverwaltung, dass zwei Jahre später — 1960 — euch die vor zwölf Jahren zu 90 Prozent vernichtete Altstadt wieder komplett stehen und Danzig damit die erste Stadt in den Ostgebieten sein wird, die die schweren Kriegsschäden überwand.

 

Der Besucher, der Gelegenheit hatte, seit 1955 jedes Jahr einmal in diese bedeutende Stadt der alten Hanse zu kommen, hat die Freude, jedes Mal wesentliche Fortschritte im Wiederaufbau der Stadt kennenzulernen. Nachdem nun die letzten Gerüste an der wiederaufgebauten Sternwarte an der Mottlau gefallen sind, beginnt man mit den Abschlussarbeiten am Wiederaufbau der Katharinenkirche, deren Glockenspiel früher im deutschen Norden ebenso bekannt war wie das der Potsdamer Garnisonkirche. In wenigen Wochen wird auch damit begonnen werden, das Stadttheater am Kohlenmarkt wieder aufzubauen.

 

Die Marienkirche allerdings ist bis jetzt noch als Stiefkind behandelt worden. Nur ihr vorderer Teil mit dem Hauptaltar wurde wieder hergerichtet und steht für Gottesdienste zur Verfügung — aber immer noch geht eine über mannshohe Ziegelmauer durch das mächtige gotische Hauptschiff, die die Kirche in eine renovierte und eine zerstörte Hälfte scheidet. Der Lange Markt und die Langgasse, Mittelpunkt der Altstadt, sind mit wenigen Varianten im historischen Stil nunmehr komplett wiederhergestellt.

 

Die „Dreistadt Danzig-Zoppot-Gdingen" ist neben Kattowitz und Lodz die „reichste" Stadt des heutigen Polen. Hier wohnen die gut verdienenden Matrosen, Schiffsbauer und Fischer, hier gibt es auch mehr schwere amerikanische Wagen mit privaten Kennzeichen zu sehen als in einer anderen, gleich großen Stadt in diesem Lande. Die Matrosen, die von alters her etwas vom Schmuggel verstehen, sind heute — wenn sie noch nicht erwischt worden sind — Zloty-Millionäre. Sie haben sich, was in Polen sehr teuer ist, neue Häuser gebaut und fahren nach jeder Rückkehr von Übersee einen aus Rotterdam oder Amsterdam billig eingekauften gebrauchten amerikanischen „Straßenkreuzer". Bevor sie auf die nächste Fahrt gehen, wird der Wagen dann mit 100 Prozent Aufschlag weiterverkauft.

 

Danzig und Gdingen sind Polens Tor zur Welt; hier regiert auch das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Die Scheckdollar, die Matrosen von der Staatsreederei erhalten, werden auf einer „grauen Börse" gleich neben dem Zollamt gehandelt, wobei oft der sechsfache amtliche Touristenkurs angeboten wird; denn die Matrosen können mit ihren Papierdollars in der staatlichen Gesellschaft „Baltona" einkaufen, wo es einfach alles gibt — angefangen von echten Lucky-Strikes bis zum besten englischen Wollstoff. Hier sitzen auch die Einkäufer der staatlichen „Delikatessy" und anderen Überpreisgeschäften, die den Matrosen ihre Papierdollars abkaufen, um in der „Baltona" für ihre Geschäfte Spezialitäten einkaufen zu können.

 

Zoppot ist das teure Pflaster geblieben, das es früher war. Als neue Attraktion hat man ein „Jazz-Festival" vorbereitet, das im August unter Beteiligung internationaler Jazz-Orchester in diesem Jahre zum zweiten Male durchgeführt wird. Bei der Generalprobe im vergangenen Jahr hatte es einige Pannen und Zwischenfälle gegeben, als begeisterte Jazz-Fans, die keine Karten mehr erhielten, mehrfach die Veranstaltungsstätten stürmten. Um ähnliche Debakel zu vermeiden, will man jetzt die Zoppoter Waldoper zum Austragungsort der Synkopen-Wettkämpfe machen. Englische und skandinavische Bands haben zugesagt.

 

Wenige Kilometer weiter, in Marienburg, ist das Geld wieder knapp. Die 1950/1952 teilweise renovierte Marienburg braucht dringend neue Mittel, um auch die anderen, noch erhaltenen Teile zu konservieren. Es kommen nicht ausreichend Besucher, um aus den Eintrittskarten (2 Zloty pro Mann, Soldaten und Kinder die Hälfte) Bauarbeiten finanzieren zu können. Auch der Wiederaufbauplan der bis auf das Rathaus völlig zerstörten Altstadt ist nur auf dem Papier fertig.

 

Vor dem Rathaus in Allenstein spricht mich ein deutscher Kriegsversehrter an, der hofft, in wenigen Monaten in die Bundesrepublik ausreisen zu können. Als Hauptgrund gibt er die schlechten Lebensverhältnisse an und die Hoffnung, in der Bundesrepublik eine ausreichende Rente zu erhalten. Und wie ist es hier? „Mit den Leuten, die von jenseits des Bug kamen, lässt es sich zusammen leben, weil es denen ja nicht viel anders erging als unseren Landsleuten“. Und die anderen? Da zuckt der Mann die Achsel, „die haben andere Sorgen".

 

Verschiedenen deutschen Bauern wurde von der Wojewodschaft der Vorschlag gemacht, in ihrer Heimat zu bleiben und ihre Verwandten zurückzuholen. Diese bekämen auch ihre Höfe wieder und den für solche Fälle veranschlagten Aufbau-Kredit. Die Versuche, deutsche Bauern wieder zurückzuholen, sind übrigens nicht nur aus Ostpreußen bekannt. Informell war dazu in Erfahrung zu bringen, dass das Gesetz zur Rückgabe deutschen Eigentums auch auf Rückkehrer angewendet werden könne, wenn diese sich entschlössen, polnische Staatsbürger zu werden. Auf der offiziellen Identitätskarte würde ihnen wie den anderen Deutschen unter der Rubrik Nationalität die deutsche Volkszugehörigkeit bescheinigt. Leider konnte ich nicht feststellen, ob in Ostpreußen schon solche „Rückkehrer" zu verzeichnen sind. Ich weiß nur, dass auf Grund von Kredit- und Eigentumszusagen eine Anzahl deutscher Bauern ihre Absicht, sich nach Deutschland aussiedeln zu lassen, vorläufig fallen ließen. Es wird im Wesentlichen von der Entwicklung der wirtschaftlichen und auch der politischen Lage in Polen abhängen, wieviel Deutsche auf ihre Aussiedlung verzichten, bzw. wieder in die Heimat zurückkehren. Selbst im günstigsten Fall dürfte sich diese Aktion jedoch in einem bescheidenen Rahmen halten. Willi Michael Beutel

 

Seite 3   Die Ukrainer in Ostpreußen. „Dies ist nicht unser Eigentum".

Die polnische landwirtschaftliche Fachzeitschrift „Gromada-Rolnik" Polski" (Die Dorfgemeinde — Der polnische Bauer) befasst sich eingehend mit der Frage der im südlichen Ostpreußen angesiedelten Ukrainer, deren Anteil an der gegenwärtigen Gesamtbevölkerung der „Wojewodschaft" Alenstein rund 7 v.H. betrage. Diese Ukrainer hätten die Forderung nach Rückkehr in die eigene Heimat in den östlichen und südlichen Wojewodschaften der Volksrepublik Polen „mit allem Nachdruck" erhoben, gegenwärtig sei aber „die infolge der Rückkehr-Propaganda entstandene Spannung und Nervosität nicht mehr so stark“. Immerhin beantragen zahlreiche ukrainische Familien die Genehmigung zur Rückkehr in ihre Heimat, mehr noch „fahren selbständig und ohne Genehmigung ab". Von Seiten der polnischen Verwaltungsbehörden werde alles versucht, um die Ukrainer von der Abwanderung aus Ostpreußen abzuhalten. Man gewähre ihnen sogar Kredite für die Instandsetzung der Gehöfte, doch würden diese nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen. Wörtlich heißt es in dem Bericht der polnischen Zeitschrift hierzu: „Sie (die Ukrainer) sagen: „Hier werde ich nicht bauen, wieso sollte ich das? Ich bin nicht der Ansicht, dass dies hier mein Eigentum ist. Auf meinem eigenen Grund und Boden würde ich bauen!“

 

Der „Pressedienst der Heimatvertriebenen" bemerkt hierzu, dass die ukrainischen Heimatvertriebenen, die im Jahre 1947 im Zuge einer sogenannten „Aktion W" (nach polnisch: wolnosc, d. h. Freiheit) in die Oder-Neiße-Gebiete zwangsumgesiedelt wurden, beständig die polnischen Verwaltungsbehörden daran erinnern, dass sie die ihnen zugewiesenen deutschen Gehöfte nicht als ihr Eigentum betrachten, worüber die polnische Presse mehrfach berichtet hat. Des Weiteren wird übereinstimmend berichtet, dass die ukrainischen Siedler die Gehöfte nichtsdestoweniger sehr sorgsam instand halten, nur eben es ablehnen, staatliche Mittel in Anspruch zu nehmen, weil sie befürchten, dann keine Genehmigung zur Rückkehr in die eigene Heimat mehr zu erhalten. Die deutschen (hier bricht der Bericht ab)

 

Seite 3   Nachrichten aus der Heimat

Memel heute.

Die Kaianlagen des Fischereihafens Memel werden nach ihrem endgültigen Ausbau eine Länge von 3 km besitzen, wie der Sender Vilnius berichtete. Ein Teil der neuen Kaianlagen (südlich der Zellulosefabrik) ist bereits dem Betrieb übergeben worden. Die Fahrrinne ist teilweise soweit vertieft, dass auch größere Seeschiffe mit großem Tiefgang anlegen können, z. B. die Mutterschiffe der litauischen Fischereiflotte im Atlantik. Der Fischereihafen erhielt ferner neue Krananlagen Gleisanschlüsse und unterirdische Verkehrs- und Lademöglichkeiten. Für die Bauarbeiten in diesem Jahr 35 Millionen Rubel verwendet worden. Am Ende des gegenwärtigen Fünfjahresplanes soll der Fischereihafen Memel einer der größten im Ostseebereich werden

 

Die Erzeugnisse der Zellulosefabrik Memel, die bisher hauptsächlich in andere Sowjetrepubliken verbracht wurden, werden neuerdings auch ins Ausland ausgeführt.

 

Seite 3   Aufforstung in Masuren

Zur Aufforstung wurden in den masurischen Wäldern jetzt zum ersten Male koreanische Zirbelkiefern und amerikanische Weimutkiefern angepflanzt.

 

Seite 3   Heilsberg und Koppernikus

Zwischen Allenstein und Königsberg, also diesseits der polnisch-sowjetischen Demarkationslinie liegt in Ostpreußen die kleine Stadt Heilsberg, seit Übernahme in polnische Verwaltung in „Lidzbark" umbenannt. In dem berühmten Heilsberger Bischofsschloss amtierte zu Anfang des 15. Jahrhunderts ein Onkel des großen deutschen Astronomen Nikolaus Koppernikus. Es war der Bischof Lukas Watzenrode von Ermland. Als sein Neffe 1506 die Studien der Rechtswissenschaften, der Mathematik und Medizin in Padua beendet hatte, berief der Onkel Koppernikus als Hausarzt und Sekretär nach Heilsberg. Dort hat Koppernikus sechs Jahre gelebt, dort sind bereits auch wichtige Beobachtungen des Sonnen-Systems von ihm angestellt worden.

 

Unser Bild zeigt die Heilsberger Pfarrkirche, die zur Blütezeit des Ritterordens entstand. Bronzereliefs am Schlosstor und der Heilsberger Koppernikusbrücke hielten bis in die jüngste Zeit die Erinnerung daran wach, dass Koppernikus mehrere Jahre in Heilsberg verbrachte.

 

Seite 4   Stichtag für Heimkehrer. Am 11. Juli 1957 läuft die Frist ab.

Das zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes brachte eine Reihe von neuen Fristen zur Antragstellung auf Kriegsgefangenen-Entschädigung. Die erste dieser neuen Fristen läuft am 11. Juli 1957 ab. Davon sind solche ehemalige deutsche Kriegsgefangene betroffen, die nach dem 1. Januar 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zur Entlassung gekommen sind, sich am Tage des Inkrafttretens des KgfEG (3. Februar 1954) im Bundesgebiet oder in West-Berlin befunden und Anträge auf Kriegsgefangenen-Entschädigung nicht bis zum 2. Februar 1955 gestellt haben. Diesen Kriegsgefangenen sind unter bestimmten Voraussetzungen Internierte und Verschleppte gleichgestellt. Für alle diese Antragsberechtigten ist durch die zweite Novelle zum KgfEG die Antragstellung letztmalig bis zum 11. Juli 1957 ermöglicht worden.

 

Für andere Berechtigte, z. B. Personen, die sich am 3. Februar 1954 vorübergehend im Ausland aufgehalten haben, und in Erbfällen läuft die Frist erst am 11. Dezember 1957 ab. Auch hier empfiehlt sich eine möglichst baldige Antragstellung.

 

Seite 4   Postzahlungsverkehr mit Polen

Am ersten Juli 1957 ist der Postanweisungsverkehr zwischen Polen einerseits und der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) andererseits in beiden Richtungen aufgenommen. Der Höchstbetrag einer Postanweisung in beiden Richtungen ist auf 400,-- DM festgesetzt. Die in der Bundesrepublik und in Berlin eingezahlten Postanweisungsbeträge werden in Polen nach folgendem Kurs umgerechnet: 100,--- DM - 562,86 Zloty. Nähere Auskünfte erteilen die Postämter.

 

Seite 4   Neue polnische Zollbestimmungen. Erfolg der öffentlichen Meinung - Zollsätze stark herabgesetzt.

Berlin. Über die Ende Mai vom Warschauer Ministerrat bestätigte neue Verordnung des volkspolnischen Außenhandelsministeriums über veränderte Zolltarife schreibt die volkspolnische Presse, sie enthalte „bedeutende Vergünstigungen". Die neue Verordnung betrifft hauptsächlich die Geschenkpaketsendungen nach Polen und in die Oder-Neiße-Gebiete. Der Direktor des volkspolnischen Zentral-Zollamtes in Warschau, Zygmunt Czyzewski, betonte, dass die neue Verordnung infolge der Vorstellungen zahlreicher Abgeordneter, „Stimmen der öffentlichen Meinung" und der Presse ausgearbeitet worden sei. Die bisher gültigen Zolltarife für eingehende Geschenksendungen seien mehrfach stark kritisiert worden.

 

Die neue Verordnung bestimmt, dass die Zollgebühren für gebrauchte Kleidung ohne Rücksicht auf die Gewebequalität pro Kilogramm auf 5 Zloty festgesetzt werden. Für je ein Paar Schuhe werden ebenfalls nur noch 5 Zloty Zollgebühren erhoben, während die Zolltarife bisher je nach Lederqualität festgesetzt wurden.

 

Die Zollgebühren für folgende Lebensmittel wurden aufgehoben: Mehl, Graupen, Zucker, Fleischkonserven und frisches Obst. Eine weitere Senkung der Zolltarife erfolgte für Öl, Süßwaren, Trockenobst, Sardinen, Obstkonserven, Honig und anderes.

 

Die Zollgebühren für Geschenksendungen aus dem Ausland waren im Jahre 1954 durch die Regierung Bierut so stark erhöht worden, dass die Gebühren faktisch dem Werte der Waren selbst entsprachen, ja ihn sogar teilweise übertrafen. Diese rigorose Maßnahme war damals u. a. damit begründet worden, dass die Versendung von zahlreichen Geschenksendungen durch die Organisationen der Heimatvertriebenen an die in der Heimat verbliebenen Deutschen zu „politischen Unzuträglichkeiten" geführt habe. Funktionäre der „Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei" in den Oder-Neiße-Gebieten waren in diesem Sinne in Warschau vorstellig geworden. Im Juni 1956 wurden diese sinnlos überhöhten Zollsätze dann in einigen Punkten gesenkt, ohne dass jedoch eine allgemeine „Normalisierung" erfolgte, welche die Warschauer Regierung ankündigte. Die neue Zollsenkung wird in unterrichteten Kreisen darauf zurückgeführt, dass die Amerika-Polen Hilfsaktionen für den Fall ankündigten, dass die Zollsätze stark herabgesetzt oder für bestimmte Lebensmittel annulliert würden.

 

Seite 4   Kompromissvorschlag zur achten LAG-Novelle. Verkündung voraussichtlich Mitte des Monats.

Mit dem Kompromissvorschlag zur Achten Novelle des Lastenausgleichsgesetzes befasste sich der Vermittlungsausschuss am 28. Juni 1957. Dieser Vorschlag stellt für alle Beteiligten eine durchaus annehmbare Lösung dar, so dass angenommen werden kann, dass Bundestag und Bundesrat keine weiteren Schwierigkeiten mehr machen werden. Der Vermittlungsausschuss hat folgenden Wortlaut vorgeschlagen: Die Länder leisten bis 1978 25 v. H. des Aufkommens der Vermögenssteuer an den Lastenausgleichsfonds. Darüber hinaus leisten Bund (ein Drittel) und Länder (zwei Drittel) bis 1966 den Unterschiedsbetrag zwischen dem Aufkommen an Vermögensabgabe, Hypothekengewinnabgabe und Kreditgewinnabgabe plus 25 v. H. der Vermögenssteuer und dem „Grenzbetrag" von 2,6 Mrd. DM. Dieser „Grenzbetrag" verringert sich ab 1960 in jedem Rechnungsjahr um 50 Mill. DM. Die Hälfte des Auffüllbetrages der Länder wird als Rückzahlung der Wohnraumhilfemittel den Ländern angerechnet. Die Wohnraumhilfemittel haben die Länder mit zwei v. H. pro anno zurückzuzahlen. Der 1966 noch verbleibende Rest ist dann in 16 Jahresraten zurückzuzahlen, also bis 1982. Der Bund hat die über die Abwicklung des Lastenausgleiches hinausgehenden vier Jahre vorzufinanzieren. Voraussichtlich ist damit zu rechnen, dass die Verkündung der 8. Novelle zum LAG Mitte dieses Monats erfolgen wird.

 

Seite 4   Bemerkenswerte Entscheidung

Die Neuaufnahme ist nicht mehr Grundlage für die rechtliche oder soziale Eingliederung eines Flüchtlings, sondern hat nur noch Bedeutung für die Aufenthaltserlaubnis. Diese Feststellung traf der Fünfte Senat des Bundesverwaltungsgerichts in dem Fall eines Flüchtlings, der gefordert hatte, dass ihm die Behörde für seine Anerkennung als Beamter nach Artikel 131 des Grundgesetzes und eine bevorzugte Wohnraumzuweisung eine Flucht aus besonderer Zwangslage bescheinige. Das Gericht stellte fest, die Voraussetzungen für einen Flüchtlingsausweis und für eine Anerkennung als Beamter nach Artikel 131 müssten von den zuständigen Behörden ohne Bindung an die Entscheidung des Notaufnahmeverfahrens geprüft werden.

 

Seite 4   Versicherungspflichtgrenze erhöht

In der 216. Sitzung des Bundestages stimmte das Plenum dem Zweiten Einkommensgrenzgesetz zu. Danach wird die Einkommensgrenze für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung von bisher 6000 DM (500 DM monatlich) auf 7920 DM (660 DM monatlich heraufgesetzt.

 

In namentlicher Abstimmung billigte der Bundestag weiterhin mit 205 gegen 148 Stimmen den Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Nach diesem Gesetz werden alle Personen in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig, die ein Einkommen zwischen 750 und 1250 DM haben, auch wenn sie wegen Vollendung des 50. Lebensjahres von der Angestelltenversicherungspflicht befreit werden.

 

Seite 4   Ostdeutsche Wappen-Marken

Der bekannte Graphiker und Heraldiker Helmut Munsch hat in Zusammenarbeit mit den Landsmannschaften Bogen mit den Wappen der deutschen Ostprovinzen bzw. der Landsmannschaften herausgebracht. Jeder Bogen enthält 16 Mal dasselbe Wappen in farbiger Darstellung, im Format von etwa 48 X 58 mm. Die Bogen sind perforiert und auf der Rückseite gummiert, so dass die einzelnen Wappenschilder verschiedentlich verwandt, z. B. als Briefverschlussmarken benutzt werden können. Die in Zeichnung und Farbgebung sehr ansprechenden Bogen können unter Angabe der gewünschten Landsmannschaften direkt vom Hersteller H. Munsch, Hamburg Wellingsbüttel, Wellingsbüttler Weg 151 bezogen werden. (Einzelbogen DM 1,50; bei Abnahme größerer Mengen gestaffelte Ermäßigung bis zu 40 Prozent.)

 

Um rund 80 000 Bedienstete hat die Bundesverwaltung — ohne Bundesbahn und Bundespost — innerhalb von zwei Jahren zugenommen.

 

Seite 4   Die Siedlerschule in Katlenburg/Harz ist heute schon im ganzen Bundesgebiet ein Begriff. Weit über 200 Bauern und Siedlersöhne haben die ersten 6 Lehrgänge mit Erfolg besucht. Sie haben hier die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung abgelegt und die Abschlussprüfung bestanden. 30 von ihnen haben mit den Eltern eine Neusiedler- bzw. Pachtstelle übernommen und sind dankbar, als Erbe des Hofes diese vielseitige Ausbildung in Katlenburg genossen zu haben. — Der nächste Lehrgang beginnt am 29. Oktober und dauert bis Ende September 1958 (2. Semester). In diesem Lehrgang wird auch ein 4-wöchiger Landmaschinen- und Gerätekursus und ein einwöchiger Melkkursus eingebaut. Es wird großer Wert gelegt auf handwerklichen Unterricht und auf gärtnerische Praxis. Schüler, deren Eltern nur ein kleines Einkommen haben oder Kleinrentner sind, erhalten, wenn sie sich gut führen, eine ausreichende Ausbildungshilfe aus Lastenausgleichsmitteln bzw. aus dem Härtefond. Entsprechende Anträge um Ausbildungshilfen sind beim zuständigen Ausgleichsamt noch vor Lehrgangsbeginn zu stellen. Nähere Auskünfte erteilt die Verwaltung der Siedlerschule in Katlenburg, wo auch Prospekte anzufordern sind.

 

Seite 4   Ferienland Südtirol. Bozen - die schöne Alpenstadt

Bozen liegt noch mitten in den Alpen und doch weit hinaus gelagert in den Bogen ihrer gewaltigen Südrampe. Das Südtiroler Land, dessen Hauptstadt es ist, schmiegt sich tief in einen großartig-herben Alpenrahmen hinein. Die massigen Bergzüge des Hauptalpenkammes streichen vom Norden her bis zum Bozener Talkessel herab; im Osten türmt sich das Felsland der Dolomiten kühn in den Himmel; im Westen begleiten die Gletschergruppen des Ortlers, der Presanella und Adamello-Gruppe das Etschtal weit nach Süden. Die großen Täler Südtirols um Bozen aber öffnen sich gegen Mittag, sie fangen von dort all den herrlichen Widerschein des Südens ein, seine Sonne und die milde Luft, und das azurne Blau des Südlandhimmels spannt sich über die ganze Landschaft.

 

Bozen bedeutet den ersten Schritt in den Süden Europas! Hier erlebt der Reisende ein machtvolles Präludium des Sonnenzaubers. Hier schon strahlen ihm in Blüte, Blume und Baum und Frucht fühlbar Flora und Klima des Mittelmeerraumes entgegen. Die Stadt liegt an der Vereinigung der Bergflüsse Eisack und Talfer und ganz nahe der Etsch. Weit, und um Bozen als Mittelpunkt und Hauptstadt, dehnt sich das klassische Südtiroler Ferienland, eine Welt von Felsbergen und Gletscherriesen, dazwischen breite, fruchtbare Täler mit all dem Reiz ihrer weiten Obstgärten, mit Burgen auf rebbedeckten Hügeln und funkelnden Seen. Hier begegnet man den ersten Palmen, Pinien und Zypressen. Die Stadt liegt nur mehr 265 Meter über dem Meeresspiegel, die Jahrestemperatur beträgt durchschnittlich 12 Grad Celsius; auch in den Wintermonaten sinkt der Monatsdurchschnitt nie unter 0 Grad. Zu alldem wird sich jeder Besucher in Bozen auch darum wohl fühlen, weil eine der größten und ältesten Traditionen dieser Stadt ihre viel- und weitgerühmte Gastkultur ist!

 

Bozen ist Rastpunkt, Zentrum und Drehscheibe für alles Verweilen, Bereisen und Durchqueren des Ferienlandes zwischen Brenner und Gardasee. An Bozen vorbei ziehen die uralte Heerstraße des Brenners und dessen Alpenbahn; über diese niedrigste Passsenke des Alpenhauptkammes führt von alters her die Hauptverkehrsader von Norden nach Süden, von den Kaiserzügen bis zum Fremdenstrom der neuzeitlichen Kraftfahrer. Auch die anderen Zufahrtsstraßen aus dem Norden, aus dem Oberinntal über den Reschen-Pass und aus Kärnten oder von der Großglocknerstraße her münden letzten Endes in Bozen, ebenso wie die neuen, im Bau befindlichen Alpenkammstraßen über das Timmel-Joch und über das Pfitscher-Joch. Auch die Straßen über den Jaufen-Pass und das Penser-Joch schließen in Bozen wieder an die Hauptverkehrsader an.

 

Bozen ist weiter der Mittelpunkt des gesamten Straßennetzes seiner Berggebiete und Täler, vor allem jenes unerreicht dichten der Dolomiten, die einen solchen Reichtum an Fahrtmöglichkeiten bieten, wie kaum eine andere Region der Alpen. Daher schenkt Bozen als Mittelpunkt dem Reisenden — gleichviel ob motorisiert oder nicht — eine unübersehbare Fülle von Ausflugsmöglichkeiten, die auch in einem mehrwöchigen Aufenthalt nicht voll auszuschöpfen sind. Und immer wieder schließt sich der Kreis in Bozen.

 

Seite 4   Deutsche Brüder in Not

Liebe Landsleute, unterstützt durch euren Beitrag den Kultur- und Volkstumskampf der deutschen Südtiroler Bevölkerung.

Was Volkstumskampf bedeutet, wissen unsere Landsleute aus den Abstimmungsgebieten und dem Korridor-Gebiet. Er bedeutet: Kampf um jede Schule, um jeden Kindergarten, ja um jedes deutsche Buch in den Schulbibliotheken.

Helft, wo deutsche Brüder in Not! Werdet Mitglied des Bergisel-Bundes, des Südtiroler Schutzverbandes!

Beitrag für Freunde: DM 0,20 monatl.

Beitrag für Förderer: DM 2,-- monatl.

Beitrittserklärungen und Zahlkarten erhältlich bei: Bergisel-Bund, München 23, Schließf. 263

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 7, Juli 1957.

Foto: So halten wir's aus: Ferien, Sonne und Wasser. Foto: Sachers

Wenn ihr jetzt ins Ausland fahrt ...

Ein paar Worte auf den Weg.

Großfahrt ins Ausland: Italien — Frankreich, Norwegen — Finnland, Belgien — Holland. Und diesmal dabei sein zu dürfen! Das Herz schlägt einem höher, wenn man nur daran denkt. Das Mittelmeer sehen, Palmen- und Olivenhaine, die steinernen Zeugen versunkener Kulturen, die Begegnung mit den großen Meistern der Renaissance, des Barock, an den Stätten ihres Wirkens: Buonarotti — Rom, Florenz, Leonardo da Vinci — Paris, Mailand —, oder die schneeigen Gipfel der nordskandinavischen Fjorde im Licht der Mittsommernächte, das Land Hamsuns: Segen der Erde, Pan — nun selbst spüren, einen Hauch davon, die Weite und Freiheit dieses Landes, die Einsamkeit der Gebirgswälder, der Heideflächen und Hochmoore. Oder Finnland: Wälder und Seen, Seen und Wälder, die farbfrohen Bauernhäuser — und überall die Menschen in ihrer besonderen Eigenart, ihren Liedern lauschen, wenn die Sonne sinkt, mit der Jugend dieser Länder zusammensitzen, in der geräumigen Diele eines alten Bauernhauses, am Feuer vor unseren Zelten. Und dann heimkehren mit diesem Erlebnis, das ein ganzes Leben lang nicht verblassen wird.

 

Diesmal wirst du nun dabei sein. Die Ferien haben begonnen, und du bist in fieberhafter Erwartung. Quer durch Frankreich wird eure Gruppe fahren: durch das schöne Elsaß, die waldreichen Berge der Vogessen, das barocke Kleinod Nancy, die Residenz der Herzöge von Lothringen, Paris, durch die Normandie und Bretagne, Nantes, Bordeaux, die Pyrenäen, und dann das Mittelmeer mit dem Welthafen Marseille. Wieviel Abende hast du schon über deiner Landkarte gesessen, und du kennst längst jeden Ort, den ihr berühren und welche Sehenswürdigkeiten ihr dort und dort besichtigen werdet.

 

Du wirst viel sehen, viel zu viel für die kurze Frist eures Dort seins, viel zu viel, um alles gleich verstehen und begreifen zu können. Die Fahrt mit den vielfältig gewonnenen Eindrücken, diese Fülle von Gesehenem werden dich noch lange danach beschäftigen. Vieles wird dir erst viel später in seiner vollen Bedeutung klar werden.

 

Aber das soll dich heute nicht bekümmern. Du sollst hinausfahren! Sollst andere Länder kennenlernen, andere Menschen, andere Völker, soll sie verstehen lernen, ihre Eigenart achten. In einem Europa wollt ihr ja einmal zusammenleben, als freie Menschen neben freien Menschen, gute Nachbarn, die um die Werte des anderen wissen, sich gegenseitig ergänzen und das, was sie einmal in der Vergangenheit trennte, endlich begraben — und für immer. Sendboten seid ihr Jungen, die ihr über die Grenzen herüber und hinüber wechselt, Sendboten jeweils eures Landes und Volkes. Viele Augen werden auf dir ruhen. Wie du dich gibst, wie man dich sieht, wird man das ganze Volk sehen. Eine große Verantwortung und Aufgabe ist jedem von euch mit auf den Weg gegeben.

 

Einen Blick in deine Karte lass mich noch einmal tun. Bei Weißenburg überschreitet ihr die Grenze. Ihr werdet kleine idyllisch gelegene Ortschaften durchfahren, in die Täler der Vogesen sind sie eingebettet, an grünen Hängen, schöne alte Fachwerkhäuschen, kleine Kirchen — sie sind zu klein, um auf deiner Karte verzeichnet zu sein. Wahrscheinlich nehmt ihr die Straße über Luneville: Sieh her! Hier ungefähr muss Drachenbronn liegen — ich will es mit einem kleinen Kreuz bezeichnen —, eine kleine Ortschaft, wie ich sie dir eben beschrieben habe. Die Kette der Vogesen säumt den Horizont. Von den nahen Hügeln rauscht das Korn.

 

Auf einem dieser Hügel der Gemeindefriedhof. Man muss, um ein anderes Volk verstehen zu können, auch die Ruhestätten ihrer Toten kennen. Steigt einmal hinauf, nehmt euch die Zeit! Aber ich möchte euch hier auch noch etwas anderes zeigen. Dort, neben den Grabstätten der Toten des Ortes, werdet ihr eine große Anzahl schlichter Holzkreuze entdecken, in Stufen den Hang hinauf angeordnet, mehrere Reihen. Hier ruhen gefallene deutsche Soldaten des letzten Krieges, andere deutsche Jungen und Mädel sind vor euch hier gewesen und haben ihre Ferienzeit darauf verwandt, diese Grabstätten in einen würdigen Zustand zu versetzen. Du siehst es an dem gepflegten Rasen, der diese Gräber deckt. Die alten, zum Teil verfallenen Holzkreuze wurden durch neue ersetzt. Verweilet hier einen Augenblick, legt ein paar Blumen an den Gräbern nieder. Auf den schmalen Wegstreifen zwischen den Reihen ist vielleicht Unkraut nachgewachsen.

 

Wenn ihr euch näher umseht auf dem Friedhof, werdet ihr noch die Gemeinschaftsgrabstätte von vier gefallenen französischen Soldaten entdecken. Auch hier verweilet und ehret sie in der gleichen Weise.

 

Ich werde dir noch mehr Orte bezeichnen, hier zum Beispiel Climbach und hier Lembach, etwas weiter hinein ins Land: Niederbronn — mit rund 1100 Soldatengräbern. Dicht daneben Reichshoffen. Und dann Reillon: Hier ruhen in einer gemeinsamen Gräberanlage mehr als 500 Gefallene beider Nationen des ersten und zweiten Weltkrieges. Andilly bei Toul: Ein fast unübersehbares, etwas 28 Morgen großes Gräberfeld, auf dem etwa 11000 deutsche Gefallene ruhen, 11 000 — und jeder einer Mutter Sohn wie du, und ein jeder könnte dein Bruder sein.

 

Von Nancy nach Paris ist es kaum ein Umweg, wenn ihr den Weg über Verdun nehmt. Verdun, um das im ersten Weltkrieg während der ganzen Jahre erbittert gekämpft wurde. Rund eine Million Gefallene — Deutsche, Franzosen, Kolonialtruppen und Amerikaner — war das traurige Ergebnis dieser Schlacht. Rund um Verdun ein einziges Gräberfeld: Douamont mit dem mächtigen Beinhaus für rund 400 000 unbekannte Soldaten aller Nationen, Thiaucourt, Saint-Mihiel, Azannes, Liny-devant-Dun und viele andere.

 

Und ihr fahrt dann weiter durch die Normandie, die Bretagne — und überall könnte ich dir die Kreuze in deine Karte zeichnen. Führest du nach Italien: auch dort. Und ebenso in Belgien und Holland, Luxemburg und Dänemark, Norwegen und Finnland, in 53 Ländern der Erde und auf allen Kontinenten. Über 30 000 Grablageorte mit deutschen Soldatengräbern.

 

Eine letzte Zahl noch will ich dir nennen, über die du einmal nachdenken sollst: Deutschland verlor in den beiden Weltkriegen über 5 Millionen Soldaten: Alles Väter und Söhne, Gatten und Brüder.

 

Warum ich dir das alles sage, jetzt, da du in wenigen Tagen deine Fahrt nach Frankreich antrittst, in froher Jungengemeinschaft, die fremde Länder erleben will, die sich erfreuen will an den mannigfaltigen Schönheiten, die sich ihr eröffnen werden? Sollen wir uns denn nicht freuen dürfen, wirst du mich fragen. Ja, freut euch, seid froh, fahrt in die Länder hinaus; das ist euer Recht, das Recht der Jugend!

 

Aber haltet an, wo euch das schlichte Holzkreuz eines Gefallenen begegnet, geht durch die endlosen Gräberreihen der großen Soldatenfriedhöfe und lernt in einer Stunde des Besinnens die Mahnung verstehen, die euch hier anweht, das Vermächtnis der Toten, mit dem Wahnsinn des Krieges und der Vernichtung endlich aufzuhören und so zusammenzuleben über der Erde, wie die Gefallenen unter der Erde beieinander ruhen: nicht Feind neben Feind, sondern gleich neben gleich, Mensch neben Mensch.

 

Ich will versuchen, es noch anders zu sagen, wie es ein bekannter französischer Politiker einmal ausgedrückt hat: Ihr Deutschen habt zwei gute Vermittler in unserem Lande, das sind eure gefallenen Soldaten in unserer Erde und die lebenden auf unserer Erde, die nach dem Kriege freiwillig als Arbeiter und Handwerker bei uns geblieben. So gesehen, sollte uns auch um unserer Vermittler in den östlichen Staaten und in unserer alten Heimat nicht bange sein.

 

Und nun zieht hinaus, über die Grenzen hinweg, du, du und du. Ihr, die heutige Jugend, seid der dritte Vermittler, den unser Volk zu entsenden hat. Erweist euch der beiden anderen würdig. Wir glauben an euch! Fahrt zu! Veit Turm

 

Seite 5   Besucht Kriegsgräber!

Einzelreisende und Fahrtengruppen, die während der Ferien ins Ausland fahren, melden sich unter Aufgabe der genannten Fahrtroute bei der Bundesgeschäftsstelle des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Jugendreferat, Kassel, Ständeplatz 2, von wo ihnen eine Liste der an der Wegstrecke liegenden Soldatengräber zugesandt wird. Der Volksbund benötigt laufend Berichte über den Zustand der einzelnen Gräber und bittet vor allem die Jugend, seine umfangreiche Arbeit im Ausland in dieser Richtung hin tätig zu unterstützen.

 

Seite 5   Für unsere Leseratten

Liebe Leseratten!

Zunächst muss ich Euch für einen Druckfehler in der letzten „Kogge" vielmals um Entschuldigung bitten. Erinnert Ihr Euch an die schöne Geschichte von der „Mücke im Bernsteinpalast“? Sicher hat sie Euch allen sehr gut gefallen. Wenn Ihr Euch das Buch schenken lassen wollt, braucht Ihr wegen des angegebenen Preises nicht allzu große Hemmungen zu haben. Es ist uns hier nämlich der Druckfehlerteufel aufs Papier gesprungen! Dieses herrliche und sehr empfehlenswerte Jugendbuch kostet nur DM 3,80 (und nicht DM 14,80!).

 

Heute nun ein anderes Buch aus der Feder des bekannten Tierschriftstellers Hans Wilhelm Smolik: Schäfer Martin und die Tiere (Georg Westermann Verlag, Braunschweig. 104 Seiten, Halbln. DM 3,80).

Es ist gewissermaßen eine Ergänzung zu den „Erlebnissen eines Hirtenknaben", auf die wir Euch in unserer letzten Ausgabe hingewiesen haben. Schäfer Martin hat viel zu erzählen von Tieren und Pflanzen. Er hat sein Leben lang in die Natur hineingelauscht und ihren Wundern nachgespürt. Wenn ihr dieses Buch mit den vielen Bildern aufschlagt, dann erfahrt ihr, wie ein Ameisenstaat entsteht, ihr lernt den Lebenslauf einer Arbeitsbiene kennen, den Pionier im Samtrock und die große Rede des Regenwurmes. Wisst ihr eigentlich etwas von der weiten Reise des Storches, dem Leben des Stichlings und dem Pakt zwischen der Ameise und der Blattlaus, kennt ihr den sparsamen Wasserknöterich und den gastlichen Aronstab? Nein? Dann wird es aber Zeit, dass ihr euch das alles vom Schäfer Martin einmal genau erzählen lasst. Beide Bücher von Hans Wilhelm Smolik sind gerade jetzt in der Ferienzeit gute Begleiter auf euren Streifzügen durch das Land. Sie lernen euch viele Wunder und Geheimnisse der Natur sehen, an denen ihr sonst vielleicht achtlos vorübergeht.

 

Und nun möchte ich euch etwas erzählen von einem kleinen Mädchen, das „Nobbi" heißt. Ein seltsamer Name, nicht wahr? Und wenn ich euch nun noch sage, dass diese kleine Nobbi in dem fernen Inselland Japan lebt, dann werdet ihr vielleicht fragen: was gehen uns die Erlebnisse einer kleinen Japanerin an? O, ihr werdet es bestimmt sehr gern lesen, nicht nur, weil es oft so lustig und so spannend ist. Im Grunde sind sich ja in der ganzen Welt die Kinder alle ähnlich, einerlei, ob sie nun in einem weichen Bettchen schlafen oder auf einer Matte, mit einer Polsterrolle im Genick; und ob sie mit Messer, Gabel und Löffel essen oder mit langen, dünnen Holzstäbchen — schmecken tut es immer! Die kleine Nobbi ist ein sehr artiges Kind, und in der Schule hat sie immer die besten Zensuren. Das Brüderchen, das ist lange nicht so artig, und mit den Zensuren hapert es auch. Aber der Wolkenmann, mit dem Nobbi eine so wunderbare Traumreise macht, der erklärt ihr, wie das ist mit richtigen Jungens. Die müssen auch mal wild und ausgelassen sein und vielleicht auch einmal ungehorsam, ja, und wenn sie gerade dabei sind. Stichlinge zu fangen, dann kann es auch geschehen, dass sie die Schularbeiten vergessen!  „Wenn du aber ein so furchtbar gutes Kind bist", sagt der Wolkenmann zu Nobbi, „da muss man gut achthaben auf dich, sonst geht es nicht gut aus!" Nobbi. die immer die besten Zensuren hat, wundert sich natürlich, aber der Wolkenmann erklärt ihr, dass nur der klüger und tüchtiger werden kann im Leben, der weiß, dass er noch viel, viel zu lernen hat. Das ist das „Wissen um sein Ungenügen" ein Spruch, der eine Woche lang mit schönen, japanischen Buchstaben an der Wandtafel von Nobbis Klasse geschrieben steht, damit alle Kinder sich darüber Gedanken machen können. Dieses schöne Buch ist von einer deutschen Frau übersetzt worden, die in Japan lebt, die aber immer noch ein wenig Sehnsucht hat nach der alten Heimat, auch wenn sie froh ist, dass sie so viel von der schönen, weiten Welt kennen lernen durfte. Möchtet ihr nicht auch einmal mit dem Wolkenmann eine Reise am Himmel machen, in einem Wolkensessel sitzen und euch erzählen lassen, wie es in dem fernen Lande Japan aussieht, wo man seinen Reisbrei nicht mit einem Löffel, sondern mit Holzstäbchen isst?! Dann vergesst nicht, eine Ansichtskarte zu schicken!

 

Wer aber auf den Wolkenmann nicht warten will, der lasse sich dieses Buch schenken:

Nobbi. Von Momoko Ischii. Erlebnisse einer kleinen Japanerin, übersetzt von Aenne Fano-Gerber. Verlag Ensslin & Laiblin, Reutlingen. 208 S. mit 23 Zeichnungen von Kurt Tessmann. Hln. DM 5,20. Gert und Ute.

 

Friedrich der Große: Die Natur ruft uns bei jeder Gelegenheit zu: Ihr Sterblichen, gebraucht die Zeit; vergesst nie, welchen Wert ein Augenblick besitzt, auf dem sich die unermessliche Fülle der Zeiten aufbaut, und hütet euch, durch leichtsinniges, nichtiges Treiben die eilige Flucht eurer Tage noch zu beschleunigen.

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

Käthe Kollwitz. Zu ihrem 90. Geburtstag.

Zeichnung: Mutter und Kind Zeichnung von Käthe Kollwitz (Aus: „Ein Herz schlägt für die Mütter", Fackelträger-Verlag)

Als 1943 in Berlin im Bombenhagel ihr ganzes Atelier vernichtet wurde, gingen auch die wenigen Bildwerke verloren, die die in Königsberg am 8. Juli 1867 geborene Käthe Kollwitz gemalt hat. Doch ihr eigentliches Werk, das ein graphisches ist, wurde der Nachwelt durch die Reproduktionen ihrer Blätter erhalten. Die Künstlerin studierte in Berlin und München und stand zu Beginn ihres Schaffens unter dem Einfluss von Max Klingers Naturalismus. Der Aufstand der Weber, der auch Gerhart Hauptmann inspirierte, veranlasste bei ihr den Durchbruch zu engstem Anliegen: dem leidenden, von der Not der Großstadt geknechteten Menschen ein Denkmal zu setzen. In den sechs Blättern zum Weberaufstand fand sie den persönlichen Stil, einen harten, monumental vereinfachenden Strich, der erst im Spätwerk, wie unsere Abbildung zeigt, weicher und weniger anklagend wird.

 

Mit Blättern zum Bauernkrieg, etwa 40 Selbstbildnissen und einer Vielzahl von Lithos und Zeichnungen sozialkritischer Art scharte sie sich geistig um die Vertreter des proletarischen Naturalismus, um Uhde, Liebermann und Zille.

 

Sie ist die Enkelin des freireligiösen Predigers Julius Rupp aus Königsberg. Die stärksten Anregungen empfing sie aus der Arbeit ihres Mannes, der Armenarzt in Berlin war. Käthe Kollwitz starb am 24. April 1945 in Moritzburg, zu einer Zeit also, da man erst begann, ihr Werk in vollem Umfange zu würdigen und zu begreifen.

 

Seite 6   Ostpreußisches Sprichwort.

En goder Mann von rechter Art drecht sinen Pelz bis Himmelfahrt. Un deit em denn de Buuk noch weh, denn drecht he em bis Barthelmä. Und fängt em denn to freere an, denn treckt he em von väre an.

 

Seite 6   Bekenntnis der Ostpreußischen Jugend

Auf dem Bundestreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Bochum legte die Bundesgruppe der ostpreußischen Jugend dieses Bekenntnis ab:

 

Wir ostpreußischen Mädchen und Jungen treten heute zum ersten Male vor die Öffentlichkeit, um zu bekunden:

 

Wir verwahren uns gegen die Behauptung, dass wir unsere ostpreußische Heimat vergessen haben.

 

Wir bezeichnen als Lügner den, der uns unterstellt, wir wollen nicht in die Heimat unserer Eltern, in unsere Heimat zurückkehren.

 

Wir empfinden die Verpflichtung gegenüber unserer Mutter Ostpreußen.

 

Wir sehen unsere Aufgabe darin, im deutschen Volk, in Europa und in der Welt das Bewusstsein wachzurufen und wachzuhalten, dass mit der Vertreibung der Deutschen aus dem europäischen Osten die Freiheit verschwunden ist.

 

Siebenhundert Jahre abendländischer Geschichte sollen ausgelöscht sein?

 

Tyrannei soll herrschen, wo Freiheit und Toleranz regierten?

 

Darum wollen wir Menschen erziehen, die in Glauben und Recht wieder echte Maßstäbe in sich tragen und danach handeln.

 

Wir sind nicht in das Leben gestellt, um zu verdienen, sondern um zu dienen!

 

Die Nachwelt soll nicht einmal von uns sagen:

Als sie aus der Heimat vertrieben wurden, da weinten die einen, die andern tanzten auf den Trümmern um das goldne Kalb. Die Zeit fordert von uns Bereitschaft, Entschiedenheit und Tat:

 

Hier und heute wird die Heimat im Herzen bewahrt.

Hier und heute wird die Heimat verteidigt.

Hier und heute wird die Heimat neu errungen.

Unserer Mutter Ostpreußen die Treue.

Nur so unserer Heimat die Freiheit!

 

Das gelobt die Ostpreußische Jugend beim Klange der Silberglocke des Königsberger Domes.

 

Seite 6   Aus Ostpreußens Sagenborn. Konopka vertreibt den Teufel.

Der Bauer Konopka aus dem Dorfe Ogonken, das eine halbe Meile östlich von Angerburg liegt, war eines Abends bei hellem Mondschein auf dem Wege nach Hause. Er hatte im Amt Angerburg tagsüber Scharwerksdienst verrichtet, den Spaten hatte er noch in der Hand. Als er auf seinem Wege in die Nähe eines Berges kam, sah er, wie jemand auf einem alten Schlitten den Berg aufwärts und abwärts fuhr, wieder und immer wieder. Als er näher kam, wurde er gewahr, dass auf dem Schlitten eine alte Frau saß, und ein Mann den Schlitten schob. Verwundert fragte er den Fremden, was er hier mache.

 

Der Mann antwortete: „Ich bin der Teufel. Weil ich einen dummen Streich begangen habe, bin ich verurteilt, hier das alte Weib bis zu seinem Tode bergauf und bergab zu fahren. Bergab geht's wohl, aber bergauf hab ich's so schwer, dass mir der Schweiß von der Stirne rinnt. Doch vielleicht könntest du mir mit deinem Spaten helfen! Heute hat's ja keinen Zweck mehr, weil der Hahn gleich krähen wird; aber künftigen Donnerstag kannst du hier um elf Uhr abends eine tiefe Grube graben, und wenn ich dann mit der Alten den Weg herunterkomme, so werfe ich sie wie zufällig in das Loch, und du kommst und vergräbst sie. Tu das, ich will dir's lohnen“.

 

Konopka bekreuzigte sich, nein, mit dem Teufel wollte er nichts zu tun haben. Doch schließlich ließ er sich bereden. Er kam den nächsten Donnerstag um elf hin, grub die Grube, der Teufel warf die Alte hinein und Konopka verscharrte sie. Und nun der Lohn. Der Teufel sagte: „Geld habe ich nicht, aber hör zu! Ich werde zu Angerburg im Schlosse spuken, dann kommst du und sagst, dass du mich bannen kannst. Dafür, verlange hundert Taler. Ich werde mich dann von dort nach Steinort ins Schloss begeben. Dort melde dich auch und verlange von dem Grafen für diese Bannung 200 Taler. Damit musst du aber zufrieden sein und ja nicht weiter versuchen, mich zu vertreiben, wo ich auch sein sollte, sonst kann dir's schlecht gehen!"

 

Bald darauf hieß es, im Angerburger Schlosse haust der Teufel. Konopka meldete sich als Banner, vertrieb den Teufel und bekam 100 Taler. Der Teufel verließ aber das Schloss nicht durch die Tür, sondern stieß eine Ecke Wand heraus und schlüpfte durch die Öffnung, die da entstand. Bis heute noch sieht man an der einen Ecke des Schlosses eine abgerissene Mauer. Nach kurzer Pause spukte es im Schlosse Steinort. Konopka meldete sich auch dort als Teufelsbanner, machte seine Sache und bekam seine 200 Taler.

 

Nach einem Jahr wurde überall bekannt gemacht, im Schlosse zu Berlin spuke der Teufel; es möge sich melden, wer ihn bannen könne. Konopka dachte an die Warnung des Teufels und blieb still, doch der Graf von Steinort meldete nach Berlin, dass der Bauer Konopka aus Ogonken bei ihm den Teufel vertrieben habe. Sogleich wurde Konopka nach Berlin gefordert, und wie er sich auch sträubte, er musste hin. In Berlin wurde er sofort ins Schloss geführt und erhielt den Auftrag, den Teufel zu bannen. Da wusste er nicht aus noch ein und bat um drei Tage Bedenkzeit. Die bekam er denn auch.

 

Ruhelos trieb er sich in den Straßen von Berlin umher. Da, am dritten Tage, fiel ihm eine alte Frau auf — Donnerwetter, die sah ja so wie das Weib aus, das der Teufel gefahren und er verscharrt hatte. Er fing mit der Frau ein Gespräch an und fragte sie nach ihrem Namen und ihrer Wohnung. Getrosten Mutes ging er nun zum Schloss. In der nächsten Nacht wolle er den Teufel vertreiben, erklärte er, aber er brauchte dabei die alte Frau. Die Frau wurde herbeigeholt. Konopka trank ihr fleißig zu, und die Mitternachtsstunde rückte heran.

 

Als der Teufel sich polternd nahte, riss Konopka schnell die Tür auf und rief ihm entgegen: „Da hast du dein Weib, ich habe sie nicht vergraben!" Der Teufel erschrak, fing an zu zittern und sprach: „Konopka, nimm sie zurück, ich werde auch von hier fortgehen und hier nie mehr spuken!" — „Mag es denn sein", sagte Konopka, und der Teufel verschwand.

 

So hatte Konopka den Teufel auch aus dem Berliner Schlosse vertrieben. Er erhielt zum Lohn sein Grundstück als schuldenfreies Eigentum, auch Abgaben brauchte er nicht zu zahlen. Der Berg aber, an dem Konopka das alte Weib begraben hatte, wird seit jener Zeit der Konopka-Berg genannt.

(Aus: „Alt wie der Wald". Ostdeutsche Sagen und Historien. Ausgewählt von Paul Zaunert. Eugen-Diedrichs-Verlag, Düsseldorf-Köln.)

 

Seite 6   Was wissen wir vom Deutschen Orden. Das Memelland.

In einer unserer früheren Ausgaben hatten wir bereits auf den sehr begrüßenswerten Wettbewerb des DHV hingewiesen. Er stand unter dem Leitwort „Was wissen wir vom Deutschen Osten?" Das Ergebnis dieses Wettbewerbs liegt nun in einer stattlichen Reihe von Aufsätzen vor, aus der wir hier den Beitrag von Brigitte Jaetzel veröffentlichen.

 

Im August 1952 feierten die jetzt in der Bundesrepublik lebenden Memelländer die 700-Jahr-Feier ihrer Vaterstadt, der See- und Hansestadt Memel, der ältesten Stadt Ostpreußens und der nördlichsten Stadt Deutschlands.

 

Im Jahre 1252 gründete der Livländische Schwertbrüderorden, ein Bruderorden des Deutschen Ritterordens, der in Kurland das Christentum verbreitete, an der Mündung des Kurischen Haffes in die Ostsee und dem Ausfluss der Dange, die Memelburg. Diese Stelle schien als Handelsplatz besonders geeignet und wurde zum Grundstein der heutigen Stadt Memel. 1328 wurde die Stadt von den Schwertbürgern dem Deutschen Ritterorden übergeben. In ihrer 700-jährigen Geschichte hat die Stadt als Vorposten des Deutschtums viele schwere Zeiten durchmachen müssen. Litauer, Polen, Russen und Schweden berannten öfter die Stadt und brandschatzten und plünderten. Aber immer wieder wurde sie aufgebaut. Die Grenze des Memellandes, diese charakteristische Spitze Ostpreußens, wurde im Jahre 1422 zwischen Polen und Litauen und dem Deutschen Ritterorden nach der verlorenen Schlacht von Tannenberg gezogen und bestand also 500 Jahre unverändert, bevor der Versailler Vertrag 1919 dieses Land nördlich des Memelstromes vom deutschen Mutterland trennte.

 

Die Stadt, die in den letzten Jahren fast 50 000 Einwohner zählte, besaß eine recht ansehnliche Industrie. Bis zum ersten Weltkrieg nahm der Holzhandel die erste Stelle ein; jedoch durch den Konflikt Polen-Litauen über Wilna, erlag die Holzflößerei auf dem Memelstrom völlig und damit auch das Holzgeschäft. Der Hafen hatte einen lebhaften Schiffsverkehr nach allen Richtungen. Schiffe Memeler Reedereien fuhren auf allen europäischen Meeren.

 

Das eigentliche Memelland hatte mit seinen größten Orten, Heydekrug und Pogegen, außer der Stadt Memel, eine Einwohnerzahl von ca. 100 000, eine blühende Landwirtschaft aufzuweisen. Große Wälder gab es im südlichen Teil. An der Haffküste und in den Nehrungsorten wurde Fischerei betrieben. Die Kurorte der Nehrung waren bis nach Westdeutschland bekannt. Nidden mit den Wanderdünen als Paradies der Maler und Schwarzort das Klein-Thüringen mit seinem herrlichen Kiefernwald. Die Elche lebten in freier Wildbahn und waren den Kurgästen eine besondere Freude.

 

Auch bedeutende Männer entstammen dem Memelland. Der 1605 in Memel geborene Dichter Simon Dach, dem wir das Volkslied „Ännchen von Tharau" verdanken, der Astronom Friedrich Wilhelm Argelander, der als Sohn eines Memeler Kaufmanns 1799 geboren und als Leiter der Bonner Sternwarte berühmt wurde. Auch der sehr bekannte Schriftsteller Hermann Sudermann, in Matzicken bei Heydekrug geboren, war ein Sohn des Memellandes. Die Eltern des großen Philosophen Immanuel Kant stammten ebenfalls aus dem Kreise Memel.

 

Memel spielt auch in der preußischen Geschichte eine Rolle. 1802 trafen sich hier Zar Alexander von Russland mit König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise. Als im unglücklichen Krieg 1806 - 1807 Napoleon I. mit seinen Heeren Preußen besiegte, war Memel für das preußische Königshaus die letzte Zuflucht und wurde für ein Jahr Residenz. Von hier aus begann die Erneuerung Preußens unter dem Freiherrn von Stein. Zur Erinnerung an diese Zeit wurde 100 Jahre später 1907 von Kaiser Wilhelm II. das Borussia-Denkmal in Memel eingeweiht.

 

Die Abtrennung des Memellandes durch den Versailler Friedensvertrag war für die Bevölkerung ein furchtbarer Schlag. 1920 trafen französische Besatzungstruppen ein. Alle Proteste und Bitten um eine Volksabstimmung, wie sie den deutschen Volksteilen Südostpreußen und Oberschlesien gewährt wurden, blieben ungehört. Doch es sollte noch weit schlimmer kommen. Die Litauer erhoben Ansprüche auf dieses Gebiet, aber die Westmächte schienen nicht geneigt zu sein, ihnen dies abzutreten, sondern eher einen Freistaat daraus zu machen. Zu Anfang des Jahres 1923 fielen litauische Truppen in Zivil in das Memelgebiet ein und besetzten es. Die französischen Besatzungstruppen kapitulierten nach Verlust einiger Soldaten, gingen auf ihre Schiffe und verließen Memel. Die nun folgenden 16 Jahre unter litauischer Oberhoheit waren Terror und Unterdrückung. Auf die mehrfachen Beschwerden beim Völkerbund besichtigte eine Kommission das Memelland und stellte den einwandfrei deutschen Charakter fest. 1934 wurde darauf das Memelstatut unterzeichnet, welches den Memelländern kulturelle und politische Autonomie gewährte. Der 1. Memelländische Landtag, der von der Bevölkerung gewählt wurde, erbrachte 27 deutsche und 2 litauische Abgeordnete. Jedoch wurde die Arbeit der Regierung durch die Litauer dauernd gestört und oft unmöglich gemacht.

 

1926 wurde über ganz Litauen und das Memelland der Kriegszustand verhängt, der dann die üblichen Beschränkungen für Presse und Versammlungsfreiheit etc. mit sich brachte. Aber die Memelländer ließen sich nicht unterkriegen; trotz Terror und Wahlschikanen schlossen sich alle Parteien zu einer Einheitsfront zusammen und zeigten den Litauern bei der Wahl 1935, die auch vom Ausland als Volksabstimmung gewertet wurde, die Stirn. Im November 1938 wurde dann auf Druck der deutschen Regierung der Kriegszustand beendet. Die darauffolgende Landtagswahl und das Verhalten der Bevölkerung rechtfertigen die Wiedervereinigung mit dem Reich im März 1939, die durch einen Vertrag zwischen Litauen und Deutschland erreicht wurde und auf ganz friedlichem Wege von statten ging.

 

Der zweite Weltkrieg brachte den Memelländern den Verlust der Heimat und die Flucht nach dem Westen. Memel wurde Brückenkopf der militärischen Verteidigung Ostpreußens und im Januar 1945 aufgegeben. Heute gehört das Memelland zu dem von den Russen besetzten Teil Nordostpreußens und ist wieder der Sowjet-Republik Litauen unterstellt.

 

Seite 6   Habe den Mut. Von Hans Bahrs.

Habe den Mut, du selbst zu sein

In einer geifernden Welt.

Besser ist stolzes Einsam sein,

Als dem Geschrei unterstellt.

 

Wisse, es ist so wichtig nicht,

Ob einer leuchtend dich nennt.

Wenn du nur stehst in deiner Pflicht

Und deine Flamme dir brennt.

 

Seite 6   Rudolf Kinau. Einer erfreue, des anderen Leben.

 Ein klares Wort und ein guter Rat — auch für Dich. Denn auch Du gehörst zu den tausendmal tausend Menschen, die selber so liebend gern nur die reine, stille Freude meine. Sie steht so oft an Deinem Weg und wartet auf Dich – und Du gehst vorüber und siehst sie nicht an, weil Du Deine Augen und Gedanken ganz woanders hast – vielleicht in den Wipfeln der Bäume oder noch höher in den Wolken -, und derweil steht die Freude, die richtige Freude, dicht vor Dir oder neben Deinem Fuß, und ist nur eine winzig kleine, wundervolle Blume, die Dich nun plötzlich fragend anschaut: „Suchst Du mich?" — „Dich —? Bist Du denn die Freude, meine Freude —? Doch, Du bist es, ja!" Aber nun musst Du ganz ruhig bleiben und ganz behutsam sein. Nicht weh tun! Nicht knicken oder gar brechen! Vorsichtig ausgraben — mit all den feinen Wurzeln, und dann mitnehmen. — Aber nicht nach Hause tragen, und nicht für Dich allein behalten! Das kann die Freude nicht vertragen. Dann wird sie mit der Zeit müde und welk. — Nein, schnell damit zu Deinem liebsten Menschen, dass er sie auch sieht und sich mit Dir freut. Und dann Ihr beide zu seinen und Deinen Lieben. Und immer weiter, von einem zum andern. Und immer mit einem fröhlichen Gruß, mit einem freundlichen Wort, mit einem Druck der Hand. Dann wird aus Deiner kleinen einsamen Blume gar bald ein buntes, leuchtendes Beet, ein herrlicher Garten. Und aus Deiner Freude wird ein großes strahlendes Glück — für Dich, für Deine Lieben, und für alle Brüder und Schwestern, denen Du — durch Deine Freude — eine neue Welt zeigst, und gibst ihnen ein wenig Sonnenschein und einen frohen Mut.

 

Seite 6   Wappen der Heimat

Memel. Königsberg.

 

Seite 7   Kadinen / Schicksal eines westpreußischen Herrensitzes. Vom alten Preußengut über Ordenshof zum Hohenzollernbesitz.

Foto: Kadinen. Partie aus dem Park mit dem Naturtheater.

Kadinen ist allen Deutschen einst ein Begriff gewesen, zuletzt war es Privateigentum des Hauses Hohenzollern und von hier aus ging die Familie des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen auf die Flucht nach Westen.

 

Dieser alte Herrensitz lag in einer abwechslungsreichen Gegend. In der Beschreibung „Norddeutsche Städte und Landschaften“ von Wernick steht vermerkt: „Ein wild zerklüftetes Land, hohe steile Waldberge, tief in den Boden gerissene Schluchten, in deren Grund Forellenbäche rieseln, hoher Wald und Aussichten von großartiger Pracht, einzig in ihrer Art in der Provinz, denn von allen Höhen sieht man nur die kühn geformten, jäh zerrissenen Waldberge, die tiefen Abgründe, die weiten Wasserspiegel des Haffs und der See, keine Ansiedlung, kein Ackerfeld, keine Kulturoase. Es ist eine wahre Gebirgslandschaft, wie man sie in unserem Flachlande kaum vermutet, in ihrer Wirkung noch gehoben durch den weiten Wasserhorizont“.

 

Das Gut Kadinen ist zweifelsohne schon vor Ankunft des Ordens vorhanden gewesen. Einer terra Cadinensis wird schon 1255 gedacht. Aus „Cudyn“ sind mehrere Verschreibungen datiert, z. B die über Haselau und Birkau von 1324, die über die Klakendorfer Mühle von 1330, die über die Reimannsfelder Mühle von 1347 u. a. Der Orden hatte dort einen Hof, ein Kammeramt, hielt dort auch Gerichtssitzung ab; denn eine Urkunde von 1398 beginnt mit den Worten: „in unserem Richthofe zu Cudyn". Am 13. November 1432 stellte der Hochmeister Paul von Rußdorf dem später in der Geschichte des Abfalls vom Orden eine so schlechte Rolle spielenden Hans von Baisen für „die fleißigen Dienste, die er uns und unserm Orden beweiset und auf das er und seine Erben desto mehr in zukommenden Zeiten uns und unserm Orden zu dienen verpflichtet seien“ eine Verschreibung über „unsern Hof und Gut Cuddynen" mit 20 Hufen, über 8 Hufen und eine preußische Hufe bei Scharfenberg, über das Dorf Rehberg mit 40 Hufen und über die Mühle zu Haselau nebst dem zugehörigen Teiche zu Magdeburgischem Recht aus.

 

Im Jahre 1605 verkaufte die Frau Anna Bazinska, geb. Bialoboczka, im Beistand ihres Ehemannes Ludwig Bazinska von Baisen das Gut an den Elbinger Rat mit dem Vorbehalt, es nach Verlauf von drei Jahren für eben diese Summe wieder zurückzukaufen; würde der Rückkauf dann nicht erfolgen, so sollte es dem Rat erb- und eigentümlich gehören. Im Jahre 1682 hat es der Woiwode von Livland, Johannes Theodor Reichsgraf v. Schlieben aus der Birkenfelder Linie inne, dem es von seiner Schwiegermutter zugefallen war. Nach dessen 1695 erfolgtem Tode kam es an seinen ältesten

Sohn Ernst Sigismund, von dem es einige Jahre hernach an Stanislaus Dzialinski verkauft wurde. Bald darauf aber besitzt es dessen jüngerer Bruder Graf Johann Wilhelm v. Schlieben. Dieser geriet infolge seines feudalen Lebens in große Schulden; von seinei Schwester Marie Eleonore, Ehegattin des preußischen Kanzlers v. Ostau, entlieh er 1800 Taler; dafür übergab er Kadinen in „antichrotischen Pfandbesitz". Diese nahm sein einziges Kind Eleonore, da sie selbst in kinderloser Ehe lebte, an Kindesstatt und bestimmte derselben ihre ganze Forderung zum Brautschatz. Sie begann aber auch sich als Eigentümerin von Kadinen zu betrachten und verpflichtete sich, das Gut der Eleonore bei deren Verheiratung zu übergeben, wobei im Fall der Kinderlosigkeit derselben der Rückfall an ihren älteren Bruder Ernst Sigismund vorbehalten wurde.

 

Die Gräfin Eleonore v. Schlieben ehelichte nun zuerst einen Herrn v. Morstein, dann den Grafen Paul von Lubraniec Domski, Kastellan von Brecz, und schenkte diesem ihrem zweiten Ehemann, da sie keine Kinder hatte, Kadinen.

 

Nach dem Tode der Gräfin Domski machten ihrem Gemahl die Erben des Grafen Ernst Sigismund von Schlieben das Rittergut Kadinen nebst Rehberg im Wege des Prozesses streitig; sie erhielten ein günstiges Urteil und 1786 die „Ausantwortung" des Gutes. Um sich gegenseitig auseinanderzusetzen, verkauften sie es an den preußischen General Wilh. Friedr. Carl Grafen v. Schwerin; als über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, erstand es am 18. Mai 1799 der Domherr und nachherige Kulmer Bischof Ignaz von Matthy aus Frauenburg in der Subhastation, verkaufte es aber schon am 4. Oktober an seinen Vetter, den Bankier Matthy zu Danzig. Nach dem Tode des letzteren kaufte es 1804 der Bankdirektor Gotthalf Christian v. Struensee zu Elbing, von diesem 1806 der Leutnant Leop. Ludw. v. Dewitz, worauf es wieder, nachdem 1811 der Kaufkontrakt aufgehoben war, an v. Struensee kam. Im Jahre 1817 kaufte es von diesem der Kaufmann Daniel Birkner in Elbing und nach dessen 1827 erfolgtem Tode sein zweiter Sohn Eduard Birkner.

 

Kaiser Wilhelm II. erwarb Kadinen während seiner Regierungszeit als Privatbesitz, und das Gut wurde unter neuzeitlichen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Da der Boden auch reich an Lehm- und Tonlagern war, wurden Keramikwerkstätten errichtet. Kadiner Majolika hatte einen guten Ruf.

 

Da das Gut Kadinen von schönen und gepflegten Parkanlagen umgeben war, weilte alljährlich der Kaiser sehr gern hier, besonders im Frühherbst, wenn er gleichzeitig die Rominter Jagdreviere zur Pirsch aufsuchte.

 

Aus vorgeschichtlicher Zeit wird von einer Heidenburg „Cadina" berichtet, auf deren Stelle sich 1683 ein Franziskanerkloster erhob. Auch hat man im Kadiner Walde ein bedeutendes Hünengrab gefunden.

 

Zu den Naturdenkwürdigkeiten gehörte einst die stärkste und älteste Eiche Westpreußens in Kadinen. Das Innere des Stammes war hohl; in dem Innern hatten 11 Soldaten mit vollem Gepäck Platz. Der Baum stand in der Nähe des Gutsparkes. In den 90-er Jahren betrug der Umfang der Eiche etwa 9 Meter.

 

Den letzten Gutsherrn ereilte dasselbe Geschick wie allen anderen Heimatgenossen. Heute steht Kadinen unter polnischer Verwaltung. Hermann Bink

 

Seite 7   Landstallmeister Hugo Steinberg zum Gedenken. Ein Leben für die ostpreußische Pferdezucht.

Am 27. Juli 1957 würde der ehemalige Landstallmeister Hugo Steinberg 95 Jahre alt werden. Wir wollen diesen Tag zum Anlass nehmen, der Verdienste dieses Mannes um die Zucht des ostpreußischen edlen Pferdes zu gedenken, und ich glaube, wir könnten es nicht besser als mit den Worten des Oberlandstallmeisters Rau, die dieser 1942 anlässlich des 80. Geburtstages Steinbergs fand (Zeitschrift „Sankt Georg"): „Wenn jemals ein Mann mit der Geschichte und dem Geschicke einer Landespferdezucht verbunden war, so Hugo Steinberg. Niemals hat eine Pferdezucht einen treueren und unentwegteren, emsigeren und zielbewussteren Vertreter gehabt als die ostpreußische in Hugo Steinberg“. Sein ganzes Leben sei der Zucht seiner geliebten Heimatprovinz gewidmet gewesen und seine Liebe zum ostpreußischen edlen Pferde habe immer wieder die Herzen der ostpreußischen Züchter entzündet und vorwärtsgetrieben.

 

Auf die Stationen dieses reichen Lebens zurückblickend, fährt Rau fort: „Beginnend als Knabe, der über alles andere hinweg sich dem edlen Pferde verschwor, dann als Züchter in Drosdowen, als Leiter des Insterburger Tattersalls, als Schöpfer der Berliner Ostpreußen-Aktionen und Versteigerungen ostpreußischer Pferde in vielen anderen deutschen Städten, verteidigte Steinberg das ostpreußische Pferd. Durch seine unzähligen Bekanntschaften schuf er immer wieder neue Absatzkanäle. Man darf Steinberg als den Propheten für das edle Pferd bezeichnen. Wohl selten hat jemand mit solchem inneren Feuer und solcher Inbrunst das Erhabene, Echte, Ideelle des edlen Pferdes gepredigt“.

 

Ein halbes Jahrhundert stand Steinberg aktiv auf Vorposten für das ostpreußische edle Pferd. Er war der immer wieder anfeuernde und ratende Freund der langen, stolzen, unvergesslichen Reihe großer ostpreußischer Züchter, Männer wie Reisch-Perkallen, Schulz-Lindicken, Scharfetter-Kallwischken, v. Zitzewitz-Weedern, Totenhöfer-Birkenfeld, v. Künheim-Juditten, Wiehler-Kotittlack, um nur einige wenige herauszugreifen.

 

Niemand konnte 1942 ahnen, dass dieses Leben schon drei Jahre später für immer verlosch. Steinberg, der seit 1926 in Berlin lebte, wurde Anfang März 1943 in seiner Wohnung in Friedenau ausgebombt. Von da ab lebte er wieder in Ostpreußen, und zuweilen auf dem Gut des Dr. Schilke, Dommemhof bei Nikolaiken. Im April 1944 musterte er noch in Begleitung von Dr. Schilke Pferde im Kreise Insterburg, musste sich aber im Anschluss daran zu einer Kur nach Karlsbad begeben. Nach Ostpreußen zurückgekehrt, musste er wenig später die Flucht antreten, und er erreichte in Etappen Schönlinde im Sudetenland, wo er bei Bekannten Aufnahme fand. Nach wochenlanger Krankheit und noch immer bettlägerig, sollte er im Juni 1945 im Zuge der Ausweisung aller Reichsdeutschen Schönlinde verlassen. Völlig außerstande, sich erneut auf den Fluchtweg zu begeben, unternahm er einen Selbstmordversuch, wurde daran jedoch durch den tschechischen Verwalter gehindert. Derselbe Tscheche erwirkte ihm schließlich auch die Genehmigung zum Bleiben.

 

Hugo Steinberg hat das Bett nicht mehr verlassen können, und er verschied am 13. August 1945, bis zuletzt umsorgt von seiner treuen Wirtschafterin Charlotte Klass.

 

Seite 7   Der Tod in der Tucheler Heide. Ein Tatsachenbericht von Bruno Giersche.

Während des ersten Weltkrieges kommt es in der Tucheler Heide infolge des Förstermangels zu einem erbitterten Kleinkrieg zwischen Forstbeamten und Wilderem.

 

Alle Wilderer übertrifft an Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit der bereits zehnfache Mörder Paul Kleinschmidt. Die ausgesetzten Belohnungen klettern; 1000, 2000, 3000, 9000 Mark. Zurzeit treibt Kleinschmidt sein Unwesen im Revier des Försters Schwarz. Schwarz will ihn zur Strecke bringen.

 

(4. Fortsetzung)

Sie weiß, wenn ihr Mann sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann führt er es auch durch. Diesmal aber geht es um Kleinschmidt, den vielfachen Förstermörder. Da ist das Bangen und Fürchten der Försterin zu verstehen.

 

Auch Förster Schwarz ist nun zu jeder Stunde unterwegs. Mehr als einmal kreuzt er die Spur des Banditen. Aber vor die Büchse bekommt er ihn nicht. Das steigert seinen Eifer und seine Beharrlichkeit. Die Folgen davon bekommt er bald zu spüren. Eines Morgens liegt auch vor seiner Haustür der Zettel mit der kurzen, brutalen Drohung: „Du Hund wirst bald sterben. Kleinschmidt“.

 

„Nun gut!" denkt Förster Schwarz. „Du oder ich! Aber so geht's nicht mehr weiter!"

 

Damit zerreißt er den schmierigen Wisch und wirft ihn heimlich ins Feuer. Zu seiner Frau schweigt er davon. Er will sie nicht unnötig aufregen. Er selbst lässt sich durch das Geschreibsel nicht einschüchtern und ist genauso wie vorher zu jeder möglichen Stunde im Revier.

 

Holztermin

In den nächsten Tagen lässt die Kälte nach. Die Luft wird weich und kündet neuen Schneefall an. Förster Schwarz will sich gerade ins Revier begeben, um nach seinen Leuten zu sehen, die dort Futterplätze für das hungrige Wild anlegen, als ihn ein Anruf der Oberförsterei erreicht.

 

Der Oberförster wünscht seine Anwesenheit beim Holztermin in der Gastwirtschaft desnächste Dorfes. Er soll dort beim Termin den erkrankten Forstsekretär vertreten.

 

Der Anruf kommt dem Förster gar nicht gelegen. Viel lieber hätte er sich um sein hungerndes Wild bekümmert. Aber Dienst ist Dienst. Und so gibt er denn seinem Knecht den Auftrag, die Pferde vor den Schlitten zu spannen, derweil er sich im Hause für die Ausfahrt fertig macht.

 

„Bleib nicht so lange!" mahnt seine Frau.

„Sei unbesorgt!" versichert er ihr. „Vor Einbruch der Dunkelheit bin ich daheim. Ich muss doch noch zu den Futterplätzen hinaus!" Aber als er zum Hoftor hinausbiegt, fällt ihm etwas anderes ein.

 

„Paul", sagt er zu seinem Knecht, „nimm du die Leine in die Hand und fahre bis zur Waldkante voraus und warte dort auf mich. Ich will nur rasch zum Futterplatz, um dem Haumeister etwas auszurichten“. Damit langt er nach seiner Büchse, steigt aus und geht auf einen Fußsteig rechts in den Bestand hinein.

 

Der Knecht aber fährt allein auf dem breiten Hauptweg voraus. Ihm ist in dieser Einsamkeit nicht wohl in seiner Haut. An seine Ohren ist das Gerücht gedrungen, dass Kleinschmidt jeden als Verräter erklärt habe, der bei den Forstbeamten in Dienst stehe.

 

Eigentlich hatte er ja zu Neujahr kündigen wollen. Aber der Förster und die Försterin sind ja so gut zu ihm, da hatte er sich erst gar nicht getraut, ihnen den Dienst aufzusagen.

 

„Halt!"

Dieser Ruf reißt den erschrockenen Burschen aus seinen Gedanken hoch. Neben ihm steht ein breiter untersetzter Kerl mit einer Flinte im Arm.

„Kleinschmidt!" stottert der zitternde Bursche. „Wo ist der Hund von Förster?" fragt die rohe Stimme neben ihm.

 

Missglückt

Zitternd gibt der Bursche ihm Auskunft. „Nun, deswegen entgeht er mir doch nicht. Raus aus dem Schlitten“.

 

Und da der Bursche noch zögert, verabreicht ihm Kleinschmidt ein paar derbe Ohrfeigen. „Und merk dir, wenn du noch eine Stunde bei dem verfluchten Grünrock in Arbeit bleibst, dann geht es dir so wie ihm!"

 

Drohend sind die unheimlichen Augen des Banditen auf den Jungen gerichtet. „Gnade, Kleinschmidt!" bettelt er und wird weiß wie die Wand.

 

„Scher dich!" zischelt der Wilddieb mit hassverzerrtem Gesicht. Da jagt der Junge mit angstgetriebenen Schritten den Weg hinunter. Zwei Schüsse fallen kurz hintereinander. Kleinschmidt hat die zwei Pferde vor dem Schlitten erschossen, aus Wut darüber, weil ihm der Förster für diesmal entgangen ist.

 

An der Waldkante aber wartet Förster Schwarz ungeduldig auf den Schlitten. Als er zwei Schüsse fallen hört, schwant ihm nichts Gutes. Unverzüglich eilt er den Weg zurück. Da kommt ihm schon der Knecht entgegengerannt.

 

„Kleinschmidt hat die Pferde erschossen — — — will auch mich erschießen! — — Kann nicht mehr bei euch bleiben!"

 

Vergeblich sucht Förster Schwarz den Jungen zu beruhigen. Der ist nicht länger zu halten und rennt angstschlotternd heim zu seinen Alten.

 

Bleib daheim

Der Holztermin ist früh zu Ende. Förster Schwarz muss heute zu Fuß heimgehen. Aber auch so kommt er noch vor der Dämmerung nach Hause.

 

„Bleib heute daheim!" bittet die verstörte Försterin. „Ich werde das Gefühl nicht los, als ob der Kleinschmidt noch immer auf dich lauert“.

„Soll ich mich etwa vor einem feigen Verbrecher verkriechen?" wehrt Schwarz unwillig ab. „Der Halunke kann mich nicht schrecken. Und außerdem muss das Wild noch heute gefüttert werden; denn wir haben neuen Schneefall in Kürze zu erwarten!"

 

„Aber komm bald heim!" bittet die Frau. „Denn ich habe nicht eher Ruhe, als bis du zurück bist“.

 

Letzte Fahrt

„Wird wohl etwas länger dauern", lacht er sorglos, „ehe ich heut mit dem alten Schimmel herumkomme. Dafür kann ich mich bei Kleinschmidt bedanken!" setzte er ingrimmig hinzu. „Und auch dafür, dass ich mich jetzt allein um die Wirtschaft kümmern muss. Denn den Paul sehen wir hier nicht wieder!"

Damit geht Schwarz hinaus, spannt sein letztes Pferd vor den Schlitten, lädt Heu und Kastanien auf und fährt in die frostklare Nacht hinaus.

 

Gleich hinter der Försterei taucht der Weg zwischen den hohen Föhren unter. Tief und still ist die glitzernde Nacht. Kein Laut ist rings wach. Nur ab und zu hört man in der Ferne das heisere Bellen eines hungrigen Fuchses. Der Schnee knirscht und mahlt unter den Schlittenkufen. Blaue Schatten spielen um die Zauberblüten des Raufrostes, der auf den Rieselzweigen der Birken liegt.

 

Aber Förster Schwarz lässt sich keinen Augenblick von dem Zauber der stillen Nachtstunde einfangen. Scharf spähen seine Augen rechts und links in den Bestand hinein. So erreicht er den ersten Futterplatz. Rechts in dem Tannenbestand tut sich eine Lichtung auf. Im taghellen Mondlicht sieht er an der leeren Futterraufe seine hungrigen Freunde lauern.

 

„Hast lange warten müssen, mein Alter!" denkt Förster Schwarz, nachdem er festgestellt hat, dass der Stolz seines Reviers, der stattliche Sechzehnender, auch auf dem Platz ist. Vorsichtig wie immer ist der alte Hirsch und hält sich abseits vom Rudel im schwarzblauen Schatten der Tannen.

 

Förster Schwarz ist aus dem Schlitten gestiegen und lehnt die geladene Büchse an einen Tannenstamm und trägt dann Heu in die Raufen. Anschließend streut er die Kastanien im Schnee aus.

 

Von allen Seiten kommen nun die hungrigen Tiere herbei. Die Not hat sie zutraulich gemacht und sie alle Scheu vergessen lassen. Das starke Hirschrudel — die Rehe — sogar die scheuen Schwarzkittel und die ängstliche Familie Lampe ... alles drängt sich heran, um den quälenden Hunger zu stillen.

 

Förster Schwarz nimmt sich die Zeit, seinen Freunden einen Augenblick zuzuschauen. Er, der weidgerechte Heger und Jäger, kann sich an diesem Bild nicht satt sehen.

 

„Kann das noch ein Mensch sein", denkt er bei diesem Anblick, „der solch arme verhungerte Kreatur kalt und herzlos abknallt? — Nein, mit diesem Halunken von Kleinschmidt wird er kein Erbarmen kennen. Dieser Verbrecher steht tief unter dem Tier; er ist eine Bestie in Menschengestalt!"

 

Knackte es da nicht drüben in den Tannen? Sichernd wirft das Schalenwild die Köpfe hoch! — Instinktiv will Förster Schwarz zur Büchse greifen. Die lehnt ja drüben an der Tanne! Einen Schritt macht der Förster. Da löst sich drüben im Dickicht ein Schuss. Der Förster greift nach der Brust und fällt dann vornüber in den hohen Schnee, derweil das aufgeschreckte Wild in langen Fluchten im schützenden Tann verschwindet.

 

„Bist mir nicht entgangen, Hund!" glaubt er noch über sich eine hassverzerrte Stimme zu hören. Dann weiß er nichts mehr. ---

 

Daheim hat die Försterin bis gegen Mitternacht auf die Heimkehr ihres Mannes gewartet. Als er aber nicht kam, ahnte sie Furchtbares. Hastig riss sie den Hörer vom Telefon und rief die Oberförsterei an. Von dort aus wurde unverzüglich eine Suchaktion eingeleitet.

 

Sie suchen

Und die Forstbeamten brauchen nicht lange zu suchen. Am Rande der Lichtung, lag der tote Förster.

 

Wer der Mörder war?

 

Die Frage war überflüssig. Diese furchtbaren Wunden rissen nur die selbstgefertigten Hackbleipatronen aus Kleinschmidts Flinte. Mit grausamer Absicht verwandte diese Bestie solch furchtbares Geschoss. Er hatte seinem Opfern einen schlimmen, qualvollen Tod geschworen.

 

Mit entblößten Häuptern standen die Forstbeamten an der Leiche ihres Kameraden. „Er war der beste Heger unter uns!" sagte der Oberförster leise und deutete dabei auf die kleine Lichtung hinaus, wo sich schon wieder die hungrigen Rudel um die gefüllten Raufen drängten. „Das waren seine liebsten Freunde", schloss er mit fremder, heiser Stimme. „Für sie ist er in den Tod gegangen! Der Wald aber schreit nach Sühne für das gemeine Verbrechen!"

 

Das Jahr 1918 hat begonnen!

Noch immer ist Kleinschmidt, dem Schrecken der Tuchler Heide, das Handwerk nicht gelegt. Sein Steckbrief verzeichnet bereits eine Belohnung von 12 000 Mark. Aber es findet sich niemand, der sich diese Summe verdienen will.

 

In den armseligen Hütten der Heidedörfer haben sich um die Person des Wildschützen seltsame Legenden gebildet. Kleinschmidt wird in der Phantasie dieser abergläubischen Leute zu einem Übermenschen, gegen den die Waffe eines gewöhnlichen Sterblichen nichts ausrichten kann. Und der gerissene Bandit weiß diesen Aberglauben für sein verbrecherisches Treiben dienstbar zu machen. Er bekennt selber, dass er mit dem Teufel im Bunde stehe und kugelfest sei.

 

Der Günstling

Das große Heer der Holzleser, der Pilz-und Beerensammler sind seine Freunde und Helfer. Durch einen Pfiff — durch irgendein Zeichen, das unauffällig weitergegeben wird, ist Kleinschmidt rechtzeitig gewarnt, wenn in der Ferne ein Forstbeamter auftaucht. Die arme Bevölkerung verehrt den Banditen, denn alles, was er an Wild erlegt, verteilt er unter sie. Bevorzugt bedient werden von ihm die jungen Mädchen und Kriegerfrauen, die ihm in ihrer Kammer Unterschlupf gewähren.

 

Ja, es kommt so weit, dass es sich die Dorfschönen zur Ehre anrechnen, den berüchtigten Wilderer als Liebhaber zu besitzen. Nur so ist es begreiflich, dass die Forstbeamten gegen den Banditen machtlos sind. Wo er sich zeigt, wagt kein Förster mehr, das Haus zu verlassen; denn er weiß, dass es seinen Tod bedeuten würde. Kleinschmidt aber radelt am helllichten Tage auf den öffentlichen Wegen durch die Heide — stellt Schlingen — schießt das kapitale Wild ab — und niemand ist da, der ihn daran hindert.

 

Einmal findet sich wieder ein junger Forstbeamter, der ihm nachstellt. Prompt am anderen Morgen, als er die Haustür öffnet, liegt auf der Schwelle der berüchtigte Brief mit der kurzen Warnung: „Du bist hinter mir her. Du musst sterben, du Hund!"

 

„Der junge Forstmann schiebt den Zettel nachdenklich in die Tasche und will quer über den Hof zum Holzschuppen gehen, da kracht von rechts aus der Schonung, die bis dicht an die Hofgrenze heranreicht, ein Schuss und der junge Forstmann bricht als 13. Opfer Kleinschmidts lautlos zusammen.

 

Jetzt erkennt man auch an höchster Stelle, dass diesem Banditen mit den üblichen Abwehrmaßnahmen nicht beizukommen ist. Da liegt nun in Potsdam das Reservebataillon der Gardeschützen. Das ist eine Elitetruppe, die sich hauptsächlich aus Angehörigen des Försterberufes zusammensetzt. Eine Kompanie dieses Bataillons wird in die Tuchler Heide geschickt und in Kommandos von 10 bis 15 Mann auf die einzelnen Förstereien verteilt.

 

Diese Männer sind nun Tag und Nacht in zwei wechselnden Schichten als Streife unterwegs. Das scheint zu helfen. Jedenfalls scheint Kleinschmidt verschwunden zu sein. Seine Schießerei ist verstummt, und auch das Schlingenstellen hat aufgehört.

 

Aber dann ist er wieder da und treibt es ärger als zuvor. Sein Helferdienst unter den Einheimischen klappt vorzüglich. Kaum hat eine Streife ein Jagen gründlich abgesucht, und geht nun müde und ohne Ergebnis heim, da knallt es kurz hernach in dem Bestand — ein untrügliches Zeichen: Kleinschmidt ist wieder da.

 

Vergebliche Mühe

Dann kommt der Frühling. Es kommen die längeren Tage und die kürzeren Nächte. Kleinschmidt ist wieder zu jeder Stunde im Revier zu spüren. Seine Verwegenheit steigert sich zur Tollkühnheit. Der Bandit jagt auch nicht mehr allein, sondern hat sich mit einer Bande gleichgesinnter Spießgesellen umgeben, die sich aus Fahnenflüchtigen zusammensetzen mögen.

 

In jüngster Zeit hat Kleinschmidt das Waldgebiet der Oberförsterei Taubenfließ für seine Untaten ausersehen. Es ist dies der unübersichtlichste Teil der Heide mit viel Sumpfgebiet, das mit dichtem Unterholz überwuchert ist. Hier treibt Kleinschmidt gegenwärtig seine tollsten Stücke. Da feiert z. B. ein Förster mit seinen Nachbarkollegen und dem Jagdschutzkommando abends seinen Geburtstag. Eine rechte Feierstimmung will nicht aufkommen; denn die Männer sind müde und abgespannt. Waren sie doch den langen Tag über auf der Suche nach Kleinschmidt.

 

Schon wollen die ersten aufbrechen, da knallt es plötzlich zu beiden Fenstern herein. Kleinschmidt ist draußen!

 

Was bleibt, den Männern anderes übrig als rasch das Licht zu löschen und unter den Tischen Deckung zu suchen?

 

Ein paar Tage später ereignet sich in der Nachbarförsterei ein ähnlicher Fall. Das Forstschutzkommando ist am Morgen vom Streifendienst zurückgekehrt und sitzt mit der Försterfamilie draußen in der Laube am Haus beim Morgenkaffee. Sie können von dort aus auf eine langgestreckte Waldwiese hinunterschauen, auf der in der hintersten Ecke das Förstervieh weidet. Plötzlich fallen aus dem angrenzenden Tannenwald viele Schüsse, und im Augenblick liegt die ganze Viehherde bis auf das letzte Jungtier tot auf der Weide.

 

Endlich scheint es zu klappen! Eine Streife hat zufällig in einem Sumpfgebiet, das von Erlengebüsch dicht versponnen ist, eine Erdhütte entdeckt, zu der verschiedene Spuren hinführen. Tagelang wird der Ort genau und unauffällig beobachtet.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg - Osdorf Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Allenstein, Orthopädische Heilanstalt, Dorotheenhaus wird Günther Bachor, geboren am 21. August 1940, gesucht von seiner Mutter Frieda Bachor, geboren am 16. Oktober 1913. Günther lag wegen einer Hüftgelenkentzündung im Gipsverband, kam aber bereits im Dezember 1944 in das Marienhospital in Allenstein wegen Keuchhusten. Als besonderes Merkmal hatte der Junge am Hinterkopf eine kleine Narbe.

 

Aus Arissau, Kreis Samland werden Anneliese Mai, geboren am 8. August 1942 in Arissau und Eckhard Mai, geboren am 17. März 1941 in Königsberg gesucht von ihrem Vater Ernst Mai, geboren am 18. März 1905. Die Mutter Frieda Mai, geboren am 18. Dezember 1911, wird ebenfalls noch gesucht. Die Gesuchten sollen zuletzt in Schloßberg (Ostpreußen) gesehen worden sein.

 

Aus Birkenfelde, Kreis Schloßberg wird Elfriede Reich, geboren am 3. Mai 1939 in Bilowy gesucht von ihrem Vater Erich Karl Reich, geboren am 22. März 1909.

 

Aus Fischhausen, Kreis Samland, Schlageterstraße 6, wird Renate Nikoleyzik, geboren am 24. März 1940 in Lyck-Abbau, gesucht von ihrem Vater Adolf Nikoleyzik, geboren am 9. April 1902. Renate befand sich in Pflege bei ihrer Tante Ida Nikoleyzik, die ebenfalls noch vermisst wird.

 

Aus Heilsberg, Sudetenlandstraße 18, werden die Geschwister Böhm: Hans-Jürgen Böhm, geboren am 2. Oktober 1941 in Heilsberg, Giesela Böhm, geboren im Oktober 1939 in Heilsberg, Günther Böhm, geboren im Februar 1937 in Heilsberg, und Helga Böhm, geboren im März 1936 in Heilsberg, gesucht von ihrem Vater Hans Böhm, geboren am 16. Juli 1912.

 

Aus Königsberg, Juditter Allee 120, wird Kurt Komp, geboren am 12. Oktober 1937, gesucht von seinem Bruder Artur Komp, geboren am 10. September 1922.

 

Aus Königsberg, Kreuzstraße 7, werden Ulrich Klein, geboren am 28. Juli 1942, und Helga Klein, geboren am 30. März 1940, gesucht von ihrer Tante Hildegard Grodde, geboren am 14. September 1917. Die Kinder befanden sich zuletzt mit der Mutter, Eva Klein, geborene Idel, geboren am 18. Juni 1919, in Busow. Kreis Anklam (Pommern). Im Sommer 1945 wurden sie angeblich nach Königsberg (Preußen) zurückgeführt und werden seitdem vermisst.

 

Aus Königsberg, Soldatenweg 15, wird Harry Wolff, geboren am 24. April 1942 in Königsberg, gesucht von seiner Tante Hildegard Wünsche, geborene Wolff, geboren am 17. Januar 1910. Harry Wolff kann auch den Familiennamen Pahlke führen. Die Eltern Ernst Pahlke und Emmy Pahlke, geborene Wolff, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Königsberg, Vorder Anger 15a, werden Günther Witte, geboren am 16. März 1940 in Königsberg und Gisela Witte, geboren am 24. Februar 1937 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Ernst Witte, geboren am 10. März 1898.

 

Aus Königsberg-Seligenfeld wird Dora Isekait, geboren am 8. August 1937 in Königsberg, gesucht von ihrer Pflegemutter Maria Bendig, geborene Krieger, geboren am 18. September 1913.

 

Aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, wird Klaus Grasteit, geboren etwa 1940 in Gilgethal, gesucht von seiner Tante Amanda Petter, geboren am 24. November 1898. Klaus Grasteit befand sich im November 1945 mit seiner Mutter, Gertrud Grasteit, geborene Kröhnert und zwei Schwestern im Lager Kuckerneese. Dortselbst sind die Mutter und die Geschwister verstorben. Klaus soll in das Waisenhaus Tilsit-Ragnit gekommen sein.

 

Aus dem Krankenhaus in Lötzen wird Klaus-Jürgen Rudek, geboren am 8. August 1943 in Lötzen, gesucht von seiner Mutter Anni Rudek. Klaus-Jürgen kam Mitte Januar 1945 mit einer Lungenentzündung in das Krankenhaus Lötzen. Die Patienten sollen am 23. Januar 1945 nach Königsberg (Ostpreußen) evakuiert und von dort aus per Schiff nach Greifswald gekommen sein.

 

Aus Mahnsfeld, Kreis Samland, werden Rudolf Johannes Bischoff, geboren am 26. November 1934, und Bruno Bischoff, geboren am 21. August 1933, gesucht von ihren Schwestern Edith Bischoff und Christel Bischoff.

 

Aus Moorweide, Kreis Heydekrug, werden Claus Dieter Karallus, geboren am 20. Mai 1940, und Peter Jürgen Szuggar, geboren am 24. September 1943, gesucht von ihrer Mutter Meta Neuber, geboren am 29. November 1912. Beide Kinder wurden in Moorweide, Kreis Heydekrug, von ihrer Tante, Frau Maria Szuggar, betreut.

 

Aus Preußisch-Holland, Hindenburgstraße 15, werden Karin Lerbs, geboren am 16. Februar 1944, und Klaus Lerbs, geboren am 18. Juli 1935, gesucht von ihrem Vater Karl Lerbs, geboren am 23. Februar 1907.

 

Aus Ranau, Kreis Heilsberg, werden Erich Kather, geboren am 6. März 1942 in Ranau,

Monika Kather, geboren am 24. März 1938 in Ranau, und Paul Kather, geboren am 29. Juni 1933 in Ranau, gesucht von ihrem Vater Josef Kather, geboren am 17. Februar 1890.

 

Aus Rechenberg, Kreis Sensburg, wird Waldemar Olias, geboren 1940 in Rechenberg, gesucht von Auguste Patecki, geborene Kuntor, geboren am 15. Februar 1904.

 

Aus Sensburg, Blücherstraße 7, wird Margot Meyer, geboren 1940 in Sensburg, gesucht von ihrer Tante Auguste Kalweit, geboren am 30. August 1894.

 

Aus Sensburg, ehemalige Hermann-Göring-Straße 22, wird Horst Dembeck, geboren am 9. Mai 1938 in Sensburg, gesucht von Hedwig Schröder, geborene Dembeck, geboren am 17. Februar 1922.

 

Aus Schneewalde bei Königsberg, Waisenhaus, wird Hans-Joachim Kutschka, geboren am 16. Juni 1942, gesucht von seiner Tante Berta Kutschka, geborene Butzkowski, geboren am 29. November 1902. Hans-Joachim soll nach dem Tode der Mutter in das Waisenhaus Schneewalde bei Königsberg gekommen sein.

 

Aus Tilsit, Hardenbergstraße 1, wird Gerd Welzbacher, geboren am 26. März 1939, gesucht von seinem Großvater Josef Welzbacher, geboren am 13. September 1891.

 

Aus Wehlau, Parkstraße 40, wird Ingrid Hoppe, geboren am 27. Juli 1939 in Wehlau, gesucht von ihrer Großmutter Margarete Schmidt, geborene Krüger, geboren am 1. Februar 1880. Bei dem gesuchten Kinde befand sich die Mutter Irmgard Hoppe, geborene Schmidt, geboren etwa 1915.

 

Aus Wolittnick, Kreis Heiligenbeil, wird Gerhard Emil Samland, geboren am 30. Januar 1935, gesucht von seinem Vater Emil Samland, geboren am 28. Januar 1911.

 

Seite 8   Suchdienstarbeit weiter notwendig. Noch immer lastet das Dunkel über zahllosen Vermisstenschicksalen.

Noch immer lastet das Dunkel über zahllosen Vermisstenschicksalen. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes ist weiter unablässig bemüht, Vermissten- und Verschollenenschicksale zu klären um den Angehörigen nach so langen Jahren bangen Wartens endlich eine, wenn auch oft harte Gewissheit zu bringen. Die Nachforschung selbst geschieht in erster Linie durch eine systematische Befragung aller aus Krieg und Gefangenschaft Heimgekehrten nach dem Schicksal von Kameraden und Leidensgefährten.

 

Die Heimkehrerbefragung erfolgte bisher durch Vorlage von Namenlisten vermisster und verschollener Gefangener und wird künftig mit Bildlisten weitergeführt. Da die in diesen Listen aufgenommenen Fälle auf Meldungen der Angehörigen bei der staatlichen Registrierung 1950 oder später zurückgehen, sind die Anschriften der nächsten Angehörigen dem Suchdienst bekannt, so dass bei Klärung von Schicksalen das Ergebnis der Heimkehrer-Aussagen im allgemeinen ohne Schwierigkeiten an die richtige Anschrift weitergeleitet werden kann.

 

Es kommt aber immer wieder vor, dass ein Heimkehrer über einen Kameraden berichtet, dessen Name nicht in den ihm vorgelegten Listen seiner Wehrmachtseinheit oder seiner Gefangenenlager verzeichnet ist. Erfahrungsgemäß wissen Heimkehrer in solchen Fällen sehr wenig oder gar nichts über die Angehörigen des Gemeldeten und deren Wohnort noch dazu, wenn es sich um Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten handelt. Es kann sogar sein, dass der Heimkehrer nicht einmal den Namen des Kameraden, über den er berichtet, weiß. Dann ist es selbstverständlich für den Suchdienst außerordentlich schwierig, die wertvolle Heimkehrer-Auskunft an die richtigen Angehörigen heranzutragen.

 

An der Klärung dieser Schicksale ist vor allem die Vertriebenen-Presse aufgerufen. Wir richten daher die Bitte an alle unsere Leser, den regelmäßigen Suchdienst-Veröffentlichungen auf dieser Seite ihr besonderes Augenmerk zu schenken! Ein jeder Hinweis über Verbleib und heutigen Wohnort der Angehörigen der hier Genannten kann zum Erfolg der Suchdienstarbeit führen und Licht in das Dunkel eines Menschenlebens bringen.

 

Helfen Sie bitte mit! Für die Aufklärung dienliche Nachrichten nimmt die Redaktion der „Ostpreußen-Warte", Göttingen entgegen.

 

Gesucht werden die Angehörigen der folgenden ehemaligen Wehrmachtsangehörigen:

 

Eduard Waschkau, geb. ca. 1911, Oberfeldw., letzte Einheit: Inf.-Ersatz-Batl. Milau II. Zivilberuf: Bäcker, aus Neidenburg stammend.

 

Schröder, Vorname unbekannt, geb. ca. 1914, Hauptmann, Feldpostnummer: 23 323 E, aus Königsberg/Pr. stammend.

 

Kind, Vorname unbekannt, geb. ca. 1905, letzte Einheit: 11. Komp. 3. Batl. 6. Regiment, aus Ostpreußen stammend.

 

Kurt Schenk, Datum unbekannt, Unteroffizier, Fest.-Pion.-Komp. 56, Feldpostnummer: 04 160, Zivilberuf: Büroangestellter, verheiratet, klein, aus Allenstein stammend.

 

Kupsch oder ähnlich, Vorname unbekannt. Fest-.Pion.-Batl. Lorient, aus der Nähe von Johannesburg stammend.

 

Hahn, Vorname und Geburtsdatum unbekannt, Leutnant, letzte Einheit: 13. Komp. Grenad. Regt. 506 der Inf.-Div. 291. Zivilberuf: Architekt, aus Karlshof, Kr. Samland, stammend.

 

Dering, Vorname unbekannt, geb. ca. 1922, Obergefreiter Feldpostnummer: 12 736. Dering soll aus Salpkeim stammen.

 

Heinz Kuritzky, geb. ca. 1928. Feldpostnummer: 31 368. RAD-Abtlg. 1/20. War in einem Dorf in der Nähe von Königsberg beheimatet.

 

Sakulowski, geboren etwa 1928, vermutlich in Königsberg. Kanonier oder Gefreiter, letzte Feldpostnummer: 12 096 C, 8. Batt. Panzer-Art.Regt. 116, 5. Panzer-Division. Sakulowski war vermutlich evangelisch und es wird angenommen, dass er aus Königsberg/Pr. stammte.

 

Alfred Hennig, geb. etwa 1913/1914, zuletzt Stabsgefreiter, aus Ostpreußen stammend, ledig, Feldpostnummer: 06 542.

 

Wilhelm Demsky, geb. ca. 1898/1899. zuletzt Stabsfeldwebel. Landesschützen-Batl. 238, Berufssoldat, verheiratet, zwei Kinder, stammt aus Marienburg.

 

Willi Stein, geb. ca. 1925. Gefreiter. Grenadier- und Ausbildungs-Ersatz-Batl. Feldherrnhalle, aus Thorn stammend.

 

Seite 8   Kindersteckbriefe mit Foto.

Name: Kulik,

Vorname: Gisela,

geb.: etwa 1943

Augen: braun,

Haar: mittelblond. —

Gisela kann aus dem Kreis Goldap, Ostpreußen, stammen. Sie soll sich später im Krankenhaus in Rössel befunden haben. Das Mädchen erinnert sich mit der verstorbenen Großmutter in einem kleinen Haus gewohnt zu haben. Es werden Angehörige gesucht. Bild-Nr. 027.

 

Name: Rosenberger,

Vorname: Günter,

geb.: 10.05.1943,

Augen: graublau,

Haar: blond.

Der Knabe stammt aus Königsberg. Er befand sich bis 1945 im dortigen Dorotheenheim und sucht Angehörige. Bild-Nr. 0239.

 

Name: unbekannt,

Vorname: Gerda oder Gertrud,

geb.: etwa 1940/1941,

Augen: blau,

Haar: hellblond.

Gertrud oder Gerda wurde von ihrer jetzigen Pflegemutter im Juli 1946 in Danzig in Pflege genommen. Sie befand sich vorher im Waisenhaus Konstancin bei Warschau. Dort wurde sie unter dem Namen„Trudka" (Gertrud) Lesniewska geführt. Gertrud erinnert sich, dass ihr Vater Kurt und ihre Schwester Ingrid heißen. Das Mädchen kann evtl. aus Ostpreußen stammen. Es werden Angehörige gesucht. Bild-Nr. 02128.

 

Seite 9   Foto: Thomas Manns Sommerhaus in Nidden. (Foto: Wendlandt)

„Bergen sollte es Sommerseligkeit …“ Thomas Manns Sommerhaus in Nidden / Von Wanda Wendlandt

Zur Freude war es gedacht – bergen sollte es Sommerseligkeit und Ferienfreude der Kinder und das Entzücken der Erwachsenen an der „unbeschreiblichen Eigenart und Schönheit dieser Natur, der phantastischen Welt der Wanderdünen, den von Elchen bewohnten Kiefer- und Birkenwäldern zwischen Haff und Ostsee, der wilden Großartigkeit des Strandes“ – so hatte es Thomas Mann gewollt, als er 1929 erstmalig die Kurische Nehrung besuchte und von der herben Schönheit dieser einzigartigen Landschaft tief ergriffen war. Von dem Geld des Nobelpreises, den er im gleichen Jahr erhalten hatte, pachtete er ein Dünengrundstück in Nidden „mit groß idyllischer Umschau" und ließ darauf ein Häuschen errichten im Stil der alten Fischerhäuser dort, mit abgewalmtem Rohrdach und den typischen Pferdeköpfen an den Giebeln, dunkelgeteert und mit den dort üblichen Fensterläden in „kurischem" Blau, einem eigenartig harten Blau in schwer zu definierender Mischung, das man an den Staketenzäunen der Anwesen, in den Mustern der schweren plissierten Wollröcke der Frauen und den kunstvoll gestrickten Handschuhen und zierlich über Kanevas gestickten Leibgurten der Männer und Burschen wiederfand.

 

Einen weiten Blick über das Haff hatte man von dem Hügel, auf dem es gebaut war, über die flimmernde Bläue hin bis zu dem fernen dunklen Küstenstrich der „andern Seit" gegenüber zur Rechten bis zu einem leuchtend weißen abgerundeten Hügel, der seltsam unwirklich mitten im Wasser zu schwimmen schien: „de Rund Barg", der gleich anderen großen Wanderdünen über die Nehrung hinweggewandert war im Laufe der Jahre und sich „önne Haff vaseept", wie die Fischer das nennen, und bei diesem Prozess bereits einen weit ins Haff hineinragenden Haken bildete.

 

Außerhalb des Dorfes lag dieser Hügel und dieses Häuschen, wo der Kiefernwald anfängt und sich helle Birken im wachen Nehrungswind wiegen, und es mochte vorkommen, an stillen Spätnachmittagen, dass die gekrönten Könige dieser urtümlichen Landschaft, dass Elche auf ihrem Weg zur Tränke oder zur Äsung unter einer Kiefer am Waldrand verhofften und hinüberäugten zu dem stillen Häuschen dort auf dem Hügel. Denn still war es in diesem und um dieses — und das nicht erst, seitdem der Erbauer und Besitzer dieses Häuschens Abschied nahm von dieser Welt, wie es wohl zuweilen auch andern Häusern geht, wenn ihre Besitzer sich beurlauben. Es hatte nicht seinen Zweck erfüllen können, dieses Haus — nicht lange hatte es Sommerfreude und Ferienglück bergen dürfen, denn schon 1933 war Thomas Mann in die Emigration gegangen und das Häuschen am Hügel blieb verlassen und einsam zurück.

 

So lag es an einem Tag des späten August 1939. Es gewitterleuchtete schon lange in der Welt, und wir hatten mit unseren Ferien gezögert, dann aber in einem trotzigen Entschluss beschlossen, nichts desto trotz und grade darum und komme was da wolle! noch einmal gründlich Ferien zu machen! so wie immer in der alten Heimat, der Kurischen Nehrung, die allein uns als der einzige Platz zu Ferien und wirklicher Erholung schien.

 

Und das Wunder geschah trotz allem auch diesmal wieder an uns, dass wir verzaubert wurden - dass alles, was beschwerte und Besorgnis erregte, abfiel und unwesentlich wurde und ganz und gar unverständlich, dass die Welt und was in ihr geschah, so fern wurde und klein und unwichtig und wichtig und groß nur, dass die Sonne schien und der Himmel sich wölbte in dem unwahrscheinlichen Blau, das es nur dort an der Küste gibt. Die Tage verrannen wie der Sand, den der wache Wind vor sich her treibt, unablässig mit leise sirrendem Gesang, und ihn zu Hügeln häuft und Dünen, ein Menschenalter eine Düne. So traumhaft und unbeschwert waren die Tage dort, dass wir uns noch losgelöster, noch intensiver ihnen hinzugeben trachteten; ganz eins mit dieser seligen, beseligenden Weite wollten wir werden.

 

An einem dieser wunderbaren Tage von silberner Bläue im August brachen wir auf. Fast mühelos und ohne Schwere, den Tag selig vertrödelnd zwischen Wandern, Baden, Rasten und Träumen gelangten wir am Nachmittag nach Nidden. Seit meinen Kindertagen war ich nicht dort gewesen: Es hatte mir immer widerstrebt, diesen Ort, an den mich so reizende frühe Kindheitserinnerungen banden, als ein fremdes Land grüßen zu sollen. Jetzt aber war deutsches Land wieder deutsch und kein Ressentiment brauchte unsern schönen Tag zu trüben. Wir stürzten uns, noch ein letztes Mal für diesen herrlichen Tag, lustvoll in die Wogen der See und wandten uns dann, die Nehrung durchquerend, um zum Dorf an der Haffküste zu gelangen. Wege vermeidend, wie es unserer so gelösten, unbeschwerten Stimmung entsprach, wanderten wir von Baumgruppe zu Hügel, „Kupsten", und von Gestrüpp zu Senken, bis wir plötzlich einen Hügel vor uns hatten mit einem Häuschen darauf. Richtig, wir erinnerten uns, dieses Häuschen auf Postkarten gesehen zu haben: Thomas Manns Sommerhaus.

 

Wir kamen langsam näher und blieben endlich betroffen stehen: Kein Mensch war zu sehen, unbewohnt war das Haus, leer, und wirkte seltsam alleingelassen und preisgegeben in der weiten wilden Großartigkeit dieser Landschaft. Urplötzlich hatte sich vor das eben noch strahlende Sonnengrund eine grauviolette Wolke geschoben und warf einen drohenden dunklen Schatten auf das graue Reetdach, auf die hellen Fenster — und auf unser Herz. Jählings überfiel uns das Wissen, warum dieses Haus verlassen stand, warum es nicht von der Familie des Besitzers mit frohem Leben angefüllt werden konnte Jählings war die ganze quälende Ungewissheit dieser Wochen, die Bedrohung des Kommenden auf uns herabgestürzt, hereingebrochen in unsere blausilberne Sommerseligkeit — in einer fast visionären dunklen Ahnung schwebten vor unsern von der blendenden Helle dieses Tages überbelichteten Pupillen unabsehbare Reihen von verlassenen Häusern, leeren alleingelassenen Heimen.

 

Seite 9   Kanthäuschen und Kopskiekelkrug. Eine Königsberger Erinnerung / Von Gerhardt Seiffert.

Ja, das waren noch Zeiten, als wir frohgemut hinauswanderten von unserem lieben Königsberg in den schönen Moditter Wald, zum Kanthäuschen und Kopskiekelkrug!

 

Kanthäuschen und Kopskiekelkrug — diese zwei Namen mögen Uneingeweihten gegensätzlich erscheinen, für die Königsberger aber waren und bleiben beide ein Begriff, über den es sich schon erinnerungsfroh zu plaudern lohnt.

 

Wenn man pflastermüde für einige sonnige Stunden den Straßen der Stadt erholungsuchend entrinnen wollte, dann bot Königsbergs grüne, wald- und wasserreiche Umgebung zahllose Möglichkeiten.

 

Nicht erzählen will ich von den schönen Ausflügen an die herrliche Samlandküste, nicht von der Kurischen Nehrung mit ihren einmaligen Naturbildern — heute will ich eines Weges gedenken, kurz über die Peripherie der Stadt hinaus, den wohl jeder Königsberger oft und gern ging und dessen er sich wohl genauso oft und gerne sehnsuchtsvoll erinnert.

 

Von dem sich bis in den Stadtkern hineinschmeichelnden Schlossteich oder Oberteich ging es durch die Stadtteile Hufen, Amalienau, Ratshof hinaus nach Juditten und weiter bis Moditten, wo der duftend grüne Mischwald Erholung, Entspannung und Ruhe bot von hastenden geschäftigen Betriebsamkeit  der Stadt, das Forsthaus aber Erquickung und Labung.

 

Diesen Spaziergang wusste schon Immanuel Kant, der Weise von Königsberg, wohl zu schätzen. Oft genug mag der Magister der Alma Mater Albertina diesen Weg hinaus gewandert sein — sinnend, denkend, meditierend. Und was seine Gedanken in hohem Geistesflug erdachten, brachte er in Moditten, wo ein kleines Gartenhäuschen seiner harrte, in der geruhsamen Einsamkeit und Stille des Waldes zu Papier. Überlieferungen nach soll Kant hier im Jahre 1763 die „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" niedergeschrieben haben.

 

Wer je draußen war im Walde von Moditten, wird wissen, dass wohl wenig Orte geeigneter wären über das Schöne und Erhabene zu schreiben, als dieser, und wer je hier die erhabene Weite und ruhevolle Stille genoss, mag verstehen, dass der große Denker einst sagte: „Bei der allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der Sinne redet das verborgene Erkenntnisvermögen eine unnennbare Sprache und gibt unausgewickelte Begriffe, die sich wohl empfinden, aber nicht beschreiben lassen“.

 

Diese Stätte, da Kant einige seiner großen Gedanken festhielt, wurde später als „Kanthäuschen" historisch und ein beliebtes Ziel zahlloser Ausflügler.

 

Ein paar Schritte weiter nur aber lag das Forsthaus Moditten — fürwahr, ein gastlicher Ort und nicht minder gerne besucht!

 

Hier gab es neben allerlei anderem Labsal einen ganz ausgezeichneten, aus den früchtevollen Gärten selbst geernteten und bereiteten Johannisbeerwein — den weit über Königsberg und Ostpreußens Grenzen bekannten Kopskiekelwein.

 

O wie lieblich und süffig, wie würzig und erfrischend rann doch dieser Trank durch die vom Spaziergang durstige Kehle! O ja, man konnte gut und gerne so manch Fläschchen davon leeren, es war ein erquickender Genuss. Nur, wenn man nachher ins Freie kam, den Nachhauseweg antrat, zeigte er erst seine volle Wirkung, er war in die Beine gerutscht, und man ging oftmals kopfüber, weil die Füße nicht mehr wollten, wie der Kopf — daher auch der Name Kopskiekelwein und Kopskiekelkrug!

 

Kanthäuschen — Kopskiekelkrug, wer vermag es heute zu sagen, was von beiden die größere Anziehungskraft besaß? Wohl aber glaube ich behaupten zu können, dass des großen Weisen Ausspruch auf so manchen heimkehrenden Wanderer, der nach dem Besuch des Kanthäuschens im Kopskiekelkrug dem guten Kopskiekelwein zu eifrig zusprach, gemünzt sein dürfte: „Aus so krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden. Nur die Annäherung zu dieser Idee ist uns von der Natur auferlegt“.

 

Ja, Kant hat's in sich und der Kopskiekelwein nicht minder!

 

Seite 9   Der Niddener Friedhof. Von Charlotte Keyser.

Hoch auf der waldigen Haffdüne lag in verträumter Stille der Niddener Friedhof. Wer als Fremder am sonnigen Sommermorgen dort oben war, der weiß um den Zauber, der da die Seele anwehte, die Sinne bannte und ganz hineinzog in den Frieden dieser in sich abgeschlossenen Welt. Sand ist das Element der Nehrung, und auch dieser kleine Bezirk des Friedhofs, den man dem Kieferwald abgewonnen hatte, war trotz einzelner verbliebener Bäume, die da wie unverrückbare Schirmherren standen, wieder dem Sande, wenn auch in begrenztem Maße, verfallen. Und dennoch gab es dort ein wundersames Blühen. Auf den alten, schon eingewachsenen Grabhügeln wucherten in üppiger, oft regelloser Fülle bunte Blumen, stellenweise untermischt mit grünen Grasbüscheln oder dem zähwurzelnden bläulichen Seegras. Solange diese Eindringlinge nicht das Blühen erstickten, störte man ihr eigenwilliges Wachstum nicht, halfen sie doch die mühsam eroberte Graberde zu befestigen. Gerade das wilde Blühen der Gräber war von wunderbarer Wirkung. Manch ein Samenkorn hatte sich da selbständig gemacht und auf einem Nachbargrab in ungeahnter Pracht entfaltet. Hohe Blumenstauden umwucherten die hölzernen Kreuze und die eigenartig geschnitzten Grabmäler. Sie waren schwarz oder in leuchtendem Himmelblau gestrichen, trugen aber schon vielfach die graue Farbe der Verwitterung.

 

An einer Grabstelle blieb ich jedes Mal, wenn ich über den Kirchhof ging, stehen. Es waren zwei überdachte, schon stark verwitterte, tief eingesunkene Kreuze, die es mir angetan hatten. Sie standen da, das eine schräg und das andere noch aufrechtstehende gesunken, und, als hätten viele Jahrzehnte sie zusammengeschmiedet, zog sich von einem zum andern das dichte Gewebe des groben grauen und des feinen goldgelben Flechtenmooses. Eines der Kreuze trug den Frauennamen Annorte, einen Namen, den man damals im Dorf nicht mehr antraf, der wohl einer andern Zeit angehörte, einem fernen „Gewesen", dessen Abbild diese grasverwucherten Gräber und ihre Kreuze waren.

 

In der Mitte des Friedhofes nahe dem Zaun stand eine kleine schmale Holzbank. Wenn man dort in einsamer Morgenfrühe saß, fühlte man sich ganz in den Bannkreis des stillen Zaubers entrückt: Heiterer Friede ringsum — zitterndes Sonnenlicht auf tauigen Gräsern und Blumen — Schmetterlinge und summende Käfer — helle Vogelstimmen und von unten her das leise Anschlagen der Haffwellen. Ja, das ewige Lied des Haffes drang bis hierher zu den Toten, zu den hier schlummernden Männern, den Fischern, ihren Frauen, Töchtern und Söhnen, die alle das weite Wasser unten geliebt und gefürchtet hatten. Und der schirmende Wald war bei ihnen und auch wie ein Gruß von der Hohen Düne der ewige Sand. Und nahebei war auch die Kirche mit ihrem Sonntagsgeläut. Wenn dort nach dem Gottesdienst die Niddener Frauen in ihrer farbenfrohen Tracht mit den seidenen Kopftüchern und seidenen Schürzen die Steinstufen herabstiegen, wandten sie sich auf halber Höhe dem Friedhof zu, schritten in ihrer stillen Art dahin, um ihre Gräber zu grüßen. Sie schritten durch das weiße Staketentor, über dem in deutscher und kurischer Schrift die Worte standen „Ich bin die Auferstehung und das Leben“.

 

Viele, die dort zu jenen ungetrübten, glücklichen Zeiten ihre lieben Toten besuchten, durften selber nicht zur letzten Ruhe hier einkehren. Sie starben fern der Heimat, aber ihr letztes Grüßen ging gewiss dorthin, wo sie sich ihre Gräber ersehnt hatten: nach dem stillen Friedhof auf der waldigen Haffdüne.

 

Seite 9   Wat et nich aller göfft. Seltsamkeiten aus der Heimat.

Was kostete eine Orgel vor 250 Jahren?

Die Orgel der Kirche zu Gerdauen in Ostpreußen hatte Anno 1696 ein Blitzschlag so zerstört, dass sie nicht mehr repariert werden konnte. Nach langen Verhandlungen wurde endlich der Orgelneubau dem berühmten Königlich Preußischen Hof-Orgelmacher Johann Josua Mosengel aus Königsberg übertragen, der dafür nach dem Anno 1708 — so lange war die Kirche ohne Orgel! — mit ihm geschlossenen Kontrakt folgende Entlohnung erhielt:

 

400 Thaler in bar,

12 Scheffel Futterroggen,

24 Scheffel Brotroggen,

12Tonnen Bier oder ½  Last (1 Last = 60 Scheffel) Gerste,

2 Scheffel weiße Erbsen,

2 Scheffel graue Erbsen,

½ Scheffel Hafer- und 1 Scheffel Gerstengrütze,

1 Scheffel Buchweizengrütze oder Gerstengraupe,

6 Scheffel Weizen,

8 Schock kleine Käse, Zwerge genannt,

10 Thaler in bar zu Rindfleisch,

3 fette Schweine,

6 Schöpse (Hammel),

6 Kälber,

80 Hühner,

20 Gänse,

6 Schock Eier,

4 Achtel Butter,

10 Groschen in bar allwöchentlich zu Fischen,

6 Achtel Holz zum Kochen der Speisen, dazu täglich einen Scharwerker zu Hilfeleistung und die nötigen Planken und Dielen für den Orgelbau.

 

Für damalige Zeiten war das ein ganz hübsches Sümmchen, die Naturalien natürlich mit eingerechnet.

 

Seite 10   Die alte Landstraße / Von Ludwig Passarge

Die große Berliner Chaussee hatte den Fernverkehr an sich gerissen und die alte Landstraße, welche an Wolittnick vorüber längs dem Haff nach Brandenburg lief, verödet. Auf diesem Wege war einst alles gefahren, was nach Königsberg und weiter nach Russland wollte: hohe Herren, Abenteurer, Künstler, französische Philosophen, Kaufleute und viele andere Reisende. Von Königsberg ging es dann längs der Kurischen Nehrung, früher der „Strand" genannt, nach Memel; eine lange Fahrt, welche Diderot in seinem launigen Gedicht, ‚La poste de Koenigsberg á Memel' beschrieben hat. Den durchgehenden Postwagen sich anzuvertrauen, hatte damals seine Bedenken. Es gab da nur hölzerne Bänke mit hohen Lehnen. Als mein Vater einmal in einem solchen Wagen fuhr, warnte ihn der Postillion, sich anzulehnen und gar zu schlafen; denn — sagte er — gestern hat sich ein Reisender dabei das Genick abgestoßen.

 

Die Post von Danzig nach Königsberg folgte nicht unserer Landstraße, sondern ging längs der Frischen Nehrung nach Pillau. Hier bestand die Kalamität darin, dass man den reitenden Postillionen gern die silbernen Armschilde raubte.

 

Auf unserer Landstraße gab es ein reizendes Laubwäldchen bei Keimkallen. Es wurde erzählt, dass die preußische Prinzessin Charlotte, Gemahlin des Kaisers Nikolaus, hier stets abgestiegen und zu Fuß durch das Wäldchen gegangen sei. Im Übrigen war die Straße öde und oft sehr sandig. In manchen Equipagen — so erzählte meine Mutter — saßen die Reisenden abends bei einer hängenden Laterne und lasen in einem Buche; denn es ging in dem tiefen Sande oft nur im Schritt, und die Fahrt von Berlin bis Königsberg dauerte viele Tage. Noch in der Mitte der vierziger Jahre, als der Postminister von Nagler die Verkehrsverhältnisse bereits wunderbar verbessert hatte, bin ich von Königsberg nach Berlin noch dreimal vierundzwanzig Stunden gefahren. Als nach 1848 die beschleunigte Kurierpost nur sechsunddreißig Stunden zu dieser Fahrt brauchte, glaubte man am Ende aller Möglichkeiten angekommen zu sein. Heutzutage genügen neun bis zehn Stunden, freilich mit der Eisenbahn, die 1853 eröffnet wurde.

 

Verfolgte man von Wolittnick die alte Landstraße nach Osten, so kam man nach etwa zwanzig Minuten zu der Mühle Fedderau, die unserem Onkel Schörade gehörte, dem Ehemann einer Schwester meiner Mutter. Von allen Bekannten aus jener Zeit war er jedenfalls die interessanteste Persönlichkeit und überall gern gesehen, weil eine stets fließende Quelle von Witz und Humor. Er war sehr groß und kräftig und ging Sommer und Winter meist in Pelzkleidern; im Winter, wie er sagte, gegen die Kälte, im Sommer gegen die Hitze. Er bekümmerte sich weder um die Mühle, noch um seine sonstige Wirtschaft, saß oder lag stundenlang auf der Ofenbank und war von einer unbesiegbaren Trägheit. Die ganze Last der Wirtschaft ruhte auf den Schultern der Frau, welche, recht im Gegensatz zu dem Manne, sich nicht vor den niedrigsten Arbeiten scheute und immer selber mit dem zu verkaufenden Mehl nach Königsberg fuhr, wo sie das ganze Geschäft allein besorgte. Der Mann segelte nur zuweilen nach Pillau aus einer kleinen, vom Schiffer Unruh geführten Jacht, um Mehl an einen dortigen Bäcker abzuliefern. Sonst bestand seine Beschäftigung darin, dass er vormittags nach Wolittnick kam, um einen Schnaps zu trinken und weiter nach dem Sandkruge zu wandern, wo er sich einen zweiten geben ließ.

 

Er war — wie gesagt — überall gern gesehen wegen seines unversieglichen Humors. Als es hieß, die Landstände — zu denen auch mein Vater als Besitzer eines Rittergutes gehörte — sollten sich eine goldgestickte Uniform anschaffen, meinte er trocken: Dann würden sie sich wohl auf die Epauletten die Worte „Johanni" und „Weihnachten" sticken lassen. Das waren aber die für die Zahlung der landschaftlichen Zinsen bestimmten Termine.

 

Einmal kam er in seiner Behäbigkeit in die Gefahr zu ertrinken. Er wanderte nämlich mit meinem Vater und dem Papierfabrikanten Güllich auf dem Damm am Mühlenteiche in Fedderau, als er plötzlich in diesen hineinrutschte. Die Stelle war sehr tief und das Ertrinken kaum zu vermeiden. Aber die Pelzkleider hielten ihn schwimmend, und bevor sie sich voll Wasser gesogen, hatten die beiden Herren ihn mit ihren langen Tabakpfeifen herangeangelt, so dass sie ihn hinaufziehen konnten. Hier passte in der Tat die ostpreußische Redensart: wieder auf den Damm kommen.

 

Eine zweite Geschichte!

Einst fuhr er mit seinem Kutscher auf der Landstraße in der Richtung nach Westen von Hause fort. Nach einer Weile sagt er:

„Johann, wo fahre wi egentlich hen?"

„Dat weet ek nich, Meister“.

„Na, da kehr' man wedder um, wie wolle dat froge“.

 

In der Tat kehrten sie um und erfuhren nun, wohin sie eigentlich wollten. Um jedoch ganz sicher zu sein, schrieb er den Namen des Ortes mit Kreide auf seine ledernen Hosen.

 

Eine dritte Geschichte!

Er hatte einmal Roggenmehl an einen Bäcker in Pillau geliefert. Als er später wieder zu diesem kam, machte der Bäcker ihm den sehr schlimmen Vorwurf, das Mehl habe von ausgewachsenem Korn hergerührt. Ein solches Mehl verliert nämlich den Kleberstoff und der Teig läuft beim Backen auseinander. Schönrade widersprach energisch und verstand sich schließlich zu der gefährlichen Äußerung: „Na, wenn dar woh ös, da soll mi doch gliek de Düwel hole“.

 

In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür und herein trat ein Mohr, deren es in Pillau schon damals wohl den einen oder andern gab, da sie über See mit den Handelsschiffen ankamen.

 

Auf die Knie fallen und einen heiseren Schrei ausstoßen, der sich in einem Gurgeln verlor, war eins. Vielleicht hat er seitdem den zu mahlenden Roggen sorgfältiger geprüft.

 

Seite 10   Angerburger Literaturpreis vergeben

Der von der Patenstadt Rotenburg/Hann, gestiftete Angerburger Literaturpreis ist nun erstmalig an Gustav Baranowski für seine Erzählung „Der Kämmerer von Graiwen" vergeben worden. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit 500 Mark dotiert.

 

Seite 10   Schriftsteller-Wettbewerb des BVD

Der BVD-Landesverband Niedersachsen hat einen Schriftsteller-Wettbewerb ausgeschrieben. Gefordert werden Arbeiten, die das Vertreibungsschicksal zum Hintergrund haben. Eingereicht werden kann in folgenden vier Gruppen: Erzählende Prosa, Drama, Hörspiel und Filmmanuskript. In jeder der Gruppen sind je drei Preise in Höhe von 2000, 1500 und 1000 DM ausgesetzt. Beteiligungsbedingungen durch die Geschäftsstelle des BVD, Landesverband Niedersachsen, Hannover, Anzeigerhochhaus.

 

Seite 10   Spruch. Von Agnes Miegel.

Du hast in Krieg und Schrecken

mich wunderbar bewahret,

Gabst Kraft dem müden Herzen

auf später Wanderfahrt,

Gabst Zuflucht im vertrauten,

im herben Wind vom Meer,

Führtest zu deutschem Lande

mich gnädig wieder her,

Gabst Dach und Brot, gabst Treue,

die niemals mich verlassen,

Lehrtest mich stets aufs Neue

nichts als den Hass zu hassen.

 

Seite 10   Käthe Kollwitz. Mein Auftrag: das Leid auszusprechen.

Aus den Tagebuchblättern und Briefen der Künstlerin.

5. Januar 1920.

Ich habe wieder ein Plakat zu machen übernommen für eine große Hilfsaktion für Wien. Ich hoffe, es machen zu können, weiß aber nicht, ob ich es durchführen werde, weil es rasch gemacht werden soll und mir sehr nach einer Grippe zumute ist.

 

Ich will den Tod machen. Wie er die Hungerpeitsche schwingt und tief gebückt, schreiend und stöhnend die Menschen — Frauen Kinder — Männer — an ihm vorbeiziehen.

 

Während ich zeichne und die Angst der Kinder mich mitweinen machte, hatte ich so recht das Gefühl der Last, die ich trage. Ich fühlte, dass ich mich doch nicht entziehen dürfte der Aufgabe, Anwalt zu sein. Ich soll das Leiden der Menschen, das nie ein Ende nimmt, das jetzt bergegroß ist, aussprechen. Ich habe den Auftrag, aber er ist gar nicht leicht zu erfüllen.

 

Am 8. Juli 1957 wäre die in Königsberg geborene Künstlerin 90 Jahre alt geworden. Eine Kurzbiographie Käthe Kollwitz bringen wir in der Jugendbeilage dieser Ausgabe.

 

Seite 10   Theo von Brockhusen. Zum 75. Geburtstag des ostpreußischen Landschaftsmalers.

Am 16. Juli 1957 ist der 75. Geburtstag des 1919 gestorbenen ostpreußischen Malers Theo von Brockhusen. Er stammte aus Marggrabowa (Treuburg) in Ostpreußen, wo sein Vater als Amtsrichter und Rechtsanwalt tätig war. Schon in seiner Jugend zeichnete Theo gern in der weiten, freien Natur seiner Heimat und lieferte dadurch Beweise seiner künstlerischen Veranlagung. Aus diesem Grunde war sein Vater, der ihn eigentlich zu seinem Nachfolger ausbilden wollte, damit einverstanden, dass er sich an der Königsberger Akademie in der Malerei ausbildete. Er studierte zuerst bei Dettmann und Max Schmidt und dann bei dem Landschafter Olaf Jernberg, der seinen Schülern das Verständnis für den Nachimpressionismus vermittelte und sie mit Formidealen bekannt machte, aus denen sich der Expressionismus entwickelte. In verhaltenen Farben malte er ostpreußische Landschaften an der Ostsee, z.B. „Nidden", „Rossitten" und „Schwarzort", die leider zum Teil im zweiten Weltkrieg verloren gegangen sind.

 

Im Jahre 1904 siedelte der Künstler nach Berlin über, wo ihn Max Liebermann, der auf ihn, den im ersten Weltkrieg gefallenen Waldemar Rösler und Max Pechstein große Hoffnungen setzte, in die Sezession aufnahm. Längere Zeit malte er in Baumgartenbrück in der Mark Brandenburg Landschaften, unter anderen „Figur unter der Linde" (1909), „Blick auf Gasthof Herrmann" (1912), „Obstgarten" (1915), „Wirtshausgarten" (1917). Ein besonderes Erlebnis wurde für ihn Van Gogh, als er 1908 nach Nieuport in Belgien reiste, wo er z. B. die „Strandpromenade Knocke" malte. Ein Jahr später erhielt er den Preis der Stadt Berlin, 1913 den Preis der Villa Romana, und außerdem wurde er als Nachfolger Liebermanns zum Präsidenten der Berliner Sezession ernannt.

 

In Florenz gewann seine zarte, meistens ins Grüne, Gelbe, Bläuliche und Lila spielende Farbenpalette bedeutend an Wärme, wie man es aus seinen dort 1913 gemalten Bildern, z.B. „Olivengarten", „Arnobrücke", „Blick von der Villa Romana", „Blick auf Florenz", erkennen kann.

 

Brockhusen sah in der Natur den großen Raum, in dem der Horizont bisweilen vertikal gerichtet ist. Die Farbe belebte er — z. B. beim „Weg im Frühling", 1914 — durch das Spiel des Lichts, und vollendet wirken seine Darstellungen der leuchtenden Sonne am hohen Mittag, z. B. in seiner „Herbstsonne in Kaiserwaldau (Schlesien), 1916". Leider wurde der künstlerischen Tätigkeit des Künstlers 1919 durch den durch ein Lungenleiden herbeigeführten Tod ein frühes Ende gesetzt. Charlotte Steinbrucker

 

Seite 10   Vorschau auf „Eßlinger Begegnung"

Unter dem Titel „Illustratoren und Illustrationen'' wird im Rahmen der vom 10. bis 14. Oktober stattfindenden „Eßlinger Begegnung" der Künstlergilde-Verband der heimatvertriebenen Kulturschaffenden, eine Ausstellung von Arbeiten seit 1945, vor allem Buchveröffentlichungen (Illustrationsbände und illustrierte Bücher) gezeigt werden.

 

Für Dichterlesungen bzw. Vorträge haben bisher u. a. Werner Bergengruen, Professor Ernst Alker, Generalintendant a. D. Oskar Walleck und Professor Emil Prichen Zusagen gegeben.

 

Seite 10   Eichendorff-Ausstellung.

Nachdem die Eichendorffgilde erst vor kurzem in der bayerischen Landeshauptstadt die erste Eichendorff-Feier im Jubiläumsjahr des Dichters veranstaltet hat, soll in München nun eine große Eichendorff-Ausstellung gezeigt werden. Die Schau soll m Prinz-Carl-Palais stattfinden und wird in Zusammenarbeit mit schlesischen Stellen von der Bayerischen Akademie der schönen Künste vorbereitet.

 

Seite 10   Ostkirchentag In Hameln

Die in der Zeit vom 7. bis 10.10. In Hameln stattfindende Ostkirchentagung wird das Thema „Schuld und Verheißung im deutsch-polnischen Zusammenleben behandeln. Die von namhaften Referenten zu dieser Tagung vorgetragenen Berichte, geschichtshistorischen und religiösen Aufrisse aus der deutschpolnischen Geschichte sollen die Grundlagen für die auf dieser Tagung vorgesehenen Diskussionen und Aussprachen bilden. Darauf sollen dann die entsprechenden Folgerungen für die künftige Konzeption erarbeitet werden.

 

Seite 10   Ich bin König --- Ein ostpreußisches Kinderspiel.

Aus dem Osten von Ostpreußen ist für die Zeit vor etwa 150 Jahren ein merkwürdiges Kinderspiel überliefert; es hatte nach dem Bericht folgenden Verlauf: „Ein Junge stand auf einem Erdhügel oder einem Stein und rief: ,Ich bin König, Herr des Hofes'. Dann kam wieder ein anderer und stieß ihn hinunter, stellt sich selbst auf den Stein und sagte: ‚Ich bin König, Herr des Hofes'. Dann kam wieder ein anderer und gab diesem einen Stoß; der aber war vielleicht nicht imstande, ihn fortzustoßen. Jener behauptet seinen Platz, aber dieser lässt nicht nach; er kommt wieder auf ihn los und will ihn besiegen. Beide sind schon ermüdet, aber doch lässt keiner nach, weder der, der auf dem Steine steht, noch der, der mit ihm kämpft. Aber wenn jener auch seinen Platz lange behauptet, schließlich muss er doch vom Steine heruntergehen und einen anderen hinauflassen“.

 

Handelt es sich bei diesem Spiel nur um das Austoben einer unbezähmbaren Jugendkraft? Fast möchte es so scheinen. Doch das Spiel kennzeichnet sich durch seine feste Form und seinen Spruch, so dass wir darin keine bloße spontane Kraftäußerung sehen dürfen.

 

Ähnliches Kinderspiel finden wir in Schleswig-Holstein; dort heißt es: „Scher heraf“. Ein Knabe steht auf einem kleinen Hügel, einem Sandhaufen oder dergleichen. Andere versuchen ihn herunterzuziehen, um an seine Stelle nach oben zu kommen, wogegen er sich kräftig wehrt. Der Kampf wird von folgender Wechselrede begleitet: „O Barg mien!" — „Wo lang is he dien?" — „Hüt oder morgen!" — „Scher heraf, laat der mir för sorgen!"

 

Auch Westfalen kennt ein ähnliches Spiel mit dem Spruch: „Ik sin här in minem lanne“.

 

Für Holland bezeugt dasselbe Spiel das bekannte Bild von Peter Breughel d. Ä. „Kinderspiele", wo zwei sich streitende Knaben dieselbe Haltung einnehmen: Der eine Junge steht auf einem kleinen Hügel und wehrt einen zweiten, der gegen ihn von unten herandringt, ab. Die für dieses Spiel in Holland gebräuchlichen Ausdrücke sind folgende: „Der Platz ist min" — „Man, man, ik bin op je blockhuis" oder „Der Berg ist mün".

 

Ob die ostpreußische Spielart östlichste Ausstreuung vom niederdeutschen Raum dazugehört, muss mangels einschlägiger Zwischenglieder noch entschieden bleiben. Gab es in Ostpreußen vielleicht noch an anderen Orten ähnliche Spiele? Dr. Wilhelm Gaerte

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat. Agnes Miegel.

Foto: Agnes Miegel im Kreise ihrer Landsleute bei einem Heimattreffen. (Foto: Sachers)

Mund und Stimme der Landschaft.

Mit den wenigen Strichen, die der knappe Raum gestattet, ein so geliebtes Antlitz zu skizzieren, fällt schwer.

 

Heimat, das ist ein von viel unwürdigem Gebrauch zerschlissenes Wort. Würde von ihr nur in unbeholfen stammelnden Ausdrücken gesungen, es ginge noch. Aber das schamlos abgegriffene Phrasendeutsch, verwendet für ein rührselig dummes Gefühlchen, ist unerträglich.

 

Trotzdem, bei Agnes Miegel kann auf den Begriff Heimat nicht verzichtet werden. Große wachsen meist über die Grenzen ihrer Landschaft hinaus; ihre Persönlichkeit lässt, ausgereift, den engen Bereich, aus dem sie stammen, vergessen. Agnes Miegels Weltgültigkeit aber ergibt sich gerade aus einer Intensivierung der Heimatlandschaft in ihrem Werk. Sie ist: die ostpreußische Balladendichterin von Unsterblichkeitsrang. Doch das klingt so großartig und pathetisch. Sie aber ist kindlich und unmittelbar in Wesen und Wort; ihre Dichtung geht den Weg vom Herzen zum Mund ohne den Umweg über ein spintisierendes Gehirn. Es spricht das Kind, bebend vor Ergriffenheit, von der Mutter, wenn sie von ihrer Heimat spricht.

 

Sie ist Christin, doch in ihr leben auch die alten Götter. Sie ist modern und mythisch zugleich.

 

Lyrik wird für gewöhnlich als individuelle Aussage aufgefasst. In ihrem Werk aber spricht nicht das Einzelwesen, das sich über die Natur erhebt; die Dichterin ist nur Mund und Stimme der Landschaft, die sich ihrer bedient.

 

Agnes Miegel hat auch Prosa. In Behutsamkeit aufgebaute Novellen, klassisch in

der fugenlosen Architektur der Sätze, hoheitsvoll in der Thematik. Man liest sie voll Respekt. Aber immer wieder kehrt man zu den Balladen zurück, die einem, im Gegensatz zu vielen anderen — etwa den schaurig düsteren von Lulu Strauß-Torney — das Herz warm machen. Elfen und Wassergeister werden uns zu Geschwistern. Wenn diese Verse uns erschauern machen, so nicht in Furcht und Grauen, sondern in Liebe. Hier ist nicht Tragik, sondern Versöhnung. Alle Furchtbarkeit des Seins wird eingeschmolzen in der Glut eines fraulich heißen Herzens, und aus dieser Schmelze gestaltet die Dichterin ihre schlackenfreien Werke.

 

Diese Werke sind nicht Denkmale der Literaturgeschichte, aufbewahrt in wohlverschlossenem, selten geöffnetem Bücherschrank, sie sind vielmehr Hausgötter, zu denen die Familie beten kann, vom Großvater bis zum Enkelkind, das eben lesen gelernt hat. Sie stehen Seite an Seite neben alten Volksmärchen und Sagen, und man vergreift sich nicht, wenn man in einer zu besinnlicher Einkehr bereiten Feierstunde statt des einen das andere greift.

 

Ach, ich merke, ich habe gar keine Portraitskizze gezeichnet, ich habe nur ergriffenen Herzens von meiner Liebe und Verehrung für diese große Frau geredet. Aber vielleicht ist auch das etwas und kann denen hellen, die nicht literarisch-kritisch werten, sondern einfach lieben wollen.

 

Schließlich kann ja noch, wenn nötig, gesagt werden, dass sie am 9. März 1879 in Königsberg in Preußen geboren ist. In dem ältesten Teil der Ordensstadt, dem Kneiphof, der alten Handelsinsel, in der die Giebelhäuser vergessener Kaufherren um den roten Backsteindom stehen, an dessen Nordwand Kant schläft. Sie ist die letzte eines Geschlechtes, dessen Vorfahren sich aus ‚braven Kaufleuten und preußischen Beamten und tüchtigen Landwirten' rekrutierten. Als „Pensionsmädel“ kam sie nach Weimar, das in jenen Jahren freilich viel mehr in der Erinnerung an Liszt lebte als an Goethe". ‚Ich sah aus wie ein in die Stadt verschlagenes richtiges Landkind, war es auch in allen Neigungen und fand alles andere in der Welt wichtiger als den Weg zur Bücherweisheit'. Lehr- und Wanderjahre in Frankreich und England folgen. Seit 1917 hat sie, von einer vorübergehenden Schriftleitertätigkeit abgesehen. In der Heimat ausschließlich ihrem dichterischen Schaffen gelebt. Bis auch sie vertrieben wurde. Ihr schweres Flüchtlingsschicksal hat sie mit Würde getragen. Längere Zeit Lageraufenthalt in Dänemark. „Wenn es auch Internierung war, — es war Seeluft und heimatlich vertrauter Vogelzug, und es waren späte Lehrjahre, von denen ich keinen Tag missen möchte‘. Jetzt lebt die greise Frau in Bad Nenndorf bei Hannover. Emil Merker

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Wanda Friese. Ein Stück Bernstein.

Piet, dreizehnjährig, schmächtig, doch unternehmend, fand an jenem Morgen, als er nichtsahnend die nackten Zehen in den Sand bohrte, ein faustgroßes Stück Bernstein. Nach einer stürmischen Nacht hatte ihm das Meer das Geschenk direkt vor die Füße gespielt. Aber man durfte ein so großes Stück Bernstein nicht behalten. Das wusste Piet. Er drehte den braunen, unansehnlichen Klumpen in seinen knochigen Jungenhänden hin und her und überlegte. Am besten, er sagte keinem was von dem Fund. Auch Kay nicht, seinem besten Freund. Dem schon gar nicht, denn der war seit langem am Bernstein versessen. Kay war ein Neidhammel und würde ihm den Fund missgönnen. Aber Kay war nicht da. Piet sprang von einem Bein auf das andere vor Freude. Er machte Pläne. Von seinem Gesparten würde er sich erst einmal das Stück sehr schön schleifen lassen. Aber wo? Jeder kannte ihn in dem Nest, und der Schleifer würde darauf bestehen, den Fund anzumelden. Ohne Schleifen aber war das Stück Bernstein unbrauchbar. Es besaß, so wie es jetzt da lag, nicht eine Spur von Schönheit, Glanz oder Farbe. Aber dann, in Facetten geschliffen, würde es leuchten wie eine kleine Sonne. Ein Briefbeschwerer lag dem Jungen im Sinn, wie er ihn bei Onkel Birne bewundert hatte. Oder eine Schale, in die man kleine Utensilien hineintat, wie Manschettenknöpfe oder derlei.

 

Voll Übermut warf Piet den braunen Klumpen ein dutzendmal in die Höhe und fing ihn wieder auf. Dann hielt er ihn ans Licht, rieb ihn zärtlich an seinem Ärmel so blank es ging, und war ganz aus dem Häuschen. Mittendrin spähte er angstvoll umher, kam jemand? Nein, es blieb alles still. Piet war's dennoch nicht geheuer. Ja, wenn das Stück kleiner gewesen wäre — aber es war eben nicht klein. Piet hatte zum ersten Mal in seinem Leben ein Geheimnis. Wo den Schatz bergen? Sein Schrank hatte keinen Schlüssel, auch die Kommode nicht. Nur seine Sparbüchse, darin zweiundzwanzig Mark verborgen waren, hatte einen. Sollte er es doch dem Vater sagen? Aber der strenge Vater würde sofort auf dem Anmelden des Fundes bestehen. Nein, es war besser, er sagte dem Vater nichts.

 

Am hellen Himmel tauchte plötzlich eine schwärzliche Wolke auf. Mit dieser Wolke kam wie von ungefähr Kay herangebraust. Wie ein kleiner Teufel sah er aus mit dem zerzausten rabenschwarzen Haar und den funkelnden Augen. Sie mochten sich gern, der blonde Piet und der schwarze Kay. Aber jetzt, im Augenblick, wirkte Kay störend wie ein Gewitter.

 

„Mensch du hier?" rief er schon von weitem.

 

Piet fand gerade noch Zeit, den Klumpen Bernstein in seine Hosentasche verschwinden zu lassen. Aber das Schicksal wollte ihm nicht wohl. Die Tasche hatte ein Loch, und der Klumpen fiel gerade vor Kays Augen in den Sand.

 

„Bernstein!"—brüllte Kay enthusiastisch und riss das Stück an sich. „Mensch, Glücksrabe, wo fandest du das?"

 

„Hier am Wasser im Tang", sagte Piet so gleichgültig er konnte. Ihm war die ganze Freude verdorben. Er hatte plötzlich kein Geheimnis mehr, und das schien ihm fast das Ärgste.

 

„Ein dolles Stück, so groß wie meine Faust. Du, daraus kann man was Feines machen Kay tätschelte es liebevoll.

 

 

 

„Gib her, es ist meins“.

Piet wollte den braunen Klumpen an sich reißen, fand aber heftigste Gegenwehr. Kay rief lachend: „Nimm dir's doch, haha –„

 

Er, der Stärkere, Größere, hatte gut lachen. Es kam zu einem erbitterten Kampf.

„Es gehört mir, denn ich fand es ja, nicht du", zeterte Piet und rang verzweifelt um die Macht. Aber Kay wusste ihm das Stück immer wieder zu entreißen. Es sah wie Scherz aus, aber den beiden war es bitterer Ernst. Endlich, keuchend und schwitzend, gelang es Piet, die Beute zu fassen. Ach, aber sie entglitt seiner feuchten Hand. Kay jubelte, warf sich blitzschnell darauf, aber auch ihm entglitt das Stück, und plötzlich war es verschwunden. Beide schauten entsetzt, mit hochroten, verlegenen Gesichtern. Kay sprang vom Boden auf, schüttelte den Sand von den Kleidern und überlegte.

 

„Verdammt „ -  Dann warf er sich wieder in den Sand. Piet wollte nicht nachstehen. Er hasste jetzt Kay, hätte ihn erwürgen mögen. Kein Wort fiel, während sie erbittert suchten. Dann aber gab es Flüche wie „Schweinerei", „Teufel noch mal" und andere von der Sorte.

 

„Wenn ich ihn finde, gehört er mir", frohlockte Kay.

„Das woll'n wir mal seh'n“.

Kay rutschte auf den Knien bis zum Wasser, derweil Piet, ebenfalls kniend, mit den Augen Umschau hielt. Er hatte die Augen eines jungen Luchses, während Kay Brillen trug. Mit diesen hellen Luchsaugen entdeckte Piet die Beute. Er griff sie und, ohne zu überlegen, schleuderte er sie, weit ausholend wie ein Diskuswerfer vor Kays aufgerissenen Augen ins Meer, das sie im Nu forttrug, irgendwohin.

 

„So", sagte Piet aufatmend, „jetzt kannst du dem Ding nachpfeifen“.

„Du auch —"

„Das ist mir wurscht“.

„Wer's glaubt, kriegt 'nen Taler“.

„Du solltest es jedenfalls nicht bekommen.

Ich bin für Gerechtigkeit, dass du's weißt“.

„Haha —"

Kay hatte eine böse Falte zwischen den Brauen. Er spürte große Lust, Piet zu ohrfeigen. Der aber lief davon, mit seiner grellen Jungenstimme hohnvoll noch zurückrufend:

„Äätsch —"

„Na warte" — kam es von Kay.

 

Aber dann hielten sie doch wieder zusammen wie Pech und Schwefel. Keiner von beiden, und das war beruhigend, konnte sich in Jahr und Tag des Besitzes von Bernstein rühmen. Gemeinsam trauerten sie ihm nach, schweigend, anhaltend, verbissen.

 

Seite 11   Richard Birnstengel: Frauen am Meer (Gemälde)

 

Seite 11   Annemarie in der Au. Gruß aus Schneiderende.

Es war Zufall — und eigentlich nicht einmal ein sehr schöner — dass ich vor nicht langer Zeit einen kleinen Teil eines Grußes aus Schneiderende wiederfand, einen Gruß, dessen Existenz ich vollkommen vergessen hatte, bis mir neulich eben wieder alles einfiel. Schneiderende! — Wer auf der Welt kennt wohl schon Schneiderende! — Nun, jene Leute, die ihre Ferien in schönen Badeorten oder in den Bergen oder in sonst einem irdischen Paradies verbringen, die kennen Schneiderende gewiss nicht, obwohl man in Schneiderende durchaus baden kann, und obwohl man von Schneiderende durchaus auf einen Berg steigen konnte (mir als Kind war der herrliche und gleichzeitig Furcht einflößende Sandabsturz jedenfalls dazumal hoch genug) und obwohl in meiner Erinnerung Schneiderende noch heute das Paradies schlechthin, das leider verlorene, ist.

 

Wenn man von Tilsit die Memel stromabwärts fährt, bei Schanzenkrug in den Rußstrom steuert, so liegt nicht weit hinter dem Knick linkerhand die Anlegestelle für Schneiderende. Wenn ich geographisch genau sein will, weiß ich nicht mehr zu sagen, als dass Schneiderende ein kleines Dorf ist. In meiner Erinnerung allerdings ist es mehr. Schneiderende ist für mich das erste und wahrscheinlich schönste Schulferienglück. Es ist der hohe Damm und ein kleines Haus in seinem Schatten, und es ist die gutmütige Tante Zehrt, bei der wir wohnten. Es ist Onkel Wilhelm, der ein Stück vor dem Damm zwischen den Kuhweiden wohnte, und es ist seine Frau, die es nicht verstand, schöne Sträuße für die Städter zusammenzustellen, es dafür aber umso lieber und öfter tat.

 

Schneiderende ist auch Lücke, die eigentlich den bei uns seltenen Namen Lucy trug, und die ich nicht anders kenne, als mit der Fußbank in beiden Händen und der Milchflasche zwischen den Zähnen. Und es sind die gelben Blumen, die über Nacht am Damm aufblühten und wie Margeriten aussahen. Ja, richtig, Schneiderende ist für mich auch noch der andere Onkel Wilhelm, der weiter ins Land hinein wohnte, und dessen Kinder immer die kleine Katze auf das niedrige Hausdach warfen, sie herunterrollen ließen und wieder hinaufwarfen bis ich zu schreien anfing, und die mir dann das Radfahren beibrachten und die vier jungen Hündchen zeigten.

 

Und Schneiderende ist auch das große Erbsenfeld, das keinem der genannten Onkels gehörte, aber doch, die süßesten Erbsen trug. Meine Sehnsucht ist groß nach diesem Erbsenfeld, vor dem Lucke und ich andächtig gesessen hatte und von dem uns ein böser Mann vertrieb. Heute ist es mir gerade so, als wäre es der Engel gewesen, der auch die ersten Menschen aus dem Paradiese jagte.

 

Das war Schneiderende. Und ich sagte schon, dass es meine ersten Ferien waren, die ich da fern von der Stadt verbrachte. Wieder daheim, hatten alle anderen Kinder Andenken von ihren Ferienaufenthalten mitgebracht, kleine Holzschuhanhänger oder sonstige Grüße aus sowieso, nur ich hatte nichts. In Schneiderende hatte es keine Andenkenstände oder Krambuden gegeben.

 

Da ich aber hinter den anderen Kindern nicht zurückstehen konnte, wollte ich mir selbst so einen „Gruß aus Schneiderende" machen. Holzschuhchen — nein, das konnte ich nicht. Aber einen Fisch wollte ich schaffen. Ich würde auf ihn „Gruß aus Schneiderende" mit Tinte schreiben, ich würde ein rotes Bändchen um seinen zweigeteilten Schwanz schlingen und würde ihn an meinem Mantelaufschlag tragen, so wie es die anderen Kinder mit ihren Andenken auch taten, und ich würde dann vielleicht noch sagen, dass es ganz was Besonderes wäre, wenngleich es nicht so schön aussähe.

Und so wurde es dann auch.

 

Mit jenem alten aber scharfen Taschenmesser, das im Werkzeugkasten lag — die Laubsäge bekam ich erst später auf dieses Geschehnis hin geschenkt — sägte ich den Fisch mühselig, aus dem Deckel einer Zigarrenschachten aus. Natürlich musste der ganze Deckel stückweise an seine Vernichtung glauben, aber der Fisch, der ein Zwischending von Hecht und Flunder war, der blieb ganz — solange wenigstens bis das große Feuer auch ihn verschlang.

 

Was aber nun den neulich entdeckten Gruß aus Schneiderende betrifft — ja, bei dem mühsamen Ausbrechen meines Fisches ist mir damals das scharfe Messer aus Versehen in den Oberschenkel gegangen. Es entstand erst eine nette Schnittwunde und dann eine ebenso nette Narbe. Sie machte sich nicht auffällig und ich hatte sie bald vergessen, wie ich alles mit der Zeit vergessen hatte, was Schneiderende gewesen war ... bis ich neulich ärgerlich eine Laufmasche an meinem bestrumpften Bein betrachten musste. Da sprang sie mir plötzlich wie Kobolde ins Blickfeld, jene Narbe und mit ihr auch jener Gruß aus Schneiderende. Und damit ist nun ein neues Stücklein heimatlichen Paradieses in mir wieder lebendig geworden. Schneiderende.

 

Seite 11   Zuversicht / Erzählung von Heinz Rein.

Die Großstadt besteht aus unendlich vielen Straßen und Häusern, aber hier und dort klafft sie weit auf, und da ist mitten im Häusermeer ein Stück Natur zurückgeblieben: die Laubenkolonien, die Schrebergärten. Zugegeben, im Winter und im Spätherbst sehen sie nicht gerade schön aus. Die Bäume und Sträucher sind nass und schwarz, die Beete kahl, und die Lauben, nicht mehr von Blättern, Ranken und Blumen umgeben, sehen meist dürftig aus. Im Frühling, im Sommer und im Frühherbst jedoch versinken sie in Grün und Buntheit, und manch einer, der sonst keinen Blick für die Laubengärten übrig hat, lenkt seine Schritte zu ihnen und geht gern zwischen ihnen umher. Er sieht den Leuten bei der Arbeit zu, beim Umgraben, beim Auspflanzen, beim Jäten und, ja, vor allem bei der Ernte oder auch beim Kaffeetrinken unter Weinranken oder beim Nichtstun im Liegestuhl. Das Herz des Beschauers füllt sich dabei ein wenig mit Neid, mit viel Sehnsucht und sogar mit ein bisschen Rührung.

 

Ich gehöre auch zu denen, die nur schauen. Als ich letztens wieder durch eine Laubenkolonie ging, nur um zu sehen, wie weit es nun mit den Pflanzen, den Blumen und den Gemüsebeeten sei, und um mit den Leuten ein Gespräch über den Zaun zu haben, da sah ich in einen der Gärten einen alten Mann. Er setzte ein winzig kleines Bäumchen in die Erde, drückte die Krume um den schmächtigen Stamm fest und goss ihn dann an. Ich blieb stehen und fragte, was er da setze. Der alte Mann schien zu einem Gespräch aufgelegt, er stand auf, klopfte sich die Erde von den Knien und erwiderte, er habe, einen Apfelbaum gesetzt, eine Blenheimer Goldrenette.

 

„Einen Apfelbaum?" fragte ich und sah dabei den alten Mann an. Er war schon sehr alt, sein Bart war weiß, seine Augen blickten trübe, und sein Rücken war gebeugt von der Last, die ein langes Leben ihm auferlegt hatte. „Wie lange dauert es denn, bis . . .", fragte ich weiter.

 

Er schien meine Gedanken zu erraten. „Man muss warten können", sagte er und begleitete seine Worte mit ausgestrecktem Zeigefinger. „Die meisten Menschen können nicht warten, sie möchten immer gleich ernten, auf der Stelle und möglichst ohne Bemühung. Man muss warten können. Und Zuversicht muss man haben. Ohne Zuversicht kann man keinen Garten bestellen“.

 

Ich dachte an die Zeitung, die in meiner Tasche steckte und in der ein Wissenschaftler kühl und sachlich darüber schrieb, dass man bald theoretisch so weit sei, den Erdball auseinanderzusprengen oder doch durch eine Absprengung das Gleichgewicht und die Rotation der Erde so grundlegend zu stören, dass ein Absturz in das Nichts wahrscheinlich sei.

 

„Ob ich das noch erlebe, dass dieses Stämmchen Früchte trägt", fuhr der alte Mann fort

und stopfte mit zitternden Händen eine alte, verblichene Tabakspfeife, „ich weiß es nicht. Aber darauf kommt es ja auch nicht an. Wichtig ist, dass man die Saat legt. Haben Sie ein bisschen Feuer?"

 

Ich ließ mein Feuerzeug aufspringen und reichte es ihm über den Zaun. „Aber die Saat ist doch ständig in Gefahr", sagte ich und konnte meine Gedanken von jenem Zeitungsartikel nicht losreißen.

 

Der alte Mann sog das Feuer schmatzend an und gab mir das Feuerzeug zurück. „Man muss sie natürlich pflegen und hüten."

 

„Das meinte ich eigentlich nicht", wandte ich ein. „Zum Beispiel . . ."

 

Er ließ mich nicht ausreden. „Sie meinen die Früchte sind gefährdet durch Schädlinge, den Apfelblütenstecher, den Wickler und wie sie alle heißen“. Er paffte in langen Zügen. „Da muss man eben aufpassen“.

 

Er hatte mich noch immer nicht verstanden. „Ich meinte eigentlich die Gefahren, die von den Menschen ausgehen", sagte ich. „Da sind . . ." „

 

. . . Diebe", ergänzte der alte Mann, „ich weiß. Sie haben uns manchmal arg zugesetzt, damals als es nichts gab, aber jetzt ist hier bei uns schon lange nichts mehr vorgekommen“. Er wandte sich um, denn aus der Laube waren ein Junge und ein Mädchen gekommen und hatten begonnen, sich einen Ball mit viel Geschrei zuzuwerfen. „Meine Enkel", sagte der alte Mann und lächelte stolz. „Sie werden bestimmt einmal von diesem Baum ernten. Die Blenheimer Goldrenette ist eine gute Sorte. Kennen Sie sie?"

 

Ich wusste es nicht. Ich gestand, dass ich gern Äpfel äße, aber ihre Namen seien mir nicht geläufig. „Warten Sie einen Augenblick", sagte der Alte. Er ging in die Laube und kam gleich darauf wieder zurück. In der Hand hielt er einen Apfel mit verschrumpelter, rötlichgelber Haut. „Es ist der letzte von der vorjährigen Ernte. Bitte, nehmen Sie“.

 

Ich wollte den Apfel nicht nehmen, aber der alte Mann bestand darauf, ihn mir zu schenken.

 

„In ein paar Jahren werden Sie hier einen stattlichen Apfelbaum vorfinden", sagte er und wies mit der Pfeife auf den Setzling. „Kommen Sie ab und zu hier vorbei und sehen Sie nach ihm“.

 

Als ich weiterging, nahm ich die Zeitung aus der Tasche und warf sie weg. Dann biss ich in den Apfel. Sein Fleisch war süß und fest.

 

Seite 11   Johanna Ambrosius.

Die Tränen, welche die Sehnsucht weint,

als Perlen werden sie alle geeint;

du kannst sie auf jenen Blumen sehn,

die einsam am Wegesrande stehn.

 

Seite 11   Feldblumenstrauß. Von Emil Merker.

Bist nur Grünfutter, lieber Klee;

dennoch — dein Opfer ist genehm,

wie Weihrauch steigt dein Duft zur Höh.

 

Unsagbar blauer Rittersporn,

wie lieb ich dich, wie lieb ich dich,

du unnütz Ding im braven Korn.

 

Du stachelig böses Distelkind,

dich liebt niemand, ich lieb dich doch,

du bist, wie arm' Verworrene sind.

 

Du scharlachroter Flattermohn,

wie lauter Küsse brennt dein Rot,

entzündet kaum, verlodert schon.

 

Du Wermut, grau und bitterlich,

musst auch in meinen Strauß hinein;

was wär ein Leben ohne dich!

 

Und du gar, wilder Thymian,

aus deinem sonnenwarmen Duft

weht mich der ganze Sommer an.

 

Pflück deinen bunten Strauß geschwind

und lach und sing! Noch eh du's denkst,

geht über Stoppeln schon der Wind.

 

Seite 12   Aufstieg aus tiefster Not. Am 9. Juli 1807 wurde der Friede zu Tilsit geschlossen.

Als sich am 9. Juli 1807 der französische Bevollmächtigte Talleyrand und der preußische Graf Kalckreuth trafen, um in Tilsit die Friedensbedingungen für Preußen zu unterzeichnen, war der ehemals friderizianische Staat völlig vernichtet. Nach der Katastrophe von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 hatte es kaum ein Mittel gegeben, die vormarschierenden Truppen der Franzosen aufzuhalten, die noch vom Schwung der Revolution beherrscht waren und unter Napoleon und seinen Generalen das Siegen gelernt hatten. Wie eine Flut hatten sie sich in die preußischen Provinzen ergossen, und nur hier und da, etwa in Graudenz oder Kolberg und Kosel hatten sich ein paar kleine Festungen als Inseln gehalten, während die Trümmer der geschlagenen preußischen Armee nach Ostpreußen ausgewichen waren. Hier nun endlich griffen die mit Preußen verbündeten Russen zum ersten Male aktiv in den für sie höchst unpopulären Krieg ein, als sie sich bei Putulsk den Franzosen stellten, um schließlich im Februar 1807 zusammen mit den Preußen bei Preußisch-Eylau das erste Remis gegen Napoleon zu erzwingen. Es waren in erster Linie die Truppen des preußischen Generals Lestocq, die den forciert angreifenden rechten Flügel der Franzosen — Davoust führte ihn — immer wieder abwiesen.

 

Allein, Napoleon revanchierte sich bereits im Juni bei Friedland, und dieser Sieg war nun der indirekte Anlass dafür, dass Alexander von Russland noch Ende 1807 Waffenstillstandsverhandlungen mit den Franzosen einleitete. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch kein französischer Soldat russischen Boden betreten. Aber die letzte Hauptstadt Preußens — Königsberg — war inzwischen gefallen. So gab es für Preußen keinen anderen Ausweg, als ebenfalls die Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen. Anfang Juli kamen dann die Friedensverhandlungen zustande, die für die nächsten Jahre das Gesicht Europas bestimmten.

 

Schon am 7. Juli war der Friede zwischen Russland und Frankreich unterzeichnet worden, bei dem Russland nichts verlor, den Bezirk um Bialystock in Neuostpreußen vom ehemaligen Verbündeten erhielt, und sich lediglich bequemen musste, die Geschwister Napoleons als europäische Fürsten anzuerkennen. Napoleon war dafür bereit, die Vermittlung Russlands zu einem Friedensschluss zwischen Frankreich und England anzunehmen, allerdings mit der geheimen Zusatzklausel, dass im Falle einer englischen Weigerung der Zar zusammen mit dem Kaiser den Krieg gegen England aufnehmen wollte. Im Ganzen stellte dieser Vertrag eine Einigung der letzten kontinentalen Großmächte auf Kosten Preußens dar, und Napoleon war sehr froh, nunmehr freie Hand zum Krieg gegen Spanien zu bekommen.

 

Man kann den 9. Juli 1807 einen der schwärzesten Tage der preußischen Geschichte nennen. Denn durch den Tilsiter Frieden verlor Preußen 2902 Quadratmeilen nicht nur über die Hälfte seines Territoriums, sondern auch die Hälfte seiner Einwohner. Beim preußischen Staate verblieben nur noch etwa 5,2 Millionen Menschen.

 

Der Löwenanteil des abgetretenen Gebietes lag zwischen dem Rhein und der Elbe, die nun Preußens westliche Grenze bildete. Dieses Gebiet war unter Jerome Napoleon zum Königreich Westfalen zusammengefasst worden. Außer dem Gebiet um Bialystock gingen noch die Erwerbungen verloren, die Preußen seit 1772 durch die polnischen Teilungen im Osten erhalten hatte. Sie kamen zum neugebildeten Herzogtum Warschau, das der sächsischen Krone unterstellt wurde. Danzig wurde zur „Freien Stadt" erklärt, über die Sachsen und Preußen die Schutzaufsicht übernehmen sollten. Die preußischen Häfen wurden für Großbritannien geschlossen. Durch eine geschickte Manipulation war es für Frankreich möglich, Unsummen aus Preußen herauszupressen, weil der Artikel 28 des Vertrages nur besagte, dass nach Leistung der Kriegskontribution Frankreich seine Truppen aus dem besetzten Gebiete abziehen werde, der Vertrag aber verzichtete darauf, die Höhe der Summe festzusetzen.

 

So nimmt es sich wie ein Hohn aus, wenn der Artikel eins des Friedensvertrages gleichsam als Präambel feststellt, dass nach der Ratifikation dieses Dokumentes durch Napoleon und Friedrich Wilhelm III. zwischen dem Kaiser der Franzosen und dem König von Preußen Friede und vollkommene Freundschaft herrschen werde. — Jahre allergrößter Sorge und schwerster Arbeit lagen nach dem Abschluss des Tilsiter Friedens vor Preußen. Aber es nutzte sie. Das Reformwerk von Hardenberg und Stein entstand in dieser Zeit, wie auch die Reorganisation der preußischen Armee durch Scharnhorst und Gneisenau, die Errichtung der Landwehr und die Aufstellung eines Volksheeres mit weitgehender Einschränkung der Adelsprevilegien die Grundlage zu der Befreiung im Jahre 1813 wurden. Gerd-Ekkehard Lorenz

 

Seite 12   Amüsante Geschicken, aber keine Geschichte. „Königin Luise"-Film eine Enttäuschung - Statt Dokumentation billiger Kassenschlager.

Selten hat ein Filmwerk das deutsche Publikum derart anzulocken und — trotz vieler Mängel, Irrtümer, Entstellungen und tendenziöser Einschiebsel — so zu beeindrucken vermocht wie „Königin Luise“. Aber ein Großteil der Kinobesucher, meist ältere Jahrgänge (die sich der geschichtlichen Vorgänge noch erinnern, ist von dem Farbfilm mit dem reißerischen Untertitel „Liebe und Leid einer Königin“, der gegenwärtig in den überfüllten Lichtspielhäusern Westdeutschlands gezeigt wird, hinterher doch irgendwie bitter enttäuscht. Mag eine Ruth Leuwerik in der Titelrolle noch so viel Anmut und darstellerisches Können zeigen, — das ist nie und nimmer unsere Königin Luise, wie sie in unserem Herzen fortlebt! Man bietet uns hier ein Zerrbild preußischer Geschichte, wie wir es bisher noch nicht vorgesetzt bekamen. (Der angekündigte „Fridericus-Rex-Film" soll ähnlich modern gedreht" werden.)

 

Nein, ihr Herren von der Wolfgang-Liebeneiner-Film, so einfach war das damals alles nicht! Da müssen Sie noch etwas Geschichte dazulernen oder aber die Hände von Dingen lassen, von denen Sie nichts verstehen. So ist das, was Sie einen Dokumentarfilm zu nennen belieben, ist nicht mehr als ein billiger Kitschfilm geworden. Sie haben übersehen,- dass es heute noch genügend Menschen gibt, die über Preußens größte Königin und ihre Zeit ein wenig besser unterrichtet sind.

 

Um nur einige der krassesten Punkte herauszustellen, durch die der Streifen seinen wesentlichen Wert einbüßt: Am 24. Geburtstag der Königin (10. März 1800), also nach sechsjähriger Ehe, mit welchem Zeitpunkt die Spielhandlung einsetzt, zählte Kronprinz Friedrich Wilhelm etwa fünf und Prinz Wilhelm kaum drei Jahre, Prinzessin Charlotte war noch kleiner — vier Kinder waren damals überhaupt nicht vorhanden, und Riesenkinder waren es auch nicht. Zu jener Zeit war Napoleon Bonaparte auch noch kein Kaiser.

 

Die geschichtliche Wahrheit sah ebenfalls ganz anders aus: Preußen hatte elf Jahre verstreichen lassen, ohne in den Kämpfen, die Europa erfüllten, eine der günstigsten Chancen zu ergreifen, seine Macht zur Geltung zu bringen. Die ausgesprochen schwächliche Politik, die der König verfolgte, hatte zum Ergebnis, dass ihm 1805 durch den vielgewandten Franzosen Talleyrand ein (unerwünschtes) Bündnis mit — Napoleon (also nicht mit Moskau!) angehängt wurde, „ein Bündnis des Ochsen mit seinem Schlächter", wie es ein Zeitgenosse ironisch nannte. Da die preußische Armee gleichzeitig abzurüsten (!) begann, beraubte sich der Staat selbst der Mittel, um seine Grenzen gegen plötzliche Überfälle französischer Heere verteidigen zu können. Wegen des ihm von dem Korsen als „Gegengabe" überlassenen Hannover, verfeindete sich Preußen sogar mit England, und der Imperator war frivol genug, das gleiche Hannover wieder den Briten anzubieten, als für ihn Aussicht auf einen Frieden mit ihnen bestand .Jetzt erst fasste Fridrich Wilhelm III. den Entschluss, der — bei Lage der Verhältnisse — seinem Lande nur Unheil bringen musste: Er befahl die Mobilmachung und stellte dem Korsen ein Ultimatum. Süddeutschland sofort zu räumen. Bundesgenossen fand er nunmehr so gut wie keine.

 

Der unvermeidliche Krieg war da. Das Heer Friedrichs des Großen, tapfer wie stets, aber ohne richtige Führer, wurde vernichtend geschlagen. Preußens Gloria versank in Schutt und Blut. (Die Kampfszenen des Films sind weder wirklichkeitsnah noch „malerisch schön".)

 

Niemand aber litt schwerer unter dieser schrecklichen Schicksalswende als Königin Luise, Preußens guter Engel. Heimatvertrieben, blieb ihr der Elends-Treck von Thüringen via Berlin nach Graudenz (Zusammentreffen mit ihrem Gemahl) und weiter nach Ostpreußen hinein im schwerfälligen Kutschwagen während des bitterkalten Winters 1806/1807 nicht erspart. Gerade auf der Landstraße aber sollte die Königin nicht nur das große Unglück und die tiefe Schmach Preußens am eigenen Leibe miterleben (die Flucht legte übrigens den Todeskeim für das tückische Brustkrämpfe-Leiden), sie durfte auch die ganze Liebe, Verehrung, Treue und Dankbarkeit ihres Volkes erkennen, dass ihre Fahrt ohne großes Gefolge quer durch Alt-Preußens zu einem wahren Triumphzug gestaltete. Weder hiervon sieht man in dem Film auch nur ein Bild, auch nicht von den unendlichen Wohltaten der vorbildlichen Landesmutter an ihren ärmsten Untertanen, noch wird jene unvergessliche Szene lebendig, als die unglückliche Königin in der Fischerhütte zu Nidden (Kurische Nehrung) an die vereiste Fensterscheibe das bekannte Goethe-Wort schrieb: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer nie die kummervollen Nächte an seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!" Und gerade diese Episode wäre symbolhaft und charakteristisch für Preußens größte Herrscherin gewesen, königlich selbst im tiefsten nationalen und persönlichen Unglück.

 

Das Tilsiter Friedensdiktat im Sommer darauf (Juli 1807) blieb nicht ganz so brutal, wie ursprünglich vorgesehen, wenn es auch immer noch ungerecht und schmachvoll genug ausfiel. Zumindest muss als das hohe Verdienst Luises anerkannt werden, wenigstens Schlesien für Preußen-Deutschland damals gerettet zu haben. (Preußen westlich der Elbe, das Napoleon annektierte, war kaum erwähnenswert, das weitaus größere Territorium lag im Osten.) Jene denkwürdige Begegnung zwischen der Königin und dem Korsen, ungenau und unrichtig geschildert, war in Wirklichkeit ein Kanossagang Luises zu dem fremden Eroberer, ein einmaliger geschichtlicher, ungeheuerlicher Vorgang, und nicht umgekehrt. „Was ich für Schritte getan habe, um Preußens Schicksal zu mildern", schrieb sie über jene Unterredung, „und wie wenig es mir gelungen ist, das weiß die Welt; aber ich war sie als liebende Gattin dem König, als zärtliche Mutter meinen Kindern, als Königin meinem Volke schuldig. Das Gefühl, meine Pflicht erfüllt zu haben, ist mein Lohn“.

 

Wohl die gröbste Geschichtsfälschung aber ist es, wenn in dem Filmgeschehen ausdrücklich hervorgehoben wird, dass Luise sich die Schuld beimaß, den König in den Krieg und damit ins Unglück getrieben zu haben. Nichts ist verlogener und sinnwidriger als die Königin Luise als „Kriegsschuldige" zu brandmarken. Geradezu politisch gefährlich erscheint uns der Umstand, dass man das damalige Preußen ein Bündnis mit Russland wider alle geschichtliche Wahrheit schließen lässt, obzwar eine Allianz mit Frankreich bestand! Luise von Preußen wird ferner als recht unhöflich, ja undankbar, Alexander I. gegenüber hingestellt, obwohl doch gerade sie erkennen musste, dass es nur seinem Einfluss zuzuschreiben war, wenn Preußen nicht ganz von der Landkarte verschwand.

 

Entschieden muss in Abrede gestellt werden, dass diese schlichte, volksverbundene hohe Frau einmal im Kuhstall (!) zu-Hause war, um wenige Stunden später so sehr große Dame zu sein, dass ihr Leben nur elegante Roben, Gesellschaften, Prunk, Tanz und Flirt gänzlich ausfüllten und sie kaum Zeit für ihre Kinder fand, geschweige gar für wichtige Staatsgeschäfte. Ja, man wagt es sogar, Luise, die während ihres kurzen Erdenwallens sittliche, frauliche, mütterliche und wahrhaft königliche Hoheit ausstrahlte, „durch die Blume" zwielichtiger Amouresken mit Louis Ferdinand, Alexander (Liebesbriefe!) und selbst Napoleon zu verdächtigen. Die Rückkehr des Herrscherpaares (von Königsberg) nach Berlin erfolgte übrigens erst 1809, also zwei Jahre nach Tilsit und ein knappes Jahr vor Luises Tode.

 

Viele wertvolle Geschehnisse, vielleicht die wichtigsten, rund um die hohe Frau wurden einfach fortgelassen. Ebenso hätten auch zahlreiche bedeutende Männer jener Epoche, die alle mehr oder weniger im engen Zusammenhang mit der Staatsmännin, Patriotin und kunstsinnigen Landesmutter Luise von Preußen standen, genannt werden müssen: Schenkendorf, Th. Körner, Fichte, W. v. Humboldt, Arndt, Jahn, Eichendorff, Rauch, York, Clausewitz, Boyen, Courbiere, Novalis, Brentano, Arnim. H. v. Kleist, Schill, Scharnhorst, Blücher und viele andere.

 

Auch die Todesstunde und die letzten Worte der sterbenden Königin sind unrichtig wiedergegeben. Am Sterbelager fehlen Prinzessin Friederike, Luises Schwester, und die großmütterliche Landgräfin von Hessen-Darmstadt sowie weitere Ärzte. Bei ihrem Tode hatte Luise im Übrigen sieben (nicht vier) Söhne und Töchter, und gerade die große Liebe und Trauer ihrer Kinder, die sich am Sterbebett der Mutter deutlich offenbarte, kommt überhaupt nicht zum Ausdruck. „Werdet Männer und Helden!'' ermahnte die tapfere Frau ihre Jungen; nichtssagende Redensarten lagen ihr immer fern. Sie verschied in den Armen ihres Gemahls, der in diesem Moment fast verzweifelte.

 

So geringen Wert der Streifen als Dokumentarfilm auch besitzt, so verdient die Hauptdarstellerin, Ruth Leuwerik, doch besonders herausgestrichen zu werden. Wenn man von einigen Schönheitsfehlern (weniger elegant, kapriziös, lebenshungrig, dafür mehr blond, fraulich, mütterlich) absieht, muss zugegeben werden, dass sie dem Idealbild der Königin Luise von Preußen wenigstens äußerlich entspricht. Das wirkliche Leben und Leiden dieser Frau und Mutter war doch wesentlich verschieden von dem Filmgeschehen. Auch der von Hans Nielsen verkörperte Prinz Louis Ferdinand (der übrigens niemals Oberkommandierender der preußischen Armee war) zeigt sich sympathisch und wirklichkeitsnah. Dieter Borsche dagegen als Friedrich Wilhelm III. wirkt eher wie ein Pastor in Uniform denn als Monarch René Deltgen (Napoleon Bonaparte) enttäuscht schwer. Talleyrand war in Wirklichkeit viel raffinierter und widerlicher. Der Großfürst Konstantin konnte als tollpatschiger Bär und doch listenreicher Intrigant kaum treffender dargestellt werden. Schade, dass der Reichsfreiherr vom Stein mir angedeutet ist (dazu noch als Zwischenrufer), denn gerade auf ihn setzte die unglückliche Königin ihre letzte große nationale Hoffnung, die Hoffnung auf Preußens Wiedererstehung. Otto Riedel-Konitz

 

Seite 12   Wir blättern in neuen Büchern.

Heinrich Boll: Irisches Tagebuch, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 156 S., Ln. DM 8,50.

 

Der Dichter kommt zum ersten Mal nach Irland. Er sieht das Land mit den Augen des Liebenden und des Humoristen. Impressionen irischen Lebens durch eine Lupe dem Leser nahegerückt, ironisches und ernstes Mosaik, nicht das ganze irische Leben, breit und genau gezeichnet. Unter der leichtfüßigen satirischen Sprache, die zeitweilig auftritt, fließt der Strom tieferer Erfahrungen und Erkenntnisse.

 

Der Band gehört zum Besten, was auf diesem Gebiet erschienen ist. Irland, das graue ferne Land, ultima Thule, wird plötzlich zum Wunschziel des Lesers. Aber: „. . . wer hinführt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor“. Gl.

 

Robert Hohlbaum: Der König von Österreich. Roman der Familie Strauß. Leopold Stocker Verlag, Graz und Göttingen. 347 S. Ln. DM 11,--.

 

Robert Hohlbaum und die Musik! Das ist ein sehr umfangreiches und reizvolles Thema. Von den Novellen seines „Himmlischen Orchesters" spannt sich der Bogen über den Bruckner-Roman „Tedeum" und den Roman des Wiener Musiklebens „Der Zauberstab" zum Roman „Der König von Österreich", den Hohlbaum in seinem letzten Lebensjahre als schwer Leidender geschrieben hat. Wie uns die unsterblichen Strauß-Melodien mit ihrer Lebenslust, ihrer Schwerelosigkeit und ihrem prickelnden Rhythmus bezaubern, so ergeht es uns, wenn wir Robert Hohlbaums Roman der Familie Strauß lesen. Von den ersten Seiten an befinden wir uns im Bannkreis des Stefansdoms. Im glanzvollen Wien des Kaisers Franz Josef. Was die Donaustadt unter seiner Regentschaft in ihren Mauern gesehen hat, erleben wir mit; vor allem aber das Schicksal der Familie Strauß und ganz besonders das ihres eigenwilligsten Sprösslings. Die Gestaltungskraft des Dichters lässt den Jungen, aufbrausenden Querkopf lebendig werden, dann den vielbewunderten schwarzlockigen Wiener Vorstandsdirigenten, den rotbefrackten Hofballmusikdirektor und schließlich den weltberühmten Künstler, der nicht nur an fast allen europäischen Höfen konzertierte und von den gekrönten Häuptern mit den höchsten Orden geschmückt wurde, dessen Taktstock sogar Amerika eroberte. Warm, farbig und mit viel herzhaftem Humor hat Robert Hohlbaum diesen Volkskönig unter den Wiener Musikern gestaltet, und er führt uns von Schauplatz zu Schauplatz. Wir werden Zeugen der Triumphe, die Johann Strauß überall feiern konnte. Doch immer wieder zieht den in aller Welt Berühmten eine übermächtige Sehnsucht in seine geliebte Wienerstadt zurück. Hier, in der vornehmen Villa in Hietzing, zeigt uns der Dichter den Günstling des Schicksals auch allen Menschen, der wie jeder andere mit Schwächen und Fehlern behaftet Ist. Doch wie feinfühlig versteht es Robert Hohlbaum, diesen in allem, was nicht Musik war, so Unbeholfenen und Schüchternen vor uns zu verlebendigen! Noch einmal beglückt uns in diesem Buche die ganze Liebenswürdigkeit dieses sudetenschlesischen Dichter, der so viel bestes Österreichertum in sich aufgenommen und mit seinem heimatlichen Erbe zu einer sinnvollen Einheit verschmolzen hatte. Josef Schneider

 

Seite12   Der Preußische Stil. Moeller von den Bruck: „Der Preußische Stil“. Neuausgabe, Bergstadtverlag Wilh. Gottl. Korn, München. 212 Seiten mit 40 Bildtafeln. DM 16,80.

Dem Verlag gebührt Dank für den Mut zur Neuherausgabe dieses bedeutenden Werkes. Es ist zu wünschen, dass dieses klassische, gedankenreiche und tiefschürfende Buch gerade heute weiteste Verbreitung findet. Ist es doch ein politisches Bekenntnis in Form einer Kunstbetrachtung, das in seinen geschichtlichen und kulturellen Erörterungen den Blick schärfen hilft für die großen Zusammenhänge auch mit dem Osten. Moeller hat ein ähnliches Schicksal erlitten wie Heinrich von Kleist, der preußischste Dichter. Der Ungeist seiner Zeit der auch heute noch nicht gewichen ist, trieb ihn in den Tod. Seherisch mahnt er, daran zu denken, dass die Entwicklung Deutschland in der schicksalsmäßigen Verflechtung mit Europa nur eine Zukunft sichern wird.

 

Mit Genehmigung des Moeller-van-den-Bruck-Archivs bringen wir einige Kernsätze aus diesem Werk:

 

Preußen ist die größte kolonisatorische Tat des Deutschtums, wie Deutschland die größte politische Tat des Preußentums gewesen ist.

 

Preußentum ist ohne Mythos. Aber Preußentum ist ein Grundsatz in der Welt. Aus Mythen wachsen die Kulturen der Völker, über Grundsätzen baut sich ihre Staatlichkeit auf.

 

Strenge der Organisation war das Wesen des Preußentums Strenge. Organisatoren haben dem Preußischen schon früh die Form und die Farbe, die es vom Deutschen unterschieden.

 

Das Deutsche ragte in das Preußische immer nur hinein: doch selbst beruhte das Preußentum auf anderen und eigenen Voraussetzungen, die es sich erst geschaffen hatte. Das Preußentum war der Geist, der in Deutschland die Schwärmerei durch den Willen, den Schein durch die Sache und Sachlichkeit ablöste und unter uns wieder die Sendung zur Tat übernahm. Dieses Preußentum, das nicht Vernünftigkeit, sondern Vernunft, nicht Aufklärung, sondern Klarheit wollte, erhob zum ersten Male den Dualismus zum System und zur Praxis in einem und lehrte uns denken und handeln zugleich.

 

Auch Preußen, dieser karge und harte Staat, in dem die Menschen zu Disziplinen gefroren erscheinen, ist den Problemen der künstlerischen Formung nachgegangen, hat in der Lösung auch sie, die draußen in der Welt seit langem nur noch der Vortäuschung dienten, wieder zur Sache und Sachlichkeit zurückgeführt und eine letzte künstlerisch überdauernde Wahrheit über sein staatliches sittliches geistiges Ich hervorgebracht, an der man in Einfachheit, aber auch in Großartigkeit die Äußerungen alles Preußischen immer erkennen wird: die deutliche Einheit eines preußischen Formenbaues: einen preußischen Stil.

 

Der preußische Stil ist der letzte deutsche Stil, den wir gehabt haben: und der einzige Stil, bei dem wir wieder anknüpfen können: der einzige zugleich, der von Preußen nach Deutschland hinüber wirken kann.

 

Das Schicksal hat gegen Preußen entschieden. Jetzt wird es seine Entwicklung bis dahin rückgängig machen müssen, wo zuletzt das Schicksal mit ihm war.

 

Aber Preußen muss sein, das alte Preußen in einer modernen Form.

Auf Preußen kann Deutschland nicht verzichten, weil es auf Preußentum nicht verzichten kann. Preußentum: das ist der Wille zum Staate, und die Erkenntnis des geschichtlichen Lebens als eines politischen Lebens, in dem wir als politische Menschen handeln müssen.

 

Preußen muss sein.

 

Seite 12   Arme Kinderfüße. Von Herbert Wessely

Gehen auf Stein und Asphalt

Kinderfüße.

Spüren selten die Süße

von Wiese und Wald.

Ihr Spiel ist von der Hast

der Stadt verstört.

Sie wissen nicht,

dass ihnen so viel gehört

hinter dem Schein und Glast.

Freilich vernehmlich kaum

in Lärm und Unrast.

Das aber ans kleine Herz fasst

im Traum:

Blume, Getier und Baum ….

 

Seite 13   Foto: Abbruch der Festungsanlagen 1919. Das Bild zeigt die Entfestigungsarbeiten am nördlichen Wallflügel der Bastion Kupferteich. (Archiv Heeresmuseum Königsberg)  

 

Seite 13   Das Museum der Festung Königsberg. Ein Stück Stadtgeschichte konnte gerettet werden. Von General a. D. W. Grosse.

In der stattlichen Reihe seiner Museen, auf die Königsberg mit Recht stolz sein konnte, gab es seit 1936/1937 eine kleine, erst im Aufbau begriffene Sammlung, die aber doch von Jahr zu Jahr bekannter wurde und die durch ihre Besucherliste eine von Jahr zu Jahr steigende Zahl interessierter Gäste aufwies. Es war dies das Museum der Festung Königsberg, später auch mit einem gewissen Wohlwollen schon bezeichnet als Heeresmuseum. Es konnte und wollte natürlich nicht in Wettbewerb treten mit den großen Sammlungen Dr. Gaertes, der Ostpreußischen Ruhmeshalle im Moskowitersaal über der Schlosskirche, aber es war doch auf dem besten Wege, seine Spezialaufgabe zu erfüllen, nämlich die Entwicklung der Festung Königsberg und alle ihre Auswirkungen darzustellen und gleichzeitig Beiträge zu liefern zur Geschichte der Truppenteile in den Mauern der Stadt, die gut drei Jahrhunderte lang Garnison gewesen war. Wenn somit auch einiges für Fachleute berechnet war, so berührte naturgemäß doch vieles die Geschichte dieser Stadt. Dies wurde allmählich bekannt und neben vielen Einzelbesuchen bezeigte mancher Verein sein Interesse durch gemeinsamen Besuch.

 

Entstanden waren diese Sammlungen erst etwa drei Jahre vor Kriegsausbruch. Verteilt in den Räumen der Kommandantur auf dem hinteren Roßgarten und bei den Festungsdienststellen befanden sich von jeher geschichtlich denkwürdige Stücke, vor allem wertvolle Bildnisse und Pläne, die dem Verfasser dieser Zeilen eine geordnete Zusammenfassung als dringend wünschenswert erscheinen ließen. Der damalige Kommandant, General Brand, ging sofort auf diese Planung ein und stellte in großzügiger Weise die Repräsentationsgebäude des Kommandanturgebäudes zur Verfügung.

 

Bald kam aus Dienststellen und aus Privatbesitz so manches zusammen, was beitragen konnte zur Geschichte der Befestigung Königsbergs seit 1626 und zur Geschichte seiner Garnison. Die Kunstsammlungen damals wohl unter Leitung von Rohde, stellten aus ihren Magazinen Leihgaben zur Verfügung, darunter auch ein lebensgroßes Porträt Friedrich Wilhelms III., das bei den Besuchern stets ein Schmunzeln über die altpreußische Sparsamkeit erregte. Sah man nämlich das übrigens gut gemalte Bild genau an, so merkte man, dass es ursprünglich ein Gemälde Friedrich des Großen gewesen war. Als Friedrich Wilhelm zur Regierung kam, hatte man den alten Fritz einfach übermalt.

 

Die große Königsstatue vom Steindammer Tor, manchem alten Königsberger sicher noch bekannt, fand sich auch wieder: sie war seinerzeit von treuen Festungsbeamten in einem Schuppen wohlverwahrt aufgehoben worden. Eine ganze Sammlung zeitgenössischer friderizianischer Stiche in ihren alten Rahmen, alte Ansichten von Königsbergs militärischen Gebäuden, alte Uniformblätter konnten beschafft werden, auch gelang es die künstlerisch verzierte Maurerkelle zu entdecken, die am 5. April 1843 der damalige Kommandierende General Graf Dohna zur Grundsteinlegung benutzte. Von Offizieren der Kommandantur wurden mit historischen Zinnfiguren geschichtlich getreue Dioramen geschaffen, wie z. B. der Kampf um den Nassen Garten im Juni 1807. Pläne aus der Zeit der Verstärkungsanlagen der Forts zeigten eigenhändige Eintragungen und Bemerkungen Hindenburgs aus der Zeit, da er in Königsberg Generalstabsoffizier war. Auch aus dem ersten Weltkrieg kam vieles dazu — kurz und gut, aus einer Sammlung von ursprünglich militärfachlichem Charakter wurde allmählich ein kleines Museum, das allgemeines Interesse gewann.

 

Im Jahre 1944 zählten die Sammlungen bereits rund 770 Nummern. Die Räume wurden allmählich zu klein, und es tauchte der berechtigte Wunsch auf, für die Unterbringung das historische 1719/1720 erbaute Gouverneurhaus am Roßgärter Markt, das frühere Pionierkasino, freizubekommen — ein Wunsch, der sich bei anderem Kriegsausgang sicher hätte verwirklichen lassen. Aber der Krieg zerstörte wie so vieles auch diese Pläne und Hoffnungen. Zur größeren Sicherheit wurden die Museumsbestände 1944 zunächst in dem Dohnaturm am Oberteich und dann später nach dem Ordensschloss Lochstedt überführt, wo bereits Archive und Museen ausgelagert waren. Unter sehr großen Schwierigkeiten gelang es dem damaligen Hauptmann Sommer von der Kommandantur Königsberg eine bereits eingebaute Flakstelle aus der Burg zu entfernen. Ihre Anwesenheit wäre als Angriffsziel der Verderb all der wertvollen Archive und Sammlungen geworden. Aber durch die Soldaten der Besatzung war doch vieles in große Unordnung geraten und auseinander gerissen worden. Hauptmann Sommer, der bereits vor dem Kriege lange Jahre bekannt war als amtlicher Pfleger für die Kulturgüter des Kreises Fischhausen, gelang es als Fachmann, wieder einige Ordnung zu schaffen und trotz schwerer Artilleriebeschießung alles in die tiefen Keller der Burg zu retten.

 

Dann begann ab Mitte April eine lange schicksalsreiche Wanderung der Museumsbestände. Schon die Unterbringung der Kisten auf einem Dampfer in Pillau war nur mit Waffengewalt möglich. In Swinemünde wollte der Heeres-Streifendienst alle Gepäckstücke ins Wasser werfen. In Pinneberg bei Hamburg, wo Hauptmann Sommer noch einmal eingesetzt wurde, geriet er mit seinen bisher geretteten Kisten in englische Gefangenschaft. Nach wenigen Tagen aber gelang es ihm mit Hilfe ungarischer Offiziere, die „Beute" aus einem englischen Offiziersquartier herauszuholen und nun endlich in Sicherheit zu bringen. Die Odyssee hatte ein Ende gefunden. Von den 770 Stücken waren nur 165 verlorengegangen oder konnten schon von Anfang an wegen ihrer Größe und Schwere nicht mitgenommen werden. Viel Unwiederbringliches ist damit verloren — aber seien wir froh, dass im Gegensatz zu vielen anderen Sammlungen doch noch Bedeutendes gerettet worden ist. Die großen Königsberger Museen scheinen ja leider alle restlos vernichtet zu sein.

 

Zurzeit ist die Sammlung in der Nähe Hamburgs untergebracht und zwar in einem Keller, aber zum Glück fachmännisch betreut und gepflegt von Herrn Sommer. Auf die Dauer aber ist das wohl doch nicht der geeignete Unterbringungsort, und es fragt sich, wie sich die Zukunft der Bestände gestalten soll. Am besten wäre es vielleicht, sie einem Museum anzugliedern, aber geschlossen und würdig als Sonderabteilung, so dass sie nicht etwa als Anhängsel ein kümmerliches Dasein führt.

 

Kein Gewehr geht von allein los. Nicht das Gewehr, sondern der Mensch schießt. Huldreich Büttner

 

Seite 13   Preußischer Buchdienst. Postanschrift: Braunschweig, Donnerburgweg 50.

Heute empfehlen wir besonders: Das war Preußen. Zeugnisse der Jahrhunderte Eine Anthologie Herausgegeben von Hans Joachim Schoeps.

Preußen sei tot, heißt es bei den einen, es lebe und wirke fort, bei den anderen. Jene fürchten oder gar hassen, was diese wünschen oder gar lieben. Wie verschwommen ist das Bild! Die Erinnerungen schwanken, die Gedanken und Urteile. Wie dem auch sei, die Gegenwart möchte sich wieder auseinandersetzen mit dem vielgeschmähten Preußen. Trügt nicht alles, so scheint eine erste Stunde der Besinnung, der Wiederbegegnung, ein erster Wille auch zur Rechenschaft gekommen zu sein. Man will wieder wägen und werten. Kein Deutscher kann an Preußen vorüber. Da möchte dieses Buch eine Auslese dessen geben, in dem preußisches Wesen sich spiegelt. Der Verlag glaubt, in Hans Joachims Schoeps jenen Autor gefunden zu haben, der heute in erster Linie berufen erscheint, die Quintessenz dessen zu ziehen, was Preußen einmal war, was es daher ist und sein könnte. Gewiss, hier leuchten die Lichter, die Ideen, die Ideale; hier aber treten auch die Schatten hervor, die dunkel auf der Geschichte Preußens liegen. Wenn dieses Buch für etwas wirbt, so für ein gerechtes Urteil. Es wendet sich an die weitesten Kreise des deutschen Volkes und will ihnen ein Lehr- und Lesebuch sein, in Dokumenten, Stimmen und Urteilen der Jahrhunderte eine prägnante Geschichte Preußens.

Dieses Buch entwirft ein Charakterbild Preußens. Es ist ein notwendiges Buch. 301 Seiten. Leinen DM 12,80

 

Seite 14   Ost- und westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit.

Eheleute Kurt Grossmann, Friseur und Anna Grossmann, geborene Dahlke, aus Schippenbeil, Kreis Friedland, am 26. Juni 1957 in Sande/Ostfriesland.

 

89. Geburtstag

Rentner Jakob Jednoralski, aus Königsberg/Preußen 3, am 10. Juni 1957 in Bünsdorf über Rendsburg.

 

75. Geburtstag

Witwe Ottilie Seratzki, aus Osterode, Ostpreußen, am 3. Juli 1957 n Seesen, Zimmerstraße 22, wo sie bei ihrem Sohn, Major Heinz Seratzki wohnt. Die Jubilarin erfreut sich bester Gesundheit.

 

Alma Wohlfahrt, geborene Splitter, aus Kottisch, Kreis Preußisch-Stargard, am 30. Juli 1957 in Bornhausen 53 über Seesen.

 

Juli-Geburtstagskinder in Flensburg.

Johann Grimm, aus Königsberg, jetzt Flensburg, Flurstraße 23, am 20. Juli 1957, 95 Jahre.

 

Karl Setzig, aus Saalfeld, jetzt Flensburg, Sophienstraße 11 am 31. Juli 1957, 92 Jahre.

 

Wanda Zorn, aus Rauschen, jetzt Flensburg, Angelburgerstraße 71. am 12. Juli 1957, 79 Jahre.

 

Margarete Pommerening, aus Tilsit, jetzt Flensburg, Schlossstraße 43, am 6. Juli 1957, 78 Jahre.

 

Anna Jordan, aus Königsberg/Pr., jetzt Flensburg. Dorotheenstraße 35, am 18. Juli 1957, 70 Jahre.

 

Paul Busch, aus Frauenburg, jetzt Flensburg, Teichstraße 33, am 18. Juli 1957, 77 Jahre.

 

Marta Fieber, aus Königsberg/Pr., jetzt Flensburg, DRK-Heim, am 19. Juli 1957,86 Jahre.

 

Berta Blumenthal, aus Lichtenfeld, Kr. Heiligenbeil, jetzt Flensburg, Brixstraße 5, am 21. Juli 1957, 83 Jahre.

 

Albert Keibel, aus Quednau, jetzt Flensburg, Twedterholt 83, am 30. Juli 1957, 78 Jahre.

 

Das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte wünscht allen Jubilaren recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Seite 14   Viele Kunstdenkmäler erhalten.

Über die in polnischer Hand befindlichen ostdeutschen Kunstdenkmäler heißt es in der „Gegenwart":

 

„Es ist eine der Wirklichkeit nicht entsprechende Vorstellung, dass östlich der Oder und Neiße die deutschen Kunstdenkmäler ausgelöscht wären ... Zieht man die Summe, so kann man feststellen, dass erfreulich zahlreiche Denkmäler trotz allem erhalten blieben. Wer hat im Ernst damit gerechnet? Aber man sollte nicht nun wieder beruhigt die Hände in den Schoß legen. Man hat wahrscheinlich schon eine große Chance verpasst. Warum hat der Westen nicht auch im Falle der ostdeutschen Kunstdenkmäler zu erhalten versucht, was nur irgend zu erhalten war? Dass die Polen deutsche Hilfe nicht ablehnten, beweist ja die Tatsache, dass in Pommern und auch in Danzig größere Restaurierungsarbeiten Deutschen völlig selbständig übertragen wurden. Noch 1950 hätte es Chancen gegeben. Nun ist es zunächst zu spät, zumindest sind viele Chancen verpasst worden.

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

 

Herzlichste Glückwünsche zum Geburtstage allen Juli-Geborenen.

Am 04.07.1957: Christel Gnech-Wiedemann (KMTV Königsberg, 40 Jahre.

 

am 08.07.1957: Erwin Straube (KMTV Königsberg), 40 Jahre.

 

am 13.07.1957, Edith Pradel-Rawitz (Lyck), 40 Jahre.

 

am 30.07.1957: Anni Grohnert (Landsberg/Ostpr.), 40 Jahre.

 

am 12.07.1957: Lotte Kleefeld-Kahnert (KTC Königsberg, 50 Jahre.

 

am 03.07.1957: Elsa Greffin-Jensin (Zoppot), 60 Jahre.

 

am 14.07.1957: Arthur Moesle (Marienwerder), 60 Jahre.

 

Am 14.07.1957: Martha Seeschipp-Lupke (Graudenz). 60 Jahre.

 

am 24.07.1957: Johanna Loebel (FrTV Königsberg). 80 Jahre.

 

am 14.07.1957: Otto Rauschning (KMTV Königsberg), 82 Jahre.

 

Der Königsberger Turn-Club lädt alle KTCer zu einem Wiedersehenstreffen vom 19. bis 23. Juli 1957 nach der Heimvolkshochschule Rendsburg ein. Unterbringung und Verpflegung dort gemeinschaftlich. Es wird ein recht starker Besuch erwartet.

 

Andere Vereine, die in diesem Jahre eine Zusammenkunft planen oder bereits durchgeführt haben, bitte ich um kurzen Bericht darüber für das Archiv und für das Jahrbuch der Turnkunst, das uns alljährlich sehr bereitwillig einige Seiten zur Verfügung gestellt hat. Einsendung möglichst bis 1. August 1957.

 

Für den diesjährigen Jahresschlussbrief bitte ich schon jetzt um kurze Beiträge aus allen Vereinen. Neben Berichten über Freundschaftstreffen, Ehrungen alter Mitglieder durch den DTB usw. sollte darin die Einladung zum Deutschen Turnfest 1958 München keinesfalls fehlen. Nach dem 10.10.1957 eingehende Beiträge können nicht mehr mit Bestimmtheit berücksichtigt werden.

 

Unser X. Wiedersehenstreffen gelegentlich des Deutschen Turnfestes München vom 27. Juli bis 3. August 1958 bedarf emsiger und umfangreicher Vorarbeiten. Wer an einem der Wettkämpfe teilnehmen will, kann von mir bereits die Wettkampfübungen anfordern. Die amtliche Ausschreibung ist etwa im September zu erwarten. Wer von einem Turnbruder oder einer Turnschwester in der Sowjetzone erfährt, dass sie gern nach München eingeladen werden möchten, den bitte ich um Mitteilung von Name, Vorname und Anschrift, möglichst auch Geburtsdatum und frühere Vereinszugehörigkeit des Betreffenden. Der Deutsche Turnerbund hat die Möglichkeit, uns bei der Durchführung der Einladungen tatkräftig zu unterstützen.

 

„Deutsches Turnen" — die Zeitschrift des Deutschen Turnerbundes — brachte in Nr. 10/1957 ein Lebensbild und einen ehrenden Nachruf für unsern im Februar 1957 verstorbenen ersten Sprecher und letzten Vorsitzenden des Kreises I NO der DT, Turnbruder Fritz Babbel aus der Feder des Herausgebers des Jahrbuchs der Turnkunst Walter Hulek, Bremen. Mit Genugtuung können wir feststellen, dass seine Person, sein Wirken und Schaffen vor und ebenso nach dem Kriege weit über unsern Kreis hinaus in allen deutschen Landen hochgeschätzt und verehrt ist, und dass unsere von ihm an oberster Spitze geführte Turnerfamilie nicht zuletzt gerade durch das Ansehen seiner Person auch vom Deutschen Turnerbund Anerkennung und Förderung erfahren hat. Onkel Wilhelm

 

Seite 14   Ehemalige Sackheimer Mittelschüler trafen sich.

Rund 150 ehemalige Schülerinnen, Schüler und ehemalige Lehrkräfte der Sackheimer Mittelschule waren der Einladung zu ihrem Pfingsttreffen nach Hamburg gefolgt. Sie kamen aus allen Teilen der Bundesrepublik. Allein aus dem Rheinland waren mit einem Sonderbus 32 Teilnehmer erschienen. Treffpunkt war die Gaststätte „Zum Elch" in der Mozartstraße. Schulkamerad Herbert Minuth, der 1. Vorsitzende der „Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler", fand herzliche Begrüßungsworte für die Teilnehmer des Treffens. Der Pfingstsonntag fand mit einem Tanz bis Mitternacht seinen harmonischen Abschluss. Der Montag war einer Busfahrt nach Sauensiek bei Buxtehude, dem heutigen Wohnsitz des letzten amtierenden Rektors der Schule des Mittelschulrektors i. R. Willy Zeil, vorbehalten. Der besondere Dank des 1. Vorsitzenden an den heute fast 80-jährigen ehemaligen Rektor der Schule galt der verdienst und mühevollen Arbeit an der Niederlegung der „Geschichte unserer Schule", die, inzwischen veröffentlicht, gegen 1,20 DM bei Schulkamerad Herberth Minuth Düsseldorf, Suitbertusstr. 34, bezogen werden kann. In herzlichen Worten dankte Rektor Zeil für den Besuch und wünschte auch weiterhin in enger Verbindung mit seinen ehemaligen Sackheimern zu bleiben.

 

Alle Teilnehmer des Treffens bescheinigten einmütig, dass es wohl das bisher bestgelungenste der Vereinigung nach 1945 war. Es wurde beschlossen, das nächste Pfingsttreffen in Köln abzuhalten.

 

Seite 14   Pfingsttreffen „Ermländischer Lehrer"

Düsseldorf. „Mein Ermland will ich lieben, solang ich leb und bin", erklang es als Zeichen der Verbundenheit, als sich zu Pfingsten in Düsseldorf wieder die ermländischen Lehrer trafen. Es waren weniger geworden, reißt doch der Tod große Lücken in die Reihen; aber die alten Unentwegten kommen immer wieder. Von der Waterkant, aus dem Moor des Emslandes, aus der Reichshauptstadt Berlin kamen die weitesten. Allen galt der Gruß von Lehrer a. D. Paul Block, der nun schon jahrelang die Treffen leitet. Dann übernahm Hauptlehrer Hans Zimmermann das Wort, galt es doch die Jubilare des Jahrgangs 1907 zu ehren. Von den 29 jungen Lehrern, die damals das Lehrerseminar Braunsberg verließen, leben heute nur noch acht, von denen fünf erschienen waren, und zwar: Lehrer Paul Block, Schöndamerau; Lehrer Konrad Engelberg, Micken; Lehrer Leonhard Fromm, Allenstein; Lehrer Georg Funk, Braunsberg; Hauptlehrer Bernhard Grunenberg, Freimarkt; Taubstummen-Oberlehrer Paul Preuschoff, Königsberg und Rektor Justus Steffen, Wormditt.

 

Rektor Steffen dankte für die Jubilare und gab mit feinem Humor einen kurzen Lebensabriss seiner Klassenkameraden. Er versprach im Namen seiner Konsemester weiter Mitarbeit an den kulturellen Aufgaben zum Wohle von Schule und Heimat. Mit tiefem Schmerz nahm die Versammlung von einem Bericht über Steppenbrände in unserer geliebten Heimat Kenntnis; soweit ist es also gekommen: aus blühenden Fluren und Äcker, aus unseren tausend Wäldern und Seen, aus unseren schmucken Städtchen und Dörfern ist Steppe geworden!

 

Die ermländischen Lehrerinnen wollen künftig auch an den Tagungen teilnehmen. Lehrerin Gertrud Kolberg, Hamburg und Frau Diegner, Gay wurden beauftragt, Einladungen an die ermländischen Lehrerinnen ergehen zu lassen.

 

Der ermländische Geschichtsverein warb; er will alle Lehrer als kulturelle Hüter für seine Arbeit gewinnen, um unsern Kindern ein lebendiges Bild der Heimat vermitteln zu können.

 

Freude bereitete es, dass Lehrer Grunwald aus Alt-Schöneberg und die Lehrerfamilien Barwinski, Filipowitz und Stadge endlich aus Ostpreußen herausgekommen sind.

 

„Heimat, du bist Pflicht und Ehre, Frieden, Trost und Ruh", sang einst unser Heimatdichter Otto Miller, das soll auch uns Losung sein für die weitere Arbeit.

 

Seite 14   De Fliegen. Von Dr. Lau

Wo hinten am Schweinstall der Misthaufen liegt,

Da riecht es nich scheen, aber richtig.

Da steht auch e Haus'che, das is man klein,

Jedoch es is neetig und wichtig.

 

De Tier, die klemmt, drum geht se nich zu,

Se is verspakt vonnem Regen.

Und immer lächelt e Herzche dir,

Wenn eilig hast, hilfreich entgegen.

 

Doch wer in dem Haus'che Erleesung sucht,

Is menchsmal nich zu beneiden.

Oft macht es ihm gar keine Freide nich

Und bringt ihm bloß Ärger und Leiden.

 

Im Winter zieht es, denn frierst rein an,

Bestimmt, das is kein Vergniegen,

Im Sommer aber behucken dir

Die krätschen, die aasigen Fliegen.

 

Besonders die Brummers, blänkrig-blau

Und dick wie Rosienen, die frechen,

Dass rein dir nich mehr zerwehren kannst,

So burren se rum da und stechen.

 

So mißd aus eins auch der Hauptmann Schmidt

Mit die Beeskräten sich kabbeln,

Der war im Manöwer einquartiert

Bei einem Besitzer in Babbeln.

 

Verzweifelt haud mitte Flochten er rum

Und konnd sich nich helfen und retten,

Die Äster, die pieksden ihm ieberall,

Die hinterrickschen, die fetten.

 

Dreist krochen se ihm inne Naslöcher rein

Und kilzelden ihm anne Ohren.

Denn mißd er flichten, de Bix inne Hand

Und schnell, sonst war er verloren,

 

„Ja", meind der Bauer, wie er sich beklagd,

„Se gehn ja auch immer am Morgen,

Das dirfen Se nich, das is verkehrt,

Das missen Se mittags besorgen.

 

Fier sowas is mittags de beste Zeit.

Wenn einer se kennt, denn kenn' ich se,

Denn hucken de Fliegen nich aufes Abe,

I-wo! Denn sind inne Kich se!"

 

Seite 14   „Die große Not"

Im Auftrag der Landsmannschaft Westpreußen hat Hans Jürgen von Wilckens-Wilckenwalde ein Werk „Die große Not — Danzig/Westpreußen 1945" zusammengestellt, über 100 Berichte schildern auf 10 Kapitel aufgeteilt in bunter Mannigfaltigkeit, aber stets dokumentarisch getreu, die Vorgänge des Jahres 1945 in diesem Teile Deutschlands und geben ein erschütterndes Bild von den militärischen Kämpfen und den Leiden der Bevölkerung. Der Vorausbestellungspreis wird sich nach der Zahl der Vorausbestellungen richten und zwischen DM 12,50 und ca. DM 19,00 liegen. (Späterer Ladenpreis ca. DM 28,00.) Vorausbestellungen nimmt die Landsmannschaft Westpreußen, Lübeck, Wahmstraße 43 - 45, bis zum 10. Juli 1597 entgegen. (Ca. 540 Seiten, mit 2 Karten, Halbleinen.)

 

Seite 14   Es starben fern der Heimat

Albert Burgschat, Stadtinsp. z. Wv., aus Insterburg am 6. Juni  1957, im Alter von 55 Jahren in Oldenburg.

 

Bernhard Hoepfner, Gestütsbeamter a. D., aus Braunsberg, am 15. Juni 1957, im Alter von 76 Jahren in Hildesheim.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (47)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Bei uns innes Dorf gab nach lange Zeit wieder mal orndlich zu lachen, und das kam bloß durch einem kleinen Gnoß von finf Jahre aus Berlin, wo hier bei seine Großeltern auf Erholung is. Aber ich muss hibsch nache Reih erzählen.

 

Also ich bin aufem Hof und hack trockne Äste, wo wir uns außem Wald geholt haben, da kommt de Emma rausgestirzt und sagt ganz aufgeregt: „Sieh mal, was wir fier e scheenem Brief gekriegt haben“. De Brill hat se gleich mitgebracht. Nu huck ich mir die Sehmaschien aufe Nas und les: Meine liebe Freundin! Eine große Neuigkeit muss ich Dir berichten. Sanders Frieda hat einen kleinen Jungen gekriegt. Und weißt Du, wer der glückliche — vielleicht ist er auch nicht glücklich! — Vater ist? Der Sohn von Eurem größten Bauer! Ich hab die beiden ja öfter beobachtet und habe mir gleich gedacht, da passiert noch einmal etwas. Und nun ist es passiert, und er soll schon gesagt haben, dass er nur ein Mädchen ohne Vergangenheit heiraten kann, weil das in seiner Familie so üblich ist. Dieser Lump! Aber sie will ihn gerichtlich belangen, und das ist ihm gut. Bitte, sprich nicht darüber, sondern behalte es unter dem Siegel der Verschwiegenheit, sonst gibt es großen Ärger. Ich bin in Eile, wollte es Dir nur gleich mitteilen, denn das ist ja doch interessant. Herzliche Grüße Deine alte Freundin Luise Schmidtke“.

 

Von wem hädd de Emma dem Brief gekriegt? Von dem kleinen Berliner Gnoß! De Großeltern haben hier im Dorf e Gastwirtschaft mit virzig Morgen Land. Vor zwei Jahre hat der Sohn alles iebernornmen, und der alte Vater macht noch nebenbei dem Briefträger. E paarmal war der kleine Gnubbel mitgegangen, und das hädd ihm Spaß gemacht. Nu waren se aller aufem Feld bei es Heu, bloß de Oma war zu Haus geblieben, weil se nischt mehr machen kann. Und wie se aufem Hof de Hiehner fittern tat, hädd der Lorbaß sich die große Tasch vom Opa umgehongen, außem offenen Schreibtisch alles zusammengegrapscht, was er von Briewe fand, und war losgegangen. In jedem Haus hädd er einem Brief abgegeben, und auf die Art hädd auch de Emma einem gekriegt. Am liebsten wolld se ihm gleich dem Bauer bringen, aber ich erklärd ihr fier verrickt, denn einer soll sich nich in Sachen einmischen, wo einem nischt angehen. Das war nu bloß der eine Brief aber mein kleiner Kollege aus Berlin hädd so Sticker hundert abgegeben.

 

De junge Frau vom Gastwirt stammt außes Nachbardorf, wo ihre Freindin Luise wohnt. Von ihre Hochzeit an, wo ungefähr vor drei Jahre war, hädden sich die beide dauernd geschrieben und allem Klatsch und Dreck schriftlich breitgetrampelt, und nu war er aufes ganze Dorf gerecht verteilt, dass einer vor Dreck nich mehr auße Augen sehen konnd. Und denn immer gleich mit sone Redensarten: „Ich freue mich, dass Du die alte Meisersche auch für ein ganz ausgekochtes Frauenzimmer hältst, die lügt und stiehlt. Die leistet, wenn es drauf ankommt, auch einen Meineid“.

 

Oder: „Euer Lehrer weiß ja gar nicht, dass seine Frau ihn dauernd mit dem Inspektor von der Domäne betrügt. Hier ist das ein offenes Geheimnis. Aber halte ja den Mund, es ist nur für Dich allein bestimmt!"

 

Oder: „Euer Heringsbändiger steht kurz vor dem Bankrott. Ich weiß es von unserer Darlehnskasse, wo unsere Dora arbeitet“. Oder: „Euer Maurer Hasdorf war letztens ganz schwer betrunken und rühmte sich im Gasthaus, dass er wegen seiner Rente den Vertrauensarzt beschwindelt hat. Und der Idiot, so sagte er, hat das gar nicht bemerkt. Nun bekommt er endlich seine Invalidenrente. Und der Winter, wo bei Euch wohnt und schon drei Monate stempelt, verdient so viel nebenbei, dass er besser lebt, als wenn er arbeitet. Davon weiß aber das Arbeitsamt nichts“.

 

So ging das immer weiter. Alle dunklen Punkte — meist jeder hat ja irgendwo e schwarzem Klecks'sche — wurden auf die Art iebres ganze Dorf verstreit, das kam alles in drei Tage raus und rum, denn wie die Leite abends vonnes Feld kamen, rannden se mit ihre Briefchens kreiz und quer durches Dorf, bis jeder dem Brief inne Hand hädd, wo ihm anging. Bloß de Emma durfd nich rennen, weil ich ihr das verpirren tat.

 

Was nu passierd, können Se sich ja vorstellen. Dem jungen Gastwirt haben se noch spät abends verpriegelt, dass er der ganze Woch mit e blaues Augn rumlaufen mißd. De Schiedsmänner in beide Dörfer hädden Hochbetrieb, dass se leberstunden machen mißden und ihr Heu nicht reinkriegden. Und de junge Frau vom Gastwirt sowie ihre Freindin Luise kriegden immer gleich Sticker sechs Vorladungen auf einmal, dass se „Mengenrabatt" verlangen konnden. Nu werden de Gerichte wochenlang Arbeit haben, und das ganze Dorf is durchenander wie e Heemskehaufen, wo einer mittem Prickel rumgestochert hat. Dabei is der Gastwirt mit seine junge Frau sowieso all bestraft. Der kleine Jung hädd nämlich auch Steiermahnungen, Klageandrohungen, unbezahlte Rechnungen und was weiß ich noch ausgetragen wo dem Gastwirt betrafen. Auch, e Haufen Liebesbriefe war ausgeteilt wo die beide sich vore Hochzeit geschrieben hädden. Was se sich da alles gegenseitig schriftlich zugeflistert hädden, wußd nu das ganze Dorf.

 

Ich mechd nich in ihre Haut stecken, denn se riskieren gar nich mehr, sich sehen zu lassen, weil aller grinsen und unflätige Bemerkungen machen. Auch unser Bauerochse hat was abgekriegt. Ihm wurde e Briefche vonnes andre End vom Dorf zugesteckt, da stand drin: „Also Du weißt ganz bestimmt, dass der Bauerochse dem Paragraph 51 hat? Gemunkelt wurde es ja schon lange. Wenn man sieht, wie er seine Flüchtlinge behandelt, dann weiß man ja auch Bescheid. Der alte Trostmann ist doch ein Gemütsmensch, der keiner Fliege ein Bein ausreißen kann. Und seine Frau? Na ja, manchmal hat se ja einen großen Mund und gibt ein bisschen reichlich an, aber im Grunde ist sie doch sicher kein schlechter Mensch“. So kriegden wir auch unserem „Horoskop", und vielleicht is das auch so e bissche ausgleichende Gerechtigkeit, wo der kleine Jung dem Vermittler spielen missd.

 

Natierlich kriegd er orndlich Pems, denn wurd er verpackt und wieder nach Berlin zurückgeschickt, und damit war auch seine Erholung e bissche sehr plötzlich zu End. Und de Oma haben se beschimpft, dass se nich aufgepasst hädd. Aber was nitzt nu alle Pems und alles Schimpfen, es is passiert und nich mehr zu ändern.

 

Ich hädd zu Haus auch emal zwei Briewe vertauscht, aber der eine Empfänger, der Riedelsberger, hädd ihm nich aufgemacht, sondern am Adressat weitergegeben. Und das war mein Glick. Wenn der Riedelsberger gewusst hädd, was dadrin stand, denn hädden se mir emmend auch noch vor Gericht gezoddert wegen Fahrlässigkeit, und ich geh doch so ungern aufes Gericht. Der andre, das war der Didschuhn, hädd ihm aufgemacht. Aber wie er drei Reihen gelesen hädd, merkd er, dass er nich fier ihm bestimmt war, und heerd auf mit Lesen, — sagd er! Aber woher er nachdem wussd, dass der Riedelsberger e Birgschaft brauchd, sagd er nich!

 

Wissen Se, ich hab mir das so ieberlegt: Wenn alle Menschen sich gegenseitig ihre Briewe zeigen mechden, wo se schreiben und kriegen, denn war ieberall in drei Tagen Mord und Dotschlag, nich bloß bei uns innes Dorf. Deshalb geb ich Ihnen dem guten Rat, verbrennen Se dem ganzen Krempel, wo was von Klatsch und Dreck drin is. Denn haben Se Ruhe und können unbesorgt e kleinem Jung aus Berlin auf Erholung nehmen. Denn kann er bloß mit alte Zeitungen und Reklame-Kataloge Briefträger spielen und keinem Ärger nich anrichten. Na, ist doch wahr! Nu bin ich ja bloß neigierig, was weiter mit die Briewe wird. Bestimmt nischt Gutes! Fier heite herzliche Grieße Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Recht und Freiheit in Frieden. Danziger trafen sich in Hannover - Bemühungen auf beiden Seiten notwendig - Abstimmung gefordert

Hannover. Rund 25 000 Danziger waren zum „Tag der Danziger“ ihrem nunmehr neunten Bundestreffen, nach Hannover gekommen, um ihr unteilbares Recht auf ihre Heimat zu bekunden. Bei einem Festakt in der Niedersachsenhalle forderte der Danziger Historiker und wissenschaftliche Mitarbeiter der Ostdeutschen Akademie Lüneburg, Dr. Hanns von Kranhals eine frei und geheime Abstimmung über das Schicksal Danzigs, an der sich alle bis Kriegsende in Danzig geborenen und beheimateten Personen beteiligten müssten. Nur so könne über das künftige rechtliche Schicksal Danzigs entschieden werden.

 

Der niedersächsische Vertriebenenminister Schellhaus wies alle Behauptungen polnischer Staatsmänner von einer „Rückkehr“ Danzigs an Polen zurück. Zu allen Zeiten der mehr als 700-jährigen Geschichte dieser Stadt habe der Anteil der in Danzig lebenden Polen niemals mehr als knapp 3 Prozent der Einwohnerzahl betragen.

 

Der Präsident der Vertretung der Freien Stadt Danzig, Dr. Sternfeld, wies darauf hin, dass Danzig durch den Versailler Friedensvertrag zur Freien Stadt erklärt und als solche garantiert worden sie. Der Rede Dr. Sternfelds entnehmen wir die folgenden Ausführungen: „Wir wissen sehr wohl, dass der gewaltige Geisteskampf im Osten noch längst nicht ausgetragen ist, und wir wissen, welche Verantwortung gerade für Europa uns obliegt, wenn wir darauf bestehen, in unsere angestammten Rechte wieder eingesetzt zu werden. Wir wissen jedoch, dass es mit einer bloßen Restauration nicht getan ist, sondern dass wir neue Wege beschreiten müssen, die den neuen Gegebenheiten sich anpassen. Das bedeutet für die Danziger Bevölkerung nichts Ungewöhnliches. Wer die Geschichte Danzigs kennt, weiß, dass wir unsere Aufgabe in den Jahrhunderten nur durch bewegliche Anpassung an die Erfordernisse der Zeit haben erfüllen können. Wir wissen, dass unter Tradition nicht ein Kleben an dem Althergebrachten, sondern als ständiges Fortschreiten mit der Entwicklung zu verstehen ist. Die Grundlage hierfür muss aber die Beseitigung der Gewalt und Macht, der Durchbruch unserer geknechteten Heimat zu Recht und Freiheit im Frieden sein.

 

Wir haben immer wieder mit den Angehörigen der anderen deutschen Landsmannschaften gemeinsam beteuert, dass uns jeder Gedanke an gewaltsame Änderung fernliegt. Wir betonen erneut, dass lediglich die Kraft unseres Gedankens und unseres Herzens an die Vernunft und Einsicht appelliert, und bitten, Vertrauen zu haben, dass uns dieselbe Sehnsucht wie die Polen beherrscht nach Frieden und Sicherheit gegen alle Gewalt. Wenn wir nicht das gegenseitige Vertrauen verlieren, wenn wir uns nicht beiderseits bemühen, aus der psychologischen Zwangsjacke der Ablehnung alles dessen, was der andere will, herauszukommen, werden alle Ansätze des guten Willens mit falschen Zielsetzungen belastet.

 

Wir sind davon überzeugt, dass gleich uns die Polen danach hungern, dass die Macht des Geistes und der Gerechtigkeit über die Kraftanwendung und der Gewalt den Sieg erringen und dass wir gemeinsam die Grundlage für eine glückliche Zukunft in Frieden und Freiheit suchen müssen. Nur so werden wir das richtige Klima zu gemeinsamem neuen Denken und Fühlen finden und die gemeinsame Verantwortung für den Aufbau eines geeinten Europas auch in unserem Schicksalsgebiet tragen können. Wir Danziger sind bereit, mit bestem Willen und ehrlicher Sympathie die Wünsche und Interessen Polens zu berücksichtigen und damit den völkerverbindenden Auftrag Danzigs zu erfüllen. Es schmerzt uns deshalb, dass es uns bisher trotz wiederholter Versuche nicht möglich gewesen ist, einen echten Kontakt nach drüben zu finden und pflegen zu können. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem wir uns unbelastet und mit neuen Impulsen an den Verhandlungstisch setzen können.

 

Auf diesen Tag der Bereitschaft, sich vom Geistigen her erfassen und beeinflussen zu lassen, wollen wir uns immer wieder von neuem vorbereiten“.

 

Seite 15   „Kulturtage Deutscher Osten". Eichendorff-Gedenken mit Max Tau.

Das Kulturwerk der vertriebenen Deutschen führt vom 13 bis 17. Juli in Bonn Schloss Burg a. d. W., Remscheid, Wiesbaden und Wangen in Verbindung mit dem Bund der vertriebenen Deutschen und einer Reihe anderer Organisationen „Kulturtage Deutscher Osten" durch. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht eine Eichendorff-Feier, bei der Max Tau die Gedenkrede halten wird. Der aus Schlesien stammende, jetzt in Oslo lebende Schriftsteller ist Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, den nach ihm Albert Schweitzer und Carl J. Burkhardt erhielten. — Am Vorabend der Veranstaltung wird das KVD in Remscheid Eichendorff durch eine musikalische Feier ehren, bei der die Opernsängerin Ilse Beuthe-Schilling (Köln) und Prof. Gerhard Strecke mitwirken. Im

Presseclub in Bonn wird der Literaturhistoriker der Schweizer Universität in Fribourg, Prof. D. Alker, über das Werk Heimifo von Doderers sprechen.

 

Max Tau wird anschließend auf Veranlassung des Kulturwerkes in Wiesbaden und in Wangen im Allgäu sprechen.

 

Auf Schloss Burg findet im Rahmen der „Kulturtage" eine Arbeitstagung des KVD mit den Landeskulturreferenten des BVD statt, bei der Fragen der Ostlandkunde im Unterricht und in der Erwachsenen-Bildung sowie Stil und Technik der Kulturveranstaltungen im Verbandswesen erörtert werden sollen. Im Zusammenhang mit dem Eichendorff-Gedenken soll die schlesische Literatur der Gegenwart gewürdigt und geehrt werden. Tragender Leitsatz der Kulturfrage wie überhaupt der Bestrebungen des Kulturwerkes ist die Förderung und Vertiefung humanitärer Gesinnung.

 

Seite 15   Suchdienst Luftgau I

Gesucht werden: Vom FI. Horst Neuhausen (Ostpreußen): Fl. Stabsing. Kürzel Techn.Insp. Furche und Rosengart, Hauptm. Pyko, Lagermeister Münsterberg, Angest. Newiger und Steinke von Fritz Skopp, Dortmund, Nordstr. 43.

 

Baugruppe Lgk I Kurt Hahn, Elektr.Ing. von Carl Kloss, (16) Sprendlingen, Mittelstr. 38.

 

Von der Waffenmeisterei der Flak Jerusalem (Königsberg-Pr.) werden ehem. Angehörige gesucht, welche Angaben über das Arbeitsverhältnis des Adolf Schiminski, wohnhaft in Solingen-Merscheid, Bäckershof 17, machen können.

 

Wer kann Angaben über das Arbeitsverhältnis des Paul Glagau, wohnhaft in Verden (Aller), Piepenbrink 14, machen, der auf Flugplatz Prowehren, beim Luftpark Gutenfeld und bei der Bauleitung Neuendorferstraße (Königsberg-Pr.) tätig war?

 

Anfragen sind zu richten an den Schriftführer der Kameradschaft, Kam. W. Gramsch, Celle, Waldweg 83. Sie können nur beantwortet werden, wenn Rückporto beigefügt wird. Wer der Kameradschaft beitreten will, gebe seinen Antrag an die Bundesgeschäftsstelle des Luftwaffenrings e.V. in Bremen 17, Postfach 7025.

 

Seite 15   Landsmannschaftliche Nachrichten.

Wilhelmshaven. Einen eindrucksvollen Johannisabend gestaltete die LO in Wilhelmshaven. Über ostpreußisches Johannisbrauchtum sprach Lm. Schlokat; er wies in dem Zusammenhange darauf hin, dass dieser in Westdeutschland fast vergessene Brauch durch die Vertriebenen eine Neubelebung erfahren hat. Als nächste Veranstaltung ist für den 18. August eine „Fahrt ins Blaue" in Aussicht genommen, über die zu gegebener Zeit noch berichtet werden wird.

 

Eschwege.  Mit nahezu 100 Teilnehmern startete die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen eine Omnibusfahrt von der Werra zur Fulda und Eder. Ziel war die Waldgaststätte Rittershain, wo die Kinder lustige Spiele und Wettkämpfe erwarteten, die Erwachsenen aber ein paar erholsame Stunden inmitten schönen Waldes und fern der Hast des Tages.

 

Seesen. Vorschau auf die nächste Veranstaltung: Am 4. August findet ein Busausflug in den Südharz statt mit folgenden Stationen: Sösetalsperre, Einhornhöhle, Kloster Walkenried. Märchengrund Bad Sachsa. Fahrpreis einschl. Eintrittsgelder 6,-- DM. Anmeldungen für diese Fahrt im „Ratskeller".

 

Flensburg. Vorstandsmitglied Lm. Bocian konnte bei der Jahreshauptversammlung der LO auf eine rege landsmannschaftliche Arbeit im Berichtsjahr zurückblicken. Höhepunkte darin waren eine Fahrt nach Laboe, ein gelungenes Kinderfest, eine Großveranstaltung mit Dr. Lau, der Advent-Altenkaffee und ein stimmungsvolles Winterfest. Daneben konnte er auf mehrere gesellige und kulturelle Veranstaltungen hinweisen. Auch in diesem Jahre konnten wieder zahlreiche Alberten an Abiturienten der Flensburger Schulen überreicht werden. Schmerzlich wurde des Verlustes gedacht, den die Gruppe durch den Heimgang ihres hochverdienten ersten Vorsitzenden. Schulrat Babbel, erlitten hat. Die Versammlung wählte Lm. Dr. Kob einstimmig zum 1. Vorsitzenden, die Landsleute Bocian und Drengk zu Stellvertretern.

 

Frankfurt. „So lachten wir zu Hause" stand als Motto über dem Heimatabend der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen im „Ratskeller". Als Gast sorgte Dr. Lau für Stimmung und Humor mit seinen ostpreußischen Mundartvorträgen. Der Abend wurde musikalisch von der Kapelle Anger (früher Tilsit) umrahmt.

 

Die jeden ersten Donnerstag im Monat stattfindenden Herrenabende fallen in den Monaten Juli und August aus. Der nächste Herrenabend findet daher erst am ersten September-Donnerstag in der Gaststätte „Zum Heidelberger", Bockenheimer Landstraße 140, statt.

 

Sprechstunden: Wegen der Ferien fallen die Sprechstunden in der Zeit vom 15. Juli bis 15. September aus. In dringenden Fällen kann nach telefonischer Vereinbarung eine Besprechung verabredet werden.

 

Seite 15   Spätaussiedler berichten im SDR.

Unter dem Titel „Spätaussiedler berichten" wird der Süddeutsche Rundfunk Stuttgart in der zweiten Juli-Woche im Rahmen seiner ost- und mitteldeutschen Heimatsendungen einen Bericht von Spätaussiedlern ausstrahlen, die in der letzten Zeit aus den von Polen und den von den Sowjets verwalteten deutschen Ostgebieten in der Bundesrepublik eintrafen.

 

Seite 15   Westpreußisches Landestreffen

Das Landestreffen der Lm. Westpreußen am 13. und 14. Juli in Bochum sieht u.a. einen Begrüßungsabend am 13. Juli, der von der Deutschen Jugend des Ostens gestaltet wird, vor. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen wird die Großkundgebung am Vormittag des 14. Juli um 11 Uhr in der Halle des Bochumer Vereins stehen. Nach den verschiedenen Grußworten des Oberbürgermeisters der Stadt Bochum, des Vertreters der Landesregierung und des Vertreters der landsmännischen Vereinigung ostdeutscher Heimatvereine wird der Sprecher der Lm. Westpreußen, Dr. Hans Kohnert, die Festrede halten.

 

Seite 15   Heimat ist Vielheit und Einheit. Jahrestagung des Ostdeutschen Kulturrates in Berlin.

Zum ersten Male seit seinem Bestehen hat der „Ostdeutsche Kulturrat" seine Jahrestagung in Berlin abgehalten. Der Kulturrat will sich in seinen Tagungen und seiner gesamten Arbeit nicht allein an die Heimatvertriebenen wenden, sondern darüber hinaus auch die Kreise der Nichtvertriebenen ansprechen. Er bildete sich aus den bereits seit vielen Jahren bestehenden vier großen regionalen Kulturwerken der Vertriebenen, dem Nordostdeutschen Kulturwerk, dem Kulturwerk Schlesien, dem Adalbert-Stifter-Verein und dem Kulturwerk des südostdeutschen Raumes, als Zusammenfassung gleichlaufender Bestrebungen, dem deutschen Menschen, wo immer er auch sei, das Recht auf die Heimat im Sinne der Eichendorffschen Dichtung zu erhalten. Heimat ist Vielheit und Einheit zugleich. Als mütterlicher Lebensausdruck macht die Muttersprache die Heimat hörbar und bindet Land und Volk. „Heimat heißt Erinnerungen an die Kindheit haben. Kein Dichter lässt deshalb seine Heimat los“.

 

Stand dieses Leitwort als Eichendorff-Gedenken auch erst ganz am Schluss eines Festaktes im Auditorium maximum der Freien Universität Berlin, so stand es doch spürbar über den gesamten mehrtägigen Veranstaltungen, die im „Haus der ostdeutschen Heimat" unter Vorsitz des Präsidenten des Kulturrates, Grat Henckel von Donnersmark, ihren Anfang nahmen und in einer feierlichen Stunde in Anwesenheit hoher Vertreter des geistigen Lebens der Bundesrepublik und des Auslandes hier zu Ende gingen. Die Feierstunde erhielt ihre besondere Note durch die Verleihung der im Vorjahre gestifteten Plakette des ostdeutschen Kulturrates an die Dichterin Agnes Miegel und den Wissenschaftler Dr. Hermann Aubin. Unter den zahlreichen Ehrengästen befanden sich Dr. Vockel-Berlin als Vertreter der Bundesregierung, Baron Manteuffel vom Verband der Landsmannschaften, der Berliner Senator Tiburtius, Ministerialrat Pagel, Paul Loebe, Dr. Friedensburg, um nur einige Namen zu nennen.

 

Graf Henckel stellte seine Begrüßungsworte unter die Verpflichtung, der Jugend die Zukunft gestalten zu helfen, und Dr. Vockel stellte die Forderung an Kulturschaffende und die staatlichen wie privaten kulturellen Institutionen, lebendige Kultur zu schaffen und zu fördern; er sprach dafür Berlin als ein nachahmenswertes Beispiel an. Man müsse jedoch, führte der Senator für Volksbildung in seiner Begrüßungsansprache aus, lernen, aus Liebe gerecht zu sein; dann lerne man auch, Geschichte zu verstehen und aus dem Geheimnis der Menschen und ihrem Land lebendige Kultur zu entwickeln. Die Dichter seien dafür leuchtende Vorbilder. Sie lehren — wie Eichendorff, dem die Gedenkstunde in der Freien Universität gewidmet war — die Heimat empfinden als einen Raum, der uns gegeben und anvertraut, dass wir ihn als ein Mandat auffassen und verwalten. Nur so werden wir uns auch bereitfinden, Fehler der Geschichte nicht nur bei den anderen zu sehen, sondern auch die eigenen Fehler einzugestehen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.

 

Dem sonntäglichen Festakt in der Freien Universität war montags zuvor eine „Wissenschaftliche Studientagung" vorausgegangen. In ihrem Mittelpunkt standen mehrere Referate, die die geschichtliche Auflockerung unseres Wissens um den deutschen Osten vertiefen wollten. Zunächst sprach Prof. Dr. Erich Maschke, Heidelberg zum Thema „Der deutsche Ordensstaat als deutscher und europäischer Geschichtsfaktor". Im Resümee war dem Vortrag zu entnehmen: Die Gründung einer Hospitalbruderschaft durch Lübecker und Bremer Kaufleute während des dritten Kreuzzuges 1190 und deren Umwandlung in einen Ritterorden 1198 stellten den deutschen Orden von Anbeginn an in enge Zusammenhänge zur deutschen wie der abendländischen Geschichte. Mit dem Kampf um Preußen und in der Folge auch in Livland (Schwertbrüderorden) rückte er aus dem europäischen Gemeinschaftsbewusstsein zunächst zwar wieder hinaus, aber schon mit der Eroberung des Landes als die Stadt- und Dorfgründungen in Preußen begannen, entsprach zumindest schon im 14. Jahrhundert dem rationalen Staatsapparat des Ordens in Preußen ein ebenso rationaler Aufbau deutscher Siedlung und Bevölkerung. Die Ordensbrüder des 15. Jahrhunderts waren sehr bald nicht mehr die des vorangegangenen: Die Umformung deutscher Verfassungsverhältnisse zum Städtestaat griff auch nach Preußen über, und so hielt seitdem die Entwicklung des Ostens mit der des Westens Schritt. Die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum war die Folge. In ähnlichen Zusammenhängen machten zwei weitere Vorträge von sich reden. Prof. Möbus, Berlin sprach zum Thema „Heimat. Vaterland, Europa in Eichendorffs Dichtung und Denken" und Dozent Dr. Erich Baumann, München führte die interessierten Zuhörer anhand sehr gepflegter und instruktiver Lichtbilder in die Atmosphäre der „Karolingischen Reichsarchitektur in Böhmen". Dass die Festlichkeiten der Tagung mit einem Eichendorffabend im Konzertsaal der Hochschule für Musik unter Mitwirkung von Frau Eva Berger und Walter Ludwig ihren Abschluss fanden, sei noch vermerkt. Zugleich entschied sich das Kuratorium des Ostdeutschen Kulturrates, die von ihm gestiftete Plakette im kommenden Jahr an Dr. phil. Karl August Klein, München und an Ministerialdirektor August Fischer, München zu verleihen.

 

Seite 16   Landrat von Poser gestorben.

Der ehemalige Landrat des Kreises Ortelsburg, von Poser und Groß-Naedlitz, ist am 14. Juni 1957 in Kiel für immer von uns gegangen. Von Poser war von 1914 - 1945 Landrat des Kreises Ortelsburg. Für seine großen Verdienste um diesen Kreis wurde ihm 1955 vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen. Trotz seines hohen Alters hielt von Poser ständigen Kontakt mit seinen Landsleuten und den Paten seines Kreises, der Stadt und dem Kreis Münden. Er ließ es sich auch nicht nehmen, persönlich an der Übernahme der Patenschaft teilzunehmen. Sein besonderes Anliegen war es, den Zusammenhalt der heimatvertriebenen Ortelsburger zu festigen und das kulturelle Erbe der alten Heimat zu pflegen. In Landsmann von Poser verlieren wir eine der profiliertesten Gestalten der jüngsten Geschichte unserer ostpreußischen Heimat.

 

Seite 16   „Betreuungsfibel" für Vertriebene

Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat eine Fibel herausgegeben, die sich mit der Betreuung des kriegsgeschädigten Personenkreises befasst, nämlich der Vertriebenen, Flüchtlinge, Zugewanderten, Evakuierten, Kriegssachgeschädigten, Heimkehrer, Kriegsgefangenen, heimatlosen Ausländer, ausländischen politischen Flüchtlingen, rückgeführten Personen und der Auswanderer. Das Büchlein, das insgesamt 55 Seiten sowie acht Schaubildanlagen umfasst, enthält wertvolles Zahlenmaterial in mannigfachen Tabellen und statistischen Darlegungen. Es gibt somit einen Überblick über das Problem sowohl als auch über die bisherigen Maßnahmen zu seiner Lösung.

 

Seite 16   Norddeutsche Kulturtage

Die diesjährigen Nordostdeutschen Kulturtage wurden vom Nordostdeutschen Kulturwerk in Lüneburg vom 14. bis zum 16. Juni durchgeführt und begannen mit der Hauptversammlung des Kulturwerkes. Am Sonnabend traten die Bundeskulturreferenten der nordostdeutschen Landsmannschaften, der Bundeskulturreferent des VdL und die Mitarbeiter des Nordostdeutschen Kulturwerkes unter Leitung von Prof. Dr. M. H. Boehm zu einer Arbeitssitzung zusammen. Auf ihr wurden nach Referaten von Prof. Boehm über die gesamtdeutsche Tradition und von Erich Grimoni (Ostpreußen) über die Tradition der Jugendbewegung in der ostdeutschen Kulturarbeit die damit zusammenhängenden aktuellen Fragen landsmannschaftlicher Kulturarbeit eingehend erörtert. In den städtischen Ausstellungsräumen wurden Werke des Danziger Malers Fritz Heldingsfeld und Erzeugnisse der Bernstein-Manufaktur Hamburg (früher Ostpreußen) gezeigt. Eine Dichterlesung von Siegfried Lenz und ein Vortrag von Dr. Müller-Sternberg über „Eichendorff in Danzig und Königsberg" schloss die Kulturtage, deren Wert nicht zuletzt in der Stärkung des persönlichen Kontakts zwischen den landsmannschaftlichen Kultursachbearbeitern und denjenigen des Nordostdeutschen Kulturwerkes lag.

 

Seite 16   Bücher - die uns angehen

Karl Schodrok: Joseph von Eichendorff. Heft 56 der Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises. Holzner-Verlag, Würzburg. 1,50 DM.

In der Reihe der ostdeutschen Lebensbilder, die vor allem der Jugend als Lektüre und der Verwendung an Schulen empfohlen werden können, erschien jetzt von Karl Schodrok eine Lebensbeschreibung des großen Dichters der Romantik. Ein wertvoller Beitrag der Schriftenreihe zum Eichendorff-Jahr.

Früher erschienen in dieser Reihe die folgenden Lebensbilder: Dr. G. v. Selle: Immanuel Kant; Dr. A. Schellenberg: Andreas Schlüter; Dr. K. Kurth; Arthur Schopenhauer; E. Krieger: E. T. A. Hoffmann; Dr. C. F. W. Behl; Gerhart Hauptmann; Dr. E. Bachmann; Peter Parler; Dr. W. Scheibe; Johann Gottfried Herder; Dr. H. Schmauch; Nikolaus Kopernikus; Dr. H. Motekat; Arno Holz; Dr. H. Rössler; Prinz Eugen; H. Marzian; Friedrich der Große; Dr. E. Nadolny; Ostdeutsche Frauengestalten; General a. D. Hoßbach; Scharnhorst.

 

Kraft/Höller: Prag. Bildband mit 53 Aufnahmen. Adam Kraft Verlag, Augsburg. 3,50 DM.

Das vielgestaltige hunderttürmige Prag, eine der geschichtsträchtigsten Städte Europas, ist in diesem Bändchen in 53 ausgewählten Aufnahmen eingefangen und spiegelt in dieser Bildwahl den eigentümlichen Reiz dieser Stadt. Die schlanken Türme der Gotik, die barocken Kuppeln und Portale, Paläste und Gärten, die steinernen Brücken über die Moldau prägen die Hauptstadt Böhmens zu einem Kleinod deutscher Baukunst. Den einleitenden Text schrieb Franz Höller; er Ist nicht nur ein guter Kenner der Stadt, ihrer Menschen, Kunst und Geschichte, sondern man spürt aus den Zeilen die Liebe, mit der er dieser alten Kaiserstadt verfallen ist.

 

Franz Höller: Prager Geschichten. Adam Kraft Verlag, Augsburg. 300 Seiten. Leinen 9,80 DM.

Man könnte diese vierzig Geschichten auch Briefe an seine Geliebte nennen, Geschichten einer unglücklichen Liebe. Franz Höller, der Prag in langen Jahren erlebte und seine Baudenkmäler und Kunstschätze gründlich kennt, kennt auch das geheimnisvolle Leben in den Gässchen und Winkeln der alten Stadt und unter den dunklen Dächern der barocken Bauten und Paläste. Er, der schon vor Jahren einen Prager Studentenroman geschrieben, verfasste nun dieses Pragbuch, das dem Geheimnisvollen, dem Absonderlichen nachgeht und die eigentümliche Atmosphäre einfängt. Man möchte sagen, es sind Kapitel eines Romans dieser Stadt, von einem Autor geschrieben, dem die Metropole Böhmens zur großen Liebe geworden ist. Die Handlung reicht vom goldenen Zeitalter Prags, da Karl IV. Kaiser war, über das zwielichtige Regnum Rudolfs II., da der Golem Prag beherrschte, über die Zelt der rauschenden Feste des Barocks, bis hinein in die letztvergangenen Jahre.

Das Rauschen der Moldau unter der Karlsbrücke findet sich in der märchenhaften Geschichte „Der Wassermann von Prag", die Verzauberung in den alten Gassen erscheint in der „Hexe von Prag", das Zwielichtige mit kriminalistischem Einschlag spiegelt sich fesseln in „Das Prager Gespenstertheater" und barocken Überschwang und Lebensfreude in dem tollen Stücklein um des Malers Wenzel Rainers Hochzeit. Die kaiserliche Zeit meldet sich im „Kaiser von Prag". Eine vielgestaltige Fantasie aus den Eigentümlichkeiten geboren, zieht durch diese vielgeschichtlichen Geschichten und runden sich zu einem Gesamtbild. Die zupackende Sprache Höllers gewinnt den Leser und reißt ihn mit.

 

Hedwig Teichmann: Ein Stern zieht seine Bahn. Roman. Roland-Verlag, München 15. 240 S., Hln. 9,80 DM.

Ein Roman um den Schöpfer der deutschen komischen Oper Karl Ditters von Dittersdorf. Er umfasst die drei reichen Schaffensjahrzehnte des Komponisten auf Schloss Johannesberg, wo er auf Einladung des Grafen Schaffgotsch als Kapellmeister und Amtshauptmann von Freiwaldau wirkte. Das wechselvolle, von Erfolgen gekrönte, von Krankheit, Leiden und Not umdüsterte Schicksal dieses Meisters der Töne wird von der Autorin liebevoll in den Hintergrund der mährisch-schlesischen Heimat gebettet. Jauernig, das anmutige und durch seinen Bürgerfleiß emporgewachsene Städtchen am Rande der Sudeten, das durch Dittersdorf zum kulturellen Mittelpunkt des österreichischen und preußischen Schlesiens auf Jahre hin wurde, das Altvaterland mit seinen Menschen, Dörfern und Wäldern — das alles gewinnt Leben und Gestalt in diesem Werk. Darüber hinaus wird dieser Roman zu einem Zeit- und Kulturgemälde des verklingenden 18. Jahrhunderts.

 

Hans W. Hagen: Durchbruch zu neuer Mitte. 3 Studien zur Überwindung der Kultur-Krise. 144 S., bebildert, brosch. 6,80 DM. Türmer-Verlag, München.

Dem Verfasser gelingt in einfacher Ausdrucksweise aus reicher Kenntnis den Leser durch die dargestellten und einleuchtenden Beweise eine Gesamtschau zu vermitteln, wie sie selten möglich gemacht wird. Dr. Hagen zeigt anhand des Nacherlebens der Schwellenzeit vom Mittelalter zur Neuzeit auf, wie wir die Zeit, die wir selbst leben, gleichfalls zu erkennen vermögen, und lässt uns darin alle Versuche künstlerischer Darstellung klar werden. Dies geschieht in einer Weise, in der ein jeder fortan selbst das Maß zur Beurteilung des Geschehens unserer Tage und der modernen Kunst in Besitz nimmt.

Die drei Studien sind von Eindringlichkeit und Bedeutung, weil sie unseren kulturgeschichtlichen Werdeprozess erhellen und eine Betrachtung ermöglichen, wie sie in dieser Großzügigkeit und Überzeugungskraft selten geboten werden dürfte. Deshalb ist die Anschaffung dieses Werkes für jeden, der noch an sich selbst im Sinne echter Bildung arbeiten will, sehr zu empfehlen. Es wird eine weitgehende öffentliche Diskussion hervorrufen und mit zur Grundlage des neuen Weltbildes beitragen.

 

Seite 16   Albert Schweitzer

Tut die Augen auf und suchet, wo ein Mensch oder ein Menschen gewidmetes Werk, ein bisschen Zeit, ein bisschen Freundlichkeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein bisschen Arbeit eines Menschen braucht. Vielleicht ist es ein Einsamer oder ein Verbitterter, ein Kranker oder ein Ungeschickter, dem du etwas sein kannst. Oder ein gutes Werk braucht Freiwillige, die einen freien Abend opfern oder Gänge tun.

 

Wer kann die Verwendung aufzählen, die das kostbare Betriebskapital, Mensch genannt, haben kann? An ihm fehlt es heute an allen Ecken und Enden. Lass dich nicht abschrecken, wenn du warten oder experimentieren musst, auch auf Enttäuschungen sei gefasst. Aber lass dir ein Nebenamt, indem du dich als Mensch an Menschen ausgibst, nicht entgehen. Es ist dir eines bestimmt, wenn du es nur richtig willst.

 

Seite 16   Vermächtnis eines lebenden Künstlers

So lebensverbunden, menschlich aufgeschlossen, erfindungsreich und voller Arbeitsintensität, wie der Künstler und der Lehrer Erich Rhein gewesen ist, liegt auch als umfassendes Zeugnis seiner Könnerschaft sein Vermächtnis vor. Das mit zahlreichen Kunsttafeln, grafischen Schwarz-Weiß- und Mehrfarbproduktionen geradezu gespickte Werk scheint mit seinem Titel „Die Kunst des manuellen Bilderdrucks. Eine Unterweisung in den grafischen Techniken" (Otto Maier Verlag Ravensburg, Leinen 22,-- DM, kart. 19,80 DM. 240 S. mit 220 Abbildungen und 48 ganzseitigen Tafeln) mehr für den Kunstschüler und den Fachmann des grafischen Drucks bestimmt zu sein. Es ist aber weit darüber hinaus ein klassisches Lese- und Bilderbuch für jeden, der Freude an technisch vollendeter und schöner Gestaltung hat und vor allem für den Kunstfreund, der mit der Kenntnis der übersichtlich und leicht fasslich erläuterten technischen Mittel und Stoffe und ihrer Eigengesetzlichkeit sich auch einen noch besseren Zugang zum Kunstwerk und genussreicheren Umgang mit den grafischen Künsten sichert.

Neben Werk- und Zustandsproben bietet Erich Rhein neben eigenen Arbeiten, solche ost- und westdeutscher Kollegen und berühmte Beispiele des grafischen Schaffens aller Völker, Zeiten und Stile dar.

 

Seite 16   Familienanzeige

Die Liebe höret nimmer auf. 1. Korinth 13, V. 8  Am 13. Juni 1957 entschlief nach längerem Leiden im 77. Lebensjahr unsere liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester, Schwägerin und Tante Frau Martha Grünke, geborene Rausch, aus Guttstadt, Kreis Heilsberg/Ostpreußen. In tiefer Trauer Inna Grünke, Treysa, Stettiner Straße 11. Erna Grünke, Marburg/L., Am Grün 34. Cläre Grünke, geb. Frös. Siegfried Grünke, Eckelshausen b. Biedenkopf. Charlotte Radau, geb. Grünke, Hannover, Sallstraße 49. Georg Radau und drei Enkelkinder

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