Ostpreußen-Warte, Folge 07 vom Juli 1955

Ostpreußen-Warte

Folge 07 vom Juli 1955

 

Seite 1   Wiedervereinigung in weiter Ferne. Die Genfer Konferenz der vier Großmächte brachte eine „fühlbare Entspannung“

Die von der ganzen Welt mit Spannung erwartete Konferenz der Regierungschefs der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs ist zu Ende gegangen. Wenn es auch nicht gelungen ist, die strittigen Probleme einer Lösung näherzubringen, so verlautet doch aus Beobachterkreisen, dass die Viermächtekonferenz eine fühlbare Entspannung gebracht und die Kriegsgefahr zurückgedrängt habe. In einer fünfstündigen Geheimsitzung gelang es lediglich den Regierungschefs, sich über entsprechende Anweisungen an die Außenminister für eine Weiterberatung der Probleme einig zu werden. Im Oktober wird in Genf eine Konferenz der Außenminister stattfinden, auf der die zur Debatte stehenden Probleme weiterbehandelt werden.

 

Eine herbe Enttäuschung hat die Genfer Konferenz für uns Deutsche gebracht: Die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands ist kaum einen Schritt vorangekommen. Die Behandlung dieser für uns lebenswichtigen Frage als Thema Nummer Eins auf der Konferenz scheiterte an dem hartnäckigen Widerstand der Sowjetdelegation. Wohl zeigten die Westmächte gerade in der Behandlung des Problems der Wiedervereinigung Deutschlands eine erfreuliche und einmütige Haltung. Aber die Politiker und Staatsmänner in Ost und West sind sich nunmehr darüber einig, dass gerade die Lösung der Deutschlandfrage „äußerst schwierig und langwierig“ sein werde.

 

Allgemein stellt man fest, dass eine baldige Lösung des Deutschlandproblems nicht zu erwarten sei. Das Deutschlandproblem, so sagte der Generalsekretär der UNO, sei viel zu „kompliziert“. Präsident Eisenhover meinte, das Ergebnis der Genfer Konferenz würde man erst nach Monaten abschätzen können. Der britische Außenminister sprach von einer „schweren Arbeit“, die jetzt in Angriff genommen werden müsse. Es werde keinen Krieg mehr geben, weil man sich darüber einig sei, dass „niemand aus einem mit Atomwaffen ausgetragenen Konflikt als Sieger hervorgehen könne“. Ministerpräsident Bulganin erklärte, weil die Einbeziehung der Bundesrepublik in die NATO und in die Westeuropäische Union die Möglichkeit einer Vereinigung Deutschlands ausschließe, habe die sowjetische Delegation in Genf die vorläufige Aufnahme beider Teile Deutschlands in ein System gesamteuropäischer kollektiver Sicherheit vorgeschlagen. Die Sowjetregierung gehe jetzt davon aus, dass man bei der Lösung der Deutschlandfrage „den Tatsachen Rechnung tragen muss“. Es seien in den letzten zehn Jahren zwei Deutschlands entstanden, und es sei klar, dass man unter diesen Bedingungen nicht die Frage einer mechanischen Verschmelzung der beiden Teile Deutschlands stellen könne, da dies eine unreale Fragestellung wäre.

 

Die Anweisungen, die die Regierungschefs der vier Großmächte zum Abschluss der Genfer Konferenz an die Außenminister für ihre weitere Arbeit gegeben haben, befassen sich in ihrem ersten Teil mit der europäischen Sicherheit und der Deutschlandfrage. Zur Deutschlandfrage heißt es: „In Anerkennung ihrer gemeinsamen Verantwortlichkeit für die Regelung der deutschen Frage und die Wiedervereinigung Deutschlands sind die Regierungschefs übereingekommen, dass die Regelung der deutschen Frage und die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen in Übereinstimmung mit den nationalen Interessen des deutschen Volkes und den Interessen der Sicherheit Europas durchgeführt werden soll. Die Außenminister werden alle, ihnen möglicherweise wünschenswert erscheinenden Vorkehrungen oder Konsultation anderer interessierter Parteien treffen.

 

Das Resultat der Genfer Konferenz, die wohl einige Lichtblicke gebracht hat, bleibt aber, dass der Tag der Wiedervereinigung Deutschlands noch in weiter Ferne liegt, ganz zu schweigen von der Rückgewinnung unserer ostdeutschen Heimatgebiete jenseits der Oder-Neiße. Wir werden in allen diesen Fragen viel, viel Geduld üben müssen. Niemals aber dürfen wir erlahmen in der Forderung auf unser natürliches Recht: auf die Wiedervereinigung Deutschlands und die Rückgabe unserer Heimat. Alle Deutschen müssen sich in diesen Forderungen einig sein und immer wieder ihre Stimme erheben und leidenschaftlich für dieses große Ziel kämpfen.

 

 

„Niemals Oder-Neiße“!

„Keine deutsche Regierung wird jemals die Oder-Neiße-Grenze hinnehmen“, erklärte der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, am 29. Juni in Bonn auf der Sondersitzung der Sprecher, der im Verband der Landsmannschaften (VdL) zusammengeschlossenen ost- und südostdeutschen Landsmannschaften. Diese Erklärung gab er in feierlicher Form ab.

 

Vorangegangen war eine eingehende Analyse der ostpolitischen Lage im Blick auf die bevorstehenden Moskauer Verhandlungen durch den Sprecher der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, Prof. Dr. Dr. Hans Koch, München. Zur kommenden Genfer Konferenz gab ein Vertreter des Auswärtigen Amtes eine umfassende Darstellung der west-östlichen Verhandlungssituation. Im Anschluss an die Ausführungen der drei Vortragenden wurden konkrete Fragen der Wiedervereinigung sowie Möglichkeiten und Gefahren erörtert, die sich auf den bevorstehenden Konferenzen ergeben könnten.

 

 

Seite 1  und 2    Im Fadenkreuz. Moskau. Politische Analyse der zeitgenössischen Ost-Westlage. Von Prof. Dr. Dr. Hans Koch-München

Am 7. Juni 1955 übergab die Sowjetische Botschaft in Paris der Deutschen Botschaft eine Note der Sowjetregierung, in welcher „der Kanzler der Deutschen Bundesrepublik, Herr Konrad Adenauer, und andere Vertreter, welche die Regierung der Bundesrepublik entsenden möchte“, für „die nächste Zeit“ nach Moskau eingeladen werden, „um die Frage der Herstellung der diplomatischen und Handelsbeziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik zu besprechen und die damit zusammenhängenden Fragen zu erörtern“.

 

Aus der ungewöhnlichen Art, in welcher diese Einladung übermittelt worden ist. kann zwar geschlossen werden, dass die Sowjetregierung es mit der Note sehr eilig hatte, nicht aber, ob diese Eile bloß gespielt oder echt ist. Auch sonst darf die Einladung nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit anderen, fast gleichzeitigen Akten des Kreml betrachtet werden: Dann ergibt sich freilich die Tatsache, dass die Sowjetregierung auch an anderen, bisher empfindlichen Weltfronten kurztritt, indem sie z. B. den jahrelang hintertriebenen österreichischen Staatsvertrag plötzlich flott machte, sich — nach erbittertem Bruderkrieg — ebenso plötzlich mit Tito aussöhnte und vor allem die außerordentlich verschärfte Lage in der Formosa-Straße durch ihren mäßigenden Einfluss auf ihre rot-chinesischen Bundesgenossen (soweit bei deren steigendem Selbstbewusstsein möglich) entspannte.

 

Aus solchen und ähnlichen Vorgängen glauben einzelne Beobachter schließen zu dürfen, dass die Sowjets diesmal wirklich eine Befriedigungspolitik einleiten („der Kalte Krieg taut auf“) und dass es möglich ist, schon jetzt über etwaige praktische Folgen einer solchen Friedensoffensive nachzudenken.

 

Bei Unterstellung, dass diese Arbeitshypothese zutrifft und in stetem Blick auf die Gefahr, dass „aufgetautes“ Packeis immer noch trügerisch ist, ja die Neigung hat, stets von neuem zuzufrieren — fragen wir:

 

1. Was sind die vermutlichen Ursachen des sowjetischen Einlenkens?

 

2. Wie ist die voraussichtliche Lage beider Partner bei Beginn der Gespräche?

 

3. Wie dürfte sich der etwaige Verlauf der Gespräche — besonders im Blick auf unsere „landsmannschaftlichen“ Probleme — gestalten?

 

Bei der Antwort auf diese Fragen sind Vereinfachungen nicht zu vermeiden; es wird schon jetzt gebeten, sie zu entschuldigen.

 

I.              Vermutliche Ursachen des sowjetischen Einlenkens

Innenpolitische Ursachen

 

1.   Das Ruhe- und Konsumgüter-Bedürfnis der Bevölkerung: Das Sowjetvolk will 40 Jahre nach der Revolution deren Früchte sehen und 10 Jahre nach dem Sieg die gleichen Konsumgüter genießen wie der angeblich faule und geschlagene Westen. Die Sowjet-Bürokratie und technische Aristokratie zeigt Anwandlungen der Verbürgerlichung und Hang zum „besseren Leben“ und zum „weißen Händchen“ (belaja rucka) des Intellektuellen. Die Besatzungstruppen haben den Westen kennengelernt und vergleichen ihn — nicht immer zum Vorteile der Sowjets — mit der sowjetischen „rodina“.

 

Die Ernährungslage des Landes ist, bei wachsender Bevölkerung und angesichts notwendiger Kriegsreserven angespannt; die neuen „jungfräulichen“ Böden Zentralasiens und Westsibiriens werden zwar eine Vermehrung um ein Fünftel der bisherigen Agrarfläche bringen, aber erst in etwa 6 Jahren (1960 - 1962) wirksam. Doch wird die erwünschte „Autarkie“ auch dann kaum erreicht sein, weil die Bevölkerung trotz aller Kriegsverluste schneller wächst als ihre Nährbasis.

 

Ein ebenso großes Missverhältnis zeigt die angespannte Energiewirtschaft; die ungeheuren Anstrengungen der Rüstungsindustrie besonders auf dem Sektor der Raketen- und Atomwaffen haben die Elektrizitätsherstellung offenbar überfordert und in Engpässe getrieben.

 

2.   Die „Napoleonische“ Gefahr: Der Historische Materialismus lehrt bekanntlich die „Determinierung“ aller, auch der revolutionären Geschehnisse, als „gleiche Folgen aus gleichen Ursachen“.

 

Demgemäß wird von dem Interpreten der „Großen Oktoberrevolution“ die Gefahr erwogen, die Revolution sei — wie einst die Französische — in das Stadium der „Napoleonie“ getreten: Napoleon I. (Stalin) ist in Ehren gestorben; Napoleon II. (Berija) wurde hingerichtet; droht ein Napoleon III.: Zukov? Rokossovskij? Oder wird für eine Zeitlang das bisherige Trojka-System die Macht ausüben? In diesem Falle – wer mit wem? Oder genauer: Wer gegen wen?

 

Außenpolitische Ursachen

 

1.   Die Erstarkung der „Kapitalistischen“ Welt: Aus den Erklärungen zahlreicher sowjetischer Politiker und Militärs klingt die Sorge vor „den amerikanischen (‚kapitalistischen‘) Stützpunkten rings um die Sowjetunion“. Man fühlt sich „eingekreist“ und sucht den Ring zu sprengen. Ein Versuch der Ausschaltung Frankreichs wurde abgeblasen — offenbar, weil die Bedeutung dieses Staates seit Indochina und Tunis nicht im Wachsen ist.

 

2.   Die Bedeutung der deutschen Streitkräfte darf in diesem Zusammenhang nicht überschätzt, aber auch nicht unterschätzt werden: Ohne deutsche Divisionen war die Überrennung Westeuropas für die Rote Armee nur ein Flankenmanöver; nach der Bewaffnung der Bundesrepublik — deren Vollendung in etwa 4 Jahren zu erwarten sein dürfte — ist ein Angriff auf Westeuropa nur mit größeren Truppenmassierungen möglich, die ihrerseits willkommene Ziele für taktische Atomwaffen bilden.

 

Es ist in diesem Zusammenhang nicht schlüssig zu beweisen, dass das russische „Einlenken“ (falls es sich überhaupt um ein „Einlenken“ handelt) auf die sogenannte „Position der Stärke“ zurückgeht. Tatsache aber ist zweierlei: Dass — erstens — die Sowjets bisher leidenschaftlich, ja verzweifelt (im Gegensatz zu ihrer sonstigen, in ähnlichen Fällen gewahrten, fast zynischen Ruhe) die „Politik der Stärke“ ablehnten, sich also durch sie als gereizt erwiesen. Und dass die Sowjets — zweitens — ihr politisches Angebot just nach den Pariser Verträgen machten, — der öffentlichen Meinung also eine sehr empfindliche Angriffsfläche darboten.

 

3.   Die Erstarkung der asiatischen Welt:

 

a)     China beginnt den Russen über den Kopf zu wachsen. Der Geburtenüberschuss von ca. 600 Millionen Chinesen wird sich in zwei Generationen — kaum früher — an der sowjetischen Grenze bemerkbar machen. Anlässlich ihres Besuches im Januar 1955 in Peking erfuhr die sowjetische Delegation zu ihrer Überraschung, dass China die allgemeine Wehrpflicht eingeführt habe; das bedeutet eine, in ca. 15 Jahren an der Sowjetgrenze stehende rot-chinesische Streitmacht von ca. 600 Divisionen (sechsmal so viel als die deutsche Wehrmacht vor ihrem Ostfeldzug 1941) - mindestens 10 Millionen Infanterie. Gegen wen? Und wer soll sie technisch bewaffnen?

 

Diese rot - chinesische Wehrmacht auszurüsten, haben die Moskauer Unterhändler im Vertrag von Peking 1955, offenbar nach sehr schwerem inneren Ringen und unter Anspannung aller Hilfskräfte des eigenen Landes, auf sich genommen. Um aber eine solche überdimensionale Rüstung — neben der eigenen — aufrecht zu erhalten, musste die nach dem Tode Stalins gerade noch eingeführte Konsumgütertheorie Malenkows (und dieser selbst) am 08.02.1955, unmittelbar nach der Rückkehr der Delegierten aus Peking, über Bord geworfen werden. Moskau muss jetzt also sowohl für sich selbst, als auch für Rot-China (einen potentiellen Gegner) arbeiten, entbehren und abermals „auf die Früchte der Revolution von 1917 verzichten“. Es muss ferner damit rechnen, dass das gleiche China, das heute bei Moskau bestellt und billig kauft, morgen (wenn etwa Moskau seinen Lieferungspflichten nicht nachkommt) zur Konkurrenz gehen wird, d. h. mit Amerika (oder Deutschland) abschließt. Mit dem Ausbruch Chinas aber ist die Ostflanke der Sowjetunion bedroht und das Land selbst einem Zweifrontenkrieg zugänglich.

 

b)   Die asiatische Flanke Moskau ist auch sonst in Gefahr: Das allgemeine asiatische Selbstbewusstsein wächst. China ging nach Korea (von Moskau gerufen) hinein, aber nicht mehr hinaus. Das gleiche China kam 1954 nach Genf als Moskaus „Klient“ — ging aber ab als Moskaus „Patron“. Man soll auf etwaige russisch-chinesische Spannungen nicht allzu voreilige Hoffnungen setzen: Doch hat die 800-km-Grenze Chinas gegen die Sowjetunion sehr durchlässige Stellen und so wunde Punkte wie Korea; Mongolei, Mandschurei, Sinkiang, die sich alle oder einzeln auch als Brandherde ausbreiten können.

 

Die Konferenz von Bandung im Frühjahr 1955 hat (beschickt von 29 Staaten als Vertretern von zirka 1,4 Milliarden asiatischer Menschen!) den Sowjets die volle Gefahr aufgezeigt, indem sie die Lösung prägte: „Gegen Imperialismus und gegen Kommunismus!“ In beiden Fällen ist — neben USA, England, Frankreich, selbst China — auch die Sowjetunion gemeint, die somit nicht mehr länger die Lösung variieren kann „Asien den Asiaten“!

 

 Wird diese (bisher von den Sowjets aus propagandistischen Gründen gegen USA und England geförderte) Parole von den Asiaten wirklich ernst genommen — dann verringern sich die russischen Sicherheiten in Ost-Sibirien, in den neuen Atom- und Industriezentren von Ural-Kuznezk (Magnitogorsk), besonders aber die sowjetischen Kolonien in den Baumwoll- und Kornkammern Zentralasiens (Uzbekistan, Kasachstan!).

 

c)    Die Russen stehen vor einem weltgeschichtlichen Scheideweg zwischen West- und Ostpolitik: Beharren sie auf der bisherigen, versteiften Westpolitik (Potsdam), dann müssen sie die Ostpolitik vernachlässigen und der Stärkung Asiens (Bandung) ihren Lauf lassen. Wollen sie aber ihre, nach Asien verlagerten Rüstungs- und Ernährungszentren für die spätere Zukunft retten, so müssen sie in Europa Ballast abwerfen, ja sich für alle späteren Möglichkeiten den Rückzug nach Europa sichern; das bedeutet den Zwang: in Potsdam vorübergehend kurz zu treten, um gegen Bandung gerüstet zu sein. („Vorübergehend“ heißt auf asiatisch: „für Jahrzehnte“. Alle Maßstäbe der Sowjet-Union sind zeitlich auf sehr lange tempiert und entbehren jeder westlichen Dramatik.)

 

4.     Die Erstarkung des außer-russischen Kommunismus:

 

Bisher hatte Moskau unbestritten die absolute Führung des Weltkommunismus in der Hand: Die III. Internationale war identisch mit Moskau, die Kominform ein Befehlsempfänger des Kreml. Seit dem Sieg der Revolution in China 1948 und der Legitimierung des jugoslawischen Titoismus durch Chruscev und Bulganin 1955 hat Moskau diesen Totalitätsanspruch aufgegeben; es ist nicht mehr die, sondern bloß eine kommunistische Führungsmacht.

 

Das bedeutet nicht nur eine Machtverminderung der Führung, sondern auch eine Verdünnung des Prinzips: Denn der chinesische Kommunismus galt bisher als heterodot, der jugoslawische gar als ketzerisch. Nun aber sind beide der Moskauer (bisherigen Orthodoxie gleichgestellt, — diese also zum ersten Mal seit ihrem Bestehen relativiert und reduziert. Praktisch gibt es heute keinen alleinseligmachenden (Moskauer) Marxismus, sondern drei gleichberechtigte „Titoismen“

 

 

Seite 1 und 2   Falscher Zungenschlag

In diesen Wochen begegneten sich Hunderttausende vertriebene Ostdeutsche auf ihren Heimattreffen. Nach dem eindrucksvollen Heimatbekenntnis der Ostpreußen und Sudetendeutschen, trafen sich die Vertriebenen aus dem Weichsel- und Warthegebiet und etwa dreihunderttausend Schlesier in Hannover.

 

Der „Rheinische Merkur“ hat sich mit diesen Heimattreffen befasst und vor allem den „Geist des Preußentums“ analysiert. In der Ausgabe vom 10. Juni kann man unter der Überschrift „Absage an den Chauvinismus“ u. a. folgendes lesen: „Und gerade auf einer Veranstaltung der Königsberger sollte man nicht vergessen, dass der Gründer dieser Stadt kein Preuße, kein Etatist, ja, nicht einmal ein Deutscher war, sondern ein tschechischer Fürst, der Böhmenkönig Ottokar...“ — Dialektik ist eine feine Kunst; wer sie beherrscht, kann ja zu nein, vier zu fünf, schwarz zu weiß machen oder doch wenigstens mit Halbwahrheiten, die sich nur mit langatmigen Erklärungen widerlegen lassen, die Köpfe verwirren. Beim „Rheinischen Merkur“ versteht man offenbar sehr viel von dieser Kunst.

 

Königsberg trägt in der Tat seinen Namen nach dem Böhmenkönig; nur war er nicht selbst der Gründer, sondern nur als Ehrengast bei der Gründung zugegen. Gegründet wurde die Burg am Übergang der alten Bernsteinstraße über den Pregelfluss von Deutschen Ritterorden, an dessen Zug zur Eroberung des Samlandes im Jahre 1254 Ottokar als Bruder Kreuzfahrer teilgenommen hatte.

 

Ottokar war auch kein Preuße, denn Preußen im heutigen Wortsinn gab es damals noch nicht. Er war vom Vaterstamm her auch kein Deutscher, aber er hatte einen deutschen Namen, eine deutsche Mutter, eine deutsche Großmutter und eine Deutsche als erste Frau. Ob er sich als Deutscher gefühlt hat, wissen wir nicht. Sicher aber hat er als Fürst des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ gedacht und gehandelt. Denn das ist er gewesen, ebenso als König des halbtschechischen Böhmens wie als Herr der ganz deutschen Länder Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain. Als Fürst des Reiches und Erzkämmerer hat er schließlich sich sogar um die Kaiserkrone beworben.

 

Sollte man das alles beim „Merkur“ nicht gewusst oder zu erwähnen nun etwa selbst vergessen haben? Wir können das nicht glauben. Man wusste schon Bescheid, aber man hielt es für klüger, nicht alles zu sagen, was man wusste, und man sagte es so, wie man es nach der vorgeblichen Art des Gegners für zweckmäßig hielt.

 

Des Gegners? Ja, jener Redner nämlich, die „auf dem Duisburger Treffen der Königsberger“ versuchten, den ‚Geist des Preußentums‘ zu galvanisieren.

 

„Haben sie vergessen, dass dieses Preußentum ... auch die Idee des streng reglementierten Einheitsstaates und somit eines rücksichtslosen Etatismus umschließt? Das aber ist keine Denkart, die einer föderalen, freiheitliebenden, auf die Gleichberechtigung der Volkspersönlichkeiten und Sprachen gegründeten Friedensordnung stracks widerspricht“.

 

So fragt der „Merkur“ und, indem er fragt, unterstellt er schon die vollendete Tatsache und unterstellt zugleich, dass man Leute, die so etwas vergessen können, mit dem nationalstaatlichen Denkschema zugeordneten Behauptung, der Gründer Königsbergs sei weder Preuße noch Deutscher, vor sich selbst und vor der gesamten Öffentlichkeit zu blamieren vermag. Von der Blamage bis zur Ausschaltung der blamierten Galvanisateure des „Preußengeistes“ aus der deutschen und europäischen Politik zu Gunsten karolingisch-habsburgischer Geister dürfte dann nur noch ein kleiner Schritt sein.

 

Wahrlich eine vollkommene Dialektik! Nur die Prämissen sind falsch. Wir können hier nicht untersuchen ob Etatismus und Reglementierungssucht in der Wiener Hofburg, in München des Grafen Montgelas, in manchen geistlichen Fürstentümern nicht mindestens ebenso groß gewesen sind wie in Berlin. Wir wollen aber mit allem Nachdruck feststellen, dass diese angeblich typisch preußischen Eigenschaften der Gleichberechtigung der Volkspersönlichkeiten und Sprachen im alten Preußen zu keiner Stunde Abbruch getan haben. Dem König von Preußen konnte man nicht nur als Märker oder Pommer oder Schlesier, sondern auch als Franzose, Jude, Pole, Litauer mit allen Rechten dienen, falls man ihm nur treu diente. Dutzende von Namen beweisen es: der Däne Niebuhr, der Schwede Arndt, der Franke, Gneisenau, die Hannoveraner Hardenberg und Scharnhorst, der Marchese Lucchesini, der Hesse Stein, der Sachse Fichte, der katholische Oberschlesier Eichendorff, die polnischen Adeligen Radowitz und Radziwill. Und neben den Einzelnen stehen ganze Volksgruppen: die Hugenotten, die Salzburger, die Masuren, die Litauer, die sogenannten Wasserpolacken. Warum kamen sie nach Preußen, warum hielten sie zu Preußen, wenn dort eine aller Gleichberechtigung und Freiheit widersprechende Denkart herrschte? Es ist schon so: Preußentum hat nichts mit Geburt zu tun, sondern mit geistiger Entscheidung. In dieser Entscheidung aber liegt, worauf es in diesem Zusammenhang ankommt, die Ablehnung jedes engherzigen völkischen Prinzips eingeschlossen. Der Kampf großer Teile des altpreußischen Adels gegen den Hitlerismus richtet sich wesentlich gegen dessen Volkspolitik im Osten, die allen preußischen Traditionen widersprach.

 

Das ist die Wahrheit. Wer die Wahrheit unterschlägt oder fälscht, um die noch immer lebendigen und wertvollen geistigen Traditionen und politischen Erfahrungen des Preußentums aus der Politik, der Außenpolitik zumal auszuschalten, schädigt Deutschland und schädigt Europa. Dr. A. K.

 

 

Seite 2   Die beiderseitige Lage zu Beginn der Herbstgespräche 1955

A  Moskau

Moskau kommt nicht als geschlagener oder bankrotter, sondern als nüchterner und nach jeder Richtung realistisch denkender Partner — taktisch aus eigener Initiative und operativ aus eigener Entschlusskraft — an den roten Verhandlungstisch.

 

1. Aus seiner historisch-materialistisch getränkten Denkweise heraus betrachtet es auch die gegenwärtige (kritische) Phase nur als eine Etappe der Weltrevolution. Molotow urteilte vor den Sowjets am 8. Februar 1955: „Unsere Lage ist gekennzeichnet nicht nur durch quantitative, sondern vor allem durch qualitative Veränderungen“. Die Einladung Deutschlands nach Moskau ist daher — nach wie vor — als „operative Diversion“, bestenfalls als strategisches Scheinmanöver, nicht aber als grundsätzliche Schwenkung der SU zu werten. Die Preisgabe Österreichs ist als Damen-Gambit zu beurteilen, dem das große Spiel um einen „neutralen Puffergürtel“ an der eigenen Westflanke erst folgen wird; Ziel dieses cordon sanitaire dürfte — staatspolitisch — dessen Neutralisierung, weltrevolutionär seine „Volksdemokratisierung“ sein. Letztere wird besonders dann bedrohlich, wenn es den Russen gelingt, die „neutrale“ österreichische Wirtschaft derart mit der sowjetischen zu verflechten, dass eine politische Sonderstellung Österreichs praktisch nicht mehr möglich sein wird.

 

3.     In Moskau werden Bulganin und Molotow zum ersten Mal in der Weltgeschichte — wie Molotow am 8. Februar 1955 vor den Sowjets stolz verkündet hat — an der Spitze einer Machtgruppe verhandeln, die den bisher verachteten Bolschewismus aus seiner — 1918 bis 1934 durchgestandenen — Isolierung gelöst und zu einer globalen Kraft gemacht hat. Es gehören heute zu Moskau:

 

In Europa:

a) zum ersten Mal in der Weltgeschichte vereinigt — alle Slawen: Russen, Ukrainer, Weißruthenen, Polen, Tschechen, Slowaken, Wenden, Sorben (Masuren, Schlonsaken); Bulgaren. Hierzu „Gewehr bei Fuß“: Serben, Kroaten, Slowenen, Bosnier, Montenegriner, Makedonier; Tito reist als Gast des Kreml nach Moskau;

 

b) die übrigen Satelliten Zwischeneuropas: Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Rumänien, Albanien;

 

c) eine strategisch einzig günstige Ausgangssituation: Mit Königsberg, Danzig, Stettin an der Ostsee; Warna am Schwarzen Meer; Albanien an der Adria! Mit geballter Kraft, offensiv aufmarschiert, wie niemals bisher in der Weltgeschichte, an der Wespentaille Europas (Elbelinie) 175 gegen 40 Divisionen.

 

In Asien:

a) Rot-China (für die nächste Generation) mit eigenen Satelliten (Korea, Tibet);

 

b) Nord-Vietnam (mit potentiellen Satelliten: Süd-Vietnam?), insgesamt rund 900 Millionen Menschen!

 

B. Deutschland (Die Bundesrepublik)

a) Deutschland verhandelt zum ersten Male in der Weltgeschichte an Seiten eines mondialen Westblocks gegen den globalen „Ostblock“. Aber seine Stellung in diesem Westblock ist schwächer als die russische im Ostblock: Moskau führt und regiert (noch) seine Satelliten, während Deutschland innerhalb eines verhältnismäßig jungen Gefüges mitgeht; Moskau kann (noch) diktieren; Deutschland muss (und will) Rücksicht nehmen; Moskau hat deutsche Faustpfänder in der Hand (Oder-Neiße-Gebiete, DDR, Kriegsgefangene, Zivilinternierte), während Bonn sozusagen mit leeren Händen dasteht. — Moskau hat verhältnismäßig mehr Zeit (die chinesische Gefahr wird erst in zwei Generationen wirksam), Deutschland dagegen muss besorgen, dass die sowjetische Gefahr in der DDR schon nach etwa einer Generation bedrohlich wird.

 

b) Der in diesem Zusammenhang oft gezogene Vergleich der jetzigen Lage unserer Bundesrepublik mit jener von Rapallo 1922 lässt sich nicht anwenden. Damals, 1922, ging es um zwei vergleichbare (kommensurable) Staaten, die beide — geschwächt — aus Versailles als Benachteiligte hervorgegangen waren; heute müsste Deutschland als kaum mittelgroßes Staatsgebilde mit einer übernationalen Weltmacht verhandeln. Damals ging es um verhältnismäßig untergeordnete Probleme (Anerkennung der Vorkriegsschulden, „Normalisierung“ der Wirtschaftsbeziehungen und der diplomatischen Beschickung), die allerdings von der damaligen — und heutigen — Westpropaganda übertrieben aufgebauscht worden sind; heute geht es um Weltprobleme: Wiedervereinigung, Oder-Neiße, Nato, Sicherheitspakt, KO-Existenz. — Damals gab es in Deutschland noch Gruppen, die traditionell an einem Russenbündnis festhielten (z. B. der preußische Staat; die Reichswehr); heute fehlen (noch?) diese politischen und — seit 1945 — die psychologischen Voraussetzungen (Verhalten der Russen als Besatzungsmacht; Rache- und Raubjustiz; Zurückhaltung der Kriegsgefangenen usw.).

 

b)    Dennoch ist die deutsche Ausgangssituation heute günstiger als 1922 (Rapollo) oder gar 1945 (Potsdam): Nicht nur weil Deutschland mächtige (allerdings nicht ganz gleich aktionsfähige) Bundesgenossen hat: USA; im Abstand England; nachhinkend Frankreich.

 

Sondern weil die Bundesrepublik (Deutschland) gerade dort die potentiell günstigsten und freundlichsten Verbündeten besitzt, wo Moskau sie braucht und sucht, nämlich in Asien: Deutschland ist in Asien die einzige, nicht durch „Kolonial-Imperialismus“ kompromittierte Weltmacht; es ist die einzige Macht, deren wirtschaftliche Kapazität einen langfristigen und gewinnbringenden Güteraustausch mit Asien gestattet — ohne das politische Gesicht verlieren zu müssen; es ist der potentielle Weggenosse insbesondere jener asiatischen Staaten, die (wie Indien) an keinen politischen Machtblock, wohl aber an wirtschaftlichen Einfuhren interessiert sind, oder (wie Japan und China!) an der gefährlichen russischen Nachbarschaft leiden und ihre Handelspartner lieber bei harmloseren oder weiter entfernten Nationen suchen. Das gleiche gilt für die steigende Bedeutung Deutschlands in der arabischen und der vorderasiatischen Welt (Türkei).

 

III.

Die ostdeutschen Probleme in Moskau

1. Technische Vorbereitung:

a) Die ostdeutschen Probleme sind ein Teil der osteuropäischen Gespräche; in ihnen sind die Russen fraglos besser geschult; auf sie sind sie besser vorbereitet als die Deutschen, die bisher anderswohin (Saar, Nato) geblickt hatten.

 

Es ist anzunehmen, dass die Russen sich in den zwischeneuropäischen Gesprächen von ihren Satelliten, — in den ostdeutschen Fragen von den DDR (SED)-Leuten beraten lassen. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Deutschland in allen Fragen des Ostdeutschtums gut beraten sein wird (Landsmannschaften), in den Fragen der osteuropäischen Belange aber einer Spezialberatung noch zugänglich sein dürfte, z. B. in der Satelliten-, der Slaven-, der Titofrage usw.

 

b) Wie dem auch sei: Angesichts der Fülle anzuschneidender Fragen wird Deutschland sehr vorsichtig, d. h. sehr lange verhandeln müssen; die öffentliche Meinung, insbesondere die gelegentlich allzu hoffnungsfreudigen Landsmannschaften, werden mit einer Konferenzserie von vielleicht Jahren rechnen müssen.

 

2. Angebot und Forderung:

Bei den Verhandlungen werden voraussichtlich die Russen — als Einladende — von minimalen Angeboten, dagegen die Deutschen — als Eingeladene — von optimalen Forderungen ausgehen.

 

a)     Die Minimalangebote der Russen dürften von der Koexistenz der beiden deutschen Zwangsstaaten ausgehen (indirekte Anerkennung der DDR durch die BRD), wobei der eigentliche Zweck der SU, nämlich die Verewigung der Teilung Deutschlands durch ein Vernebelungsverfahren verhüllt werden dürfte, etwa in Form verlockender Handels- und Wirtschaftsangebote usw.

 

Gleichgültig, ob Deutschland dieses Manöver von vornherein oder erst nach Beginn der Konferenz ablehnt — so dürfte darauf die Aufstockung anderer Vorschläge erfolgen: vielleicht bis zum Angebot Ostbrandenburgs — Ostpommerns — West-Schlesiens. Ein Angebot freilich, das mehrfache Pferdefüße enthält: Es wird voraussichtlich nicht der Bundesrepublik, sondern der DDR gemacht werden; es wird die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie fordern und den Austritt aus der NATO verlangen.

 

Die Bundesrepublik dürfte zweckmäßig von einer Maximalforderung ausgehen, — nämlich der Entlassung der Satelliten aus der Moskauer Vorherrschaft. Damit sichert sich Deutschland psychologisch einen guten Start bei den zwischeneuropäischen Nationen („für eure und unsere Freiheit“) und sachlich einen Rahmen, innerhalb dessen es Ostpreußen mit gleichem Recht wie Oberschlesien fordern kann.

 

Innerhalb dieses Rahmens bedeutet das Aufrollen der Oder-Neiße-Linie automatisch die Frage nach der Curzon-Linie (Bug-Dniester), die von den Polen aufgerollt und von den Ukrainern leidenschaftlich abgelehnt wird. Auf keinen Fall dürfte sich Deutschland zu einer vorzeitigen Billigung irgendwelcher Sonderwünsche einzelner Satellitenstaaten oder zur Akkreditierung politischer Postulate verschiedener Emigranten herbeilassen (nodetermination, neperedresenstvo).

 

Wohl aber darf Deutschland damit rechnen, dass ihm alle Satellitenstaaten — einschließlich z. B. der Polen und Tschechen — schon jetzt — sozusagen vorschussweise — eine entscheidende Rolle im Ostraum zusprechen. Schon jetzt weisen sehr viele Anzeichen darauf hin, dass Deutschlands Geltung im zwischeneuropäischen Raum moralisch und politisch ansteigt.

 

Bei den Tschechen ist der Versuch erkennbar, die Neutralisierung Österreichs (sowie die etwa erwartete Neutralisierung Deutschlands) in einer Art von „Meistbegünstigung“ auch für sich selbst beanspruchen.

 

Das Steigen des deutschen Barometers quittieren ferner die Polen mit einem vielbeachteten Interview ihrer überparteilichen Exilzeitschrift „Kultura“ (Paris) mit Abg. Kiesinger und einer geplanten Artikelserie in der deutschen Zeitschrift „Europäischer Osten“ (München).

 

Ganz allgemein aber wetteifern die slawischen Stämme Osteuropas heute schon um den Nachweis, dass jene sowjetischen Panzerschützen, die am 17. Juni bekanntlich den Befehl zur Beschießung deutscher Aufständischer abgelehnt hätten — just dieser oder jener slawischen Nation angehören: eine Art von Alibi für den vermuteten Fall der deutschen „Machtergreifung“.

 

Im Einzelnen zeigen übrigens die bisherigen Erfahrungen, dass die Vertreter der zwischeneuropäischen Nationen und Nationalitäten noch immer alten nationalstaatlichen Ideen und Restaurationshoffnungen huldigen. Es wird gut sein, sie vorsichtig auf den Europagedanken hinzuweisen und Verhandlungen über etwa zu ziehende Staatsgrenzen auszuweichen. Statt dessen wäre die von den Landsmannschaften im Verkehr mit den fremdstämmigen Exilgruppen bewährte Methode einzuschlagen, lieber über die Selbstbestimmung der Völker — als solcher — zu sprechen und als Unterlage etwa die von alt-österreichischen Staatsrechtlern empfohlenen sogenannten Nationalkataster zu wählen.

 

Von ihrer Maximalforderung absteigend dürfte die Bundesrepublik sich jener Mittellinie nähern, die die SU — von ihrem Minimalangebot aufsteigend — zu konzedieren vielleicht willens sein wird: Welche es sein wird?

 

b)    Innerhalb der Gesamtproblematik Osteuropas ist die Wiedervereinigung Deutschlands für die Sowjets nur ein zeitlich nachgeordneter und sachlich wenig wünschenswerter Punkt der Tagesordnung. Er wird durch den Versuch abgelenkt werden, zuerst die Abrüstungsfragen, die ostasiatische Koexistenz, die Handelsbeziehungen in aller Welt, die Förderung zurückgebliebener Gebiete usw. fahrplanmäßig abrollen zu lassen und die Wiedervereinigung — trotz des modifizierten Eden- Planes erst an späterer Stelle (oder gar nicht) zu diskutieren. Die Gefahr: dass sich andere Verhandlungspartner, in erster Linie Frankreich, einem solchen verlangsamten Fahrplan anschließen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

 

In deutschem Interesse muss es daher liegen, diese Verzögerungstaktik zu überspielen und die Frage der Wiedervereinigung an die oberste, mindestens aber an eine ganz vordere Stelle des Tagungsplanes zu schieben.

 

Deutschland hat im letzten halben Jahrhundert nach zwei verlorenen Kriegen gegen Russland und nach drei versuchten diplomatischen Abkommen mit Moskau (1918 Brest Litowsk, 1922 Rapallo, 1941 Molotow-Ribbentrop-Abkommen) alle Stufen der Koexistenz mit diesem Staate abgewandelt, die theoretisch denkbar sind: Sieg- und Gewaltfrieden von Brest-Litowsk, Weichberechtigungsabkommen von Rapallo und Eroberungsbündnis von Moskau.

 

Es wird allerhöchster staatsmännischer Fähigkeiten und ungeheurer Verantwortungskraft bedürfen bei einer vierten Verhandlung, die diesmal weltgeschichtlichen Charakter haben wird, den richtigen Weg für Deutschlands Aufstieg und Zukunft zu finden.

 

 

Seite 3   Liebes Alt-Arys / Eine Erinnerung

Die Johannisburger Chaussee lief... ach nein, sie wanderte, denn damals hatte man viel Zeit... nach dem Durchqueren der weiten Kiefernheide noch Kilometer um Kilometer an dem Schießplatz und dem Exerziergelände dahin, ehe sie sich am Beginn des Barackenlagers zur Bronsartstraße umwandelte und somit ein Teil des Städtchens Arys wurde. Zur Rechten das Barackenlager mit Offizierskasino, Wache und Kommandanturgarten, zur Linken eine Zeile neuerbauter Bürgerhäuser, wurde die Bronsartstraße erst bei der alten Bürgerschule völlig zivil, da sie hier den Südrand von Alt-Arys durchschnitt und damit den Truppenübungs- und Schießplatz in ihrem Rücken ließ. Ein paar hundert Meter weiter schritt sie über den Bohlenbelag der Holzbrücke hinweg, die den kanalisierten Arysfluss durchwatete, und stieß gleich darauf in Höhe der alten Ordenskirche und ihres Gartens rechtwinklig in den Verlauf der Lötzener-Lycker-Straße hinein.

 

Außer diesen beiden langen Straßenzügen, einer Sackgasse und ein paar Abzweigungen feldwegartigen Charakters hatte das Arys der Jahrhundertwende nichts mehr an bebautem Raum vorzuweisen, doch bestanden seit Errichtung der Erstanlagen von Truppenübungs- und Schießplatz bereits Pläne für eine Straßenvermehrung, beispielsweise zu dem Gelände hin, das um die Mitte des ersten Jahrzehntes unseres gegenwärtigen Säkulums den Bahnhof an der Eisenbahnstrecke Lötzen-Arys-Johannisburg aufnehmen sollte.

 

Bis diese Strecke zustande kam, mussten die „Soldatchen“ zur Ableistung ihrer großen Sommerübungen marschierender Weise nach Arys hin. Sie kamen von — oder über — die Kreisstädte Johannisburg, Lyck und Lötzen, die schon Bahnverbindung besaßen. Das einzige öffentliche Verkehrsmittel zu diesen Kreisstädten hin bzw. aus ihnen her stellte so lange die Postkutsche mit ihrer fragwürdigen Romantik dar.

 

Ehe das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts den Arysern die große militärische Anlage bescherte, hielt das entlegene Städtchen nahe des Aryssees und inmitten mooriger Wiesen und wenig ergiebiger Felder zwar keinen Dornröschenschlaf, doch noch eine Art von Halbschlaf, in dem sich die Tage und Nächte auf dicken Socken ablösten. Keiner der Bürger ahnte, welch ein wirtschaftlicher Wandel zum Besseren plötzlich eintreten sollte, keiner ahnte, dass dieses entlegene Gemeinwesen alsbald in vieler Leute Mund gelangen würde; gelangen würde durch den Einfall einiger führender Männer des preußischen Fortifikationswesens, am Aryser Stadtrand eine Militärstadt zu erstellen.

 

Als dieser Plan eines schönen Tages in militärischen Kreisen zum Gesprächsstoff wurde, schaltete sich mit aller Kraft auch der Besitzer des stadtnahen Gutes Mykossen (späterhin Arenswalde benannt), der Rittmeister der Landwehr Martin Arnswald ein. Er erkannte sogleich die außerordentlichen Möglichkeiten, die sich durch die Verwirklichung des Planes für das liebe, alte Arys ergaben und wurde „höheren Orts“ dann auch mit Ankaufverhandlungen betraut, die sich auf das Terrain für Exerzier- und Schießplatz bezogen. In diesen Auftrag schaltete er den Aryser Kaufmann Richard Crueger ein, der damals bereits Kreistaxator war oder es alsbald wurde. Klar, dass auch der Aryser Bürgermeister, seine Ratsherren und manch ein anderer Aryser, der zu kalkulieren vermochte, dem zukunftsträchtigen Werk kräftig Vorschub leistete. Nun ja, und demgemäß flutschte denn auch alles wie auf grüner Seife. Wenn er es vermocht hätte, so würde der Aryser Kirchturm angesichts alles dessen, was sich nunmehr in seinem Blickbereich vollzog, vor Staunen die Spitze oft hin und her geneigt haben.

 

Erst mal in Angriff genommen, vollzog sich der Ausbau des Barackenlagers und der dazugehörenden Einrichtungen in imponierender Weise und mit ihm die wirtschaftliche Umstellung im Städtchen selbst auf den ständig wachsenden Bedarf hin, den die eintreffenden Truppen geltend machten. Mit den wirtschaftlichen Ansprüchen seitens des Militärs meldete sich auch der Wunsch nach Vergnügungsstätten an. Einstweilen beschränkte er sich nur auf Lokalitäten mit viel Krachmusik und junonischen Heben. Das war für das solide Bürgertum die bedenkliche Kehrseite der Medaille, doch da es mal a gesagt hatte, musste es auch b sagen und etwas mehr als bisher auf seine Mädels aufpassen.

 

Es sei hier vorweggenommen, dass sich der militärische Sektor bis in den ersten Weltkrieg hinein immer mehr aufblähte. Erst mit dem verlorenen Weltkrieg I setzte ihm der Atem aus. Damit begann für das Städtchen selbst, das völlig auf sein Militär eingestellt war, die Zeit der leeren Beutel mit all den unerfreulichen Begleiterscheinungen, die sich nun mal durch „Mangel an Masse“ einzustellen pflegen. Aber eines Tages war auch diese böse Krise überwunden und das Lager begann sich erneut ... und schließlich mehr denn je... mit Landsern zu füllen; immer mehr, immer mehr zu füllen, so dass sich die Notwendigkeit für den Ausbau weiterer und umfangreicherer Kasernements ergab.

 

Nach diesem Abgleiten in die neuere Zeit hinein zurück zur alten! Als unter Leitung der Regierungsbaumeister Sommer und Börschmann die Bahnstrecke Lötzen-Arys-Johannisburg nebst Bahnhöfen fertiggestellt worden war und in den festlich geschmückten Aryser Bahnhof der erste Personenzug einrollte, stand das ganze Städtchen jubilierender Weise auf Stützen. Die einzigen, die an diesem Tage in Wehmut schwammen, waren der Posthalter, seine Postillione und wohl auch die alten, braven, gelben Postkutschen. Der Geburtstag der Aryser Bahn wurde für jene Tag der Pensionierung. Zum letzten Male rumpelten die Postkutschen — blitzblank gewienert und umkränzt — die alten Routen dahin, zum letzten Male ließen die Postillione ihr Trari-trara erschallen; dann rollten die ausgedienten Verkehrsmittel in stille Remisen, dann gelangten die Posthörner in die Kommoden, die Postillionsröcke in die Ablegeschränke und die Postpferde in den Stall der Ackergäule. Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.

 

Die Eisenbahn gab Arys einen weiteren Ruck nach oben. Das wurde alsbald durch die Steigerung der Bautätigkeit augenfällig. Die Bronsartstraße erweiterte sich mit Geschäftshäusern und Wohnblocks; bestehende Läden im Stadtkern erhielten ein neues Antlitz, und schließlich wuchsen auch an der Trasse der Bahnhofsstraße Häuser auf, ich sage „schließlich“, denn diese Trasse lief noch verhältnismäßig lange durch freies Feld.

 

Die Jahre kamen, die Jahre gingen. Da gab es in einem schönen Sommer wieder mal einen außerordentlichen Wirbel. Der Bürgermeister war vom Platzkommandanten benachrichtigt worden, dass in Kürze der deutsche Kronprinz erstmals in der Stadt erscheinen werde. Er war damals Kommandeur der Leibhusaren, die in Danzig-Langfuhr standen, und gedachte, sein Regiment zu der angesetzten Sommerübung auf dem Aryser Platz zu begleiten.

 

Nun, und das tat er denn auch. Das Regiment kam mit der Bahn an und an einen der Transportzüge war der Salonwagen des Kronprinzen angehängt. Als die Schwarzen Husaren auf ihren bildhübschen, rassigen Grauschimmeln — vornweg als Regimentskommandeur Kronprinz Wilhelm — die Entladerampe verließen und durch die Bahnhofstraße zum Barackenlager ritten, tauchten sie in ein Meer von Grün und Blumen ein, das von den Farben der Fahnen- und Flaggentücher noch lebhafter gestaltet wurde. Zwischen Triumphbögen und eingepflanzten Jungbirken drängten sich zuhauf die festlich gekleideten Aryser und die Bewohner umliegender Ortschaften. Der Jubel, der die Einziehenden umbrandete, war so stürmisch wie ehrlich. Ein um das andere Mal neigte er sich aus dem Sattel zu herandrängender Jugend herab und drückte emporgestreckte Hände. Niemand ahnte damals, dass sich hier sozusagen der Schwanengesang einer Glanzepoche vollzog, zu der einst Bismarck den Grundstein gelegt hatte. Denn schon stand im nahen Hintergrund lauernd der Krieg, um aller alten Pracht den Todesstoß zu geben. G. S.

 

 

Seite 3   Tilsit heißt heute „Sowjetsk“

Die alte deutsche Handels- und Bürgerstadt Tilsit hat heute den in kommunistischem Sinne verpflichtenden Namen „Sowjetsk“ erhalten. Trotzdem sucht man hier vergeblich nach positiven Errungenschaften des Sowjetsystems. Tilsit, das vor dem Kriege 58 500 Einwohner zählte, hat im Frühsommer 1955 nicht einmal 29 000 Personen in den sogenannten Bürgerlisten zu stehen. Allen Bemühungen zum Trotz, hier die Neuansiedlung anzukurbeln nimmt die Einwohnerzahl eher ab als zu.

 

Zurzeit betreibt der Tilsiter Stadt-Sowjet eine große Werbekampagne im Innern Russlands. Unter dem Motto: „Kommt in die uralte russische Stadt am Njemen“ sollen noch 1955 über Zehntausend nach hier umgesiedelt werden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die wahrheitswidrige Behauptung von der russischen Vergangenheit Tilsits mehr Leute als bisher nach hier bringen wird. Die Bolschewisten bemühen sich überdies sehr, die Geschichte der Stadt zu verfälschen. So wurde z. B. jetzt eine Broschüre über die bekannte Tilsiter Turm-Kirche herausgegeben. Darin wird behauptet, dieses Gotteshaus sei im 18. Jh. von russischen Architekten erbaut worden. Wahr hingegen ist, dass die Kirche zwischen 1598 - 1610 von deutschen Baumeistern errichtet wurde. Auch dem deutschen Rathaus (1757 Grundsteinlegung) will man eine russische Vergangenheit andichten.

 

Diese Tendenz macht sich auch bei der allen Tilsitern bekannten „Deutschen Straße“ bemerkbar, die bereits seit 1520 Hauptstraße ist. Die Sowjets gaben ihr den Namen des zaristischen Generals Kutusow, der Napoleon schlug.

 

Weiter wurde das Denkmal des deutschen Dichters Max von Schenkendorff am Rathaus gestürzt und durch das Standbild einer russischen Soldatengruppe ersetzt. Genau gegenüber erhebt sich der Sockel mit dem bereits obligatorischen Panzer-Denkmal, dessen Geschützrohre nach Westen weisen.

 

Nichts erinnert ebenfalls mehr an die Quartiere der preußischen Königin Luise und Napoleons, die beide hier geschichtliche Tage erlebten. Die beliebte Promenade am Schlossmühlenteich wurde durch kleine Wandelhallen zu einer ständigen politischen Ausstellung gemacht. Lediglich die Luisenbrücke wurde wiederaufgebaut. Das Denkmal der Königin jedoch im Park von Jakobsruhe wurde niedergerissen. Der Park trägt heute den Namen „Kulturpark des werktätigen Volkes“ — er ist das bevorzugte Ziel der russischen Liebespaare … Bitter kommentiert ein deutscher Briefschreiber die Zustände in der Stadt: „Ihr würdet weder Jakobsruhe noch sonst irgendetwas in Tilsit wiedererkennen!“

 

 

Seite 3   Siedlerschule Katlenburg

Der nächste Hauptlehrgang beginnt am 24. Oktober 1955. Das Wintersemester (Grundausbildungslehrgang) dauert bis Ostern 1956, das Sommersemester (Aufbaulehrgang — auch für Landwirtschaftsschüler) beginnt am 16. April und schließt am 31. August 1956.

 

Aufnahmebedingungen für den Grundausbildungslehrgang: Mindestalter 19 Jahre, mindestens 3 Jahre landwirtschaftliche Praxis, Nachweis des Besuchs der landwirtschaftlichen Berufsschule.

 

Ausbildungsziel: Landwirtschaftliche Grundausbildung und Ablegung der landwirtschaftlichen Gehilfenprüfung.

 

Alle, die mit mindestens befriedigendem Erfolg die Zwischenprüfung und die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung abgelegt haben, werden in den anschließenden Aufbaulehrgang aufgenommen, der mit der staatlich anerkannten Siedlereignungsprüfung abschließt. Ostvertriebene und Flüchtlinge haben die Möglichkeit, ausreichende Ausbildungsbeihilfen zu erhalten. Ebenso können Erziehungsbeihilfen nach dem Bundesversorgungsgesetz für den Besuch des Lehrgangs bewilligt werden. Aufnahmeanträge und Prospekte sind bei der Leitung der Siedlerschule in Katlenburg/Harz anzufordern. Anmeldeschluss: 30.09.1955.

 

 

Rechtsstellung der ehemaligen Königsberger städtischen Angestellten und Arbeiter

Die ehemaligen Königsberger städtischen Angestellten und Arbeiter mit 10-jähriger städtischer Dienstzeit, die in Königsberg Anwartschaft auf Versorgung und Hinterbliebenenfürsorge hatten, haben bisher große Schwierigkeiten gehabt, ihre Ansprüche auch nach dem Gesetz zum Artikel 131 des Grundgesetzes geltend zu machen. Durch die Dritte Durchführungsverordnung zum Gesetz zu Artikel 131 GG in der Neufassung vom 10.06.1551 sind die Schwierigkeiten zwar noch nicht für alle Betroffenen beseitigt, doch ist eine erhebliche Verbesserung eingetreten. Hinsichtlich der Regelung ihrer Rechtsstellung stehen nun auch solche versorgungsberechtigt gewesenen städtischen Angestellten und Arbeiter den Beamten auf Lebenszeit gleich, die bei der Stadtverwaltung Königsberg oder einem städtischen Betrieb oder seinem Rechtsvorgänger bereits am 31. März 1938 eine Dienstzeit von 10 Jahren abgeleistet hatten.

 

Den ehemaligen Königsberger städtischen Angestellten und Arbeitern, die schon am 31. März 1928 im städtischen Dienst standen, und ihren Hinterbliebenen wird daher empfohlen, bei ihren Versorgungsregelungsbehörden — je nach Lage des Einzelfalles — Versorgung oder Unterbringung zu beantragen. Die für die Unterbringung in Frage kommenden Personen erhalten einen Unterbringungsschein und können unter bestimmten Voraussetzungen Übergangsbezüge beantragen. Bedingung ist, dass die nach dem Gesetz zu Artikel 131 anspruchsberechtigten Personen sich rechtzeitig bis 31. Dezember 1953 bei der für ihren Wohnsitz zuständigen Meldestelle gemeldet haben. Stadt Duisburg. Auskunftsstelle Königsberg

 

 

Seite 3   O Straßburg, O Straßburg!

Gilbert Grandval hat sein Land als Oberst in der Résistance, Militärgouverneur, Hoher Kommissar und schließlich Botschafter bei der Saarregierung treu gedient. Als Diplomat war er nicht immer sehr geschickt, besonders dann nicht, wenn es sich um Deutschland handelte, da er ein wenig zu sehr in den Gleisen der französischen Deutschlandpolitik von 1945 eingefahren ist. So war es verständlich, dass er sein großes Ziel — einen selbständigen Saarstaat in der Form Luxemburgs zu begründen — nicht erreichen konnte. Immerhin aber gelang es ihm, unter geschickter Ausnutzung der europäischen Idee Frankreichs Wünsche an der Saar zum größten Teil zu befriedigen. Grandval — und mit ihm Frankreich — konnte bei seinem-Abschied von der Saar auf ein stolzes Werk zurückblicken.

 

Es ist nicht nur in Saarbrücken peinlich vermerkt worden, dass dem Diplomaten Grandval just in dem Augenblick seiner Abreise nach Nordafrika wieder eine seiner Ungeschicklichkeiten passieren musste. Mit geradezu brutaler Offenheit hat er bei seiner Verabschiedung Wasser in den Wein aller europäischen Saarschwärmer gegossen. „Man verschone uns hier mit dem Argument der Supranationalität“, erklärte Grandval, und sagte weiter, dass er an der Saar nichts anderes als „die Verteidigung der französischen Interessen wahrgenommen“ habe. Im Interesse Frankreichs sei es ihm darum gegangen, dem deutschen Potential „ein für alle Mal die Bergwerke und Hütten an der Saar zu entziehen“. Das glaube er erreicht zu haben.

 

Welch' später Trost für Europas schönste Blütenträume! An der Saar, so meinten die europäischen Idealisten, würde die Praxis des ersten europäischen Territoriums exerziert. „Auf dem Altar Europas“, so wurde den widerstrebenden Deutschen gesagt, lohne es sich die Saar zu opfern. Und wir haben geopfert, um nun aus berufenstem Munde zu hören, dass unser Opfer nicht Europa, sondern dem Moloch des französischen Nationalismus dargebracht wurde.

 

Der letzte Dienst, den Gilbert Grandval seinem Lande an der Saar erwiesen hat, war wahrlich kein guter. Schon mehren sich erschreckend die Stimmen, die nach dem Exempel an der Saar in dem ganzen Straßburger Versuch einer europäischen Einigung nichts anderes sehen wollen, als einen Ausbau der französischen Hegemoniestellung auf kaltem Wege. Schon wird verbittert in der deutschen Industrie darauf hingewiesen, dass die ganze Montanunion für die Bundesrepublik bisher nur Belastungen und Einschränkungen, für Frankreich aber beachtliche Vorteile brachte.

 

Während Grandval in Saarbrücken seine offenen Worte sprach, macht sich in England eine zunehmende Tendenz bemerkbar, die britischen Vertreter im Straßburger Europarat überhaupt abzuberufen, weil man diesem Gremium keine ernst zu nehmende Bedeutung mehr beimisst. In Straßburg selbst zeigte sich bei der letzten Sitzung bittere Enttäuschung über das langsame Tempo der Regierung auf dem Wege zu Europa, zugleich aber auch mangelndes Interesse der Abgeordneten selbst, von denen zeitweilig nur noch 24 (von 87) in Straßburg anwesend waren. Es bleibt abzuwarten, ob das Montanparlament mehr Schwung und Interesse mitbringen wird, wenn es am 22. November zu seiner nächsten Sitzung zusammentritt. Jedenfalls wäre es traurig, wenn die Ansätze zu einer Einigung Europas so kläglich im Sande verlaufen müssten, wie es in den letzten Wochen oft den Anschein hatte.

 

Gilbert Grandvals letzte Amtshandlung in Saarbrücken war kein guter Dienst für Europa und die Idee von seiner Einigung. Gewiss wäre dieser Idee mehr gedient worden, wenn die Abtrennung der Saar nicht blasphemisch unter dem Deckmantel der Europäisierung betrieben worden wäre. Dem Manne Grandval bleibt zu wünschen, dass er in Nordafrika bessere Dienste leisten kann. (undo)

 

 

Seite 3   Wo blieb die Studentenschaft?

Am Abend des 2. Juli bewegte sich durch München ein Fackelzug. Er nahm seinen Ausgang bei der Universität und endete mit einer Kranzniederlegung vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten im Hofgarten. Initiator war der Kreisverband München des Verbandes der Landsmannschaften, der für den darauffolgenden Sonntag eine Großkundgebung „Zehn Jahre Vertreibung — alle geht es an!“ auf den Königsplatz angesetzt hatte. Der Fackelzug sollte dazu den feierlichen Auftakt bilden. Tausende Münchner säumten seinen Weg. Sie sahen, angerührt von dem ernsten, schweigenden Bild, die Deutsche Jugend des Ostens, die Sportjugend, die landsmannschaftlichen Gruppen vorbeiziehen. Sie sahen einen bayerischen Minister, die Fackel in der erhobenen Hand, in der ersten Reihe marschieren. Und sie erwarteten, wie das Programm es verhieß, auch die Studentenschaft der Universität zu sehen. Aber die Studenten kamen nicht. Ihr Fernbleiben hat tief enttäuscht. Geht sie das deutsche Unglück nichts an?

 

Der „Allgemeine Studentenausschuss“ (ASTA), die neutrale Spitzenvertretung der Studentenschaft der Universität München, war in einem am 14. Juni abgegangenen Schreiben des Kreisverbandes des VdL gebeten worden, seine Mitglieder zur Teilnahme aufzufordern. In dem Schreiben wurde gesagt, dass es sich darum handle, der Vertreibung vor zehn Jahren, aber auch der Brüder und Schwestern zu gedenken, die auch heute noch zu Tausenden gezwungen sind, ihre Heimat in der Sowjetzone zu verlassen; der Fackelzug solle die Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes mit ihnen bekunden. An die Studentenschaft als geistige Elite des Volkes ergehe die Bitte, sich dieser Bekundung anzuschließen.

 

Am gleichen Tage wurde auch der „Münchner Intercorporative Convent“ (MIC) schriftlich gebeten, die ihm angehörenden farbentragenden Verbindungen von dem beabsichtigten Fackelzug in Kenntnis zu setzen und sie zur Beteiligung aufzurufen.

 

In beiden Fällen war somit die Einladung rechtzeitig und in aller Form erfolgt. Um ganz sicher zu gehen, sprach ein Vertreter des Kreisverbandes des VdL beim Vorsitzenden des ASTA nicht weniger als viermal vor. Beim ersten Besuch wurde verabredet, dass der ASTA die ihm vom VdL übertragenen 15 Ankündigungs-Plakate zum Aushang bringen und seinerseits auf einem Klebestreifen die Studenten zur Teilnahme auffordern werde. Ausgehängt wurde dann jedoch nur ein einziges Plakat. Ohne den verabredeten zusätzlichen Aufruf des ASTA, und dazu an einer ungünstigen Stelle im Hause des Rechts.

 

Als sich am Abend des 2. Juli der Fackelzug vor der Universität formierte, fehlten die Abordnungen der Studentenschaft. Der Aufbruch verzögerte sich, es fielen heftige Worte der Empörung. Mit Recht ist die Frage aufgeworfen worden, wie man Spitzenvertretungen der Münchner Studentenschaft bewerten müsse, die sich dem Bekenntnis zur deutschen Sache entziehen.

 

Inzwischen hat der Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses auf Befragen erklärt, der ASTA beteilige sich grundsätzlich an keinem Fackelzug, es sei denn er veranstalte ihn selbst. Auf die Frage, bei welchen Anlässen der ASTA zum Fackelzug aufrufe, lautete die Antwort: gelegentlich eines Rektorenwechsels oder, wie z. B. im Vorjahr, am Geburtstag „Seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen von Bayern“.

 

Für die befremdliche Tatsache, dass der MIC es ebenfalls unterließ, seine Mitgliederverbände zum Fackelzug aufzufordern, ja die Einladung des VdL nicht einmal auf die Tagesordnung des Convents setzte, liegt keine Erklärung vor.

 

Als es am Abend des 2. Juli galt, für Recht und Freiheit zu marschieren und des deutschen Unglücks zu gedenken, war die Münchener Studentenschaft nicht zur Stelle. Es ist schmerzlich, dies feststellen zu müssen. Seit 150 Jahren hat die deutsche Studentenschaft stets an der Spitze gestanden, wenn es um das deutsche Vaterland ging. In München verhallte der Appell an die „geistige Elite des Volkes“ ohne Echo.

 

Welche Schlüsse soll man aus dieser bedauerlichen Tatsache ziehen ...?“ H. H.

 

 

Seite 4   Zehn Jahre ostpreußische Arztfamilien. Eindrucksvolle Tagung einer einzigartigen Selbsthilfeorganisation – Festsitzung des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde Königsberg – Vorträge namhafter Wissenschaftler – Professor Dr. Starlinger: „Die Preußische Passion“ – Gesellschaftsabend in den Hainberggaststätten.

Wer die Tagung der ostpreußischen Ärzte miterleben durfte, die am Wochenende nach dem Pfingstfest in Göttingen stattfand, musste erkennen, dass hier eine in ihrer Art einmalige Organisation geschaffen worden ist, geschaffen aus dem Nichts, geschaffen allein aus dem Mut, der Tatkraft, dem Willen zur Selbsthilfe, dem unermüdlichen, selbstlosen Einsatz einiger weniger und der Bereitschaft vieler, den in Not geratenen Kollegen und Angehörigen im Rahmen des Möglichen materielle und seelische Hilfe zu geben. Der Name trifft den Kern der Dinge, es ist wirklich eine Familie, in der jeder sich zu Hause fühlt, der das Glück hat, ihr anzugehören. Und diese 10-Jahresfeier ist der rechte Anlass, den Vater dieser Familie, den „pater familias“, Herrn Dr. med. Paul Schroeder, Dänischenhagen über Kiel, mit besonderer Betonung zu nennen. Er ist der Begründer und Leiter dieser einzigartigen Einrichtung, er hat sie aus kleinsten Anfängen sicher und zielbewusst durch alle Gefahren und Widrigkeiten geführt und auch dem Vereinigungsverbot der Besatzungsmacht getrotzt, um sein selbstloses Werk in eine gefahrlosere Zukunft hinüberzuretten. Nun ist es zehn Jahre alt, und aus dem langjährigen letzten Vorsitzenden der Ostpreußischen Ärztekammer ist inzwischen nicht nur ein vielbeschäftigter und hochgeschätzter Landarzt geworden, sondern so ganz nebenher der kinderreichste Vater der Welt. Mit den rund 1500 Kindern, die zur Familie gehören, schlägt er ohne Zweifel jeden denkbaren Mitbewerber. Deshalb sagt ihm der Chronist, bevor er den Bericht fortsetzt, von ganzem Herzen Dank und beglückwünscht ihn zum 10. Geburtstag seiner Schöpfung, die für so viele Hoffnung und Rückhalt geworden ist. Er tut es, wenn auch nicht im Namen, — denn dazu fühlt er sich nicht berechtigt — so doch im Sinne aller Familienangehörigen, auch derer, denen es nicht vergönnt war, an der Göttinger Festtagung teilzunehmen.

 

Sinn und Inhalt dieses Werkes? Wer wäre berufener, darüber auszusagen, als der Familienvater selbst! Bei einer Adventsfeier, die im vorigen Jahre in Dänischenhagen stattfand, sprach er die Worte: „... dass in unserer Ostpreußischen Arztfamilie, die nichts weiter ist und sein will als der Versuch, einen lebendigen Ausschnitt aus der menschlichen Gemeinschaft in unserer Heimat zu bewahren, also der Erhaltung unserer Art zu dienen,...“

 

Begrüßungsabend in Gebhard's Hotel

Strahlende Sonne empfing die zahlreichen Familienmitglieder und „Zaungäste“, — das sind nichtärztliche Angehörige der Familie, die sich diesem Kreise besonders verbunden fühlen — als sie in Göttingen eintrafen. Aus allen Teilen der Bundesrepublik waren sie erschienen, um die sorgfältig vorbereitete Tagung mitzuerleben. Ein großes und repräsentatives Programm erwartete sie und rollte ab wie ein präzise arbeitendes Uhrwerk, überall spürte man, wieviel mühevolle Kleinarbeit im Voraus geleistet worden war.

 

Der Begrüßungsabend in Gebhard's Hotel mit „Gespräch am Runden Tisch“, der im Laufe der Jahre viereckig geworden war und sich vervielfältigt hatte, vereinte schon eine stattliche Anzahl von Gästen. Überall freudiges Wiedersehen und lebhafte Begrüßung, und über dem Ganzen das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Es war die rechte Stimmung für „Tante Malchen“, die sich zwar ganz programmwidrig, aber deshalb gerade besonders wirkungsvoll in entsprechender Kostümierung und gewollt-verschüchtert in den Raum schob, um von ihren waghalsigen Abenteuern zu berichten und dem „pater familias“ sowie dem „Antipoden“ Chefarzt Dr. Schnorrenberg, silberne, geschmackvoll gearbeitete Ehrennadeln an den Rockaufschlag zu stecken, Sinnbilder der verlorenen Heimat und der ärztlichen Kunst. Die Überraschung gelang vollkommen. Verraten sei, dass hinter „Tante Malchen“ die bekannte Kinderärztin Dr. Lindstädt steckte. Was es mit dem „Antipoden“ auf sich hat, wird der Chronist noch berichten. Die zweite Freude des Abends war die Anwesenheit der bekannten ostpreußischen Dichterin Gertrud Papendick und ihr zu Herzen gehender Vortrag heimatlicher Gedichte und Kurzgeschichten, für den sie reichen Beifall erntete. Und die dritte Freude war, dass Dr. Alfred Lau , der Mundartdichter und langjährige Intendant des Reichssenders Königsberg, der der Familie angehört, erschienen war und mit mehreren übermütigen, lebhaft beklatschten Gedichten aus seinen Büchern „Schabbelbohnen“ und „Plidder, pladder“ die Gäste erfreute. Es war schon spät, als man sich trennte, um für die Veranstaltungen des nächsten Tages frisch zu sein.

 

Festsitzung des Vereins für Wissenschaftliche Heilkunde Königsberg

Ein kleiner Kreis musste schon um 10.30 Uhr Zur internen Mitgliederversammlung der „Alten, Versorgungskasse“ erscheinen, während alle Anwesenden sich dann um 12 Uhr im Hörsaal des Hygienischen Instituts trafen, um dem ausgezeichneten Vortrag von Professor Dr. Vogt, Flensburg zu lauschen. Er sprach über das Thema: „Die Entwicklung der Medizin im Spiegel der Karikatur“ und unterstützte seine Ausführungen durch zahlreiche Lichtbilder aus seiner privaten Sammlung, die er in jahrelanger, eifriger Arbeit zusammengetragen hatte. Es war wirklich ein Genuss, ihm zuzuhören, und unter den Bildern sah man manche Reproduktion, von großem Seltenheitswert. Reicher Beifall war der Dank der Versammelten.

 

Um 16 Uhr wurde im Physiologischen Institut die Festsitzung des Vereins für Wissenschaftliche Heilkunde Königsberg durch den Vorsitzenden Professor Dr. Harry Scholz eröffnet. Es war gelungen, zwei bekannte Wissenschaftler als Redner zu gewinnen, und in ihren Vorträgen fand die Tradition des Vereins, fundierte wissenschaftliche Arbeit zu leisten, erneut ihre eindrucksvolle Bestätigung. Der erste Redner war der frühere Direktor der Psychiatrischen Klinik in Königsberg, Professor Dr. Mauz, Münster. Er sprach über „Krankheit und Persönlichkeit“. In subtil formulierten Sätzen und mit interessanten Beispielen aus der eigenen praktischen Erfahrung umriss er das Problem, das im Zeichen der Ganzheitsmedizin immer stärkere Bedeutung für die ärztliche Arbeit gewinnt. Sein Vortrag erscheint — für alle, die nicht dabei waren, sei es mitgeteilt — noch in diesem Sommer als Sonderdruck. Auch Professor Mauz wurde sehr herzlicher Beifall zu teil.

 

Der zweite Festvortrag, von Professor Dr. Wiesner, Freiburg gehalten, behandelte das Thema: „Virchow als Altertumsforscher“, und gab einen umfassenden Einblick in die Arbeiten und Erfolge des großen Pathologen auf einem ganz anderen Sektor der Wissenschaft. Der Vortragende konnte nachweisen, dass Virchow mit Leidenschaft und Gründlichkeit zu Werke ging, zahlreiche Forschungsreisen unternahm, mit allen führenden Altertumsforschern Verbindung suchte und sich mit seinen überzeugenden Forschungsergebnissen einen Ehrenplatz in der Geschichte dieser Wissenschaft gesichert hat. Aufschlussreiche Lichtbilder ergänzten das gesprochene Wort. Auch diesen Vortrag belohnte herzlicher und ehrlicher Beifall. Mit dem Dank an die Redner schloss Professor Scholz die Festsitzung des nun über 100 Jahre bestehenden Vereins, dessen stolze Tradition alljährlich im Rahmen des Familientages in dieser Weise lebendig erhalten wird.

 

Gesellschaftsabend in den Hainberg-Gaststätten

Froher Geselligkeit war der große Festabend gewidmet, der am Sonnabend in den herrlich gelegenen Hainberg-Gaststätten auf dem Röhrs stattfand. Im Laufe des Tages waren ständig zahlreiche neue Gäste eingetroffen, so dass die Plätze an den gedeckten Tischen im großen Saal nicht mehr ausreichten und die geschlossene Veranda mit besetzt werden musste. So konnte Dr. Schroeder in seiner kurzen Begrüßungsansprache feststellen, dass diese Jubiläumstagung den bisher stärksten Besuch von allen Zusammenkünften aufzuweisen hatte. Bei gutem Essen und gutem Wein entwickelte sich dann, von der Hauskapelle durch flotte Musik unterstützt, auch schnell eine fröhlich festliche Stimmung. Dazu gab Dr. Lau noch einmal köstliche Proben seines heimatlichen Humors. Dann wurden die Tische beiseitegeschoben, und der Tanz kam zu seinem Recht, an dem sich aber nicht nur die zahlreich vertretene Jugend unermüdlich beteiligte, sondern auch die älteren Semester. In den kurzen Tanzpausen erfreuten Töchter und Söhne der Familie durch lustige Vorträge die Anwesenden, am Schluss wurden zu Gunsten der Hilfskasse wertvolle Bilder und Bücher verlost, und lange nach Mitternacht erst ging man auseinander.

 

Der Familientag

Am Sonntag um 10 Uhr stieg dann in demselben Saal unter sehr starker Beteiligung der eigentliche Familientag. Der kurzen Begrüßung mit der Ehrung der Toten — das letzte Jahr hat in den Reihen der Familienmitglieder wieder viele schmerzhafte Lücken gerissen — folgte ein ergreifender Vortrag von Gertrud Papendick aus ihren Werken. Dann erhob sich Dr. Schroeder zu seinem umfassenden Leistungsbericht „10 Jahre Ostpreußische Ärztefamilie“. Er hielt Rückschau auf das Werden der Gemeinschaft in diesem langen Zeitraum, auf alle Nöte und Schwierigkeiten, die überwunden werden mussten, und dankte allen Beteiligten für ihren immer wieder bewiesenen, selbstlosen Einsatz im Interesse aller, die Hilfe brauchten. Der drei Mal im Jahre erscheinende Rundbrief, das Bindeglied zwischen allen Familienangehörigen, darunter vielen jenseits des Eisernen Vorhangs, hat inzwischen die stattliche Auflage von 1600 Stück erreicht. Viele, viele „Päckchen des guten Willens“ wurden nach dem Osten verschickt und haben ihre Empfänger erreicht. Zahlreiche Briefpatenschaften geben den in der Ostzone Wohnenden seelischen Rückhalt und beweisen ihnen immer aufs Neue, dass sie nicht vergessen sind. Kaum noch zu bewältigen ist die Beantwortung der Post, der oft herzergreifenden Dankbriefe, die als Echo auf die freiwillig geleistete Familienfürsorge eingehen. Hier dankte der „pater familias“ vor allen den „Päckchentanten“, die unermüdlich am Werke sind, um die kleinen Gaben zu verpacken, die so viel Freude zu den Einsamen und Trostbedürftigen bringen, und dem „Antipoden“, der es immer wieder versteht, die hierfür notwendigen „Dukaten“ herbeizuzaubern. Unter anderen Pflichten versieht er nämlich insbesondere das schwierige Amt des Geldverwalters, und es ist kein Geheimnis, wie er es fertigbringt, den Säckel zu füllen und eine stabile Kassenlage zu schaffen. Alle Möglichkeiten müssen herhalten, auch der Sektkühler, der, von „Moritz“ und seinen Helfern geschwungen, die Runde durch den Saal macht und dann mit seinem Inhalt dem geplagten „Antipoden“ wieder ein paar Sorgen abnimmt. Besonders herzlichen Dank sagte Dr. Schroeder der ganzen Familie für ihre große Hilfsbereitschaft, für die zahlreichen „Obuli“, die das Postscheckkonto laufend erreichen.

 

Nun waren aber die beiden genannten Herren gezwungen, den Dank der Versammelten entgegenzunehmen, der der frühere Obermedizinalrat beim ostpreußischen Oberpräsidium Dr. Dembowski, in launigen Versen Ausdruck gab. Dabei überreichte er kleine Präsente, Bücher, Zigarren und Wein. Auch eine Päckchentante, die im Saal saß, wurde nicht vergessen. Diese rührende Geste, so recht Ausdruck der herzlichen familiären Verbundenheit, wurde mit besonders lebhaftem und starkem Beifall bedacht.

 

Professor Dr. Starlinger: „Die Preußische Passion“

Dr. Schroeder dankte in bewegten Worten für diese Zeichen der Treue und gab dann Professor Dr. Starlinger das Wort zu seinem mit größter Spannung erwarteten Vortrag: „Die Preußische Passion — eine Mahnung an uns“. Der Vortragende, der viele Jahre in sowjetischer Gefangenschaft zugebracht hat, kennt wie kaum ein zweiter die Mentalität und die innere Struktur des Sowjetsystems, und seine Erklärungen zur politischen Lage finden heute überall in der Weltpresse stärkste Beachtung. Noch einmal ließ er die Zeit des Zusammenbruches lebendig werden und ermahnte zum Verzeihen, denn, so sagte er, jeder von uns ist mitschuldig geworden, und wir alle müssen nun wachsam sein, um eine Wiederkehr ähnlicher Entwicklungen zu verhindern. Dann sprach er von der Zukunft, von der wachsenden Sterilität der bolschewistischen Idee und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Russland, vor allem aber von dem immer stärker fühlbar werdenden Bevölkerungsdruck Chinas auf die Sowjetunion, Tatsachen, in denen die letzten Gründe für das Einlenken des Kreml in jüngster Zeit zu sehen sind. Russland wird, so schloss er, in nicht allzu ferner Zeit den Anschluss an den Westen finden müssen, und dann wird auch für Deutschland die Stunde der Erfüllung aller Hoffnungen und Sehnsüchte schlagen. Ungemein herzlicher Beifall belohnte den ausgezeichneten Vortrag, der in seinen klaren Formulierungen und überzeugenden Folgerungen für alle zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde.

 

Dann sprach der Jüngste Heimkehrer der Familie — am 18. März 1955 erst traf er nach fast 10-jähriger Gefangenschaft wieder bei seinen Angehörigen ein — der ehemalige Stadtmedizinalrat von Königsberg, Dr. Seeger, über seine Erlebnisse in Russland.

 

Der Abschluss

Nach dem Beifall, der ihm galt, gab Chefarzt Dr. Schorrenberg einen kurzen Bericht über die Entwicklung der Kasse, dankte von Herzen allen Spendern und bat um weitere „Obuli“ für die Fortsetzung der selbstgestellten Aufgabe. Dr. Schroeder berichtet dann über verschiedene Familienangelegenheiten und schloss die so erfolgreich verlaufene Tagung mit einem Dank an alle, die zu ihrem Zustandekommen und ihrer Durchführung beigetragen hatten.

 

Ein ganzes Jahr wird nun vergehen bis zur nächsten Zusammenkunft. Sie wird wieder in Göttingen stattfinden, da die ostpreußische Ärzteschaft sich dieser Stadt besonders verbunden fühlt, deren Georgia-Universität die Patenschaft für unsere Albertina übernommen hat. Die Göttinger Tage sind vorüber, bleiben wird die Erinnerung an frohe und gehaltvolle Stunden, die alle Teilnehmer in der schönen Stadt verleben durften.

 

 

Seite 4   Sommerbilder aus der Heimat / Von Gerhard Kamin

Pfingsten ist schon lange vorbei, das Schmucklaub der Birken verwelkt, der Ruf des Kuckucks verstummt. Aber noch einmal, ehe der Wald stiller und der Sommer glühender wird, fahren wir im Boot den Kanal entlang, mitten durch die hohen Bestände hindurch, an den Krebsreusen vorbei, die wir am Abend leeren werden, bis zu den Waldwiesen, deren Heu wir an einem der kommenden Tage einfahren. Rudel von Störchen kreisen hoch über dem geschnittenen Heu, hinter dessen welkenden Farben die silberblaue Fläche des Haffs für Augenblicke erscheint.

 

Besuch ist gekommen. Wir sitzen gedrängt im Boot, vorn meine Schwester. Die bunten Schleifen der Mandoline fallen bis auf die Bootsplanken; wir singen. Lieder der Kindheit, der Heimat, des Waldes. Das leise Rauschen der Bugwelle, das Schwanken des Boots, wenn es sich an der Stange entlangschiebt, die es vorwärtsstakt. Langsam gleiten die Wipfel vorüber, Wand für Wand, das Mauerwerk des grünen Doms, in dem wir leben. Hell und leuchtend die frischen Farben in der Vormittagssonne, Wärme, Frieden, Erglühen, Wachsen, Reifen . . . Ein Lied löst das andere ab. In die Stille fallen Worte und Klänge wie Gebete. Und aus der Stille von damals steigen sie heute herauf, geschützt und verwandelt durch das Mysterium des Erlebens, das sie unvergänglich gemacht hat. Und es ergreift und bewegt heute wie damals die Tiefe und Wahrheit jenes Liedes vom Walde, das einer der Sehnsüchtigsten unserer Dichter zum Trost für viele gesungen hat:

 

„Bald werd ich dich verlassen,

fremd in der Fremde gehn,

auf buntbewegten Gassen

des Lebens Schauspiel sehn;

und mitten in dem Leben

wird deines Ernsts Gewalt

mich Einsamen erheben,

so wird mein Herz nicht alt. …“

 

Der Sommer geht ins Land, das Laub wird dunkler, das Korn reift. An einem Morgen in aller Frühe fahren wir auf Leiterwagen zum Haff. Mägde, Knechte, Kinder ... unter der Führung der Tante. Es ist Waschtag, einmal im Jahr soll die Wäsche in den Wellen gewaschen werden, wie in den mythischen Zeiten des Gudrunliedes. Nur selten noch sehe ich die Bilder jenes Tages deutlich vor mir, und wenn ich dann die fernen und rötlichen Sandgebirge der Kurischen Nehrung als einen schmalen und märchenhaft unwirklichen Streifen aus dem Dunst sich heben sehe, ist mir, als trennten mich Jahrhunderte von jenem Tage und als würden wir immer weiter von unseren Ursprüngen fortgeschleudert, ohne dabei zu gewinnen. Hat anders Gudrun am Gestade die Wäsche gewaschen als die Tante es tat, war alles hier nicht noch viel tiefer eingehüllt in eine mythische Wirklichkeit, als sie mir später die Sage offenbarte, und war nicht vieles damals schon herausgehoben aus dem bloßen Geschehen in das tiefere Bedeuten? Wie mag ich versonnen in den Wellen gestanden und zugesehen haben, wie sie die Wäsche überspülten, wie der Wind die flatternden Blusen der Wäscherinnen bewegte, wie die Rücken sich beugten und wie die Pferde bis zu den Knien im Wasser standen und vor Gelöstheit und Wohlbefinden wieherten … Ein Tag, der in seiner Urtümlichkeit ähnlich jenen gewesen sein mochte, von denen die Bibel erzählt; von der Ährenleserin Ruth zum Beispiel, von Josef im Ägyptenland, von den Fischern am See Genezareth, oder wie er in unseren Sagen und Märchen aufklingt: als das allem Fortschritt und allem Lärmenden Abgekehrte, der Mensch wie der erste Pflüger ein Sinnbild der heilenden Mühsal, getragen von den unzerstörten Kräften der beseelten Natur, und das Wissen um die Dämonen der Zerstörung so fern und unglaubhaft wie der Tod . . .

 

Am Ende der Ferien wird in allen Jahren das Scheibenschießen unter der großen Eiche der Waldwiese. Der Onkel veranstaltet es, und aus der Umgebung kommen sie: die Gutsbesitzer, Ärzte, Lehrer und Förster mit ihren Familien. Es ist noch eine stillere Zeit als heute, zwei, drei Autos fahren als angestaunte Wunderdinge zwischen den anderen Fahrzeugen auf, den Jagdwagen, Landauern, Gigs und allen anderen Arten von Sonntagskutschen. Der Scheibenstand führt in den Wald hinein, immer mehr Grünröcke sammeln sich am Schützenstand um den Onkel, während die Frauen an den Tischen unter der Eiche Platz nehmen und die Jugend sich in Gruppen auf der Waldwiese oder auf den Wegen zerstreut. Dann auf ein Zeichen der Klang des Waldhorns, rein, klar und wunderbar hell die Begrüßungsworte des Onkels, das gemeinsame Lied.

 

Bis in den Abend hinein das nahe Peitschen der Schüsse, hin und wieder ein Hochruf, ein Halali. Von den Tischen her aber die Musik der kleinen Bläserkapelle, zu der man unter der Eiche auf dem Rasen tanzt. Wie oft habe ich am Rande gesessen — ein Kind noch — und zugesehen, und wie oft habe ich seitdem bei lauteren und „gesellschaftlicheren“ Festen mich zurückgesehnt nach einer solchen Stunde auf unserer Waldwiese. . . Ich sehe sie heute noch: die großen, breitkrempigen Hüte der Frauen, die langen Zöpfe der Mädchen, die bunten Haarschleifen, die langen Röcke . . . und ich höre die Melodien der „Donauwellen“, über die man heute vielleicht lächeln würde, oder jener fast vergessenen sentimentalen Tanzlieder, in denen man, der Natur noch näher als heute, weinselig sang: „Machen wir's den Schwalben nach, bau'n wir uns ein Nest . . .“

 

Das Unvergessliche an diesem Fest waren die Spiele. Das „Böckchen, Böckchen, schiele nicht!“, „Zweiten, dritten abschlagen, das Laufen, Springen, das Händereichen, das Küssen, zu dem zwei verurteilt wurden, das Raten, das Tauschen von Blicken, das Auswechseln von Paaren. Unter allen sehe ich die Tante im breitrandigen Strohhut, wie sie die Kinder und Jugendlichen immer wieder zusammenruft, über sie hinweglacht, sie zu neuen Spielen ermuntert. Ich weiß, wieviel Verborgenes, Verhülltes und Verschwiegenes an jenem Tage für manchen aufbrach, und bis heute kann ich nicht ohne Wehmut Gottfried Kellers „Fähnlein der sieben Aufrechten“ lesen, weil sein Volksfest darin so sehr es in seiner südlichen Heimat spielt — das meine auf unserer Waldwiese ist, gemildert nur in den Farben und gedämpft von der Stille unserer Wälder.

 

Am Abend erleuchteten Lampions die Wiese und den Tanzplatz, und wenn nach dem Essen von den Tischen die Lieder erklangen, war es so wie in dem Lied, das ich viele Jahre später auf meinen Fahrten gesungen habe: „ ... und täten singen die Lieder klingen im Eichengrund…“ Erst gegen Mitternacht, wenn der Mond hoch über den Eichen stand, wurde „vorgefahren“. Die Kapelle spielte das Abschiedslied, das Halali des Waldhorns klang über die Gründe hinweg, und langsam, im Sand der Wege mahlend, lösten sich die Fahrzeuge aus dem Dunkel des Auffahrtsweges. „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen ...“ Händedrücken, Hüte schwenken … Weidmannsheil... Weidmannsdank ...

 

Die Fahrt dann unter den Sternen nach Hause. Der breite Hut der Tante als großer Schatten vor dem Licht der Sterne; wie ein Schutz und Schirm gegen alle Hände und Blicke, die sie später einmal herunterreißen könnten ...   Geschrieben am 18.06.1955

 

 

Seite 5   Ein ostpreußischer Bauernjunge wird Gärtnereibesitzer.

Zehn Jahre prägen unsere heimatvertriebene Jugend – Man muss nur wollen. Den Richard lockte nicht der Schwarze Markt – Vierzehnjähriger vertrat den Vater.

Zu Hause auf dem väterlichen Bauernhof im ostpreußischen Kreis Johannisburg hat der damals Vierzehnjährige den Vater vertreten müssen, der auf Grenzwacht steht, er hat den Pflug geführt und sich auf die Mähmaschine gesetzt. Er hat die Saat in die Furchen gesenkt und den Erntewagen in die Scheuer gefahren. Er war der Hoferbe und mochte bei seiner Arbeit davon träumen, dass dies allein sein eigen sein würde. Dann kommt Arbeitsdienst und Einberufung zur Wehrmacht, die Sowjets stoßen über die ostpreußische Grenze vor. Das Kriegsende trifft ihn in Westfalen. Wo die Eltern stecken, die Schwester und der jüngere Bruder, der Richard weiß es nicht. Vielleicht interessiert es ihn im Augenblick auch nicht, wo er selbst nicht weiß, was am nächsten Morgen sein wird. Nun, alles geht vorüber. In den Großstädten bevölkert die Jugend die Bahnhofswartesäle und die Trümmergrundstücke, den Schwarzen Markt und die zweifelhaften Häuser. Richard aber will den Faden dort anknüpfen, wo er für ihn abgerissen war, er wird Eleve auf einem westfälischen Gut. Die Herrin ist verwitwet und zeigt den jungen Leuten, dass sie auch in den gegenwärtigen chaotischen Zeiten auf Sitte und gesellschaftliche Zucht hält. Wer das nicht will, kann gehen. Aber Richard will, er lernt gutes Benehmen in den Jahren, in denen andere Jugendliche betont flegelhaft sind. Der Bauernsohn, der davon geträumt hat, einst Herr auf eigener Scholle zu sein, denkt oft darüber nach, ob er dies auch jetzt noch schaffen wird. Vielleicht eine kleine Siedlerstelle, auf der er von früh bis spät sich abrackern muss, um nur das notdürftige Auskommen für sich zu haben. Da rät ihm ein Freund, den Gartenbau zu erlernen, eine eigene Gärtnerei liegt mehr im Bereich des Möglichen als ein Bauernhof von der Größe des väterlichen in der Heimat.

 

Trecker- und Autofahren muss ein Gärtner können

Also steigt Richard aus und ein bei einem Unnaer Gartenbaubetrieb. Und da er alles gründlich macht, schließt er mit dem Meister einen regelrechten Lehrvertrag ab. Keiner berät ihn, kein Vater, keine Mutter, keine ältere Schwester oder Bruder. Richard tut es aus sich allein und für sich allein. Er bereut es nicht, denn der Betrieb wird von einem Mann geleitet, der als ein Selfmademan erkannt hat, dass nur der eine Chance hat, der nicht nur mit der Zeit geht, sondern ihr einen Schritt voraus ist. Das drückt sich so aus: Auch der Gartenbaubetrieb muss technisiert sein. Das gepachtete Feld für den Feldgemüse- und den Freilandblumenanbau muss mit dem eigenen Trecker gepflügt und geeggt werden. Der Trecker muss die Anhänger ziehen, die die geernteten Feldfrüchte heimschaffen. Der Lieferwagen aber ist notwendig, um jeden Morgen in Dortmund in der Großmarkthalle die frischgeschnittenen Blumen an die Wiederverkäufer verkaufen oder sie den Blumenläden, die keine eigene Gärtnerei haben, zustellen zu können. Der Gartenbaulehrling Richard lernt Auto und Trecker fahren. Nicht nur Pikieren und die richtige Behandlung der Blumen.

 

Der Meister macht in Einheitserde, der Gehilfe in Tonfahren

So vergehen die drei Lehrjahre wie im Fluge. Die Gehilfenprüfung besteht der Richard mit „Gut“. Zur Freude darüber kommt die andere, die Eltern, die Schwestern und den Bruder wiederzufinden. Da wird das Bauernblut, das in seinen Adern rollt, bald wieder in Wallung gebracht, dass es nach dem Herr sein wollen im eigenen Betrieb schreit. Der Meister hat es vorgemacht. Der hat sich einen Laden gebaut, ein Mietshaus und hat ein Einheitserdenwerk errichtet. Das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur aufzunehmen verstehen. Diese alte und doch so schwer zu beherzigende Weisheit lässt den Richard nicht schlafen. Er sinnt und sinnt, wie er es seinem Meister nachmachen könne. Da kommt ihm ein Zufall zur Hilfe. Der Meister braucht Geld, aber er will nicht das teure Bankgeld mit zehn und noch mehr Prozent Zinsen. Ob der Richard nicht ihm Trecker und andere Geräte und den gesamten Schädlingsbekämpfungsbetrieb abkaufen wolle. Zum Entgelt dürfe er dann für sein Einheitserdenwerk den benötigten Ton und den Torf heranfahren. 7 DM pro Kubikmeter, eine einträgliche Sache, wenn man sich dranhält und auch nicht mir Muskel- und Knochenschmalz spart. Der Richard sieht den Meister ungläubig an. Woher soll er zehntausend D-Mark hernehmen. Nun, der Richard könne doch einen Existenzaufbaukredit beantragen. Richard sagt kurz entschlossen ,Ja“.

 

Jugend mit Unternehmergeist bei den Behörden nicht gefragt

Am nächsten Tag stellt der Richard den Antrag. Es vergehen Wochen. Nichts rührt sich. Dem Meister brennt es unter den Fingernägeln. Aber auch der Richard sehnt sich danach, als freier Mann für sich arbeiten zu können. Weiß Gott, er wird und will sich nicht schonen. Der Kredit soll raschestens zurückgezahlt sein. Dann kommt der Bescheid „Wegen Nichtzuständigkeit — da Kredite nur bis zu 5000 DM vom Kreis entschieden werden können — an die Regierung in Arnsberg abgegeben. Von dort erhalten Sie zur gegebenen Zeit Nachricht“. Diese „gegebene Zeit“ dehnt sich endlos aus. Der Meister wird immer nervöser. Muss er letztlich doch in den sauren Apfel beißen und Bankgeld aufnehmen?

 

Es scheint fast so, denn von Arnsberg kommt die Hiobsbotschaft: „Abgelehnt: Zu jung“. Der Richard ist immerhin inzwischen volljährig geworden und nach dem Gesetz berechtigt, eigene Geschäfte abzuschließen. Er hat in seiner Gehilfenprüfung gezeigt, was er kann, er hat vom Meister ein gutes Zeugnis über seine sonstigen charakterlichen und beruflichen Fähigkeiten. Warum also zu jung? Wie alt muss man werden, um einen eigenen Betrieb leiten zu können? Gibt es darüber gesetzliche Bestimmungen? Richard lässt nicht locker, sein Bauernstolz ist verletzt. Er wird denen in Arnsberg zeigen, was er kann. Der Apparat der Beschwerde beginnt zu arbeiten. Richard geht gleich vor die rechte Schmiede, an das Ministerium, das den Fall überprüfen lässt. Ergebnis: Richard bekommt den Kredit, wenn der Vater für ihn bürgt und gleichsam selbst als Kreditnehmer auftritt. Der Vater tut es, weil er seinen Jungen kennt und sich auf ihn und seine Tüchtigkeit verlassen kann. So ist schließlich doch alles ins reine gekommen und allen geholfen.

 

Das eigentliche Ziel, die Gärtnerei lockt

Tag und Nacht schuftet der Richard, er geht bald wie ein alter Mann in den viel zu großen Gummistiefeln. Er schlurrt daher und ist vornüber gebeugt. Aber es ist auch zu viel, was auf ihm lastet. Tagaus, tagein Ton fahren und Torf. Er muss ihn selbst laden, manchmal hilft der Vater, manchmal der Bruder. Für das Abladen des Torfs stellt der Meister Leute. Dann muss er sich um den Schädlingsbekämpfungsbetrieb kümmern. Er ist amtlich von der Stadt für einen bestimmten Bezirk eingesetzt. Beinahe hätte er sich eine Blutvergiftung zugezogen. Und dann braucht dieser oder jener Fabrikbetrieb zusätzliche Abfuhren, wenn die eigenen Lastzüge in den Zeiten, wo die Produktion auf Hochtouren läuft, es nicht schaffen. Auch das nimmt Richard mit, wenn es gleich die Nachtruhe auf zwei, drei Stunden beschränkt. Aber der Kredit muss bald zurückgezahlt sein, so hat der Richard es sich vorgenommen. Denn es lockt das größere Ziel, die eigene Gärtnerei.

 

Wieder Tanz mit den Behörden

Eines Tages erfährt er von einem Betrieb, der einem Pächter abgenommen worden ist, weil, er ihn hat verloddern lassen. Nun soll der Junge gutmachen, was der Ältere eingebrockt hat. Das Landeskulturamt stellt sich hinter Richard. Es hat sich davon überzeugt, dass der Junge da richtig angesetzt wäre. Wieder erheben die Behörden Einwendungen. Es bedarf vieler Schreiberein, vieler mündlicher Verhandlungen, bis es soweit ist. Richard ist am Ziel seiner Wünsche. Am 9. Juni 1954 wird er Herr dieser Gärtnerei. Wenn sich der Leiter des westfälischen Landeskulturamtes nicht so für ihn verwendet hätte, diesmal hätte er es nicht geschafft. Aber seine Tüchtigkeit trägt ihren Lohn. Er weiß nun, wozu er sich in den letzten Jahren so abgerackert hat.

 

Bange Frage: Beißt Richard sich durch?

Das ganze Ausmaß der Verlodderung des Betriebes erkennt Richard erst, als er daran geht, Ordnung zu schaffen und seiner Gärtnerei ein Aussehen zu geben, das auch nach außen hin verrät, dass hier nun ein neuer Geist herrscht. Er muss im wahrsten Sinne des Wortes von vorn beginnen. Zuerst sind sämtliche Beetfenster darauf nachzusehen, ob sie noch einigermaßen brauchbar sind. Der größte Teil fällt auf. Dann muss ein Tomatenblock abgerissen werden, dessen Holzgerippe, größtenteils vermodert, die ganze Gegend verschandeln. Das Erdhaus muss neu gekalkt und Ständer und Heizungsrohre gestrichen werden. Auch die beheizbaren Warmbeete müssen repariert werden. Alles macht der Richard selbst. „Die Axt im Haus erspart den Zimmermann“ ist ein altes Sprichwort, das Richard zu beherzigen bei seinem Meister gelernt hat; Handwerker sind teuer. Und bei der Verlodderung ginge der ganze Kredit nur für Handwerkerrechnungen drauf. Es muss Saatgut bestellt werden. Fast sieht es so aus, dass Richards größter Fleiß vor der Fülle der Schwierigkeiten und Hindernisse kapitulieren muss.

 

Es ist geschafft

Dazu kommt der strenge Winter, der manche ausgesäte Saat vernichtet. Die Heizperiode dauert zu lange, die Koksvorräte schrumpfen zusammen. Man kann nicht auf den Markt, wie man es möchte. Es ist eine Nerven- und Bewährungsprobe. Manche Lieferanten wollen nicht mehr warten. Einmal kommt sogar der Gerichtsvollzieher. Manchmal ist der Richard soweit, dass er den ganzen Krempel hinschmeißen und davonlaufen möchte. Aber den Kredit wird er dadurch ja nicht los. Der lastet auf ihm sein Leben lang.

 

Richards letzte Hoffnung ist der Salat und der Spinat, den er in rauen Mengen angebaut hat. Der muss alles herausreißen. Wenn es doch nur so weit wäre. Von Wärme und Sonne keine Spur.

 

Aber dann zu Pfingsten, gerade noch 5 Minuten vor Zwölf, bricht die Sonne hervor, es wird warm, Salat und Spinat gehen gut voran. Und die Qualität ist gut, das haben die Käufer auf den beiden Wochenmärkten, die Richard besucht, bald spitz. Sie stehen Schlange nach dem zarten, frischen und großköpfigen Salat und dem ebenso guten Spinat.

 

Jetzt kann der Richard zum ersten Male nach vielen, vielen Jahren beruhigt schlafen. Er hat es geschafft. Vielleicht hat er Jahre seines Lebens dafür hingegeben, was macht es. Er hat es wirklich geschafft. Ein Lieferwagen und ein neuer Trecker können nun ohne Sorgen gekauft werden. Denn bald werden die ersten Frühkartoffeln auf den Markt geworfen werden können. Und der Weizen steht auch vortrefflich.

 

Richard geht sinnend über seinen Acker; denn sein Betrieb beträgt acht Morgen Gartenbau und sechsundzwanzig Morgen Ackerland und Wald. Er ist beides: Gärtner und Bauer, so wie er es sich erträumt hat. Im Schweinestall grunzen sieben prachtvolle Schweine. Und im Wald scharren zahlreiche Hühner. hs.

 

 

Seite 5   Osterode, aus Stadt und Land. Herausgegeben von Dr. Wolfgang Kowalski.

Mit viel Liebe und großer Sorgfalt hat Dr. Kowalski unter Mitarbeit von Richard von Negenborn-Klonau, dem Kreisvertreter von Osterode, und einigen anderen Landsleuten das vorliegende Heimatbuch herausgebracht. — Es beginnt mit einem geschichtlichen Überblick, angefangen bei den ältesten Bodenfunden, die etwa aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. stammen, über die Ordenszeit hin bis zur Einnahme der Stadt durch die Russen im Januar 1945. Es folgen Abhandlungen über die Land- und Forstwirtschaft. Kreisbaumeister a.. D. Wagner gibt dann einen Einblick in das Verkehrswesen der Stadt und des Kreises sowie in die Landeskultur. Es schließen sich Berichte über die Verwaltung der Stadt und über die Tätigkeit des Kreistages und Kreisausschusses an. — Hohenstein, der Stadt des Tannenbergdenkmals, und auch Gilgenburg hat man ein eigenes Kapitel gewidmet. Historisch interessant ist die Geschichte des Kirchspieles Liebemühl, die Forstmeister Hans Strüver abgefasst hat. Das kleine Werk schließt mit einem Aufsatz von Oberstudiendirektor Dr. Cybulla über die Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums. Eine Kreiskarte und etliche Photographien vervollständigen das Büchlein. — über den Sinn und die Aufgabe dieses Heimatwerkes lassen wir am besten den Herausgeber selber sprechen, wie er es im Geleitwort festgehalten hat: „Erinnern soll uns all das Schöne und Gute, womit die Heimat uns so überreich beschenkt hat. Und Stolz soll es in uns und unseren Kindern wecken durch die Erinnerung an das, was unsere deutschen und preußischen Vorfahren geleistet haben. Und es soll der Forschung dienen; Denn nur die ältere Generation weiß noch die Tatsachen der letzten Jahrzehnte, für welche schriftliche Quellen kaum vorhanden sind. So ist es zugleich ein Rechenschaftsbericht, der zeigt, wie wir das Werk der Ahnen fortführten. Möge es kein Abschlussbericht sein!“

 

Wünschenswert wäre es, wenn dieses Buch über seine eigentliche Aufgabe hinaus all den anderen Kreisstädten Ostpreußens, von denen bisher nur Rastenburg diesem Beispiel gefolgt ist, Anregung für ähnliche Vorgänge geben würde.

 

 

Seite 5   Schudel, Mordass und Waldine... Eine Betrachtung ostpreußischer Hundenamen / Von Hermann Bink

Der treueste Begleiter des Menschen, der Hund, der schon in der Urzeit, ehe der halbwilde Mensch, der Jäger und Fischer, andere Haustiere besaß, sein einziger Gehilfe in dem rauen Lebenskampfe war, hat wohl schon sehr früh ebenso gut einen eigenen Namen gehabt, wie der Mensch selber. An der fortschrittlichen Kultur hat auch der Hund teilgenommen und alle möglichen Namen erhalten, ja selbst die Helden des klassischen Altertums, die sagenhaften Figuren der alten Griechen und Römer, ihre Götter und Halbgötter haben ihre Namen unseren ostpreußischen Hunden leihen müssen. Man denke nur an Cäsar, Hektor, Cupido, Pluto usw.

 

Die Jäger hatten ja eine besondere Kategorie der Namen für ihre Hunde, wie beispielsweise Troll, Diana, Heidie, Nimrod, aber auch Lorbaß, Inntros, Strolch, Lump, Teil, Hexe, Treff, Tasso, ja sogar Gift und Galle. Jäger nannten vielfach rasselose Hunde, besonders Dorfhunde, „Fixköter“. Aber Fix war stellenweise auch ein beliebter Name für Haushunde, war früher wohl ein gebräuchlicher Name überhaupt. Auch das Wort „Spitz“, jetzt eine Rassebezeichnung, war ehedem ein Hundename.

 

Hirtenhunde wurden vielfach „Wasser“ oder „Strom“, auch „Flut“ gerufen. Reichermann sagt in einem seiner „Spoaßkes“: „de ohl Wasser, de frätt Gras!“ Diese sonderliche Benennung hatte ihren Grund wohl teilweise in dem altüberlieferten Volksglauben, dass vom Wasser hergenommene Namen ihre Träger durchaus vor Untreue durch Verleitung und Verlockung böser und übelwollender Menschen sichern. Andererseits sollten die Namen Wasser und Strom die Schnelligkeit der Tiere ausdrücken, vielleicht auch die Gefährlichkeit derselben, indem sie an die Geschwindigkeit des fließenden Wassers, insbesondere des Stromes, zugleich an die Tiefe und Gefährlichkeit erinnern. Dagegen bezeichnen Mordaß, Nero, Türk und Sultan jedenfalls die Grausamkeit. Türk und Sultan vielleicht euch die Herrschaft. Gefürchtet waren im Mittelalter die Türken. Es darf uns deshalb diese Namensbezeichnung nicht verwundern, die Siedler aus dem Deutschen Reiche brachten diese Namen nach Ostpreußen mit.

 

Wie der römische Kaiser Nero, wie der Sultan in der Türkei über sein Volk, so herrschten Nero und Sultan auch über Hof und Weide. In „Spitz“ sollte wohl unbedingt die Wachsamkeit und das spitze Ohr, vielleicht auch der scharfe Zahn, zum Ausdruck kommen.

 

Vielfach führten auch Spitznamen der Menschen zu Hundebezeichnungen. Ein Beispiel aus Kawerninken, Kreis Wehlau. In dieser Ortschaft wurde ein unliebsamer Bauer wegen seiner kleinen Körpergröße „Nettelkönig“ genannt. Sein Nachbar taufte so seinen Hund. Der zweibeinige „Nettelkönig“ fühlte sich dadurch getroffen und strengte sogar einen Prozess an, der viel zum Humor beitrug und schließlich im Sande verlief.

 

Ein ostpreußischer Landwirt, der jetzt eine Pachtung in Niedersachsen bewirtschaftet, nannte seinen Hofhund „Stalin“. Warum denn das? — „Der Hund hat uns doch unsere Heimat genommen“, lautet die Antwort.

 

Im Nadrauischen, wo noch sehr viel Altpreußisches haften geblieben war, hörte man auch die Namen Potrimpo, Parkuno und Patollo als Erinnerung an die Heidengötter der alten Pruzzen.

 

Die Bernhardiner als Vorspann für die Regimentspauke des Infanterie-Regiments 43 hießen stets Sultan oder Pascha; sie stammten aus dem v. Meßlingschen Zwinger in Gertlack.

 

Die ostpreußischen Hütejungen tauften ihre Lieblinge mit Schudel, Phylax, Minko und Minka, Fiedo, Karo und Kora, Waldo und Waldine (Waldine, paß moal opp, eine lustige Geschichte von Karl Bink).

 

Die städtischen Hundebesitzer fanden Namen für die Hunde aus der Literatur und Musik, wie Senta, Hero und Leander, Hasso und Tasso, Harras, Juno, Jago, Arhi, Sascha und ähnliche.

 

Kleine Hunde bekamen entsprechende Bezeichnung. Agnes Miegel erzählt von „Mohrchen“ in dem Buch „Kinderland“: „es war nur ein kleiner Hund und für Fremde ein struppiger, lärmender Affenpinscherbastard. Für uns zu Hause war er fünfzehn Jahre lang unser treuer Freund und für mich mein bestes Weihnachtsgeschenk, das ich je erhalten habe“.

 

Unter den kleineren Kötern fand man die Namen: Struppi, Putza, Strolch, Mucki, Kuni, Wölfi, Lady, Lu, Fox und Trow, Fips und ähnliche.

 

Während ich diese Zeilen schreibe, knurrt mein neben mir liegender Schäferhund, namens „Ajax“. Es ist ein Name, der an ein englisches Kriegsschiff aus dem ersten Weltkriege erinnert. Ich habe ihn schon getauft erhalten und er sieht genauso aus wie ein Hund, den ich in der ostpreußischen Heimat besaß und „Rollo“ hieß. Letzteren bekam ich auch mit der Bezeichnung. Vielleicht sollte dieser Name an Rollo, dem Herzog der Normandie, der eine Zeitlang, als er von seiner Heimat vertrieben am Rollberg zu Königsberg seinen Wohnsitz gehabt haben soll, erinnern.

 

Die Fülle der ostpreußischen Hundenamen war groß, mit dem Verlust der Heimat gehen auch viele der genannten Namen unter. Wir aber erinnern uns gern an die treuen Wächter des Hauses und Hofes.

 

 

Seite 5   „Wo die Schwalbe kehrt ...“

„Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit

Klingt ein Lied mir immerdar;

O wie liegt so weit, o wie liegt so weit,

Was mein einst war!“

 

So hat der Romantiker Friedrich Rückert 1830 empfunden und der Komponist C. Raddeck hat diese Dichtung in Töne umgesetzt und eine treffliche, unsterbliche Melodie geschaffen. Das dürfte wohl allgemein bekannt sein. Wer aber weiß, dass bei diesem Dichtergruß ein Kinderlied Pate gestanden hat? Das feinsinnige elegische Lied, worin die Sehnsucht nach dem Lebensfrühling gefühlvollen Ausdruck findet, ist angeregt worden durch alte Kinderreime, die das Schwalbenzwitschern in Worte zu bringen suchten. Sie lassen die Schwalbe fühlen, wie ein Mensch fühlt, der heimkehrt und ein leeres Haus vorfindet. Der Vogel klagt über das verlorene Gut und Glück, das er vor seinem Abzug besaß.

 

In Ostpreußen, Thüringen, Ober- und Niedersachsen und Westfalen singen die Kinder das Schwalbenlied; auch am Rhein und in Bayern ist es bekannt.

 

„Als ök wegtok, weere Kisten und Kasten voll,

als ök wedderkom, weer alles opgefreete.

Fret, dat du die terwarrgst (erwürgst)“.

 

So in Ostpreußen; ähnlich im Braunschweigischen, nur dass hier der Übeltäter namhaft gemacht wird: „Hat der Sperling, der Dickkopf, alles verzehrt“. Für die Schwalbe in Westfalen „was alles verrieten, verslieten, verspielten, verquickelt, verquackelt, verdömset“. Dem fast einheitlichen Grundschema wird so, in landstümlicher Weise wechselnd, ein verschiedener Endvers angefügt.

 

Jene Kinderreime lassen durch ihre Einförmigkeit den Eindruck aufkommen, als müsste irgendwo in Deutschland ihre einheitliche Quelle liegen. Vielleicht gehören sie zum Schatz der früher üblich gewesenen Vogelgesänge; noch Anfang des 20. Jahrhunderts zogen in Thüringen Kinder, als Vögel verkleidet, von Haus zu Haus und sangen Jahreszeitlieder. Nach einem solchen hat Friedrich Rückert ein Schwalbenlied geformt:

 

„O du Heimatflur, o du Heimatflur,

Lass zu deinem heil'gen Raum

Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur

Entfliehn im Traum“.

Dir. Dr. W. Gaerte

 

 

Seite 5   Wir gratulieren

Frau Natalie Bracki, geb. Hennings, früher Braunsberg (Ostpreußen), wurde am 7. Juli 1955, 75 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann jetzt in Freiburg im Katharinenstift. Sie haben es dort gut und werden von den Schwestern betreut, beide sind gesund und rüstig.

 

 

Seite 6   Die 700-Jahrfeier von Königsberg Preußen

Foto: Szene aus dem Festspiel „Königsberg“ vor dem Duisburger Rathaus

Foto: Die Kundgebung der 60 000 im Duisburger Stadion

Der Entschluss ist gefasst — ich fahre auch nach Duisburg zur 700-Jahrfeier unserer Stadt Königsberg.

 

Ich will ihr auch meine Treue zeigen, ich will an diesen Tagen mitangehören den vielen Tausenden, die die Heimat im Herzen tragen und auf deren Lippen immer wieder der Treueschwur besiegelt wird — niemals lassen wir von unserer Heimat.

 

Grauverhangen ist der Pfingstsonnabendmorgen, kühl und frisch. Es geht schon in aller Frühe von daheim fort, um zeitig in Duisburg einzutreffen. Der Koffer ist am Abend vorher sorgfältig gepackt. Die Festplakette, Krone und Kreuz, Symbol Königsbergs, hat schon ihren Platz am Reisemantel gefunden. Eine andere Königsbergerin und ich machen gemeinsam die Fahrt zur Patenstadt. Wir sind in richtiger Feststimmung, ja in Spannung, wie alles verlaufen wird und ob wir Bekannte der Heimat treffen werden. Auf dem Bahnhof in Hannover spielt sich schon ein reger Verkehr ab, trotzdem es erst 8 Uhr morgens ist. Hier und da sehen wir schon Ostpreußen mit demselben Reiseziel. Man wechselt Worte und ist vergnügt, trotz des trüben Himmels. Immer wieder hört man heimatliche Stimmen im Gewirr des dahinflutenden Menschenknäuels. Wir stehen in voller Erwartung auf dem Bahnsteig, in einigen Minuten muss der Zug einlaufen. Obwohl der D-Zug erst von Braunschweig kommt, ist er schon voll besetzt. Wir müssen einen anderen Bahnsteig betreten und werden in einen Vorzug nach Duisburg eingewiesen. Der Bahnbeamte mit „roter Mütze“ erscheint, um das Abfahrtzeichen zu geben. — An den Festplaketten erkennt er seine Landsleute. Er sagt mir noch schnell beim Vorbeigehen an meinem Fenster: „Denken Sie in Duisburg auch an mich — ich gehöre auch dazu, aber ich habe in den Festtagen Dienst“. Viele Hände strecken sich dem Landsmann entgegen. Der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Auf den Stationen des D-Zuges steigen immer wieder Festteilnehmer ein. Dort schon ein sehr betagter Mann, mit zitternden Händen reicht er dem Schaffner seine Fahrkarte; auch er will zur 700-Jahrfeier unseres lieben Königsbergs. Wie mag er sich für diese Tage das nötige Geld zusammengespart haben?

 

Es ist 12,48 Uhr — wir laufen in unserer Patenstadt ein. Festlich geschmückt mit Birkengrün und Tannenzweigen und einem großen Transparent „Herzlich willkommen zur 700-Jahrfeier von Königsberg“ ist die geräumige Bahnhofshalle. Dort sitzen an einem langen Tisch Landsleute, die uns über alles Notwendige Auskunft erteilen und Festplaketten und Programme verkaufen. Wir merken sofort, wie gut alles organisiert ist. Auch von den Einheimischen fühlen wir die Hilfsbereitschaft, die herzlich und freundlich ist. Diese Verbundenheit gibt uns für diese Tage eine große Geborgenheit und unser Dank an sie soll hier nicht vergessen sein. Blauer Himmel ist über uns und das gute Wetter ist wie ein großes Geschenk für diese Tage. Hier und da haben sich die Bekannten und Verwandten schon getroffen, sie stehen überall in Grüppchen und rasch wird das Nötigste erzählt oder die nächste Verabredung festgelegt.

 

Viele mögen sich in diesen Tagen nach zehn Jahren das erste Mal wiedergesehen haben. Jubel und Freudentränen bekunden es. Eben auf der Königstraße drei junge Leute, die einen jungen Mann fast vor Freude „schlagen“, sie müssen ihn wohl schon für tot geglaubt haben. Und dieses selbe Bild spielt sich oftmals in der Bahnhofshalle an den Sperren ab, wo die Ostpreußen immer wieder in langen Reihen stehen, um nahe Angehörige oder gute Bekannte zu begrüßen und in die Arme zu nehmen. Dort eine Gruppe der Gehörlosen, sie müssen eben angekommen sein. Mit ihren Fingerzeichen verständigen sie sich schnell, in ihren Gesichtern ist Freude. Freude, dass sie auch an den Festtagen ihrer Heimatstadt teilnehmen können, wenn ihnen auch das Hören und Sprechen durch ihr schweres Leiden versagt ist. — Ich schlendere die Hauptstraßen entlang, alle im Fahnenschmuck, deren farbiges Tuch im Sonnenwind flattert; eingereiht, die Wappenfahnen der beiden Städte. In den Fenstern der Buchläden sehen wir die Bücher von Agnes Miegel, Königsberg in 144 Bildern usw. Und in den Bilderläden und Kunsthandlungen haben für diese Tage die Bilder unserer ostpreußischen Landschafts- und Tiermaler ihren ehrenden Platz gefunden. Gerade geht an mir Professor Hans Kallmeyer vorbei, im eifrigen Gespräch mit einem Landsmann, wohl schon weißhaarig, aber sonst noch rüstig. — Aus den kommenden Autobussen, auch im Tannenschmuck und mit der Aufschrift „Königsberg“ grüßen uns winkend die fröhlichen Landsleute. Oft reiht sich ein Bus an den anderen.

 

Ja, sie kommen alle, diese vielen Teilnehmer, die am Sonntag bei der großen Kundgebung bis zu 60000 Menschen das Stadion besetzen. Abends schaue ich noch in die D.V.G-Halle herein; sie ist gefüllt von frohen Menschen aus allen Stadtteilen von Königsberg — ein gemütliches Beisammensein bei Tanz und Unterhaltung und Singen der landsmannschaftlichen Chöre. — Der anregende Tag geht in eine wunderbare Maiennacht über. Ein Sternenreicher Himmel, laue Lüftchen und Gesang der Sprosser in den Anlagen. Ich gehe noch einmal über den Burgplatz. Im Schein des klaren Sternenhimmels steht vor mir das gotische Gotteshaus, die Salvatorkirche. Vom Rathausturm bläst gerade der Posaunenchor die Königsberger Abendweise „Nun ruhen alle Wälder“, sie hallt noch weit in die Nacht hinaus. — Ich fahre in mein Quartier, — erfüllt und zufrieden. —

 

Die Nacht ist nur kurz, aber das herrliche Festwetter und das weitere Programm bringen einen wieder schnell auf die Beine. Da ich im Vorort wohne, fährt mich in der Frühe der Zug rasch nach Duisburg. Ein freundlicher Autobusfahrer am Bahnhof verzichtet auf seine Ruhepause und bringt mich zur E.-Bahn, die zum Stadion fährt. Die Straßenbahn hat sich schon in Bewegung gesetzt, ich stehe eingezwängt, auf der Plattform zwischen den vielen Landsleuten, da erreichen mich noch die mitteilenden Worte meines Begleiters: „Recht schöne Tage in der Patenstadt, übrigens ist meine Mutter auch Ostpreußin“. Ja, sie fühlen sich alle mit uns in diesen Tagen verbunden. Das weite Rondell des Stadions ist schon von vielen Menschen gefüllt. Flatternde Fahnen im Maienwind, sie fassen das Stadion neben dem Grün der Bäume ein. Neben den Wappenfahnen auch die Europafahne. — Von der Rednertribüne ertönt der Lautsprecherspruch: „Bitte die Plätze einnehmen!“ Es wird still — ja eine feierliche Stille legt sich über das Stadion. Es erfolgt der Einmarsch der verschiedenen Gruppen, voran die Gruppe der Deutschen Jugend des Ostens aus Opladen. Nach ihrer Aufstellung auf dem grünen Rasen geben sie das Fanfarensignal. Es folgen die Vereine der heimattreuen Ost- und Westpreußen mit ihren Fahnen und Trachtengruppen in farbenfreudiger Kleidung. Sie haben alle eine gute Haltung. Vor dem mit Girlanden aus Tannengrün geschmückten Aufbau der Domglocke steht auf einem ebenfalls geschmückten Tischchen das Bernsteinkästchen, das „Ostpreußische Heimaterde“ birgt.

 

Wir erheben uns von den Plätzen, die einzige gerettete Glocke des Königsberger Doms, die sonst auf dem Schloss Burg an der Wupper ihren Ehrenplatz gefunden hat, läutet die Feier ein. Die Totenehrung, unter dem Klang „Ich hatt' einen Kameraden“ rührt die Herzen. Das Schicksal im Osten hat tiefe Wunden gerissen. Konsul Rieske begrüßt die Ehrengäste, den Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung, Generalfeldmarschall von Küchler, den letzten Kommandanten von Königsberg vor dem Kriege, Frau Agnes Miegel, und andere. Der Gesang der beiden Lieder: „Wir beten in Nöten“ und „Land der dunklen Wälder“ und das tief zu Herzen gehende Gedicht von Agnes Miegel „Königsberg“ fügen sich in den Kranz der vielen Reden ein. Oberbürgermeister Seeling überbringt uns in warmherzigen Worten die herzlichsten Grüße der Stadt Duisburg. Es folgt die Festrede von Dr. Gille, er entfaltete vor uns das Geschichtliche vom Preußentum, das in seiner Straffheit, Korrektheit und Pflichttreue dem Menschen immer eine gute Lebensordnung gab. — Und weiter hebt der Redner hervor, dass wir immer ein Anrecht auf unsere Heimat haben und dass wir im Hoffen stark bleiben sollen. Mit den Worten „Niemals verzichten wir auf unsere Heimat“, schließt die eindrucksvolle Feier. Stehend und barhäuptig klingt aus allen Kehlen das Deutschlandlied. Es tritt eine Stille ein — nur die wuchtvollen Klänge verhallen noch weit über die festlich geschmückte Patenstadt. Fanfarenmusik begleitet uns noch, bis wir das Stadion verlassen haben. — Eine kleine Ruhepause tritt ein, ich sitze in einem netten Restaurant, gutes Essen, freundliche Bedienung und keine „Nepp-Preise“. Ich gehe zum Rathaus und mache dort noch einmal Halt vor der in diesen Festtagen angebrachten Tafel von Emanuel Kant, sie hat hier einen ehrenvollen Platz erhalten und die Würdigung der Patenstadt wird sie behüten.

 

Um 15 Uhr beginnt das Festspiel „Königsberg“ auf dem Burgplatz vor dem Rathaus, an dessen Vorderfront die Wappen ostpreußischer Städte angebracht sind. Hans Rehberg führt uns das Festspiel in fünf Akten vor. Schauspielerisch gut ist der erste Akt, das Gespräch zwischen Hermann von Salza, dem Hohenstaufenkaiser und dem Papst Gregor. Auch wird uns die Verbundenheit der beiden Städte durch die Kreuzritter und ihren Zug nach dem Ostland dargestellt. Wir erleben weiter das impulsive Gespräch von Hermann von Salza mit dem Herzog Konrad von Masorien und die Bekehrung der Pruzzen im Samland zum Christentum durch die Ordensritter. Den Schlussakt bildet das Gespräch zwischen Ottokar von Böhmen und einem Hochmeister; an der Stelle des Pregels, wo sie stehen, wird die Stadt gegründet, die Königsberg heißt. Mit eingeflochten hat Rehberg in das Festspiel wohl in einem kontrastischen Stil die Flucht vor zehn Jahren über das Haff. Die grauen Gestalten tanzen den Totentanz um die entkräftete Frau, die in ihrem Arm, in ein Tuch eingeschlagen, ihr Kind hält. Dennoch bringt eine Jünglingsgestalt ihr das „Wiederleben“ und die Spukgestalten reichen Früchte zur Nahrung. Sie denkt noch einmal an die Schönheit und Fruchtbarkeit der geliebten Heimat und an die weiten Wälder und Seen zurück, über zwei Stunden folgen wir der Urgeschichte unserer Stadt.

 

Abends besuche ich noch das Festkonzert im Stadttheater mit seinem reichen Programm; ein Orchesterkonzert. Wir lauschen den Tönen von der Festouvertüre über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Otto Nikolai. Es reiht sich die wunderbare Sinfonie Es-Dur von E. T. A. Hoffmann an, wovon ich besonders das Finale-Allegro molto hervorhebe. Die Krone des Musikabends bleibt das Violinkonzert in einem Satz Op. 22 von Hermann Goetz. Der Solist Helmut Zernick verfügt über einen guten technischen Aufbau und eine reiche musikalische Begabung. Er ist ein Meister des wohlklingenden Tones Von Otto Besch Partita für Orchester „Aus einer alten Stadt“ beeindruckt mich am meisten der Abendchoral, in dem „Nun ruhen alle Wälder“ miteingeflochten ist und durch die Stimmung wirkt. Das Chorfinale nach den Worten aus dem Gedicht von Agnes Miegel: „Abschied von Königsberg“ beendet das Festkonzert und birgt in sich viel Wehmut, aber auch die Unsterblichkeit der alten Krönungsstadt.

 

Noch lange bewegt einen dieser reiche Konzertabend.

 

Der zweite Feiertag bringt noch Hafenrundfahrten, Spaziergänge zum Tiergarten (Dr. Thienemann) und dem Duisburger Wald mit seinen landschaftlich schön gelegenen Kaffeerestaurants, die Wolfsburg und Wilhelmshöhe, wo sich immer noch die Landsleute bei fröhlichem Zusammensein der festlichen Tage erfreuen. Mit einigen Wiederholungen, wie das Festspiel „Königsberg“ und Bunten Abenden „Reichssender Königsberg — einst und wieder“ kommen die Festtage zum Ausklang.

 

Die Arbeitsstätten rufen wieder und der Alltag fordert sein Recht. Sie fahren alle heim, tief beeindruckt von diesen unvergesslichen Tagen. — Vom Rathausturm klingt uns noch die altbekannte Königsberger Weise nach, sie legt sich wie ein Bittgebet auf unsere Lippen: „Ach bleib' mit Deiner Gnade bei uns, gib uns weiter die Kraft des Hoffens und nimm in Deine Obhut unsere geliebte Heimat, bis wir mit Deiner Gnade, Du großer Gott, heimkehren können und wissen werden, dass in der Weite und Schönheit unseres Landes, unsere große Sehnsucht und unser ganzes Lebensglück wieder geborgen sind“. Christel Papendick.

 

 

Seite 6   Sondertreffen des ehem. Luftgau I in Duisburg

Die über alle Erwartungen rege Teilnahme an diesem Sondertreffen machte die Abwicklung eines vorgesehenen Programms bei den beschränkten Raumverhältnissen leider unmöglich. Bedauerlicherweise konnten Suchanfragen nicht bekanntgegeben werden. Auch das DRK, welches sich in einem Nebenraum für Anfragen bereithielt, wurde nur in vereinzelten Fällen in Anspruch genommen.

 

In die umlaufenden Anwesenheitslisten hatten sich eingetragen 160 Teilnehmer. Angemeldet hatten sich 100 Teilnehmer. Erschienen waren etwa 200 Teilnehmer. Wer keine Gelegenheit hatte, sich in die Liste einzutragen, gebe bitte seine Anschrift dem Unterzeichneten auf.

 

Von ehem. Angehörigen liegen folgende Grußbotschaften vor:

 

Frau Herta Schmitt-Trotzki, jetzt in Pretoria/Südafrika, Arcadia ST. 72. Magsa Flats.;

 

Erich Gervais, jetzt Bremen, Gellertstraße 132, früher Werft Gutenfeld.

 

Es liegen ferner folgende Suchanfragen von

 

Regierungsrat (Meteorologe) Fritz Gehrmann, geb. 21.06.1911, zuletzt Unteroffizier im Eideinsatz bei der Verteidigung von Königsberg/Pr. Letzte Feldpost-Nr. 54 918 LgPA Königsberg. Gehrmann wird gesucht von seiner Ehefrau Edith Gehrmann, Quakenbrück, Fahrwickerstr. 21. Wer kann die Beamteneigenschaft bestätigen?

 

Tech. Insp. Erich Bach, geb. 07.12.1914, vermisst seit Mai 1945 in der Tschechei, früher Fl.-H. Neuhausen, dann Höhere Luftnachr.-Schule Köthen, dann Fl.-H. Kottbus. Bach wird gesucht von seiner Ehefrau Annemarie Bach, (20a) Zernien bei Lüchow-Dannenberg.

 

Meister im RLAD Max Kreutz, früher Stab Lgk I Königsberg/Pr., zuletzt Fl.-H.-Kamp. in Stolp-Reitz. Kreutz wird gesucht von seiner Ehefrau Helene Kreutz, (24b) Schenefeld bei Itzehoe (Holstein).

 

Reg.-Oberamtmann Klenke, früher Unterkunft- und Kassenstelle des Lgk I. Klenke wird gesucht von Hans Frick, Recklinghausen/Rhld., Milchpfad 68.

 

Fl.-Hauptingenieur Hans Riede, zuletzt Werftleiter in Powunden. Riede wird gesucht von Ob.-Studiendirektor E. Stremmer, Bad Wildungen.

 

Zahlmeister d. Lw. Heinz Prellwitz, zuletzt Fl.-H.-Kdtr. Thorn, vermisst seit Januar 1945. Prellwitz hatte eine linke Armprothese. Er wird gesucht von seinem Vater H. Prellwitz, Osterode (Harz), Obere Neustadt 37.

 

Regierungsrat v. Stennbsch, Luftgau-Landwirt. Zuletzt Luftgau XXX Belgrad, dann im Lazarett Straußberg bei Berlin. Er wird gesucht von Reinhold Petukat in Oldersum b. Leer (Ostfriesland), früher Fl.-H. Insterburg.

 

Hauptmann Heinz Klein, geb. 11.09.1914, Lw.-Nachr.-Regt. 1, gefallen am 16.04.1945 bei Fischhausen. Wer kann bestätigen, dass Klein Berufssoldat war? Angaben erbeten an seine Schwester Elsbeth Klein, Weilburg (Lahn), Windhof.

 

Bei allen Anfragen bitte ich um Beifügung von Rückporto. Wilhelm Gramsch, (20a) Celle, Waldweg 83, Tel. 4734.

 

 

Seite 6   Gemeinschaft der ostpreußischen Sozialdemokraten

Die sozialdemokratischen Ostpreußen haben sich zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, die sich die Unterrichtung ihrer Mitglieder in osteuropäischen Problemen, den Einsatz im Kampf um das Heimatrecht, die Sammlung und Weiterführung sozialer und kultureller Bestrebungen in der ostpreußischen Volksgruppe und die Erhaltung und Pflege der Leistungen der früheren ostpreußischen Arbeiterorganisationen zum Ziele gesetzt haben. Zu den Gründungsmitgliedern gehören die ostpreußischen Bundestagsabgeordneten Richard Kinat und Reinhold Rehs. Abg. Rehs ist Mitglied des parlamentarischen Beirates des VdL. Bei der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in Duisburg hielt er bei der Enthüllung der Immanuel Kant-Tafel am Duisburger Rathaus die Gedenkrede.

 

 

Seite 7   Reklame

 

 

Seite 8   50 Jahre Spielvereinigung Rasensport – Preußen. Königsberg Preußen

Foto: Die Keglermannschaft. Von links nach rechts: O. Venohr, F. Seidler, A. Peppel, B. Eisenblätter.

Foto: Die Hockeymannschaft im Jahre 1929 auf dem Jahnplatz. Von links nach rechts: G. Pollitt, H. Krüger, W. Sieck, E. Adomeit, H. Riedel, A. Tollkühn, A. Sonnabend, E. Witt. Sitzend: H. Dannehl, R. Borwaski, W. Dannehl.

Nachdem von den Königsberger Sportvereinen der Verein für Bewegungsspiele, die Sportvereinigung ASCO und die Sportvereinigung Prussia-Samland bereits ihr 50-jähriges Jubiläum begehen konnten, kamen zu Pfingsten im Rahmen der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg auch Angehörige der Spielvereinigung Rasensport-Preußen 05 zu einem Wiedersehenstreffen aus Anlass des 50-jährigen Bestehens ihres früheren- Sportvereins in Duisburg zusammen.

 

„Stolze Vergangenheit verpflichtet!“

So lautete die Überschrift eines Artikels im „Königsberger Tageblatt“, den der in Sportkreisen allseitig beliebte Sportschriftleiter Paul Plohmann, der leider auch ein Opfer des letzten Krieges wurde, der Spielvereinigung Rasensport-Preußen anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens widmete.

 

Paul Plohmann schrieb u. a.: „Nicht um einmal mehr einen triftigen Grund zum Feiern zu haben, fanden sich die alten und jungen Mitglieder der Spielvereinigung Rasensport-Preußen und viele Freunde der Jubilarin zu einem Kameradschaftsabend in der Deutschen Bessource zusammen, sondern um ihre tiefinnerliche Verbundenheit zu Bestrebungen und Zielen der Spielvereinigung kundzutun und ihre Dankbarkeit den Männern zum Ausdruck zu bringen, die Jahrzehnte hindurch als Kämpfer für den Sportgedanken, als nimmermüde Diener und Wegbereiter eines Menschheitsideals ihren Vereinsfarben unwandelbare Treue gehalten haben im Sturm und Wechsel der Zeiten“.

 

Diese Worte des Kameraden Paul Plohmann dürften auch zur Wiedersehensfeier der Spielvereinigung Rasensport-Preußen und vielleicht gerade in der heutigen Zeit ihren Wert vollinhaltlich behalten haben. Wesentlich später als die eingangs erwähnten Sportvereine hatte die Jubilarin „zum Sammeln geblasen“, und es war nicht leicht, das notwendige Material für einen bescheidenen Rückblick zusammen zu bringen. Schreiber dieser Zeilen, der frühere Vereinsvorsitzende, dem es auch oblag, im Jahre 1935 das 30-jährige Jubiläum durchzuführen, hat es sich zur Aufgabe gestellt, seine Sportkameraden aus der Heimat, die jetzt, in alle Winde verstreut wohnen, zusammenzuführen und sie durch einen Kameradschaftsdienst von Zeit zu Zeit zu unterrichten. Wenn es auch wohl kaum gelingen wird, das Schicksal aller Kameraden zu ermitteln, so konnte auf diese Weise doch so mancher Kamerad wiedergefunden werden.

 

Immer wieder kommt allerdings auch die bittere Gewissheit zutage, dass dieser oder jener Kamerad gefallen, vermisst oder in der Gefangenschaft, gestorben ist. Schon allein dieser Kameraden wegen ist es für erforderlich erachtet worden, den Tag des 50-jährigen Bestehens der Spielvereinigung nicht sang- und klanglos vorübergehen zu lassen, denn unsere Toten dürfen und werden wir nie vergessen.

 

Sie haben uns und der Jugend vorgelebt und in jungen hoffnungsvollen Jahren ihr Leben auch für uns hergegeben.

 

Mangels Unterlagen ist es nur möglich, einen groben Überblick über die Jahre seit der Gründung zu geben, zumal aus der Zeit nach Beginn des zweiten Weltkrieges überhaupt jegliche Angaben fehlen. Immerhin lohnt es sich schon, wenigstens einiges aus der Vereinsgeschichte ins Gedächtnis zurückzurufen.

 

Der Fußballclub „Germania“, der 1905 gegründet wurde, ist der älteste der Väter der Spielvereinigung Rasensport-Preußen. Von den Gründern weilen nur noch Fritz Fink und Paul Guß unter den Lebenden. Die beiden unvergesslichen Mitbegründer Bruno Eisenblätter und Georg Pelz wurden Opfer des letzten Krieges. 1911 schloss sich der Fußballclub „Germania“ mit dem 1909 von Schülern des Realgymnasiums des Kneiphöfischen Gymnasiums und der Vorstädt. Realschule ins Leben gerufenen Fußballclubs Brandenburg zum Rasensportverein Ostmark zusammen. Wilhelm Jebsen, einer der unermüdlichsten Verfechter des Sportgedankens, war die tragende Säule des Fußballclubs Brandenburg. Die heute noch lebenden Kameraden Otto Wiechert und Paul Rechtalski waren die Mitbegründer des 1910 entstandenen Sportclubs Favorit. Im gleichen Jahre gründeten u. a. Gustav Döhring und Alfred Eisenblätter den Sportclub Preußen.

 

Es war ein guter Gedanke der damals führenden Männer einiger Sportvereine, sich zu einer starken Sportvereinigung zusammenzuschließen. So hatten sich bereits die auf dem Friedländertorplatz beheimateten Sportvereine Ostmark und Favorit kurz nach dem ersten Weltkrieg zum Verein für Rasensport zusammengetan, um dann durch Zusammenschluss mit dem Sportclub Preußen 1910 die Spielvereinigung Rasensport-Preußen entstehen zu lassen.

 

Waren die Rasensportler fast ausschließlich Fußballer, so wirkte sich die Ehe mit den „Preußen“, deren Stammplatz der Herzogsacker war, insofern günstig aus, da diese in ihren Reihen recht talentierte Leichtathleten hatten. So war z. B. bereits vor dem ersten Weltkrieg und auch einige Jahre nachher der Altmeister Willi Weger im Wald- und Geländelauf einfach nicht zu schlagen. Auch seine Vereinskameraden Erich Keller, Franz Seidler, Zahl, Erich Meyer und Kurt Weger gehörten zu den Preisträgern im Lang- bzw. Mittelstreckenlauf. Es war geradezu eine Sensation, als beim 1000-m-Mallauf (vielleicht soll es Waldlauf heißen)? auf einem größeren Sportfest in Königsberg Willi Weger, Erich Keller, Franz Seidler und Erich Meyer durch Verabredung untereinander Brust an Brust geschlossen vor allen anderen Teilnehmern im toten Rennen durchs Ziel gingen.

 

„Quer durch Königsberg“

So war die Leichtathletik aus der gegründeten SVRP einfach nicht mehr wegzudenken. Wenn es auch mit wenigen Ausnahmen zu Meisterehren nicht reichte, so war die Breitenarbeit auf diesem Gebiet doch recht beachtlich. Für den organisatorischen Aufbau der Abteilung waren zunächst Alfred Eisenblätter, später Carl Sallet und Paul Schulz verantwortlich. Der Waldlauf war mehrere Jahre hindurch die Domäne der SVRP. Der VfK wurde dann später Mannschaftssieger, obwohl auch bei diesem Lauf Altmeister Willi Weger vor dem VfK'er Oberüber durchs Ziel ging und auch Wegers Vereinskamerad Zahl den dritten Platz belegte. Die 4-mal-100-m-Staffel mit Otto Krause, Paul Schulz, Artur Krohn und Walter Brettschneider war vielfach erfolgreich, wobei der Wechsel Krohn/Brettschneider als vorbildlich anerkannt werden musste.

 

Ein besonderes Verdienst erwarb sich die Jubilarin durch die einmalig großartig organisatorische und sportliche Leistung des Großstaffellaufes „Quer durch Königsberg“. Durch die Teilnahme namhafter Spitzenläufer und Mannschaften „aus dem Reich“ wuchsen die Veranstaltungen weit über den Rahmen einer örtlichen Angelegenheit hinaus. Die vielgestaltige Aufteilung des Staffel- bzw. Einzellaufes gab auch den Klein- und Kleinst-Vereinen aller Klassen eine Möglichkeit der Beteiligung mit Gewinnchancen. Bei der Organisation dieser Veranstaltungen waren Emil Rohde, Alfred Eisenblätter, Carl Sallet, Paul Schulz, Franz Seidler und Erich Bleeck maßgeblich beteiligt. Nicht unerwähnt darf als Leichtathlet der Standardmittelstürmer der Fußballliga Fritz Fink bleiben, der 1922 Wehrkreismeister über die 100 - m - Strecke wurde, und Fritz Korallus, dessen Hauptbetätigungsfeld das Geräteturnen im MTV war, lief die 400 m für damalige Verhältnisse in beachtlicher Zeit.

 

Kurt Jargons erreichte bereits im Jahre 1910, 6,58 Meter im Weitsprung.

 

Der Fußballsport stand natürlich im Mittelpunkt des Vereinslebens. Es ist ein glücklicher Zufall, dass durch vorzeitigen Fortzuges des Kameraden Otto Holz wenigstens einige alte Vereinszeitungen und Bilder gerettet werden konnten, die noch heute von stolzen Tagen zeugen. Unvergesslich zunächst die Namen der Verantwortlichen wie Gebr. Eisenblätter, Artur Gudat, Wilhelm Jebsen, Bruno Goiny, Emil Rohde, Franz Becker, Paul Rechtalski, Artur Peppel, Adolf Schakat, Hillenberg usw.

 

Erfolgreiche Breitenarbeit

Welche Erinnerungen werden wach bei der bloßen Erwähnung der Aktiven wie z. B. Guß, Flieder, Eisenblätter, Puck, Hatt, Gutschendies, Mischke, Pehl, Jurgons, Wiechert, Mauritz, Batzkus, Schulz, Schakat, Will, Zakrcewski, Fink, Venohr, Gebrüder Dzäbel, Wittke, Sameit, Gebrüder Holz, Fleischer, Wilde, Gebrüder Holzhütter, Gebrüder Blum, Seidler, Vorrat, Feige, Gebrüder Korallus, Gebr. Blaß, Sprang, Rieck, Ebert, Barkowski, Klein, Hopp, Gebrüder Buchholz, Horch, Stiel, Ogonowski, Binner, Borowski, um nur einige zu nennen. Unnötig zu sagen, dass die Aufzählung nur aus dem Stegreif erfolgt ist und keinesfalls etwa eine Rangordnung darstellen soll.

 

Von der erfolgreichen Breitenarbeit mag ein Teilergebnis aus dem Jahre 1922 zeugen: Die Liga und acht weitere Herrenmannschaften gewannen von 101 Spielen 77, spielten 10 Mal unentschieden, waren nur 14 Mal unterlegen und erzielten dabei ein Torverhältnis von 310:90, bei einem Punktverhältnis von 164:38. Daneben stellte die Jugendabteilung noch weitere 6 Fußballmannschaften, von deren Betreuer insbesondere Julius Kucklies, Adolf Schakat, Franz Seidler und Erich Meyer zu nennen sind. Wenn die Fußballer auch in ihrer Spitzenmannschaft nicht über den dritten Platz hinter VfB und Prussia-Samland hinausgekommen waren, so wurden doch laufend Meisterschaften in den unteren Klassen errungen. So z. B. auch die Bezirksmeisterschaft (Stadtmeisterschaft von Königsberg). Auch zu repräsentativen Spielen stellte die SVRP immer wieder Spieler aus ihren Reihen, so u. a. Wittke für den Baltenverband gegen Mitteldeutschland und Berlin, Sameit, Fink, Wittke und Binner zum Pokalendspiel Königsberg gegen Allenstein im Jahre 1922. Auch Fritz Sprang hat an vielen Repräsentativspielen teilgenommen. Die ältesten Repräsentanten waren jedoch Kurt Jurgrei und Ernst Gutschendies (beide später VfB). In guter Erinnerung werden vielen die erfolgreichen Spiele der Ligamannschaft gegen SV lnsterburg, Rastenburger Sportverein oder MTV Memel sein. Desgleichen das erfolgreiche Spiel um den Aufstieg in die Ostpreußenliga gegen Viktoria Elbing im Jahre 1926. Mit Recht kann die Jubilarin daher stolz auf die Pionierarbeit für den Fußballsport sein.

 

Handball und Hockey

Nach Einführung des Handballsportes etwa im Jahre 1920 wurde auch dieser Sportzweig mit Erfolg aufgenommen. Die Seele der Handballabteilung, Paul Schulz, der die Abteilung zu Ansehen brachte, und selbst als Kreisfachwart, Schiedsrichter-Obmann und später als Gaujugendwart und als Reichsschiedsrichter zu Amt und Würden kam. Als Lohn für seine vorbildliche Tätigkeit erhielt er dann auch 1942 als erster Handballer Ostpreußens den Ehrenbrief der NSRL. Es wollte schon etwas heißen, drei Männer- und zwei Jugendmannschaften laufend im Spielbetrieb zu haben! Zu Auswahlmannschaften stellten die Handballer ebenfalls eine Reihe von Spielern. 1928 gelang es der ersten Mannschaft, zu Meisterehren zu kommen und diese Position einige Jahre zu halten. In der Sportorganisation waren ferner Werner Schikorski als Gaufachwart und Bürgereit als Bezirksfachwart tätig.

 

Die Hockeyabteilung war das jüngste Glied der Sportvereinigung. Schreiber dieser Zeilen war mit Erfolg bemüht, bei seinen Sportkameraden das Interesse für den Hockeysport zu wecken und zu fördern. Im Wettstreit mit den Königsberger Vereinen blieben bei Herren- und Jugendmannschaften die Erfolge auch nicht aus. Überraschend konnte gelegentlich sogar auch die jeweils führende Mannschaft besiegt werden. Zu Auswahlspielen wurden immer wieder einzelne Spieler abgestellt. Bei mehreren Spielen um den „Silberschild“, der höchsten Trophäe des Hockeysports gegen Berlin, Südostdeutschland und Norddeutschland wirkte der Unterzeichnete mit. Eine bleibende Erinnerung war die Sportfahrt der Hockeyer zu Turnierspielen nach Halle/Saale, wobei es noch auf der Durchreise in Berlin zu einem schönen 6:0 Sieg über die Berliner Universitätsmannschaft kam. Die Hauptakteure der Abteilung waren die Gebrüder Danehl, Adolf Tollkühn, Artur Korff, Walter Sieck, Heinz Riedel, Heinz Krüger, Artur Samland, Erich Kleefeld, Georg Pollitt, Erwin Adomeit und der Unterzeichnete. Die Gastrolle, die die beiden Berliner Sportkameraden Max Kugel und Werner Schönemann gaben, hatte sich sehr günstig auf die Fortentwicklung der jungen Abteilung ausgewirkt.

 

Zum Ausgleich der fehlenden Betätigung auf dem grünen Rasen hatten sich mehrere Interessenten zu einer Sportkegler-Gemeinschaft zusammengefunden. Die erste Mannschaft der „Preußen“ war bei den Sportkeglern dann auch bald ein beachtenswerter Partner geworden. Die Mannschaft mit Bruno Eisenblätter, Otto Venohr, Artur Peppel, Franz Seidler und Erich Meyer errang manch schönen Sieg, und auch in Einzelkämpfen waren einzelne Mitglieder dieser Mannschaft wiederholt Preisträger.

 

Um die Vielseitigkeit der Spielvereinigung zu unterstreichen, muss noch das Kleinkaliberschießen erwähnt werden. Auf eigenem in eigener Regie erbauten Kleinkaliberschießstand wurde Aug und Hand geübt. Die Erringung der „Königs- und Ritterwürde“ war abschließend dann eine große Sache, fast wie bei einem Schützenverein. Erich Bleeck war wohl der erfolgreichste Schütze.

 

Der heutigen Sportjugend zum Vorbild!

Die Chronik, mag sie noch so dürftig sein, wäre unvollständig, wenn zwei Dinge unerwähnt bleiben würden. Da ist zunächst die „Monatsschrift der SVRP“ mit Paul Rohde als Verantwortlichen zu nennen. Gerade in den Nachkriegsjahren des ersten Weltkrieges und nach dem Zusammenschluss zur Spielvereinigung hat die Vereinszeitung wertvolle Aufbaudienste geleistet. Der Inhalt der wenigen geretteten Exemplare aus den Jahren 1920 bis 1923 zeugt deutlich von der Pionierarbeit für den Sportgedanken. Die damals zum Ausdruck gebrachte Sportauffassung könnte der heutigen Sportjugend im Zeitalter des Totos in vielen Punkten zum Vorbild dienen.

 

Einmalig dastehen dürfte ferner das mutige Unterfangen der Männer der SVRP aus den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, der vorhandenen Sportplatznot durch den Bau einer eigenen großen Sportplatzanlage zu begegnen. Das Selbsthilfevorhaben, eine Platzanlage mit drei Fußballfeldern zu erbauen, wovon allerdings nur zwei fertiggestellt wurden, reiht sich würdig der sonstigen Pionierarbeit der SVRP an. Die Initiatoren wie Emil Rohde, Fritz Sprung, Georg Pelz, Carl Sellet und viele andere Vereinsmitglieder hatten dadurch ihre selbstlose Einsatzbereitschaft bewiesen. Auch, dass die Platzanlage aus finanziellen Gründen nach einiger Zeit von der Stadtverwaltung übernommen wurde und später dann der Wiederwehrhaftmachung geopfert werden musste, kann hieran nichts ändern.

 

Einiges ist rückschauend gesagt. Vieles wäre noch erwähnenswert, aber man mag es dem Chronisten zugutehalten, dass er versucht hat, an Hand der spärlichen Unterlagen und Mitteilungen wenigstens das Wesentliche in knapper Frist zu Papier zu bringen. Bei einigem Nachdenken wird aber vielleicht doch mancher Kamerad sein Sportleben im Geiste noch einmal erstehen lassen. Wenn unsere Jungen auch nur einen Teil der Beständigkeit und des Idealismus ihrer Väter aufbringen, woran nicht gezweifelt werden soll, so werden vielleicht auch einige von uns noch mit dabei sein wollen, wenn in unserer geliebten Heimatstadt Königsberg der deutsche Sportgedanke noch einmal zu neuem Leben erweckt wird. Ernst Witt.

 

 

Seite 9   Das Duisburger Erlebnis. Ein Brief an den Ostpreußen der nicht dabei war.

Mein lieber Freund!

Sie schreiben mir, dass Sie bei der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in der Patenstadt Duisburg leider zum lebhaftesten Bedauern nicht dabei sein konnten. Nun, da Sie in Presse und Radio so viel Rühmendes und Lobendes gelesen und gehört haben, Sie gern einige persönliche Eindrücke von mir zu empfangen wünschten.

 

Ich entspreche diesem Wunsche nicht allzu gern, denn es ergibt sich ja zuerst die Frage, warum in aller Welt konnten Sie nicht selbst daran teilnehmen. Wir Ostpreußen waren doch alle mehr oder minder mit unserer Landeshauptstadt verbunden, dass es für jeden Ostpreußen eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, zu dieser alle hundert Jahre einmal stattfindenden Veranstaltung nach Duisburg zu kommen. Unsere Kinder, die heute noch nicht 25 Jahre alt sind, können vielleicht das Erleben haben, an der Jubelfeier in 50 Jahren, wo man das Dreivierteljahrtausend würdig begehen wird, teilzunehmen. Sie aber und ich, die wir beide bereits in der zweiten Hälfte eines Lebenssäkulums stehen, wir können nicht damit rechnen. Außer ernsthafter Krankheit und drückenden Geldsorgen gibt es keine zwingende und vernünftige Entschuldigung. Aber ich vermisste Landsleute, die beides nicht in die Waagschale werfen konnten.

 

Gewiss, es hört sich stattlich an, dass ungefähr 60 000 Ostpreußen nach Duisburg gekommen waren. Es hätten Hunderttausende sein müssen. Die Großkundgebung im Stadion hätte alle Ostpreußen auf den Plan rufen müssen zu dem Treueschwur: „Niemals Kaliningrad, stets und immerdar unser Königsberg!“

 

Nun, andererseits sind alle zu bedauern, die nicht dabei gewesen sind. Sie haben etwas Einmaliges versäumt. Ich denke dabei nicht an den Massenbetrieb der Großkundgebung im Stadion und des allgemeinen Treffens in der DVG-Halle. Ich denke dabei vielmehr an die Veranstaltungen, die von der Stadt Duisburg getragen waren.

 

Ich denke dabei auch an die einzelnen kulturellen Ereignisse wie die Eröffnungen der Buch-, Kunst- und Volkstumsausstellung. In ihnen offenbarte sich so recht das, was wir an unserem Königsberg gehabt und mit ihm in unersetzlicher Weise verloren haben. Mit Königsberg sank nicht nur eine Welt in Trümmer, die unsere Welt war, sondern die Pflanz- und Reifestätte eines Preußentums, das, wie sich der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser in seiner Ansprache ausdrückte, „der Demokratie nicht im Wege stand“. Männer wie der frühere Ministerpräsident von Preußen, der in Königsberg geborene Otto Braun, und Dr. Goerdeler legen dafür Zeugnis ab.

 

Wer hätte sich des mächtigen Gefühls erwehren können, das einen übermannte, als er, auf dem Wege zum Festakt im Stadttheater die Stimme der Glocke des Königsberger Domes vernahm. Das war die Heimat selbst, die durch die Glocke noch sprechen konnte. Deshalb kann sie ja niemals sterben, solange auch nur diese eine Stimme durch die weiteren Jahrhunderte klingen wird. Mir will scheinen, dass die eherne Sprache dieses metallenen Mundes mehr als Menschenstimmen das Unsterbliche zum Ausdruck brachte.

 

Sie, lieber Freund, der Sie ja den Verlauf der Festtage ausführlich in der Presse geschildert fanden, wollen doch nur persönliche Eindrücke. Sie werden verstehen, dass für mich, der ich in Kollegs und im Seminar zu Füßen Professor Rothfels gesessen habe, der Festakt im Stadttheater das größte Erlebnis war, weil ich den verehrten Lehrer nach fast 25 Jahren zum ersten Male wieder hörte. Er war noch der Gleiche von anno dazumal. Gewiss, das einst schwarze Haar war grau, aber die Sprache war noch dieselbe, seine Bewegungen ebenfalls, der Vortrag in alter Straffheit und Akzentuiertheit. Und die Weite des Gedankenflugs ließ den andächtig Lauschenden immer wieder neue Gesichtspunkte einer Geschichtsdeutung erleben, obgleich die ausführlichen Betrachtungen der Vorredner alles erschöpft zu haben schienen.

 

Etwas, was ebenfalls weiter in mir nachklingen wird, war, dass in allem deutlich wurde, dass Königsberg und sein Preußentum nicht eine Antithese Germanentum-Slawentum gewesen ist, sondern im Gegenteil die Synthese von westlichem Abendland und Slawentum. Gewiss, die wir in Königsberg und Ostpreußen lebten, wussten sehr wohl um die geistigen und wirtschaftlichen Ausstrahlungen auf unsere slawischen und baltischen Nachbarn, eine von Achtung und Vertrauen getragene Verbundenheit — sehr schmerzlich erinnere ich mich noch an einen Besuch estnischer Studenten und Studentinnen im Jahre 1939 in Königsberg, die von Hitler bald darauf so schmählich verraten und den Bolschewisten überantwortet wurden — aber wir fühlten uns doch mehr oder minder als Bollwerk gegen den bolschewistischen Nachbarn. Es ist eine Tat von historischer Bedeutung, dass man in Duisburg diese Synthese wieder deutlich aufgezeigt hat. Besonders prägnant tat es Dr. Gause. Deshalb wichtig, weil eine Neuordnung im ostdeutschenosteuropäischen Raum niemals ein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander aller dort Heimatrecht beanspruchenden Völker ermöglichen wird.

 

Vielleicht wird dieses Miteinander als Einklang und Harmonie über einer 750- und 800-Jahrfeier in einem wiederaufgebauten Königsberg stehen, wie es jetzt der oben skizzierte Dreiklang: Staatenbildende und staatsformende Kraft des Preußentums, Unsterblichkeit der Heimat und Synthese Germanen- und Slawentum, in Duisburg tat.

 

Schließlich auch etwas, was man eben selbst erlebt haben musste, die Erhabenheit des Augenblicks, in dem Oberstadtdirektor Klmpel Frau Anneliese Goerdeler begrüßte. Wer konnte oder mochte sich der Ergriffenheit entziehen, die jeden anrührte, als er die Frau des Mannes sah, der für sein Ideal von einem freien deutschen Vaterland am Strange endete. 700 Jahre Königsberg! Und wenn wir nur das Kantdenkmal und Kants Grabstätte wiederfinden, vor dem selbst die Bolschewisten Achtung haben, kehren wir zurück in unser Königsberg, auf dass unsere Kinder und Enkelkinder die 800-Jahrfeier in der Heimat begehen können. Es grüßt Sie stets Ihr H. Sch.

 

 

Seite 9   Wiedersehen mit französischen Kriegsgefangenen

Ein Wiedersehen mit ihren ehemaligen französischen Kriegsgefangenen feierten ostpreußische Familien auf der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in Duisburg. Dieses glückliche Treffen einer Vertriebenengruppe mit Angehörigen einer anderen Nation, die über trennende Grenzen hinweg ihren früheren Brotherren eine gute Erinnerung bewahrt haben, war ein guter Gedanke. So kommt das Denkmal, das der Göttinger Arbeitskreis mit seinem weitverbreiteten Buch „Dokumente der Menschlichkeit“ schon vor Jahren gesetzt hat, auch heute noch besonders lebendig zum Ausdruck.

 

 

Seite 9   Festkommers der Akademiker in Hamburg

Foto: Der Münzplatz im alten Gewande

Mehr als 400 Personen nahmen in Hamburg an einem Festkommers zum Gedenken an die 700-jährige Stadt Königsberg und ihre Universität teil. Die ostpreußischen Studentengruppen in Hamburg und Göttingen, die acht alten Königsberger Burschenschaften und Corps und die westdeutschen Traditionsverbindungen der Landsmannschaften Arminia und Marco-Natangia und der Turnerschaften Cimbria, Franconia und Frisia hatten zur Teilnahme an dieser Veranstaltung aufgefordert. Neben Studenten und „Alten Herren“ der genannten Vereinigungen waren auch zahlreiche Vertreter von Hamburger Korporationen und Studentengruppen erschienen. Auch viele Damen hatten es sich nicht nehmen lassen, von der Galerie aus am Festkommers teilzunehmen.

 

In seiner Begrüßung wies der Vorsitzende der Akademischen Vereinigung Ordensland Hamburg, Dr. Claussen, darauf hin, dass mit der alten deutschen Stadt Königsberg nicht nur jeder Ostpreuße, sondern jeder Deutsche einen schmerzlichen Verlust erlitten habe, ebenso wie die Zerstörung Dresdens nicht nur die Sachsen, sondern jeden Deutschen getroffen hat.

 

Dann sprach Pfarrer Hugo Linck, der bis 1948 als Seelsorger in Königsberg wirkte, von den unvergänglichen Werten christlicher, abendländischer Kultur, die das Gesicht des deutschen Ostens geprägt haben und die vielen in der Heimat verbliebenen Königsbergern ein Trost und eine Stütze in schwerster Zeit bedeuteten.

 

Zu einem Festvortrag über „Geschichte und Bedeutung der Königsberger Universität“  nahm dann Prof. Hubatsch, Göttingen, das Wort. Er wies darauf hin, dass die im Jahre 1544 gegründete Hochschule schon bald nach ihrer Entstehung ein bedeutendes Zentrum deutschen Geisteslebens in Osteuropa wurde. Wenn auch Kant der bedeutendste unter ihren Professoren war, so lehrten an der Alma Mater Albertina doch auch außer ihm noch viele andere Gelehrte von europäischem Rang.

 

Eine enge Verbindung zwischen Stadt und Universität sorgte dafür, dass die Universität Königsberg befruchtend auf das gesamte öffentliche Leben Ostpreußens wirkte. Welche Anziehungskraft die Königsberger Universität weit über die Grenzen Deutschlands in den Osten hinein ausübte, erhellt aus der Tatsache, dass im Jahre 1744 rund ein Drittel ihrer Studenten Ausländer, vor allem Polen, Litauer, Balten und Russen waren.

 

Der starke Widerhall, den der Festkommers in den Reihen der Hamburger Studentenschaft gefunden hat, berechtigt zu der Hoffnung, dass die Königsberger Universität und mit ihr der gesamte deutsche Osten in den Reihen der akademischen Jugend nicht vergessen wird.

 

 

Seite 9   Begegnung mit Lovis Corinth

Cape diem sagt der Lateiner — wir Deutschen sagen: nütze den Augenblick, denn er entschwebet, und den Du nicht genützt, den hast Du nicht gelebet.

 

Es war im Jahre 1912, als anlässlich einer Ausstellung in Königsberg Professor Lovis Corinth unsere Stadt besuchte. Mein Mann, Kunsthändler Paul Riesemann lud Lovis, wie sie ihn alle nannten, zu einem Frühstück bei uns ein. Tage vorher war mein Mann schon in Aufregung, ob alles klappen würde.

 

Der Tag war da. Ich war mit meinem kleinen Mädelchen im Schlafzimmer, als meinem Mann die Ankunft von Professor Corinth gemeldet wurde. Mein Mann bat, ich möchte kommen und als er sah, dass ich beschäftigt war, sagte er, „komm' so wie Du bist“. Ich hatte das Kind auf dem Arm und ging ins Esszimmer. Vom Musikzimmer trat mir Lovis entgegen und mein Mann machte uns bekannt. Er nahm keine Notiz von mir, sondern sagte nur „bleiben Sie so und nahm aus der Tasche Bleistift und Block. Bevor er begann, sagte mein Mann — ich höre seine Worte noch in Gedanken „Professorchen nach dem Frühstück“. Es war ein schönes solennes Make und wir ließen uns alles munden, und Lovis hatte es gut geschmeckt, besonders der Wein und der Sekt. Dann war nichts mehr mit Zeichnen. Oft sagte mein Mann, wie leid es ihm tat. Professor Lovis Corinth kam, wie Professor Eduard Bischoff in der Ostpreußen-Warte neulich schrieb, zu der Corinth-Ausstellung 1924 wieder nach Königsberg.

 

Wieder war er unser Gast mit Professor Bischoff und Frau, Professor Degner, Berlin — Otto Hermann Claass, unser Königsberger Kunstmaler und Frau, unserem Sozius Max Lintaler und Frau und einigen Kritikern. Es war wieder feierlich und schön. Lovis hatte, weil er eine Schlagberührung hatte — er hielt das Glas mit beiden Händen —, seinen Sohn Thomas mitgebracht. Er sah das Portrait, das Professor Bischof von meinem Mann gemalt hatte, und lobte es sehr. Wir alle waren froh und dankbar. Den nächsten Tag waren wir alle bei Otto Herrmann Claass eingeladen. Es gab ein echt ostpreußisches Gericht, das Lovis herrlich schmeckte. Frau Professor Bischoff war seine Tischdame, und ich an seiner linken Seite bereitete ihm alles mundgerecht, weil er es nicht mehr konnte. Das war unsere letzte Begegnung mit Professor Lovis Corinth.

 

Mein Mann und ich waren im Sommer 1925 in Tölz. Von dort fuhren wir mit Auto bei 90 Kilometer Geschwindigkeit die Kehren nach dem Walchensee und wollten Lovis besuchen. Er war in Holland. Dort ist er in den ewigen Osten eingegangen. Seine Malerei ist unsterblich. Ich sage dem Schicksal für die Begegnung mit ihm Dank. Friedel Riesemann.

 

 

Seite 9   35 Jahre „Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler Königsberg Preußen“

Patenschaftsübernahme durch die Knabenrealschule Duisburg.

Foto: Von links nach rechts: Ernst Witt und Herbert Minuth — Realschuldirektor Stimmler bei seiner Ansprache.

Im Rahmen der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg/Pr. in Duisburg übernahm die Knabenrealschule — Duisburg — an der Wacholderstraße — die Patenschaft über die Sackheimer Mittelschule — Königsberg/Pr. In einer würdigen Feierstunde, die von den „Ehemaligen“ anlässlich des 35-jährigen Bestehens der Vereinigung im Kolpinghaus in Duisburg-Ruhrort vorbereitet war, nahmen zirka 250 ehem. Schülerinnen, Schüler und Lehrer der ehem. Schule teil.

 

Mit dem ,,Preludes von Liszt“ eingeleitet, begrüßte der Vorsitzende Schulk. Herbert Minnuth die Festversammlung, insbesondere den Ehrenvorsitzenden und Gründer der Vereinigung Schulk. Ernst Witt und seine Gattin, die Ehrenmitglieder Herrn Mittelschullehrer i. R. Julius Sadowski und Realschullehrerin Frl. Käte Haugwitz sowie die Ehrengäste Herrn Realschuldirektor Stimmler von der Knabenrealschule Duisburg, den Vors. der Elternpflegschaft vorgenannter Schule, den Vors. Vereins ehem. Mittel- und Realschüler Duisburgs, Herrn Maas sowie die ehem. Lehrkräfte unserer Schule. — Ehrend gedachte anschließend die Versammlung der verstorbenen Rektoren, Lehrer, Schülerinnen und Schüler. Ein Liedvortrag „Der Tag des Herrn“ von Kreutzer leitete zu einer humorvollen Ansprache des Schulk. Witt über, der an die Erlebnisse der Schulzeit erinnerte und auf die Gründung der Vereinigung vor 35 Jahren und ihre Weiterentwicklung hinwies.

 

„Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ von Beethoven führte zur Patenschaftsübernahme durch Herrn Direktor Stimmler über, der, durch eine feierliche Ansprache unterstrichen, die Patenschaftsurkunde seiner Anstalt und ein Tischbanner in den Farben der Stadt Duisburg überreichte. Schulk. Minuth dankte für die Bereitschaft zur Übernahme der Patenschaft und überreichte seinerseits für die Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler Königsberg/Pr. einen großen Wimpel in den Schulfarben der ehem. Schule, der die Verbundenheit nunmehr auch äußerlich zum Ausdruck bringen soll, mit der gegenseitigen Versicherung „Treue um Treue“. Das Lied der Ostpreußen „Land der dunklen Wälder“, gemeinsam gesungen, bekräftigte diese, von Herzen kommende Patenschaftsverbindung. Für Herrn Mittelschulrektor i. R., W. Zeil, der durch Krankheit verhindert, nicht an der Feier teilnehmen konnte, verlas Herr Sadowski einen Bericht von Herrn Zeil, der in schmerzlichen Worten gehalten war und den langsamen Untergang unserer Schule seit 1939 eindringlich schilderte. Mit dem Gedicht „Die Königspalme“ und dem Deutschlandlied endete die sehr eindrucksvolle Feier. M.

 

 

Seite 10   Von alten Apotheken und Apothekern in Königsberg Ein Gedenktag zum 700-jährigen Jubiläum 1955

Der weise Hippokrates hat einmal den Schmerz einen „bellenden Wachhund der Gesundheit“ genannt. Wie so manche seiner ärztlichen Lehre und Grundsätze hat sich auch diese seine Anschauung vom Schmerz durch die Jahrtausende als richtig erwiesen. Aber dieser Wachhund bellt nicht nur als Warner und Mahner, er kann auch peinigen. Kein Wunder, dass der Kampf gegen den Schmerz so alt ist wie die Heilkunde selbst. Die Ärzte des Altertums und des Mittelalters haben schon gewisse schmerzstillende Drogen gekannt und angewandt, gewonnen aus dem Bilsenkraut, der Alraunenwurzel und der Tollkirsche, aus dem Stechapfel und dem Schierling. Später ist das Opium aus dem Mohnsamen in den Vordergrund getreten.

 

Im Mittelalter gab es zahlreiche Heilmittel, die vom Hirsch herstammten. Sein Mark und Blut galt als kräftigend und stärkend. Litt ein Kranker an Abzehrung, so nähte man ihn in eine frisch abgezogene Hirschhaut ein. Um fließendes Blut zu stillen, legte man auf die Wunde das Hirschkreuzlein, eine Verknöcherung, die sich auch bei andern größeren Wiederkäuern in der Herzscheidewand findet. Der Bast, den der fegende Hirsch von seinem Geweih abstreifte, galt von jeher als das bewährteste Mittel gegen Seuchen und Vergiftungen aller Art. Der Hirsch wurde überhaupt von unsern Vorfahren als ein giftwidriges Tier angesprochen und die Sage von der Feindschaft zwischen ihm und den Giftschlangen, die er verfolgen und töten sollte, ist uralt.

 

Die heilkundigen Helfer der Ärzte waren die Apotheker seit Jahrhunderten. Im Mittelalter besaß die Altstadt und der Kneiphof Königsbergs je eine Apotheke, die aber an anderen Stellen standen als die spätere Kant- und Bärenapotheke, die Nachfahren der Ratsapotheken. Letztere befand sich in der Brodbänkenstraße, bestehend aus zwei alten schönen Giebelhäusern, am Eingang den Bären aus Stein. Die alte Kant-Apotheke als Baudenkmal fiel auch der Spitzhacke zum Opfer, den Verlust konnte niemals der schöne und würdige Neubau ersetzen.

 

An der Ecke der Junker- und Kehrwiederstraße, die wir als Theaterstraße kennen, stand, wie später noch, die uralte Hof-Apotheke. Ende des 16. Jahrhunderts besaß diese der herzogliche Leibarzt Dr. Montanus, nach ihm sein Schwiegersohn, der Hofapotheker Panzer.

 

Nach Caspar Stein war der Apotheker Panzer nicht nur ein hervorragender Botaniker und Raritätensammler, sondern auch ein namhafter „Theriakbereiter“. Er verfertigte dieses damals so sehr hochgeschätzte aus reinstem Blütenhonig und 70 „Ingredienzien“ bestehende alte Universalheilmittel nach Pisanski mit vieler Feierlichkeit öffentlich im Beisein vieler Ärzte, Gelehrten und Standespersonen sowie auch sämtlicher Regimentsräte.

 

Auf diese Handlung hat Simon Dach ein lateinisches Gedicht gemacht, worin er anführt, der Panzersche Theriak stehe in so großem Rufe, dass man ihn nach Litauen, Polen, Moskau, Ungarn und Dänemark verschreibe. Auch preist er in einem andern, deutschen Gedicht den Apotheker als edlen Menschenfreund wegen unentgeltlicher Hergabe bei seiner schweren Krankheit:

 

„Oh, wie wohl hab ich genossen Eurer schönen Officin!

Herr, aus ihr ist Kraft geflossen über meinen Leib und Sinn.

Als die Ärzte mir zu leben schlechte Hoffnung wollten geben.

Das, wodurch ich bin genesen, hat mir Eure Kunst gewährt,

Die so gütig doch gewesen, dass sie nichts dafür begehrt,

Ohn‘ dass ich, dafern ich wollte, dieses Brautlied schreiben sollte“.

 

Es ist ein aus 16 Strophen langes Brautlied bei der Verheiratung der Apothekertochter. Schließlich besang Dach auch den Tod Panzers im Jahre 1658.

 

Caspar Stein erwähnt 1644 auch bereits die Löbenichtsche Apotheke. Er berichtet ferner: „An einer Pforte St. Barbara (Löben.-Kirche) eine Gedenktafel und Bild des älteren Erich Thüringer, Apothekenbediensten, der anno 1642 den 30. August seines Alters im 30. Jahre gestorben“. Dazu den Spruch:

 

„Hin geht die Zeit, her kommt der Tod,

o Mensch tu recht und fürchte Gott“.

 

Neben dem alten Landhofmeistersaale lag einerseits vor Jahrhunderten schon eine „Medizinische Apotheke“, die spätere Bergapotheke.

 

Im Jubiläumsjahr 1755, als Königsberg 50 000 Einwohner zählte, werden 10 Apotheken genannt.

 

Im Jahre 1876 ist Kahles Apotheke in der Altstädt. Langgasse bekannt für allopathische und homöopathische Arzneimittel, sowie als General-Depot der Dr. Airy'schen Naturheilmittel für Ost- und Westpreußen. Im gleichen Jahre steht dem Königsberger „Pharmazeuten-Verein“ der Apotheker Georg Böhmer als „Präses“ vor, Richard Klebs, der spätere namhafte Professor, ist der Stellvertreter.

 

In der Zeit vor dem ersten Weltkriege gehen aus der Hagen'schen Apotheke (Junkerstraße 6) oft Medikamente an den Petersburger Zarenhof und an die leidenden Großfürsten nach der Krim.

 

Die Russen, die einst die deutschen Heilmittel aus der ostpreußischen Hauptstadt so schätzten, haben jetzt selbst den Ort als Kaliningrad in Besitz, aber von den unzähligen Apotheken, die Königsberg bis zum Untergang besaß, ist keine übrig geblieben, die von Deutschen betreut wird. Hermann Bink

 

 

Seite 10   125 Jahre Corps Massovia

Vom Corpshause in der Bartelsallee und dem Gebäude des ehemaligen kaiserlichen Yacht-Clubs grüßten die blau-weiß-roten und orange-weiß-schwarzen Fahnen. Corpsbrüder und Gäste, als das mit Palaiomarchia vereinte älteste Königsberger Corps Masovia am 11. und 12. Juni 1955 die 125. Wiederkehr seines Stiftungstages festlich beging. Aus allen Teilen der Bundesrepublik, aus West-Berlin und dem Auslande (u. a. Graf Luckner) waren Alte Herren und Gäste herbeigeeilt, um an diesem Tage mit dabei sein zu können. Unzählige Glückwünsche erreichten das Corps, darunter besonders herzliche von Prof. v. Selle, Göttingen.

 

Es war ein Fest der Freude und der Besinnlichkeit, der Einkehr und Rückschau. Ministerialdirektor a. D. Prang und Dr. phil. Lippold gedachten in ihren Festreden der unerreichbaren Heimat mit der Vaterstadt des Corps und der alt-ehrwürdigen alma mater Albertina, gedachten der bedeutendsten Männer des Corps, wie u.a. der Wissenschaftler Richelot und Resse, der Historiker Bergenroth und Gregorovius. Dr. Lippold bekannte sich für das Corps zu der Auffassung, die in diesem seit je gelernt und gelebt wurde, nämlich: Preußischem Grundsatz getreu nicht von Volk und Staat leben zu wollen, sondern für Volk und Staat; Pflichten verlangen und erfüllen zu wollen, auch wenn es sich so bequem nach Rechten rufen lässt. Der Redner wies schließlich auf die herzliche Verbundenheit hin, die gerade zwischen dem Corps Masovia und Schleswig-Holstein besteht; mit dem es nicht nur die Landesfarben gemeinsam hat, sondern für dessen Freiheit mancher Masure in den Jahren 1848/1850 sein Leben ließ. Trotz dieser Verbundenheit, so betonte er jedoch, bleibe der Blick nach Osten gerichtet bis eines Tages Masovia dort von Rechtens ihr Banner wieder aufrichten werde, wo sie vor 125 Jahren ihren Weg begonnen habe.

 

Das Masurenlied, das einst von einem der Gründer des Corps, Prof. Dewischeit, dem Corps zugeeignet und später Landeslied der Landschaft Masuren wurde, verband alte Masuren und junge Altmärker-Masuren in diesem Bekenntnis. Das blau-weiß-rot der Farben aber, die gleichfalls im vergangenen Jahrhundert die Landschaft Masuren vom Corps übernahm und unter denen jene denkwürdig Abstimmung von 1920 stattfand, war allen Corpsbrüdern Mahnung und Verpflichtung: Nicht nachzulassen im Streben um Einigkeit, Recht und Freiheit für unser Vaterland. Hartmut Buechler

 

 

Seite 10   Wir gratulieren

Am 10. Juni 1955 wurde der Rentner Jakob Jednoralski 87 Jahre alt. Sein früherer Wohnsitz war Königsberg, Pr., Sackheim 3. Er ist jetzt wohnhaft in Bünsdorf bei Rendsburg, Kreis Eckernförde.

 

Frau Johanna Moerke, aus Königsberg, Tragheimer Pulverstraße 6, vollendet am 23. Juli 1955 in Herrhausen Nr. 67 über Seesen/Harz, in vorzüglicher Gesundheit und geistiger Frische ihr 76. Lebensjahr.

 

 

Seite 10   Landsleute, bitte herhören!

Wir suchen und wer berichtet:

Insp.-Anwärter Siegfried Ader,

Frau Maria Arndt (Spark.),

Rudi Ankermann,

St.-Amtm. Aßmann,

Kurt Alisat und Frau Magda,

Frau Frieda Albrecht,

Wagenführer Kurt Albrecht,

Angest. Fritz Andehm,

Fritz Bendrin,

Arthur Beyer,

Kraftfahrer Hans Böhm,

Fritz Borowski,

Schlosser Herbert Butzki (K.-W.-S.),

Reg.-Oberbauinsp. Kurt Bieler und Fraiu Helene,

St.-O.-B.Insp. Wilhelm Barkhorn,

Erich Bartsch (Stiftung),

St.-Sekr. Albert Benson,

Fritz Bartsch (Druckerei),

St.-Insp. Fritz Behrendt,

St.-Insp. Gustav Boß,

St.-Sekr. Friedr. Borawski,

St.-Insp. Kurt-Gerh. Barschkies,

St.-Insp. Kurt Bischoff,

Schlosser Alfred Behrendt (K.-W.-S.),

Straßenreiniger Herbert Bartsch,

Angest. Elfriede Bubbel (Wi.Amt),

die Hafenangest. Bönig, Banuscha, Bock, Buckbesch, Bartsch;

Angest. Walter Behr (Plan.Amt),

Fürsorg. v. Bruchhausen, Franz Brodde,

St.-Sekr. Gottfr. v. Bouillon,

Edwin Bordiert (Beton und Monierbau),

Hermann Buttgereit und Toni Buttgereit,

Angest. Karl Buttler,

Strß.-Bahnführer. August Bartsch V,

Fritz Böhnke (Feuerlöschpolizei),

Sophie Becker geb. Götz (Wi.Amt),

Karl Braag und Otto Bolz (Fuhrges.),

Bote Horst Braunsberger (Meßamt),

Barskowski (Stiftung),

Architekt Bitthausen,

Architekt Bröcker (Hochbauamt),

Techn. Brakmann (Hochb.-Amt),

Mag.Baurat Otto Basold,

Gartenarbeiter Albert Böhnke,

Walter Bräsil (Wolf.Amt),

St.O.Insp. Karl Burkowski,

St.-Insp. Walter Borreck,

Lehrer Dedat (Verwalter d. Stadtkellerküche 1945),

St.O.Insp. Rudolf Dembowski,

Amtsgehilfe Max Delegrand,

Brückenwärter Kurt Döschmann,

St.O.Sekr. Dahmer (Kasse),

St.O.-ISekr. Heinrich Dehring,

Angest. Dick,

Antwärter Lothar v. Dzingel,

Angest. Dorloff,

Arbeiter Fritz Dalko, (Gem.Friedhof),

Heizer Hans Dreier (Gem.Friedhof),

St.Insp. Dittloff,

Brückenwärter Ferdinand Dank,

Straßenbahnschaffner Emil Dagott,

Friedr. Domscheit,

Kontrolleur Alfred Donat,

Wagenführer Fritz Donowang,

Maschinist August Dukat (W. W. Seewalde),

Wagenführer Otto Duwe,

Fritz Egdmann (K.W.S.),

Faroß (K.W.S.),

Laternenputzer Ernst Feierabend,

Willy Führer (Strß.Bahn-Werkstatt),

St.-Insp. Eheling,

Hallenmeister Fritz Eisenblätter,

Ewert (Hafen),

St.Insp. Otto Fligge,

St.Insp. Frank (Personalamt),

St.-Insp. Albrecht Franz,

Brückenwärter Willi Fohrt,

Dipl.-Beamter Ewald Fischer,

Insp. der Fuhrges. Frank,

Frau Fischer (Familienunterhalt),

St.Sekr. Emil Fydrich,

Strß.Aufseher Franz Falk,

St.O.Insp. Benno Gramberger,

Karl Grajetzki (Druckerei),

St.O.Insp. Herhuber,

St.Insp. Goldmann,

St.Amtm. Paul Gerth,

St.-O.-Sekr. Waldemar Girrulat,

Angest. Peter Gerst (Wohlf. Amt),

Architekt Julius Gnaß.

Schmiedemeister Gutzeit,

Brückenwärter Karl Groß,

Spark.Angest. Gramatzki,

Spark.Angest. Helene Grunwald,

Dienstanfänger Grentsch,

St.O.Sekr. Otto Gohlke,

Hilfsaufseher Wilhelm Gotthardt (Schlachthof),

Angest. Kurt Günther (K.W.S.),

Spark.Angest. Gronert,

St.Insp. Heinz Gau,

Spark.Angst. Großmann,

Angest. Gundlack (Stiftung),

Marta Geßler,

Verw.Angst. Heinz Großmann,

Hausmeister Fritz Gawlick,

Gustav Gier (Feuerschutzpoliz.),

techn. Zeichner Reinhold Gemmel,

Schlosser Willy Gell,

Schaffner Fritz Gerber,

Kassenbote Paul Groke (K.W.S.).

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -angestellten und -arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1.

 

 

Seite 10   Nordostdeutsche Kulturtage

Mit zahlreichen Teilnehmern und Gästen hat das Nordostdeutsche Kulturwerk in Lüneburg im Juni „Nordostdeutsche Kulturtage“ durchgeführt.

 

Den Auftakt bildete ein Cembalokonzert der aus Westpreußen gebürtigen, in Winsen a. d. Luhe um die Hebung des Kulturlebens sehr verdienten Virtuosin Elfriede Otto mit den „Goldberg-Variationen“ Johann Sebastian Bachs. Die durch ihre Mutter mit dem Baltikum verbundene Ina Seidel las in unverwüstlicher Frische und mit tiefer Wirkung aus ihren neuesten Werken. Staatssekretär Dr. Nahm vom Bundesministerium für Vertriebene hielt die Weiherede bei der Enthüllung eines Gedenksteines vor dem Gebäude der Ostdeutschen Akademie für die Toten der großen Vertreibung, deren der Verband der Landsmannschaften durch Kranzniederlegung und Ansprache des Kulturreferenten, Dr. Adolphi im Auftrag des Vorsitzenden, Baron Manteuffel, gedachte. General d. Infanterie a. D. von Tippeiskirch, Militär und Historiker in einer Person, zeichnete aus unmittelbarer persönlicher Kenntnis der Dinge den Gang der militärischen Operation vom Januar bis zum Mal 1945 in Ostpreußen auf, die zum Verlust dieser Provinz geführt haben, deren Schönheiten Otto Stork in seinem mit hervorragend guten Farblichtbildern ausgestatteten Vortrag noch einmal erstehen ließ.

 

Ein Höhepunkt der Kulturtage war der Vortrag von Professor Dr. Max Hildebert Boehm über „Die Ostvertriebenen in der Krise unseres Zeitalters“. Auf dem Hintergrund der allgemeinen Kulturkrise gab der Vortragende eine tiefreichende Analyse der kulturellen Situation und der kulturellen Aufgaben der Vertriebenen und ihrer Landsmannschaften — eine Diagnose, aber auch eine Therapie, die für die Kulturarbeit zahlreiche, neue, aus vertiefter Sicht sich ergebende Aufgaben erbrachte. Auf der internen Mitgliederversammlung des Nordostdeutschen Kulturwerkes am Tage zuvor war

Professor Dr. Boehm zum Präsidenten und Dr. H. Kohnert zum Vizepräsidenten gewählt worden. Der bisherige Präsident, Reichsminister a. D. von Keudell, hatte auf das Amt verzichtet, um sich ganz seiner Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg und den von ihm geführten Vereinigten Landsmannschaften der Sowjetzone widmen zu können.

 

 

Seite 10   Der Große Kurfürst in Eckernförde

Das Denkmal des großen Kurfürsten, das bis kurz vor Kriegsende in Pillau stand, soll jetzt in Eckernförde einen neuen Standplatz erhalten. Aus Anlass des Bundestreffens der Pillauer Ende August oder Anfang September wird das Denkmal in Eckernförde neu enthüllt werden. Die Statue war im vergangenen Jahr von der schleswig-holsteinischen Landesregierung aus einem Magazin in Hamburg angekauft worden.

 

 

Ehrender Auftrag für Dr. Erhard Riemann

Die Philosophische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel hat dem Leiter des Preußischen Wörterbuchs, Dr. habil. Erhard Riemann, eine Dozentur für Deutsche Volkskunde und Mundartforschung übertragen. Herr Dr. Riemann wird seine Antrittsvorlesung über das Thema „Die Erforschung der nordostdeutschen Mundarten und das Preußische Wörterbuch“ halten. Das Preußische Wörterbuch ist nunmehr an das Germanistische Seminar der Kieler Universität angeschlossen, das ihm mit feinen reichen Buchbeständen die besten Arbeitsbedingungen bietet. Seit Semesterbeginn ist auch eine Gruppe von Studenten zur Verzettelung der Fragebogen eingesetzt. Bisher sind 16 Fragebögen an die 410 Mitarbeiter ausgeschickt worden. Im kommenden Arbeitsjahr werden weitere acht Fragebögen verschickt werden. Das Wörterbucharchiv umfasst zurzeit 94 000 Wortzettel.

 

Obwohl die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter bereits den Vorkriegsstand erreicht

hat, sucht das Wörterbuch noch weitere Helfer, denn es scheiden immer wieder Gewährsleute aus, teils aus gesundheitlichen Gründen, teils auch, weil ihre Mundartkenntnisse nicht mehr ausreichen. Landsleute, die ihre Heimatmundart noch gut beherrschen und bereit sind, Fragebogen für das Preußische Wörterbuch auszufüllen, werden daher gebeten, ihre Anschrift der Geschäftsstelle des Preußischen Wörterbuchs, Kiel, Olshausenstraße 23, mitzuteilen.

 

 

Otto Ziegler, der bekannte Politiker, beging am 7. Juli 1955 in Hamburg seinen 60. Geburtstag. In Tiedmannsdorf im Ermland geboren hat er von 1912 bis 1919 im Postdienst gestanden und war zuerst in Braunsberg und seit dem letzten Kriege als Obertelegraphensekretär in Hamburg. In Braunsberg hat er dem Stadtrat, dem Kreistag und dem Kreisausschuss angehört sowie dem Ostpreußischen Provinziallandtage. Seit 1945 ist er stellvertretender Vorsitzender der Postgewerkschaft und seit 1953 Mitglied des Bundestages.

 

 

Die Broschüre „Der deutsche Osten — Hinweise und Hilfen für die Kulturarbeit“ mit Ausgaben für die einzelnen Landsmannschaften und einem Verzeichnis über ostdeutsche Literatur und Büchereiwesen ist eine wertvolle Arbeitshilfe für die landsmannschaftliche Kulturarbeit. Die Schrift erschien im Verein für das Büchereiwesen in Schleswig-Holstein in Rendsburg.

 

Ein Werk über die preußische Geschichte aus der Feder des bekannten Universitätsprofessors Schoeps - Erlangen erschien im Eicke-Techow-Verlag in Darmstadt.

 

 

Seite 10   Verdienstkreuz für Dr. von Poser

Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten hat der Bundespräsident dem Landrat a. D. Dr Victor von Poser in Kiel das Verdienstkreuz (Steckkreuz) verliehen. Landrat Dr. von Poser stand über 30 Jahre an der Spitze des Kreises Ortelsburg und hat sich nach seiner Übersiedlung nach Schleswig-Holstein aktiv für die Aufbauarbeit am deutschen Wald, für die Aufforstung von Ödlandflächen und für die forstliche Jugenderziehung eingesetzt. In unermüdlichem Einsatz förderte er den Gedanken des Schulwaldes. Seine Auffassung über das Forstwesen und den Schulwald hat er in einer Abhandlung über „Kreiswaldungen und forstliche Jugenderziehung“ niedergelegt.

 

 

Seite 10   Charlotte Keyser,

die ostpreußische Heimaterzählerin, beging am 2. Juli 1955 in Oldenburg i. O. ihren 65. Geburtstag. Sie stammt aus dem Marktflecken Ruß an der Ruß, einem Mündungsarm des Memelstromes, wo vor der Russeninvasion ein lebhafter Holzhandel getrieben wurde. Als Oberschullehrerin in Tilsit wurde sie 1945 vertrieben. Gefühlswärme belebt ihre Erzählungen, die ihre Stoffe dem memelländischen Volksleben entnehmen und große Sinnfälligkeit der Darstellung aufweisen. Mit wachen Sinnen folgt sie dem Leben der Memelländer im äußersten Nordosten des ehemaligen Deutschen Reiches und ist bemüht, seine Fülle in den Rahmen ihrer Dichtungen zu fassen. Dichtungen sind in der Tat ihre Novellen: „Und dann wurde es hell und „In stillen Dörfern“, nicht nur dem stofflichen Gehalt nach, während der Roman mit breiterer Technik ihrer Begabung weniger zu entsprechen scheint. Doch steht hinter allen ihren Schöpfungen eine Frau von geläutertem Geschmack und künstlerischem Empfinden, aus deren lebendiger Phantasie und natürlicher frische Erzählungen von starker Unmittelbarkeit sich hervorleben. Im Mittelpunkte ihres Romans „Und immer neue Tage“ steht eine memelländische Gutsbesitzerfamilie des 18. Jahrhunderts und in dem Roman .“Schritte über die Schwelle“ trägt sich im 18. Jahrhundert im bürgerlichen Tilsit zu. Genannt seien auch ihre Lieder in ostpreußischer Mundart „Bi ons to Hus“, denen die Gabe freundlicher Schilderung von Land und Leuten zur Seite steht. Sie ist Inhaberin des Herder-Preises der Goethe-Stiftung der Universität Königsberg. Paul Wittko

 

 

Seite 11 und 16   Königsberger Stadttheater. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

Foto: Der Gesekus-Turm am Gesekusplatz zu Königsberg

 

X.

Nicht die lächerlichen Sorgen des beginnenden 20. Jahrhunderts stören mehr die Gedanken all der vielen Menschen im Königsberger Stadttheater, das erst 1809 eröffnet worden ist, sondern die Kämpfe der Fürsten und Reichsritter, die Befehle des Kaisers Maximilian, die wüsten Begebenheiten des Bauernkrieges, das deutsche Gericht der Feme – sie allein haben nun Geltung – sie allein erfüllen die Herzen, denn der Mann da oben auf der Bühne – Unsinn! – im Rittersaal oder im Spessart oder auf dem Rathaus zu Heilbronn – ist ja Götz von Berlichingen leibhaftig und persönlich!

 

Dieser biedere, keineswegs mit besonderen Geistesgaben, aber mit ungefügem, gutmütigem Humor gesegnete Ritter ohne Furcht und Tadel, dieser treuherzige, starke Mann, dieser kinderliebe sorgliche Familienvater ist der wackere Haudegen Götz von Berlichingen, der alle liebenswerten Eigenschaften des deutschen Helden besitzt, seine Treue, sein Biedersinn, seine Familienliebe sind es, die auch die letzten Zuschauer fortreißen in den Traum — nein — in das wahrhaftige Dasein des sterbenden Mittelalters, in das bewegte Geschehen um den letzten Ritter, der aus dem Grabe auferstanden ist — nein — der nie gestorben ist und jetzt gerade heute, lebt und leibhaftig die Ideale alles Schönen, alles Guten des mittelalterlichen deutschen Rittertums vor der neu anbrechenden Zeit vertritt!

 

Und Akt um Akt vollzieht sich vor den Augen der starrenden Zuschauer, unter denen kein Laut sich regt, kein Husten, kein Räuspern störend die Stille unterbricht, das ergreifende Schauspiel des Unterganges einer dahinschwindenden Epoche, in der für edlere Werte das Leben eingesetzt ward, als in der jetzt hereinbrechenden, jene ablösenden Zeit. Erbarmungslos geht eine schöne Lebensanschauung dahin, Herz und Poesie erliegen vor Prosa und Verstand — die höchste Tragik, die das Leben zu bieten vermag, und die der alte griechische Weise auf die erschütternd einfache Formel „Alles fließt“ zu bringen wusste — die müssen die Zuschauer empfinden, im Innersten aufgewühlt miterleben, ob sie wollen oder nicht —.

 

Diese unerhörte Illusion vermochte Adalbert Matkowsky in seiner Welt, in der Welt der Bühne, der Welt der Illusion, hervorzuzaubern — das war das Unerhörte bei ihm!

 

Was war dagegen die große Leistung des wunderbaren Mannes dort oben im Einzelnen, wie er froh, wie ein glücklicher großer Junge, mit einem aus der tiefsten Tiefe des Gemütes quellenden, wahrhaft herzerquickenden Lachen die Stube verlässt, als er die Verlobung Weißlingens mit Marie erfährt — wie er in loderndem Zorn den Belagerern seiner Burg die Übergabeaufforderung zurückschleudert — wie er im Rathaus zu Heilbronn das kleine Gelichter der Ratsherren mit launiger Überlegenheit behandelt, dann in dumpfen Staunen halblaut ruft: „In Turm? Mich?“, dann aber auf das Wort „Räuber“ in Berserkerwut den Rat schüttelt, dass ihm Hören und Sehen vergeht und schließlich mit seiner Eisenfaust die andringenden Schergen niederschlägt — wie er, der gefürchtete Haudegen, verdrießlich an seiner Lebensgeschichte schreibt — wie er die mordbrennenden Bauern in heiligem Zorn zur Rede stellt, und wie er zu sterben versteht in abgeklärter Größe mit dem Wort „Freiheit“ auf den Lippen —.

 

Keiner der atemlos lauschenden zahllosen Zuhörer merkte es, dass der große Mime bei seinem Auftreten nicht sofort das Wort ergriff, sondern, dass er seine Persönlichkeit eine kurze Kunstpause lang wohlberechnet auf die Masse Mensch vor ihm im Halbdunkel wirken ließ — keiner ahnte es, dass die Schuhe des Künstlers erhöhte Absätze und dicke Einlegesohlen hatten, um seine nur mittelgroße Gestalt höher erscheinen zu lassen — er hätte das nicht nötig gehabt — des großen Mimen Spiel und seine wohllautende, doch nie weibische, immer männlich kraftvolle Stimme, die anschwellen konnte zu aus tiefster Tiefe quellenden Ausbrüchen der Leidenschaft — sie ließen den Zuschauer alles, alles vergessen außer dem, was ein kongenialer Dichter und sein kongenialer Verkörperer dem Zuhörer einprägen, aufzwingen wollten —.

 

Was war das Einzelne alles gegen diese unerhörte Gesamtleistung, die das Publikum mitriss, rücksichtslos über Jahrhunderte in längst vermoderte Zeiten, Sitten, Gebräuche zurückversetzte und ihnen glühendes pulsierendes Leben einhauchte, wie das kein Schauspieler seiner Zeit vermochte und nur ganz wenige vor ihm, wie Ludwig Devrient, Theodor Döring und Friedrich Mitterwurzer —.

 

Wie war das möglich? Wie erreichte der Mann auf der Bühne solch ein Wunder? Er, der den Götz überhaupt zum ersten Male am 25. Februar 1904 in Berlin im Alter von 47 Jahren gespielt hatte?

 

Einfach war dennoch des Rätsels Lösung, wie alles Wunderbare einfach ist: Kein Darsteller vermochte diese tiefe Tragik in des großen Dichters Drama, den Untergang einer abgelebten Zeit, das Erliegen der Ideale dieser schönen Zeit, tiefer und tragischer nachzuempfinden, als er damals auf dem Gipfel seines Lebens wie seiner Kunst stehende Adalbert Matkowsky.

 

Nicht, weil er eisern an jeder Rolle arbeitete, sie immer wieder durchdachte, in kleinste Kleinigkeiten, in jedes nebensächliche Wort prüfend eindrang und sie immer wieder erlebte, — sondern, weil er im Götz — sich selbst wiedererkannte und selbst lebte.

 

Denn genau, wie der Ritter mit der eisernen Hand lehnte auch Adalbert Matkowsky die Welt ab, die ihn umgab. Deswegen war es ihm Bedürfnis, möglichst allabendlich auf der Bühne zu stehen als Held vergangener glänzende! Zeiten — und dies war der tiefinnerste Grund seiner vielen Gastspielreisen —. Wie Götz sah auch er in der neuen Zeit nur das Fragwürdige, das Unschöne, das Zersetzende und war blind gegen ihre Vorzüge und ihre neuen Ideen. Er stand dem Ringen der neuen Zeit nach neuen Werten und Ausdrucksformen kalt gegenüber, wie Götz der letzte Romantiker des Rittertums, so blieb er der letzte Romantiker deutscher Schauspielkunst — seine Seele ruhte fest in der alten Zeit und ihrer guten alten soliden Theaterkunst. Und letztlich war er, wie Götz, ein edler Mann, der der gemeinen Welt erliegt. „Götz und Matkowsky“ sagt Grube, „waren Geistesverwandte“, und Julius Bab, sein nobler Biograph, nennt ihn den „letzten Helden“.

 

Das war das Geheimnis seines Erfolges in dieser Rolle.

 

Wie er im Privatleben mit seiner zweiten Frau und seinem einzigen Sohn ungeheuer zurückgezogen lebte — fern allem Kulissenklatsch, fern der großen Gesellschaft — und seine Wohnung in der Joachimsthaler- und Kantstraße mit alten gotischen Möbeln, echten Täfelungen, kostbaren Gobelins, geschnitzten Schränken, wuchtigen Tischen, Truhen mit Brokatpolstern belegt, blitzenden Rüstungen ausstattete, an Stelle der Türen die Flügel großer geschnitzter, gemalter und vergoldeter Altäre einsetzen ließ, dem Licht nur durch köstliche alte Kirchenscheiben bunt und dämmernd den Eintritt gestattete, so war auch er ein Einsiedler in der romantischen Schönheit einer vergangenen Zeit. Hier, in diesen Räumen eines Shakespearespielers, in denen er am liebsten in einer Mönchskutte einherging, fühlte er sich den Helden, die er verkörperte, seinem Macbeth, seinem Hamlet, seinem Götz nahe — hier stand er ebenbürtig neben diesen kolossalen Geschöpfen dichterischer Phantasie — hier lebte er still und einbäumig? und gestattete niemand gern Zutritt. Hier verspann er sein weltfremdes Dasein, aus dem er in späteren Jahren, nach dem tragischen Todes seines geliebten 15-jährigen Berti sich nur noch selten einmal herausholen ließ in die „Hütte“ oder in die alte Kellerweinstube von Lutter und Wegener, wo er sich dem Geiste des trinkfrohen Ludwig Devrient und des Hoffmannkreises nahe fühlen mochte.

 

Die ungeheure Kongruenz zwischen ihm, dem Vertreter bester alter Theaterkunst und seinen Helden, die, wie er, sich schweigend, leidend und zu Grunde gehend gegen die Moderne auflehnen, dies im Innersten Konservative, die Treue gegen alte Ideale, die doch nicht ewig bestehen können, machte ihn zum Urbild des Götz selbst, von dem Lerse sagt: „Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt!“

 

Einen Richard III. hätte Matkowsky nie gut darstellen können, der konnte ihm nicht „liegen“ — das fühlte er selbst und daher lehnte er diese Rolle stets ab, obwohl gerade Shakespeares Welt sonst Matkowskys Heimat war und er in den Shakespearischen Charakteren, diesen Riesengestalten aus einem Guss — Petrucchio — Coriolan — Othello — Macbeth — seine Brüder erkennen musste. Als Götz aber war er vollkommen das, was er selbst war —- ein heldischer Mann und ein ganzer Mensch —.

 

So erklärt sich Adalbert Matkowskys nie vor und nie nach ihm erreichter Götz von Berlichingen —.

 

In dem schönen Hause der Musen am Königsgarten aber stand am Schluss der Aufführung das Publikum und klatschte, klatschte wie besessen, erfüllt von Begeisterung, Gottesnähe, Schönheit und Dank.

 

Immer wieder hob sich der Vorhang, und der Held, inmitten der anderen von seinem Spiel mitgerissen und zu Höchstleistungen angespornten Darsteller, denen er willig und freundlich ihren Anteil am Beifall, am rasch verwehten Dank des Publikums gönnte, musste sich immer wieder verbeugen. Dann zeigte der aufrauschende Vorhang ihn allein, dem ob des verdienten Applauses die helle Freude aus den blauen Augen blitzte, bis sich schließlich schwer und starr, wie eine undurchdringliche Mauer, der Eiserne Vorhang herabsenkte, die Bühne unbarmherzig vom Zuschauerraum trennend.

 

Aber noch immer stand das Publikum in dichten Haufen in den Gängen, selbst noch in den Sitzreihen und klatschte, und die Bullerloge raste wie ein Gewitter vom Himmel her polternd herab, am tollsten aber trieb es die begeisterte akademische und Schuljugend im Stehparterre. Sie, in ihren besten Jugendinstinktiven geweckt, hämmerte, trampelte, rumpelte wie närrisch, schrie immer wieder, ganz aus dem Häuschen, ihr „Vor! Vor!“ und klatschte und trampelte und raste wie in Haufen losgelassener Tollhäusler — bis sich endlich das kleine Pförtlein im „Eisernen“ öffnete und der Gefeierte heraustrat — einmal — nein — zwei-, drei-, fünf- zehnmal — bis endlich der große Mime seine Ruhe fand und unermüdet und glücklich seine Garderobe zum Abschminken aufsuchen durfte, wo er nicht vergaß, den üblichen Obolus von einem Goldstück für jedes Durchschreiten des Eisernen Vorhanges zu Gunsten der Kasse für alte und kranke Schauspieler bereitzulegen.

 

Vor dem Schauspielerpförtlein aber, neben dem mit dem Königsberger Stadtwappen geschmückten Türmchen hinter dem baumbestandenen Garten der Theatergaststätte, sammelte sich die unermüdete, begeisterte Jugend, um dem Heraustretenden auch hier noch schallende Ovationen darzubringen —.

 

XI.

1. 1. 1913

Wie Sekt im Spitzglas perlt, so schwang die gute Laune der fröhlichen Besucher am Neujahrsabend 1913 durch den schönen Zuschauerraum des Stadttheaters. Kein freier Platz im ganzen weiten Rund, überall vergnügte Gesichter, überall festliche Kleider, im ersten Rang fast ausschließlich die vornehme schwarze Eleganz der Smokings und die ausgeschnittenen Toiletten der Damen, aber auch im Parkett Gesellschaftsanzüge —.

 

Überall das Bestreben, den Neujahrstag fröhlich und launig zu begehen — so hatte man sich schon tagelang vorher eingestellt, so war man hergekommen, den Silvesterscherz nach dem Trubel der Neujahrsnacht mit seinem Konfettiregen und seinen bunten Papierschlangen noch weiter auszudehnen und beileibe noch nicht zur Vernunft des Alltags zurückzukehren, sondern auch hier den blühenden Blödsinn mitzumachen, der schon jetzt in den stimmenden Instrumenten der Musiker seine spritzigen Melodien vorahnen ließ —.

 

Und das alles hatte allein das eine Zauberwort bewirkt: Die schöne Helena, Operette von Jean Jacques Offenbach, neu einstudiert, in neuer Ausstattung.

 

Offenbach, du spitzfindiger frecher Spötter, du Komponist muskalischer Geistrechigkeiten, du Meister der Laune und des Esprit — du wirst die trojanischen Helden, wie du sie begriffst, über die Bühne tanzen lassen, du wirst die blutige Tragödie des Krieges der Götter und Helden persiflieren zu tollen Szenen quicklebendigen Quatsches; du wirst deine Musik mit echt französischem Esprit würzen und sie an deinen Zuhörern vorbeiquinquilieren lassen!

 

Blendendes Licht verbreitet der neue Kronleuchter, der seit dem großen Umbau des alten Stadttheaters in den Jahren 1910 - 1911, der das Bühnenhaus eindrucksvoll erhöhte und am Nordgiebel einen großen Anbau für Bühnenräumlichkeiten schuf, strahlend von der Decke herabhängt, die jetzt mit zahlreichen, aber für die Höhe viel zu kleinen Bildern aus Opern bemalt ist. Auch der alte blecherne Aktvorhang, der einen solchen aus rotem Tuch mit mächtigen goldenen Troddeln vortäuschte, ist verschwunden und durch einen wirklichen riesigen himbeerroten Samtvorhang ersetzt.

 

Und nun, während gleich die ersten Takte der Musik ein Fluidum von Rhythmus und beschwingtem Frohsinn ins Publikum senden, geht der Vorhang auf man sieht eine echt griechische, prachtvolle, goldtrotzende Tempeldekoration, die Priesterinnen der Liebesgöttin Aphrodite opfernd davor — ihr einschmeichelnder Gesang klingt durchs Haus:

 

„Holde Göttin, o schenke uns einen milden Blick,

Sende glühende Liebe in unsere Herzen,

Gib unsere Liebe zurück,

Sie allein nur ist Glück,

Gib uns Liebe zurück,

Sie allein nur ist Glück“.

 

Dann zieht die berückende, nicht gar zu karg enthüllte Schönheit Helenas — die reizende Meta Bamberger stellt sie dar — die huldigenden Blicke der Männerwelt und die kritischen der Damen auf sich —.

 

Nie ward der Kontakt von der Bühne zum Parkett schneller gefunden — die Sänger sind sofort mitgerissen von der an sich schon guten Laune des Publikums, und dies lässt sich schmunzelnd, kichernd forttragen in die seligen Zeiten der liebesbedürftigen alten Griechen Offenbachscher Prägung —.

 

So rauscht Szene für Szene im immer tolleren Spiel vorbei. Held Paris erzählt dem alten Sünder Kalchas seine wundersame Geschichte:

 

„Drei Göttinnen sah man einst entbrennen in einem Streit gar lang und heiß“ — und schmunzelnd vernimmt das Publikum Heras überzeugende Worte:

 

„Mein Männchen Zeus liebt mich herzinnig, Drum gebührt der Apfel mir“ —, lacht laut über Athene:

 

„Ein bisschen Blaustrumpf und furchtbar fleißig Drum, denk ich, wird der Apfel mein“ — und jauchzt verständnisinnig, als der Troerprinz dann in wehmütig-süßer Erinnerung dem Aphroditepriester versichert:

 

„Und die Dritte, ach, die Dritte

Stand daneben und blieb stumm —

Ihr, ihr musst' ich den Apfel geben —

Kalchas, du, du, weißt warum“ —

 

Und immer toller wird der Schwank, immer übermütiger die spritzige Musik — jetzt kommt der Aufzug der Könige: Tubenklang — Hörner.

 

Zuerst die beiden Ajaxe: Wie Zwillinge gekleidet, der eine ganz groß, der andere ganz klein — stupider als sie kann wahrlich keiner aussehen —.

 

„Wir sind Ajax ‚Held' im Kriege,

,Jax, Held' im Kriege

,Jax, Held' im Krieg“ —

 

Lachen springt auf, schütten durch das Theater — schon aber stürzt, cholerisch-aufgeregt ein schwarzbärtiger König herein — der mächtige Goldhelm mit wehendem Rossschweif leuchtet, die Beinschienen blinken, der Panzer über dem hellblauen Gewände blitzt —

 

„Achill voll Mut und voll Hitze,

Mut und voll Hitze,

Mut und voll Hitz'

Der Feinde Blut ich verspritze,

Blut ich verspritze,

Blut ich verspritz' —

Doch habe ich recht viel Malheur,

Das kommt von meiner Ferse her —"

 

Das Publikum jubelt —.

 

Wieder erklingt die gleiche einschmeichelnde Gassenhauermelodie —.

 

Bewegung im Parkettgang rechts — streitende Stimmen vor der Tür werden laut — aller Augen wenden sich halb unwillig, halb lachend der Störung zu — was ist das? — wer will da herein? — erregter Wortwechsel draußen — die Tür springt auf —- ein kleiner dicker Herr tritt ein mit einer lächerlichen Krone auf dem billardkugelkahlen Schädel. Im wallenden Purpurmantel — langsam und würdevoll überschreitet er, immer unter den Klängen der „Einzugshymne“ eine über das Orchester gelegte Brücke — mitten auf ihr bleibt er plötzlich stehen, wendet sich zum Publikum, nickt dem losplatzenden verschmitzt-vertraulich zu, zieht grüßend die Krone und sagt treuherzig bieder aus schafsdämlichen Gesicht: „Prosit Neujahr!“

 

Donnernde Lachsalven, Jubel, Händeklatschen, Rufe: „Prosit Neujahr, Hugo Spannaus!“ Dem beliebten Komiker, noch eine langjährige Stütze aus der Ära Varena, wird frenetisch applaudiert, dankend verbeugt er sich nochmals, stülpt würdevoll sein Krönchen wieder auf, diese lächerliche Krone, winkt bieder-hoheitsvoll und schreitet über die Brücke zur Bühne. Jovial winkt er den versammelten Königen zu, steif-töricht von den stupiden Ajaxen, aufgeregt zornig von Achill begrüßt, und singt dann mit seiner brüchigen Komikerstimme seine Strophen:

 

„Bin Menelaus, der Gute,

Laus der Gute,

Laus so gut,

Der Mann von Helena,

Der Mann von Helena.

Mir ward oft grauslich zu Mute,

Grauslich zu Mute,

Grauslich zu Mut,

Betrogen ward ich ja,

Betrogen ward ich ja.

Doch jetzt sei noch nichts gesagt,

Denn das kommt erst im dritten Akt,

Bin Menelaus, der Gute,

Laus, der Gute,

Laus, so gut.

Der Mann Von Helena,

Der Mann von Helena“.

 

Das Publikum rast. Es quiekt, es lacht, es brüllt, es jubelt, es klatscht, es schreit: Dacapo!

 

Was bleibt dem Kapellmeister Frommer übrig? Er muss wiederholen, und nochmals singt Hugo Spannaus seine läppischen Verse und wieder tobt das Publikum. Die Stimmung ist ausgelassen wie noch nie — wahrlich! Das ist ein Silvesterrausch ins Neue Jahr hinein!

 

Die Kenner Offenbachs wissen: nun kommt Agamennon noch, der Fürst der Heerscharen — wie soll er wohl diesen Jubel, diesen Applaus, diese tolle Begeisterung noch übertrumpfen? — Unmöglich — er kann nur abfallen!

 

Endlich hat sich das Publikum beruhigt, wieder klingt die lächerliche Gassenhauermelodie auf, die sich doch so ins Ohr schmeichelt:

 

Raschen Schrittes mit einem zur Erde niederwallenden tief purpurfarbenen Mantel um die hageren Schultern, den Kopf mit einem schmalen Goldreif auf kurzgeschnittenem Haar merkwürdig dem Publikum abgewandt, tritt aus der Kulisse von links eine hohe Gestalt in die Mitte der Bühne.

 

Alles weicht ehrfurchtsvoll beiseite, der gute Menelaus schwenkt wieder grüßend sein Krönlein, die hoheitsvolle Gestalt, noch immer krampfhaft das Gesicht nach dem Hintergrunde der Bühne gewandt, steht nun mit jäher Drehung in heldischer Pose, das Szepter aufs rechte Knie gestützt, da — — —.

 

Das Publikum sitzt wie erstarrt — ein Grabesschweigen liegt über ihm — sekundenlang — die Musik hat ausgesetzt — eine Stecknadel könnte man zur Erde fallen hören — wie erfroren lastet die unheimliche Stille — dann aber bricht es los — das ist kein Kreischen menschlicher Stimmen mehr — das ist aus Urtiefen brüllendes Stöhnen, Quieken überkippender Stimmen, Schüttern fast berstender Zwerchfelle, Lachen in höchster Ekstase — denn dort auf der Bühne — dort auf der Bühne — nun, ja — Agamennon, der Herrscher der Heerscharen — nein — dort steht, das Zepter hoheitsvoll aufs rechte Knie gestützt, in höchster Würde, den schmalen Goldreif im gescheitelten Haar — das Einglas im Auge — den Schnurrbart „Es ist erreicht“ hoch aufgezwirbelt — dort steht — S. M. Kaiser Wilhelm II., wie er leibt und lebt —.

 

Nie hörte das Stadttheater in den mehr als hundert Jahren seines Bestehens einen jäheren Übergang von verdutztem Schweigen und tödlicher Stille zu tobenderem Jubel, befreiterem Lachen wie heute, am 1. Januar des Jahres 1913 —.

 

Friedrich Wilhelm Hanschmann hieß der junge Schauspieler und erste Chargen waren sein Fach — und selten wohl hatte jemand eine spitzfindigere Idee, als er — sie war Geist vom Geiste Offenbachs und sicherte allein dem Stück nach dieser Erstaufführung unzählige, von keinem Zensor gestörte Wiederholungen und volle Häuser und dem Mimen und seinem Regisseur den Kranz der Nachwelt —.

 

XII.

Januar 1920

Nur sieben Jahre waren seit jener Helena-Aufführung vergangen und doch hatten sie in den meisten Dingen mehr Veränderungen gebracht, als sieben Dezennien solcher ruhigen und sorglosen Friedensjahre, wie sie im glücklichen 19. Jahrhundert sozusagen selbstverständlich gewesen waren. Ein Weltkrieg lag dazwischen, in dem der ehrwürdige Musentempel vier Jahre lang seine Pforten geschlossen hatte und Lazarett gewesen war.

 

Dann war ein Umbruch in Mode, Gesellschaft, Lebensstil und Lebensauffassung eingetreten, der ungeheuer war. Er räumte mit vielen Vorteilen und vielem Verstaubten auf, aber auch mit vielem Altehrwürdigen — so berührte er auch das Stadttheater tief, in dem nicht mehr die sogenannte „Gute Gesellschaft“ die Spitze in dem weiten Parkett und in den Rängen füllte — sie war verarmt, zerstreut, vernichtet —.

 

Dort, wo einst gut erzogene, ästhetisch gebildete, literaturbegeisterte Menschen der vornehmen Klassen“ der „Oberen Zehntausend“ gesessen hatten, thronten jetzt „Neureichs“ und „Kriegsgewinnlers“ — Emporkömmlinge auf Grund ihrer Drückeberger- und Schiebertalente – in dem noch immer gleich aristokratischen Theatersaal und bemühten sich, genauso gebildet zu sein, wie die Geistesaristokiatie früherer Zeiten.

 

Dass es ihnen vorerst noch manchmal missglückte — wer mochte es ihnen verargen?

 

Dass sie manchmal vor Begeisterung das „Intermezzo“ in der „Cavalleria“ halblaut mitsangen, oder mit den Füßen vor Eifer den Rhythmus von Escamillos Stierkämpferlied mittrommelten, während der Ouvertüre noch schnell und, natürlich, um verstanden zu werden, mit erhöhter Stimme, ihre interessante Unterhaltung zu Ende führten, beim Hineingehen in die Parkettreihen den schon Anwesenden ihre entschieden schönere Hinterfront präsentierten, auch wohl, von den noch ungewohnten geistigen Genüssen hungrig geworden, mitten in der Vorstellung ihre belegten Brote aus dem knisternden Papier packten und leise schmatzend verzehrten, fleißig mit den Theaterprogrammen knatterten, die Verschlüsse der Handtaschen geräuschvoll zuknipsten, ihren Applaus in überströmender Dankbarkeit ohrenzerreißend entluden, ehe die letzten zwanzig Takte der Musik verklungen waren und selbstverständlich weidlich zu spät kamen, da sie es sich ja leisten konnten und weil Pünktlichkeit ja nur die Höflichkeit der Könige ist — das waren nur die kleineren Unarten, die eine erst die Kinderschuhe vertretende neue Zeit naturgemäß mit sich brachte.

 

Dafür war es aber auch eine bessere Zeit — denn welche neue Zeit erhebt nicht den Anspruch, eine bessere zu sein!? —

 

Aber auch andere Veränderungen betrafen das ehrwürdige Stadttheater.

 

Seit dem 9. September 1910 hatte der Musentempel auf dem Paradeplatz — da es keinen König mehr gab, so verschwand nun auch der alte Name Königsgarten — einen Konkurrenten gehabt. Mit einer wunderhübschen Aufführung von „Was Ihr wollt“ war damals eine kleine intime Bühne in der Roßgärter Passage ins Leben getreten, die sich bald als Kammerspieltheater einen bedeutenden Namen machte. Nur einmal, während des Krieges, in der Lazarettzeit des Stadttheaters, schwang sie sich zur Opernbühne auf: begeisterte Laien sangen dort des Königsberger Otto Nikolai unsterbliche „Lustige Weiber von Windsor“.

 

Konkurrenz ist gut — sie hebt die Leistung — das Königsberger Stadttheater, das von jeher einen ausgezeichneten Ruf gehabt hatte — ließ sich von der aufstrebenden, trefflich geleiteten Bühne des „Neuen Schauspielhauses“ nicht in den Hintergrund drängen — noch immer galt es als Sprungbrett für seine bedeutenden Schauspieler und Sänger nach Frankfurt, Dresden, München, Berlin —. Aber Konkurrenz schafft auch Geldsorgen, und sie blieben dem ehrwürdigen Stadttheater wahrlich nicht erspart. Die Direktoren wechselten rasch: während früher lange Lustren hindurch dem Stadttheater die gleichen Direktoren vorgestanden und so eine „Ära“ an die andere gereiht hatten, wurde jetzt experimentiert und falliert und der Geldmangel der Theater wurde chronisch. — Dann trat ein gewiegter, kunstbegeisterter Kaufherr an die Spitze, welcher der rechte Mann sein musste, weil die Bilanz wichtiger geworden war, als der Spielplan. — Dann tauchte zum ersten Mal der Plan auf, dass die Stadt beide Bühnen übernehmen sollte, aber vorerst schwebten die neuen Namen „Schauspielhaus“ für die neue Bühne und „Opernhaus“ für das alte Stadttheater nur in der Luft —. Aber das wenigstens wurde erreicht: der gute ehrliche Theaterdirektor, der in einer Zeit, in der alle Titel abgeschafft und nur noch die notwendigsten Amtsbezeichnungen neu geschaffen wurden, nicht mehr standesgemäß war — denn was alles schimpfte sich heute schon Direktor oder gar Generaldirektor — wich dem neuen Titel — Verzeihung — der neuen Amtsbezeichnung Intendant.

 

Kurz — auch das Stadttheater spürte empfindlich das Brausen der neuen Zeit — auch seine solide Existenz schien, wie so vieles in der neuen Republik, in Frage gestellt.

 

Da erlebte das Stadttheater im Januar 1920 wieder einmal einen großen Tag: es wurde der völlig ungekürzte erste Teil des „Faust“ in fast fünf Stunden währender Aufführung herausgebracht.

 

Ich habe den „Faust“ oft über die Bretter, die die Welt bedeuten, gehen sehen; diese Aufführung war die beste unter ihnen; der Mephisto wurde glänzend gegeben von einem dem Neuen Schauspielhaus entliehenen jungen Schauspieler mit dem seltenen Namen Müller, — das Eindrucksvollste aber in dieser Darbietung war — nicht nur für mich —, dass man nach der „Zuneigung“ das „Vorspiel“ auf dem Theater“ hörte und den „Prolog im Himmel“. War letzterer in Regie und Darstellung ungemein eindrucksvoll, so war es das „Vorspiel auf das Theater“ nicht minder; sicherlich wirkte es dadurch noch bedeutender, dass ein genialer Regieeinfall ihm den Wert eines ganzen Programms, einer Lebensanschauung zuerkannte: Man hatte dem „Dichter“ Gestalt und Aussehen Friedrich Schillers gegeben, und so gewannen seine Worte ein ganz anderes Gewicht, als wenn ihn Irgendeiner verkörpert hätte. Fortsetzung folgt.

 

 

Seite 12   Äwer Värmundschaft. (Fortsetzung)

„Wi eck all säd, mien Dochter – und dat sejj eck möt obrigkeitliche Önröchtungen rein nuscht weiten Kleiderrockes zieht Mutter Loneit ein buntgewürfeltes Taschentuch und schwenkt es aus wie eine Kampfesfahe: „Wo mäglich, wöll eck noch“ aus den unergründlichen Falten ihres nich, recht rein gaonuscht nicht o dohne häbbe!“ Und wie ein Trompetenstoß gellt es nun durchs Zimmer, als sie sich nun resolut in das Buntkarierte schneuzt. „Eck war mi wieder öm der Marjellke kömmre soväl eck kann, on eck war ehr ook wieder wat to good kaome laote, so väl eck tohop schraope kann — eck räken Enne dat hoch an, mien Dochter, dat Se mi dao so undre Aorms griepe un mi helpe“ — „Aber liebe Mutter Loneit, das ist doch selbstverständlich — davon ist doch gar nicht zu reden!“ — „Un ob von dat to rede ös!! — Väl ös von dat to rede önne hiedje Tied, wo alle Mönsche rein vagäte hebbe: „Wenn Du gibst, lass Deine linke Hand nich wissen was die rechte tut!" Rein möt Pauke un Posaune utklingre michte se dat hiedjendaogs, wenn eener wirklich maol ohne Not önne Fupp langt un Goodet deiht, denn micht he dat ook anne groot Glock hänge — Öm Stölles, so wi Se, mien Dochter, deiht hiedjedaogs keiner nuscht nich mehr“ — „Nun hören Sie aber auf, Mutter Loneit, und gehen Sie gefälligst mal dort in die Ecke, wo der große Spiegel hängt: Dort werden Sie jemand bemerken, von dem ich genau weiß, dass sie hilft, wo sie irgend kann, obwohl diese bewusste Persönlichkeit alles verloren und nichts weiter hat als die kümmerliche Unterhaltsrente aus der Soforthilfe — und dass diese bewusste Presönlichkeit sogar ein ihr völlig fremdes Kind“. „Nu wöll eck aower nuscht nich mehr heere, mien Dochter!“ — „Ja, ein ihr vollkommen fremdes Kind“. — „Nuscht von dat wöll eck mehr heere — horche se op möt dat, mien Dochter!“ — „ein ihr völlig fremdes Kind und sogar noch ein uneheliches, was ihr doch sonst „gaonich möt ös" — „Eck kann Enne jao nich ön Enne eeje Huus de Muul verbeede, mien Dochter — un dat wöll eck ook nich, denn eck haol väl von goode Maneere — aower dat mott eck doch sejje: Nu hohle Se man e bät de Loft an!! — von mie weer hier gaonich de Red — un von dat, wat eck doh odder nich doh — dat jeiht andre Lied e Schiet an!! — Aower wat Se dao nu anfehre, von wejen e fremd Kind — Se weete dat doch nu ook, mien Dochter, denn Se häbbe dat doch ook dorch jemaokt: Not kliestert de Mönsche tohop un backt se tohope wi Kohschiet möt Lehm — un möt wem eener oppe Flucht dem letzte Muulvoll Brot jedeelt häwt un dem letzte Läpelstähl warm Sopp, dat jöwt e Verwandtschaft von ander Aort wi so e Blootsfrindschaft!! Un wat Se dao noch kose von wejen onehelich — mien Dochter, eck sie doch nich von de Sort, wo alles ön een un demsölwtige Graope kaoke: Pluume-Kielkes un Eeke-Bork tom Kalienke-Tieschfarwe! — „Wenn Zwei dasselbichte tun is das nicht dasselbichte“ un „Dat had eck man dohne sulld“ säd Jen Jung, wi de Kanalljevaogelke önne Soppeterrien jeschäte hadd! — Nä, mien Dochter, dao ös doch noch e groot Underscheeding, eck hebb Enne dat doch all e maol verklaort: Vär miene Ooge estemeer eck dat fär ganz wat andert, wenn wer rein daodrob reist un all veer Kinder önne Welt jesett häwt un nich verfriet ös – odder wenn e jung Marjell ön junge Lieb und Herzeleid rein entzwei ös on söck ehr de Jrenze verwösche önne letzt Nacht, wo de Leewster önne Schlacht mott — und denn dem andre Morje all jefalle un dod ös, wi dat jao nich bloß eenmaol passeert ös, wie de Kriej an ons Heimatjrenz losjing! Un wenn so e onjlöckliche Worm möt ehrem onjlöckliche Wormke ook noch Öllre un Schwester oppe Flucht dodjeschaote ware von Tieffliejersch un se ganz alleen bliewe un eener an se ranjeschmäte ward von alle Drangsaol un Ängste oppe Flucht — da, denn mußd eener jao rein e Hart von Zement hebbe, wenn Eener nich söck wieder öm dis aorm Marjell möt ehr kleen Marjellke kömmre wull!! — Wo se söck doch hadd mußd so awmarache bi e ohle Russe, wi de ons jekräge hadde, un so väl hungre bie so väl schwaor Aorbeid — oih! mi schuddert, wenn eck an dat triggdenk! — Herrjemersch nä, dat sön nu all tije Jaohr hen!! – Un denn nich mehr jesund ware kunn un denn nich maol Kriejsrente kreej, weil de Marjellke onehelich weer un se möt ehrem Leewste nich maol röchtlich verlobt, weil se söck doch man graods jefunge hadde - - Nä mien Dochter, dat ös mie denn doch e groot Underscheeding! — Dat ös mie denn doch woll gaonich to vajlieke möt de Jesellschaft, wo eck Enne vatelld hadd, wo de  Kindelbeer weer! — Nä, dao sön mine Ooge denn noch ömma scharp jenoog un eck bruuk noch nich niep to kicke, dao dem Underscheed to sehne! — Un de ohl Loneitsche häwt ook noch e Hart un nich e Kluut von Zement önne Bossem, un nu, wo de aorm Marjell jestorwe ös un ehr Ruh häwt naoh all dem Herzeleid ön ehrem junge Läwe, dao dröfft mi dat doch erscht recht, mi öm ehr Marjellke to kömmre, sovöl eck bloß kann!“ — „Nun, sehen Sie, Mutter Loneit, darum sage ich doch, Sie sollen die Vormundschaft für das Kind übernehmen!“ — „Nä — Herrjemersch nä — dat kann keiner von mie verlange! Mötte Jeröchte wöll eck rein nuscht nich to dohne häbbe! Dat ös denn doch to väl von mi verlangt!“ – „Ja, dann wird aber ein Vormund vom Gericht eingesetzt — und wahrscheinlich doch ein ganz fremder Mensch, der gar kein Verhältnis zu dem Kindel hat“ — „Na dat sejj eck doch man: De ohle „obrigkeitliche Önröchtunge“, to nuscht wieder sön de dao wi Eenem Onjelejenheite to maoke“ — „Aber die Vormundschaftsgerichte vertreten doch nur die Interessen der Kinder“ — „Na, dat könne Se mi jao nich vatelle, mien Dochter, dat dat bloßig e rein sejensreiche Önröchtung ös — dat to glowe läw eck all to lang op dis mangelhafte Welt! - Eck völl gaonich daovon rede wiväl aome Mindels om ehr Arwdel jebrocht sön von ehre Värminder — eck völl Se man bloßig darob stöte, dat disse Onjelejenheit nu gaonich needich weer: Se wäre noch weete, dat de Mutter von der Marjellke all hadd e Värmund önsette laote, weil se doch all all de Jaohre quiemt un all docht, dat se nich mehr lang to läwe hadd. Dat weer e anständich goodmödje Mönsch, wo söck wörklich väl öm der Merjellke annehm. Aower möt eens kreej de e Bref vonne Värmundschaftsjeröcht, äwre Jaohr ös dat all her — on önnem Bref weer to lese, dat he nuscht nich mehr möt dem Kind to dohne hebbe sull un von sien Värmundschaft „entbunde“ sie, weil „Im Zuge der Gleichberechtigung die Kindsmutter die Vormundschaft selber zu übernehmen hat“!! Dat von Amts weje verfiejt! — Und nu ös dat doch kein Wunder nich, wenn nu de Man nuscht nich mehr mötte Jeröcht to dohne hebbe wöll!“ — „Nun, Mutter Loneit, dann bleibt doch wirklich weiter nichts übrig, als dass Sie die Vormundschaft übernehmen! Ich will Ihnen gern dabei helfen, um dem armen Waislein einen ganz fremden Vormund zu ersparen!“ — „Na, denn äwernehme Se doch de Värmundschaft, mien Dochter!“ — ,,H — m! — Aber Sie sind doch nach Lage der Dinge die Nächste dazu, liebe Mutter Loneit" — „Sehne Se, mien Dochter, dao zoppe Se ook trigg! — On eck kann Enne dat ook gaonich vär äwel nähme, denn wer wöll all wat mötte Jeröchte to dohne häbbe?! Enmaol, dao hadd e Suu jefarkelt un denn alle Farkels opjefräte un weer denn krepiert. Nu de Naohfraog vonne Värmundschaftsjeröcht: Wie dis Verlust hadd passeere kunnd — Dao mien Ohler: Dat dat önne Landwirtschaft nuscht Besonderet weer un manchesmaol värkeem. Dao de Jeröcht: Ob dao kein Verschulden un kein Verletzung der Aufsichtspflicht värleeje deed. Dao mien Ohler: Nä, dat weer nich de Fall. Dat sie nich to verhindre, dat dat maol värkeem, dat e Suu ehr Farkel opfrett. Dao de Jeröcht: Ut wat fär Ursach de Suu ehr Farkel opjefräte hadd. Na, mien Ohler weer wörklich de Langmood sölwig un nich so hötzich un hurrhurr! wi eck ön miene junge Daog, aower dao platzd em denn doch de Wattehälske un he sett söck forts hen un schreew trigg: De Suu de hadd dat all önne Jeföhl jehadd, dat se starwe mußd, un dao hadd se noch rasch all ehre Kinder möt söck jenaohme, dat de nich vleicht ook undre Värmundschaftsjeröcht kaome sulle —

 

Nä, mien Dochter, mötte Värmundschaftsjeröcht mischd eck nuscht nich, rein gaonuscht nich to dohne hebbe!! — Aower wenn Se nu partu meene, dat söck dat fär mi jeheerd — dat eck de Neegst daotoo sie — dat dat fär der Marjellke noch dat eenzigst Goode weer — dat eck pertu mott? — ? Aaower dat sejj eck Enne, bloß under een Beding: All de Schriewerie motte Se äwernehme —„ Wanda Wendlandt.

 

 

Seite 12   Mang, Sonne, Sand und See / Eine Erinnerung an schöne Sommertage.

Wennn der Mensch, wo sonst nich kann,

Plötzlich kommt am Sonntag ran,

Sagt er zu die Stadt adjeh,

Schniffelt innes Portmanneeh,

Spuckt dem letzten Dittche aus

Und karjolt nach Rauschen raus,

Wo de Sonnche freelich prickelt,

Wo er sich im Laken wickelt,

Wo Mergellens, dick und dinn,

Plaukschen innes Wasser rin,

Wo se, um sich abzukiehlen,

Mächtig mang e Wellen wiehlen.

Dabei spielen se dem Dreck

Von die ganze Woche weg.

Und die krätsche Bengels kommen

Unter Wasser angeschwommen,

Grapschen die Mergell am Bein,

Ducken mittem Kopp ihr ein,

Dass se juchen, kreischen, prusten,

Sich verschlucken foorts und husten.

Und am Strand im heißen Sand

Tut sich auch so allerhand,

Denn in Rauschen giebt nich nur

Einem Busen der Natur,

Nei, hier findt der Mensch zum Schmusen

Noch e Haufen andre Busen.

Stecken auch de Badenixen,

Meistenteils in bunte Bixen,

Was der Mensch da ahnt und sieht,

Das erfreiet sein Gemiet.

Muttche zoddert ans Korsett,

ebre Backen rennt das Fett,

Denn nu wird se ausgebraten.

Paulche schaufelt mittem Spaten

Heißem Sand ihr aufem Bauch,

Und zu acheln giebt es auch,

Denn mit eins und mittem Hopps

Rollt im Sand e kalter Klops.

Vatche treimt von helles Bier,

Hädd er bloß e Tulpche hier!

Wenn de Sonnenstrahlen pieken,

Soll er auch noch mensendieken!

Lola peerscht mit ihre Hiften,

Wird es schummrig, geht se stiften,

Denn se muss mal inne Dünen,

Was is dabei blos zu grienen!

Abends kommen denn de Micken,

Denn muss einer sich verdricken,

Weil se stechen glupsch und dreist,

Dass Dir nich zu helfen weißt.

Drum wird schnell sich angepellt,

Nich um alles inne Welt

Bleibt hier einer noch e Stundche,

Es geht los mit Kind und Hundche,

Wo all ganz bedeppert stand,

Weil er keinem Baum nich fand.

Muttche pust und stampft voran,

Vatche, dafier is er Mann,

Hat dem Brassel aufgepuckelt,

Paulche, wo am Daumen suckelt,

Kriegt e großen Luftballong,

Lola bleibt zur Reünjong. —

Vollgepremst steht all der Zug,

Nu is wirklich bald genug!

Einer tut am andern kleben,

Manche hängen, manche schweben,

Manche kriegen auch zu hucken,

Alle tut der Puckel jucken,

Jeder schobbt an jedes Stellche,

Und e druggliches Mergellche —

Endlich geht der Zug nu los! —

Huckt beim Vatche aufem Schoß.

Dabei fiehlt er ganz gewiss,

dass es nich de Muttche is.

Und der Zug rumort und ruckelt,

Wie er durche Gegend juckelt.

Und er ruckelt immer mehr,

Und dem Vatche freit das sehr!

„Sowas nennt sich nu Vergniegen“,

„Keine zwanzig Pferde kriegen“

„Mich noch mal nach Rauschen raus!“

Sagt de Muttche denn zu Haus.

Aber kommt der Sonntag ran,

Kickt se sich dem Himmel an.

„Ob das Wetter sich wohl hält?“

„Vatche, hast noch bißche Geld?“

„Stilp mal um Dein Portmanneeh!“

„Los, wir fahren anne See!"

Dr. Lau.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (24)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Der große Tag is vorbei: Vorgte Woch war nu endlich der Termin wegen die Abfiehrtorte, und, wissen Se, da war nu wirklich e Betrieb wie frieher aufem Wehlauer Pferdemarkt. Das ganze Dorf war inne Stadt gefahren, de Emma und ich natürlich auch. De Bauern ließen das Heu liegen und das Hacken, alle waren ganz gieprig, was nu rauskommen wird. Das Stubche aufes Gericht war viel zu klein, se mißden im großen Saal umziehen, und denn ging es los. Noch einmal erzähld de blaue Minna, wie se mit eins Bauchschmerzen kriegd und rennen mißd. Und die virzehn Gäste vonne Einsegnung krakeelden und lamentierden, als wenn se alles noch einmal durchmachen mißden, am dollsten natierlich de dicke Sommersche mit die unmoderne Unterbixen, weil indem dass se statt e Gummiband bloß e altmodischen Bindfaden hädd, wo sich in de Aufregung verknipfd. Das ganze Gericht mißd lachen, und wie de Sommersche nu ganz unscheniert ihrem Bixen-Mechanismus und alle Einzelheiten beschreiben tat, da sagd der Herr Präsedent, se soll sich auf das Notwendigste beschränken, sonst mißd er wegen de Sittlichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln. Da legd de Sommersche aber los: „Se haben gut reden, Herr Gerichtshof! Beschränken Se mal, wenn Se de Bixen nich runterkriegen. Und der Bode hädd es ganz genau gesehen, wie se denn inne Bredullje huckd. Und wenn er nu auch kneift, denn is das ganz eingal, er muss ihr einfach erkannt haben, denn“ — und dabei drehd se sich um — „sehn Se, so e Hintervirtel hat innes ganz Dorf bloß eine, und das bin ich!“ Da gab es diräkt e Gebrill im Gerichtssaal, und ich mißd lachen, dass mir die Tränen pieperlings iebre Backen kullerden. Zum Beweis wold se nu noch de Röcke hochheben, aber da kriegd se einem Verweis wegen Ungebiehr und mißd es sein lassen. Es war wirklich de scheenste Komödje. De Mannekängsche hädd sich einem Rechtsverdrehere mitgebracht, wo ihr nu rauspauken solld, und wie der Gerichtsrat ihr nu fragen tat, was se dazu zu sagen hädd, da meind se: „Dass ich das Abfiehrmittel innem Tortenkreem reinriehrd, war nuscht wie Notwehr. De blaue Minna hat mir all wochenlang de Eier geklaut, ich wußd nich mehr, was ich machen solld. Ihrem Körper verletzen wolld ich nich, ich wolld ihr bloß e geheerigem Denkzettel verpassen, und dem hat se ja nu auch weg. Dass de Gäste drunter leiden mißden, tut mir ja leid, aber se haben ja alle heißen Pfefferminztee getrunken, und am nächsten Tag war das Bauchkneifen wieder vorbei“. Da ging die blaue Minna aber hoch: „Wochenlang de Eier geklaut! So e Unverschämtheit! Ich bin der ehrlichste Mensch vone ganze Welt und auf de Eier von Mannekäng bestimmt nicht angewiesen. Außerdem sind die so klein wie vonne Tauben, weil ihre Hiehner nuscht taugen. Die muss se immer innes Nest mitten Vergreeßerungsglas suchen, dass se ihnen ieberhaupt finden tut. Ich und klauen! Haha! Da kann einem wirklich vor Ärger diräkt der Hiftgirtel platzen!“ „Weil du ihm all sieben Jahre trägst“, sagd dadrauf de Mannkängsche, „du bist ja viel zu geizig, dir e neiem zu kaufen. Der alte is all so molsch und zerfosselt, dass er jedes Mal zerreißt, wenn Du husten mußt. Das hast du mir selber erzählt“. „Herr Gerichtsrat, haben Se das geheert? Das Weib beleidigt mir hier unausgesetzt. So was muss einer sich hier bieten lassen. Verdonnern Se ihr, dass ihr Heeren und Sehen vergeht!“ De blaue Minna hädd sich so in Wut geredt, dass se pusd wie e Dampfmaschinen, und ihre blaulachtge Backen waren noch blauer angelaufen wie vorher. Da schimpfd der Herr Gerichtsrat orndlich zwischen und gebot Ruhe, sonst wolld er dem Saal räumen lassen. Aber de Mannekängsche war nu auch auf Vollgas, hädd nich viel gefehlt, denn war se aufe blaue Minna losgegangen und hädd ihr ganz geherig demoliert. E Polizeihund, wo ihr hädd inne Waden beißen konnd, war auch nich da. Aber da sprang der Gerichtsdiener zwischen und hield ihr zurick. Nu dauerd es e ganze Weile, bis der Tumult sich legd. Endlich konnd es denn weitergehn, und denn sagd der Herr Staatsanwalt: „Ich habe eine Frage an die Angeklagte: Wie können Sie behaupten, dass die Klägerin Ihre Eier gestohlen hat? Haben Sie das gesehen? „Nein“, sagd de Mannekängsche, „gesehen hab ich das nich, aber ich hab einen wichtigen Zeigen mitgebracht, dem Strüber, wo all lang als Knecht bei die blaue Minna dient“. „Dem lehn ich ab“, sagd die blaue Minna, „denn der steckt mit der Mannekängsche unter eine Deck. Se soll frieher mal was mit ihm gehabt haben. Ich will mir jetz darieber nicht weiter auslassen, aber dem können Se bestimmt nich glauben“. „So“, sagd der Vorsitzende, „was soll der denn aussagen, ist er hier im Saal?“ „Nein, sagd da der Rechtsanwalt, „der huckt draußen und lauert, dass Se ihm reinrufen lassen“. Und nu kam der große Moment fier de Mannekängsche, dem se richtig bis auf dem Grund auskosten tat. Ganz ruhig un diräkt mit Genuss sagd se: „Es waren immer dieselbigten drei weiße Hiehner, wo jedem Tag ieberm Zaun flogen. Wahrscheinlich gefiel ihnen der fremde Hahn besser wie der eigene. Morgens tat ich ihnen fiehlen, und jedes Mal waren die Eier, wo se Morgens im Dups gehabt hädden, abens weg“. „Die können se doch aber irgendwo verlegt oder verloren haben“, meind darauf der Herr Gerichtsrat“ daraus können Se doch noch nich schließen, dass se gestohlen worden sind. „Und doch, Herr Präsedent!“ sagt die Mannekängsche, ich hab wochenlang aufgepasst und gesehen, wie die blaue Minna ihnen immer gleich einsperrd. Um ganz sicher zu gehen, hab ich mir denn e ganz kleine Spritz besorgt und beim Fiehlen de Eier mit dasselbe Abfiehrmittel geimpft, wo ich denn zuletzt in dem Tortenkrem reinriehrd. Das kleine Lochche hab ich wieder zugeklebt. Und nu soll der Strüber aussagen, dass er und die ganze Familie von die blaue Minna genau in diese Zeit dauernd durch Durchfalll zu tun hädden. Weil se sich dar gar nich erklären konnden, sind se sogar beim Doktor gewesen, und der hat gemeint, dass es so e Art leichter Tiefus sein muss“. An diese Stell hold de Mannekängsche ganz tief Luft, und da passierd was, wodrauf keiner nich gefasst war. De blaue Minna schlug de Hände wores Gesicht und fing an zu weinen „Ja“, sagd se, wie der Vorsitzende ihr fragen tat, „ich hab die Eier genommen, aber es waren ja bloß e paar, und denn noch sone ganz kleine“. Dadrauf braucht der Strüber nischt nich mehr zu sagen. Das Gericht zog sich zur Beratung zurick, und wir gingen alle aufem Flur, um uns auszuliften und e bißche de Beine zu vertreten. Und wie wir denn wieder alle im Saal huckden, kam das Urteil. De Mannekängsche kriegd wegen grobem Unfug mit mildernde Umstände, weil se ihr Eigentum verteidigt hädd, dem Bescheid, dass se als Sühne dreißig Mark fier einem Wohltätigkeitsverein zahlen mißd. De blaue Minna kriegd fuffzig Mark Geldstraf wegen Mundraub. Seit wennehr haben die Hiehner dem Mund hinten? Außerdem mißt se de Kosten bezahlen. Die Nebenkläger kriegden nuscht zu erben, weil kein gesundheitlicher Schaden entstanden war. Und fier Frau Sommer spendierd de Mannekängsche freiwillig e paar neie Bixen mit Gummiband und hädd damit de Lacher und das ganze Dorf auf ihre Seit. Stolz wie e Spanierin haud se denn ab, denn se hädd ja nu wirklich aufe ganze Linie gesiegt. Jetz können ihre drei weiße Hiehner ruhig dem fremden Hahn weiterbesuchen, aber wie ich ihr kenn, wird se ihnen dem Schlung umdrehen und im Kochtopp stecken. De Emma hadd der Termin so aufgeregt, dass se noch zwei Tassen Bohnenkaffee trinken mißt. Das kosd wieder e Mark, und meine zwei Steinhäger waren auch nich billiger. Ja, ja, einer glaubt gar nich, was auf so e kleines Kuhbauerndorf alles passieren tut. Manchmal is es doller wie im Kientopp. Ich hab mir jedenfalls noch nich einem Tag jelangweilt. Wer will, findt immer was zu tun. Aber de meiste Menschen wolle ja nich aufes Feld gehen. Sehn Se, ich hab mir inne letzte Wochen ganz scheene Dittchens gemacht mit Kartoffelhacken. Es is ja e bische unjewohnt, so dass einem abens das Kreiz wehtut. Aber das vergeht ja auch wieder. Wenn einer blos so einigermaßen de Gesundheit behält! Und dafier sorgt ja die scheene Millezien, wo ich Ihnen all vorgtem Brief von schrieb. Nu hab ich all die vierte Buddel am Kreppschull, und de Emma hat auch all de dritte. Es schmeckt doch zu scheen. Bloß mit dem Sommer will es immer noch nich richtig werden. Denn is mal e paar Tage warm, rietz, rutscht der Termometer wieder inne Kniee, dass einem de Knochen zittern. Ich bleib dabei, dass se das ganze Wetter zermurkst haben, weil se dauernd mit Atombomben maddern und rumpinksern. Das kann doch aufe Dauer nuscht Gutes nicht geben! Aber nu muss ich aufheeren, denn es riecht nach gebratene Kartoffels mit Speck und Zwiebel, und denn bin ich nich zu halten.

Ich grieße Ihnen aller sehr herzlich! Ihr alter Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder

Tauende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer Ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Königsberg, Yorkstraße 28: Günter Klein, geb. 17.12.1934, von seinem Vater: Gustav Klein.

 

Stucken, Kreis Elchniederung: Ingrid Besemer, geb. 23.01.1936 in Stucken, von ihrer Tante: Gertrud Coenen, geborene Besemer, geb. 02.11.1905

 

Zinten, Kreis Heiligenbeil, ehemalige Straße der SA 27: Ursula Irmgard Will, geb. 18.09.1934, von ihrem Bruder: Siegfried Will. Die Mutter Elisabeth Will, geborene Grube und der Bruder Günther Herbert Will werden ebenfalls noch gesucht.

 

Allenstein: Peter Forst, geb. 30.01.1943 in Allenstein, von Franz Kunz.

 

Frauenburg, Klinik: Heinz Müller, geb. 24.12.1942 in Arys, von seinem Bruder: Max Wolfgang Müller, geb. 28.01.1927. Heinz wurde 1944 infolge einer Infektionskrankheit in die Klinik eingeliefert.

 

Friedrichswalde, Kreis Samland: Christel Kallweit, geb. im Oktober 1938 und Erwin Kallweit, geb. im Juli 1941, von ihrer Tante: Frieda Knöfler

 

Fürstenau bei Drengfurt, Kreis Rastenburg: Lisbeth Seraphin, geb. 28.09.1935, von ihrem Bruder: Helmut Seraphin, geb. 04.10.1924

 

Grünhausen, Kreis Elchniederung: Fritz Dannat, geb. 01.09.1939, von seiner Mutter: Anna Dannat, geborene Kujus, geb. 21.11.1911. Fritz Dannat befand sich zuletzt im Krankenhaus in Rauschen, Kreis Samland

 

Haffwerder, Kreis Labiau: Maria Dombrowski, geb. 1936 und Max Dombrowski, geb. 1937, von ihrem Vater: Karl Dombrowski, geb. 31.01.1903

 

Ortelsburg, Jägerstraße 30: Horst Borkowski, geb. 22.05.1936, von Charlotte Borkowski, geborene Trzeczak, geb. 23.12.1907

 

Pillau II, Kamstigall, Kreis Samland: die Geschwister Sigrid Erdmann, geb. 01.03.1937, Doris Erdmann, geb. 25.05.1941 und Hans-Jürgen Erdmann, geb. 12.12.1944, von ihrem Vater: Paul Erdmann, geb. 26.04.1915

 

Ribben, Kreis Ebenrode: Bruno Schüszler, geb. 1940 in Ribben, von Erich Huck

 

Rosental, Kreis Lötzen: Manfred Wnuck, geb. 19.03.1937 und Gerhard Wnuck, geb. 20.10.1938, von ihrem Vater: August Wnuck, geb. 16.07.1900

 

Sandkrug, bei Frau Gertrud Sander: Wolfgang Kipnich, geb. 15.01.1935 in Rastenburg, von seinem Vater: Otto Kipnich

 

Groß-Schenkendorf, Post Argenbrück, Kreis Tilsit: die Geschwister Heinz Fischer, geb. 08.12.1934, Siegfried Fischer, geb. 02.07.1936 und Gisela Fischer, geb. 25.07.1938, von ihrer Mutter: Gertrud Fischer, geborene Tobinnus, geb. 11.09.1910

 

Schippenbeil, Kreis Bartenstein: Hans Ritter, geb. 1933 in Hermannhagen, von seinem Bruder: Günther Ritter

 

Schönlinde, Kreis Gerdauen: Oskar Flath, geb. 13.03.1941 in Gerdauen, von seinem Onkel: Hartmuth Flath und von seinem Bruder: Dietmer Flath

 

Tiefenort, Kreis Goldap: Gisela Marlen Paululat, geb. 03.01.1943, von ihrer Tante: Emma Paululat, geb. 14.01.1917. Das Kind war zuletzt mit der Mutter Gertrud Paululat, geborene Baginski, in Brenz, Kreis Ludwigslust. Die Kindesmutter soll geheiratet haben und Müller heißen. Sie soll in Westdeutschland wohnen.

 

Königsberg-Ratshof, Gerlachstraße 94a: Kurt Schmidtke, geb. 18.04.1936, von Albert Kaminski, geb. 02.02.1894

 

Königsberg, Hoffmannstraße 8: Arno Willuweit, geb. 29.01.1933, von seinem Vater: Paul Willuweit

 

Königsberg, Juditterallee 59/61: Helmut Sommerey, geb. 07.02.1934, von seiner Tante: Gertrud Böhm, geborene Sommerey und von: Irmgard Sommerey

 

Königsberg, Reichsbahnsiedlung Schönfließ: Siegfried Plaumann, geb. 21.05.1933, von seinem Vater: Otto Plaumann, geb. 30.05.1896

 

Königsberg, Erster Rundteil 3: Günther Bunk, geb. 19.10.1934, von seinem Vater: Alfred Bunk, geb. 01.11.1898. Gertrud Bunk, geb. 19.01.1908 und von Gertrud Kirsch, geb. Bunk, geb. 24.11.1906

 

Königsberg, Sternwartstraße 11: die Geschwister Helga Wapniwski, geb. 17.12.1940, Ingrid Wapniwski, geb. 17.12.1940 und Renate Wapniwski, geb. 17.05.1942, von ihrem Onkel, Karl Nitsch. Die Mutter der Kinder Gertrud Wapniwski, geborene Riemann, verstarb 1946 im Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg. Die Kinder befanden sich dann vom Januar bis April 1946 im Waisenhaus der Barmherzigkeit. Ab April 1946 kamen die Kinder in das Waisenhaus nach Metgethen bei Königsberg.

 

Königsberg, Sternstraße 11: die Geschwister Heinz Gehrmann, geb. 13.04.1934, Alfred Gehrmann, geb. 09.01.1936, Günther Gehrmann, geb. 26.05.1937 und Werner Gehrmann, geb. 02.09.1936, von ihrer Großmutter: Wilhelmine Pohl, geborene Brosch, geb. 07.08.1887.

 

Kreuzingen, Kreis Elchniederung: Jutta Maria Glitz, geb. 16.03.1943 in Königsberg, von Walter Glitz, geb. 18.08.1911. Jutta Maria Glitz ist während der Flucht in Mahnsfeld, Kreis Samland, verloren gegangen.

 

Kurkau, Kreis Gerdauen: Heinrich Stripling, geb. 27.07.1939 und Edith Stripling, geb. 10.12.1943 in Niederdorf, von ihrer Mutter: Frieda Stripling, geborene Block, geb. 29.04.1911

 

Memel, Tilsiter Straße 50: Harald-Jürgen Pippirs, geb. 02.05.1943, von seiner Mutter: Edith Pippirs. Der Knabe hat sich in Memel, Tilsiter Straße 50, bei Anna Willumeit in Pflege befunden. Dieselbe gab 1945 den Jungen einer Frau Burkowsky oder Burkowitz in Memel-Schmelz.

 

Pettelkau, Kreis Braunsberg: Gertrud Heidenreich, geb. 06.01.1940, von ihrer Mutter: Anna Heidenreich, geb. 28.11.1897. Das Kind ging am 13.02.1945 auf der Flucht verloren. Es soll zwischen dem 16. und 18. Februar 1945 von einer Frau Schier der NSV in Bodenwinkel bei Danzig übergeben worden sein. Gertrud Heidenreich trug einen Krimmermantel, zwei Mützen, eine grüne Teufelsmütze mit rotem Rand, und eine aus grauem Fell mit zwei herunterhängen Pummeln, und zwei Kinder, davon eines in dunkelgrün mit hellem Karo, das andere ein Waschkleid, rot-weiß kariert mit schwarzen Streifen. Das Kind hatte einen Bruder Sigi, der am Tage vor der Flucht durch einen Bombenangriff verwundet wurde. Gertrud Heidenreich hat blaue Augen und blondes Haar.

 

Dem Kinderkrankenhaus „Sonneneck“ in Rauschen/Düne, Kreis Samland: Waltraud Schutzmeister, geb. 24.09.1940 in Königsberg, von ihrer Mutter: Helga Rutz, verwitwete Schutzmeister, geb. 16.02.1917. Das Mädchen nannte sich selbst „Püppi“ und hat auf dem Rücken einen Leberfleck.

 

Allenburg, Kreis Wehlau, Alleestraße 117: Lieselotte Hawacker, geb. 25.07.1934, von ihrem Vater: Fritz Hawacker, geb. 11.11.1907

 

Allenstein, ehemalige Hermann-Göring-Straße 50: Iris Möller, geb. 10.12.1942 in Heiligenbeil, von Charlotte Todtenhaupt, geb. 12.08.1915

 

Arys, Kreis Johannisburg: Helga Gayko, geb. am 23.11.1937, in Arys, von ihrem Vater: Max Gayko, geb. 24.12.1905

 

Barschken, Kreis Memel: Edith Schaputtis, geb. 1936 in Barschken und Gisela Schaputtis, geb. 1938 in Barschken, von ihrem Onkel, John Schaputtis

 

Bergfelde, Kreis Johannisburg: Edith Lendzian, geb. 23.10.1936 in Bergfelde, von ihrem Vater: Gustav Lendzian, geb. 04.04.1899

 

Biegiethen, Post Pobethen, Kreis Samland: Rudolf Eidinger, geb. 05.02.1937 und Helmut Eidinger, geb. 04.04.1938 in Wesselshöfen, von Frieda Fischer

 

Fürstenau, Kreis Preußisch-Holland: Detlev Kretschmann, geb. 06.06.1942, von Richard Conrad, geb. 08.11.1897

 

Georgenthal, Kreis Mohrungen: Heinrich Wroblewski, geb. 07.01.1942 in Schelberg, von Erna Meiritz, geborene Bukowski, geb. 22.05.1910

 

Klimkau, Kreis Allenstein: Erika Gedigk, geb. 24.11.1935 in Klimkau und Reinhold Gedigk, geb. 4.12.1938 in Klimkau, von ihrem Vater: Johann Gedigk, geb. 06.09.1904

 

Kreuzingen, Kreis Elchniederung, Siedlung Süd: Ursula Weichel, geb. 28.05.1939 in Kreuzingen, von ihrer Tante: Maria Jonath, geborene Weichel, geb. 17.12.1892

 

Kuckerneese, Kreis Elchniederung: Ursula Aschmann, geb. 14.06.1936, von ihrem Bruder: Horst Aschmann, geb. 27.06.1937

 

Kuckerneese, Kreis Elchniederung: Irmgard Willig, geb. 30.09.1935 in Gumbinnen, von Albert Hermann, geb. 27.11.1892

 

Labiau, Kastanienweg 1: Paul Neumann, geb. 15.05.1937 in Labiau, von seiner Tante: Marie Reklies

 

Mörken bei Hohenstein, Kreis Osterode: Die Geschwister Ursel Milkau, geb. 15.08.1937 in Deutsch-Eylau, Horst Milkau, geb. etwa 1937 und Hannelore Milkau, geb. etwa 1939 in Deutsch-Eylau, von ihrer Tante: Emma Dutz, geborene Jobs, geb. 10.07.1905

 

Mohrungen, Abbau, Heinrichshof: Inge Kallien, geb. 1940 und Renate Kallien, geb. 1944, von Emma Tham, geborene Zerwer, geb. 16.05.1887.

 

Mohrungen, Erich-Koch-Siedlung, Mühlenweg: Ingo Norbert Brüning, geb. 05.10.1943, von seinem Vater: Kurt Brüning, geb. 07.11.1917

 

Moorwiese, Kreis Schloßberg: Willy Wittmann, geb. 26.10.1933 in Moorwiese, von seinem Vater: Gustav Wittmann, geb. 12.08.1891

 

Allenstein, Kinderklinik: Hilmar Gantowski, geb. 30.03.1944 in Königstal bei Johannisburg, von seiner Mutter: Gertrud Ziegler, geborene Szucka, verwitwete Gantowdki, geb. 20.02.1912

 

Arnsdorf, Kreis Heilsberg: Edith Wesse, geb. 18.07.1943 in Wilhelmshöh und Horst Wesse, geb. 24.04.1941 in Gambalken, von ihren Eltern: Franz Wesse und Luise Wesse, geborene Ogurek, geb. 20.08.1913

 

Bartenstein, Mockerusstraße 12: Willi Magka, geb. 23.12.1938 und Klaus-Dieter Magka, geb. 11.10.1943 in Bartenstein, von ihrem Vater: Wilhelm Magka, geb. am 19.04.1904. Beide Knaben kamen nach dem Tod der Mutter in das Waisenhaus in Bartenstein oder Heilsberg.

 

Drigelsdorf, Kreis Johannisburg: Margrit Skowronnek, geb. 1942 in Drigelsdorf, von ihrer Tante: Anna Jorkowski, geborene Skowronnek, geb. 07.08.1901

 

Godnicken, Kreis Samland, bei Familie Adam Schäfer: Waltraud Wölk, geb. 16.07.1940 in Königsberg, von ihrer Mutter: Gertrud Schäfer, geborene Wölk, geb. 08.08.1917

 

Goldap: Helga Trilling, geb. 24.04.1942 in Barkau, von ihrem Vater: Hermann Trilling

 

Guttstadt, Kreis Heilsberg: Erika Tolksdorf, geb. 31.10.1940 und Hannelore Tolksdorf, geb. 10.08.1943, von ihrem Vater: Hugo Tolksdorf, geb. 09.01.1920

 

Heydekrug: Karin Holland, geb. 09.01.1944 in Berlin, von ihrer Mutter: Edith Holland, geb. 22.01.1922. Karin befand sich bei ihrer Pflegemutter Eva Ambrosius, die kurze Zeit in Labiau und später in Guttstadt bei Allenstein, Am Markt 12, bei Kaufmann Leiber, wohnhaft war. Im Sommer 1944 soll Karin mit ihrer Pflegemutter nach dem Westen evakuiert worden sein.

 

Heilsberg, Kinderheim Josef-Stift: Georg Hohmann, geb. 23.01.1943, von seiner Mutter: Helene Schulz, geschiedene Plaumann, geborene Hohmann, geb. 29.05.1914. Der Bruder Bruno Hohmann, geb. 04.12.1932, wird auch noch gesucht.

 

Herzogsrode, Kreis Goldap: Lore Wach, geb. 30.05.1940 in Herzogsrode, von ihrer Tante: Elfriede Simon, geb. 29.03.1918. Die Mutter Helene Wach, geb. 27.03.1920, ist mit dem Kind 1945 mit einem Transport von Seeburg, Kreis Rössel, geflüchtet.

 

Königsberg: Marianne Schulz, geb. 30.01.1944 in Laval (Frankreich), von ihrem Vater: Erich Schulz

 

Königsberg, Artilleriestraße 48: Heidi Jorkisch, geb. 20.09.1943, von ihrer Mutter: Gertrud Jorkisch, geborene Zander, geb. 10.06.1910. Heidi Jorkisch wurde am 7. April 1945 wegen einer Lungenentzündung in das Krankenhaus in Fischhausen eingeliefert und am 18. April 1945 nach Palmnicken in das Krankenhaus verlegt. Der leitende Arzt hieß Dr. Debusmann. Das Kind hat blaue Augen und hellblondes Haar. Es hatte eine Decke bei sich, die auf einer Seite dunkelgrün, auf einer Seite braun war. Am 20. April 1945 hat Frau Jorkisch ihre Tochter noch besucht und man sagte ihr, dass Heidi per Schiff nach dem Westen evakuiert würde.

 

Kolberg, Mutterhaus der Diakonissen, Waisenhaus: Marianne Stolle, geb. 29.12.1942 in Stettin, von ihrer Pflegemutter, Magda Hornung, geborene Hoffmann, geb. 04.06.1913. Das Waisenhaus wurde im Winter 1944/1945 nach Prerow (Vorpommern) evakuiert und dort im „Haus Regina“ untergebracht.

 

Stettin: Hans Uwe Stiller, geb. 11.07.1943 in Stettin, von seiner Großtante: Marie Dubkewitz

 

Stettin-Finkenwalde, Kinderhein: Heidemarie Lahl, geb. 04.12.1944 in Stettin, von Walter Alisch

 

Stettin, Friedenstraße 4: Helga Milaschus, geb. 28.02.1942 in Stettin, gesucht von ihrer Tante: Erna Fink, geborene Peschlat

 

Stettin, Schulstraße 10: Annelore Färber, geb. 15.11.1940, von ihrer Tante: Else, Walkoff, geborene Otto, geb. 16.04.1899. Das Kind kam nach dem Tod der Mutter im Oktober 1945 in die Kückenmühler Anstalten in Stettin

 

Stettin, Wailstraße 30: Hans Oesterreich, geb. 03.05.1935 in Stettin und Heinz Oesterreich, geb. 22.05.1938 in Stettin, von ihrem Onkel: Karl Wiedemann, geb. 19.10.1902 und von ihrer Tante: Lisbeth Carmosin, geborene Oesterreich

 

Stolp, Hundestraße 12: Erika Rettke, geb. 13.03.1938, von ihrem Vater: Erich Rettke, geb. 10.07.1908

 

Stolp, Immelmannstraße 32: Ingelore Hinz, geb. 17.02.1945 in Stolp, von ihrer Großmutter, Adeline Nitz, geborene Herzog, geb. 12.04.1893. Das Kind wurde am 20.03.1945 auf dem Bahnhof Rostock von der NSV übernommen.

 

Stolp, Lilienthalstraße 16: Hans-Georg Vehlon, geb. 16.08.1935 in Stolp, von Irmgard Vehlon, geb. 21.02.1925

 

Stolp, Schmiedetormauer 41: Uwe Haase, geb. 28.06.1943 in Stolp und Dirk Haase, geb. 15.08.1944 in Stolp, von ihrer Tante: Christel Pietsch, geb. 15.04.1923

 

Aus dem Kinderheim Stolpmünde wird Marlies Schiemann, geb. 27.10.1942 in Scharnese, Kreis Kulm, gesucht von ihrer Schwester, Christel Schiemann, geb. 10.01.1935 in Scharnese. Nach dem Tode der Mutter und des Bruders kamen die Geschwister Christel Schiemann und Marlies Schiemann in das Kinderheim Stolpmünde. Am 8. März 1945 flüchtete das Kinderheim und kam bis Weitenhagen, Kreis Stolp. Dort wurden Christel Schiemann und Marlies Schiemann getrennt. Marlies soll mit mehreren Kleinkindern und einer Kindergärtnerin „Irmgard“ oder „Gertrud“ mit einem Wehrmachtwagen weitergefahren sein. Wer war die Kindergärtnerin „Irmgard“ oder „Gertrud“ und kann über den Verbleib von Marlies Schiemann Auskunft geben?

 

Stolpmünde, Bismarckstraße 5: Johanna Glaubke, geb. 21.01.1945 in Stettin, von Franz Glaubke, geb. 15.02.1866

 

Zühlsdorf, Kreis Arnswalde, Erna Lienert, geb. 17.05.1933 in Stolzenfelde, von ihrem Vater: Paul Lienert, geb. 12.08.1895

 

Gesucht werden aus:

Danzig-Langfuhr, Kleinhammerweg 28: Günther Hintz, geb. 18.09.1936 in Danzig, von seiner Mutter: Johanna Hintz. Günther Hintz kam 1945, zusammen mit seiner Schwester Ingelore Hintz, nach Buxtehude bei Hamburg, von wo er sich mit einem 13-jährigen Jungen namens Hermann Müller, geb. am 18.12.1935, wahrscheinlich nach Berlin begeben hat, wo dieser angeblich Verwandte hatte.

 

Abscherninken, Post Trempen, Kreis Angerapp: Werner Brocker, geb. 20.01.1938, von Hugo Schelitzki

 

Alleinen bei Neukuhren, bei Maria Scheffler: Karl-Heinz Scheffler, geb. 13.02.1940 in Königsberg, von Erika Scheffler, geb. Schiermann, geb. 03.12.1916

 

Cranz, Kreis Samland: Brunhilde Elfriede Böhm, geb. 01.03.1936 in Cranz, von ihrer Mutter: Lina Böhm, geborene Lemke, geb. 09.05.1900

 

Cranz, Kreis Samland, Blumenstraße 11, bei Margarete Bombien: Fritz Henkel, geb. 07.08.1934 in Eisenbart, Kreis Bartenstein, von seiner Mutter: Gertrud Henkel, geborene Bombien, geb. 19.08.1909

 

Drengfurt, Kreis Rastenburg, Waisenhaus: Adolf Tannhäuser, geb. 24.10.1933 und Helmut Tannhäuser, geb. 27.10.1936 in Romlau, sowie Reinhard Tannhäuser, geb. 05.04.1931 in Kalteecke (Oberschlesien).

 

Frauenburg, Kreis Braunsberg: Otto Robert Dorn, geb. 26.05.1933 in Laschingen und Aline Dorn, geb. 15.10.1940 in Laschingen, von ihrem Onkel: Adolf Spadzinski, geb. 19.03.1898

 

Insterburg, Ludendorffstraße 11: Brigitte Zipplies, geb. 15.04.1937, Ruth Zipplies, geb. 30.09.1938 und Klaus Zipplies, geb. 31.03.1940, von ihrem Vater: Fritz Zipplies, geb. 12.05.1909

 

Klaukendorf, Kreis Allenstein: Hugo Jelaswokski, geb. Ende Oktober 1933 in Schönwalde, von seiner Großmutter: Marie Gelaskowski, geborene Dulisch, geb. 26.06.1874

 

Königsberg, Stadtgarten 131: Horst Wunder, geb. 30.06.1936, von seinem Vater: August Wunder, geb. 24.03.1906

 

Königsberg, Grollmannstraße 1: Renate Philipp, geb. 14.09.1938, von ihrer Tante: Erna Pfeil, geborene Neidenberger, geb. 12.02.1911

 

Königsberg, Kurfürstendamm 15: Lutz Norbert Krieg, geb. 09.12.1938, von seiner Mutter: Martha Krieg, geb. 17.03.1908

 

Königsberg, Aweider Allee 44: Renate Schimmelpfennig, geb. 08.10.1934, von ihrem Vater: Franz Schimmelpfennig, geb. 07.07.1900.

 

Königsberg, Blumenstraße 12: Brigitte Dreher, geb. 23.07.1934, von ihrer Mutter: Hildegard Dreher, geborene Lehmann, geb. 27.05.1905. Brigitte soll in Königsberg von einer Frau Schröder und Frau Maiwald aufgenommen worden sein.

 

Medenau, Werksiedlung 7: Bruno Zöllner, geb. 27.01.1935 in Zimmerbude und Friedel Zöllner, ge. 09.09.1936 in Zimmerbude, von ihrer Mutter: Minna Zöllner, geborene Lilienthal, geb. 25.06.1914

 

Mehlsack, St. Georgi-Krankenhaus: Bern? Czitzniwski, geb. 01.09.1944, von seiner Mutter: Emma Czitzniwski, geborene Jurzig, geb. 29. 11. 1907. Bernd Czitzniwski war im Januar 1945 mit mehreren anderen Säuglingen von der Kinderklinik Guttstadt, Kreis Heilsberg, in das St. Georgi-Krankenhaus nach Mehlsack gekommen. Von dort aus wurden die Kinder mit einem Lazarettzug, der in Richtung Königsberg-Heiligenbeil fuhr, evakuiert. Wer befand sich im Januar 1945 in diesem Lazarettzug?

 

Nittken, Kreis Johannisburg: Lore Reisenauer, geb. 08.01.1935 und Edeltraud Reisenauer, geb. 07.04.1939, von ihrem Vater: Leopold Reisenauer, geb. 27.12.1897. Die Mutter wurde in Johannisburg von den Kindern getrennt und per Lastwagen abtransportiert. Ein unbekannter Lehrer nahm die Kinder weiter mit.

 

Nordenburg, Insterburger Straße: Lothar Gerstmann, geb. im Juli 1939, von Maria Schwarz, geborene Plewe, geb. 30.06.1906.

 

Preußisch Holland, Hindenburgstraße 15: Klaus Lerbs, geb. 18.07.1935 und Karin Lerbs, geb. 16.02.1944, von ihrem Vater: Karl Lerbs, geb. 23.02.1907.

 

Rastenburg, Erziehungsheim: Erich Zobel, geb. 09.03.1935 in Insterburg, von seiner Mutter: Elisabeth Ehlert, geborene Zobel, geb. 09.06.1917.

 

Schönlinde, Post Wehlau, Kreis Gerdauen: Hans Niehörster, geb. 06.02.1939, von seinem Vater: Doktor Hermann Niehörster, geb. 15.12.1902.

 

Krankenhaus Schröttersburg: Ilse Krüger, geb. 26.11.1944 in Schröttersburg, von ihrem Vater: Eduard Krüger, geb. 30.09. 915. Das Kind befand sich im Februar 1945 im Krankenhaus Schröttersburg und wird seit der Verlegung des Krankenhauses vermisst.

 

Stollendorf, Kreis Johannisburg: Erika Fischer, geb. 22.09.1938, von ihrem Vater: Willy Fischer.

 

Tilsit, Dragonerstraße 27: Dieter Papendiek, geb. 03.08.1936, von seiner Großmutter: Martha Böhme, geborene Wendel, geb. 18.06.1890.

 

Tropitten, Kreis Samland: Irmgard Salewsky, geb. 18.07.1933 in Tropitten, von ihrem Bruder: Fritz Salewsky.

 

Zinten, Kreis Heiligenbeil: Helga Heß, geb. 22.07.1938 und Dieter Heß, geb. 18.10.1939, von ihrer Mutter: Elisabeth Heß. Helga wurde am 04.02.1945 von einem kleinen Lastwagen überfahren und kam in das Krankenhaus Zinten, das auch Verbandsplatz war. Dieter Heß, ging am 05.02.1945 in Zinten bei einem Bombenangriff verloren.

 

Allenburg, Kreis Wehlau: Horst Fischer, geb. 01.10.1942 in Allenburg. Von Lotte Deutschmann, geborene Gawehn, geb. 29.05.914. Horst Fischer hört auf den Namen Wilco.

 

Allenstein: Renate Black, geb. etwa 1942 in Allenstein, von ihrem Vater: Alysius Black, geb. 29.07.1916.

 

Aulenbach (früher Aulowönen), Kreis Insterburg: Siegfried Lalleike, geb. 30. September 1938 in Schönefeld, Kreis Gerdauen, von seiner Mutter: Gertrud Lalleike, , geborene Lukaschewski, geb. 27.02.1908.

 

Heilsberg, Waisenhaus: Walter Böhnke, geb. 09.01.1935 in Wormditt, von seinem Bruder: Heinrich Böhnke, geb. 09.05.1930.

 

Heinrichswalde, Kreis Elchniederung: Ingrid-Käthe Hahn, geb. 16.09.1943, von ihrem Bruder: Gerhard Hahn, geb. 09.07.1938.

 

Klein-Nuhr, Kreis Wehlau: Edeltraut Lakaschus, geb. 15.02.1944 in Reichau, von ihrer Pflegemutter Luise Armbrust, geb. 18.02.1890. Das Mädchen wurde am 21. Januar 1945 in einem Kinderwagen von einem Kraftfahrer in Klein-Nuhr, Kreis Wehlau, mitgenommen, während die Pflegemutter mit noch zwei Kindern mit einem anderen Wehrmachtfahrzeug folgte. In Allenburg hat Frau Luise Armbrust den Wehrmachtwagen, auf dem sich Edeltraut Lakaschus befand, zuletzt gesehen.

 

Knöppelsdorf oder Lichtenhagen, Kreis Samland: Ursula Seifert, geb. 31.05.1934 in Knöppelsdorf, von ihrer Schwester: Grete Seifert, geb. 01.03.1932 und von ihrer Mutter: Elise Seifert

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Zivilgefangene.

Wir veröffentlichen nachfolgend Namen von in die UdSSR Verschleppten, die dort noch zurückgehalten werden, bzw. dort verstorben sind. Der Suchdienst Hamburg ist bemüht, die Anschriften der Angehörigen zu ermitteln, um sie benachrichtigen zu können. Sollten Sie die Namen und Anschriften von Angehörigen kennen, schreiben Sie an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II (Zivilvermisste), Hamburg-Altona, Allee 131.

 

Königsberg: die Angehörigen der Schneiderin Maria Grönert, Geburtsdatum unbekannt.

 

Königsberg: die Angehörigen der Frieda Grosin, geb. etwa 1910, Mutter von drei Kindern.

 

Der Gegend Königsberg: die Angehörigen des Heinz Groß, geb. etwa 1927.

 

Königsberg: die Angehörigen des Klaus Grunas, geb. etwa 1921.

 

Dem Kreis Wehlau (Ostpreußen): die Angehörigen des Berthold Grunau, geb. etwa 1926.

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Gertrud Goldberg, geb. etwa 1922.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Günter Groß, geb. etwa 1933.

 

Lindendorf, Kreis Wehlau: die Angehörigen des Horst Lakawe, geb. vermutlich 28.03. 1931. Beruf: Arbeiter, Vater soll Franz heißen.

 

Allenstein: die Angehörigen des Franz Dabrowski, geb. etwa 1900, Beruf: Melker.

 

Sichelberg: die Angehörigen des Wilhelm Mey, geb. etwa 1904, Beruf: Kaufmann.

 

Angerap: die Angehörigen des Landwirtes Martin Keil, geb. etwa 1911

 

Kreis Goldapp: die Angehörigen des Landwirtes Horst Kolumbus, geb. etwa 1925.

 

Königsberg: die Angehörigen der Hausfrau Erna Kaiser, geb. etwa 1924.

 

Königsberg: die Angehörigen des, Vorname unbekannt, Kioschuß, geb. etwa 1914

 

Königsberg: die Angehörigen der Hedwig Klein, geb. etwa 1921

 

Labiau: die Angehörigen einer Lisa Sachs.

 

Pillau: die Angehörigen einer Elsa Krüger.

 

Preußisch Eylau: die Angehörigen eines Henry Hartwig, geb. etwa 1930.

 

Ostpreußen: die Angehörigen eines Kurt Gudat, geb. etwa 1929.

 

Insterburg: die Angehörigen des Fleischermeisters Anton oder Albert Kirchenstein, geb. etwa 1895.

 

Kreis Heiligenwalde und Königsberg: die Angehörigen einer Margarete Gross.

 

Kalkendorf, Kreis Lyck: die Angehörigen eines Ernst Krispien.

 

Dorf Lauth, Ostpreußen: die Angehörigen einer Herta Wilde, geb. 31.01.1928.

 

Angerburg: die Angehörigen des Melkers Otto Stasch, geb. etwa 1925.

 

Jakunen, Kreis Angerburg: die Angehörigen eines Siegfried Preuß.

 

Heilsberg: die Angehörigen eines Eugen Glomm.

 

Königsberg: die Angehörigen einer Christel Arnberg, geb. etwa 1930.

 

Königsberg: die Angehörige der Käthe Kogge, geb. etwa 1931.

 

Tilsit: die Angehörigen der Erna Klein, geb. etwa 1921.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Finanzbeamten Otmar Karbe oder Karbow, geb. etwa 1890

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Tischlermeisters Otto Kerbholz, geb. etwa 1904.

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Erika Klein, geb. etwa 1923.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Heinz Klein, geb. etwa 1913.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Adolf Kirsch, geb. etwa 1920

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Gertrud König, geb. etwa 1904.

 

Suche eine Person aus Colhiehnen Kreis Rastenburg, die Auskunft über Familie Oelsner geben kann. Fritz Oelsner, Dellbrück i. W, Rietbergerstraße 172.

 

 

Seite 14  Kindersuchdienst des DRK. Hamburg-Osdorf, Blomkamp 51.

Steckbrief mit Foto:

Name: unbekannt

Vorname: Marianne

Geboren etwa 1941

Augen: graublau

Haar:  dunkelblond.

Das Kind wurde im März 1945 im Wald in der Nähe Zoppots aufgefunden. Es sprach ostpreußischen Dialekt und erzählte, seine Mutter sei mit einem anderen Wagen fortgefahren mit dem Bemerken, es solle warten, bis sie wiederkäme. Wenn Marianne von sich selbst spricht, sagte sie „Plumpschen“. Bild-Nummer 0385

 

Steckbrief mit Foto:

Name: unbekannt, vielleicht Henkel

Vorname des Jungen vielleicht Jürgen

Geboren vermutlich 15. Mai 1942

Augen: braun

Haar: mittelblond

Der Heimatort des Knaben ist unbekannt. Er kam 1947 aus Dänemark. Vielleicht stammt er aus Siebenlinden, Kreis Schloßberg oder Rockeimswalde, Kreis Wehlau. Bild Nr. 0387

 

Steckbrief mit Foto:

Name: unbekannt

Vorname: unbekannt

Geboren: 1. Mai 1943 (geschätzt)

Augen: blau

Haar: mittelblond

Das Kind stammt vermutlich aus Ostpreußen. Es wurde in Angermünde aufgefunden. Unter dem Hemdchen trug es einen zusammengenähten Lappen mit Geld. Der Junge erzählte, dass er eine Stullentasche hatte, die ihm verlorenging und dass er bei seiner Oma Pellkartoffeln mit Butter gegessen hat. Die Mutter wurde am Arm verwundet, der Vater soll mit einem Auto fortgefahren sein. Bild-Nummer: 0546

 

 

Seite 14   Suchanzeigen

Gesucht werden Fritz Kiauke aus Wittken, geboren in Jagstelen, Meta Pirglies, geb. Romeike, geboren 1898 in Wittken, aus Rauterskirch, Kreis Elchniederung, Maria Braschkies, geb. Bednig, aus Kukerneese, Helene Warsyreuksch aus Kukerneese und Berta Neumann, geb. Fehlau aus Herdenau, Kreis Elchniederung, von Marta Janz, geb. Orgait aus Wittken-Kleeburg, jetzt Simmersfeld, Kreis Calw, Wttbg. 

 

Gesucht werden Grete Wichert, geb. in Siegfriedswalde, später nach Berlin verheiratet, Alter ungefähr 55 Jahre, Klara Wichert, geb in Siegfriedswalde, Kreis Heilsberg, Alter ungefähr 65 Jahre, von Frau Käthe Rohn, Bremerhaven-Lehe, Sternweg 3.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt, Dimmermann, verheiratet, Stabsgefreiter bei den Bau-Pionieren 5/23, 3/5992 T

 

Vermutlieh aus Ostpreußen: die Angehörigen von Walter Duegsch, geb. 1926 in Ostpreußen, ledig, Gefreiter bei der Feldpostnummer 24976 B, A 4369

 

Vermutlich aus Ostpreußen oder Pommern: die Angehörigen von Franz Guth oder Gutt, geb. etwa 1926/1927 in Ostpreußen oder Pommern, ledig, Gefreiter bei der 1. Kompanie Pz.-Jäger-Abteilung der 12. Infanterie-Division, Feldpostnummer 03741, A 392

 

 

Seite 14   Wir gratulieren

Zum 80. Geburtstage am 10. August 1955, Fräulein Berta Moschall, aus Polpen, Kreis Heilsberg, jetzt in Bad Soden-Salmünster (16), Am Dippenmarkt 9. Letzter Wohnort war in Pettelkau, Kreis Braunsberg

 

Der Bauer August Schneider, aus Iwenberg, Kreis Schloßberg, Ostpreußen, jetzt Bornhausen 17 über Seesen a./H., vollendet am 21.08.1955 sein 70. Lebensjahr.

 

 

Seite 14   Treffen der ehemaligen ostpreußischen Feldzeugdienststellen

Die Kameradschaft der ehem. ostpr. Feldzeugdienststellen (dazu gehörten Feldzeug-Kommando I, Heeres-Zeugamt Königsberg Preußen, die Heeres-Neben-Zeugämter und die ihnen angeschlossenen Heeres-Neben-Munitionsanstalten Königsberg/Preußen, Insterburg, Gumbinnen, Allenstein, Bartenstein, Stablack, Braunsberg, Elbing, Arys, Lötzen. Die Heeres-Munitionsanstalten Königsberg/Preußen, Stablack, Powayen, Ludwigsort und die Gerätlager Ortelsburg und Mohrungen, hat für den 4. September 1955 das zweite Treffen in Hannover geplant. Alle ehem. militärischen und zivilen Angehörigen werden gebeten, sich daran recht zahlreich zu beteiligen.

 

Anmeldungen sind zu richten an Fritz Augustin, (21 b) Hemer-Sundwig, Hüttenstraße 16. Anmeldeschluss: 1. August 1955.

 

Da tür Sonnabend, den 3. September 1955, ein Kameradschaftsabend geplant ist, wird gebeten, in der Anmeldung anzugeben, ob Übernachtung (Hotel, Pension oder Privatquartier) erwünscht ist.

 

Zur Deckuncg der entstehenden Unkosten wird um einen Unkostenbeitrag von 2,-- DM gebeten und an o. a. Adresse zusenden zu wollen.

 

Machen Sie bitte alle ehem. Kameraden auf das Treffen aufmerksam. Alles Nähere wird den Teilnehmern nach erfolgter Anmeldung durch Rundschreiben bekanntgegeben. Für die Kameradschaft derehem. ostpr. Feldzeugdienststellen. I. A. Augustin.

 

 

Seite 14   Jahrestreffen ostpreußischer Leichtathleten

Das Wiedersehenstreffen der „Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten“, verbunden mit internen Wettkämpfen, findet am 5. August anlässlich der Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 1955 in diesem Jahr in Frankfurt/Main statt. Die Sport- und Turnverbände der Gebiete Ostpreußen, Danzig, Westpreußen-Grenzmark, Pommern, Schlesien und Sudetenland beabsichtigen, sich mit starken Delegationen an der repräsentativen Veranstaltung zu beteiligen. Im Mittelpunkt des Wettkampfes steht der vom Vorsitzenden des Deutschen Leichtathletikverbandes, Dr. Danz, gestiftete ewige Wanderpreis. Führende Persönlichkeiten der Sport- und Turnorganisationen des Bundesgebietes werden durch ihr Erscheinen die Bedeutung dieser Großveranstaltung unterstreichen.

 

Zahlreiche Kameradschaftstreffen

alter ostdeutscher Leichtathletik-Vereine sind in den Tagen der deutschen Leichtathletikmeisterschaften vom 4. bis 7. August in Frankfurt (Main) angesagt. So will der Elbinger Sportverein 05 sein goldenes Vereinsjubiläum am 6. August in Frankfurt feiern. Von namhaften traditionsreichen Vereinen haben u. a. Asco Königsberg, Preußen Stettin, Stettiner Sportclub, Deutscher SC Breslau und VfB Breslau ihre alten Mitglieder zum Jahrestreffen nach Frankfurt berufen. Mit ihnen kommen eine Reihe bekannter Männer mit, die früher hohe Meisterehren inne hatten, wie Dr. Peltzer, Erwin Blask, Fritz Köpke, Erwin Gillmeister, Schellien, Stoschek, Mäser, die sich bei den internen Leichtathletik-Wettkämpfen der Traditionsgemeinschalt am 5. August begegnen werden.

 

Auch Frauen sind dabei.

Das Jahrestreffen der ostdeutschen Leichtathleten am 5. August in Frankfurt (Main) hat bereits lebhaften Widerhall gefunden. Neben den Wettbewerben für Männer in allen Altersklassen (Einzel- und Dreikämpfe) sind nachträglich noch Wettbewerbe für Frauen und Mädchen auf Grund zahlreicher Anfragen ausgeschrieben worden, und zwar 100-m-Lauf, Weitsprung und Kugelstoßen als Einzelwettbewerbe und Dreikampf. Die Meldungen sind für alle Teilnehmer sofort an Erwin Blask, Frankfurt (Main), Rheingauallee 60, zu richten. Startgeld wird nicht erhoben.

 

Alte Leichtathletik-Meister des Ostens

bei den Wettkämpfen der Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten. Hierzu sind eine Reihe bekannter alter Rekordinhaber und Meister eingeladen worden.

 

Dr. Peltzer, der einstige Weltrekordmann vieler Mittelstrecken, wird den 1500-m-Lauf bestreiten.

 

Erwin Blask, ehemals Weltrekordmann im Hammerwerfen,

 

der Ostpreuße Hirschfeld, gewesener Rekordinhaber im Kugelstoßen,

 

Bruno Mäser, deutscher Speerwurfmeister,

 

Hilbrecht, der frühere deutsche Zehnkampfmeister,

 

Fritsch, deutscher Vertreter bei der Olympia 1936 im Diskuswerfen, —

 

diese alte Werfergarde soll sich ein Stelldichein beim Kugelstoßen geben. In den Kurzstrecken hofft man

 

Erwin Gillmeister aus der alten deutschen olympischen 4 mal 100-m-Staffel 1936 und

 

Schellien, den Hürdenmeister, am Start zu sehen.

 

 

Seite 14   Königsberger Turner in Duisburg.

Foto: Pfingsttreffen 1955 – Auf der Terrasse des Klubhauses TuS 1848/99 in Duisburg

Voller Begeisterung sind die Königsberger in freudigem Stolz und zugleich in verhaltenem Schmerz Pfingsten 1955 zu ihrer 700-jährigen Heimatstadt, vertreten durch die Patenstadt Duisburg, gepilgert, und jeder dieser ehemaligen Bewohner der altehrwürdigen „Haupt- und Residenzstadt Königsberg i. Preußen“ ist sicherlich beglückt und gestärkt heimgekehrt.

 

Gleich vielen anderen Gemeinschaften nutzten auch die Königsberger Turner diese Gelegenheit zu einem besonderen Stelldichein mit ihren Vereinsschwestern und -brüdern.

 

Dem Königsberger Männerturnverein von 1842 und dem Königsberger Turn-Club von 1872 stand am Pfingstsonntag gemeinsam das Klubhaus des Duisburger Turn- und Sportvereins von 1848/99 in Duisburg-Wedau mit seiner sonnigen Terrasse zur Verfügung. Aus allen Teilen des Bundesgebiets und aus dem Saarland und der Sowjetzone waren Turnerinnen und Turner wieder einmal fröhlich beisammen wie dereinst in Königsberg im Vereinsheim des KMTV an der Cranzer Allee und des KTC in Wilky. Vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend gab es ein Kommen und Gehen, ein Plaudern und Fragen und Erzählen ohne Ende, woran natürlich besonders stark beteiligt waren, die noch zu keinem der früheren Wiedersehenstreffen Erschienenen und die Besucher aus der Sowjetzone und Saarland.

 

In einer kurzen Ansprache brachte Turnbruder Wilhelm Alm die unverbrüchliche Treue der Turner zu ihrer Heimat zum Ausdruck. Er betonte aber auch, wie sehr sich die Turner ehrlichen Willens eingefügt haben in das Gefüge ihrer Flüchtlingswohnsitze, ihrer Zwischenhaimat. Dank der unter allen Turnern in Ost und Süd, in Nord und West von jeher bestehenden Brüderlichkeit ist es den ostdeutschen Turnern zumeist durch Anschluss an einen einheimischen Turnverein leichter als vielen anderen Landsleuten gefallen, in eine gute Beziehung zur einheimischen Bevölkerung zu kommen und das gegenseitige Verstehen zu fördern. Das in Ostpreußen gelehrte und gelebte Turnertum steht in nichts zurück hinter den turnerischen Hochburgen des Westens und tatkräftig steht daher heute auch die Mehrzahl der Königsberger Turnerinnen und Turner wieder in irgendeinem turnerischen Amt im Verein, Gau, Landesverband bis hinaus in die Spitze des Deutschen Turnerbundes. Damit dienen aber diese Turner nicht dem Turnen als Selbstzweck, sondern mit ihrem Turnertum dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit, insbesondere der Jugend, damit sie geraden Sinnes in schlichten Sitten mit frischem Körper und frohem Geist kraftvoll heranwachse und die schweren Aufgaben der Zukunft zu erkennen und zu meistern lernt. Der Stadt Königsberg und ihrer Wiedergewinnung in Frieden und Freiheit galt ein kräftiges Gut Heil.

 

Außer dem KMTV und dem KTC, deren Beisammensein durch eine fröhliche Turnkneipe a Ia „Blutgericht“ beendet wurde, hatte auch der Königsberger Frauen-Turnverein von 1890 in Duisburg eine Zusammenkunft, die am Sonnabend im Hotel Adler durchgeführt wurde. Die Turnschwester Hanna Loebel, fast 78 Jahre alt, leitete die sehr gut besuchte Versammlung mit jugendlichem Schwung und begeisterte aufs Neue die Mitglieder und Freunde des von ihr jahrzehntelang geführten Vereins. Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 14   Unsere Buchbesprechung

Lob an allem Ort – Ostpreußens Beitrag zum Kirchenlied. Von Otto Leitner, Claudius-Verlag, München. 106 Seiten.

„Christ ist entstanden von der Marter alle“, sangen einst die Ordensritter, als sie im 13. Jahrhundert Ostpreußen für das Christentum gewannen; vielfältig ist dieser Lobgesang aus jenem Lande wiedergeklungen. Wer weiß heutzutage, dass das weltbekannt gewordene Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ von einem Ostpreußen stammt, nämlich von Georg Weißel; oder das ebenso bekannte: „Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt!“ der Königsberger Valentin Thilo geschrieben hat?! Wir müssen daher Otto Leitner dankbar sein für das Büchlein „Lob an allem Ort“, in dem er die bedeutendsten Kirchenlieder ostpreußischer Herkunft zusammengetragen hat und die besten davon im vollständigen Text bringt. Erfreulicherweise hat sich der Verfasser nicht mit einer systematischen Aufzählung der Lieder begnügt, sondern er zeichnet kurz, aber klar das Lebensbild der jeweiligen Lieddichter auf, was zu einem inneren Verständnis der Gesänge wesentlich dazu beiträgt. — In chronologischer Anordnung beginnt das Büchlein mit Paul Speratus, der als Mitarbeiter Luthers von diesem 1524 nach Königsberg gesandt wurde, um dort zusammen mit Brießmann die junge protestantische Kirche zu festigen. Unvergesslich bis auf den heutigen Tag ist sein großes Glaubenslied geblieben:

 

Es ist das Heil uns kommen her

von Gnad und lauter Güten,

die Werk, die helfen nimmermehr,

sie mögen nicht behüten.

Der Glaub sieht Jesum Christum an,

der hat gnug für uns all getan,

er ist der Mittler worden.

 

Wie auch heute noch das Loblied gesungen wird: „Nun lob', mein Seel', den Herren!“, das Johann Gramann unter dem direkten Einfluss des Herzogs Albrecht in Königsberg geschrieben hat. All die Namen hier aufzuzählen würde zu weit führen; erwähnt seien nur Persönlichkeiten wie Simon Dach, Johann Gottfried Herder und Max Schenkendorf, die besonders hervortreten. Mit Liedern, die nach 1945 in Ostpreußen entstanden sind, schließt das Büchlein. — Zahlreiche Federzeichnungen von Herbert Lorenz fügen sich in geschmackvoller Weise in den Rahmen des kleinen Werkes und sind mehr als bloße Illustrationen.

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Nach mehr als 10 Jahren des Wartens und der Ungewissheit habe ich jetzt die traurige Nachricht erhalten, dass mein über alles geliebter Mann, unser lieber Vater, Bruder, Schwiegersohn und Schwager, Oberleutnant Dr. Roderich von Fournier in den letzten schweren Kämpfen um seine ostpreußische Heimat am 16.03.1945 gefallen ist. In stiller Trauer: Ehrengard von Fournier, geb. von Hippel mit Wulfhard von Fournier und Gundula von Fournier. Göttingen, Düstere Eichenweg 35

 

Zum zehnjährigen Gedenken an unsere unvergessliche Mutter und Großmutter Frau Ida Totzek, geb. Nadzeika, gestorben am 25.01.1945 bei der Besetzung von Nikolaiken, Ostpreußen, kurz vor Vollendung des 91. Lebensjahres und an meinen lieben Mann, meinen treusorgenden Vater Zollamtmann Hans Willutzki, Hauptmann d. Res. S 1900 aktiv in der Königsberger Burschenschaft Germania, gestorben am 18.06.1945 an den Folgen der Besetzung von Königsberg im Alter von 66 Jahren. Frau Hertha Willutzki, geb. Totzek. Pastor Rupprecht Willhardt-Willutzki. Bad Godesberg, Beethovenstraße 56, Juni 1955

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Gesucht werden für Karl Jodat, Leinde, Kreis Wolfenbüttel im Winkel 4: Berta Jodat; Familie Emil Hein, aus Gumbinnen, Salzburger Straße 4; Familie Bäckermeister Meyer, Wehrkirchen, Marktplatz

 

Ab 1. Mai 1955, in den Ruhestand getreten: Herr Oberpostinspektor Emil Péllssier, früher beim Postamt 5 in Königsberg, Preußen, tätig gewesen. Jetziger Wohnort: Frankfurt (Main), Mechtildstraße 17

 

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften

Berchtesgaden

Die Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern in Berchtesgaden führte ihre Juni-Mitgliederversammlung durch. Zu Beginn gab der Vorsitzende einen Überblick über die Entwicklung der politischen Lage und die Aussichten, die sich dabei für die Heimatvertriebenen ergeben. Er verwies auf die hochwertigen Vorträge der Adalbert-Stifter-Arbeitsgemeinschaft, die, von hervorragenden Rednern gehalten, hochinteressante Einblicke in die Vielgestaltigkeit der Situation gaben. „Oma und Opa“ Sturmhöfel sowie Hildegard Löffel erstatteten sodann in ausführlicher Weise Bericht über die eindrucksvolle Tagung der Ostpreußen in Duisburg, in deren Mittelpunkt die „700-Jahrfeier Königsbergs“ stand. Glückwünsche wurden allen Geburtslagskindern des Juni 1955 übermittelt, besonders den Landsleuten

 

Otto Kaapke zum 80., dessen Ehefrau Martha Kaapke zum 75. und

 

Frau Auguste Tiedge zum 65. Geburtstage, ferner

 

dem Justiz-Oberinspektor Ehepaar Stender, zur Silbernen Hochzeit. —

 

Bekanntgegeben wurde zum Abschluss, dass die Vereinigung in den Monaten Juli und August keine Zusammenkünfte durchführt.

 

 

Flensburg

Anstelle der üblichen Monatsversammlung unternahm die Landsmannschaft Ostpreußen am Sonntag, dem 3. Juli, einen Ausflug nach Glücksburg und verband damit gleichzeitig einen Besuch bei der ostpreußischen Schwesterlandsmannschaft.

 

Bei herrlichem Sommerwetter hatten sich eine große Anzahl Landsleute — teils in Sonderomnibussen der AFAG, teils mit den öffentlichen Verkehrsmitteln — nach Glücksburg begeben.

 

Mit herzlichem Willkommensgruß begrüßte der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen in Glücksburg — Herr Lehrer Brusdeylins — die Flensburger Gäste. Der Willkommensgruß wurde von dem 1. Vorsitzenden* — Herrn Schulrat Babbel — ebenso herzlich erwidert.

 

Eine Glücksburger Jugendgruppe — unter Leitung von Frau Saremba — erfreute die Ostpreußen mit Volkstänzen, wobei ein Tanz aus den 4-Jahreszeiten mit ostpreußischem Brauchtum besonders gefiel.

Das Hotel „Ruhetal“ sorgte bestens für das leibliche Wohl der Gäste, die dann zahlreiche Spaziergänge in die Stadt Glücksburg unternahmen. Am späten Nachmittag vereinte sich alt und jung zu einem fröhlichen Beisammensein.

 

Der Zweck — Entspannung von der Arbeit und Befreiung von den Sorgen des Alltags — kann als wohlgelungen bezeichnet werden. Fröhlich wurde in den späten Abendstunden die Heimreise wieder angetreten.

 

 

Katlenburg

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, im Verein mit Pommern und Schlesiern, von Katlenburg und Umgegend hatte Landsmann Stahnke (früher Marienburg) im Gasthaus Wachenhausen zu einem „Bunten Abend“ eingeladen. Unter Mitwirkung der Northeimer ostpr. Hauskapelle und der Mandolinen-Vereinigung wurde der Auftakt für einige frohe Stunden gegeben. Hermann Bink, der sich selbstlos in den Dienst der Sache gestellt hatte, packte die Zuhörer mit der zeitgemäßen und eindrucksvollen Dichtung: „Wenn ich an meine Heimat denke!“ Reicher Dank wurde ihm, wie auch für die heiteren Sachen, zuteil. Zwischen den Tanzpausen wurden von mehreren Teilnehmern, Damen wie Herren, humorvolle Heimatszenen und Scherze gebracht. Eine reichbeschickte Tombola erfreute die zahlreichen und glücklichen Gewinner. Alles in Allem: eine wohlgelungene Veranstaltung der vertriebenen Schicksalsgenossen.

 

 

Lübbecke i. Westf.

Am 9. Juni hielt die hiesige Landsmannschaft ihre Monatsversammlung ab. Nach dem Absingen des Ostpreußenliedes stellte der Vorsitzende, Rektor a. D. Hardt, die Versammlung unter das Dichterwort: „Das Land, das dich geboren, das du als Heimat liebst, es ist dir erst verloren, wenn du's verloren gibst“. Dann gab er eine Übersicht über die geplanten kulturellen Veranstaltungen des kommenden Sommers. Darauf erstattete er einen Bericht über die Bezirksbeirätetagung in Bad Oeynhausen, die sich auch besonders mit dem ostkundlichen Unterricht in unseren Schulen beschäftigte. Hier wurde auch mit großer Schärfe hervorgehoben, dass bei den kommenden Gesprächen über eine Wiedervereinigung nicht vergessen werden dürfe, dass hinter der Oder- Neiße-Linie auch deutsches Land sei, und dass wir den ostdeutschen Bauern zur Sicherung unseres Brotbedarfes gebrauchen. Landsmann Weremer erzählte dann von seiner Teilnahme an der 700-Jahrfeier Königsbergs in Duisburg und Herr Stiebel berichtet dann über die Auffindung seines Bruders, den er 10 Jahre lang gesucht hätte.

 

Herr Kerwach jun. und die Damen Czapla, Görke und Lojewski erfreuten die Anwesenden durch Vorträge lustiger Geschehnisse in der Sprache der Heimat.

 

 

Northeim

Im Mai feierte die Landsmannschalt Northeim in Huchs Gesellschaftshaus das traditionelle Frühlingsfest. Nach einer Begrüßung durch den rührigen 1. Vorsitzenden, Bruno Butsch und einigen gesanglichen Darbietungen des Ostpreußenchors unter bewährter Stabführung Hermann Kirchners, trug Hermann Bink (ehemaliger Mitarbeiter des Rundfunks Königsberg) im Hinblick auf die 700-Jahrfeier der ostpreußischen Hauptstadt Agnes Miegels wirkungsvolle Dichtung: „Abschied von Königsberg“ vor. Ein Mundharmonika-Trio folgte und anschließend brachten Frau Schulz und Landsmann König das mundartliche Spiel „Zugefreit“ auf dem Bahnhof Naujokatschen zur Darstellung. Besonderen Beifall erntete Landsmann Bink für seine eigene plattdeutsche Dichtung „Watt et soa allhand göfft“, „Die Erschaffung der Frau“ und andere humorvolle Beiträge. Ein gemütliches Beisammensein mit Tanz hielt die Teilnehmer bis zum frühen Morgen zusammen.

 

 

Nürnberg

Die Jugendgruppe der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen hat in den letzten Monaten einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Der Zuspruch zu den einzelnen Heimabenden wird laufend stärker. Die bisherige Betreuerin der Jugendgruppe, Ldsmännin Ruth Bornschein, die leider aus beruflichen Gründen ihr Amt niederlegen musste, hatte einen guten Grundstein gelegt, auf dem der neue Jugendwart, Egon Biernat, getrost weiterbauen konnte. Für die nächste Zeit hat Ldsm. Biernat folgende Aufgaben gestellt: Aufstellung einer Laienspielschar, einer Singgruppe, einer Volkstanzgruppe. Die entsprechenden Spezialisten für die Leitung dieser Gruppen, ein Berufsschauspieler, ein Gesanglehrer und eine Jüngerin der Terpsichore sind bereits gefunden. Jeder Jugendliche kann sich nun seiner Veranlagung nach in der einen oder anderen Gruppe betätigen. Auch über der Kleinarbeit stehen vier Grundgedanken: Pflege des Heimatgedanken, Pflege der Geselligkeit, Ausgestaltung von Veranstaltungen und Erörterung zeitnaher Probleme. Dem Bemühen der Jugendgruppe, die Arbeit in der Gruppe lebendig und sinnvoll zu gestalten, wird der Lohn nicht verwehrt sein, der darin besteht, dass alle Jugendlichen innerhalb der Landsmannschaft nach und nach in der Jugendgruppe vereint sind.

 

 

Seesen/Harz

Nach Schleswig verzieht der ehemalige Königsberger Bäckereibesitzer Willi Lux zum 15. Juni 1955, um dort in einer Neubausiedlung wieder eine eigene Bäckerei zu übernehmen. Die Ortsgruppe der Landsmannschaft Ostpreußen verliert mit ihrem 2. Vorsitzenden einen sehr aktiven Mitarbeiter und Organisator, der beim letzten Gemeinschaftsabend unter Überreichung eines Heimatbuches mit Widmung ehrend verabschiedet wurde. „Humor der Heimat mit Dr. Lau“ ist das Motto für den Gemeinsaftsabend am 6. August. Mit drei Bussen unternahm die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen am 5. Juni eine große Harzrundfahrt, die von prächtigem Reisewetter begünstigt war. Die Besichtigungen in der alten Bergwerksstadt Clausthal und der historischen Kaiserstadt Goslar, die von den Fremdenverkehrsämtern betreut wurden, sowie die Wanderungen zur Okertalsperre und zum Deutschen Kreuz des Ostens vermittelten nachhaltige Eindrücke.

 

Den Heimatabend der Ost- und Westpreußen am 02.07. eröffnete Schulrat a. D. Papendick im vollbesetzten großen Saal des Ratskellers mit einem feierlichen Gedenken an die Blutzeugen für die Freiheit bei den Demonstrationen der Unterdrückten in der Sowjetzone vor 2 Jahren. Der 17. Juni ist zum Symbol der deutschen Einheit und zu einem unüberhörbaren Appell zu höchster Aktivität für die Wiedervereinigung unseres zerrissenen Vaterlandes geworden. Die anschließende heimatpolitische Betrachtung: „Eine 10-Jahresbilanz. — Heute in der alten Heimat“ wurde vom Referenten Reg.-Rat z. Wv. Augustin (früher Danzig) unter Mitwirkung von Lieselotte Donnermann, Lina Fahlke, Bruno Scharmach und Frau Demmler eindrucksstark durchgeführt. Das abschließende gesellige Beisammensein wurde durch gemütvolle heimatliche Mundartvorträge gewürzt, wofür unsere Volkshumoristin Lina Fahlke (früher Pillau) viel verdienten Beifall erntete. — Die Kulturstunde bei dem großen Heimatabend am 06.08. wird der ehemalige Intendant des Reichssenders Königsberg, Dr. Alfred Lau unter dem Motto „Humor der Heimat“ gestalten.

 

 

Die LM Westpreußen hat eine neue Wandkarte herausgegeben. Auf dieser ist die Landschaft Westpreußens sowie jede Stadt mit ihren bemerkenswertesten Bauwerken graphisch dargestellt. Umrahmt wird die Karte von den Wappen der westpreußischen Kreise und Städte. Die Sechsfarbendruckkarte wurde von dem westpreußischen Historiker und Kartograph Dr. von Krannhals gefertigt. Sie kostet in der Größe 60 x 42, 2,-- DM und in der Größe 108 x 85, 4,-- DM zuzügl. Porto und Verpackung. Bestellungen bei der Landsmannschaft Westpreußen, Lübeck, Lindenplatz 7

 

 

Seite 16   Ostseebad Cranz. Von Gerhard Kamin.

Wie das Gewand und der Duft eines Mädchens dein Bild mir — am Morgen —

Wenn am Strande es steht, die Füße im Schaum der Wellen,

Weit und gelöst das Haar, die Hände im Nacken verschlungen,

Und in die Weite Blicke und Seele verloren.

 

Auffliegt im Wind und flatternd farbiges Linnen,

Kaum noch bewusst der blühenden Formen des Leibes,

Spiel nur und Lied des Morgens und flimmernden Lichtes

Über dem Sand und endlos versprühenden Wellen.

 

Über die Weite und hinter dir, unermessen

Vor dir und wohin du blickst ins Gebreit...

Alles im Kleinsten und Größten hohem Rauschen verbunden,

Rieseln des Sandes und seliges Wispern der Gräser.

 

Und die Arme nun hebst du, langsam und traumhaft zögernd,

Wie von der Sehne ein Pfeil hoch in das Blaue sich schwingt.

Weil aus dem Schaum eine Möwe, vom Spiele trunken,

Hebst sie und denkst: ach könnte ich fliegen, fliegen …

 

 

Seite 16   Unsere Leser schreiben:

 

Kein lächerliches Gebilde!

Zum Thema: „Unsere Ostgebiete als Land der Bundesrepublik“ von Dr. Gindler im Nummer 4 der „Ostpreußen-Warte“ schreibt Herr Walther Hardt, Lübbecke:

 

In den Spalten dieser Zeitung findet sich seit einem Jahre meine Forderung — siehe die Berichte über die Tagungen der Ostpreußischen Landsmannschaft in Lübbecke — bezüglich der Stellung der Landsmannschaft folgende:

 

Verleihung der Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft und Vertreter — ohne Stimmrecht für den Bundesrat. In den Ausführungen von Dr. Gindler werden noch weitergehende Forderungen aufgestellt.

 

Dazu muss etwas gesagt werden. Zunächst zu seiner Feststellung, dass die Vertriebenen „das Recht haben, sich politisch ebenso zu konstituieren wie die Bewohner der neuen Bundesländer“.

 

Aber zu einem Staatswesen gehören vornehmlich drei Dinge: „Raum“ (also Land). „Volk“ und „Gewalt“ (Staatsgewalt). Wir bringen aber nur eins mit: das Volk, und dieses noch nicht einmal geschlossen wohnend. Wir können daher auch keinen Staat bilden.

 

Dr. Gindler sagt weiter: „Sie haben das Recht, einen eigenen „Landtag von Ostdeutschland“ zu wählen?

 

Gewiss, ist aber die „Ostpreußische Landesvertretung“ nicht bereits etwas ähnliches? Diese nimmt ja bereits zu Fragen der Politik Stellung, wenn es sich um solche von heimatpolitischer Bedeutung handelt. Und welche anderen Fragen sollte denn eigentlich ein besonders gewählter Landtag behandeln? Gesetze machen? Für wen? Und auf welchen Gebieten? Oder nur schöne Reden halten? Mit solchen sind wir bereits übersättigt und wollen dergleichen eigentlich gar nicht mehr hören.

 

Und schließlich: wer bezahlt die Kosten dieses Gebildes? Der Bund? Er wird es wahrscheinlich nicht tun. Oder die Vertriebenen selbst? Freiwillig? Dann wird wenig einkommen. Umlagen? Der größte Teil unserer Ostpreußen hat nur das Existenzminimum.

 

Dieser von Dr. Gindler geforderte Landtag muss nun eine Regierung wählen.

 

Was und wen hat sie zu regieren?

 

Eine solche Regierung wäre ein lächerliches Gebilde. Die Exilregierungen anderer Völker sind doch auch nur tragikomische Institutionen. Freilich wäre eines hierbei zu erwägen: Ministersessel könnten vergeben werden. Es sehnen sich ja manche Zeitgenossen nach solchen, die das Ziel ihrer Sehnsucht bisher nicht erreichen konnten.

 

Wer, frage ich wieder, soll die Minister und ihre Büros bezahlen?

 

Dr. Gindler fordert weiter besondere Wahlkreise für Ostvertriebene bei den Bundestagswahlen. Das ist kein neuer Gedanke und trotzdem nicht durchführbar. Und wenn schon, dann besondere Wahlkreise für die einzelnen Provinzen, nicht aber nur einen Wahlkreis für Ostpreußen, Danzig, Westpreußen, Pommern, Ostbrandenburg und Schlesien. Wir Ostpreußen sind im Allgemeinen viel zu bescheiden; wir würden nicht zu unserm Recht kommen. Und es würden rund ein Dutzend verschiedener Kandidatenlisten aufgestellt werden, wir zersplitterten uns und Lächerlichkeit wäre die Folge. Ich finde es nach meiner langen politischen Erfahrung für besser, wenn wir innerhalb einer politischen Partei bleiben und da mitarbeiten.

 

Gewiss kommen dabei nicht alle zum Zuge, die gern Abgeordneter werden wollen. Ich möchte das durch ein eigenes Erlebnis illustrieren. Wir sitzen in einem Parteigremium zusammen mit der Aufgabe, geeignete Persönlichkeiten als Bundestagskandidaten aufzustellen. Dabei wird dem Vorsitzenden ein Brief überreicht, in dem es ungefähr hieß:

 

„Ich stelle mich Ihnen als Kandidat zur Verfügung, muss aber ersuchen, dass ich infolge meiner Stellung an einer sicheren Stelle, mindestens der Dritte, auf der Reserveliste aufgestellt werde. Ich würde dann nach meiner Wahl Ihrer Partei beitreten“.

 

Der Schreiber war ein Ostvertriebener. Wir quittierten mit eisigem Schweigen und führen in der Tagesordnung fort. Ich aber schämte mich in tiefster Seele für diesen Mann, wenngleich er nicht mein Landsmann war. Der betreffende Herr hatte im Jahre vorher bei einer anderen Wahl dasselbe Ansinnen einer andern Partei gestellt, die ihn aber auch nicht auf den Schild erhob.

 

Wanderer zwischen den Parteien!

 

Ja, wer sich ernstlich um ein Abgeordnetenmandat bewerben will, muss erstens längere Zeit Mitglied dieser betreffenden Partei sein und zweitens in derselben eifrig mitgearbeitet haben. Ich spreche hier wieder aus Erfahrung, weil ich bereits einmal Abgeordneter war. Ich halte es für das Beste, wenn in allen Parteien Ostvertriebene als Abgeordnete sitzen, die dann bei hervorragender Mitarbeit Einfluss in ihren Fraktionen bekommen, als wenn sie ohne jede politische Bedeutung hinvegetieren müssen.

 

Es wäre besser, wenn wir, anstatt politischen Träumen und Illusionen nachzugehen, in der Partei, die wir uns auserwählt haben, bleiben, und auch nicht vergessen, dass wir in unsern Landsmannschaften fleißig mitzuarbeiten haben.

 

Und zum Schluss: meines Wissens haben die Danziger — die ja eine ganz andere völkerrechtliche Stellung als wir haben — vor einigen Jahren, es war wohl 1951, eine Regierung gebildet, und die Sudetendeutschen einen Ministerrat in Straßburg. Wir haben aber von beiden Körperschaften nichts mehr gehört.

 

Zur Mitteilung

Auf zahlreichen Anfragen teilen wir mit, dass der bekannte ostpreußische Mundartdichter und langjährige Intendant des Reichssenders Königsberg Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16, gern bereit ist, die ostpreußischen Heimatgruppen auf Einladung zu besuchen und aus seinen lustigen Dichtungen vorzutragen. Er will damit auch auf seine Weise dem Heimatgedanken dienen. Besondere Kosten — außer Fahrt und Unterbringung — entstehen den Gruppen durch seinen Besuch nicht. Dr. Lau bittet, lediglich für die Veranstaltung möglichst einen Sonnabend oder Sonntag zu wählen. Dass er auch hinter unserem Landbriefträger z. A. Ernst Trostmann steckt, haben viele unserer Leser inzwischen schon geahnt oder erraten. Die Schriftleitung.

 

Grundbuchangaben!

Für folgende Grundstückseigentümer aus den Amtsgerichtsbezirken Tilsit, Bartenstein, Insterburg liegen beim Archiv für Grundbesitz e. V., Bad Ems, Römerstraße 24, Grundbuchangaben vor:

 

Amtsgericht Tilsit: Elisa Braxein,

 

Tilsit, Fritz Schulz,

 

Tilsit, Klara Bergemann, geb. Aberger,

 

Tilsit, Benjamin Goldberg und Georg Goldberg.

 

Tilsit, Roderich Nast,

 

Tilsit, Moritz Hoeckrich,

 

Tilsit, Paula Charl. Anna Buchholz, geb. Lingenau. —

 

Amtsgericht Bartenstein:

Ewald Noreisch, Bartenstein

 

Waldemar Kiehl, Bartenstein

 

Margarete Froese, Bartenstein

 

Erwin Lange, Bartenstein

 

Marie Schiwek, Bartenstein.

 

Amtsgericht Insterburg:

Luise Kuhnke und Charl. Kuhnke, Insterburg,

 

Arthur Preuß, Insterburg,

 

E. Waschkowski, Jonsdorf,

 

Lotte Zeise, geb.Frischkorn, Insterburg,

 

Julius Neumann, Insterburg,

 

Magda Rinn, Insterburg,

 

Paul Grewenhagen, Insterburg,

 

Fritz Braunschweig, Insterburg,

 

Hans Osterroth, Insterburg,

 

Ernst Woynack und Ida Woynack, Insterburg,

 

Witwe Anna Atzpadin, geb. Goldbach, Insterburg.

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