Ostpreußen-Warte, Folge 07 vom Juli 1954

Ostpreußen-Warte

Folge 07 vom Juli 1954

 

Seite 1   Hannover im Zeichen der Ostpreußen.

Skizze: Die Siedlungswege aus dem Nordwestraum im 13. Und 14. Jahrundert.

Foto: Lebendige Großstadt Hannover Mit großer Energie und weitschauender Umsicht gingen die Hannoveraner an den Wiederaufbau ihrer Stadt, nachdem im Kriege last hundert Bombenangriffe weite Teile von Hannover in Schutt und Asche gelegt hatten. Heute bietet sich dem Besucher der niedersächsischen Hauptstadt ein erfreuliches Bild: moderne Straßen mit neuzeitlichen Geschäftshäusern geben der Stadt ein imposantes Gepräge. Die Messe ist zum starken Impuls für die gesamte Wirtschaft geworden. Die Schönheit und die Großartigkeit der Stadt wird bei allen Ostpreußen, die hier zum Treffen der Ostpreußen zusammenkommen werden, einen starken Eindruck hinterlassen. Unsere Bilder zeigen die Niedersachsenhalle, wo die Kreise Königsberg Stadt und Land, Labiau, Fischhausen und Wehlau sich nach der Kundgebung treffen. Das untere Bild zeigt einen Ausschnitt der lebendigen Großstadt Hannover. Aufnahmen: Hassenberg

 

Wenn die vorliegende Ausgabe mit der Festbeilage in die Hände unserer Leser gelangt ist, werden zehntausende Ostpreußen aus Niedersachsen sich bereits zur Fahrt nach Hannover rüsten, um dort auf dem 1. Landestreffen am 3. und 4. Juli ihr Bekenntnis zur Heimat, zu Deutschland und zu Europa abzulegen, über die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Niedersachsen und Ostpreußen gibt nachstehender Artikel von Museumsdirektor z. Wv. Dr. Erwin Nadolny Aufschluss:

 

Der Bauer in der Lüneburger Heide, der Viehzüchter in Friesland, der Bürger des Städtchens Moringen unfern der Leine — sie werden mit dem Kopf schütteln und nicht glauben, dass Niedersachsen einst nach Ostpreußen auswanderten. Und doch ist es wahr! Vor fünf, sechs Jahrhunderten sind die Jungbauern Niedersachsens mit ihren Familien, mit Gerät und Vieh nach Ostpreußen gezogen, um dort eine neue Heimat zu gewinnen. Aus den Bürgern ost- und westpreußischer Städte lässt sich nachweisen, wie stark der Zuwachs an Handwerkern und Kaufleuten aus Niedersachsens Städten war. Familiennamen hier einheimischer Bauern, Bürger und Adliger sind auch jenseits der Weichsel heimisch geworden. Es mag wohl manches Mal ein zutrauliches Gefühl aufgetaucht sein, wenn sich Heimatvertriebe und Niedersachsen als „Schaumann“ und „Tegtmeier“ oder als „Bödeker“ und „Körner“ bekannt machten.

 

Der Raum „Niederdeutschland“ umschließt mundartlich das Flachlandgebiet vor der Nord- und Ostseeküste. Die Südzone der niederdeutschen Mundart wird ungefähr von einer Linie begrenzt, die sich von Brügge/Flandern, Köln, Frankfurt/Oder bis Thorn an der Weichsel hinzieht. Hier schließt die 500-jährige Friedensgrenze Ostpreußens das Niederdeutsche gegen Litauen und Polen ab. Allein diese sprachliche Verwandtschaft zwischen Nordwestraum und Nordostraum verweist auf die engen geschichtlichen Beziehungen vergangener Zeiten.

 

Das 13. und 14. Jahrhundert waren die hohe Zeit der Ostwanderung. Damals kamen aus dem niederdeutschen Kernland westlich der Elbe nicht nur Niedersachsen und Westfalen sowie Ostfalen, sondern auch Friesen, Flamen und Holländer nach Ostpreußen. Die Gründung von Preußisch-Holland (1297) erinnert an die ersten großen Holländerzüge. Hauerhorst in Holland tritt als Haberhorst unfern der Weichsel im Preußenlande auf. Mohrungen in Ostpreußen führt seinen Namen auf Moringen in Niedersachsen zurück, hier liegt nur eine Lautumwandlung vor.

 

Die Siedler nahmen oft den Namen ihres Heimatortes in den Ostraum mit. Allerdings ist das ostpreußische Osterode nicht von den Siedlern aus Osterode am Harz gegründet worden, sondern wurde zu Ehren eines Hochmeisters benannt, der dieser Landschaft am Harz entstammt. Aber wir finden im Weichseldelta den Ortsnamen Ladekop, der auch als „Ladecop“ nicht weit von Stade an der Unterelbe auftritt. Auf Siedler aus dem Gebiet der unteren Elbe lässt das Auftreten von „Werder“ im Osten schließen. Finkenwärder, südlich Hamburg, und das Große Werder bei Danzig stehen in enger Beziehung zueinander. „Werder nannten die niederdeutschen Siedler die entwässerte und von ihnen eingedeichte Niederung. Auch der Name Marienwerder ist hierfür ein Beispiel“.

 

Schon die Gründung der Burg Balga am Frischen Haff im Jahre 1239 zeigt die Verbindung zum niederdeutschen Raum in den ersten Jahren der Ordenszeit. Die „Balje“ ist eine hölzerne Wanne, wie sie die Küstenbewohner und Seeleute an der Nordsee täglich in Gebrauch haben. Im nördlichen Zipfel des Landes Kehdingen liegt eine kleine Ortschaft dieses Namens „Balje“. Nicht dieser Ort oder Siedler aus diesem Ort, wohl aber das flache, wannenartige Haff mag der Ordensburg Balga, die die Ausfahrt zur Ostsee durch das Tief bei Lochstedt im Osten flankierte den Namen gegeben haben.

 

Der Deutsche Ritterorden, der sich aus den nachgeborenen Söhnen des Adels, die im Erbgang nicht mehr berücksichtigt werden konnten, ergänzte, hat unter seinen Brüdern auch viele Niedersachsen gehabt. Aber auch freie, dem Orden nicht angehörige Adlige wurden im Ordenslande angesetzt. So hatte Dietrich von Depenow von der Burg Heeßel im Kreise Burgdorf das Angebot des Landmeisters Hermann Balk angenommen, im Ordensland zu siedeln. Er übernahm 1236 die Burg Klein-Queden auf dem Unterberge bei Marienwerder. 300 flämische Hufen standen ihm zur Verfügung. Dort hat er niedersächsische Bauern angesiedelt. Der Ort „Tiefenau“ (= Depenow) geht auf ihn zurück. In der Gegend von Dirschau sind Adlige zu finden gewesen, deren Namen „Stormarn“, „Rattzeburg“, „Wittenburg“ und „Boitzenburg“ auf die Herkunft aus Holstein schließen lassen.

 

Man könnte noch viele Beispiele für das Eindringen der niedersächsischen Wesens- und Stammesart in Ostpreußen nennen. Hier sei nur noch auf eine bedeutende Tatsache verwiesen, nämlich, dass Lüder von Braunschweig 1331 - 1335 Amt und Würde des Hochmeisters des Ritterordens trug. Er war ein von Gott begnadeter Dichter, allen kulturellen und künstlerischen Fragen im Ordenslande sehr zugeneigt. So setzt es uns nicht in Erstaunen, dass unter seiner Führung die Dichtkunst im Ordenslande ihre erste Blüte erlebte. Dass der Orden zu gleicher Zeit auch einen politischen Höhepunkt erreichte, sei hier ebenfalls erwähnt, denn die Aufsiedlung des Preußenlandes durch die fortschrittliche Technik niederdeutscher Siedler konnte weiter vorangetrieben werden.

 

Auf drei Zufahrtsstraßen erfolgte der Nachschub an Siedlern. Aus dem Raum Magdeburg stießen die Auswanderer nach Osten vor, überquerten bei Küstrin die Oder, zogen an Warthe und Neiße dahin, um bei Thorn das Preußenland zu erreichen. Die zweite Siedlerwanderstraße führte an der Küste der Ostsee entlang, galt aber mehr der Aufschließung Pommerns und des Weichseldeltas. Der wichtige Seeweg von Lübeck, dem großen Auswandererhafen nach dem Osten, versorgte vor allem die Hansestädte Preußens, also Danzig, Elbing, Frauenburg und Königsberg mit Neubürgern aus dem niedersächsischen Gebiet.

 

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass der Niedersachse in der Aufsiedlung des Preußenlandes unter allen niederdeutschen Stämmen eine führende Stelle innehatte.

 

 

Seite 2   Dr. Kather trat zum BHE über.

Der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des BvD, Dr. Linus Kather, hat den erwarteten Schritt, dem Gesamtdeutschen Block beizutreten, Mitte Juni wahrgemacht. In Gegenwart des Bundesvertriebenenministers Dr. Oberländer gab er seinen Austritt aus der CDU und seinen Beitritt zum BHE bekannt. Dieser Entschluss Dr. Kathers bedeutet für die CDU/CSU politisch den Verlust der absoluten Mehrheit im Bundestag, die nur auf einem Mandat beruhte.

 

Von ihrem anerkannten Sprecher wird den Parteien im fünften Jahre des Deutschen Bundestags bescheinigt, dass sie nicht in der Lage waren, das Problem der Vertriebenen zu lösen. Auf die politische Haltung und die Organisation des BvD hat der Parteiwechsel seines Vorsitzenden keinen Einfluss. Der Verband bleibt, wie Dr. Kather und der BHE-Vorsitzende Prof. Dr. Oberländer nachdrücklich betonten, weiterhin überparteilich. Das Ereignis hat großes Aufsehen nicht nur bei den Vertriebenen, sondern in der gesamten Öffentlichkeit gemacht. Im Zusammenhang damit dürfte insbesondere dem Ausland klar werden, dass das „Wirtschaftswunder“ keineswegs alle Nachkriegswunden in der Bundesrepublik geheilt hat.

 

Dr. Kather hat dem Kanzler und Parteichef der CDU in einem 17 Schreibmaschinenseiten umfassenden Schreiben die Gründe mitgeteilt, die ihn zu dieser Entscheidung veranlasst haben. Sie sind ausschließlich sachlicher Natur.

 

Kather stellt zunächst fest, dass trotz beachtlicher Fortschritte das Vertriebenenproblem keineswegs gelöst sei. Nach den Bundestagswahlen, die ein Bekenntnis auch der Vertriebenen zu der Politik des Kanzlers waren, habe man die Vertriebenen geflissentlich „gesundgeschrieben“. In Wirklichkeit sei das Problem für Millionen noch völlig ungelöst. Das gelte nicht nur für die Bauern und Landwirte, — nur 5 Prozent sind bisher zu einer eigenen Scholle gekommen — sondern auch für die Alten und Erwerbsunfähigen, die Rentner und Erwerbslosen unter den Vertriebenen und die vielen Hunderttausende, die auf Kosten eines sozialen Abstiegs beschäftigt sind. Dazu komme die völlig offene Frage der Eingliederung der 2 Millionen Sowjetzonenflüchtlinge.

 

Was erreicht worden sei, konnte der CDU nur „mit Hebeln und mit Schrauben“ abgerungen werden, sagt Kather. „Es hat mir immer an einer ausreichenden Unterstützung gefehlt, und ich habe stets gegen sehr stark widerstrebende Kräfte ankämpfen müssen“. Die Gesetzentwürfe zur Grundlegung des Vertriebenengesetzes waren „geradezu eine Herausforderung an die Vertriebenen“. Hauptschuldiger sei in erster Linie Bundesfinanzminister Schäffer, der aus seiner „geradezu feindseligen Haltung“ gegenüber den Vertriebenen keinen Hehl gemacht habe. Das 131-er Gesetz und das Lastenausgleichsgesetz mussten in schweren und harten Kämpfen völlig umgearbeitet werden. Das feierliche Versprechen hinsichtlich der Vorfinanzierung wurde bis heute nicht voll erfüllt. Das Feststellungsverfahren ist zwei Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes noch immer nicht voll im Gang. Trotz der trostlosen Lage der vertriebenen Bauern habe es Schäffer zweimal unterlassen, die Mittel für die Siedlungsfinanzierung in den ordentlichen Etat einzusetzen. In der Frage der Unterhaltshilfe musste bis in diese Tage um jede Mark gekämpft werden. Dabei sei eine Steuerreform geplant, die in der Hauptsache nicht den Millionen Geschädigter, sondern denen helfe, die alles das besitzen, was ihnen das Wirtschaftswunder beschert habe. Unter solchen Umständen könne man nicht erwarten, dass das Ausland einen finanziellen Beitrag zur Lösung der Vertriebenenfrage leiste. Auch die Positionen der Eingliederung, die erreicht seien, seien in Gefahr, da die Schlüsselstellung für die Durchführung, das Bundesausgleichsamt, in seiner breiten Spitze von Einheimischen besetzt sei und dem Bundesfinanzminister unterstehe.

 

In der Außenpolitik werde das große Anliegen der Vertriebenen, die Geltendmachung des Rechts auf die Heimat, und die Herbeiführung der Rückkehr von der Bundesregierung nicht hinreichend berücksichtigt. „Ich habe mich von vornherein zu Ihrer Außenpolitik bekannt, und ich habe meine Meinung nicht geändert“, schreibt Kather, „aber die Methoden, mit denen Sie Ihr Ziel, insbesondere in der Saarfrage, verfolgen, haben Zweifel und Besorgnisse in mir ausgelöst“. Eine echte Diskussion über die Saarfrage sei in der CDU nicht mehr möglich. Man wolle die Saar europäisieren, noch ehe Europa geschaffen sei. Das bedeute Loslösung und ein gefährliches Präjudiz für die Oder-Neiße-Frage. „Mit großer Bestürzung“ habe er feststellen müssen, dass der Kanzler hinsichtlich der Heimatpolitik dem Rechtsstandpunkt, „der einzigen Waffe der Vertriebenen“, keinen entscheidenden Wert beimesse. Kather schreibt es in der Hauptsache der lässigen Haltung der Bundesregierung zu, dass unter „Wiedervereinigung“ gemeinhin nur noch West- und Mitteldeutschland verstanden würden, während man gleichzeitig immer mehr dazu neige, Ostdeutschland abzuschreiben.

 

Mit dieser mangelnden Bereitschaft, die Vertriebenenfrage wirklich energisch, gerecht und umfassend zu lösen, stimme überein der Widerstand der Partei gegen eine gerechte demokratische Vertretung der Vertriebenen. Diese Haltung sei deutlich erkennbar, angefangen von den Tagen des Parlamentarischen Rates, zu denen die CDU/CSU keinen Vertriebenen entsandt hatte, bis zur letzten Bundestagswahl. Etwa 3,5 Millionen Vertriebenenwähler fanden bei der Regierungsbildung keine Vertretung, dagegen wurde der BHE vom Kanzler mit 1,6 Millionen Stimmen in die Regierung einbezogen. „Ich ziehe jetzt lediglich die Konsequenzen aus Ihrer Haltung, die den Block als die parteipolitische Vertretung der Vertriebenen und Flüchtlingen definiert hat“, schlussfolgert Kather. Auch die Kandidatenaufstellung für die CDU in Nordrhein-Westfalen habe gezeigt, dass die Partei ihre Haltung nicht geändert habe: Es wurden wiederum keine in der Vertriebenenarbeit aktive Kandidaten aufgestellt!

 

Kather betont am Anfang seines Briefes, dass er als Politiker von der Überzeugung ausgegangen sei, dass eine christliche Partei mit einem sozialen Programm in erster Linie dazu berufen sei, die „einzigartige staatspolitische Aufgabe“ des Vertriebenenproblems zu lösen und dass er sich leidenschaftlich bemüht habe, „eine wahrhafte und deswegen glaubwürdige Politik der CDU den Vertriebenen gegenüber“ durchzusetzen, aber „weil ich den Vertriebenen gegenüber wahrhaftig und daher glaubwürdig im Christlichen und im Sozialen und Demokratischen bleiben will, muss ich einen anderen Weg gehen“.

 

 

900000 bis Ende 1955 umgesiedelt. Keine Verzögerung der Umsiedlung.

Das durch die Verordnung vom 13.02.1953 geregelte laufende Umsiedlungsprogramm sieht die Umsiedlung von 150 000 Personen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in die übrigen Länder des Bundesgebietes vor. Von dem für die Durchführung dieses Programms benötigten insgesamt 37 500 Wohnungen waren nach dem Stand vom 31.03.1954 bereits rund 32 000 Wohnungen (das sind rund 85 v. H. des Gesamtbedarfs) entweder bezugsfertig (rund 11 000) oder im Bau befindlich (rund 19 000) oder aber bewilligt (rund 2000). Es ist deshalb — auch nach den Erklärungen der Länder — mit der termingemäßen Durchführung dieses Programms bis Ende dieses Jahres zu rechnen. Die Weiterführung der Umsiedlung wird durch eine dem Kabinett in Kürze zugehende Verordnung geregelt werden. Sie sieht die Umsiedlung weiterer 165 000 Personen vor. Ihre Durchführung erfordert die Bereitstellung von rund 350 Millionen DM nachstelliger Wohnungsbaumittel durch den Bund. Von diesen stehen 150 Millionen DM, nämlich 75 Millionen DM Wohnraumhilfemittel 1954 gemäß Verfügung des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes vom 26.01.1953 und 75 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel 1954 und 1955 in Übereinstimmung mit dem Beschluss der Konferenz der Wohnungsbauminister der Länder vom 16.10.1953 zur Verfügung.

 

Diese Mittel sind im Hinblick auf die den Ländern angekündigte Verordnung von diesen bei der Aufstellung ihrer Wohnungsbauprogramme für das Jahr 1954 bereits berücksichtigt. Schon mit diesen Mitteln sind deshalb die Voraussetzungen für eine ununterbrochene Fortführung der Umsiedlung im Anschluss an das zum Ende dieses Jahres auslaufende Programm geschaffen. Die restlichen 200 Millionen DM werden durch eine Umsiedlungsanleihe aufgebracht. Sie werden in dem der angekündigten Verordnung beiliegenden Finanzierungsplan ausgewiesen und damit den Ländern so verfügbar sein, dass die für die Unterbringung der Umsiedler insgesamt benötigten Wohnungen im Laufe des Jahres 1955 bezugsfertig erstellt werden können.

 

Von einer Verzögerung im Ablauf der Umsiedlung kann deshalb nicht gesprochen werden. Die vom Bundestag beschlossene Umsiedlung von insgesamt 900 000 Personen wird vielmehr wie vorgesehen bis Ende 1955 durchgeführt sein.

 

 

Seite 2   Pillau als Tarnhafen

Nach Berichten der jugoslawischen Nachrichtenagentur beschloss das Oberkommando der sowjetischen Marine in Königsberg, die seit längerer Zeit übliche Beschlagnahme von Schiffen in der Ostsee, welche ohne auf die durch Seefunk bekanntgegebenen Manövergrenzen oder die erweiterte russische Meilenzone zu achten, ein Sperrgebiet durchfahren, noch konsequenter durchzuführen. Die 3. sowjetische Schnellbootflottille in der östlichen Ostsee führt schon seit September 1953 laufend Patrouillenfahrten durch und hat den Auftrag, sämtliche Schiffe aufzubringen, die den russischen Forderungen zuwiderhandeln. Sie sollen beschlagnahmt und der Marine der UdSSR einverleibt werden.

 

In einem von ICO veröffentlichten Bericht heißt es u. a.: „Die Russen wollen allen Staaten das Eigentumsrecht auf Schiffe streitig machen, die sie unbewusst bei ihren Manövern stören oder Kurs innerhalb der ungesetzlichen Meilenzonen nehmen. Besonders die nordischen Länder haben unter dem rücksichtslosen sowjetischen Vorgehen zu leiden. 26 Fischkutter aus Schweden, Norwegen und Dänemark und 14 Dampfer sowie Küstenfahrzeuge wurden bisher von russischen Kriegsschiffen gekapert und in den Tarnhafen Pillau gebracht. Während die Mannschaft auf unbestimmte Zeit festgesetzt wird, bekommen die beschlagnahmten Fahrzeuge ein etwas anderes Aussehen und erhalten ihren Platz in der russischen Marine“.

 

An einer anderen Stelle schreibt die Belgrader Informationsagentur: „Der Tarnhafen Pillau ist das Funkzentrum aller sowjetischen Ostsee-Einheiten. Von hier aus erhalten sie die Befehle zu Sondereinsätzen. Das Marineoberkommando in Königsberg lässt oft Manövergebiete erst in dem Augenblick errichten, wo die russischen Einheiten ein neues Kapergebiet erreicht haben und ein Opfer sichten. Wenn dann der nordische Dampfer gerade infolge des Funkspruches aus Königsberg abdrohen will, geben sowjetische Schnellboote bereits den Stoppbefehl. Ein Krisenkommando vollzieht die Beschlagnahme, „weil sich die Schweden“ zu Informations- oder Spionagezwecken im russischen Manövergebiet aufgehalten haben“. Proteste der nordischen Regierungen blieben bisher unbeantwortet.

 

Nach jugoslawischer  Ansicht ist der Beschluss des russischen Marineoberkommandos in Königsberg, künftig noch rücksichtsloser gegen ausländische Schiffe in der östlichen Ostsee vorzugehen, als neue Phase des Kalten Krieges zu werten, über die Entschlossenheit der russischen Marineführung, die beschlagnahmten Fahrzeuge nicht mehr zurückzugeben, besteht nach Belgrader Ansicht kein Zweifel. „Diese offenbare Schiffsentführung soll auf billige Art und Weise den russischen Ostseeküstenschutz verstärken“, schreibt  ICO.

 

Admiral Nemow Kariew, Kommandeur der Ostseeflotte der Sowjetunion, gibt in einem seiner Befehle folgende Anweisung: „Fremdländische Seefahrzeuge, außer solchen, die die Farben der Ostblockstaaten führen, sind auf keinen Fall innerhalb der Manövergebiete und der Ostseeküstenabschnitte zu dulden, wenn nicht ein entsprechender Routenauftrag vorliegt. Die 3. Schnellbootflottille hat unter allen Umständen zuwiderhandelnde Schiffe aller Art zu stoppen und nach Pillau zu bringen oder in Sonderfallen funktelegraphische Anordnung auf Anfrage an Ort und Stelle abzuwarten. Diese Regelung ist notwendig, um die sowjetische Seehoheit in der Ostsee nicht unnötigen Provokationen auszusetzen“. In diesem Befehl des Admirals Kariew ist erstmalig von einer sowjetischen „Seehoheit in der Ostsee“ die Rede. Es scheint, als wollten die Russen das Ostseegebiet als „ihr Meer“ betrachten und selbst die Handelsschifffahrt der nordischen Länder empfindlich stören.

 

 

ZvD jetzt BVD

Die Delegiertenversammlung des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen hat am 19. Juni in Bad Homburg den Beschluss gefasst, dass der Verband in Zukunft den Namen „Bund der vertriebenen Deutschen (BVD)“ führen soll. Diese Namensänderung war längst fällig, nachdem die Mehrzahl der den Verband bildenden Landesverbände sich als BVD-Landesverbände konstituiert hat. Die Delegiertenversammlung brachte zum Ausdruck, dass diese Umbenennung das Bestreben nach einem Zusammenschluss aller Vertriebenenorganisationen in keiner Weise berührt, dass vielmehr der Wille zur Einheit nach wie vor vorhanden ist.

 

 

500000 Verschleppte gestorben. DRK veröffentlicht erschütternde Zahlen über das ostdeutsche Martyrium.

Mehr als 750 000 deutsche Zivilisten sind in der ersten Nachkriegszeit aus den deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße, dem Donauraum, den südostdeutschen Siedlungsgebieten und der Sowjetzone nach Russland verschleppt worden. Dies teilte das Deutsche Rote Kreuz anlässlich seiner diesjährigen Hauptversammlung in Trier mit. Zwei Drittel der Verschleppten sind nach den Informationen des DRK wahrscheinlich gestorben.

 

Die Überlebenden werden in 33 sowjetischen Zwangsarbeitslagern und drei Gefängnissen zurückgehalten. Von 41745 Zivilgefangenen lagen im Berichtsjahr 1953 Personalien vor, während sich die Zahl der Suchanträge nach Verschleppten auf 58 634 belief.

 

Nach dieser erschütternden Bilanz des Roten Kreuzes sind mehr als die Hälfte der Eisenbahntransporte, mit denen die deutschen Zivilisten aus Sammellagern im Heimatgebiet in die Sowjetunion deportiert worden, mit Abfahrts- und Ankunftszeiten sowie Belegungszahlen bekannt. Auch die Lager konnten festgestellt werden, auf die sie anschließend verteilt werden. Neuerdings dürfen auch die in Strafverwaltungsgebieten zurückgehaltenen Zivilgefangenen an ihre Angehörigen in Deutschland schreiben, was nach Ansicht des Roten Kreuzes dazu beitragen wird, die Unterlagen des Suchdienstes zu verbessern.

 

 

 

Seite 2   „Undemokratisch“

Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen konnte der Gesamtdeutsche Block/BHE seine Stimmenzahl gegenüber den Bundestagswahlen verdoppeln. Doch gelang es nicht, die Fünf-Prozent-Klausel zu überspringen, sodass der BHE ohne Mandat blieb. Bundesminister und BHE-Vorsitzender Dr. Oberländer nannte das Wahlverfahren undemokratisch, da das Zentrum mit wesentlich weniger Stimmen als der BHE in den Landtag gekommen sei, während der BHE mit über 300 000 Stimmen draußen bleiben müsse.

 

 

Seite 2   Wohin wanderten sie aus?

Das statistische Bundesamt hat für 1953 zum ersten Mal genaue Zahlen über die Auswanderung aus der westdeutschen Bundesrepublik veröffentlicht, über die früheren Jahre können nur schätzungsweise Angaben gemacht werden, so rechnet man für 1950 etwa 80 000 Auswanderer, für 1951 rund 125 000, 1952 sinkt die Zahl wieder auf zirka 75 000 und für letztes Jahr schließlich wird die genaue Zahl von 60 933 Auswanderern angegeben (Anteil der Vertriebenen an dieser Gesamtzahl 16 000 Personen, d. h. 34 Prozent).

 

Von diesen Auswanderern gingen nach Kanada 32 295 (53 Proz.), nach USA 15 233 (25 Proz.), nach Australien 7921 (13 Proz.), nach Brasilien 1219 (2 Proz.), nach verschiedenen anderen Ländern 4265 (7 Proz.). Ungefähr zwei Drittel aller Auswanderer aus der Bundesrepublik wurden vom Internationalen Katholischen Auswandererdienst betreut.

 

 

30 Millionen für Lagerauflösung.

Auf Vorschlag von Bundesminister Prof. Dr. Oberländer hat sich Bundesfinanzminister Dr. Schäffer bereit erklärt, die ursprünglich vorgesehenen 10 Millionen DM für die Lagerauflösung auf 30 Millionen DM und entsprechend die Zahl der Lagerinsassen, die auf diese Weise menschenwürdigen Wohnraum erhalten sollen, von 10 000 auf 30 000 zu erhöhen. Das Räumungsprogramm wird Lager in den Flüchtlingsländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein umfassen. Der Bundesfinanzminister wurde davon überzeugt, dass die beschleunigte Räumung noch vorhandener Lager nicht nur eine aus sozial- und wohnungspolitischen Gründen dringend notwendige Maßnahme ist, sondern auch den öffentlichen Haushalt in beachtlichem Umfange entlasten kann, denn angesichts der schlechten baulichen Verfassung der Lager erreichen Lagerneubauten oder Instandsetzungskosten oft den Beitrag, der zum Neubau von Wohnungen für die Lagerinsassen aufgewandt werden muss.

 

 

Seite 2   Dr. Kather im Bundesvorstand des BHE

Der CDU-Landesvorsitzende in NRW hat an den Bundestagsabgeordneten Dr. Kather das Ansinnen gestellt, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Dr. Kather hat darauf in einer Erklärung erwidert, dass er sein Mandat nicht der CDU, sondern den Vertriebenen zu verdanken habe. Die Fraktion des GB/BHE begrüßte diese Erklärung Dr. Kathers. Sie hat ihn in ihrer Sitzung vom 23. Juni 1954 zu ihrem dritten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, wobei Dr. Kather auch dem Bundesvorstand des GB/BHE angehört.

 

 

Seite 2   Jubiläumsfeier der Allensleiner in Gelsenkirchen

Die 600-Jahr-Feier der Stadt Allenstein wird in großem Rahmen in der Patenstadt Gelsenkirchen am 24. und 25. Juli festlich begangen werden. Zahlreiche Veranstaltungen sind für die beiden Festtage vorgesehen. Im Zusammenbang mit der Jubiläumsfeier hält die Allensteiner Garnison ihr Traditionstreffen ab, an der sich insbesondere die Traditionsverbände der 11. Division beteiligen. Auch die Schüler und Schülerinnen sowie die Lehrkräfte des Allensteiner Gymnasiums, der Oberrealschule und der Luisenschule kommen zu einem Wiedersehenstreffen zusammen. — Alle Allensteiner, die an der 600-Jahr-Feier teilnehmen wollen, melden sich bei der Geschäftsstelle der Patenstadt Gelsenkirchen, Ahstraße 17.

 

 

Seite 2   Münster, wichtige Buchzentrale für Ostliteratur.

Der Universitätsbibliothek Münster wurde eine Ostdeutsche Abteilung angegliedert, die als neues Sammelgebiet die Pflege des Schrifttums von und über die abgetrennten Gebiete Ostdeutschlands übernimmt. Bisher konnte die Bibliothek auf diesem Gebiete bereits über 16000 Bände mit wertvollen wissenschaftlichen Werken und auch einzelne Kostbarkeiten zusammentragen.

 

Sie weist damit den größten Bestand an ostdeutscher Literatur innerhalb des norddeutschen Raumes auf. Die Ostdeutsche Abteilung bildet die literarische Grundlage für die ostdeutsche Forschung an der Universität Münster und im Raum Westfalen. Sie leistet damit auch einen praktischen Beitrag zur kulturellen Vertriebenenbetreuung. Neben München, Marburg und Herne ist die Universitätsbibliothek Münster die wichtigste Buchzentrale für Ostliteratur in der gesamten Bundesrepublik. Sie hat einen eigenen systematischen Katalog über diese Bestände angelegt und mit Unterstützung des Kultusministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Wiederaufbau mit der Herstellung eines Zentralkataloges ostdeutschen Schrifttums in den Bibliotheken Nordrhein-Westfalen begonnen.

 

Die Ostdeutsche Abteilung leitet Bibliotheksrat Dr. Robert Samulski.

 

 

 

Seite 3 und 16    600 Jahre Allenstein. Von Oberstudiendirektor i. R. Karl Brösicke.

Foto: Das Rathaus

Foto: Blick auf die Stadt aus der Luft – Im Hintergrund rechts: Die Jakobikirche.

Foto: Wohnhäuser an der Roonstraße. Aufnahme: H. Groß

Foto: Modell der Stadt Allenstein um 1700

Foto: Badeanstalt am Okull-See

Foto: Eingang zum Allensteiner Stadtwald

Wenn sich die Allensteiner am 24. und 25. Juli 1954 in Gelsenkirchen treffen, um die 600-Jahr-Feier Allensteins und die Übernahme der Patenschaft für Allenstein durch die Industriestadt Gelsenkirchen festlich zu begehen, so werden sie sich bewusst sein, dass die Feier eigentlich am 31. Oktober 1953 in Trauenburg ausgefertigt und dem Gründer und Lokator der Stade Allenstein, Johannes von Leysen, übergeben worden. Aber auch die nachträgliche Feier wird ihren Zweck erfüllen, wenn sie allen, die an der Feier in Gelsenkirchen teilnehmen allen, die in Allenstein geboren und groß geworden sind, und allen, die in der schönen Stadt an der Alle gelebt und gearbeitet haben, wieder zum Bewusstsein bringt, was für ein politischer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt Allenstein für das Ermland und Ostpreußen gewesen ist und was die Stadt Allenstein jedem einzelnen für sein Leben gegeben hat. Die Erinnerung an diese Werte wird die heimatvertriebenen Allensteiner veranlassen, Kindern und Kindeskindern und denen, die das Ermland und das übrige Ostpreußen nicht kennen, von dem Lande und der Stadt Allenstein mit seiner schönen und historischen Umgebung zu erzählen und den Entschluss zu stärken, dorthin zurückzukehren, wenn die deutsche Flagge wieder von den Türmen Allensteins weht.

 

Die Geschichte der Stadt Allenstein ist von einem der besten Kenner der Heimatgeschichte, Rektor A. Funk, in seinem gleichnamigen Büchlein so sachkundig dargestellt worden, dass es sich erübrigt, darüber noch ausführlich zu schreiben; deshalb sollen nur Höhe- und Tiefpunkte ihrer geschichtlichen Entwicklung erwähnt werden.

 

Unter dem Schutze des Domkapitels hatten sich die deutschen Siedler der neugegründeten Stadt durch fleißige Arbeit bald zu einem gewissen Wohlstand emporgearbeitet. Die Kriege und in ihrem Gefolge Hunger, Krankheit und Tod warfen den Ort immer um Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurück. Da Allenstein aber bis 1685 der ständige Sitz eines Domherrn war, dem als Administrator die Verwaltung des Kammeramtes Allenstein oblag, und durch seine wehrhafte Burg den Mitgliedern des Domkapitels Schutz und Aufenthalt bot, so erfreute es sich stets der besonderen Fürsorge des Domkapitels, dessen würdigster Vertreter der Domherr und Astronom Nicolaus Coppernicus gewesen ist, der von 1516 bis 1524 als Administrator dieses größte Gebiet des Domamtes regiert hat.

 

Im Jahre 1772 war es mit der Selbständigkeit des Fürstbistums zu Ende; denn das Ermland kam zum Königreich Preußen, und Allenstein wurde eine preußische Stadt mit 1770 Einwohnern. Die Entwicklung ging in den ersten Jahrzehnten unter preußischer Herrschaft nur langsam vor sich und zeigte sich in der ständigen Zunahme der Bevölkerung. Einen Rückschlag brachten die Kriegsjahre 1806/1807; denn der unglückliche Krieg ging auch an Allenstein nicht spurlos vorüber. Vom Januar bis Dezember 1807 war Allenstein abwechselnd von Russen und Franzosen besetzt, die die Stadt Anfang Februar gründlich plünderten. Am 3 Februar 1807 traf Napoleon I. in Allenstein ein und hielt auf dem alten Markt eine Truppenparade ab. Nach den Freiheitskriegen kam für die Stadt Allenstein eine ruhige Entwicklung, die mit dem siegreichen Krieg 1870/1871 ein staunenswertes Tempo und eine einzigartige Intensität annahm und durch 3 Umstände besonders begünstigt wurde:

 

1. durch die zentrale Lage in Südostpreußen,

 

2. durch den Bau der Eisenbahn Thorn-Insterburg und

 

3. durch die Wahl des Ersten Bürgermeisters Oskar Belian, der in 31-jähriger Tätigkeit das Aufblühen Allensteins stark gefördert hat.

 

1873 wurde die Höhere Mädchenschule, die später den Namen Luisenschule erhielt, gegründet. 1877 erhielt Allenstein ein Landgericht und ein Gymnasium. In den achtziger Jahren wurde Allenstein Garnisonstadt, wurden die Nebenbahnstrecken nach Marienburg, Kobbelbude, Ortelsburg und Neidenburg und neue Chausseen gebaut. Hand in Hand damit ging die Entstehung von industriellen Betrieben, Dampfschneidemühlen, Ziegeleien und der Maschinenfabrik von Roensch. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts bekam Allenstein Gasbeleuchtung durch den Bau einer Gasanstalt; seit 1893 erschien neben der „Allensteiner Zeitung“ das „Allensteiner Volksblatt“. 1898 hatte Allenstein 23 431 Einwohner. Nach der Jahrhundertwende nahm die Stadt einen Aufschwung, der im Wesentlichen dadurch bedingt war, dass sie 1905 Regierungsbezirkshauptstadt wurde. 1900 wurde die Reichsbanknebenstelle in eine Reichsbankstelle umgewandelt, die Luisenschule baulich erweitert und das Gebäude der Oberrealschule errichtet. Das Jahr 1902 war für Allenstein ein Jubeljahr. Der Erste Bürgermeister Belian beging sein 25-jähriges Amtsjubiläum. Landgericht und Gymnasium feierten das 25-jährige Bestehen, die evangelische Kirche ihr 25. Kirchweihfest. Allenstein hatte 25 337 Einwohner. Zu Beginn des Jahres 1903 übernahm der spätere Oberbürgermeister Georg Zülch die Stelle des 2. Bürgermeisters. Die Feier des 550-jährigen Stadtjubiläums am 31.10.1903 war für die ganze Bevölkerung der Stadt ein Festtag und zeigte den Beschluss der städtischen Körperschaften, durch Professor Dr. Bonk in Osterode eine Chronik der Stadt herstellen zu lassen. Der Zusammenschluss der Städte Memel, Insterburg und Allenstein zu einer Theatergenossenschaft im Jahre 1904 bewies das starke kulturelle Bedürfnis und Interesse der Einwohner Allensteins für die Kunst, das aber erst im Jahre 1925 mit der Eröffnung des Landestheaters „Der Treudank“ seine volle Erfüllung fand. 1906 wurde von den städtischen Körperschaften der Bau eines Elektrizitätswerkes und der Straßenbahn beschlossen; das Elektrizitätswerk wurde Dezember 1907 in Betrieb genommen. Im gleichen Jahr wurde die Lungenheilstätte „Frauenwohl“ eröffnet. 1908 trat Oberbürgermeister Belian nach 31-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand; er wurde aus diesem Anlass zum „Geheimen Regierungsrat“ und seitens der Stadt zum Ehrenbürger Allensteins ernannt. Am 2. November 1908 wurde Bürgermeister Zülch als „Erster Bürgermeister“ durch den Regierungspräsidenten eingeführt. Im gleichen Jahr wurde die Luisenschule in ein Lyzeum und Oberlyzeum mit Lehrerinnen-Seminar umgewandelt und der Aufsicht des Provinzial-Schulkollegiums Königsberg unterstellt. 1909 eröffnete der Regierungspräsident die Handelskammer in Allenstein, deren erster Präsident der Fabrikbesitzer und Stadtverordnetenvorsteher Roensch war. An der Kopernikusschule machten Ostern 1909 die ersten sechs Abiturienten die Reifeprüfung, so dass die Lehranstalt durch Ministerialerlass als Oberrealschule anerkannt werden konnte. 1910 fand eine Gewerbeausstellung im Gelände um Jakobsberg statt, dessen Restaurationsgebäude dazu neu errichtet worden war und das fortan zum beliebtesten Ausflugsort der Allensteiner wurde. 1910 wurde die neunstufige Mädchen Mittelschule gegründet; 1911 eine Hilfsschule, so dass Allenstein neben den 3 höheren Schulen und den eben genannten beiden Schulen 3 katholische Volksschulen und 1 evangelische Volksschule hatte, zu denen nach 1925 noch je eine evangelische und katholische Volksschule hinzukam. Eine Berufsschule, eine Handels- und eine Höhere Handelsschule, sowie eine landwirtschaftliche Winterschule standen der heranwachsenden Jugend außerdem zur Ausbildung zur Verfügung. 1910/1911 entstanden auch das neue Regierungsgebäude in der Kleebergerstraße und die Dienstwohnung des Regierungspräsidenten im Schloss, dessen Remter nunmehr für Kammermusikabende und intime Künstlerkonzerte sowie für repräsentative Zwecke zur Verfügung standen. Das Jahr 1910 wurde auch insofern für die weitere Entwicklung der Stadt bedeutungsvoll, als es infolge der über 30 000 gestiegenen Einwohnerzahl aus dem Kreisverband Allenstein ausschied, ein eigener Stadtkreis wurde und der Erste Bürgermeister Zülch den Titel „Oberbürgermeister“ erhielt. 1911 wurde der Bau des neuen Rathauses beschlossen, mit dem 1912 begonnen wurde und der 1916 beendet war, so dass im Juli 1916 im neuen Sitzungssaal die erste Stadtverordnetensitzung stattfinden konnte. Nachdem 1913 das Armen-Siechenhaus in einem Neubau untergebracht worden war, das den Namen „Wilhelm-Auguste-Victoria-Haus“ erhielt und über 100 Personen beherbergen konnte, wurde noch mit dem Bau der dritten katholischen Kirche, der St. Josef-Kirche begonnen und der Grundstein für die evangelische Garnisonkirche gelegt. Da brachte der Weltkrieg 1914 die Entwicklung Allensteins zum Stillstand und die Stadt durch die Nähe der Grenze in unmittelbare Gefahr. Am 27 August 1914 rückte das 13. russische Korps in Allenstein ein. Um Plünderungen zu verhüten, wurden vor den Geschäften von den Russen Posten aufgestellt. Da der Feind erhebliche Lieferungen an Brot, Zucker, Salz, Pfeffer, Reis und Grütze forderte, war in der Nacht vom 27. zum 28.08. eine fieberhafte Tätigkeit in Bäckereien und Privathäusern. Aber schon am Morgen des 28. August verließen große Verbände der Russen die Stadt. Das deutsche 1. Res. Korps hatte am 28. bereits die Stadt umstellt, am Nachmittag begann der harte Kampf um die Befreiung der Stadt von den Russen, die sich auf der Chaussee nach Hohenstein fluchtartig zurückzogen und in der Schlacht bei Tannenberg umklammert und vernichtet wurden. Die Gräber der bei den Kämpfen um Allenstein gefallenen Soldaten wurden alljährlich am 28. August von den Schülerinnen der Allensteiner Schulen geschmückt. Das unglückliche Ende des Weltkrieges und der Schandfrieden von Versailles brachten für Allenstein neue Unruhe und Gefahr. Das, was die Polen durch brutale Methoden 1945 erreicht haben, sollte schon nach 1918 durchgeführt werden. Mit einer großangelegten Propagandaarbeit wollten sie die Welt glauben machen, dass unser Grenzgebiet von einer unzweifelhaft polnischen Bevölkerung bewohnt sei. Es wurde eine Volksabstimmung über das Gebiet verhängt und die Verwaltung des Gebietes am 12. Februar 1920 von einer interalliierten Kommission, bestehend aus einem Engländer, Franzosen, Italiener und Japaner, übernommen, die von einem großen Beamtenstab begleitet und von je einem Bataillon Engländer und Italiener beschützt wurden. Am 11. Juli 1920 fand die Abstimmung statt, bei der 97,5 Prozent Abstimmungsbeteiligte für Deutschland und nur 2,5 Prozent für Polen stimmten. Vox populi, vox Dei. — Am 01.08.1920 gab die interalliierte Kommission dem Regierungspräsidenten von Oppen und damit dem preußischen Staate die Verwaltung zurück und verließ Allenstein. Die Jahre nach 1920 dienten der allmählichen Erholung und dem Wiederaufbau Ostpreußens und förderten dadurch auch die Entwicklung Allensteins. Obwohl die Schaffung des „polnischen Korridors“ die Verbindung Ostpreußens mit dem Reiche außerordentlich erschwerte. Neue Pläne für den Ausbau der Stadt wurden entworfen und durchgeführt. Als Dank für die Treue der Bewohner Südostpreußens, die bei der Abstimmung 1920 einen so unwiderlegbaren Ausdruck gefunden hatte, wurde mit städt. und staatlichen Mitteln das Landestheater Südostpreußen „Der Treudank“ erbaut und unter der Leitung des Intendanten Ernst Theiling mit der Festvorstellung von Goethes Faust I.Teil im Herbst 1925 feierlich eröffnet. Ein 40 Mann starkes Orchester, das bei besonderen Gelegenheiten durch Musiker der beiden Allensteiner Militärkapellen und Königsberger Musiker auf 60 - 70 Mann verstärkt wurde, ermöglichten die Aufführungen von Opern und Operetten neben Schauspielen, Komödien und Tragödien, Opern-Kapellmeister wie Günther Wand und Josef Niggl entwickelten die Aufführungen des Theaters zu beachtlicher Höhe und traten auch mit Sinfonie-Konzerten an die Öffentlichkeit. Da Allenstein über eine Reihe gut geschulter Chöre verfügte, wurden fast in jeder Konzertsaison größere Chorwerke mit Orchesterbegleitung dargeboten. Daneben veranstaltete „der Konzertverein“ in jedem Jahr eine Reihe von Künstlerkonzerten, in denen namhafte Künstler aus Berlin, Dresden und anderen Städten Deutschlands, das kunstliebende Allenstein erfreute. Die in der Stadt ansässigen Talente auf dem Gebiete der Musik stellten sich bei festlichen und Wohltätigkeitsveranstaltungen bereitwilligst zur Verfügung und boten durch Solospiel, Trios und Quartette oft überragende Leistungen. Gemälde- und Kunstausstellungen rundeten das Bild Allensteins als Pflegestätte guter Kunst ab und machten es zum Anziehungspunkt vieler auswärtiger Gäste. Dieser Zustrom von Gästen setzte bald nach der Abstimmung, bei der viele abgewanderte Ostpreußen ihre schöne Heimat nach Jahren wiedergesehen hatten, in größerem Maße ein. Im Sommer 1925 war das große Treffen der akademischen Turnvereine aller deutschen Universitäten, das durch einen Festzug der Studenten und durch viele turnerische Darbietungen auf dem großen Sportplatz in Jakobsberg seinen Höhepunkt fand. Durch zwei Bauten wurde der Fremdenverkehr nach Allenstein noch bedeutend verstärkt: durch den Bau des Tannenbergdenkmals bei Hohenstein und den des Abstimmungsdenkmals in Allenstein, das am 8. Juli 1928 eingeweiht wurde. Im Sommerhalbjahr 1939 besuchten 18 465 Fremde die Stadt Allenstein, und mit 30 268 Übernachtungen lag sie nach Königsberg an der Spitze aller ostpreußischen Städte. Neue Bauten entstanden, so die Berufsschule in der Königstraße, die Hindenburgschule und die spätere Horst-Wessel-Schule. Für den steigenden Fremdenverkehr wurde ein Verkehrspavillon inmitten gärtnerischer Anlagen an der Ecke Kaiser- und Kleebergerstraße errichtet. Um den Brauereiteich mit schönen Grünanlagen und Leuchtfontänen vor dem Abstimmungsdenkmal entstand eine Reihe geschmackvoller Landhäuser. - Die Langsee-Promenade führte zur Siedlung am Langsee, bis zu der die elektrische Straßenbahn verlängert wurde, während die Siedlung am Germanenring mit Jakobsberg durch einen Autobus verbunden war. War Allenstein schon durch die Reichswehr zu einer richtigen Soldatenstadt geworden, so nahm sie nach der Wiederherstellung der Wehrhoheit und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ihre alte Tradition auf, und die Soldaten in grauen Uniformen belebten das Stadtbild. Vier Kinos boten Militär und Zivil schöne Unterhaltung. Das alte Rathaus auf dem' Marktplatz beherbergte eine gut ausgestattete Stadtbücherei. Die Stadt- und Kreissparkasse hatte im Anbau an das neue Rathaus schöne Räume bezogen, und neue Pläne wurden für die weitere bauliche Ausgestaltung ausgearbeitet, als der Krieg 1939 mit Polen, der sich bald zum zweiten Weltkrieg entwickelte, wieder schwere Sorgen über Allensteins Bevölkerung brachte, die nach Beginn des Krieges gegen Russland von Jahr zu Jahr zunahmen. Infolge der völligen Verblendung der führenden Männer wurden Ostpreußen und auch die schöne Stadt an der Alle Kriegsschauplatz und viele Männer, Frauen und Kinder Opfer des Krieges und der unmenschlichen Austreibung. Mehr als andere Bewohner Deutschlands mussten die vertriebenen Deutschen das Wort „Vae victis!“ — Wehe den Besiegten! erfahren. Ob und wann wir es wiedersehen, ist einer höheren Macht vorbehalten. Wir werden die Erinnerung an die schöne Stadt an der Alle bewahren und pflegen; denn für alle, die in Allenstein gelebt und gearbeitet haben, ist die Stadt ein Stück Heimat gewesen.

 

 

Seite 4   Dr. Trunz. Ein Förderer der ostpreußischen Landwirtschaft. (Foto)

Am 10. Mai 1954  beging der ehemalige Generalsekretär des Landwirtschaftlichen Zentralvereins Allenstein, Dr. August Trunz, mit seiner Gattin Helene geb. Fähser im Kreise seiner Kinder und Enkelkinder das Fest der Goldenen Hochzeit.

 

Mit dem Namen Trunz eng verbunden ist die Landwirtschaft Masurens und des südlichen Ermlandes.

 

August Trunz, 1875 in Königsberg geboren, entstammt einem alten samländischen Bauerngeschlecht in Arissau, das in den Kirchenbüchern in Thierenberg schon 1693 genannt wird, während der Name Trunz sich als der einer prussischen Familie in den Archiven des deutschen Ritterordens bereits seit 1289 nachweisen lässt.

 

In seinem Vaterhaus und auf dem Kneiphöfischen Gymnasium in Königsberg genoss er eine Erziehung, die sein Wesen formte. Sparsamkeit, Ritterlichkeit, Gerechtigkeit, Pflichterfüllung und Aufopferung für seinen Beruf, doch niemals einseitig werdend, sondern interessiert für Philosophie und Geschichte, worin ihn seine Gattin, die gelegentlich selbst zu Palette und Pinsel griff, glücklich ergänzte, sind seine Charaktereigenschaften. Dass er daneben Sportler war, wissen wir, die wir ihn noch bis zu seinem 69. Lebensjahr auf dem Langsee in Allenstein eislaufen sahen.

 

Nach dem Studium der Landwirtschaft in Königsberg und in Halle, das er durch eine praktische Tätigkeit als Eleve beim Amtsrat Fähser (seinem späteren Schwiegervater) in Norkitten, Kreis Insterburg unterbrach, promovierte er am 1. Februar 1904 in Halle zum Dr. phil. Seine Dissertation „Die Mineralischen Bestandteile der Kuhmilch und ihre Schwankungen im Verlauf einer Laktationsperiode“ hat heute noch grundlegende Bedeutung. Zu seinem 50-jährigen Doktorjubiläum wurde er auch von der Universität Halle, durch den Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät Professor Hoffmann (früher Königsberg) geehrt.

 

Von 1904 bis 1907 war Dr. Trunz als wissenschaftlicher Berater des Kalisyndikats in Königsberg tätig und richtete damals schon Beispielwirtschaften ein, für die er einen Wirtschaftsplan ausarbeitete und die Düngemittel vom Kalisyndikat lieferte. Besonders war es der Direktor der Landwirtschaftlichen Winterschule in Johannisburg, Kerschowski, der ihn, wohl als einziger Kammerbeamter, unterstützte. Diese Tätigkeit mag in ihm das besondere Interesse für das bisher vernachlässigte Masuren erweckt haben. Als dann im Dezember 1906 die landwirtschaftlichen Vereine den Landwirtschaftlichen Zentralverein Allenstein gründeten — erst 1905 war der Regierungsbezirk Allenstein errichtet — war es ganz selbstverständlich, dass der junge Dr. Trunz zum Generalsekretär gewählt wurde und damit Beamter der -Landwirtschaftskammer wurde.

 

Wie schwierig der Anfang war, und andererseits mit wie geringen Kräften das große Arbeitsfeld gemeistert wurde, erzählte er einmal mit berechtigtem Stolz. In einem Zimmer seiner

Privatwohnung mit Fräulein Ehmer und einer Schreibmaschine fing der Generalsekretär am 2. April 1907 die Arbeit des Zentralvereins Allensteins an, 1908 kam ein Obstbauinspektor, 1909 der erste, kurz danach der zweite Tierzuchtinspektor und weitere Bürokräfte hinzu. Von dem reichen Arbeitsgebiet, das gemeistert wurde, mögen nur die Pferde-, Rinder- und Schweinezucht, der Ackerbau, der Saatbau, die Schulung in den landwirtschaftlichen Vereinen, die gutachtliche Tätigkeit und der Verkehr mit den Behörden in der Provinz und in Berlin genannt sein. Mit welchem Erfolg gearbeitet wurde, zeigt die Einführung der Hengste-Körordnung im Jahre 1907, während die übrige Provinz sehr viel später folgte, durch die der Zentralverein der Zucht des belgischen Pferdes neben der Warmblutzucht Richtung gab.

 

Zahlreich sind seine Veröffentlichungen in der Fachpresse und auch in politischen Zeitungen, in denen er zu den Gegenwartsfragen Stellung nahm; zum Teil erschienen sie auch in Buchform. Am eigenartigsten war wohl die Denkschrift, die er 1920 bei der ersten Audienz dem Vorsitzenden der Internat Abstimmungskommission in Allenstein, Herrn Rennie, überreichte. Daneben fand Dr. Trunz auch noch Zeit, sich der so wichtigen Volkstumsarbeit zu widmen. Es sei nur an das 1. Heimatfest in Allenstein, 1910, verbunden mit der ersten Aufführung auf einer Freilichtbühne in Ostpreußen, erinnert, zu dessen Vorbereitung der Jubilar und der Justizrat Gradowski die Hauptarbeit leisteten.

 

Der Krieg 1914 - 1918 sah Dr. Trunz schon damals als Flüchtlingskommissar auf einer Notbrücke, die über die Weichsel führte. Die Volksabstimmung 1920 erforderte wieder riesengroße Arbeit, die er in der Bezirksstelle des Heimatlichen Allenstein auf sich nahm. So stand Dr. Trunz immer an den Brennpunkten des Geschehens und an verantwortlicher Stelle. Wie oft hörten wir in den landwirtschaftlichen Vereinen seine Vorträge, in denen er aus seinem reichen Erfahrungsschatz uns richtungweisende Worte sagte.

 

Bei dem 25-jährigen Jubiläum des Landwirtschaftlichen Zentralvereins und gleichzeitig seinem 25-jährigen Jubiläum als Generalsekretär — er war viermal für je sechs Jahre gewählt worden — am 18. Dezember 1931 im Stadtverordnetensitzungssaal im Allensteiner Rathaus gab Dr. Trunz den Rückblick über 25 Jahre und konnte dabei die erfreuliche Feststellung machen, dass sich die Zahl der landwirtschaftlichen Vereine von 26 auf 120 gesteigert hatte, dass der Verein ein eigenes Zentralvereinshaus in der Bahnhofstraße besaß, und dass die gesteckten Ziele auf fast allen Gebieten erreicht waren. Was aber besonders hervorgehoben werden muss, ist die Eigenschaft des Jubilars, dass er in seiner Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Hauptvorsteher des Zentralvereins vorbildlich sich zusammenfand. Besonders gilt dies bei dem Gründer und ersten Hauptvorsteher von 1906 bis 1924, Herrn von Negenborn-Klonau, aber auch von seinem Nachfolger Heumann (Klein Gablick) und endlich von Landschaftsrat Bludau (Pzytullen), der den Zentralverein zu Grabe trug. Diesen drei Männern gilt gleichfalls unser Dank!

 

Schon zwei Jahre nach dem Jubiläum wurde durch Gründung des Reichsnährstandes die Arbeit des Zentralvereins plötzlich beendet, er wurde in den Reichsnährstand eingegliedert und aufgelöst. Nun hatte Dr. Trunz die Aufgabe, sein eigenes Werk zu liquidieren, Vermögen und die Geschäfte an die Landesbauernschaft abzugeben. Er selbst wurde schließlich zwangspensioniert. Wenn dieses Los auch hart war, so fühlte er doch überall auf dem Lande die Verehrung und Liebe, die ihm ganz besonders von den masurischen Bauern entgegengebracht wurde; denn ihr Los zu bessern, war sein Ziel, und das hatte er erreicht. Darum blieb er auch in Allenstein wohnen.

 

Die folgenden Jahre war Dr. Trunz nicht untätig. Sei es die Mitarbeit in der Presse — er war Vorsitzender des Aufsichtsrates der Lycker Zeitung -, sei es die Tätigkeit in den Genossenschaften, hier vor allem als Vorsitzendet des Vorstandes der Bezirkseierverwertungsgenossenschaft Allenstein, die seine Arbeitskraft besonders im Kriege, als der Geschäftsführer Stadie eingezogen war, forderte, überall machte er ganze Arbeit und ehrenamtlich.

 

Der unglückliche Ausgang des Krieges zwang auch die Familie Trunz, ihr schönes Heim und Garten am Langsee in Allenstein zu verlassen und das Flüchtlingselend zu teilen, bis sie in der Sowjetzone in der Stadt Bernburg/Saale eine Bleibe fanden, wo er jetzt von einer kleinen Altersrente lebt, die er anstelle seiner Beamtenpension erhält.

 

Wir alle, besonders aber wir Masuren, die wir seine aufopferungsfreudige Arbeit kannten, wünschen unserem alten Generalsekretär und seiner Gattin zu ihrem Jubeltage Gottes Segen, sowie Gesundheit und viel Freude an ihren Kindern und Enkelkindern, die jetzt ihr ganzes Glück darstellen.

Dr. Zeuschner

 

 

Seite 4   Volksbewegung für ein unteilbares Deutschland.

In Bad Neuenahr wurde am 14. Juni mit der Zustimmung aller Parteien das Kuratorium der Volksbewegung für ein unteilbares Deutschland in Einheit und Freiheit konstituiert. Minister Kaiser erklärte dabei, dass die Wiederwahl des Bundespräsidenten Dr. Heuß in Berlin gesichert sei.

 

Die Freiheit der 18 Millionen hinter dem Eisernen Vorhang könne nur erreicht werden, wenn sich die ganze deutsche Bevölkerung für dieses Ziel einsetze. Es geht gleichseitig um die Freiheit der zivilisierten Welt.

 

 

Seite 4   Aus den Landsmannschaften

Flensburg—Mürwik

Auf der Versammlung der Landsmannschaft Ostpreußen, Untergruppe Mürwik, sprach Gruppenleiter Frank und der 3. Vorsitzende Bocian über die Patenschaftsfeier der Johannisburger und den Sinn einer Patenschaft. Schulrat a. D. Babbel ermahnte die Landsleute zum Zusammenhalt und wies auf die Wichtigkeit der Mitgliedschaft bei einer Landsmannschaft hin.

 

Geschlossen nahmen dann die Landsleute an der Sonnenwendfeier der DJO auf dem Gelände der Landessportschule teil. Der 1. Vorsitzende, Babbel, hielt die Feuerrede. Die Feierstunde klang mit dem Deutschland-Lied aus. — Feuersprünge beendeten die Sonnenwendfeier.

 

 

Ausflug nach dem Scheersberg und nach Langballigau.

Die Flensburger Ostpreußenfamilie machte kürzlich einen Ausflug nach dem Scheersberg und nach Langballigau an der Ostsee. Bei herrlichem Wetter fuhren mehrere Busse nach dem Scheersberg in Angeln. Hier fand die feierliche Übernahme der Patenschaft für den Landkreis Johannisburg durch den Landkreis Flensburg statt. Eine Abordnung der heimattreuen Ost- und Westpreußen aus Flensburg nahm ebenfalls mit ihrem Banner an der Feier teil. Nach der Feierstunde fuhren wir weiter nach Langballigau. Der Ostpreußen/Pommernchor, der auch bei der Patenschaftsfeier mitgewirkt hatte, erfreute uns durch den Vortrag einiger Lieder. Der schöne und direkt an der Ostsee gelegene Ort bot Gelegenheit zu ausgedehnten Spaziergängen und auch zu einem Bad in der See.

 

 

Maifeier der Königsberger

Die in Flensburg lebenden Königsberger trafen sich am Vorabend des 1. Mai zur traditionellen Maifeier. Herr Bocian, der 1. Vorsitzende der Gruppe der Königsberger begrüßte die zahlreich Erschienenen und der Geschäftsführer des KvD, Herr Rietenbach, wies darauf hin, dass der schöne Raum von der Stadt Flensburg als Heimatstube weiter ausgestaltet würde. — Auf die schöne Frühlings- und Maienzeit in Poesie und Prosa abgestimmte Vorträge wurden durch Frau Kursch (u. a. Ausflug nach Arnau) und Frl. Hennig (der Schlossteich und Schnurren) dargebracht. Eine Anwesende überreichte als 1. Schmuck des schönen Raumes ein Bild unserer Agnes Miegel. — Mit ihrer lieblichen Stimme sang Frl. Murawski Frühlingslieder, Herr Burdinski, der Altbewährte, brachte Humoristisches. — Als alter Königsberger führte Herr Dr. Kob, der 1. Vorsitzende des KvD, seine Landsleute durch die alte Pregelstadt. Er weckte in allen Erinnerungen an das alles, was einst war. Doch ist es nicht nur unsere Aufgabe, unsere Heimatgedanken zu pflegen, sondern auch diese in unserm Gastlande den Einheimischen näherzubringen, denn, rief Herr Dr. Kob aus: „Es ist noch nicht alle Tage Abend und einst wird auch unsere Heimat und unser liebes Königsberg wieder deutsch in einem freien und vereinten Deutschland sein“.

 

 

Oehmke verlässt Wolfenbüttel

Wolfenbüttel: Der 1. Vorsitzende unserer Landsmannschaft W. Oehmke, verlässt Wolfenbüttel, um sich in Lauterbach eine neue Existenz zu gründen. Zu seinem Abschied versammelte sich der Vorstand mit den Vertretern der hiesigen Landsmannschaft der Ortsgruppe des Kreisvorstandes im BvD am 18. Juni 1954 im Ratskeller. Für unsere Landsmannschaft ist der Abgang des Scheidenden ein sehr schwerer Verlust. W. Oehmke war nicht nur der Begründer unserer Landsmannschaft und vorbildliche Vorsitzende, der Veranstalter unseres ersten so erfolgreichen Kreistreffens, sondern darüber hinaus in der Ortsgruppe und im Kreisvorstand des BvD an maßgebender Stelle überaus anregend und richtungsweisend tätig. Der Kreisvorstand ehrte ihn durch Verleihung der Urkunde für hervorragende Verdienste im BvD. Die Landsmannschaft übergab ihm als Erinnerungszeichen ein kunstgewerblich gearbeitetes Kästchen, geschmückt mit den Wappen der in seinem Leben bemerkenswerten ostpreußischen Städte. Die Vertreter der anderen Landsmannschaften dankten dem Scheidenden für seine vorbildliche Zusammenarbeit, für die von ihm inspirierten gemeinsamen Kulturveranstaltungen und für sein selbstloses und mutiges Eintreten für die Belange der Landsmannschaft. Auch seiner Gattin, die ihm bei seiner landsmannschaftlichen Arbeit stets hilfsbereit und aufopfernd unterstützt hat, wurde gedacht. Bewegt dankte der Scheidende für alle Ehrungen und Gaben und versprach, auch an seinem neuen Wohnort die landsmannschaftliche Arbeit fortzusetzen.

 

 

Traditionsverband d. 291. Inf.-Div. (Elchkopfdiv.)

Ehemalige Angehörige der 291. Inf.-Div. (Elchkopfdivision) aus dem Raum Nordrhein-Westfalen treffen sich am 24. und 25. Juni 1954 anlässlich der 600-Jahr-Feier der Stadt Allenstein in Gelsenkirchen, Die Bekanntgabe eines Tagungslokals erfolgt in einer späteren Ausgabe an dieser Stelle. Anmeldungen sofort an Kamerad Erwin Walter, Essen - Borbeck, Düppenberg 45. Anmeldungen zwecks Übernachtung sind zu richten an: Stadtverwaltung Gelsenkirchen — Stadtamt 15 — Gelsenkirchen, Hans-Sachs-Haus. Aus dem Programm: Eintreffen am 24. Juli, ab 16.00 Uhr,

danach kameradschaftliches Beisammensein und großer Suchdienst in Verbindung mit dem DRK. Am 25. Juli Teilnahme an der Hauptfeier und der Gefallenenehrung.

 

 

Reserve-Grenadier-Regiment 206!

Wo seid Ihr, Kameraden?

1. Res.-Gren.-Rgt. Nr. 206 (Oberst Knobelspieß aus Allenstein, Rastenburg, Gumbinnen, Sensburg, Tilsit usw.;

2. Volks-Grenadier-Division Nr. 246 (Generalleutnant Schmidt, Oberst Heintz, Oberst Schmitz. Major Tänzler usw.) und aus dieser Division. Ihr Kameraden des Grenadier-Regiments Nr. 984, dessen II. Batl. ich als Hauptmann d. R. bis in die verzweifelte Schlacht um Aachen zu führen hatte? Meldet Euch! Res.-Gren.-Regt. 206 trifft sich unter Oberst Knobelspieß am 10/11. Juli 1954 in Schwelm (Westf.). Näheres durch mich. H.-E. Dienelt, Studienrat in Schwelm/W., Moltkestraße 17.

 

 

Prof. Dr. Starlinger vor den ostpr. Ärzten

Anfang Juni kam in Göttingen die ostpreußische Arztfamilie zu ihrer diesjährigen Jahrestagung zusammen, an der etwa 250 Angehörige teilnahmen. Mit großer Freude wurde von der ostpreußischen Arztfamilie zum ersten Male Professor Dr. Starlinger, früher am Elisabeth-Krankenhaus in Königsberg tätig, begrüßt. Prof. Dr. Starlinger ist erst in diesem Jahre aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden und nach Westdeutschland gekommen. Er berichtete in einem hochinteressanten Vortrag über seine Erlebnisse in der Sowjetunion, die für alle Anwesenden sehr aufschlussreich waren.

 

Am Tage zuvor waren die ostpreußischen Ärzte zu einer wissenschaftlichen Sitzung mit Fachvorträgen und Aussprachen zusammengekommen. Der „Familienvater“ der ostpreußischen Ärztefamilie, Dr. Schröder, berichtete über die Unterstützungsaktion für die unter schweren wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in der sowjetischen Zone lebenden Mitglieder der ostpreußischen Ärztefamilie.

 

 

Salzgitter-Bad

Auf der Jahreshauptversammlung der Ost- und Westpreußen im BvD-Ortsverband gab Rektor Leopold Schenzel wegen starker beruflicher Inanspruchnahme das Amt des Vorsitzenden ab, das er seit der Gründung der Landsmannschaft im Jahre 1949 ununterbrochen wahrgenommen hat. In seinem Tätigkeitsbericht erwähnte er die zahlreichen Lichtbildervorträge sowie geselligen Zusammenkünfte. Herzlicher Dank wurde Rektor Schenzel für seine aufopfernde Arbeit ausgesprochen. Die Neuwahl des Vorstandes ergab folgende Besetzung: 1. Vorsitzender Walter Wiens, 2. Vorsitzender Leopold Danielczyk, Schriftführer Bruno Zimmermann, Beisitzer: Dr. Paul Lengnick (Ostpreußen), Gerhard Woelke (Westpreußen), Heinz Dieckhoff (Danzig).

 

 

Seite 4   Wir gratulieren!

Am 20.07.1954 wird Frau Natalie Teichert, geb Klomfaß, Allenstein, Kurfürstenstraße 6, 86 Jahre alt. Sie wohnt bei ihrer Tochter Vera, die mit dem Regierungsrat Alban Hefner verheiratet ist, in Münster/Westfalen, Hammerstr. 41a. Die Tochter Toni ist in Herne mit dem Lehrer Philipp Weidmann verheiratet. Die Tochter Natty ist Oberschwester und Leiterin des Flüchtlingsheims Ankum, Kreis Bersenbrück. Die Tochter Cilly ist Fürsorgerin beim Vertriebenenamt Herne. Der einzige Sohn Dr. med. dent. Anton Teichert ist seit Tarnopol 1944 vermisst. Die beiden Töchter Vally und Lilly wurden 1945 aus Allenstein verschleppt und sind beide vermisst.

 

Der Bauer Hugo Hermann, aus Saltnicken, Kreis Samland, Ostpreußen, jetzt wohnhaft in Seesen a. H., Lange Straße 49, vollendet am 1. Juli 1954 das 79. Lebensjahr.

 

Am 7. Juli 1954 wird der Ziegelbrenner Johann Braun, aus Nikolaiken, Ostpreußen, jetzt in Seesen a./H., Lange Straße 45, 74 Jahre alt.

 

Die Bäuerin Alma Wohlfahrt, geb. Splitter, aus Kottisch, Kreis Pr. Stargard, Westpreußen, wohnhaft in Bornhausen 53 über Seesen a./H., wird am 30. Juli 1954, 72 Jahre alt.

 

Frau Auguste Rock, früher wohnhaft in Grünfliß, Kreis Gumbinnen, feiert am 3. Juli 1954, ihren 91. Geburtstag. Sie wohnt jetzt bei ihrem Sohn Fritz, in Krombach, Kreis Siegen, Westfalen, an der Kaiserhöhe 33. Frau Rock ist geistig noch sehr rege, jedoch hat sie vor fünf Jahren das Augenlicht verloren. Wir wünschen ihr einen gesegneten Lebensabend.

 

Am 16. Juli 1954 feiert ihren 85. Geburtstag Frau Helene Gusovius, geb. Ringelbach. Die Jubilarin war bis zu ihrer im Jahre 1932 erfolgten Pensionierung Lehrerin in Gilgenburg, Kreis Osterode. Sie erfreut sich auch heute noch körperlicher und geistiger Frische und wohnt nunmehr bei ihrer verheirateten Tochter, Frau Charlotte Glang, in Bad Godesberg/Rhein, Meersburgstraße 2

 

Ihren 80. Geburtstag konnte am 24. Mai 1954 Frau Maria Deck, aus Allenstein begehen. Nach der Vertreibung aus der Heimat wohnte sie zunächst in der Sowjetzone, bis ihr Sohn sie nach Haxtum bei Aurich in Ostfriesland holte, wo sie heute noch wohnt.

 

Die Witwe Auguste Schreiber, geborene Alschauski, aus Gr. Engelau, Kreis Friedland, Ostpreußen, jetzt Kreuzau über Düren bei Rieck, begeht am 18. Juli 1954, ihren 81. Geburtstag. Frau Schreiber hat den Weg nach dem Westen über Dänemark gut überstanden, wenngleich sie ihre liebe Mutter auf dem Fluchtwege in Ostpreußen begraben musste. Ihr lieber Mann starb 80-jährig 1949 in Wundsiel-Bayern. Frau Schreiber erfreut sich guter Gesundheit und ihrer 10 Enkelkinder und 4 Urenkelkinder.

 

 

Seite 5   Gedenkfeier für Ferdinand Schulz

Am 16. Juni 1954 führte die Traditionsgemeinschaft „Ferdinand Schulz“eine Gedenkfeier anlässlich des Todestages unseres Segelflugpioniers und Inhaber mehrerer Weltrekorde Ferdinand Schulz durch. Die Feier fand in der Ruine der Aegidien-Kirche in Hannover statt. Abgehalten wurde sie durch den Kaplan Casberke von der Benno-Kirche in Hannover.

 

Zugegen waren Vertreter des Luftsportverbandes Niedersachsen, Angehörige der Traditionsgemeinschaft sowie Freunde von Ferdinand Schulz, die ihn näher gekannt haben Außerdem ließ sich die Gattin des ersten Motorfliegers der Welt, Jatho, trotz ihres hohen Alters nicht verdrießen, an der Feier teilzunehmen, und ihre Verbundenheit mit der Luftsport treibenden Jugend zu zeigen. Sie legte einen Blumenstrauß an der Gedenkstätte nieder.

 

Die Feier trug einen schlichten, jedoch sehr zu Herzen gehenden Charakter. Wir pflichten gerne Frau Jatho bei, die nachher zum Ausdruck brachte: „Man fühlte es, dass alle, die dabei waren, auch mit dem Herzen dabei waren“.

 

Die Kranzniederlegung der Traditionsgemeinschaft Ferdinand Schulz beschloss die Feier.

 

 

Seite 5   Großer Volkstumsabend in Hannover.

Die Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Niedersachsen im BvD, lädt zur Teilnahme an der „Feierlichen Eröffnung“ und dem „Großen Volkstumsabend“ im Rahmen des „1. Landestreffens der Ostpreußen“ ein. Die „Feierliche Eröffnung“, bei der Ministerpräsident Kopf, Oberbürgermeister Weber und Prof. Dr. Wolfrum sprechen, findet am Sonnabend, dem 3. Juli, 17.30 Uhr, in der Niedersachsenhalle statt. Eintritt wird nicht erhoben. Um 20 Uhr beginnt — ebenfalls in der Niedersachsenhalle — der Volkstumsabend „Heimat — so seh' ich dein ewiges Bild“ mit bekannten ostpreußischen Kulturschaffenden. Der Eintrittspreis beträgt DM 2,--, bei gleichzeitigem Erwerb des Festabzeichens (DM 1,50), das zum Besuch der Großkundgebung und aller anderen Veranstaltungen berechtigt, DM 1,--. Karten sind im Vorverkauf zu haben:

Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Niedersachsen. Anzeiger-Hochhaus, — Bund der vertriebenen Deutschen, Kreisverband Hannover Stadt, Friedrichwall 3A (Ruf 2 22 96), — und Blumengeschäft Langer, Bödekerstr 61, (Ruf 6 67 26).

 

 

Seite 5   Luftgau Kdo II

Für unser Wiedersehen ist das Lokal beim Landestreffen Hannover noch nicht festgelegt worden. Ich bitte daher, sich in Hannover bei der Organisationsleitung danach zu erkundigen bzw. in der Niedersachsenhalle auf die Ankündigungen zu achten. Falls eine andere Uhrzeit nicht angesetzt wird, treffen wir uns ab 16 Uhr. Eine Anzahl Suchmeldungen und Suchanzeigen sind eingegangen. Bei allen Anfragen erbitte ich Rückporto! Auf Wiedersehen in Hannover! W. Gramsch-Celle

 

 

Sonderveranstaltungen des Jungsturms

Im Rahmen des 1. Ostpreußischen Landestreffen in Hannover

Sonnabend, den 3. Juli:

14.00 Uhr Eintreffen im Bundesheim „Deutsches Bierhaus“ (am Thielendorf — Nähe Haupt-Bahnhof)

 

19.00 Uhr Eröffnung der Jungsturm-Ausstellung Oberreichsbahnrat Klauk;

 

20.30 Uhr Offizieller Beginn des Bundestreffens Begrüßung durch Kurt v. Münchow.

 

Sonntag, den 4. Juli:

11.00 Uhr Organisationsfragen und Neuwahlen zum Bundesvorstand;

 

15.00 Uhr Gemeinsame Abfahrt ab Thielenplatz zur Grabstätte unseres Schirmherrn. Generalfeldmarschall v. Mackensen in Wienhausen bei Celle. Kranzniederlegung nur durch den Jungsturmring. Teilnahme nur für Jungsturm und geladene Gäste.

 

Zur allgemeinen Beachtung: In allen Treffpunkten der Kreisgruppen liegen Listen zur Eintragung noch nicht erfasster ehemaliger Jungstürmer und Altpreußen aus. Alle Landsleute werden hierdurch herzlichst gebeten, uns bei der Vervollständigung unserer Vermissten-Kartei durch persönliche Angaben in den ausliegenden Listen und durch Besuch im Deutschen Bierhaus (Verlusten-Sammelstelle) zu helfen! Unsere Berliner Gruppe wird unter der Führung von Klauka und Mallin mit starker Abordnung vertreten sein!

 

 

Seite 5   5 Jahre Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Landshut

Zur Generalversammlung der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen Landshut am 19. Juni hatten sich die Landsleute im Paulanerbräu bei Landsmann Bartzick (früher Lötzen) versammelt. Der 1. Vorsitzende Franz Benedikt umriss das vergangene Geschäftsjahr 1952/1954 in seinen Vielfältigkeiten der landsmannschaftlichen Betreuungen, der Bruderhilfe Ostpreußens u. a. m. „Unser Volkstum liegt fest verankert in den Herzen der Vertriebenen, unaufhörlich müsse die Liebe zur Heimat geweckt und das Kulturgut gepflegt werden“. An die Mütter erging der dringliche Appell, die Jugend den landsmannschaftlichen Verbänden zuzuführen.

 

Landsmann Benedikt widmete den Verstorbenen ein stilles Gedenken.

 

Die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Landshut zählt über 500 Mitglieder einschließlich ihrer Familienangehörigen. Die Kasse ist gut fundiert. Nach Schluss der Tätigkeitsberichte erfolgte die Neuwahl des Vorstandes: 1. Vorsitzender Franz Benedikt, 2. Vorsitzender Otto Hinz (früher Tilsit). Beisitzer Fritz Szybalski und Heinz Günther, Schriftführer Heinr. Scheffler. Vergnügungswart Eugen Buttgereit, Kassierer Richard Koschorreck, Kulturwart H. H. Juschka, Beisitzer Frau Anna Frick, Bücherwartin Frau G. Bacher, zugleich Vertreter der Westpreußen, Frauen-Arbeitskreis Frau H. Benedikt, Vertreter des VDK Paul Block. Gerätewart Franz Lamsat und Kassenprüfer Günther Unruh und Karl Ruchatz.

 

Nachdem der wiedergewählte 1. Vorsitzende seinen alten Mitarbeitern für ihre Unterstützung dankte, bat er den neuen Vorstand um regste Mitarbeit auch für die nächsten 2 Jahre. — Das 5-jährige Bestehen begeht die Landsmannschaft mit einem Stiftungsfest am 10. Juli, im größeren Rahmen, wozu die Vorbereitungen bereits begonnen haben. Das Fest findet im Leiderer Saal statt. Mit dem Ostpreußen- und dem Westpreußenlied fand die reibungslose Generalversammlung ihren Abschluss. Viele Landsleute blieben recht lange noch in Unterhaltung beieinander. H. Sch.

 

 

Seesen am Harz

Zum Ostpreußentreffen in Hannover am 4. Juli fahren zwei große Busse um 7 Uhr vom Marktplatz ab.

 

Den Heimatabend der Ost- und Westpreußen gestaltete am 12.06. die Westpreußengruppe unter Leitung von Lieselotte Donnermann im voll besetzten Saal des Ratskellers unter dem Motto „An dem großen Strom“. Die heimatpolitische Stunde am 7. August wird unter dem Thema „Im Ordensland heute!“ authentische Berichte der Auslandspresse und von Heimkehrern über die jetzigen Zustände in den polnisch-sowjetisch besetzten Ostgebieten bringen.

 

 

Seite 5   Sportverein Lötzen nach Helgoland

Die Traditionsgruppe des Sportvereins Lötzen beabsichtigt anlässlich der Deutschen Leichtathletikmeisterschaften (6. - 8. August in Hamburg) am 6. oder 9. August einen Ausflug nach Helgoland durchzuführen. Meldungen auch von ehemaligen Angehörigen der Sp. Vg. Hindenburg und Turnverein Lötzen an W. Geelhaar, (24a) Hamburg 33, Otto-Speckter-Str. 10. W. G.

 

 

Seite 6   Eydtkuhnen. Wiederaufbau der Grenzstadt in den Jahren 1915 – 1920.

Foto: Geschäfts- und Wohnhaus in Eydtkuhnen.

Foto: Das Kaufhaus am Markt.

Foto: Haus Deyke in der Hindenburgstraße.

Foto: Häuserreihen am Markt.

Foto: Hotel Russischer Hof nach dem Wiederaufbau. Sämtliche Aufnahmen: Archiv

 

Bei dem Einfall der russischen Heere im Jahre 1914 in das Gebiet der Provinz Ostpreußen wurde auch die bekannte Grenzstadt Eydtkuhnen im Zuge der wichtigen Verkehrslinie Berlin - Petersburg zum größten Teil zerstört, hauptsächlich in den mehr geschlossenen Gebieten an der Grenze.

 

Eydtkuhnen besaß kein organisch gewachsenes Stadtgefüge, wie es die Mehrzahl der ostpreußischen Städte, oft in sehr einprägsamer Art, zeigte. Seine städtebaulichen Merkmale und Eigenheiten verdankt es den mit dem wachsenden Grenzverkehr eng verknüpften, oft plötzlich eintretenden Anforderungen, die über keine städtebaulich notwendigen Vorbereitungen verfügten. Diese Entwicklung auf Grund stetig steigender Verkehrsansprüche verlangte Entscheidungen für die Sesshaftmachung zahlreicher menschlicher Hilfskräfte und aller dazu notwendigen Anlagen, Geschäfte, Werkstätten und öffentlicher Gebäude, sowie Schulen, die ohne genügend städtebauliche Vorbereitungen und Fehlen eines gesunden städtebaulichen Wachstumes durch die beiderseitige Bebauung der Einmündung der großen Verkehrsstraße Königsberg-Insterburg-Eydtkuhnen und einer mehr geschlossenen Platzanlage am Ende dieses Verkehrsweges schlecht und recht seine Erfüllung fand.

 

Durch die Zerstörungen traten deshalb neben den großen wirtschaftlichen Schäden keine Schäden und Verluste an wertvollen alten oder neueren Stadtbildern und Baudenkmälern ein, ein Umstand, der es dem Wiederaufbau zur Pflicht machte, im Rahmen des Möglichen dem neuen Eydtkuhnen ein mehr harmonischeres Gesicht zu geben. Ich habe damals lange überlegt, wie das zu erreichen wäre, konnte aber die letzte Lösung nicht durchführen, nachdem es in der Eile des damals notwendigen Wiederaufbaues nicht möglich war, denselben auf eine neue und veränderte städtebauliche Grundlage zu stellen. So wurden die Lücken der stark dezimierten Hauptstraße wieder geschlossen, ohne eine einheitliche Bebauung zu erreichen und nur die vollkommen neu aufzubauende Platzanlage führte zu einer Lösung, die in schlichter, sachlicher Art und Gestaltung städtebaulich vertretbar war. Sie wurde im zweiten Weltkrieg zum großen Teil erneut in Schutt und Asche gelegt.

Professor Kurt Frick, jetzt Bad Reichenhall, 1915—1921 Bezirksarchitekt des staatlichen Bauberatungsamtes Stallupönen.

 

 

Seite 6   Lötzener Globetrotter seit 12 Jahren unterwegs

Seit zwölf Jahren ist er ruhe- und rastlos unterwegs. Heute hier, morgen dort. Nur auf einem harten Lager in leerstehenden Arrestzellen oder auf dem Stroh von Scheunen findet er nächtliche Ruhe. Es ist ein seltsames Gespann, der sonnengebräunte, schnauzbärtige 67-jährige Ostpreuße Otto Chrost aus Lötzen und sein mit über 80 Wimpeln, zahlreichen Plaketten und allen technischen Schikanen ausgerüstetes „Patria“-Fahrrad.

 

Seine Heimat ist seit Jahren die Landstraße und sein Ziel, 500 000 Kilometer mit seinem Stahlross zurückzulegen. 296 260 Kilometer hat Chrost bereits geradelt. Kreuz und quer führten ihn seine Fahrten durch das deutsche Vaterland, durch Österreich, Italien, durch die Schweiz, Luxemburg, Belgien und Holland.

 

Er scheint eine ewige Jugend zu haben, der Globetrotter, der lieber ein Leben voll Strapazen auf sich nimmt als irgendwo beschaulich und friedlich zu leben. Ist es Fernweh, Abenteuerlust oder Unrast, die ihm die Landstraße zur Heimat machten? In unverfälschtem, ostpreußischem Dialekt meint Weltradfahrer Otto Chrost, er wolle beweisen, dass das Alter auch noch etwas leisten könne. Von Jugend auf war er schon Mitglied eines Radfahrvereins in der alten Heimat. Als er dann vor vielen Jahren arbeitslos wurde, nahm er sich vor, nicht eher zu ruhen, bis er das Ziel erreicht hat. Inzwischen radelte er eine Strecke, die siebenmal um die Erde reichen würde. Sein Armaturenbrett am Fahrrad beweist es.

 

Der größte Kummer des mittellosen Weltenbummlers, der sich mit Spenden von Fahrrad- und Ersatzteilfirmen über Wasser hält, ist es, dass er seit einiger Zeit keinen festen Wohnsitz mehr hat und deshalb auch keinen Reisepass bekommt. Sonst würde er sich sofort aufmachen und mal ganz kurz seine Schwester besuchen, die in Praetoria (Südafrika) mit einem Irländer verheiratet ist. Dies erzählt der rastlose Radler, als ob es nur eine Tagesreise wäre.

 

Er hat die Menschen und das Leben auf seine Art kennengelernt. Das unstete Leben gefällt ihm und scheint ihm auch gesundheitlich gut zu bekommen. Seit 20 Jahren ist er nicht mehr krank gewesen, obwohl er bei Sonne und Regen, Schnee und Eis auf der Landstraße ist.

 

In seinen zwölf „Radlerjahren“ hat sich bei ihm ein Faible für Bau- und Kunstdenkmäler, Museen und Sehenswürdigkeiten herausgebildet. Alles Besondere und Schöne muss er sehen. Jetzt ist er auf der Fahrt nach Fulda. Anschließend soll es zu einer Aufnahme im Fernsehfunk in Frankfurt gehen. So wird Otto Chrost, morgen und noch viele Jahre auf den Landstraßen vom Norden bis zum Süden zu sehen sein, bis er 500 000 Kilometer mit seinem „Tretomobil“ zurückgelegt hat. Dort, wo er die 500000 Kilometer vollendet hat, wird vielleicht sein nächster fester Wohnsitz liegen. Vielleicht, wenn ihn das Fernweh nicht wieder auf die Landstraße zieht. Ottfried v. Weiß

 

 

Seite 7   Goldene Hochzeit

Am 10. Juli 1954 feiert das Ehepaar Ritter in Detmold in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit das Fest der goldenen Hochzeit. Herr Ritter hat als wissenschaftlicher Oberschullehrer fast 40 Jahre hindurch an drei bedeutenden höheren Lehranstalten der Reichshauptstadt gewirkt. Nach totaler Ausbombung von Heim und Schule wurde er beauftragt, seine Kraft und Erfahrung in der ostpreußischen Heimat an der Oberschule für Mädchen in Gumbinnen einzusetzen, von wo aus die Austreibung 1944 erfolgte. Als junger Lehrer war er von der Reichsregierung ausersehen, eine Reihe von Jahren für das Deutschtum in Rumänien zu wirken, wo er seine nunmehr 72-jährige Gattin kennenlernte und am 10. Juli 1904 heiratete. Drei in hochachtbaren Lebensstellungen stehende Kinder und acht Enkel bilden den Stolz und die Freude des betagten Jubelpaares. Herr Ritter steht heute noch rastlos im Dienste der Ostvertriebenen. Die Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgruppe Detmold, hat ihn bereits Weihnachten 1951 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.

 

 

Seite 7   Ehemalige Wehrmachtsangehörige

Kaukehmen, Kreis Tilsit: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Berg, Gutsbesitzer, Rittmeister — B/75

 

Königsberg: die Angehörigen von: Fritz Wittke, Hausmeister, Unterfeldwebel — A/6068  

 

Tilsit: die Angehörigen von: Willi Mett — B/7433

 

vermutlich Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Buttgereit, Feldwebel bei der 2. Komp., Panzer-Pionier-Batl. 59. Feldpost-Nr. 03157 — D/549

 

Ostpreußen, etwa 3 km von Breitlinde: die Angehörigen von: Vorname unbekannt  Zollands, geboren etwa 1920/1925, zuletzt bei der 13. Komp., Inf.-Rgt. 432 der 131. Inf.-Div., Feldpost-Nr. 59817 — B/7689

 

dem Memelland: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Endrolis, geboren im Memelland, verh., Bauer — B/7266

 

 

Seite 7   Traditionsgemeinschaft Ostpreußen, I.-R. 151 (61.I.-D.)

Die nächste Wiedersehensfeier findet am 25./ 26.09.1954 in Eschweiler bei Aachen statt. Anmeldungen bis 01.09.1954 an Kamerad Heinz Hase, Eschweiler/Rhld., Langewahn 45.

 

 

Seite 8   Sommerliches Elbing. Foto

Der Vorhang am offenen Fenster weht im Morgenwind. Die Sonne scheint schon hell ins Zimmer, als mich das Tuten einer Dampfersirene vom Elbingfluss her weckt. lch fahre hoch und schaue nach der Uhr, weil ich meine, verschlafen zu haben. Doch, nein, es ist noch vor sechs Uhr und ein Sonntagmorgen. Da fährt der erste Dampfer nach Kahlberg schon in aller Hergottsfrühe. Wenn wir jetzt vom Friedrich-Wilhelm-Platz durch die Kettenbrunnen- oder Wilhelmstraße zur Dampferanlegestelle gehen, treffen wir auf immer mehr Menschen, je näher wir zum Elbingfluss kommen. Jenseits des Alten Marktes wird es fast ein Menschenstrom in sommerlichen Kleidern, mit zusammengerollten Bademänteln und Decken, Badetaschen, Sandeimern und Strandspielzeug. Jede Stunde fährt jetzt ein weißer Dampfer haffwärts.

 

Bei den Bootshäusern des „Nautilus“ und des „Vorwärts“ ist auch schon Betrieb. Ruder- und Paddelboote werden zu Wasser gelassen und nehmen Kurs Elbing aufwärts zum Kraffohlskanal und nach Zeyer, und Elbing abwärts zur Thiene und zum Drausensee. Dort wartet manch schönes verschwiegenes Plätzchen zum Baden und Aalen in der Sonne, sofern die Fahrt nicht nach Ström oder Drei Rosen geht. Die Spätaufsteher können da auch noch am Nachmittag mit dem Motorboot zum Schmand-Waffelessen erscheinen.

 

Zu früher Morgenstunde sammeln sich an ihren traditionellen Treffpunkten, der „Kastanie“ bei der St. Annenkirche oder an der „Linde" in der Königsberger Straße an der Ecke Damaschkestraße die Wandervögel und ziehen mit ihren lustig flatternden Wimpeln hinaus auf den Geizhalssee geht es, auf dessen Halbinsel dann ihr Feuer brennt. In dem klaren frischen Wasser wird geschwommen und getaucht. Um einen treibenden Baumstamm werden wilde Wasserschlachten geschlagen. Gegen Abend sitzen alle im Kreis und ihre Lieder klingen über den See, bis es aufbrechen heißt und zurück zur Stadt.

 

Noch aber ist es Morgen. Unser liebes Bähnlein, die Haffuferbahn, verlässt, ebenfalls mit sonntäglich gestimmten Menschen voll besetzt, bimmelnd die Stadt. Die Ziele heißen Wogenap, Reimannsfelde, Steinort, Succase, Haff Schlößchen, Panklau, Cadinen oder gar noch weiter Tolkemit oder Frauenburg mit dem „Dom am Meer“, der Wirkungsstätte von Nikolaus Kopernikus. Von den „Haltestellen“ geht es in den Ziegelwald, die Dörbecker Schweiz, den Prußengrund, den herrlichen Buchenwald der „Heiligen Hallen“ und in den Park von Cadinen. Schön ist es auch, in den kleinen Häfen der Haffküste am Wasser zu liegen, den Seglern und Dampfern nachzuschauen. Zwischenein schwimmen wir immer wieder einmal weit in das hier meist sehr flache Haff hinaus. Schließlich sehen wir am Abend die Sonne hinter dem grünen Strich der Nehrung in unendlich wechselnden Farben versinken.

 

Die Kahlberg-Fahrer haben nach einer Fahrt vorbei an dem eigenartigen Siebengiebel-Haus und an Wiesen mit weidenden Kuhherden den Elbingfluss verlassen. Ihr Dampfer steuert der Mitte des Haffs zu, begrüßt von ganzen Schwärmen von Möwen, die sich dort beim Nahen des Schiffes von ihren Ruheplätzen auf dem Leuchtturm erheben. Sie folgen dem Dampfer. Den Fahrgästen macht es Freude, diese schlanken, schnellen Vögel zu füttern, die zugeworfene Brotbrocken oft in der Luft erhaschen.

 

Bei der Ankunft in Kahlberg scheiden sich die Geister. Die einen zieht es zuerst zu einem alten Fischerhaus dicht bei der Zedler-Mole, wo ein Schild verkündet: „Der alte Brauch wird nicht gebrochen, hier können Familien Kaffee kochen!“ Sie erholen sich im Garten im Schatten alter Kastanien zunächst einmal von den „Strapazen der Seereise“. Andere tun das mit Milch, Yoghurt, Erdbeeren und Schlagsahne oder dergleichen in der Molkerei Schroeter. Wieder andere streben zuerst zum „Hotel zum Walfisch“ oder zu anderen gastlichen Stätten. Die meisten aber machen sich sofort auf den Weg zum Strand, auf den ihnen früher oder später alle folgen. In der Seebadeanstalt und links und rechts davon gibt es für alle, die dies lieben, ein großes Strandleben. Wer aber für sich allein sein will, braucht nur ein halbes Stündchen auf der Nehrungsstraße, auf einem der parallel verlaufenden Waldwege oder am Strande entlang zu laufen, um mit Wasser, Himmel und Sand ganz allein zu sein. Nur am fernen Horizont entdeckt man hin und wieder die Rauchfahne eines Dampfers.

 

Ein wenig Neid erfüllt wohl diejenigen, die am Abend wieder in die Stadt fahren müssen, auf die „Kurgäste“, die dort bleiben dürfen. Vor den Fischerhäusern am Haff, in denen sie wohnen, sitzen sie unter blühenden Linden und schauen den Dampfern nach, die langsam weit hinten im Süden verschwinden, wo man das heimatliche Elbing vermuten kann. Den Geruch von Wasser und Sonne, von den blühenden Linden und frischen Räucherflundern, die Fischerfrauen gleich bei der Ankunft am Dampfer anboten, nahmen die Heimkehrer mit sich in die vor ihnen liegende Woche.

 

In der Stadt, die wir am frühen Morgen verließen, ist es inzwischen Mittag geworden. Nach einem guten Mittagessen machen sich diejenigen auf den Weg, die so lange noch zu Hause geblieben sind. Die Straßenbahn bringt sie nach Vogelsang, wo es allerdings auch ein Frühkonzert gegeben hat. Andere wandern zu Fuß den Mühlendamm entlang, die Bergstraße hinunter, an den Friedhöfen und Sanssouci vorbei nach Vogelsang, zum Thumberg und nach Pfarrhäuschen. Von dem großen Staubecken bei Strauchmühle dringt der Lärm der Badenden herüber. Am Wege spielt ein Leiermann seinen Leierkasten. Die sonntäglichen Spaziergänger füllen seine Mütze gern und schnell mit allerlei Münzen.

 

Die sonstigen Gartenlokale vor der Stadt. Weingrundforst, Dambitzen, Seeteich, Englisch Brunnen, die Alte Welt und wie sie immer heißen, sind mit frohen Menschen gefüllt. Aus vielen Gärten erklingt Musik. Wer gar zu bequem ist, der hat mitten in der Stadt den Stadtgarten, so dass in den Nachmittagsstunden die Straßen der Stadt menschenleer geworden sind.

 

Am Abend machen wir noch einen kleinen Bummel durch den Rosengarten in den Heimstätten oder besuchen im Hof des alten idyllischen Heilig-Geist-Hospitals eine Freilichtaufführung, die für jeden unvergesslich sein wird, der sie jemals erlebte.

 

Der Sommersonntag war zu Ende in Elbing. Am anderen Morgen erklang wieder das emsige Pochen und Hämmern auf der Schichauwerft und in den anderen Fabriken und Werkstätten dieser fleißigen Stadt. Die „Zigarren-Mädchen“ von Loeser und Wolff eilten wie alle Tage zu ihrer Arbeitsstätte in der Königsberger Straße. Allen aber blieb die Hoffnung auf den nächsten Sonntag.

 

Außerdem gab es ja Ferien! Das hieß für viele Glückliche einige Wochen „Kahlberg“. Andere, die sich das nicht leisten konnten, hatten Vogelsang, das Tal des Silberbaches mit dem Teufelstein und dem Pilz, das Belvedere, von dem man bis zum Silberspiegel des Frischen Haffs sah, die Grunower Wüsten und viele andere Möglichkeiten für schöne Ferientage auch zu Hause.

 

Gern nahmen die Frachtdampfer der Reederei Schichau für wenig Geld Wandergruppen nach Pillau und Königsberg mit. Von dort gingen wir auf Ferienfahrten ins Samland und auf die Kurische Nehrung. Am Reichsbahnhof traf man auf Jungen- und Mädchengruppen, die nach Masuren wollten. Die Ruderer gingen auf große Fahrt über die Geneigten Ebenen zu den Oberländischen Seen nach Tharden und Osterode.

 

Zur Sonnenwende brannten die Feuer auf den Höhen der Haffküste, von der wir die Feuer weit unten in der Niederung sahen. Sie brannten ebenso am Strand der Frischen Nehrung und bildeten einen weiten Bogen mit anderen Sonnenwendfeuern bis hinauf nach Danzig auf der einen und nach Pillau auf der anderen Seite.

 

Die Sommertage in der Heimat sind nicht nur Erinnerungen, die uns niemand nehmen kann. Sie haben uns geformt. Wir sollen nicht aufhören, unseren Kindern, die dies alles nicht mehr mit Bewusstsein erleben durften, davon zu erzählen. Die Sommertage daheim sollten uns mahnen, auch jetzt den Sommer zu genießen, wohin uns das Schicksal immer verschlagen hat, Ferien zu machen, auszuspannen, unseren Kindern und uns das Erlebnis deutscher sommerlicher Landschaft zu schenken in der Hoffnung, auch einmal wieder die Sonne vom Strande der Frischen Nehrung in der See versinken zu sehen. Bernhard Heister

 

 

Seite 8   Vater Pangritz lebe hoch! Von paolo il felice

36 Jahre waren vergangen, seitdem in Palästina der Deutsche Ritter-Orden gegründet wurde. Aber nur kurze Zeit darauf hatte Hermann von Salza, der Hochmeister, erkannt, dass bei den Preußen oder Pruzzen, wie sie auch genannt wurden, oben in den Landstrichen an den Ostseeküsten und den tausend Seen, der Geist des Christentums einziehen müsse. 1226 kamen die ersten Ritter nach Preußen. Eine Reihe von Burgen erstand, und im Schutze der starken Mauern ließen sich die Handwerker und die Händler nieder. Städte blühten auf, die auch heute noch im deutschen Lande jenseits der Weichsel und Oder Zeugnis geben von deutschem Schaffen, von deutscher Kraft. —

 

Eine der ersten Burgen, die gegründet wurden, war Elbing im Jahre 1237. Der Artushof und die alten Patrizierhäuser erstanden im Innern der Stadt, in der Spiering- und in der Heilig-Geist-Straße am Hospital, wo noch in neuester Zeit das Mittelalter lebendig wurde, wenn die alten Bäume im Hofe des Hospizes raunten und rauschten von den „ÄIbingern“ vergangener Jahrhunderte. —

 

Und da denke ich an meine Pangritzkolonie die dort beginnt, wo die Linie zwei Endstation machte, draußen, wenn man hinausging hinter Englisch Brunnen, dort, wo nicht weit von den ruhigen Ufern des Elbingflusses das Gelände ansteigt zur Elbinger Höhe, zu den grünen Waldungen der Elbinger Hügellandschaft, die sanft und weich nach Trunz aufsteigen. Hier war das Kirschenparadies von Elbing, wenn man nicht gerade nach Succase — Haffschlößchen hinausfahren wollte. Im Frühling, wenn die Blüten, soweit das Auge reichte, Baum um Baum bedeckten, wenn sie die Luft mit ungeahnten Wonnen mischten, dann spürte man den Fleiß deutscher Bürger, dann spürte man aber auch in der wonnigen Natur ganz besonders eindrucksvoll und gewaltig den Odem Gottes, dann begriff man das Geschenk eines liebenden Vaters an seine Kinder. Süße und Reinheit, wie zwei Pokale geleert in die Fluten der Sehnsucht, so wurde hier in der Zeit der Kirschenblüte der Seele Verlangen nach unendlicher Wonne und Milde gelindert. Und das Glück und der Frieden Gottes ward mir zu eigen, unbewusst, aber lieblich und schön, wunderbar verklärt von den Strahlen der Sonne über Westpreußen. Hier hatte nicht Potrimpos, auch nicht Pikollos oder gar Perkunok, auch nicht Kurche, der Erntegott der alten Pruzzen, seine Macht entfaltet, sondern die Kultursaat des Christentums, gestreut von den Deutschen Ordensrittern, zeigte hier mannigfaltige und wunderbare Früchte.

 

Dank sei dem Kaufmann Gottfried Pangritz, der im Jahre 1801 von der Stadt Elbing ein Stück Sandland und Ellernbruch in Erbpacht nahm und damit zum Stammvater der Elbinger Kolonisten wurde. Sein Haus, das er sich damals baute, mag auch heute noch stehen und von dem Mut des Mannes künden, wenn der Krieg nicht auch dort Tod und Vernichtung gespien hat. Das Haus vom alten Pangritz war die „Alte Welt“, gebaut an der Paulikirchstraße, auf einem Hügel. — Pangritz gab das übrige Land an Kolonisten ab. Und die alten Katen draußen am Rande der Stadt, überwachsen von knorrigen Kirschbäumen oder Fliederstauden, geben uns so manchen Gedanken der vergangenen Gründerzeit der Kolonie an die Hand. Aus kleinen Siedlungshäusern des vergangenen Jahrhunderts erstand der jüngste Stadtteil Elbings: Die Pangritzkolonie“ —

 

Bald wurde die Adalbert-Schule errichtet, und später die Adalbert-Kirche hinter dem „Poggeteich“ an der Pangritzstraße erbaut, zum Andenken an den hl. Adalbert von Prag, der im Samland an der Ostseeküste von den Pruzzen erschlagen ward. Die Pauluskirche erstand, die zuletzt von Pfarrer Jeroschewitz verwaltet wurde, der fern in den endlosen Weiten Russlands sein Leben für uns, die Zurückgebliebenen, gelassen hat. Er starb in der Internierung. — Der alte Friedhof wurde angelegt im vorigen Jahrhundert schon, ursprünglich für Missetäter gedacht, zwischen der Horst-Wessel-Straße und der Königsberger Straße, wenn man hinausging nach Vogelsang an Klein-Röbern vorbei. 1944 lag so mancher Totenschädel und so manches Gebein verblichen an der Straße, die nun neu gepflastert wurde.

 

Die Kolonisten hatten eigene, bodenständige Begriffe von Kultur und Tradition. Schon ihre Sprache unterschied sich in der Breite von dem „Älbingsch“. Wie sangen wir doch immer als Kinder:

 

De Omche sucht de Brill,

macht Schlorre ze Jemill,

De Joppsche schreit all wedderre mol:

De neie Hose öß all voll!

De Omche haut die Schlorre droff.

Se hat de olle Brille off! —

 

Wo bist du? Du Zeit voller Pomochels und Stuchelinskes, voller Schocke onn voller Wruken! Du kommst sicher wieder, denn die Kolonie braucht uns! — Du lebst. Elbing, in den Herzen deiner Kinder weiter, du gibst dem Verstoßenen die Kraft zum Aushalten in der Fremde. Du wartest auf uns, das wissen wir. Und wenn wir einst zurückkehren dürfen in unsere Heimat am Elbingfluss und an der Hommel oder an der Hoppenbek, dann wollen wir zuerst deinen heiligen Boden mit Tränen der Freude tränken, dann wird ein zeitloser Frühling heranbrechen für deine Bürger, die zerstreut in der Ferne wohnen. Ein herbes Heimweh hat uns erfasst nach dir, Heimat, ein Sehnen nach Waldesrauschen und Wellenplätschern, eine unstillbare Sehnsucht nach Sonnenglanz in deiner Schönheit. Aus der Fremde rufen wir dir zu: Es lebe Elbing! Es lebe Vater Pangritz. -

 

 

Seite 8   Bundestreffen der Westpreußen in Bochum vom 09. – 11. Juli 1954

Ausstellung westpreußischer Maler und Bildhauer vom 03.07. bis 31.07.1954, Bongardstraße 16. – Feierliche Eröffnung vom 03.07.1954, 11 Uhr.

Ausstellung der DJO „Deutsches Land im Osten“ im kleinen Sitzungssaal des Bochumer Rathauses vom 03.07. bis 31.07.1954.

 

Sonnabend, 10. Juli 1954

09.30 Jugendführer und Mädelarbeitskreis im Hotel Helmich, Bochum-Weitmar, Kemnader Straße 23

 

10.00 Tagung der Kulturschaffenden in der Gaststätte „Zur Bergschule“, Herner Straße 19.

 

10.00 Tagung der Delegierten der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Gaststätte Kortländer, Herner Straße 1

 

10.00 Ausflug der Frauengruppe nach Blankenstein. Treffpunkt: Tierpark-Restaurant.

 

16.00 Eröffnung des Bundestreffens 1954 im Festsaal des Rathauses Bochum (auf besondere Einladung) Es sprechen umrahmt von Musik: Erik von Witzleben – Oberbürgermeister Heinemann – Staatssekretär Franz Thedieck – Prof. Dr. Erich Keyser, Marburg

 

19.00 Feierstunde der Jugend, Ort: Parkaus-Terrasse. Ansprachen von: Hans-Jürgen Schuch, Hugo Rasmus und Walter Kutscherra, MdB umrahmt von Lied und Tanz

 

20.00 Begrüßungsabend. Reg.-Bezirk Danzig und Marienwerder im Parkhaus – Reg.-Bezirk Bromberg im Saal des Industrie-Hotels. Mit: Wilhelm Damaschke, Rudolf Jlsemann, Tenor, zwei Trachtengruppen der Landsmännischen Vereinigung. Unser Sprecher und sein Stellvertreter heißen die Landsleute willkommen. Gemütl. Beisammensein, Tanz.

 

20.00 Lichtbild-Vortrag im Saal des Bergbau-Museums, Vödestraße 28, Georg Hoffmann „Deutsches Land an der Weichsel“.

 

Sonntag, 11. Juli 1954

07.00 Turmblasen der Bochumer Posaunenchöre auf dem Rathausplatz

 

08.00 Gottesdienste Ev. Gottesdienst Martini-Kirche, Bochum-Engelsb., Essener Straße 37. Predigt: Geistl. Studienrat Dr. Rich. Stachnik. Kath. Gottesdienst: „St. Annen-Kirche“, Bochum, Kramerstraße 10. Predigt: Geistl. Studienrat Dr. Erich Stachnik.

 

09.00 Einlass in die Halle des Bochumer Vereins.

 

10.00 Konzert der Knappenkapelle des Pestalozzidorfes Bochum-Weitmar.

 

10.30 Einmarsch des Festzuges der heimattreuen Ost- und Westpreußen.

 

10.50 Auftakt: 1. Preußens Gloria; 2. Des Großen Kurfürsten Reitermarsch.

 

11.00 Großkundgebung in der Halle des Bochumer Vereins, gemeinsam mit den heimattreuen Ost- und Westpreußen.

 

Begrüßung und Totenehrung durch den Landesobmann von Nordrhein-Westfalen, Dr. Pockrandt.

 

Vorspruch der Jugend der heimattreuen Ost- und Westpreußen. Grußwort des Vorsitzenden der Landsmännischen Vereinigung ostdeutscher Heimatvereine, E. Quade.

 

Vorspruch der Westpreußen-Jugend. Es sprechen: Bundestagspräsident D. Dr. Hermann Ehlers. Bundesminister Professor Dr. Oberländer. Sprecher Erik von Witzleben. Deutschlandlied.

 

13.30 Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Kommunalfriedhof.

 

14.00 Heimatkreistreffen in den Heimatkreislokalen.

 

Festplakette und Festschrift 1,-- DM — Zum Eintritt zu allen Veranstaltungen berechtigt die Festplakette.

 

 

 

Seite 9   Fünfzig Sommer in Cranz: Mit der „Nuscheljäre“ an den Ostseestrand.

Foto: Blick auf den Nordbahnhof, den alle Königsberger Ausflügler in lieber Erinnerung haben.

Fotos. Gewiss, wenn die Juli- und Augustsonne so richtig brannte, hielten es die wenigsten Königsberger in ihrer Stadt aus. Mit der Samlandbahn und der Cranzer Bahn flüchteten sie an den herrlichen Ostseestrand, nach Rauschen, Warnicken, Neukuhren oder nach Cranz mit seinem Massenbetrieb und nach den vielen anderen idyllischen Badeorten an der Samlandküste. An besonders heißen Tagen zählte man oft über 150 000 Königsberger, die mit Kind und Kegel sich an dem Strand tummelten. Wer aber, besonders an den Wochentagen, ein erfrischendes Bad suchte, der konnte es auch in den Königsberger Badeanstalten  finden. Neben den Badeanstalten im Oberteich gab es noch die verträumte Badeanstalt im Hammerteich (linkes Bild) und die moderne Badeanstalt vor dem Sackheimer Tor (rechts im Bilde). Aufn.: Foto-Pohle

 

Man schrieb das Jahr 1894. Obwohl die Bahnverbindung nach Cranz schon vorhanden war gehörte es dennoch aus mancherlei Gründen zur Gewohnheit alter Königsberg-Cranzer Sommergäste, mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack per „Journailliere“ (wir Kinder sagten „Nuscheljäre“) auf Sommerfrische nach Cranz zu ziehen. So fuhr auch unsere liebe Großmutter, die „Rentjärin B.“ Jahr für Jahr mit uns fünf Enkelkindern hinaus, während die Eltern ihr großes Lebensmittelgeschäft versahen. Wer weiß heute noch, wie eine solche Journailliere aussah und welches Glück sie für kurze Zeit umschließen konnte.

 

Früh morgens schon stand der zweispännige überdachte Wagen, der vorne für Kutscher und Fahrgäste zwei gepolsterte Bänke und dahinter, seitwärts mit Segeltuch verhangen, Raum für das Gepäck vorsah, vor der Tür. Wir Kinder stürmten unsere geliebte Nuscheljäre und saßen erst mal Probe. „Runter“ kommandierte Großmutter, denn zuvor mussten hinten umfangreiche „Pungels“ mit Betten, Wäsche, Küchengeschirr, Petroleumlampen usw. verstaut werden, wobei Großmutter mit Kapotthütchen, Mantille, Schleppenrock und Pompadour wie ein geschickter Feldwebel das Kommando führte. Dann kletterten wir mit Eimern, Schaufeln, Schmetterlingsnetzen und Tornister (denn auch in den Ferien mussten geistige Lücken ausgefüllt werden) auf den Wagen. Welch ein Moment, wenn die Pferde anzogen und es im Trab durch die Stadt ging zur Cranzer Allee hinaus. Etwa auf der Hälfte der Strecke nach Cranz wurde das Gespann gewechselt und mit neuen (Pferde)-Kräften rollten wir der See zu. Schon lange vor Ankunft schnupperten wir die uns so vertraute salzige Seeluft; vor Begeisterung puffte ich meinen Bruder hinter Großmutters Rücken in die Rippen. Gerne verzichteten wir nun auf den uns bisher so herrlich umwehten Geruch der schwitzenden Pferde. In Cranz standen wir bald vor unseren altgewohnten Wirtsleuten und mit „Ach nei, ach nei“ und „Erbarmen Se sich, wie groß all de Kinderchens sind“ begrüßen sie uns stürmisch. Großmutter kommandierte „Abladen", und da standen wir nun wie betäubt, atmeten in langen Zügen die wunderbare Seeluft und hörten das geheimnisvolle Rauschen der See, das den ganzen Ort erfüllte. Im Nu war die Wohnung hergerichtet, Strümpfe und Jacken flogen im Bogen (ja, Kuchen, bei Großmutter gabs das nicht. So lieb und gütig sie im Grunde war, so streng hielt sie bei uns Rackers auf Ordnung). Also: es erfolgte Ausgabe der Sandalen und des Strandgerätes und nach kurzem Mittagessen (wer hatte jetzt Appetit) stürmten wir an den Strand. Immer wieder, Jahr für Jahr, standen wir wie verzaubert auf der Strandpromenade und sahen dem ewigen Spiel der Wellen zu und hörten den donnernden Aufschlag der Wasserberge auf das Ufer. Dass wir abends ohne Kommando einschliefen, war natürlich.

 

Am Morgen weckten uns Sonne, ungewohntes Hühnergackern und Hundegebell. Die Milchfrau kam und der Bäckerjunge, von Großmutter mit auf der Nasenspitze sitzender Brille selbst abgefertigt. Einwände oder Begriffsstutzigkeiten pflegte sie kurz mit den Worten „Dumme Quakerei und kein End“ abzutun. Gegen das frische Gebäck und die herrliche Milch gäbe ich heute gerne Kuchen und manchen guten Tropfen. Wie gewohnt, gingen wir Jungens an den Strand mit der üblichen „Wurst“ unter dem Arm (Badehose in Handtuch eingerollt) und zwar bis an das Ende der Strandpromenade nach Westende zu, wo sich die Herren-Badeanstalt befand, während die Schwestern in der Damen-Badeanstalt am anderen Ende der Promenade, nahe der Plantage badeten. Ein Familienbad oder Freibaden war damals nicht üblich, ersteres wegen der Sittsamkeit, das andere wegen der „Gefährlichkeit“. Nur von weitem, mit Hilfe von Operngläsern, konnten ältere Semester ihre weiblichen Angehörigen „betreuen“. Aber sie sahen nur in Badekleider (lange, unten zugebundene Hosen und Jacke mit Öltuchhut) gehüllte Gestalten. War das Baden beendet, so gingen wir Jungens mit unseren Freunden auf Indianerfahrt, bauten Sandburgen, oder die Älteren versuchten sogar ihre ersten Zigaretten, worauf sie trotz Sonne mitunter etwas bleich aussahen. Gegen den verdächtigen Atem wurden Mundspülungen mit Seewasser vorgenommen oder eine vorsorglich mitgenommene Kaffeebohne zerkaut. Oft halfen wir auch den Fischern beim Einlaufen, ihre Kähne mit der Winde auf den Strand zu ziehen, wofür wir manchmal mit einer Miniaturflunder belohnt wurden, die wir dann im Eilmarsch stolz der Großmutter zum Braten präsentierten. Großmutter meinte schmunzelnd: „Na Jung, das lohnt doch kaum das Fett“. Einen eigentümlichen Akzent im Bilde des öffentlichen Lebens schufen damals die zahlreichen Russenfamilien von der nahen Grenze, die jedes Jahr ihre Sommerfrische wegen der größeren Freiheit und Billigkeit gerade in Cranz verlebten. Die schulpflichtigen Saschas, Koljas und Pjotters trugen alle eine Einheitsuniform: lange schwarze Hosen, eine helle, am Halse geschlossene Leinenlitewka und eine dunkle Schirmmütze mit silbernen Abzeichen. Das gehörte damals zusammen mit den fremden (russ. und poln.) Lauten zum Straßen- und Strandbild. Mit Vorliebe sah man sie auf dem Platz hinter der Schießbude in der Plantage aufgeregt Kricket spielen.

 

An jedem Nachmittag machte Großmutter mit ihrer Enkelschar einen ausgedehnten Spaziergang in den Wald. Da die Seeluft besonders großen Appetit verschaffte, nahm Großmutter in ihrem umfangreichen braunen Plüschpompadour mit Riesenmonogramm stets vorsorglich einiges Gebäck mit. Jedes Kind erhielt nach längerem Fußmarsch einen dünnen Berliner Kringel und so kamen wir unangefochten am Restaurant „Waldhaus“ vorbei, wo uns Schilder wie „Baiser“ (von uns Bekick genannt) und „Heute frische Erdbeeren mit Schlagsahne“ mächtig in die Augen stachen. Kurze Rast auf dem Spielplatz, der uns mit Reck, Barren, Ringspiel lebhaft beschäftigte. Weiter ging es nach dem Aussichtsturm in „Klein-Thüringen“, der einen weiten Blick auf See und Haff sowie die Wälder der Nehrung gewährte, oder nach Schwentlund am Haff, das man später erblickte als das große Schild „Schmand mit Glumse“. In der Regel schwenkten wir aber vorher in den Weg ein nach Fichtenhain. Hier war heute Kurkonzert, das zwischen Plantage, Waldhaus und Fichtenhain abwechselte. Schon von weitem hörte man Musik, und immer wieder spürte ich es als ein Wunder, dass mitten im Walde, wo Vögel sangen und Mücken summten (sehr zum Leidwesen unserer Arme und nackten Beine) geheimnisvolle Musik ertönen konnte. Im Fichtenhain zogen wir dann eilig mitten durch die „Siegesallee“ des Gartens (aufgestellte Kaiserbüsten der „Friedrichs“ und „Wilhelms“), schnupperten den erfrischenden Kaffeegeruch der „brühenden“ Kurgäste, erblickten flüchtig die Kurkapelle in ihrem Pavillon und ließen entsagungsvoll dies Paradies hinter uns. Dank Dir, liebe Großmutter, heute noch, dass Du uns frühzeitig die Entbehrung allzu großer materieller Genüsse lehrtest. Wie herrlich schmeckten dafür die in der Nähe des Fichtenhains besonders zahlreich — wie um uns zu trösten — und groß wachsenden Erd- und Blaubeeren, die unsere Lippen und Zungen in kurzer Zeit blau wie die Veilchen färbten. Es entstand ein regelrechter Wettbewerb um die „blaueste Schnute“. Ließ sich Großmutter gelegentlich herbei, uns Erdbeeren mit Schlagsahne zu „spendieren“, so war es Ehrensache, dass wir dafür nachher freiwillig die Taschen mit „Schischken“ (Tannen- und Fichtenzapfen) füllten, die Großmutter zum Feuermachen in großen Mengen benötigte.

 

Bald nahte das Kinderfest, rechtzeitig wie alle Gemeinde-Bekanntmachungen von einem Trommler und einem „Ansager“ an allen Ecken des Dorfes vor offenen Kindermäulern verkündet. Das gab neue Aufregung für uns Kinder, die wir mit den Spielgefährten und Gefährtinnen in den Gartenlauben so manches Theaterspiel in den herrlichsten improvisierten Verkleidungen inszeniert hatten. Und jetzt sollten wir richtige Kostüme anziehen. Es erhob sich, nun die Frage „als was wollte man gehen“. Nun, man begab sich wie üblich zum Gemeindeamt und erhielt dort auf dem großen Boden, je nach Geschmack und Größe, ein Kostüm geliehen. Bevorzugt waren Bauernburschen, Fischer, Palmnicker Bergmänner, Wichtelmänner, Prinzen, Soldaten und für Mädchen Dirndlkleider, Schneewittchen und Rotkäppchen. Am Festtag, „Kinderfest“ genannt, zog alles zu Fuß oder auf Wagen, manche auch zu Pferde, mit einer Fülle von selbstgesuchten Kornblumen und Maßliebchen geschmückt, hinter der Kurkapelle durch den Badeort nach der Plantage, wo sich Tanz, Verlosungen mit Sacklaufen, Stangenklettern auf eingeseifter Stange nach Mundharmonikas, Taschenmessern, Spiegel und Hosenträger abwechselten. Abends zogen die Kinder in Fackelpolonaise (mit Lampions) durch den Garten und ein buntes Feuerwerk, dessen letzte Raketen man gewöhnlich schon im Schlaf hörte, beschloss den aufregenden Tag. So zogen wir Tag für Tag an den Strand, bis man braun war wie ein Neger, wofür man später in der Stadt von den Geschäftsfreunden meines Vaters sich den Titel „Sabac el Cher“ (Mulatten-Militärkapellmeister der „Kronprinzer“ vom Herzogenacker) gefallen lassen musste. Abends in der Kühle beruhigte dann stets ein kurzer Spaziergang über die Strandpromenade, an dem hellerleuchteten Monopol vorbei, von dem aromatische Grogdüfte herüberwehten, vorbei an den „Lästerbänken“ und den Restaurants „Gutzeit“ und „Schloß am Meer“. Zwischen ihnen, auf dem späteren Parkplatz vor dem Gemeindeamt, musizierte damals abends die Kurkapelle in einem kleinen Pavillon.

 

Als größere Schüler machten wir in manchem Jahr mit dem Dampfer von Cranzbeek aus Schulausflüge nach Rossitten zur Vogelwarte des Prof. Thienemann, staunten dann über die riesigen gelben Sandgebirge auf der Nehrung, wo uns nur links und rechts die blaue See und das Haff umgaben und die Sonne vom klaren Himmel uns aufs Gehirn brannte. Unvergesslich, als wir aus der Ferne einen urigen Elch ruhig seines Weges ziehen sahen. Jahr für Jahr verbrachten wir die Sommerferien in Cranz, stets mit neuen Erwartungen und Sehnsüchten hinausziehend und jedes Mal reich beschenkt mit Erlebnissen und frischer Kraft zur Stadt, Eltern und Schule heimkehrend. Das Abitur beschloss die Reihe der Jugendjahre, Großmutter starb, und der Beruf ergriff uns mit seinen Sorgen und Nöten. Der erste Weltkrieg nahm uns in seine Fänge. Später, als ein eigenes Heim gegründet wurde und Arbeit und Fleiß uns größere Reisen ins Ausland gestatteten, erlebte man immer wieder das Wunder, dass trotz der Alpen, Italien, Schweiz, Frankreich und Nordsee die Heimat jeden Vergleich in Bezug auf die landschaftlichen Schönheiten in ihrer Vielfältigkeit aushalten konnte. Insbesondere stellte man fest, dass es derartig kräftigenden Seebäder und einen solch herrlichen weichen und sauberen Sandstrand mit Steilküste wie an der Küste des Samlandes kaum anderswo in Europa gab. Cranz blieb für den, der es gut kannte, sich stets gleich. Trotz des von Jahr zu Jahr zunehmenden Fremdenverkehrs fand man immer wieder nach Neukuhren oder nach Sarkau ein Plätzchen, wo man mit sich und der Natur allein war.

 

Interessant war es, wie sich die Küste im Laufe der Zeit veränderte. Einige Jahre vor dem letzten Kriege wurden vor Rosehnen mit großen Kosten Buhnen (das sind doppelte Pfahlreihen mit Steinfüllungen dazwischen) in die See getrieben, um dem ewigen Nagen der Wellen an der Küste Einhalt zu gebieten. Das gelang auch planmäßig. Wo früher die Wellen tief in die Bucht bei Rosehnen hineingriffen, spülte die See nunmehr jedes Jahr ungeheuere Sandmassen an, den Strand so erheblich verbreiternd, wie es beabsichtigt war. Infolgedessen verlagerte sich die Sucht der großen Bucht Cranz-Neukuhren nördlicher mit dem Erfolg, dass nördlich von Rosehnen, wo die Buhnen aufhörten, jetzt die Wellen, bei dem Versuch, neue Bucht zu bilden, gierig ins Land hineingriffen und durch Absturz von Erdmassen riesige Schluchten erzeugten, die bei Villa „Flunder“, der letzten von Cranz, bis unmittelbar an die Haustür reichten. Es ist grausig zu denken, dass heute die Zerstörung, mangels rechtzeitiger Vorsorge und Abhilfe, erheblich weiter fortgeschritten sein mag.

 

So kam das 50. Jahr (1944) meiner stets wiederholten Sommerbesuche von Cranz heran. Die Fluten der Flüchtlinge aus Nordostpreußen und Baltikum ergossen sich über die Nehrung nach Cranz. Es war mir eine traurige Pflicht, dabei eingesetzt zu werden, um die Flüchtlingsströme aufzufangen und richtig weiterzuleiten. Eine Unmenge von Vertriebenen und Militär bevölkerte Cranz. Das Kurhaus, das in Friedenszeiten so viel strahlendes Glück und zufriedene und gesunde Menschen gesehen hatte, war ein großes Strohlager geworden, der Kurpark ein Heerlager.

 

Mag Cranz inzwischen den ungebändigten Naturgewalten und fremden Einflüssen manches schwere Opfer gebracht haben, keine Macht der Erde aber kann ihm die See und den Strand rauben, die uns unablässig rufen und zur Rückkehr mahnen.

 

 

 

Seite 10   Europäisches Königsberg

Eine Tochter Europas nennt sich Königsberg zwar nicht. Aber bald nach seiner Gründung trat es in das Blickfeld Europas, und es pflegte seine europäischen Beziehungen, solange es möglich war.

 

Politische Entscheidungen von gesamteuropäischer Tragweite gingen bereits seiner Gründung voraus. 1230 rief Papst Gregor II. zum Kreuzzug gegen die Pruzzen auf, und Hermann von Salza, der Hochmeister des Deutschen Ritterordens, sandte auf Wunsch des polnischen Herzogs Konrad von Masovien und im Einvernehmen mit dem in Palermo residierenden deutschen Kaisers Friedrich das Ordensheer in das Altpreußenland. Ritter aus allen deutschen Stämmen, aus Britannien, Dänemark, Frankreich, Oberitalien, Ungarn, Polen, der Adel Europas, ritt gen Osten. Auch der König von Böhmen, Ottokar II, hatte das Kreuz genommen. Ihm zu Ehren nannten die Deutschritter 1255 ihre im unterworfenen Land am Pregel gebaute neue Burg Königsberg.

 

Die ersten Bewohner Königsbergs kamen aus den niederdeutschen Gebieten, aus Mitteldeutschland und aus dem vom Orden beherrschten Preußenland. Durch die Jahrhunderte hindurch zog die aufblühende Stadt immer wieder fremde Zuwanderer an, niederländische Handwerker, schottische Kaufleute und besonders die durch den Großen Kurfürsten angesiedelten reformierten Flüchtlinge aus Frankreich. Das französische Element erlosch nie, bis zum Untergang der Stadt. Die französisch-reformierte Kirche und ihre Gemeinde, die französischen Bürgernamen und die Namen der Französischen Straße und der Französischen Schulstraße belebten die bunte Vielfalt des städtischen Lebens. Der ständige Zuzug aus der Provinz ließ die Hauptstadt zu einem Spiegelbild des vielgestaltigen ostpreußischen Volkstums werden. Damit strömte neben dem altpreußischen auch litauisches, kurisches und masurisches Blut in die Stadt hinein, und die Nachkommen der zugewanderten Mittel- und Süddeutschen, Salzburger, Schweizer, Holländer schlossen sich an. Die Salzburger haben 200 Jahre lang ihre Überlieferung gepflegt und haben heute nach der Vertreibung aus der zweiten Heimat wieder freundschaftliche Verbindung mit ihrem Stammland. Familienforschung war schwierig, aber interessant in Königsberg. Die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, ob Königsbergs größter Sohn Immanuel Kant abgesehen von seinem deutschen Blutsanteil auch schottischer oder aber kurischer Herkunft sei, reichen bis in unsere Tage.

 

Mannigfaltig wie die Abstammung der Bewohner war die Herkunft der Besucher. Groß war die Ausstrahlung des Kulturzentrums Königsberg, seiner Großen: Kant, Hamann und Herder, und seiner Universität. Größer noch wurden die gesamteuropäischen Beziehungen durch den Seehandel der Hafenstadt. Königsberg, Mitglied der Hanse, trieb schon hundert Jahre nach seiner Gründung Handel mit Flandern, England, Frankreich und Litauen. Auf Schonen in Südschweden hatte die Stadt einen Versandplatz für Heringe in eigener Verwaltung. 1937 war es soweit, dass von 3500 einlaufenden Seeschiffen 914 aus dem Ausland kamen, und zwar 346 aus den Niederlanden, 118 aus Lettland, 82 aus Schweden, 66 aus Großbritannien, 63 aus Finnland, 48 aus Belgien, 24 aus Dänemark, 20 aus Norwegen und 147 aus dem übrigen Ausland. Im gleichen Jahre kamen im seewärtigen Güterverkehr 700 000 von 2 700 000 Tonnen aus dem Ausland. Ins Ausland versandt wurden 200 000 von 800 000 Tonnen.

 

Seit 1920 förderte die Deutsche Ostmesse mit jährlichen Messen und Sonderausstellungen den internationalen Königsberger Handel. Diese Königsberger Messe mit starker ausländischer Aussteller- und Besucherzahl gehörte der Union der Internationalen Messen an. Der Osteuropa-Verlag und ein Wirtschaftsinstitut für die Oststaaten waren ihr angeschlossen. Die Länder Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Schweden, Spanien, Tschechoslowakei und Ungarn hatten in Königsberg Generalkonsulate, Konsulate oder Vizekonsulate, einige mit Berufskonsuln, die anderen mit Ehrenkonsuln aus der Königsberger Kaufmannschaft besetzt. Freundschaftliche kommunalpolitische Begegnungen hatte Königsberg mit der Stadtverwaltung Riga. Zwei Königsberger Erzeugnisse trugen den Namen der Stadt weit in die Welt. Der an der Samlandküste gewonnene Bernstein, schon zu frühgeschichtlicher Zeit nach Vorderasien geholt, wurde in der Königsberger Staatlichen Bernsteinmanufaktur verarbeitet, und auch das traditionelle Königsberger Marzipan fand Käufer in europäischen und überseeischen Ländern.

 

Die Stadt Königsberg stand im Blickfeld Europas bis zu ihrem Untergang. Die packendste Dichtung über den Zusammenbruch der Stadt schrieb ein Franzose, der ehemalige Kriegsgefangene Louis Clappier aus Paris. Inzwischen ist das Unvorstellbare geschehen, dass Königsberg isolierter und uns ferner gerückt ist als eine Südseeinsel. Europa hat Königsberg verloren. Europa sollte Königsberg nicht vergessen.

 

 

Seite 10   Ule und Oape

Zu dem Aufsatz in der Ostpreußen-Warte Nr. 6 „Kleiner Streifzug durch unsere Provinzialhauptstadt“ möchte ich ein wahres Erlebnis von den Königsberger Fischfrauen nachtragen.

 

Meine Tante und ich — wir stammten aus einer fischarmen Gegend und kannten nur wenige Fische — gingen über den Fischmarkt. An einem Stand machten wir Halt und meine Tante fragte die Fischfrau:

 

„Sagen Sie bitte, was sind dies für Fische?“

---- Schweigen ----

Meine Tante nahm an, die Frau wäre schwerhörig und wiederholte ihre Frage in großer Lautstärke:

„Sagen Sie bitte, was sind dies für Fische?" — wieder Stille. — — —

 

Dann erhob sich langsam die Fischfrau, stemmte beide Arme in die Seiten und sagte laut und deutlich: „Dat sin Ule und Oape, genau solche wie Ju seid!“

 

Wir waren so verdutzt, dass wir erst stillschweigend ein paar Schritte weitergingen. Dann begriffen wir, was die Frau gesagt hatte. Da haben wir Tränen gelacht. Traute Hoffmann, Hamburg-Langenhorst

 

 

Seite 10   Landsleute bitte herhören!

Wir suchen und wer berichtet:

 

Angest. Eduard Heinrich;

 

Bibliothekar Dr. Wolfgang Hermann;

 

Hertha Hoelge, geborene Schutzpolizei-Hansaring) – ich denke hier fehlt etwas oder ist ganz falsch.

 

St.-Insp. Fritz Huuk;

 

St.-Insp. Hennig;

 

Fritz Harnisch (K.W.S.);

 

Lehrer Holm;

 

Hausmeister Hippel;

 

St.-Insp. Hans Hand;

 

St.-Sekr. Maria Haack;

 

Bauführer Hüge;

 

Anna Hoffmann (Fuhrges.);

 

Emil Hock (K.W.S.);

 

Angest. Gertrud Hoppe, geb. Schmidt;

 

Harder (Hafen);

 

Hans Hamm (Alters- und Pflegeheim);

 

Spark.-Angest. Holl;

 

St.-O.-Insp. Haase;

 

Schloßoberinspektor Fritz Henkensiefken;

 

Lehrerin Frieda Haubensack;

 

Angest. Heßky (Wi.-A.);

 

Steuervollz.-Sekr. Emil Heske und Frau;

 

Kammermusiker Fritz Haake;

 

Gartenarbeiter Fritz Heinrich;

 

Angest. Jobke;

 

St.-O.-Bauinspektor Paul Jürgens;

 

St.-Insp. Johannes Jahnke;

 

Angest. Jaschinski;

 

Insp.-Anw. Karl John;

 

Ermittl.-Beamter Heinrich Jahnke;

 

Christel Jürgasch-Saul;

 

St.-Insp. Jedamzick (zuletzt Zahlmeister);

 

Arbeiter Otto Jackstein; Frau Iwohn (Stiftung);

Spark.-Angest. Jäger.

 

Für die Berichterstattung danken wir namens der Suchenden:

 

Erich Kolleck,

 

F. Mehrwaldt,

 

Liebetraut,

 

Ernst Rosteck,

 

Gertrud Hink.

 

Bei Anfragen bitte stets Rückporto beilegen.

 

Zur Vermählung am 18.06.1954 gratulieren wir unserem Arbeitskameraden St.-Ober-Insp. Heini Newiger und Wilma, geborene Pestrup.

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten und -Arbeiter. (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1

 

 

 

Seite 10   Sackheimer Mittelschüler trafen sich. Foto.

Wieder einmal hatte sich die Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler und Schülerinnen Königsberg/Pr. zu ihrem Jahreshaupttreffen in Düsseldorf zusammengefunden. Obwohl viele Schulkameradinnen und Kameraden einen weiten Anmarschweg zu überstehen hatten, war es zirka 90 Heimatgetreuen zu einer Selbstverständlichkeit geworden, an diesem Treffen teilzunehmen. Auch von den ehem. Lehrkräften unserer Schule waren vier Vertreter, und zwar Frl. Haugwitz und die Herren Sadowski, Feyerabend und Konopatzki anwesend und wurden von ihren ehem. Schülerinnen und Schülern stürmisch begrüßt. Besonders wäre hier zu erwähnen, dass Herr Konopatzki erst vor zirka 4 Monaten aus russischer Gefangenschaft zurückkehrte.

 

Schon um 6 Uhr morgens trafen die ersten Teilnehmer im Versammlungslokal ein. Das Tagesprogramm wurde mit einer allgemeinen Omnibus-Stadtrundfahrt eingeleitet, führte an alle Sehenswürdigkeiten von Düsseldorf und auch zum Flughafen, wo die Teilnehmer Gelegenheit hatten, auch die Landung und den Start mehrerer ausländischer Maschinen und das Leben und Treiben auf einem internationalen Flugplatz zu beobachten. Nach dieser Rundfahrt fand dann ein gemeinsames Mittagessen im Garten des Tagungslokals statt, dem sich ein Preisschießen für Damen und Herren anschloss. Hierbei ging es schon recht lustig zu, da als erster Herrenschießpreis eine Flasche Bärenfang und als erster Damenschießpreis eine große Torte in den Vereinsfarben den Siegern überreicht wurde.

 

Um 16 Uhr begann dann die eigentliche Festversammlung im festlich geschmückten Saal, zu der auch der erste Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, in Nordrhein-Westfalen, Herr Grimoni nebst Gattin, der auch von Sackheim stammt, erschienen war. Der erste Vorsitzende Schulkamerad Herbert Minuth begrüßte alle Teilnehmer auf das herzlichste und dankte für ihr Erscheinen. Die Feier begann mit einer Totenehrung, der sich eine Ehrung von verdienten Mitgliedern anschloss.

 

Zum Ehrenvorsitzenden der Vereinigung wurde der Gründer der Vereinigung von 1920, Schulkamerad Ernst Witt ernannt. Zu Ehrenmitgliedern wurde der letzte amtierende Rektor der Schule, Herr Mittelschulrektor i. R. Willi Zeil, Herr Mittelschullehrer i. R. Jul. Sadowski und die jetzige Realschullehrerin Frl. Käthe Haugwitz ernannt und durch die Überreichung von Urkunden geehrt.

 

Ein Treuebekenntnis zu unserer ostpreußischen Heimat und zu unseren Landsleuten in der sowjetischen Zone bildete den Höhepunkt der Veranstaltung und wurde mit dem gemeinsam gesungenen Lied der Ostpreußen: Land der dunklen Wälder abgeschlossen.

 

Die Feierstunde wurde von dem Ostpreußenchor Düsseldorf unter der Stabführung von Herrn W. Nöckel  und einigen BaritonSolovorträgen unseres Landsmanns Herrn Putzek würdig umrahmt.

 

Frl. Marianne Engel, ebenfalls aus Königsberg, leitete mit Vorträgen in ostpreußischer Mundart zum gemütlichen Teil über und weitere fröhliche Stunden bei Tanz und guter Stimmung beendeten gegen Mitternacht das Wiedersehen.

 

 

 

Seite 10   Spielvereinigung Rasensport Preußen 05

Im Rahmen des Ostpreußen-Treffens am 4. Juli in Hannover ruft Landsmann Ernst Witt, Aurich, Fischteichweg 2, seine Kameraden der Spielvereinigung Rasensport Preußen in Anbetracht des 50-jährigen Bestehens zu einer Zusammenkunft auf. Treffpunkt: Zwischen 10 und 18 Uhr im Fernfahrerheim Autohof, Bauweg (zu erreichen mit Straßenbahn 9, 10, 19).

 

 

 

Seite 10   Eine tapfere Ostpreußen-Frau. Die Russenherrschaft in der Provinzhauptstadt erlebt von Margarete Raabe. (Schluss)

Auf meine Bitte gab mir die Russenfrau einen Ring wieder, den mir mein Mann als junges Mädchen geschenkt hatte. Zu dem russischen Zollbeamten sagte sie, dass er unecht und wertlos sei. Unser Wagen war der Vierte, bei den letzten soll die Durchsuchung nicht mehr so gründlich gewesen sein, dafür wurden aber die Heimkehrer — nach russischer Sitte — wenn sie betrunken sind, geschlagen. Nach ungefähr 10-tägiger Fahrt wurde in dem Durchgangslager Pasewalk in Pommern Halt gemacht. Hier wurden Kranke, Verletzte und stark Verlauste behandelt. Am 1. Dezember erreichten wir Altenburg in Thüringen, woselbst zwei Tage Aufenthalt zur Säuberung, Entlausung usw. vorgesehen waren.

 

Das Lager war für einen solchen großen Transport, wie es der unsrige war, nicht eingerichtet es gab Stauungen und Stockungen, wir mussten warten und warten; wir standen zu vielen Hunderten die ganze Nacht draußen in Frost und Kälte und warteten. Als die Fahrt am dritten Tage weitergehen sollte, hieß es: „Die Russen haben euren Zug beschlagnahmt und das Gepäck, das wir im Zuge lassen mussten, auf die Schienen geworfen“. Wir mussten nun warten, bis ein anderer Zug bereitgestellt wurde, und der war in schlechterem Zustande als der erste.

 

Als wir nach einigen Tagen im Quarantänelager Suhl in Thüringen ankamen, gab es kaum jemanden, der nicht stark erkältet war. Ich war vollkommen heiser. Ich wurde in einem Raum zusammen mit 500 Menschen untergebracht, es war ein Getöse um mich her Tag und Nacht. Aber trotzdem ergriff mich ein Gefühl des Geborgenseins: Entronnen, entronnen! Das Ausstreckendürfen des Körpers war nach der langen beschwerlichen Fahrt eine Erlösung. Wir bekamen täglich das Essen zugeteilt, warmen Kaffee, warme Suppe usw. — Wenn die Portionen auch 2 - 3 mal so groß hätten sein können, es war doch alles wie ein Geschenk, und die Sorge um das „Woher“ drückte nicht mehr. Das mitgenommene „Hirtenbrot“ trug dazu bei, mich mit der Knappheit der Mittagssuppe auszusöhnen. Gleich nach der Ankunft im Lager schickte ich meinem Mann ein Telegramm, für das ich das letzte mir noch gelassene Kleingeld ausgab. Da, welch' ein Staunen, als nach einigen Tagen mein Name ausgerufen wurde, ich war die erste, die einen Willkommensgruß aus der Heimat erhielt. Alle umringten mich und freuten sich mit mir und alle wollten wissen, woher das Telegramm kam und was es sagte. Ja, wer hat denn solch' einen lieben Mann wie ich: Als ich dann täglich Briefe schrieb, hieß es: „Frau Raabe schreibt schon wieder, an wen schreibt sie nur immer?“ Immer und immer nur an meinen Mann!

 

Für die Quarantäne waren normalerweise 14 Tage vorgesehen, doch normal ist die Zeit in diesen Lagern noch für keinen Transport verlaufen. Da in unseren Reihen allerlei ansteckende Krankheiten ausbrachen, wurde uns gesagt, dass die Lagerzeit voraussichtlich bis zum Jahresende verlängert werden müsse; zudem wurde die Quarantäne verschärft, d. h. es durfte niemand, auch nur besuchsweise, in unsern Bau. Am 14.12.1947 erhielt ich ein Telegramm: „Komme Dich Sonntag holen. Lotti“. Oh weh, das geht ja nicht, dachte ich, aber inzwischen wird meine Post, die über die Zustände im Lager Aufklärung gibt, angekommen sein, und es wird niemand zu mir kommen. Doch am andern Morgen höre ich meinen Namen rufen, durchs Fenster sehe ich zwischen anderen Besuchern meine Schwägerin Lotti. Als alle ihre Bemühungen, mich auf geradem Wege herauszubekommen, scheiterten, wurde mit anderen Besuchern verabredet, in der Nacht über den Zaun zu gehen. Doch schon am Nachmittag wurde ich herausgerufen mit dem Bemerken, meinen Rucksack mitzunehmen. Ohne jedes Aufsehen öffnete sich mir die eiserne Pforte und ich ging hindurch in das Pförtnerhäuschen. Ohne viele Worte bedeutete mir Lotti, meinen „Hirtenmantel“ auszuziehen, dafür hielt sie mir einen Zivilmantel hin, der mein Aussehen sofort veränderte. Nachdem wir unser Gepäck getauscht und ich für meinen armseligen Rucksack einen eleganten Reisekoffer erhalten hatte, gingen wir in größerem Abstand voneinander auf die Straße. In einer kleinen Gaststube warteten wir die Dunkelheit ab, um nochmals am Lager vorbeizugehen und die im anderen Orte liegende Bahnstation zu erreichen. Mit anderen Flüchtlingen zusammen warteten wir die Nacht über auf den erst am Morgen abgehenden Zug nach Richtung Heimat. Mir war recht elend zu Mute, würde alles gelingen? Es war uns für einen Fluchtversuch schwere Bestrafung angesagt zudem würden wir ohne Abmeldung aus dem Lager keine Lebensmittelkarten erhalten.

 

Diese und ähnliche Gedanken beschäftigten mich während der Dunkelheit, doch als es am Morgen hell wurde, wurden auch die Gedanken heller. Durch die Gewandtheit und Geschicklichkeit Lottis wurden alle „technischen Schwierigkeiten“, wie Fahrkarten besorgen usw. überwunden. Die Fahrt bis Erfurt gestaltete sich noch etwas schwierig, der Zug war wie immer überfüllt, unsere Füße fanden kaum Platz zum Stehen, und durch alles Vorhergegangene geschwächt, fiel ich in Ohnmacht, erwachte, fiel wieder in Ohnmacht. Aber von Erfurt ab ging es dann ohne Zwischenfälle. Am Abend landeten wir in Berlin und nach kurzer Fahrt durch die Stadt standen wir vor dem Hause, hinter dessen erleuchteten Fenstern, wie mir Lotti sagte sich mein Mann befand. Und bald darauf öffnete sich mir müdem Wanderer die Tür. Ich hätte mit dem Dichter sagen mögen: „Bin matt zum Niedersinken, bin tödlich, schwer verletzt“ ich hörte mit klopfendem Herzen und schwindelndem Kopf die Stimme meines Mannes, die stimme, nach der ich mich 32 Monate lang gesehnt hatte, ich sah sein Gesicht, das mir müde und faltig vorkam, mir war's, als versänke hinter mir ein Stück meines Lebens, zugebracht in Not und Elend, ich ging in ein neues Leben hinein und zwar, o Freude, nicht mehr allein.

 

 

 

Seite 11   Ostpreußische Sommertage. Von Ernst Krause-Millenberg.

Foto: Anglerfreuden an einem masurischen See

Foto: Flundernzeit auf der Kurischen Nehrung

Sommer in Ostpreußen, Frühsommer Mittsommer, dann Hoch- und Spätsommer! Der Ostpreuß in Ostpreußen, auch der Städter und sogar der Bewohner der Haupt- und Residenzstadt Königsberg, erlebte ihn ungleich stärker, als der größte Teil der Westdeutschen ihn je erleben kann, weil hier im Westen die Städte meist nicht derart ins Land hineingewachsen sind und weil das Land oft schon so arg verstädtert ist, dass man vom „Land“ und eigentlicher Landschaft nicht mehr gut sprechen kann.

 

„Lieblich sind die Juninächte, wenn des Abendrots Verglimmen

Und des morgens frühe Lichter dämmernd in einander schwimmen.

Wenn der Lenz in roten Rosen rasch verblutet

Und die Nachtigallen noch dem Toten ihre letzten Lieder weihen“.

 

Ja, die Nachtigall, die früher daheim die ganzen Frühlingsnächte hindurch vor unserem Fenster „gellte“, was ihr den Namen eintrug, ist verstummt, sie hat jetzt ernstere Pflichten, nämlich ihre Kinder zu atzen. In Gedanken oder in Träumen, wenn ihr wollt, wandere ich nun heimwärts. Ich will dort alles einmal so erleben, wie es einst war. In der Nacht, in der weißen, warmen Juninacht, die eigentlich keine Nacht ist in Ostpreußen, komme ich „bei uns zu Hause“ an. Noch quarren gedämpft, nicht mehr so laut wie zur Pfingstzeit, ein paar „Poggen“ im benachbarten Teiche. Auch eine Heimatmusik, die das Herz erfreut! Oben auf dem Hügel steht gegen den hellen Nordosthimmel im Viereck der Hof mit den dazugehörigen Eschen. Unten auf der Weide am Obstgarten liegen unsere schönen Kühe „aderkauend“ nebeneinander mit ihren blanken, schwarzweißen Leibern. Ich zähle sie wie gewöhnlich über. Die einzige „Rotbunte“, die wir haben, die jetzt das dritte Kalb trägt, und die sogar noch im letzten Kriegskontrolljahr über 5000 kg Leistung aufwies, aber trotzdem wegen der Farbe — nicht der Milch — nicht ins Herdbuch aufgenommen wurde, liegt träumend mir am nächsten. Der kleinste Junge ließ sie sich damals als Kalb zum Geburtstag schenken. Sie hatte zurückgeschlagen nach einem ostfriesischen Bullen, der in unserer Herde einmal eine Gastrolle gegeben hatte. Die Rotbunte wendet den Kopf nach mir, sie erkennt mich, weil ich ja auch früher oft nachts mit den Kühen „reden“ ging. Dann gehe ich durch die „Schlipp“ in den Garten nebenbei, zu den Pferden. Die beste Mutterstute, die braune, glatte Wally mit dem schwarzen Behang, schnaubt erst etwas misstrauisch. Dann wiehert sie leise zum Zeichen der Begrüßung und nimmt das zufällige Stückchen Zucker vorsichtig mit den Lippen von meinem Handteller, ihr Fohlen ist dazu noch zu dumm. Es steht erst gar nicht auf und lässt das Zuckerstückchen zu Boden fallen. Dafür kommt eine andere alte Bekannte mit ihrem Sprößling nach einem Zuckerchen „lunkern“, nämlich die alte „hängebauch'sche“ Senta, die schon zehn Fohlen großgezogen hat.

 

Ich warte den Tag ab, der in blauer und goldener Pracht schnell anbricht, und sehe von meinem Beobachtungsplätzchen aus hinter dem Heckenbusch am wilden Apfelbaum, wie der Melker mit seiner Tochter angefahren kommt den Milchfuchs abschirrt, damit er ein Maul voll nehmen kann, und um vier Uhr schon wie sich das gehört, unter der ersten Kuh sitzt. Schon am Morgen leckt die Sonne den Tau rasch auf. Wie glasklar ist bei uns daheim doch die Luft bis in weite Fernen und wie tiefblau der Himmel, an dem sich fast unbeweglich schmale, weiße Wolkenschnüre halten, die hin und wieder nach oben Schwellungen zeigen. So malten die alten italienischen Meister den Hintergrund für ihre Heiligenbilder. Überall in der Runde Wald. Vorn der unsrige, noch grün erscheinend; weiter nach hinten blauschwarze Wellen davon. Dazwischen Spitzen vom Dorfkirchlein. Das Ganze mit gelben und grünen Feldstreifen abwechselnd. Und ganz in verdämmernder Weite gegen den Horizont hin immer eine bläulich-graue Waldkulisse über der anderen, das „Oberland“.

 

Über Tag, schon lange bevor die Sonne im Zenith steht, strebt die Hitze flimmernd über den Feldern nach oben. Es ist ja einfach erwiesene Tatsache, dass von allen Landschaften des Reiches unser Ostpreußen die meisten Sonnentage des Jahres hatte, die größte Sonnenbestrahlung ganz allgemein. Das bewirkte Gesundheit auch im sonst strengen Winter, gewahrte vor allem den sprichwörtlich schönen, langen Herbst und brachte im Sommer eine Hitze hervor, die wohl nirgends in Deutschland so stark war, allerdings meist erträglich gestaltet durch Luftbewegung. Nur so konnten ja in der verhältnismäßig kurzen Vegetationszeit das Getreide und die anderen Nutzpflanzen überhaupt die notwendige Entwicklung bis zur Reife durchmachen. Während dieser kurzen Zeit musste sich das Pflanzenreich, das allerdings von einer Urwüchsigkeit und, soweit die wilde Natur in Frage kam, von einem Artenreichtum ohnegleichen war (dasselbe galt auch von der Tierwelt), ungeheuer beeilen, wenn das Ziel erreicht werden sollte.

 

Mit dem Lenz war es endgültig vorbei, wenn man zur Heuernte schritt. Die Wiesen wurden gemäht, wenn die meisten Gräser in voller Blüte standen. Sie sanken neben den Sensen und hinter den tackenden Grasmähern zum Schwatt zusammen, das die Sonne schnell zum Schrumpfen brachte, so dass man sich mit dem Wenden „sputen“ musste. Über das Heu von guten, zweischnittigen Naturwiesen, wie sie so zahlreich bei uns waren, kam so leicht nichts an Wert. Und so würzig roch kein Feldfutterheu, auch nicht das ostpreußische Milchfutter Timothe, das bei uns im zweiten Jahr den Hauptbestandteil des sogenannten „Kleeschlages“ bildete. Bei einigermaßen passendem Wetter wickelte sich die Heuernte ab wie am Schnürchen. Es war in der Regel nicht so unverschämt heiß wie im „Kornaust“, und hin und wieder einmal ein Schauerchen störte gar nicht oder unterbrach höchstens das Einfahren.

 

Allzu lang durfte nasses Wetter aber nicht vorherrschen. Das beeinträchtigte die Güte des Futters und damit die Milchleistung der Herde später erheblich.

 

War die Futterernte gut unter Dach, dann hatte der Bauer das erste Gefecht, und zwar ein sehr wichtiges, gewonnen. Es gab so etwas wie kleine Ferien für ihn. Im Walde blühten die rötlichen Weideröschen schon und an feuchten Stellen der dunkle Blutweiderich. Auf dem Felde aber war das Rotlila der Kleeschläge vorläufig dahin. An Rainen und Wegen herrschte schon die gelbe Farbe vor, Blüten des Kreuzkrautes und die vom Christiwundenkraut. Etwas später noch kündigten die Goldknöpfe des Rainfarns bald den Hochsommer an.

 

Des Landmannes schönstes Blühen jedoch ist schon längst vorbei, nämlich die Getreideblüte. Die anderen Getreidearten blühen ja sowieso unsichtbar in sich, und dem Blühen des Weizens wird im Allgemeinen wenig Beachtung geschenkt. Umso größer ist die Rolle, die das Blühen des Roggens im Leben des Landmannes spielt. Das kommt wohl aus Urinstinkten her und hängt vielleicht damit zusammen, dass der Weizen erst spät zu unseren Vorfahren kam, während der Roggen seit Urzeiten unser „Korn“ schlechthin heißt. Wenn die Roggenblüte in vollem Gange ist, dann lacht dem Bauern das Herz, und zwar nicht bloß, weil er an den zukünftigen Gewinn im Sack hinter dem Dreschkasten denkt. „Hoffentlich hat das Korn gutes Blühwetter“, sagt alle Welt dann auf dem Lande.

 

Wenn der Roggen klar wird und manchmal, vielleicht kurz nach einem warmen Regenfall, dem bald Sonnenschein folgt, die Milliarden gelber Staubbeutelchen eines Roggenfeldes, nur zu den bestimmten Stunden des Vormittags oder Nachmittags, plötzlich, wie von einem Zauberstabe berührt, alle gleichzeitig sich öffnen und ihren Blütenstaub entlassen, und wenn dann oft scheinbar ohne Wind das ganze Feld ins Wogen gerät und in Wolken von Blütenstaub gehüllt ist, dann bleibt wohl auch der härteste Bauer stehen vor solchem Wunder und Geheimnis des Schöpfers, und manchem ostpreußischen Dickschädel wurde dann vielleicht sogar etwas fromm zumute und er betete: „Hoffentlich fruchtet er gut!“ Und wie sein Feld, so wogen, wie von einem einzigen Willen gelenkt, gleichzeitig zur selben Stunde alle Nachbarfelder und „rauchen“. Eines der herrlichsten Naturschauspiele! Man spürt manchmal wirklich keinen Luftzug und sieht doch die Wellenbewegungen. Rührt denn irgendein Wind, den wir selbst nur nicht spüren, die Halme oder umgekehrt? Der Roggen muss ganz „ausklaren“ und öfters und tüchtig „rauchen“. Einigermaßen schöne, sonnige Witterung, wenn möglich mit etwas Wind, kann er dazu gebrauchen. Bald danach schon geht der Landmann die Felder entlang, um die Ähren zu fühlen, um nachzuprüfen, ob sie anfangen, sich zu füllen, ob sie nicht „schartig“ bleiben. Besonders Kälte während der Blüte hat diese Wirkung. Es gab auch in unserer Heimat harte Männer, denen es eine andächtige Freude bereitete, einen engen Feldrain oder Fußsteig entlang zu gehen zwischen dem reifenden Korn, mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern, um die sich füllenden Ähren, das werdende Brot, dazwischen durchgleiten zu lassen. Sechs Wochen nach der Blüte ist die Ernte zu erwarten. Das wusste in Ostpreußen „jeder Hirtjunge“.

 

Vorläufig geht auch der Landmann einmal spazieren. Er weiß zwar nicht recht, wie man das eigentlich machen soll und sieht dabei etwas linkisch aus, aber er versucht es wenigstens. Nachdem er noch einmal, zum so und so vieltesten Male, festgestellt hat, dass dies Jahr alles „gut steht“ auf den Feldern geht er in den nahen Wald. Nach kurzem Wege schon ist er in seinem Wald, der ihm gehört. Dort streckt er sich unter den prächtigen Tannen an einer Stelle nieder, wo das Moor ein weiches Polster bildet, und wo nicht allzu tiefer Schatten herrscht, wo nämlich noch ein paar Sonnentüpfelchen durch die Astluken hinunterflirren. Ab und zu hackt irgendwo ein Specht, aus der Ferne rucke-kuckt noch einmal der Kuckuck, der jetzt seinen Vers anscheinend nicht mehr so gut kann; denn er überschlägt sich allzu oft. In der Nähe knackt es verdächtig. Eines der vielen Eichhörnchen ist der Störenfried. Es lugt neugierig nach dem liegenden Menschen und probiert dann, diesen zu ergötzen. Man muss schon ein arger Griesgram sein, wenn man über den possierlichen Kerl, der unaufgefordert seine Kunststücke zum Besten gibt, nicht wirklich zur Heiterkeit gereizt wird. Bald finden sich noch mehr dieser Kobolde ein. Es scheint eine ganze Familie zu sein. Als einer der kleineren Eichkater, der offenbar noch nicht ganz erwachsen ist, einen für ihn noch zu gewagten Sprung macht, purzelt er dem Besucher unmittelbar vor die Füße, der darauf aufspringt. Das ist ein Zeichen für die ganze Gesellschaft, sich Hals über Kopf davon zu trollen. Es ist sowieso nötig, ans Nachhause gehen zu denken, nicht weil man dort gerade etwas zu versäumen hätte heute, wo man sich auch einmal am gewöhnlichen Werktagnachmittag etwas Zeit genommen hat, sondern weil die Sonne mittlerweile ganz verschwunden ist.

 

Als der Bauer aus dem Walde tritt, fallen die ersten Tropfen. Aber, obgleich ein wenig Gewitter dabei zu sein scheint — eben rollt langgezogener Donner über dem Walde nach der Alle zu —, lässt der Szenenwechsel sich gut an. Es beginnt ganz sachte zu regnen, und erst bei der Ankunft auf dem Hofe wird der Regen stärker. Das Ganze dauert nur ein paar Stunden. Als die Sonne sich hinter dem Kirchdorf zum Untergehen rüstet, ist alles vorüber. Am Osthimmel bis hoch hinauf steht ein prächtiger Regenbogen. Der Himmel lacht wieder auf die erfrischte Erde hernieder, und der Tag klingt in einem wunderbaren Abend aus. Überall dampft der Boden und es riecht förmlich nach Gewitterphosphor und Fruchtbarkeit. Die Kinder des Dorfes, Bauern- und Insthauskinder und die Kinder vom nahen Gutshof, barfuß, wie alle miteinander im Sommer natürlich sind, laufen patschend im Landweg einher, dass ihnen der warme Matsch nur so um die Ohren spritzt.

 

Nach dem Abendessen setzt sich die ganze Familie noch auf die „Abendbank“, von der man, da der Hof, wie üblich, für sich allein auf einem Hügel („Berg“ sagt der Ostpreuße) liegt, über Wiesen und Weiden und Äcker einen Ausblick nach dem nahen Hochwald hat und, wenn man sich etwas nach rechts wendet, über den Erlenbach hinweg im Abendrot die Silhouette der Dorfkirche von Feuer vergoldet sieht. Neben der Bank stehen ein paar sogenannte großblättrige Sommerlinden, die dies Jahr schon frühzeitig die Hängesträußchen ihrer Blüten herunterbaumeln lassen. Sie duften nach dem Regen gar lieblich, und ein paar Bienlein haben sich noch vom Lindennektar nicht trennen können trotz der späten Tageszeit, wo schon ein paar Nachtfalter eher angebracht sind. Die „Burrkäfer“ fliegen einem um die Köpfe. Die Schwalben haben in den Halbmonden aus Lehm und unter den Dachtraufen und in den Ställen ihre unersättliche Brut liegen. Fortsetzung folgt

 

 

Seite 12 Von Grützwurst und Erbsen vom „Schaff“ und „Schibber“. Das Ostpreußische Bauernleben im 19. Jahrhundert. Von Paul Kluke

 

Zwischen der alten Ordensstadt Bartenstein am schönen Alleufer und dem Bahnhofe Glommen an der Südbahnstrecke liegt das Gebiet der Schulgemeinde Gr.-Kärthen, zu der außer dem genannten Schulort noch die Ortschaften Klein-Kärthen, Carolinenhof, Markienen, Glommen und Sageslauken gehören. In diesem weiträumigen Schulbezirk wirkte zur Großvaterzeit der alte Lehrer Dahsel, der bereits 1895 sein 50-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte. Aus der Zeit von 1838 bis 1868 hat er anschauliche, lebenswahre und einfach volkstümlich geschriebene Schilderungen des bäuerlichen Lebens hinterlassen. Beziehen sich diese Schilderungen auch auf einen bestimmten und begrenzten Lebens- und Heimatraum, so sind sie doch für jene Zeit allgemein gültig fast für das ganze ländliche Ostpreußen. So, wie von 1838 bis 1868 in diesem natangisch-bartenschen Winkel, so spielte sich das ländliche Leben durchweg in ostpreußischen Dörfern ab (mit besonderer Ausnahme jedoch von „Masuren“ und dem östlichen Teil der Provinz). Mögen diese behaglichen Schilderungen aus der Großväterzeit Freude machen.

 

Billiges Leben: Eine Gans für 70 Pfennig!

Um 1838 war eine sehr billige Zeit. Den Scheffel Kartoffeln kaufte man für 40 bis 50 Pfennige nach heutigem Gelde (— geschrieben 1868 —), den Scheffel Roggen für 2 bis 2,50 M.,  die Gerste für 1,20 bis 1,50 M., den Hafer für 1,00 bis 1,20 M.; ein Mandel Eier für 10 Pf., 1 Pfund Butter für 25 Pf., eine Gans für 70 bis 80 Pf., ein Pfund Rindfleisch für 10 bis 15 Pf., Schweinefleisch bis 20 Pf., Schaffleisch 8 bis 12 Pf., Kalbfleisch 5 Pfennig.

 

Und doch war kein Geld unter den Menschen! Selten konnte sich ein Handwerker in der Stadt eine Gans leisten. Woher kam das?

 

Vor der Separation war in jedem Dorfe gemeinschaftliche Weide. Es wurde ein gemeinschaftlicher Hirte gehalten. Jeder Besitzer hielt Gänse, ja selbst jeder Einwohner im Dorfe — viel gab‘s damals nicht — hielt Gänse, Schafe, Schweine und eine Kuh. Als die Erbuntertänigkeit abgeschafft wurde, schafften sich die Rittergüter Instleute an. Diese erhielten einige Morgen Acker, mussten ein Pferd halten und sich den Acker bestellen. Natürlich konnten und durften sie auch Gänse halten. Gänse gab es damals völlig. So viele Leute wie heute (— gemeint ist das Jahr 1868 —) schliefen nicht auf Stroh!

 

„… selbst gesponnen und selbst gewebt ...“

Was die Kleidung anbetrifft, so wurde damals nur der Arbeitslohn für die Kleider bezahlt; denn das Zeug dazu wurde selbst bereitet. Es wurde gesponnen und gewebt, sowohl in Linnen als auch in Wolle, und viele Stücke Leinwand wurden verkauft. Der Landmann hatte höchstens einen gekauften Hochzeitsrock, den er später als Sonntagsrock benutzte, und die Frau ein wollenes Traukleid, das sie später anzog, wenn sie zum heiligen Abendmahl ging. Im Winter trug man einen selbstgewebten Mantel oder einen mit selbstgewebtem Zeug bezogenen weißen Schafspelz.

 

„… Grützwurst und Erbsen ...“

In jeder Haushaltung war eine eigene Mühle, sogenannte „Quirl“. Darauf wurde das Korn, nachdem es auf dem Ofen getrocknet war, gemahlen. Auch die Grütze wurde selbst gemacht. Es gab damals auch nicht so viele Krankheiten, denn die mit solcher Grütze gestopfte Wurst „machte den Magen rein“. Zum Frühstück kochte man Erbsen und Suppe oder Mus. Kaffee wurde damals wenig getrunken. Kam der Landmann nach der Stadt, so trank er einen Stof Bier für einen Dittchen — Silbergroschen — und rauchte einen Stummel mit selbstgebautem Tabak; denn damals waren die Nerven in der Nase nicht so fein!

 

„… hölzerne Achsen und Dreschflegel ...“

Was die Fahr- und Ackergeräte betrifft — welch ein Unterschied! Der Wagen hatte hölzerne Achsen. Die Räder blieben unbeschlagen, einfache Leitern umgaben den Sitzplatz. Auf dem grob gebauten Schlitten standen drei lange Bretter mit schrägen Handstückbrettern. In die Egge schlug mancher Landmann hölzerne Zinken; der Pflug war nur einer und derselbe. Aber die Pferde waren gut, für welche das Häcksel auf einer Handlade geschnitten wurde. Kam die Saatzeit heran, dann musste den Tag über gepflügt werden. Um 2 Uhr wurde aufgebrochen und bis 7 Uhr Saat gedroschen, welche am Tage ausgestreut wurde. Zum Dreschen wurden alle herausgenommen: Frau, Söhne und Töchter.

 

„Auf die nächste Mistfuhr...“

Auch die Gastmähler waren billiger. War das Begräbnis in der Stadt, so gab es bei einem Mälzenbräuer eine Tonne Bier und sauren Hering. War das Bier aus, so kam der Krahn auf den Tisch, und das Begräbnis war aus. Tauf- und Hochzeitsfeste wurden auch sehr einfach abgehalten. Der Geburtstag wurde gar nicht gefeiert. Man rechnete damals den Tag auch anders nach. Als der Schulrat Dinter bei einem Pfarrer zu Mittag speiste, fragte er die Tochter, wie alt sie sei. Die Mutter antwortete für dieselbe: „Auf die nächste Mistfuhr ist sie von 22 Haufen!“

 

Vom „Schaff“ und vom „Schibber".

Auch die Wohn- und Wirtschaftshäuser waren einfach und billig in Fachwerk erbaut und entweder mit Planken ausgeschlagen oder mit Stöcken ausgesteckt und mit Lehm ausgefüllt. In den Stuben fand man keine polierten Möbel. Bei den Wohlhabenderen fand man dauerhafte eichene Schaffe und Koffer und über dem Kamin zinnerne Teller und Schüsseln; bei den Ärmeren, Möbel aus Tannenholz rot angestrichen. Taschenuhren wurden nicht getragen; Stubenuhren waren Luxus. Der im Hausflur sitzende Hahn gab die Nachtzeit und die Sonne die Tageszeit an. Noch im Jahre 1862 forderte mich (- den Lehrer -) ein Besitzer von drei Viertel Hufen auf, mit ihm zum Uhrmacher zu gehen, um eine Uhr für ihn auszusuchen. Er wolle sich jetzt auch eine anschaffen.

 

Die damalige Beleuchtung war auch sehr billig. Man hatte ein kleines, offenes Lämpchen, in welchem ein in Öl schwimmender gedrehter Baumwolldocht Licht verbreitete. Viele brannten auch Schibber. Das sind lange, dünne fichtene, 4 bis 5 Zentimeter lange Splitter. Diese steckte man auf einen sogenannten Stapel, eine senkrechte, auf drei Füßen stehende Stange. Um diese Schibber setzten sich abends die fröhlichen Mädchen und trillerten ihr Liedchen beim schnurrenden Rädchen. Aus dieser Zeit rührt auch der Vers des masurischen Dichters her:

 

„Ich saß in düstern Dunkleheiten

und wusste nichts von lichten Helligkeiten.

Da kam ein Hoppker („Wanzker“) bunter

Dem Schibber lang herunter!“

 

Vom Geld und Gut und Heiraten

Die Leute hatten damals keine Bedürfnisse, aber auch kein Geld. Es wurde wenig Getreide gebaut, und dieses hatte keinen Preis. Der Besitzer Gottlieb Plaumann, welcher bei der Separation die Hälfte seines väterlichen Grundstückes erhielt, eine Hufe, versicherte mir, dass er jetzt (etwa um 1860) auf einer Hufe doppelt so viel baue, als früher auf dem ganzen Grundstück gebaut worden ist. Und was früher noch verkauft werden konnte, war bei nassem Wetter schwer zu verfahren; denn Chausseen und Eisenbahnen waren nicht. Eine Königsberger Reise dauerte einige Tage. Die Grundstücke hatten zu der Zeit auch keinen Preis, oder mit anderen Worten: Das Geld war damals sehr teuer. Man kaufte für 1200 Mark ein Grundstück von zwei Hufen. Die Besitzer nahmen zwar nicht viel ein, aber sie brauchten auch wenig. Die Abgaben waren gering, Zinsen waren nicht zu zahlen; denn die Besitzer waren nach Aufhebung der Erbuntertänigkeit Eigentümer geworden und hatten ihren Geschwistern nichts oder nur wenig auszuzahlen. Wenn damals ein Mädchen einen Bauern heiratete, so fragte er nicht, wieviel Geld sie mitbekomme und ließ sich darüber auch nichts schriftlich geben, um nachher zu klagen; weil er eben kein Geld zum Auszahlen brauchte. Viele Mädchen oder Söhne wurden mit ein paar Morgen Land oder einem Häuschen abgefunden, heirateten und lebten glücklich. Hatte damals zufällig ein Mädchen 1000 bis 2000 Mark, so konnte es sich nach einem Besitzer von drei bis vier Hufen umsehen.

 

Die Teuerung kommt!

Die billige Zeit dauerte bis zum Jahre 1844 (von 1838 ab). Dieses war ein sehr, sehr nasses Jahr. Auf niedrig liegenden Feldern ragten die Roggenähren aus dem Wasser hervor. Das Futter war verdorben, der Roggen musste garbenweise vom Acker heruntergetragen werden. Die Kartoffeln verdarben alle. Von diesem Jahre ab verdarb die Kartoffel auf dem Felde jährlich. 1845 wurde nun ein sehr knappes, teures Jahr. Der Roggen kostete über 12, der Weizen über 15 Mark. Die Teuerung wurde begünstigt durch die mangelhaften Straßen. Das Getreide musste erst auf Schiffen nach Königsberg kommen und von da per Achse geholt werden. Die Teuerung hielt sich ziemlich bis nach dem Revolutionsjahr 1848.

 

Da kam wieder ein sehr billiges Jahr: 1849: Roggen 2,60 bis 2,70 Mark. Die fünfziger Jahre brachten reiche Ernten und hohe Preise; die Bedürfnisse mehrten sich; die Besitzungen wurden teurer. Die Besitzer wurden reiche Leute, welche ihr Grundstück umsonst angenommen hatten. Markienen, 27 Hufen mit Vorwerk, wurde im Jahre 1863 vom Major von Berg mit 405 000 Mark bezahlt. 1867 war wieder einmal ein unfruchtbares Jahr, sehr nass; 1 Scheffel Roggen wog 70 bis 72 Pfund; dabei lieferte er das vier- bis fünf-fache Korn; aber das änderte nichts; die Güter blieben teuer! Der Besitzer Mellere aus Glommen verkaufte seine halbe Hufe für 9000 Mark und kaufte sich in Klein-Kärthen eine Hufe und zahlte 18 000 Mark.

 

 

Seite 12   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste

Wer kennt die Angehörigen? Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München, Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Gesucht werden aus:

Arys (Ostpreußen): die Angehörigen von: Vorname unbekannt Voelker, Oberfeldwebel bei der 1. Komp., Bau-Batl. 321, Feldpost-Nr. 08117 — B/7639

 

Bolleinen, Kreis Osterode: die Angehörigen von: Max Jagusch, geb. etwa 1927, Grenadier — A/7651

 

Goldensee, Kreis Lötzen: die Angehörigen von: Fritz Zielewski, verh., Beruf: Müller, Oberwachtmeister bei der Luftschutzpolizei Lötzen — B/6164

 

vermutlich Gumbinnen: die Angehörigen von: Walter Mäser, Unteroffizier — A/7798

 

Groß-Hasselberg, Kreis Heiligenbeil: die Angehörigen von: Herbert Scharfschwerdt, geb. 03.11.1915, verh. — A/5862

 

Insterburg: die Angehörigen von: Fritz Neubacher, geboren etwa 1906, verh., Sattler, Obgfr., Feldpost-Nr. 25017 A — A 8058

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Arthur Blewe, geb. etwa 1905 in Ostpreußen, verh., zwei Kinder, Gefr. beim Bewährungsbatl. 500 — A/2142

 

Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Eggert, geb. etwa 1926/1927, ledig, Modelltischler, Soldat, Feldpost-Nr. 36100 — A/7449

 

Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Negendank, geb. etwa 1905/1910, ledig, Dozent, Hauptmann, Feldpost-Nr. 11067 B — B/2636

 

Königsberg: die Angehörigen von: Paul Hermann, geb. 21.11.1897, verh., Werkmeister, Unteroffizier — A/8084

 

Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Steinke, geb. etwa 1927, Panzerschütze beim Feldersatz-Batl. Goldingen (Kurland) — A/9952

 

Königsberg: die Angehörigen von: Gustav Wessel, verheiratet, Beruf: Kraftfahrer, Hauptwachtmeister  bei der Wasserschutzpolizei — A/5887

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Müller, Obgfr. bei der gemischten Flakabteilung 190 (v) Mährisch-Ostrau — A/3790

 

Neidenburg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Galanek, verh., Stabsgefreiter bei der 2. Komp., Nachrichten-Abteilung 217, Feldpost-Nr. 25440 — A/6716

 

Ragnit, Hindenburgstr.: die Angehörigen von: Kurt Singelmann, geb. 1920 in Ragnit — B/6153  

 

dem Kreis Sensburg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Schnierda, geb. 1922 im Kreis Sensburg, ledig, Obgfr. bei der 2. Komp., Füsilierbatl. 214, Feldpost-Nr. 38615 C — A 7914

 

 Schloßberg (Ostpreußen): die Angehörigen von: Heinz Jung, geb. etwa 1925, ledig, vermutl. Arbeiter, Obgfr. bei einer Nachrichtenstaffel — B/6863

 

Stalupönen (Ebenrode): die Angehörigen von: Gustav Hochmann, geb. 1899, verh., zwei Kinder, Beruf: Zimmerer, Unteroffizier beim Volkssturm im Reichs-Sondereinsatz — B/541

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Kurt Prell, Oberwachtmeister bei der 1. Batterie, Art.-Rgt. 57 der 21. Inf.-Div., Feldpost-Nr. 07890 B — B/2686

 

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (12)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Haben Sie all emal mittes Gericht zu tun gehabt? Ich mein natierlich nich mit Kartoffelkeilchen oder Schmandschinken oder mit e anderes Leibgericht, sondern mit e ordentliches Amtsgericht, wo die Sinders aller verdonnern tut? Der alte Schuster Wersmenat aus Kamswutschen zitterd immer wie Espenlaub, wenn ich ihm e Briefsche vonnes Gericht brachd. Und wenn er denn vorgeladen wurd, dass er wo Zeuge sein solld, denn fing er an zu weinen, weil er Angst hädd, dass se ihm einspunden. „Ich fahr nich“, sagd er denn. Ich mißd ihm denn treesten mit viele Wörters und mit e große Buddel Kornus, wo wir beide denn so pöh a pöh ausknillden. Zuletzt weinden wir denn beide vor Riehrung, fielen uns umme Gurgel und schworen uns ewige Freindschaft. Es war gar nich so einfach, dem beizubringen, dass er ja gar nicht angeklagt war, sondern blos was aussagen solld. Der Wersmenat traud keinem nich ieberm Weg, und schon gar nich die Leite vonnes Gericht. „Weisst Franz“, sagt er immer, „manch einer fuhr zu eine Verhandlung nach Insterburg aufes Gericht und kam erst nach vier Monate wieder zu Hause“. Und mittes Schwören wolld er all gar nuscht zu tun haben. „Die Richters nehmen das nachdem immer alles so wörtlich, was einer gesagt hat, und ehr dass einer sich versieht, drehen se einem dadraus e Strick!“ Er muss wirklich sehr schlechte Erfahrungen mittes Gericht gemacht haben, der alte Wersmenat, oder er hädd e schlechtes Gewissen und dachd nu jedes Mal,

wenn se ihm riefen, se wollden ihm am Wagen fahren. Deshalb wurd er dann immer krank und bezahld lieber seine Ordnungsstraf, statt dass er sich de Zeigengebiehren abholen ging. Ja, es gab komische Vögel auch bei uns zu Haus. Da fällt mir der Viehhändler Borkowitz aus Masuren ein. Der wohnd dicht anne polnische Grenz und handeld mit geschmuggelte Pferde und mit falsche russische Rubels, und das machd er so: Mit die falsche Rubels kaufd er in Polen — was damals untrem Zar auch russisch war — e Haufen Pferde. Die brachd er nachts unverzollt iebre Grenz und verkauft se gegen gutes deutsches Geld an masurische Bauern. Mit dies Geld kaufd er an eine bestimmte Stell falsche Rubels. Die wurden gar nich erst gezählt, sondern pfundweise abgegeben. Mit die Rubels kaufd er denn wieder polnische Pferde, und so ging der Kreislauf immer weiter bald e ganzes Jahr. Denn kriegd er e „Kreislauf-Steerung, das heißt, se bedrickden ihm nachts mit 6 Pferde innem Wald und glaubden ihm nich, dass er bloß Blaubeeren suchen wolld. Er wurd denn in Ortelsburg eingesperrt, und die Falschgeldfabrik wurd ausgereichert. Aber wie er wieder rauskam, ging er nach Berlin und machd e großes Warenhaus auf, aber nich mitte Brechstang, sondern mittem Sozius, wo angeblich das Geld gab, und der Borkowitz gab bloß seine kaufmännische Erfahrungen. Der Bäcker Modrellek hädd sich wieder was anderes ausgedacht. Der backd fier drei oder fimf Mark sognannte Altsitzertorten, da backd er nämlich Arsenik rein, dass die junge Leite fier Jahre dem Altenteil sparen konnten. Denn wenn der Opa und die Oma die Torte aßen, womeeglich noch an ihrem Hochzeitstag, denn waren se fier immer versorgt. Der Modrellek iebrigens auch, denn dem haben se schließlich auch bedrickt und in Allenstein e Kopp kirzer gemacht. Ja, das waren gemietliche Zeiten und gemietliche Menschen! Einer sieht aber auch hier, dass jede Regel e Ausnahme hat. Nu muss ich aber noch vonnem Bauer Skorzik erzählen. Dem brannd das ganze Gehöft ab, wie er mit Kind und Kegel, mit Frau und Kinder und mit die Dienstmergell inne Stadt aufem Markt war, bald fuffzehn Kilometer von zu Haus weg. Er kriegd vonne Versicherung anständig ausgezahlt und konnd sich ganz nei einbauen, so dass sein Hof nachdem der scheenste innes ganze Dorf war. Aber erst wie es annes Sterben ging, gab er zu, dass er das Feier selbst angelegt hädd. Er hädd oben aufe Lucht e Haufen Papier hingepackt und e lange Lunte rangelegt, wo langsam schwelen tat und e paar Stunden brauchd, bis se an dem Papierhaufen dran war. Mit die ganze Familie hädd er sich denn aufem Wagen gehuckt und war inne Stadt aufem Markt gefahren. Da verkaufd die Frau Eier und Glumskäschen (mit Kimmell), und zu Haus päserd inzwischen Haus und Stall und Schein runter. Nu benutzen Se man womeeglich nich das Rezept selbst, sonst krieg ich auch noch e Vorladung wegen Anstiftung zu Brandstiftung, denn wird das nachdem e reines Stiftungsfest! Aber in das Dorf, wo der Skorzik wohnd, wurd nachdem e guter Witz geboren, wo ich Ihnen nich vorenthalten will. Sagt ein Bauer zum andern: „Einer kan heitzutage gar nicht vorsichtig genug sein. Ich hab mir fier alle Fälle gestern gegen Hagel versichert“. Sagt der andere: „Du bist ja verrickt! Wie machst dem Hagel? — Nu hab ich so lang ummes Gericht rumgeredt, und wissen Se warum? Weil ich selbst vorgte Woch aufes Gericht war. Se hädden wir gerufen als Zeuge und Nebenkläger gegen dem besoffnen Autokutscher, wo mir angefahren stark beschädigt hädd. De Emma bestand natierlich dadrauf, dass se mitmissd. Se war noch niemals aufes Gericht gewesen, und einer soll sich das ganze Leben bemiehen, immer noch was zuzulernen und Erfahrungen zu sammeln, sagd se. In Wirklichkeit war se man blos neigierig. Also der Gerichtstag kam. Wir kodderten sich an und fuhren mitte Kleinbahn inne Stadt. Erst fanden wir das Gericht gar nich, aber als Briefträger z. A. weiß einer sich natierlich zu helfen. Ich fragd einfach

einem vonne Polizei, und der wussd. Das Gericht war ganz voll Menschen, und alle waren aufgregt, und denn liefen welche rum, die hädden e Talar an. Das waren die Rechtsanwälte. Mit eins wurd ich aufgerufen, und denn schubbsden wir sich durche Tier durch. Aber zum Reden kam ich gar nich, der Autokutscner auch nich. Ich mißd gleich wieder rausgehn und draußen lauern, bis se mir riefen. De Emma ging auch raus und half mir lauern. Aber se riefen mir gar nich mehr rein, bloß ganz zuletzt zur Urteilsverkindung. „Hädd ich das gewusst, denn konnd ich auch zu Haus geblieben sein“, meind de Emma. Er wurd verknackt zu dreihundert Mark Geldstrafe und hundertfuffzig Mark Schmerzensgeld, wo er in vier Wochen an mir auszahlen muss. Und denn kriegd ich noch e paar Gulden Zeigengebiehren, wo wir uns mit im Cafe huckden. Ich trank zwei große Helle, de Emma aß Schuckladeneis mit Schlagsahne und hinterher e Fundche Kirschen. Das hädd se nich tun solld, sagt se, aber da war es all zu spät. „Na, Emma“, sagd ich, „war es nu nich doch gut, dass ich gefahren bin? Oder sagst nu immer noch, siehst, was bist nich zu Haus geblieben?“ „Ja“, meind de Emma, „wenn ich so denk, was ich mir fier die hundertfuffzig Mark so alles kaufen kann, denn mechd ich meist sagen, lass Dir man ruhig alle vier Wochen e bische vonnes Auto bescheiern!“ So viel Gemiet hat de Emma! Ich bin froh, dass ich die schmerzerfillte Wochen glicklich ieberstanden hab und dass ich meine beschnurgelte Knochen wieder bewegen kann und dass auch de linke Gesichtshälfte wieder halbwegs beheilt is. Und da lächelt de Emma und freit sich im Stillen all aufes nächste Schmerzensgeld! Wenn die hundertfuffzig Mark ankommen, — die bringt mir ja ein Kollege - denn wer ich aber das ganze Geld halbieren. Jeder kriegt fimfundsiebzig, und denn bin ich noch sehr großziegig. Denn ich hab de Schmerzen ausgehalten, und die Emma hat mir obendrein noch dauernd geärgert. Womit ich mir fier heite von Ihnen verabschiede und Ihnen herzlich grieße!

Ihr alter

Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Was die meisten noch nicht wissen

In der Invalidenversicherung (I. V.) und In der Angestelltenversicherung (A. V.) gibt es manche günstige gesetzliche Möglichkeit der freiwilligen Versicherung (auch für Pflichtversicherte), die im Allgemeinen viel zu wenig bekannt ist.

 

Jeder deutsche Staatsangehörige hat bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres das gesetzliche Recht, in die I.V. oder in die A. V. oder gleichzeitig in beide einzutreten, um durch freiwillige Beiträge einen Anspruch auf Rente zu erwerben. Auf Grund eines einzigen Beitrages vor Vollendung des 40. Lebensjahres kann später zu beliebiger Zeit die freiwillige „Selbstversicherung“ wieder aufgenommen werden. Der Pflichtversicherte der I.V. kann sich in der A. V., der Pflichtversicherte der A. V in der I.V. freiwillig „selbstversichern“.

 

Durch eine Pflichtversicherung von mindestens einem halben Jahr (in der I. V. oder A. V. oder beiden zusammen) erwirbt man das Recht später jederzeit, unabhängig vom Lebensalter, auch wenn die Anwartschaft inzwischen erloschen ist, die Versicherung wieder aufzunehmen (freiwillige „Weitersicherung“).

 

Demnach hat die Mehrzahl (der Versicherten und der Nichtversicherten) für die Entrichtung freiwilliger Beiträge die freie Wahl: I.V. oder A. V. oder auch beide zugleich. Außerdem gibt es seit einiger Zeit noch zusätzlich günstige Möglichkeiten für freiwillige Höherversicherung.

 

In vielen Fällen ist es für den Versicherten der A. V. vorteilhafter, sich in der I.V. freiwillig zu versichern, aber auch umgekehrt. Zum Beweise hier ein Beispiel:

 

Der I. V.-Versicherte A. 56 Jahre alt, hat in früheren Jahren irgendwann einige wenige Pflichtbeiträge in der A. V. geleistet. A. hat ein geringes Einkommen und nicht mehr versicherungspflichtig, muss aber zur Erhaltung der Anwartschaft freiwillige Beiträge entrichten.

 

Würde A. nun beispielsweise in Klasse II in der I.V. 260 Wochenbeiträge zu 1,-- DM 260,-- DM entrichten, so würde er dadurch seine Jahresrente steigern um 260 mal 0,12 DM - 31.20 DM.

 

Würde A. jedoch stattdessen in der A. V. in Klasse II 60 Monatsbeiträge zu 4,50 DM - 270,-- DM entrichten, so würde sich die dadurch erzielte Steigerung der Jahresrente wie folgt berechnen:

 

Steigerungsbeitrag: 60 mal 0,30 DM - 18,-- DM

A.V.-Grundbetrag (444) minus I. V.Grundbetrag (156) 288,-- DM

306,-- DM.

Davon ab (Wanderversicher.) 12 X 6 DM 72,-- DM

Mithin Steigerung der Jahresrente um 234,-- DM

 

Also für fast genau denselben Beitrag in der A. V. mehr als das Siebenfache an Rente!

 

Das ist ein Beispiel von vielen. In vielen anderen Fällen ist die freiwillige Versicherung in der I. V. viel vorteilhafter. Jeder Fall liegt anders. Darum lohnt es sich wirklich, sich mit beiden vertraut zu machen: Invalidenversicherung und Angestelltenversicherung.

 

Hierzu sind die folgenden im Verlag August Glenz in Essen-Bredeney soeben in neuer Auflage erschienenen Büchlein vorzüglich geeignet: „Was muss jeder von der Invalidenversicherung wissen?“ 9. Auflage; „Was muss jeder von der Angestelltenversicherung wissen?“ 15. Auflage. Stückpreis: 2,60 DM, zuzüglich Versandkosten.

 

 

Seite 14   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen – Danzig. Aufruf an die Turnschwestern und Turnbrüder aus Elbing

Foto: Elbinger Turnverein von 1859 beim Deutschen Turnfest in Köln 1928

Liebe Elbinger Turner und Turnerinnen! In diesem Jahr würde der Elbinger Turnverein von 1859 (Elbinger Turngemeinde) sein 95-jähriges Bestehen begehen können. Leider sind wir durch das Weltgeschehen in alle Winde zerstreut und denken an die schönen Stunden zurück, die wir in der Turnerei erleben durften. In guter Erinnerung ist mir noch die festliche 75-Jahrfeier unseres Vereins im Jahre 1934. Auf unsere Vereinsgeschichte näher einzugehen, erübrigt sich hier. Aber das beigefügte Bild von 20 Turnern des ETV 1859 beim Deutschen Turnfest 1928 in Köln mit unserer Fahne macht Euch sicherlich Freude. Kommt alle im August nach Hameln zum 8. Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen. Ich rufe Euch auf, dort den 95. Geburtstag unseres Vereins würdig zu feiern. Dabei möchte ich Euch Lichtbilder aus schönen Zeiten zeigen. Durch das so plötzliche Ableben unseres Turnbruders Albert Jagusch, an dessen Grab die Turnerfamilie einen Kranz niederzulegen beabsichtigt, sind zwar die Vorarbeiten ins Stocken geraten. Wer sich bei Turnbruder Alm als Hameln-Fahrer gemeldet hat, bekommt aber baldmöglichst weitere Nachricht über Zeit und Ort. Gut Heil und ein frohes Wiedersehen in Hameln! Euer Turnbruder Werner Schmuckert, Bad Salzuflen, Am Ostpark 4.

 

 

Das 8. Wiedersehenstreffen wird nach dem jetzt abgeschlossenen ersten Meldeergebnis wieder sehr stark besucht sein und viele alte Freunde zusammenführen. Da künftig nur in jedem zweiten Jahr ein Treffen abgehalten werden soll, mag sich mancher noch nachträglich zur Teilnahme in Hameln vom 19. bis 23.08.1954 entschließen, wenn auch als Festbeitrag jetzt 6,-- DM (bisher 5,--) zu zahlen sind. Eile ist aber geboten, weil sonst eine angemessene Unterbringung im Festort in Frage gestellt ist. Anmeldebögen sind von Wilhelm Alm in Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33, anzufordern. Den Teilnehmern aus der Sowjetzone gewährt der Deutsche Turnerbund erhebliche Vergünstigungen zur Behebung des Währungsunterschiedes Ost-West. Anmeldungen hierfür ebenfalls an Wilhelm Alm.

 

Die Allensteiner Turnerschaft kann in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiern und wird sich die Gelegenheit hierzu in Hameln gewiss nicht entgehen lassen, gleichwie die Elbinger Turngemeinde von 1859 dort ihr 95. Stiftungsfest begehen wird.

 

Der Deutsche Turntag Pfingsten 1954, in Düsseldorf, wählte einstimmig unsern Landsmann Werner Schusdziarra, früher Männerturnverein Ortelsburg, jetzt Neumünster zum Volksturnwart des Deutschen Turnerbundes. Viel Glück und guten Erfolg, lieber Werner!

 

Zur Anschriftensammlung vom 15.02.1954 liegt ein zweites Blatt Änderungen und Ergänzungen vor, das auf Anfordern kostenlos geliefert wird. Porto erbeten. Die Anschriftensammlung selbst ist auch noch vorrätig (1,50 DM).

 

 

Wiedersehenstreffen der ostdeutschen Leichtathleten

„Die Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den zurzeit abgetrennten Ostgebieten“ ruft alle Leichtathleten, Rasensportler und Turner aus dem alten Ost- und Westpreußen zu einem Wiedersehenstreffen anlässlich der deutschen Meisterschaften auf, die vom 6. bis 8. August in Hamburg stattfinden. Die Ostdeutschen werden zusammen mit dem SC Preußen-Stettin, der seine internen Wettkämpfe mit den unseren verbindet, am Freitag, den 6. August 1954, 16 Uhr, im Jahnstadion in Hamburg durchführen. Am gleichen Abend, um 20.30 Uhr, findet eine Kameradschaftsfeier im Haus des Sports, Rotenbaumallee statt. Die von manchen Seiten vorgetragenen Wünsche, das Treffen auf Sonnabend zu verlegen, konnten aus grundsätzlichen Erwägungen leider nicht berücksichtigt werden.

 

Am Sonnabend, den 7. August, wird vom DLV ein großer Gemeinschaftsabend im Haus des Sports veranstaltet, zu dem auch die ostdeutschen Leichtathleten herzlich eingeladen sind. Anschließend haben einige Vereine noch Zusammenkünfte vorgesehen. Alle heimatverbundenen Leichtathleten und Rasensportler, gleichviel ob sie aktiv oder als Zuschauer oder als Teilnehmer an der Abendveranstaltung zu dem Treffen kommen, sind herzlichst eingeladen.

 

Nachstehend das sportliche Programm:

I. Männer: Allgemeine Klasse (18 bis 31 Jahre): Dreikampf (100 m Lauf), Weitsprung, Kugelstoß), sowie Einzelkampf: 1000 m Lauf.

 

Altersklassen I - VII Männer von 32 - 60 Jahre und mehr: Dreikampf (75 m Lauf, Weitsprung, Kugelstoß), sowie Einzelkampf 1000 m Lauf.

 

II. Frauen: Dreikämpfe (75 m Lauf, Weitsprung, Kugelstoß) für: allgemeine Klasse (18 bis 29 Jahre), Altersklasse I (30 bis 34 Jahre) und Altersklasse II (35 Jahre und älter).

 

III. 4 X1 00 m-Vereinsstaffeln (Männer).

 

IV. 4 x 100 m-Traditionsstaffel (Männer) um den Wanderpreis von Dr. Danz.

 

Zugelassen sind je eine Mannschaft aus Ostpreußen, Danzig mit Westpreußen-Grenzmark, Pommern, Schlesien, Sudetenland.

 

Startberechtigt: für alle ausgeschriebenen Wettbewerbe sind nur Männer und Frauen, die vor 1945 einem Sport- oder Turnverein der Ostprovinzen angehört haben.

 

Meldungen bis 15. Juli 1954 schriftlich mit Namen, Vornamen. Geburtsjahr, früherem Ortsverein und jetziger Anschrift an Ernst Panknin, (24a) Ratzeburg, Moltkestraße II

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Elisabeth Siedler, geb. Schulz, geb. 30.07.1891, zuletzt wohnhaft in Königsberg Pr., Jahnstraße 7, bzw. Königsberg-Ponarth, Schreberstraße. Frau Siedler ist angeblich zuletzt im März 1948 in Königsberg gesehen worden, als ein Transport zusammengestellt wurde, der nach Löbau/Sachsen geleitet wurde. Wer kann etwas über das Schicksal meiner Mutter aussagen? Nachr. erb. Gertrud Siedler (20b) Bad Gandersheim, Neustadt 11.

 

Gesucht werden: die Eltern Gustav Seiffert, geb. 30.05.1879 in Adl. Barten bei Tapiau; Amalie Seiffert, geb. 27.05.1878 in Mauenwalde, Kreis Gerdauen, wohnhaft bis 1945 in Königsberg. Sackheimer Kirchenstraße Nr. 24, von ihrem Sohn Fritz Seiffert, Störmede/Westf. Wallstraße 21.

 

Die Studienrätin Frieda Kühn aus Königsberg, Schrötterstraße 21, ist im Juli oder August 1945 im Festungshauptlazarett in der Yorckstraße verstorben. In ihrem Haushalt lebte Fräulein Emma Kunz, die verschollen ist. Nachrichten über beide Landsleute freundlichst erbeten an Erich Reichelt, Stuttgart-Botnang, Brucknerstraße 15

 

Leutnant Alfred Schwarz, geb. 03.05.1919 in Romau, Kreis Wehlau/ Ostpr. Letzte Anschrift: 2. Art.-Ausb.-Abt. 271, Schneidemühl. — Nachricht erbittet Irmgard Pruust, geb. Schwarz, Nordhorn, Kreis Bentheim, Hakenstraße 10.

 

Regierung Königsberg! Dringend gesucht werden Oberregierungsrat Dr. Fritz Müller und Oberregierungsrat Dr. Siebel von der Regierung Königsberg, Veterinärabteilung, in einer Angelegenheit des Kreistierarztes Dr. Walter Pusch in Bartenstein. Nachr. erbeten an Frau Helene Pusch, München-Pasing, Orthstraße 1.

 

Gesucht wird Lehrer Albrecht aus Insterburg oder dessen Angehörige bzw. Nachkommen. Albrecht war verheiratet mit Marie (?) Harpeng. Mitteilungen erbeten an Frau Martel Willimzik, Bad Sooden-Allendorf, Postamt 2, postlagernd.

 

Wer kann etwas über das Schicksal meiner Mutter, Frau Auguste Allary, geboren am 02.12.1887 in Braunsberg (Ostpreußen), zuletzt wohnhaft in Braunsberg, Königsberger Str. 37, berichten? Auf der Flucht im Februar 1945 in Heiligenbeil abhandengekommen. Nachricht erbeten an Frau Liselotte Klimaczewski, geb. Allary, in Nordhofen (22b) über Selters (Westerwald).

 

Gesucht wird der Sohn Egon-Günter Teschmit, geb. 18.02.1929 in Königsberg, wohnhaft in Königsberg, Romstraße 13, vermisst seit 1945, von den beiden taubstummen Eltern Albert und Ida Teschmit, Lübeck-Travemünde, Mecklenburger Landstr. 45/47, Altersheim.

 

 

Seite 16   Landestreffen in Neumünster

Die Landesgruppe Schleswig-Holstein der Landsmannschaft Ostpreußen führt ihr 3. Landestreffen am 14. und 15. August in Neumünster durch. Mit dem Landestreffen ist auch die Übernahme der Patenschaft für Kreis und Stadt Lötzen verbunden.

 

 

Flensburger Ostpreußenfamilie Im Monat Juli 1954 können folgende Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern:

 

Am 02.07.1954: Anna Böhnack, Heinz-Krey-Lager, früher: Schippenbeil, Königsberger Straße 17, 70 Jahre.

 

Am 03.07.1954: Friedrich Beyer, Mathildenstr. 6, früher: Labiau, Königsberger Straße 20, 71 Jahre.

 

Am 06.07.1954: Otto Boehnke, Munketoft 22, früher als Eisenbahnassistent in Ebenrode, 70 Jahre.

 

Am 06.07.1954: Marta Gröning, Lager Westerallee, früher: Labiau, Königsberger Str. 55, 70 Jahre.

 

Am 06.07.1954: Gustav Massalsky, Neustadt 56, früher: Tilsit, Kleffelstraße 8, 84 Jahre.

 

Am 06.07.1954: Margar. Pommerening, Schlossstraße 43, früher: Tilsit, Landwehrstraße 11, 75 Jahre.

 

Am 12.07.1954: Wanda Zorn, Angelburger Str. 71, früher: Rauschen (Ostpreußen), 76 Jahre.

 

Am 13.07.1954: Franz Meyhöfer, Solitüde 3, früher: Platen, Kreis Ebenrode, 70 Jahre.

 

Am 14.07.1954: Frieda Habermann, Bismarckstraße 40, früher: Königsberg (Preußen), 73 Jahre.

 

Am 14.07.1954: Hans Oberhauser, Angelsunderweg 3, früher: Austen, Kreis Tilsit, 70 Jahre.

 

Am 14.07.1954: Johanna Stein, Engelsbyer Straße 20, früher: Königsberg-Ponarth, Brandenburger Straße 82, 80 Jahre.

 

Am 17.07.1954: Gustav Windzus, Lager Westerallee, früher: Dreifurt, Kreis Tilsit-Ragnit, 70 Jahre.

 

Am 18.07.1954: Paul Busch, Teichstraße 33, früher: Frauenburg, Seeblatt 9, 74 Jahre.

 

Am 19.07.1954: Martha Fieber, DRK-Altersheim, früher: Königsberg (Preußen), Dinterstraße 15, 83 Jahre.

 

Am 20.07.1954: Johann Grimm. Harrisleerstraße 9, früher: Königsberg (Preußen), Henschstraße 9, 92 Jahre.

 

Am 21.07.1954: Friederike Ringlau, Peter-Christian-Hansen-Weg 8, 71 Jahre.

 

Am 28.07.1954: Wilhelm Bratka, Lager Fruerland, früher: Bischofsburg (Ostpreußen), Kasernenstraße 6, 72 Jahre.

 

Am 30.07.1954: August Freytag, Klosterholzweg 23, früher: Neu-Garschen, Kreis Heilsberg, 71 Jahre.

 

Am 31.07.1954: Karl Sefzig, Schleswiger Straße 22, früher: Mohrungen (Ostpreußen), 89 Jahre.

 

Allen Geburtstagskindern wünscht die Ostpreußenfamilie in Flensburg, insbesondere der Vorstand einen gesegneten Lebensabend und gratuliert aufs herzlichste. Armoneit

 

Wir gratulieren

Mit Foto: Am 4. Juli 1954, begeht in seltener geistiger Frische ihren 90. Geburtstag Frau Clara Dittloff, geb. Winkler, früher Elbing, Kantstraße 3. Ihr jetziger Wohnort ist Hannover, Stresemannallee 16, wo sie von ihrer Schwester, Fräulein Margaret Winkler, liebevoll betreut wird. Im Februar d. J. musste die Jubilarin den großen Schmerz erleben, ihren jüngsten Sohn, Dr. Fritz Dittloff, Besitzer des Gutes Siebenschlößchen, Kreis Pyritz-Pommern, zu verlieren, mit dem sie seit 1944 in Wohngemeinschaft lebte. Wir wünschen der Jubilarin einen gesegneten Lebensabend und alles Gute!

 

Mit Foto: Seinen 90. Geburtstag beging am 22. Juni 1954, Herr Fritz Bohl, Prokurist i. R., aus Königsberg, Tiergartenstraße 45 II. Herr Bohl lebt jetzt bei seiner Schwester in Raisdorf, Kreis Plön, Altes Posthaus. Wir wünschen unserem Landsmann von Herzen alles Gute und einen gesegneten Lebensabend.

Eingang

 

Erstes Lebenszeichen aus Schweigelager

Das erste Lebenszeichen seit Kriegsende von einem aus Königsberg gebürtigen deutschen Kriegsgefangenen traf bei seinen Angehörigen in Brake ein. Der Ostpreuße wird in einem Gefangenenlager am nördlichen Eismeer festgehalten, das nach einer Mitteilung des Deutschen Roten Kreuzes zu den sogenannten Schweigelagern gehört.

 

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