Ostpreußen-Warte, Folge 06 vom Juni 1954

Ostpreußen-Warte

Folge 06 vom Juni 1954

 

Seite 1    17. Juni „Tag der deutschen Einheit“. Deutsche Aktion zur Wiedervereinigung beginnt am 14. Juni in Bad Neuenahr / Am ersten Jahrestag des Volksaufstandes in der Sowjetzone werden überall Freiheitsfeuer für Deutschland brennen.

Foto: Königsberg: Wrangelturm im Pfingstschmuck. Im Nordergrund das Denkmal des „Deutschen Michel“ von Reusch. Aufn.: M. Löhrich

Unter dem Stichwort „Tag der Einheit“ ruft der ZvD/BvD zu einer gemeinsamen Feierstunde aus Anlass des 17. Juni auf. Im Zusammenwirken mit dem Verband der Landsmannschaften, der Deutschen Jugend des Ostens, dem Verband der Deutschen Soldaten, dem Verband der Heimkehrer, dem Deutschen Saarbund, dem Bund der Berliner und einer Reihe weiterer Organisationen sollen insbesondere in den Zonenrandgebieten feierliche Mahnstunden veranstaltet werden. Die Verbände, die Sonnenwendfeiern veranstalten, werden aufgerufen, die Sonnenwendfeiern in diesem Jahre auf den 17. Juni zu legen und „Freiheitsfeuer für Deutschland“ zu entzünden.

 

Gerade noch rechtzeitig vor dem ersten Jahrestag des Volksaufstandes in der sowjetisch besetzten Zone werden am 14. Juni in Bad Neuenahr führende Persönlichkeiten aus allen Kreisen der westdeutschen Bevölkerung zusammentreffen, um das Kuratorium einer Volksbewegung für eine Wiedervereinigung Deutschlands zu bilden. In den nächsten Tagen erfolgt ein Aufruf an die Bevölkerung der Bundesrepublik. Der Zusammenschluss wird Vertreter aus dem Geistesleben, der Wirtschaft, aus allen Berufen, Verbänden und Parteien umfassen. In Jeder Stadt, in jedem Dorf sollen Freiheitsfeuer brennen, wie bisher die traditionellen Sonnenwendfeuer. In den Zonenrandgebieten werden feierliche Mahnstunden veranstaltet. Es gilt, eine rechte Volksbewegung zu schaffen, die überparteilich und von den staatlichen Organen unabhängig ist.

 

Hauptaufgabe ist die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls aller Deutschen. Die Anregung zur Schaffung einer gesamtdeutschen Bewegung hat Bundesminister Jakob Kaiser gegeben. Der Minister sprach bereits am 15. Mai d. J. im Sender RIAS zu dieser Angelegenheit und betonte, dass die deutsche Frage wieder auf die Tagesordnung der Weltpolitik gesetzt werden müsse.

 

„Die Wiedervereinigung unseres Landes wird uns nicht einfach von den Mächten auf dem Tablett überreicht werden, vielmehr müssen wir selbst den nationalen Antrieb für die Wiedervereinigungspolitik geben. Unterlassen wir das, so dürfen wir uns über eine Missdeutung der deutschen Haltung im Ausland, wie das bereits erfolgte, nicht wundern. Ebenso wenig dürfen wir uns wundern, wenn man dann die deutsche Frage auf sich selbst beruhen lässt. Allein schon das nottragende Schicksal der 18 Millionen in der Sowjetzone, das einfach nach einer grundlegenden Änderung, nach einer Wiedervereinigung unsers Landes ruft, verbietet jede Passivität“.

 

Der Minister sagte weiter, dass man auch durchaus im Klaren sei, dass wir uns mit Geduld zu wappnen hätten. Geduld und Einsicht bedeuteten aber nicht Passivität. Wir müssten der Welt wieder die deutsche Frage zum Bewusstsein bringen. Das sei unmöglich, wenn der Wille zur Wiedervereinigung voller zum Ausdruck komme als bisher. Wir müssten die Mächte für praktische Maßnahmen gewinnen, die der Zerreißung Deutschlands ein Ende bereiten könnten. Wir würden uns aber auch bewusst werden müssen, dass die Wiedervereinigung nicht nur durch Verständigung mit drei Mächten herbeigeführt werden könne, sondern nur durch eine Verständigung mit den vier Mächten, die noch immer unser Schicksal in der Hand hätten.

 

Der Minister sagte ganz bewusst: „Wiedervereinigung durch Verständigung, denn das deutsche Volk will auf keinen Fall den Weg der Gewalt“.

 

Ernste Mahnung zur Einigung Europas

 

In diesem Zusammenhang verdient eine Rede, die Bundeskanzler Dr. Adenauer in seiner Eigenschaft als Außenminister vor der beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg hielt, Beachtung. Der Bundeskanzler sagte u. a.:

 

Europa ist auch heute noch, fast zehn Jahre nach dem großen Kriege, angefüllt mit Flüchtlingen und Heimatlosen. Täglich kommen neue dieser Unglücklichen aus den Ländern jenseits des „Eisernen Vorhangs“  zu uns. Als Deutschen berührt mich dies besonders; aber ich würde auch meiner Pflicht als Präsident des Ministerkomitees nicht genügen, wenn ich Ihnen nicht zurufen würde: „Dieser Not muss auf europäischer Ebene und mit europäischen Maßnahmen Halt geboten werden!“ Gemäß unserem Beschluss Nr. 35 vom 12. Dezember 1953 haben wir eine hervorragende europäische Persönlichkeit, Herrn Pierre Schneiter,  als Sonderbeauftragten für nationale Flüchtlinge und Überbevölkerung eingesetzt. Herr Schneiter wird das europäische öffentliche Interesse an dieser Angelegenheit wecken, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsregierungen und den beteiligten internationalen Organisationen die Flüchtlingsfrage prüfen und dem Ministerkomitee Lösungsvorschläge übermitteln. Wir haben volles Vertrauen zu Herrn Schneiter und zu seiner Hingabe an diese Sache; den von ihm vor allem zu berücksichtigenden Fragen des Wohnungsbaus und der Berufseingliederung der Flüchtlinge und Exilierten werden wir stärkste Aufmerksamkeit zuwenden. Vor uns liegt ferner der großherzige Vorschlag der niederländischen Regierung zur Schaffung eines besonderen Vertriebenenfonds im Rahmen des Europarates.

 

Der Weg zur Einigung Europas ist, wie alle Wege zu wirklich großen Zielen, schwer und mühevoll. Wollen wir den Weg erfolgreich bis zu Ende beschreiten, so setzt dies zweierlei voraus: Einigkeit auch über die Methode unseres Vorgehens und Unerschütterlichkeit in der Ausführung dessen, was wir hinsichtlich dieses Vorgehens als richtig erkannt haben. Wir können befriedigt sein über das Erreichte; aber der Erfolg darf uns nicht blind machen gegenüber den Gefahren, die das europäische Einigungswerk heute stärker bedrohen als in den ersten Jahren unserer gemeinsamen Bestrebungen. Jedes Nachlassen in unserem Eifer, in unserer Energie, das Begonnene zu vollenden, bedeutet Rückschritt, wenn nicht gar Gefährdung des ganzen Werkes. Schon machen sich da und dort Zeichen der Ungeduld, ja der Enttäuschung bemerkbar, angesichts der Lage auf dem Gebiet der gemeinsamen Verteidigung. Lassen Sie uns diese Warnungszeichen beachten.

 

In Europa hat die Berliner Konferenz eine völlige Verhärtung der Fronten ergeben und erwiesen, dass die Mächte, die unsere Lebensform bedrohen, nicht gewillt sind, der Freiheit die Grenzen zu öffnen, und dass sie stattdessen nur danach trachten, ihre eigene Einflusssphäre auszudehnen und damit der Unfreiheit zum Sieg zu verhelfen. Auch der bisherige Verlauf der Genfer Konferenz ist nicht dazu angetan, uns zu ermutigen. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass wir hier in Europa ein Teil des weltweiten Spannungsfeldes sind, ob wir wollen oder nicht. Unser Potential an hochqualifizierten Menschen und hochentwickelten Industrien und unser Reichtum an wichtigsten Rohstoffen machen uns zu einem begehrenswerten Objekt. Wer diesen Kontinent unter seiner Kontrolle hat, der hat in dieser Auseinandersetzung gesiegt, ohne dass es militärischer Anstrengungen bedurfte. Mannigfaltig sind die Methoden, die es heute gibt, um sich Völker zu unterwerfen. Der offene militärische Angriff ist nur der primitivste. Weit ernster ist die Gefahr der Unterwanderung eines Staates im Wege subversiver Aktionen. Die Jahre nach dem Kriege haben uns gezeigt, wie viele europäische Länder, jedes für sich, dieser Gefahr erlegen und heute zu Satellitenstaaten herabgesunken sind. Was bedeutet für uns das oft so tragische Erbe unserer Geschichte, wenn wir nicht die Lehre daraus ziehen, dass kein Mitglied dieser europäischen Gemeinschaft heute für sich allein in der Lage ist, seine Existenz zu schützen, und dass wir in dieser Welt voller Gefahren nur zusammengehen können.

 

Dr. Adenauer schloss: „Lassen Sie uns deshalb all unsere Energie aufwenden, um voranzuschreiten. Lassen Sie uns, bewusst der großen Tradition dieses Kontinents, all die Kräfte wachrütteln, die unsere Völker Jahrtausende lang immer wieder zu den größten Leistungen befähigt haben. Lassen Sie uns dafür sorgen und arbeiten, dass diese Kräfte nie wieder gegeneinander, sondern nur gemeinsam wirken zur Erhaltung von Frieden und Freiheit, zum Schutz unseres Europas und der freien Welt“.

 

 

Seite 1   Das Gelöbnis der Vertriebenen

Auf den Bundestreffen der Landsmannschaften und auf allen künftigen Kundgebungen der deutschen Heimatvertriebenen werden die Sprecher der Vertriebenen für die Wiedervereinigung Deutschlands eintreten. Der Verband der Landsmannschaften hat vorgeschlagen, zu Beginn von Zusammenkünften jeder Art folgendes gesamtdeutsches Bekenntnis abzulegen: „In dieser Stunde gedenken wir unserer Schwestern und Brüder unter sowjetischer Bedrückung. Unser Volk ist gegen seinen, Willen geteilt. 18 Millionen Deutsche in der Sowjetzone wollen wie wir das gesamte Deutschland. Wir geloben, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, dass die deutsche Einheit in Freiheit zur Wirklichkeit werde“.

 

 

 

Seite 1   Dokumentarfilm: „Jenseits der Oder und Neiße“

Die Arbeiten an dem abendfüllenden Dokumentarfilm „Jenseits der Oder und Neiße“ sind in vollem Gange. Der Dokumentarfilm „Jenseits der Oder und Neiße“ besteht aus sechs Teilen, in denen bisher noch nicht veröffentlichte Aufnahmen aus den deutschen Ostgebieten und eine Darstellung des Verlaufs der Oder-NeißeLinie verarbeitet sind. Zur Fertigstellung des Films stehen rund 17 000 Meter Filmmaterial zur Verfügung.

 

 

 

Seite 2   Bayern Schande

Zum 85. Geburtstag des Kronprinzen Rupprecht in Bayern war auch die Kamera der Neuen Deutschen Wochenschau zur Stelle. Sie zeigte den glücklichen Jubilar im Kreise seiner Freunde und Landsleute. Im Text der Bildreportage wurde Rupprecht als der „ungekrönte König der Bayern“ gefeiert. Um nun dem Ereignis etwas von seinem lokalen Charakter zu nehmen und den Besuchern der Wochenschau ein historisches Kuriosum nicht vorzuenthalten, hatte man hinzugefügt, dass Rupprecht auch „der letzte Überlebende Feldmarschall der preußischen Armee“ ist. Der junge Redakteur, der  bei der Neuen Deutschen Wochenschau die Texte für „Welt im Bild“ macht, nahm an, diese Tatsache, von deren Richtigkeit er sich durch umfangreiches Quellenstudium überzeugt hatte, werde überall im rechten Sinne verstanden werden. Er hatte seine Rechnung jedoch ohne den Partikularismus gewisser Kreise in Bayern gemacht. Als deren Vertreter rief nach dem Anlaufen der Wochenschau der Ministerialrat im bayrischen Kultusministerium Dr. Keim, beim Allianz-Filmverleih in München an, der die Wochenschau herausbringt, um sich zu beschweren. Keim sagte, nach der Aussage des Kameramannes: „In meinen Kreisen ist man empört, dass ein bayerischer Kronprinz als preußischer Offizier bezeichnet wird“. Und er verlangte, dass „diese Schande aus dem Film entfernt werde“. Keim kann von Glück sagen, dass sein geschändeter Kronprinz, der einen preußischen Rang gewiss nicht als Schande empfinden würde, zurzeit nicht regiert. Sonst würde Keim wahrscheinlich wegen vorlauter, engstirniger Kritik am Hause Wittelsbach pensioniert werden.

 

 

 

Seite 2   Gefährliche Sattheit. Tillmanns über die Wiedervereinigung.

Bundesminister Tillmanns hat sich auf einer Kundgebung des Königssteiner Kreises in der Frankfurter Paulskirche gegen die allzu große Gelassenheit ausgesprochen, mit welcher der 17. Juni und die ergebnislose Konferenz aufgenommen worden seien. Die Bevölkerung müsse aus ihrer Gleichgültigkeit in der Frage der Wiedervereinigung wachgerüttelt werden. Wenn es uns mit einem vereinten Deutschland ernst sei, müssten wir die Entwicklung in der Sowjetzone verfolgen.

 

Die Bemühungen um die Jugend in der Sowjetzone müssten sehr ernst genommen werden. Gefährlicher aber als ihre Beeinflussung sei es, wenn sich bei den Menschen in Mitteldeutschland das Gefühl ausbreite, sie seien verlassen. Tillmanns wendete sich gegen Äußerungen des Chefredakteurs des Bayerischen Rundfunks von Cube, der gesagt habe, man müsse den Mut haben, einen infizierten kranken Teil abzuschneiden. Die Sowjetzone sei nicht vom Kommunismus indiziert, das habe der 17. Juni bewiesen. Viele Satte in der Bundesregierung seien gefährlicher für die Wiedervereinigung als diejenigen, von denen behauptet werde, sie seien vom östlichen Geist erfasst.

 

Die Bundesrepublik allein könne die Einheit Deutschlands nicht herbeiführen, sie brauche dazu das Vertrauen des Westens. Man müsse bei Verhandlungen aber auch die Sicherheitswünsche der Sowjets berücksichtigen.

 

 

 

Um die Umwandlung der Lastenausgleichsbank

Der Bundestagsausschuss „Geld und Kredit“ hat die Beratungen zum Gesetzentwurf über die Umwandlung der Lastenausgleichsbank in ein Institut des öffentlichen Rechts abgeschlossen, so dass bereits in Kürze mit der zweiten und dritten Lesung im Bundestag gerechnet werden kann. Die meisten der vorgebrachten Abänderungswünsche sind abgelehnt worden, so u. a. auch die durch Bundestagsabgeordneten Dr. Kather übermittelte Forderung des ZvD, den Vorsitz im Verwaltungsrat nicht an die Person des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes zu binden, sondern diesen Posten durch das Kabinett besetzen zu lassen.

 

 

Seite 2   Kein Kurswechsel des BHE

Bonn. Bundesvertriebenenminister Prof. Oberländer, der neue Vorsitzende des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, hat vor Pressevertretern angekündigt, dass seine Partei keinen Kurswechsel beabsichtige und in der Bonner Regierungskoalition bleiben wolle. Die weitere Mitarbeit in der Bundesregierung bezeichnete Oberländer als Auftrag, den Geschädigten so schnell wie möglich zu helfen. Die sich daraus ergebende Verantwortung müsse allerdings von den Ministern der übrigen Koalitionsparteien getragen werden.

 

Bundesvorstand und Bundesfraktion des Gesamtdeutschen Blocks (BHE) beschäftigten sich eingehend mit den Ergebnissen des Bundesparteitages. Es wurde einmütig festgestellt, dass zwischen dem Gründer der Partei, Waldemar Kraft, den neuen Bundesvorsitzenden, Theodor Oberländer, dem Bundesvorstand und der Bundesfraktion ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis besteht, das auch Waldemar Kraft die Möglichkeit zur weiteren aktiven Mitarbeit in den Führungsgremien des BHE bietet. Die Partei werde ihren Kurs unter dem neuen Vorsitzenden, Bundesminister Oberländer, und mit voller Unterstützung Waldemar Krafts in vollkommener Geschlossenheit fortsetzen.

 

 

 

Nicht nach Ostland „reiten“

Auf dem Bielefelder BHE-Parteitag befasste sich Prof. Dr. Oberländer auch mit der Stellung zu den slawischen Völkern:

 

„Man kann geistig nur überwinden, wenn man das System, das man überwinden will, ganz genau kennt. Und ich habe die Sorge, dass wir uns zu sehr abkapseln von dieser großen Aufgabe. Allein mit der jetzigen selbstzufriedenen Statistik werden wir gar nichts erreichen. Dazu gehört der Blick nach Osten. Mit dem „Reiten gen Ostland“ hat das gar nichts zu tun. Sondern es geht darum, uns mit den Gebieten und den Menschen auseinanderzusetzen, die dort Träger des Bolschewismus sind und die wir geistig überwinden wollen, weil wir auf die Gewalt verzichten. Wir haben unserer Jugend das entsprechende Rüstzeug zu geben, weil wir mit diesen Völkern eines Tages zusammenleben müssen.

 

Das sind Aufgaben, an denen wir nicht vorbeigehen können. Vor kurzem haben wir eine interessante Feststellung gemacht. Das war in einem Kreis von Ostwissenschaftlern. Der jüngste Fachmann war 51 Jahre alt. Wo bleibt hier der Nachwuchs? Ich muss sagen, wir verkennen unsere europäischen Pflichten und Aufgaben, und das Reden von der Wiedervereinigung ist tatsächlich allmählich nur noch ein Gerede, weil ja Tatsachen fehlen“.

 

 

Umbenannt

Die ostpreußische Stadt Preußisch-Eylau, zur Zeit unter sowjetischer Verwaltung, ist laut Radio Moskau zu Ehren des russischen Generals Bagration in Bagrationowsk umbenannt worden. General Bagration hatte in der Schlacht von Preußisch-Eylau am 7. und 8. Februar 1807 das russische Korps gegen die napoleonische Armee geführt.

 

 

Seite 2   „Tag der Heimat“ ist am 12. September

Die entstandenen Unklarheiten über den Termin des „Tags der Heimat" sind nunmehr beseitigt. Der ZvD, der in Neustadt beschlossen hatte, ihn wie im Vorjahr auf den ersten Sonntag im August zu legen, hat jetzt der Verlegung des Tages für 1954 auf den 12. September zugestimmt. Dieser Termin war vom Verband der Landsmannschaften mit Rücksicht auf die Sommerferien vorgeschlagen worden.

 

Die gemeinsame Losung für den diesjährigen Gedenktag ist „Auch Ostdeutschland ist deutsche Heimat“. Dadurch soll dem in der Bundesrepublik immer stärker werdenden Trend zur Abschreibung der ostdeutschen Gebiete und der Verwirrung in dem Begriff „Gesamtdeutschland“ entgegengetreten werden.

 

 

Patenschaft von Gumbinnen

In einem Festakt hat die Stadt Bielefeld die Patenschaft über die ehemalige ostpreußische Regierungshauptstadt Gumbinnen übernommen, während die österreichische Stadt Salzburg die Patenschaft für die Salzburger Gumbinner übernahm.  

 

Bis nach dem zweiten Weltkrieg war Gumbinnen Wohnsitz zahlreicher Salzburger, die aus Glaubensgründen 1732 ihre Heimat verlassen hatten. Während Bielefeld u. a. die Einrichtung einer Gumbinner Heimatstube, einer Zentralkartei und eines Archivs übernahm, stellte die Stadt Salzburg zwei Freistellen für Studierende und einen Ferienaufenthalt für 20 Gumbinner Kinder zur Verfügung..

 

 

Patenschaft über Elbing

Über 3000 Elbinger kamen aus über 50 Städten des Bundesgebietes in Bremerhaven zusammen, um die feierliche Übernahme der Patenschaft durch die norddeutsche Hafenstadt zu erleben.

 

Bremerhaven war aus diesem Anlass mit vielen westpreußischen Flaggen geschmückt. Den Höhepunkt des Treffens bildete ein Festakt im Saal des Columbusbahnhofes, auf dem Oberbürgermeister Gullasch erklärte, Bremerhaven habe die Patenschaft über Elbing übernommen, weil beide Städte gleiche Interessen gehabt hätten. Bremerhaven sei deshalb geeignet, den Elbingern Wahlheimat zu sein, bis ihre Heimat wieder für sie offen stünde. Die in Leder gebundene Patenschaftsurkunde wurde dem Sprecher der Elbinger, Volkmann, überreicht. Als Gegengabe empfing der Oberbürgermeister eine wappengeschmückte Bernsteinplakette.

 

 

Tausende kamen

Das diesjährige Treffen der Königsberger in Hamburg wurde von mehreren tausend Landsleuten besucht, die in der Ernst-Merck-Halle zusammenkamen. Konsul a. D. Bieske hieß alle Landsleute, insbesondere die Teilnehmer aus Berlin und der Sowjetzone herzlich willkommen. Aus einem Grußwort des Oberbürgermeisters der Patenstadt Duisburg ging hervor, dass das 700-jährige Bestehen Königsbergs im nächsten Jahr in Duisburg gefeiert werden soll. Im Mittelpunkt des Treffens stand dann eine längere Rede von Dr. Gille, der sich eingehend mit aktuellen politischen Tagesfragen beschäftigte. Ein Bunter Abend mit Tanz beschloss das diesjährige Treffen.

 

 

Kassel — Patenstadt von Stallupönen

Die hessische Stadt Kassel hat die Patenschaft für die ostpreußische Stadt Stallupönen übernommen. Aus diesem Anlass fanden am 15. und 16. Mai eindrucksvolle Feiern in Kassel statt.

 

 

 

Das Samland: Sowjetfestung

Nach einem Bericht eines deutschen Ingenieurs, der bislang unter den Sowjets im Samland gearbeitet hat, wird das ganze Samland immer stärker zu einer militärischen Bastion von den Sowjets ausgebaut. 15 Kilometer tief ist der Sperrgürtel, der sich an der Küste des Samlands von Pillau bis Cranz hinzieht. Militärische Einrichtungen verschiedenster Art sind in diesem Gebiet errichtet worden. Die gesamte Bevölkerung musste dieses Gebiet räumen. Auch die kurische Nehrung ist zum Sperrgebiet erklärt worden. Sie darf nur mit einem Sonderausweis, der in Königsberg erteilt wird, betreten werden.

 

 

Carlo Schmid und Königsberg

In unserer Mai-Ausgabe veröffentlichten wir unter der Überschrift „Carlo Schmid schreibt Königsberg ab“ einen Bericht den wir der Zeitung „Wegweiser für Heimatvertriebene“ entnahmen, der sich mit einem Interview des SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Carlo Schmid in der New Yorker Wochenzeitung „Aufbau“ beschäftigte. In diesem Interview sollte Prof. Carlo Schmid die Äußerung getan haben: „Es leidet keiner bei uns unter dem Verlust von Königsberg“. Außerdem wurde gesagt, dass der Bundestagsabgeordnete Erler bei diesem Interview anwesend gewesen sei und geschwiegen habe.

 

Dazu erhielten wir von dem Bundesvorstand der SPD in Bonn ein Schreiben, in dem der Bundestagsabgeordnete Fritz Erler als Ohrenzeuge der Unterhaltung mit Herrn Großmann versichert, dass Prof. Carlo Schmid die wiedergegebene Äußerung nicht getan hat. Er hat sich in dem Gespräch, das übrigens kein offizielles Interview war, sondern zu seinem Bedauern von Herrn Großmann in dieser Form wiedergegeben wurde, mit den Fragen der deutschen Wiedervereinigung und der Ostgrenzen befasst. Es kam ihm in diesem Gespräch darauf an, zu zeigen, dass die SPD die Fragen der Wiedervereinigung und der Ostgrenzen nur auf friedliche Weise und nicht mit den Mitteln der Gewalt zu lösen sucht. Dabei befindet sich Prof. Carlo Schmid in voller Übereinstimmung mit der Charta der Vertriebenen und der offiziellen Erklärung der Vertriebenenverbände.

 

Die in falschem Wortlaut wiedergegebene Äußerung des Bundestagsabgeordneten Prof. Carlo Schmid muss in Wirklichkeit lauten: „Niemand in Deutschland will für Königsberg einen Krieg führen. Im Übrigen finde ich es sehr bedauerlich, dass so wenig Leute in Deutschland darunter leiden, dass Königsberg jetzt Kalinigrad heißt“.

 

Prof. Carlo Schmid hat sich im Übrigen sofort nach Bekanntwerden der Veröffentlichung in der New Yorker Zeitung „Aufbau“ an den Redakteur, Herrn Großmann, gewandt und ihn um Richtigstellung gebeten.

 

Wir begrüßen diese Klarstellung sehr und freuen uns, dass die Äußerungen von Prof. Carlo Schmid durchaus positiv im Sinne der Vertriebenen waren.

 

 

Die Meereskathedrale

In den wiederhergestellten Wohnhäusern der Danziger Langgasse, heute ulica Dluga genannt, sind vor kurzem die ersten polnischen Aktivisten und Parteifunktionäre eingezogen. Im Rahmen des „grandiosen Wiederaufbaues“ in Gdansk wurde auch der Artushof völlig wiederhergestellt und zum „Kulturhaus der werktätigen Bevölkerung von Gdansk“ bestimmt; die 1945 von einmarschierenden sowjetischen Truppen schwer zerstörte St. Marienkirche trägt jetzt den Namen Meereskathedrale. In diesem Jahr wird in Danzig die „500-Jahrfeier der Rückkehr von Gdansk zu Polen“ gefeiert werden, bis dahin aber prangern die beiden polnischen Zeitungen Danzigs, Dziennik Baltycki (Ostseezeitung) und Glos Wybrzeza, (Küstenstimme), die Verschmutzung der Stadt an. Der Magistrat gab bekannt, dass die Monate Juni und Juli zur konsequenten Durchführung der Sauberkeitsaktion bestimmt worden sind.

 

 

Kreistreffen in Hannover

Während des 1. Landestreffens in Hannover finden Kreistreffen bzw. Jahreshauptversammlungen der Kreise Angerrapp, Bartenstein, Ebenrode, Fischhausen, Gerdauen, Goldap, Gumbinnen, Heilsberg, Johannisburg, Königsberg-Stadt und Land, Mohrungen, Osterode, Rössel, Pr. Holland, Sensburg, Treuburg, Insterburg Stadt und Land, Memel-Stadt und Land statt. Auch für die übrigen Kreise sind Treffen angesetzt. Die Trefflokale werden in dem Programmheft zum Landestreffen verzeichnet sein.

 

 

Seite 2   Hausratsentschädigung und Einkommen. Die 7. Leistungs-Durchführungsverordnung zum Lastenausgleich.

 

In § 293 des Lastenausgleichsgesetzes wird bestimmt, dass Hausratsentschädigung derjenige Geschädigte nicht erhält, der im Durchschnitt der Jahre 1949, 1950 und 1951 ein Einkommen von mehr als 10 000 Deutsche Mark bezogen oder am 1. Januar 1949 ein Vermögen von mehr als 35 000 Deutsche Mark gehabt hat. Der Einkommensbetrag erhöht sich für den nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten um 2000 Deutsche Mark und für jedes Kind um 1000 Deutsche Mark. Bei der Einkommensberechnung wird das Einkommen des Geschädigten mit dem seines Ehegatten und seiner Kinder, soweit diese am 1. April 1952 zu seinem Haushalt gehörten und wirtschaftlich von ihm abhängig waren, zusammengerechnet. In einer 7. Leistungs-RV wird Näheres über die Berechnung der Vermögenshöhe bestimmt.

 

Für die Berechnung des Einkommens sind grundsätzlich die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes maßgeblich. Außer Ansatz bleiben die sogenannten steuerfreien Einkünfte wie Leistungen aus einer Krankenversicherung und aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung, die gesetzliche Arbeitslosenfürsorge und die Kurzarbeiterunterstützung, die Kapitalabfindung auf Grund der gesetzlichen Rentenversicherung, die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Invalidenversicherung und Angestelltenversicherung), die Bezüge aus dem Bundesversorgungsgesetz, die Bezüge aus dem Lastenausgleichsgesetz (Unterhaltshilfe, Ausbildungshilfe usw.), die Bezüge auf Grund der Wiedergutmachungsgesetzgebung, die aus öffentlichen Kassen gezahlten Aufwandsentschädigungen und Reisekosten und Weihnachtszuwendungen, soweit sie im einzelnen Fall insgesamt 100 Deutsche Mark nicht übersteigen.

 

Da die steuerlichen Einkommen maßgeblich sind, sind Verluste bei anderen Einkünfte-Arten vom Einkommen absetzbar. Abgesetzt werden auch die sogenannten Sonderausgaben. Sonderausgaben sind Schuldzinsen, auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten (z. B. Unterstützungen an Verwandte in gerader Linie), Beiträge und Versicherungsprämien zu Kranken-, Unfall-, Haftpflicht-, Angestellten-, Invaliden- und Erwerbslosenversicherungen, zu Versicherungen auf den Lebens- oder Todesfall und zu Witwen-, Waisen-, Versorgungs- und Sterbekassen, Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen, Aufwendungen für den ersten Erwerb von Anteilen an Bau- und Wohnungsgenossenschaften und an Verbrauchergenossenschaften und Beiträge auf Grund von Kapitalansammlungsverträgen (steuerbegünstigtes Sparen); ferner gelten bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchhaltung ermitteln, die Verluste der letzten drei Jahre als absetzbare Sonderausgaben. Abgesetzt werden können vom Einkommen im Sinne der 7. Leistungs-DV-LA schließlich die sogenannten außergewöhnlichen Belastungen, sofern sie vom Finanzamt anerkannt worden waren.

 

 

Seite 2   Aufbaudarlehen für Eheleute

Antragsrecht und Existenzsicherung bei beiderseitigen Ansprüchen.

 

Das Bundesausgleichsamt hat durch einen Bescheid klargestellt, dass Eheleute je ein Aufbaudarlehen weder zur Verwendung für das gleiche Unternehmen noch für verschiedene Betriebe erhalten können, selbst wenn jeder der Ehepartner einen entsprechenden Anspruch auf Hauptentschädigung hat. Diese Auffassung ist im Ergebnis richtig, wenn auch die Begründung nicht immer überzeugt.

 

Nach § 254 LAG kann ein Aufbaudarlehen Personen gewährt werden, wenn sie ein Vorhaben nachweisen, durch das sie in den Stand gesetzt werden, an Stelle einer durch die Schädigung verlorener Lebensgrundlage eine neue gesicherte Grundlage zu schaffen oder eine bereits vorhandene zu sichern. Es kommt also dem Grunde und der Höhe nach auf die Existenzgrundlage des Antragstellers an. Da das Aufbaudarlehen an bestimmte Personen, also nicht an Gemeinschaften und auch juristische Personen gegeben wird, liegt die Vermutung nahe, dass es auch nur auf die persönlichen Grundlagen des Antragstellers ankommen könne. Das LAG ist aber kein in sich geschlossenes rechtliches System. Es fügt sich vielmehr in den Rahmen der allgemeingültigen Grundsätze. Diese anerkennen aber den Familienzusammenhang. Deshalb ist die Familieneinheit auch im LAG von Bedeutung, und bei Bemessung des Kredits kommt es also darauf an, ob durch das Darlehen zugleich die Existenzgrundlage der Familie gesichert ist. Hieraus ergibt sich als Folgerung, dass nur ein Ehegatte den Kredit in Anspruch nehmen kann.

 

Das soll jedoch nicht heißen, dass, falls der Kredit die Lebensgrundlage nicht zu sichern vermag, der Antrag abgelehnt werden soll. Der Aufbaukredit reicht oft nicht zur Schaffung oder Sicherung einer Existenzgrundlage aus. Für jeden Fall sind jedoch zusätzlich Betriebsmittelkredite, Bürgschaftsleistungen oder sonstige Kreditmöglichkeiten vorgesehen.

 

Zu erwähnen ist gleichzeitig, dass, falls es sich nicht um Eheleute handelt, verschiedene Aufbaukredite für das gleiche Objekt zulässig sind. Dann allerdings bilden die Kredite die Existenzgrundlage für verschiedene Familieneinheiten oder für Einzelpersonen. Da im Übrigen aber der Anspruch auf Hauptentschädigung nach § 244 LAG übertragbar und vererblich ist, wird sich unter gewissen Umständen für das ausfallende Antragsrecht innerhalb einer Familiengemeinschaft ein Ausweg finden lassen. Im Verhältnis zu den Ehegatten bleibt es aber dabei, dass nur einer das Antragsrecht ausüben darf. Wenn der Bescheid des BAA auch nichts darüber enthält, wird doch anzunehmen sein, dass jeweils der Ernährer das Antragsrecht ausüben darf.

 

 

Seite 3   Simon Dach (1605 – 1659)

„Der Mensch, ein Auszug dieser Welt,

Wird vieler Schuld entledigt bleiben,

Wenn er sich demgemäß verhält,

Was Luft, See, Erd‘ und Himmel treiben“.

 

 

Seite 3   Goldap – heute eine tote Stadt. Ein Bericht aus der „anderen Welt“.

Foto: So sah es früher in Goldap aus. Schmucke Häuser standen um den Marktplatz.

Foto: Hotel „Ostpreußischer Hof“

Foto: Das Geschäftshaus des Goldaper Tageblattes

Foto: Gasthaus Groß-Rominten

Früher führten vier wichtige Eisenbahnlinien durch die schmucke Stadt am Tor zur Rominter Heide. Gestern noch rollten Lkws über drei Reichsstraßen nach Goldap, und heute verschluckt das Unkraut Schienen und Straßen. Über Goldap hinaus ist seit 1945 kein Zug mehr gerollt. Man trug die Gleise ab, ließ die noch unzerschossenen Signalbrücken langsam verrotten. Dabei stirbt deutsches Eisenbahnmaterial doch so langsam! So ragen die Masten noch kerzengerade in den Himmel, nur die feingliedrigen Eisentreppen biegen sich unter dem Fraß des Rostes. „Signal A“, - Halt für Rangierfahrten“, zeigen kleine Emaille Schilder an, genau so deutlich, als wäre alles „normal“.

 

Aber nichts ist mehr „normal“ in dieser deutschen Stadt, die jetzt als Grenzkontrollpunkt zu fungieren hat. Die Häuser sind unter den Feuerschlägen der Stalinorgel zerbrochen, sie wurden auch zerfetzt im Feuer der deutschen Armee, die im verzweifelten Kampf den Ort aus der sowjetischen Umklammerung zu befreien suchte. Seit jenen Tagen der Vernichtungsschlacht ist Goldap bis heute zertrümmert geblieben. Nur Trampelpfade durchziehen die Ruinenfelder. Von den evangelischen Kirchen stehen noch die Fundamente, das Rathaus ist verwüstet, auch die Post hat den Sturm der Granaten nicht überstanden.

 

Vor der dunklen Kulisse der einst so beliebten Rominter Heide fürchten sich selbst die schwerbewaffneten Grenzstreifen, denen die Jagd auf desertierte Rotarmisten höchster Befehl geworden ist. Für jeden lebenden Russen erhalten sie 5000 Zloty und einen Anzug, jeder Erschossene bringt 1000 Zloty ein. Bluthunde unterstützen die Suchaktion in dieser 5 km breiten Grenzzone, die ohne Leben bleiben muss. Der Wald bietet Wolfsrudeln gute Unterschlüpfe, schon deshalb ist er gefährlich. Außerdem lauern noch Minen und Hindernisse aus der Kriegszeit auf ihre späten Opfer.

 

Vielleicht sind es 1000 Menschen, die heute in der armen Stadt hausen. Sicher gibt es nur einige Familien, die in der Lage sind, ihren Acker sachgemäß zu bestellen. Bis nach Goldap verirren sich weder die staatlichen Hilfskolonnen für die landwirtschaftlichen Gebiete noch Zuteilungen an Saatgut. Goldap ist schon eine „andere Welt“! Die Polen, die hier Dienst tun müssen, haben meistens etwas auf dem Kerbholz, und freiwillig geht keiner in die Grenzzone an der Heide! Jeden Tag kurbelt die alte Lok einen Güterzug nach Goldap. Jeden Tag muss das Maschinchen über Weichen rollen, um aus dem End- und Kopfbahnhof herauszukommen. Nur weg von hier, ist die Parole. Der versumpfte Goldap-Fluss erleichtert den Grenzwachen ihre Arbeit, und bei der Försterei Skallischen übernimmt die Angerapp diese Grenzsicherung durch natürliche Hindernisse. Hier kann man selbst auf die sonst obligatorischen Scheinwerfer verzichten. Der Sumpf hält seine Opfer wie mit Polypenarmen fest. Auf der Seesker Höhe schauen primitive Wachtürme bis weit übers Land, sie tragen Maschinengewehre, deren Schützen sich die Langeweile mit Feuerstößen auf Tiere vertreiben. Ehemalige Arbeitsdienstbaracken haben sich die polnischen Zöllner von Goldap als Wohnungen eingerichtet. Bisher konnten nur drei Neubauten errichtet werden, die aus „richtigem“ Baumaterial bestehen. Meistens fabriziert sich jeder Beamte sein „Eigenheim“ aus Holzresten, Pappen und verbeulten Karosserien zerschossener Militärfahrzeuge.

 

Die katholische Kirche überstand die Zeit der letzten Kämpfe mit geringen Schäden. Heute ist sie das einzige Gotteshaus für die gesamte Umgebung. In Angerburg soll eines der sogenannten „Kulturgebäude“ errichtet werden. Alle Teilnehmer am Gottesdienst werden verpflichtet sein, auch die „Aufklärungstage“ zu besuchen. Nur bei Erfüllung dieser Forderung wird man die Kirche von Goldap vorläufig noch respektieren. Kino gibt es nicht, in dieser Zone ohne Seele. Kaffees sind längst vergessene Begriffe eines sagenhaften Zeitalters geworden. Schulen kennt Goldap ebenfalls nicht. Alle Kinder müssen den langen Weg nach Angerburg bewältigen.

 

Das Stationsgebäude mit den deutschen Aufschriften ist seit 1945 ohne Dach. Mit Balken und Blechen zogen sich die Eisenbahner das provisorische Deckengestühl, es ist auch heute noch so „in Betrieb“. Der Schienenstrang in Richtung Groß-Rominten endet dort, wo sich dicke Prellböcke quer über die Gleise schieben, genau 100 Meter hinter dem enthaupteten Bahnhofsgebäude, das zerbrochen, heute ein Wahrzeichen für die „Aufbauleistungen“ der Verwalter geworden ist!

 

 

Seite 3   Masuren bleiben deutsch. Flüchtling berichtet aus dem südlichen Ostpreußen / Kinder singen deutsche Lieder.

Vor mir sitzt ein junger Mann von 22 Jahren. Er ist mittelgroß, kräftig und dunkelhaarig — sein Gesicht hat einen etwas pfiffigen Ausdruck. Er ist ein Junge aus dem deutschen Masuren, der vor einiger Zeit noch in der polnischen Armee diente und der nach mancherlei Schwierigkeiten den Weg in die Freiheit fand. In dem breiten ostpreußischen Dialekt erzählt er von dem Leben im heutigen Süd-Ostpreußen, das die Polen verwalten.

 

Er ist im Kreise Lötzen zu Hause. Diese Stadt trägt heute den Namen „Gizycko“ und wird von einem Kreisrat verwaltet, dem einige „Deutschenfresser“ angehören. Da ist z. B. die kleine Stadt Widminnen (z. Z. „Wydminy“ genannt), östlich des Löwentin-Sees an der Eisenbahnlinie nach Lyck. Hier leben noch an die 160 masurische Familien, von denen die meisten zum Deutschtum stehen. Neun Jahre ist man vergeblich dabei, sie davon zu überzeugen, dass sie „Polen“ sind.

 

Konnte man in Widminnen zwar keine deutsche Schule mehr durchsetzen, so erzieht man die Kinder aber immer noch im alten Sinne. Von geschäftstüchtigen polnischen Schwarzhändlern kaufte man deutsche Bücher. Die eigenen waren in den Nachkriegsjahren meistens beschlagnahmt worden oder mussten abgegeben werden. Nun kommt man abwechselnd in größeren Häusern zusammen, um die Heranwachsenden zu unterrichten. Als Lehrkräfte fungieren zwei Invaliden: ein Gemeindeschreiber und eine Lehrersgattin. Sie bekommen kein Geld dafür. Die Kinder der masurischen Bauern bringen ihnen Lebensmittel.

 

Natürlich wissen die Behörden davon. Aber Warschau gab der Wojewodschaftsleitung (Provinzverwaltung) in Allenstein („Olsztyn“) den Wink, gegenüber den Masuren und besonders der dörflichen Bevölkerung kurz zu treten. Die Kolchosen haben solch einen Niedergang verursacht, dass man die freien Bauern nicht weiter vergrämen will. Die Produktion und die Laune der Bauer gehen vor — da müssen die polonisierungswütigen Funktionäre in Lötzen ein Loch zurückstecken.

 

Jahrelang hatten die Widminner auch die Öffnung ihres Gotteshauses verlangt — vergeblich. Dann erklärten die Polen: Wir öffnen die Kirche (sie war wie die meisten protestantischen Kirchen Süd-Ostpreußens zugemauert) unter der Bedingung, dass sich alle Gemeindemitglieder verpflichten, in ihr nur polnisch zu sprechen. Die Masuren gaben dieses Versprechen - erst mal die Kirche, dann würde man weiter sehen.

 

Die Kirche durfte erst eingeweiht werden, nachdem die Kinder einige polnische Kirchenlieder kannten. Beim ersten Gottesdienst sangen die Kleinen in Polnisch, der Diakon predigte in dieser Sprache — die Masse der älteren Masuren jedoch sang und betete leise in Deutsch mit. Dagegen war nichts zu machen, das ist in ganz Masuren und in Ermland so.

 

Bei den Kindern und Jugendlichen haben die Polen gewisse Erfolge äußerlicher Art verzeichnen können. Die Masuren begegnen dem aber auch wieder auf ihre Weise. Nach dem offiziellen Teil bei Taufen, Konfirmationen und Eheschließungen kommt die Gemeinde in dem betreffenden Haus zusammen und feiert in herkömmlichem Sinne. Der Kinderchor, der eben noch in der Kirche polnisch gesungen hat, singt nun deutsche Lieder! So ist es auch an anderen Festen, die immer wieder in den Familien das traditionelle Gepräge erhalten.

 

Die polnische Bevölkerung steht dem weitgehend tolerant gegenüber. Man hat genug Ärger mit den Maßnahmen der eigenen kommunistischen Landsleute und will für die nicht noch den Büttel spielen. Zudem machen sich unter den hier angesiedelten polnischen Einwohnern immer stärkere antibolschewistische Tendenzen bemerkbar. Die kürzlich durchgeführten Terrorprozesse gegen kirchliche Würdenträger und angebliche „Agenten“ in Allenstein haben die Menschen noch mehr gegen Warschau aufgebracht. So ist es kein Wunder, dass hier und da illegale Flugblätter auftauchen und zum Widerstand aufrufen. In Dankfelde (heute „Siedliska“) und Groß-Gablick (heute „Gawliki Wielki“) wurden solche gefunden, in denen die Oder-Neiße-Linie als eine Gefahr für alle bezeichnet wurde.

 

Die Masuren kennen manchen Polen, der 1945 voller Hoffnungen und sehr oft auch beutegierig ins Land kam und nun längst von dem Wahn befreit ist, das geraubte deutsche Land würde ihm persönlich noch Vorteile bringen. Diese Zeiten sind seit langem vorbei. Die Polen sind in wahrem Sinne des Wortes vom Regen in die Traufe gekommen.

 

Immer mehr unter ihnen begreifen jetzt die feste Haltung der Masuren. Sie wissen, dass diese Deutschen ein Bollwerk ihres Volkstums — aber auch ein Bollwerk des Antikommunismus sind. Unser Flüchtling berichtet, dass sein Vater keines der Kinder im Hause behalten darf. Nach Beendigung der Dienstverpflichtung und der Militärzeit setzt man sie — wenn man sie nicht zur Weiterverpflichtung bringen kann — an einen Arbeitsplatz, der überall liegt, nur nicht in Masuren. Was Krieg und erste Nachkriegszeit mit dem unmenschlichen Terror nicht schafften, soll nun erreicht werden: die Zerschlagung der masurischen Familien. Der Vater unseres Flüchtlings sagte dazu: „Ich will lieber deutsche Söhne außerhalb Ostpreußens haben als polnische Kinder irgendwo im Land!“

 

 

Seite 4   Die Kallas blühen / Von Frieda Strauß

Großmütterchen hatte den ganzen Tag mit den Kindern Kränze geflochten. Blau-Blau-Vergissmeinnicht und duftende Holunderblüten. Jetzt trugen sie die fertigen durch den weiten Wald nach dem Friedhof. Großmutter und Mutter gingen mit Lore und Dora voran, sie trugen zwischen sich einen Korb mit Blumen und Kränze über dem Arm. Der Kirchhof, auf dem das kleine Brüderchen, der Großvater und die vielen anderen Verwandten schliefen, lag hoch oben im Walde zwischen den Tannen. Es war ein weiter Weg. —

 

„Weißt du, wo die wilden Kallas blühen? Weit hinter den gelben Lilien und dem Wasserschierling!“ Wer hatte es doch gesagt? Es war, als summten die Bienen es, die um Monikas Kopf flogen. Sie musste die Kallas suchen und wenn es auch tausendmal verboten war, ins Moor zu gehen. Sie musste sie heute pflücken gehen. Großmutter mit den Schwestern gingen voran, sie hatten Monika ganz vergessen, so dass sie ungesehen in die Büsche schlüpfen konnte. Da war schon der schmale, fast verwachsene Pfad, der durch das Moor führte. Da hinein musste sie gehen. Mutter ging auch mit den anderen, ohne sich umzusehen. Sie dachte nicht an Monika. Wenn die sich beeilte, musste sie ja den Weg erreichen, der vom Torfmoor zum Kirchhof führte, noch vor den anderen.

 

Vorsichtig bog Monika in den braunen Fußpfad ab, und nun war sie schon hinter hohen Farnkräutern und grauen Erlenbüschen verschwunden, und das Moor fing an. Ein Kuckuck rief. Einmal. Zweimal. Monika blieb stehen und horchte. Es war sonst tiefe Stille um sie. Nur hie und da hüpfte ein dicker Frosch mit leisem Klatsch in die braunen Lachen. Sie musste sich beeilen. Also schlüpfte sie hurtig den kaum begangenen, kaum erkennbaren Weg weiter. Er war bald nur noch ein von grünen Wasserpflanzen überwucherter Pfad und rechts und links waren die Blanken des Moores. Ach, da blühten schon die ersten Lilien und der Wasserschierling stand wie ein Wall davor, so dicht. Ganz so, wie sie es immer hörte. Monika wollte von den gelben Blumen pflücken, aber sie standen zu weit vom Rande ab und die Schuhe wollte sie jetzt noch nicht ausziehen, erst, wenn die Kallas kamen. Vergessen war, dass sie sich eilen wollte, vergessen war, dass sie allein im Moor war.

 

Blaue Libellen huschten lautlos über die Blüten und Sonnenflecke lagen wie goldene Teller über der wuchernden Wildnis. Weiter musste sie gehen, sie wusste es ja, wenn die Lilien aufhörten, dann sollten die Kallas kommen. Die Kallas, die für Monika etwas Geheimnisvolles hatten. Schon der Name! Sie hatte einmal ein Märchen gehört, da war „Kalla“, eine Königstochter, in eine einsame Grotte ans Meer geflüchtet. Und die Brandung wuchs und die Flut kam und „Kalla“ war eingeschlossen tief in der Grotte. Der Fischerjunge, der sie liebte und nach ihr suchte, fand sie erst nach Stunden. Da spielten die Wellen mit „Kallas“ gelbe Haare und sie lag ertrunken auf dem Muschelkies. —

 

Daran dachte Monika und schlich weiter über den sumpfigen Pfad. Wenn sie nicht so klein und leicht gewesen wäre, vielleicht wäre sie dann auch ertrunken, wie die „Kalla“ im Märchen. Das Wasser spülte braun über ihre Schuhe. Es lohnte wirklich nicht mehr, sie auszuziehen, sie waren doch schon nass. Da, Monika stand ganz weiß vor Freude, wuchsen sie, die blassen Schattenblüten. Die musste sie pflücken. Mit einer Hand einen überhängenden Erlenzweig fassend, beugte Monika sich weit vor, um die Erträumten zu erreichen. Die Stengel ließen sich nicht brechen. Sie musste alle ihre Kraft anwenden, um einige Pflanzen mit der Wurzel aus dem Moore herauszuziehen. Sie stand jetzt schon bis über die Knie im Wasser, ringsum stiegen brodelnde Blasen auf. Da war es ihr, als klänge ein ferner Ruf zu ihr: „Monika, Monika!“ Sie schrak auf und dachte horchend an die Mutter, die wohl inzwischen den Kirchhofweg erreicht haben musste. Es war Zeit, sie musste zurück. Die Schuhe saßen fest im Boden, mit einiger Mühe gelang es Monika, die Füße herauszuziehen. Da sie den Erlen Ast noch immer umfasst hielt, gelang es ihr auch, mit ihren erbeuteten Blumen wieder auf den Weg zurückzukommen.

 

Ja, war das denn noch ein Weg? War sie den entlang gekommen? Sie wusste es nicht mehr. Ihr Herz schlug plötzlich wie ein Hammer und sie ließ die gelben Lilien ungepflückt. Da hörte sie von Ferne Hundegebell, seltsam heiser und keuchend, und doch war es für sie eine Erlösung. Da musste es ja herausgehen. Das Bellen klang näher und dann entfernte es sich wieder. Sollte sie rufen? Eine seltsame Angst erfasste sie. Lautlos schritt sie durch das Moor und fast plötzlich lag der Waldweg vor ihr und auf ihm kam ihre Mutter ihr entgegen. Da erst sah Monika an sich herunter. Ihr Kleidchen war nass und schmutzig und ihre weißen Strümpfe dunkelbraun. Mutter würde böse sein! Aber das Glück, sich zu ihr flüchten zu können, überwog alles. Mutter sah bleich aus. Sie rief nicht, sie schalt nicht, sie ssdas Kind an sich und zog es mit sich fort, schnell den Weg hinunter. Da tönte wieder heiser und ganz nahe das Bellen des Hundes. „Mutter, ist das unser Leo?“ Die Mutter hielt ihr entsetzt den Mund zu. „Sei still“, flüsterte sie erregt, und sah angstvoll nach der Waldseite, aus der der Laut des Tieres kam. Fest presste sie Monika an sich und barg sich mit ihr hinter einer breiten Buche. Monika fühlte, wie das Herz der Mutter klopfte. Wo waren die Schwestern? Aber sie wagte nicht zu reden. Dicht an ihnen vorbei hörte sie das Tier keuchen. Dann wurde das Bellen ferner und leiser. Doch blieb es ein sie stets begleitender Laut. Erst als sie aus dem Walde heraus waren und vor sich das heimatliche Dorf sahen, atmete die Mutter auf und ging langsamer. Immer noch hörte sie angstvoll zurück und ließ ihre Augen wandern. Kurz vor dem Dorf erreichten sie die Großmutter und die Schwestern und an ihrer Seite die vertraute Gestalt der alten Kindermuhme. „Gott, Madamchen, dass Sie sie gefunden haben. Ich hab' so ne Angst ausgestanden, der tolle Hund würde sie beißen“. „Der tolle Hund?“ Monikas Herz setzte aus. Alles, was sie an raunenden Spukgeschichten an langen Winterabenden hier und da gehört hatte, wurde zum Angstbild. „Der tolle Hund! Ja, war das denn nicht unser Leo gewesen, der da im Walde jagte und bellte?“ Auch hier waren die Stimmen noch unwillkürlich gedämpft und Muhmchen erzählte von dem tollen Hund, der durch den Wald lief. Der in Grünheide Vieh und andere Hunde gebissen hatte und dass der Förster aus sei, mit seiner Flinte ihn zu schießen. Niemand achtet auf Monikas Aussehen, niemand sah überhaupt, dass ihre Schuhe fehlten.

 

Und sie selbst? An sich gedrückt hielt sie noch immer die grünlichen Wasserblumen, und ihr Bild und Name wurde ihr untrennbar mit dem Laut des keuchenden Bellens. „Toller Hund!“ Eine Ballade hatte sie einmal gelesen, sie wusste nicht, von wem sie war, nur der Inhalt hatte sie maßlos erregt. Nun wurde sie durch das Erlebnis im Walde wieder lebendig. Ein Schmied trat dem tollen Hund mit dem Hammer in der Hand entgegen und als der Hund ihn ansprang und biss, schlug er ihn zu Boden. Dann holte er die stärksten Ketten aus seiner Werkstätte zusammen, mit denen schmiedete er sich an den Amboss, vor dem Kamin, in dem die Flammen zum letzten Mal glühten, und warf den Hammer und jedes Handwerkszeug in unerreichbare Weite. So wartete er auf seine Stunde und es war in dem Gedicht mit unerhörter Grausamkeit beschrieben, wie er getobt und gelitten bis zum neunten Morgen. Da endlich erlöste ihn der Tod.

 

Das alles wurde zum Grausen für Monika und wenn sie später krank war, hörte sie im Fiebertraum hinter sich das heisere Bellen und irrte zwischen Moorlachen, die bleichen Blumen zu suchen, während die Angst ihr Herz zusammenpresste.

 

 

Seite 4   Elbing – Heimat voll Licht

Nun, da ich fern der Heimat, fern von meinem geliebten Elbing bin, möchte ich die Memoria nicht verlieren, ich möchte die Gedanken weiter beschäftigen mit Ostpreußen, mit Westpreußen, und ganz besonders mit Elbing, mit dem Haff und mit der Nehrung. —

 

Wie freuten wir uns doch damals in der Schule, als junge Gymnasiasten in dem großen roten Backsteinhaus an der Königsberger Straße, dort, wo seinerzeit beim großen Anlauf gegen Elbing die Königsberger vorbeizogen, wenn Oberlehrer Tiedtke oder der unvergessene Studienrat Alfons Ladwig sich anschickten, die Klasse zum Schulausflug in die Heimatberge hinauszuführen, vielleicht in den Vogelsängerwald, in den Kuckucksgrund hinter der Pangritzkolonie, oder aber in die Niederung, über die Fichau und Thiene hinaus nach Marienburg, manchmal auch an den Drausensee oder an das Haff.

 

Tiedtke war eigentlich — last not least — der geborene Heimatkundler, umgeben mit dem Nimbus der Unbesiegbarkeit in allen Fragen der Heimatkunde, menschlich, doch wissenschaftlich, souverän, aber herzlich mit Schule und Menschen. —

 

„Krause“, sagte er, als ich zum Westen ging, „grüßen Sie mir die Schlote des Ruhrgebietes!“ — „Und vor allen Dingen: Vergessen Sie niemals unser Elbing!“ —

 

Ich habe Elbing nie vergessen. Und auch Tiedtke nicht. Seltsam, so oft wir mit Tiedtke, den die Schüler das Athenaeum Albingense kurz, aber irgendwie angebracht „Tetsch“ nannten, eine Wanderung machten, passierte irgendeine Merkwürdigkeit. Ich vergesse es ihm nie, dass wir auf einer Excursion, die uns hinauf nach Trunz führte, mit ihm einen schwarzen Storch sahen, obwohl besagter Vogel, Verzeihung, ich meine Adebar, nicht Tesch, ansonsten in schwarzer Gestalt nur in Nordasien sich niederzulassen pflegte. Wie gesagt, Tiedtke vermittelte uns solche Überraschungen, und deshalb konnte er auch bei uns Schülern stets den Nimbus in Anspruch nehmen, die Heimatkunde von Elbing als Monopolist zu beherrschen. —

 

Tetsch war also die personifizierte „Historia patriensis Albingensis“. Die philosophische Auswertung unseres heimatlichen Wissens aber gelang vortrefflich dem unvergessenen Herrn Ladwig. Seine Worte waren immer von einem unerhört hohen sittlichen Ideal getragen, worüber wir damals leider sehr oft gelacht haben. Seine Persönlichkeit und sein lauterer Charakter konnten in dem einzigen Satz zusammengefasst werden, den er in jedem Jahr irgendwann einmal ins Diktat oder in eine Betrachtung mischte: Es ist schön, wenn jeder Mensch noch ein Schamgefühl hat. –

 

Und in dieser Umgebung aus Heimatverbundenheit und moralischen Erwägungen wuchsen wir in das Leben hinein, lernten dank der Darstellungskunst von Tetsch Elbing von Tag zu Tag mehr und mehr lieben, und wenn wir dann gelegentlich am Markttor vorbeizogen, dann grüßten wir in Gedanken den Bäckerjungen, der weiland mit seinem Spaten, der oben am Gitter befestigt war, den Königsbergern den Zugang zur Stadt versperrte. Und wenn wir zur Speicherinsel hinübersahen dann erstand vor uns das Mittelalter am Elbingfluss, und wir sahen im Geiste Herrn Ladwig auf den ersten Stufen des 20. Jahrhunderts stehen, mit erhobenem Finger, dem Menschen vom Menschen zu künden, der Seele mit Sitte und Moral zu begegnen.

 

Das war unsere Welt, eine Erde voller Frühling, ein Elbing im ewigen Blütenschmuck und wenn Schichau heute noch auf seinem Denkmal steht gegenüber der Werft, dann kann er gar nicht anders, er muss uns in der Fremde zurufen: Es ist doch schön, wenn der Mensch, wie Alfons Ladwig, ein Schamgefühl hat! J. Kr.

 

 

Seite 4   Heimat. Von Luise Kalweit.

Unter der Heideneiche auf dem Heidenhügel, dessen Bodenwellen sich heben und senken wie die Brüste ruhig im Schlaf Atmender, saß eine Frau. War sie jung, war sie alt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass auf ihrem Gesicht „Vertrauen“ geschrieben stand, und dass man gern das Haupt in ihren Kleiderfalten barg, wenn man dies Wort gelesen hatte.

 

Unter der Heideneiche auf dem Heidenhügel saß die Frau, darunter viele Tausende Urväter schliefen. Sie hatten in dem Dorf, das sich weithin dehnte, die Steinaxt und den Tonkrug geformt, waren im Einbaum auf dem nahen See gefahren, hatten Wild Waid wund gejagt, hatten an Menschenlebens Freud und Leid sich vollgesogen und schliefen nun auf weitem Gräberleid, — Roggenfelder sprossten aus der Asche ihrer Leiber — von der Heimat noch im Tode behütet.

 

Denn die Frau unter der Heideneiche hieß Heimat!

 

Segnend breitete sie weit ihre Arme über das Land der 1000 Seen — das Ostpreußenland — und rief ihre Kinder:

 

„Kommt zu mir! Ich bin karg, doch gütig, arm, doch reich, nicht klug, doch weise. Nicht Überfluss gebe ich Euch, doch Genüge. Nicht fesselt Euch die Ferne! Kommt und erkennt, dass ein Kleid Euern Leib zu hüllen, ein Brot Euren Leib zu nähren, ein Dach Euern Leib zu schützen, gern die Heimat gibt. Was sich Eurer Kindesseele einprägte, was Eure hartgewordene Hand erarbeitete, was Ihr gesegnet wachsen saht, könnt Ihr es lassen? Jeder Weg, den Ihr bahntet, jeder Baum, den Ihr pflanztet, Mensch und Tier, die Ihr pflegtet, jeder Bau, den Ihr fügtet, rufen Euch zu: „Kommt!“ Und müsstet Ihr von neuem anfangen und lägen Trümmerfelder auf den Heimstätten, und wüchse eine grünende Wildnis auf dem Acker: „Kommt!“ Gäbt Ihr die Heimat auf, so müsstet Ihr Euch selbst verlassen und aufgeben. Es stirbt dann etwas in Euch, das Beste: —

 

die Treue“.

 

Und als die Heimat geendet hatte, sah ich viele ihrer Kinder zu ihr eilen und das Haupt in den Falten ihres Gewandes bergen. Denn das Wort „Vertrauen“ stand auf ihrem Gesicht geschrieben, und das Spiegelbild dazu ist „Treue“.

 

 

Seite 4   Die Bärentatze im Sensburger Stadtwappen.

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Wer hilft uns aus der argen Not

und freit uns aus den Schrecken?

Wer schlägt den grimmen Bären tot

in seinen Waldverstecken?

Durch Forst und Feld zieht er umher;

kein Mensch, kein Vieh ist sicher mehr,

wo seine Zähne blecken.

 

Seit uns auf weiter Fahrt vom Ost

das Untier hergekommen,

hat täglich neue Unheilspost

der Bürger Ohr vernommen.

Wohlan, so zieht zur Hatz hinaus,

und macht dem Unhold den Garaus

zu aller Heil und Frommen!“

 

Und Ratsherr, Bürgersmann und Knecht,

sie rüsten sich zum Jagen:

Der sucht sich Speer und Spieß zurecht,

der will die Armbrust tragen,

der nimmt die Axt, die Forke der,

und der kommt mit der Sense her,

die wilde Jagd zu wagen.

 

Zum Tor hinaus den See entlang

und fürder zieht die Menge

zur düstern Forst am Hügelhang

hinauf des Hohlwegs Enge.

In langer Kette schweift sie bald,

dass ihr, das Tier im wüsten Wald

zu stellen, stracks gelänge.

 

„Seht da, der Fährte frische Spur

mit Schweiß und Prankenmalen!

Den Raub von unsrer Weideflur

soll er mit Blut bezahlen!“

Das wirre Dickicht wird umstellt.

„Ob drin er wohl die Beute hält,

die seine Tatzen stahlen?“

 

Der Ratsherr legt die Armbrust an,

die strafte Sehne zittert;

in Busch und Baum, in Strauch und Tann

das Astwerk kracht und splittert.

Und eh' er neu noch angelegt,

hat sich's Im Dickicht schon geregt:

der Bär hat sie gewittert.

 

Ein Knurren hebt, ein Brummen an

aus rauher Kehle Grunde,

ein zornig Brüllen dann und wann

aus off‘nen Rachens Schlunde.

Doch ob das Herz auch lauter schlägt,

es harren mutig unentwegt

die Männer in der Runde.

 

Nun krackt's im Busch, Geäst zerbricht,

am Boden schlurft's mit Pranken,

und, eh' sich's einer recht versieht,

durchreißt's die Schlingenranken

und steht im braunen Zottelvließ

als ungeheurer Urwaldries'

vor seiner Jäger Schranken.

 

Ein Hagel fliegt ihm ins Gesicht

von Steinen und von Pfeilen;

mit Spieß und Gabel piekt's und sticht

und dräut mit Axt und Beilen.

Da richtet sich der Urbär auf

und sucht mit starkem Vorderlaut

rings Hiebe auszuteilen.

 

Er brüllt und tobt und rast und springt

und schnappt nach dem Gedränge,

doch immer kecker auf Ihn dringt

der Jäger kühne Menge.

Da stürzt sich grimmig wild das Tier

auf einen Schützen blindlings schier

und hebt zum Schlag die Fänge.

 

Im Abwehrstoß zerbricht der Spieß;

der Jäger stürzt zur Erde

und über Ihn im braunen Vließ

der Bär voll Wutgebärde.

„Zu Hilfe!“, schreit's in bangem Ton,

und jeder glaubt vom Ärmsten schon,

dass er zerrissen werde.

 

Da schwirrt ein wucht'ger Sensenstreich

ihm hart am Haupte nieder

und fährt dem Untier also gleich

in seine mächt'gen Glieder,

haut ihm die Pratze glatt vom Rumpf,

und brüllend schlenkert es den Stumpf

und lässt vom Opfer wieder.

 

Der Riesenschlag verdutzt die Schar

auf eines Blickes Weile;

sie wird des Bären kaum gewahr,

der, blutend mit Geheule

durch Dickicht humpelnd, in der Flucht

die sichre Weite schon gesucht

in ungeahnter Eile.

 

Und unser Schütz? — Er lebt, obzwar

mit Beulen und mit Schrunden,

und hat nach Schrecken und Gefahr

bald wieder Mut gefunden.

Dann aber hebt der Jubel an,

dem Helden, der den Schlag getan,

die Ehre zu bekunden.

 

Als Siegestrophäe aus der Schlacht

der blut'gen Bärenhatze

wird freudetrunken heimgebracht

des Bären Vordertatze.

„Das Untier haben wir gestellt

und seine Räuberhand gefällt!

Seht da des Unholds Pratze!“

 

Die Freudenbotschaft macht im Laut

das ganze Städtchen munter;

schon zieht im Strom zum Markt hinauf

die Menge bunt und bunter; ^

die Türe kreischt, das Fenster klingt,

und selbst der zagste Schneider springt

von seinem Tisch hinunter.

 

Und als dem weisen Rat ward kund,

der Ruhm der Heldentaten,

da setzt er sich zur selben Stund'

den Kasus zu beraten

und gräbt ins Wappen der Gemein'

zum ewigen Gedächtnis ein

die Tatze samt den Daten:

 

*) „Eyntavsend vnd dreyhyndert acht-

vnd viertzig maji mensis /

do file / falce vmbgebracht /

ein ursus ladronensis.

Syn abgehawen tazzen wynd

Zu eren derer jagern synt

sigilli Sensburgensis“. —

 

Der wunde Bär indes, halb lahm

und tot schon, in die Hände

der Rastenburger Bauern kam

und fand sein kläglich Ende

Ihr Zug zur Jagd verzog zu lang,

drum kam die Stadt beim Bärenfang

um eine halbe Lande.

 

Doch als von Sensburgs Wappenzier

der Rat allda vernommen,

da wär' der Burgemeister schier

vor Missmut umgekommen.

Den Bären ohne Vorderlauf

nahm flugs er in sein Wappen auf

zu Rechtens Nutz und Frommen.

 

Und geht ihr auf den „Bärenfang“,

merkt, was die Wappen lehren,

dann mag sich auch nach schwerstem Gang

kein Bürgersmann beschweren:

Ob‘s Rastenburg, ob's Sensburg sei,

in jeder Zecherkumpanei

geht‘s um den ganzen Bären.

----------------------

*) „Eintausend und dreihundertacht

und vierzig, n Monat Mai,

da fiel, durch eine Sense umgebracht,

ein diebischer Bär.

Seine abgehauene, wunde Tatze ist

das Siegel von Sensburg“.

Georg Joh. von Hassel. Schulrat i. R., früher: Sensburg.

 

 

Seite 5   Kundgebung des ostpreußischen Landvolkes in Hannover.

Innerhalb des „1. Landestreffens der Ostpreußen“ in Niedersachsen findet am Nachmittage des 4. Juli in Hannover eine Kundgebung des ostpreußischen Landvolkes mit namhaften Rednern des heimatvertriebenen und einheimischen Landvolkes statt. Die bekannte ostpreußische Landfrauenführerin, Frau Erna Siebert-Corben, Vorstandsmitglied der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft Ostpreußen, wendet sich an alle in Niedersachsen lebenden ostpreußischen Landfrauen mit dem Aufruf, am Landestreffen und in besonderer Weise an der Landvolk-Kundgebung teilzunehmen.

 

 

 

Örtliche Gruppen melden — Plakate anfordern!

Zur Vorbereitung der Landesdelegiertentagung, die im Rahmen des Landestreffens am 3. Juli in Hannover stattfindet, werden die in Niedersachsen tätigen örtlichen Gruppen der Landsmannschaft Ostpreußen, die noch nicht mit der Landesgruppe in Verbindung stehen, aufgefordert, sich umgehend mit Angabe der zahlenmäßigen Stärke bei der Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Niedersachsen im BvD, Hannover, Anzeiger-Hochhaus zu melden. Den örtlichen Gruppen stehen auf Abruf Plakate zur Verfügung, die in den Städten und Gemeinden für das Landestreffen werben sollen.

 

 

Saßnick, neuer Vorsitzender in Hannover

In der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisgruppe Hannover-Stadt im BvD, wurde der Bezirksvorsitzende des BvD, Ratsherr Siegfried Saßnick, zum neuen Vorsitzenden gewählt, nachdem der bisherige Vorsitzende, Georg Kehr, eine Wiederwahl in gleicher Weise wie sein langjähriger Stellvertreter Pieper aus beruflichen Gründen abgelehnt hatte. Als 2. und 3. Vorsitzender wurden Dr. von Lölhöffel und Zobel berufen. Den scheidenden Vorsitzenden sprach Landsmann Saßnick namens der Versammlung warmen Dank für aufopfernde, verdienstvolle Tätigkeit aus. Er betonte in seiner Antrittsrede, dass über den Belangen einer jeden einzelnen Landsmannschaft die Erfordernisse der Gesamtheit der Vertriebenen zu stehen hätten und ein gemeinsamer Verband unerlässlich sei. Die Mitgliederzahl der Kreisgruppe erhöhte sich im vergangenen Jahr wiederum wesentlich.

 

 

Stadt und Kreis Osterode

Im Auftrage der Kreisgemeinschaft Osterode ist ein Buch über „Stadt und Kreis Osterode“ erschienen. Dieses wertvolle Heimatbuch mit der interessanten Kreisgeschichte werden jeden Einwohner des Kreises Osterode/Ostpr. interessieren. Bestellungen nimmt Dr. Wolfgang Kowalski, (24) Schülp über Nortorf, Kreis Rendsburg entgegen. Preis: DM 3,50 und 0,45 DM Versandkosten. Voreinsendung des Betrages auf Postscheckkonto: Hamburg 72128 Kowalski. Andernfalls erfolgt Nachnahmeerhebung.

 

 

Luisenschule Allenstein

Am 24. und 25. Juli findet die 600-Jahrfeier der Stadt Allenstein in Gelsenkirchen statt. Es ist angeregt worden, bei dieser Feier ein Treffen der Lehrerinnen und Lehrer sowie der ehemaligen Schülerinnen und Schüler der drei höheren Schulen Allensteins zu veranstalten.

 

Ich freue mich sehr auf diese Wiedersehensfeier, daher lade ich alle meine Mitarbeiter und alle ehem. Schülerinnen dazu ein. Über Zeit und Ort des Treffens in Gelsenkirchen wird noch rechtzeitig berichtet werden. Wer Anregungen geben will und besondere Wünsche hat, teile sie mir umgehend mit. Meine Anschrift hat sich geändert. Sie ist jetzt

 

Berlin-Lichterfelde 2, Wienroder Pfad 15 I.

 

Ich danke auf diesem Wege allen, die meiner zu meinem 70. Geburtstage am 1. Osterfeiertag gedacht haben. Wer beruflich oder besuchsweise nach Berlin kommt, sei daran erinnert, dass sich die ehemaligen Schülerinnen der Luisen-Schule am 2. Mittwoch jeden Monats um 17.30 Uhr im Kaffee Huthmacher in Steglitz, Schloßstraße, treffen.

 

Auf Wiedersehen in Gelsenkirchen! Karl Brösicke, Oberstudiendirektor i. R.

 

 

Aus Lübbecke (Westf.)

Die hiesige ostpreußische Landsmannschaft hielt im Mai ihre Monatsversammlung ab, die den Charakter einer Oster- und Maifeier trug. Der Saal war mit jungem Grün geschmückt. Herr Pieper erzählte von dem ostpreußischen Jugendtreffen zu Ostern auf der Freudsburg im Westerwalde. Fräulein Stahl von der Neugründung einer Landsmannschaft in der Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittenwald. Und Herr Kizio und Frau Goerke bemühten sich um die Ausgestaltung des humoristischen Teils. Schließlich gab der Sprecher noch geschäftliche Angelegenheiten bekannt. Das Ganze wurde durch den Gesang von Heimatliedern und passenden Gedichtvorträgen umrahmt.

 

 

Seesen am Harz.

Zur Frühlingsfeier der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen waren die birkengrüngeschmückten Festräume des Ratskellers bis zum letzten Platz gefüllt. Das fröhliche Singen von Mai-, Wander- und Frühlingsliedern im Kanonstil, aus der Gemeinschaft gestaltet und durch Rezitationen gereimter Lobpreisungen auf Frühling und Mai sinnvoll bereichert, erzeugte eine wahre Hochstimmung. Der nächste Heimatabend am 12. Juni wird als Westpreußenstunde durchgeführt. — Anmeldungen zum Ostpreußentreffen in Hannover am 4. Juli nimmt Landsmann Lux, Bahnhofstraße 13, entgegen.

 

 

Landsmannschaft Ost- und Westpreußen Nürnberg

Der 1. Mai war auch schon in unserer Heimat immer ein Anlass zum Fröhlich sein und diese Gepflogenheit haben wir in unsere Landsmannschaft mit übernommen. So fanden sich auch am 30. April eine große Zahl von Mitgliedern und deren Freunde im Palmengarten Maiach zu einer stimmungsvollen Maifeier zusammen. Wer seine Stimmung zu Hause „vergessen“ hatte, dem wurde sie in dicken Portionen durch den vorzüglichen Vortragskünstler Rudi Bauda serviert. Seine Leistungen waren so ausgezeichnet, dass selbst die Jugend darüber fast das Tanzen vergaß. So herzlich haben wir seit dem Schabberabend nicht mehr gelacht!

 

Alsdann hielt der junge Mai seinen Einzug und wurde gebührend begrüßt. Und dann stieg der Clou des Abends: der Ballontanz. Ja, die Paare wollten „hoch hinaus“. Sie hatten sich dazu einen Ballon gechartet. Aber leider kamen nur 4 Paare in die höheren Regionen, den die anderen verloren in dieser „Ballonschlacht“ sehr schnell ihren an das Fußgelenk des Tänzers geknüpften Ballon. Die letzten 4 Paare traten nun zum Endspurt, dem Apfeltanz an. Das Siegerpaar hieraus zog mit einer Buddel köstlichen Rheinweins davon.

 

Jedenfalls, es war „alles dran“, wie wir es ja bei unserer Landsmannschaft auch nicht anders gewohnt sind. Als dann der Aufbruch begann, trat die Hälfte der Feststeilnehmer in einen Sitzstreik. Sie blieben einfach da! Wer nicht dabei war, hat etwas versäumt. Schade, wird er sagen, wenn er nun liest, wie gemütlich und lustig es hergegangen ist. (Bö.)

 

 

Nürnberg sammelte 36 Zentner für die Bruderhilfe

In den letzten Wochen strömten von allen Seiten, auch dieses Mal wiederum recht reichlich seitens der Nürnberger Bevölkerung, umfangreiche und wirklich wertvolle Spenden für die Bruderhilfe Ostpreußen zusammen.

 

Es war rührend in manchen Fällen zu sehen, mit welcher Liebe die Sendungen zusammengestellt waren. Es war alles vertreten vom Kleinkindmantel bis zu dem Wintermantel, vom Erstlingsschuhchen herauf bis Schuhgröße 45; Kinderwäsche, Bettwäsche, ja sogar eine komplette Babyausstattung mit allem Drum und Dran. Am 15. Mai gingen die Sachen nun in einem Gesamtgewicht von über 9 Zentnern auf den Weg. Insgesamt hat die Landsmannschaft Nürnberg 36 Zentner für die Bruderhilfe zusammen getragen.

 

Dieses Mal sandten wir unsere Spenden an die Landsmannschaft Westpreußen in Lübeck, damit auch die Landsleute in Westpreußen bedacht werden können. Inwieweit dieses nun bei den unerhörten Zollmaßnahmen der Polen möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Hoffen wir, dass es doch gelingt, die Spenden auf irgendeinem Wege den notleidenden Familien zuzuleiten.

 

Beide Landsmannschaften, Ost- wie Westpreußen, haben gebeten, vorläufig von einer Sammlung für die Bruderhilfe Ostpreußen abzusehen, bis die rigorosen Maßnahmen der Polen gemildert sein werden. (Bö.)

 

 

Verein heimattreuer Ost- und Westpreußen zu Hannover

Am Sonntag, den 16. Mai 1954 startete der Verein zu seiner diesjährigen großen Frühlingsfahrt an die Oberweser. In 2 Autobussen der Deutschen Bundesbahn und einem Anhänger wurden insgesamt 117 Personen an diesem kühlen Maienmorgen zunächst bis Lauenstein am Ith gebracht. Bei der Weiterfahrt über den Ith nach Bodenwerder zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen. So war der in Bodenwerder zur freien Verfügung stehende Aufenthalt ein Genuss für die Fahrtteilnehmer, die sich dort zu Spaziergängen in die Weserberge oder zur Ortsbesichtigung aufgemacht hatten. Anschließend verlief die Fahrt an der Weser entlang bis Polle. .. Dort war für das gemeinsame Mittagessen im Hotel zur Burg schon alles vorbereitet und der reichliche Eintopf (Erbsen mit viel Speck) hat allen gut gemundet. Es gelang noch über Mittag eine gemeinsame Weserrundfahrt zu machen, die bei allen Fahrtteilnehmern viel Anklang fand. Gegen 16 Uhr wurde zur Weiterfahrt an der Weser entlang und durch das schöne Weserbergland über Holzminden nach Grünenplan aufgebrochen. Eine behagliche Gaststätte sorgte hier mit guter Musik für einen fröhlichen Ausklang des schönen Maiausfluges.

 

Mitgliederversammlung:

Die nächste Mitgliederversammlung des Vereins findet am Sonnabend, dem 19. Juni 1954 um 19.30 Uhr im ehemaligen Fürstenzimmer des Hauptbahnhofes Hannover statt. Auf der Tagesordnung steht u. a. auch die Planung der Sommerfahrt für den Monat August 1954. Um pünktliches Erscheinen aller Mitglieder wird gebeten. Nach der Versammlung findet noch ein gemütliches Beisammensein bis 24 Uhr statt. Wir gratulieren Ostpreußenwarte C-Ausgabe.

 

 

 

Wolfenbüttel

Am 3. und 4. Juli findet das erste ostpreußische Landestreffen Niedersachsens in Hannover statt. Die Landsmannschaft Ostpreußen in Wolfenbüttel fährt am 4. Juli mit 2 Omnibussen nach Hannover. Der Fahrpreis beträgt 5,80 DM pro Person. Anmeldungen zur Teilnahme haben sofort beim Omnibusvertrieb Hohmann, Wolfenbüttel, Kornmarkt zu erfolgen. Reiseleiter ist Landsmann Priemer.

 

 

Flensburg

Wie sieht es jetzt in unserer Heimat aus?

Das war das Thema der letzten Mitgliederversammlung der Flensburger Ostpreußen. Der in der Jahreshauptversammlung wiedergewählte 1. Vorsitzende begrüßte die Anwesenden und nach einigen Bekanntmachungen durch den 3. Vorsitzenden Bocian sprachen Dr. Kob und Armoneit in einem Zwiegespräch zu obigem Thema. An Hand von Berichten und Nachrichten aus unserer Heimat erhielten wir ein anschauliches Bild von dem jetzigen Zustand unserer unter der Fremdherrschaft seufzenden Heimat. Im 2. Teil des Abends gab es eine Rätselreise durch unser geliebtes Ostpreußen. Der Reiseleiter und Rätselonkel war der neue Kulturwart der Landsmannschaft Dr. Kob. Es gab sehr harte Nüsse zu knacken und wir warten alle mit Spannung auf die Verkündigung des Resultats mit anschließender Preisverteilung. Wie weit liegen doch schon die Namen der Städte und Orte sowie Flüsse von uns, dass wir uns sehr anstrengen mussten, den richtigen Namen zu finden.

 

 

Müttergedenken bei den Ostpreußen-Frauen in Flensburg

Die letzte Zusammenkunft der Flensburger Ostpreußen-Frauengruppe war zu einer Mütter-Gedenkstunde ausgestaltet worden, in deren Mittelpunkt die Ehrung der ältesten anwesenden Mutter, Frau Kunz, durch Überreichung einer kleinen Aufmerksamkeit stand. In ihren Vorträgen sprachen die Damen Kursch und Hilrt vom Sinn und Wert des Muttertages. Nach dem besinnlichen Teil wurde der Nachmittag mit Darbietungen der Jugendgruppe Lutzkat und einem frohen Maisingen beschlossen.

 

 

 

Lorch/Württ.

Zu einem nachbarlichen Ostpreußen-Treffen hatte die Landsmannschaft Ostpreußen, Göppingen, ihre Landsleute aus Schorndorf und Schwäbisch-Gmünd am Himmelfahrtstag nach hier eingeladen. Die rund 300 mit der Bahn, Omnibussen und Privatwagen eingetroffenen Ostpreußen besichtigten zuerst das Kloster. Nach einem gemeinsamen Mittagessen zogen sie an den Muggensee, vergnügten sich dort durch muntere Spiele oder feierten fröhliches Wiedersehen. Am Nachmittag ging es dann in die „Krone“, wo man mehr Platz und Freundlichkeit vorfand. Alle drei Landsmannschaften beteiligten sich gleichermaßen an der fröhlichen Unterhaltung durch mundartliche Vorträge, Lieder oder Musikstücke. Befriedigt von diesem schönen Tag traten alle drei Landsmannschaften am frühen Abend wieder die Heimreise an.

 

 

 

Wer kennt die Angehörigen?

Anfang Juni 1945 verstarb auf einer Kolchose bei Heinrichswalde (Ostpr.) ein unbekannter Schütze mit Vornamen Hans. Er war Sohn eines Landwirtes aus Heinrichswalde, ca. 1927 geboren, blond, schlank, ca. 1,70 m groß. Er hatte blaue Augen und stieß beim Sprechen etwas mit der Zunge an. Nachrichten erbeten unter Nr. 223 an das Deutsche Rote Kreuz, München, Suchdienst für Wehrmachtvermisste.

 

 

Das Geleitwort des „1. Landestreffen der Ostpreußen“ am 3./4. Juli in Hannover. „Ostpreußen – dennoch deutsch und allzeit unser!“ Schirmherr des Landestreffens: Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf. Jeden Landsmann in Niedersachen ruft die Heimat nach Hannover!

 

 

Seite 5   Landsleute in Mitteldeutschland schauen auf uns. Politische Bedeutung des Landestreffens in Hannover

Wie bereits von der „Ostpreußen-Warte“ gemeldet, findet am 3. und 4. Juli in Hannover das „1. Landestreffen der Ostpreußen“ statt, zu dem etwa 50 000 Besucher erwartet werden und das die bisher größte Veranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen im Lande Niedersachsen darstellt. In diesem Raum haben rund 400 000 Ostpreußen Aufnahme gefunden, was die stärkste Belegung eines Landes der Bundesrepublik mit Bewohnern der Provinz Ostpreußen ausmacht. Dem „1. Landestreffen der Ostpreußen“ kommt geschichtliche Bedeutung für die Entwicklung der gesamten Vertriebenenbewegung zu, als es ziemlich genau ein halbes Jahrzehnt nach der „Ostpreußen-Woche 1949“ durchgeführt wird, die damals erstmalig nach der Vertreibung Zehntausende von Ostdeutschen zu einer machtvollen Kundgebung vereinte und eine Demonstration vor der deutschen und ausländischen Öffentlichkeit war, die noch heute in guter Erinnerung ist.

 

Der Landesgruppenleiter der Landsmannschaft Ostpreußen und gleichzeitige Landesvorsitzende des „Bundes der vertriebenen Deutschen“, Hellmut Gossing, wendet sich an alle in Niedersachsen lebenden Landsleute mit dem eindringlichen Appell, in Anknüpfung an die „Ostpreußen-Woche“ des Jahres 1949 in größtmöglicher Zahl nach Hannover zu kommen und das „1. Landestreffen der Ostpreußen“ zu einem Erfolge werden zu lassen, der nicht nur denjenigen vor fünf Jahren übertrifft, sondern sich ebenbürtig neben die Bundes- und Landestreffen stellt, die seitdem in der niedersächsischen Hauptstadt von anderen Landsmannschaften abgehalten wurden. Auf den in Niedersachsen wohnenden Ostpreußen, erklärt Gossing, ruhe eine Verantwortung, die weit über den Rahmen des Landes Niedersachsen und auch der Gesamtheit der Vertriebenen hinausragt. Allein die Tatsache, dass Niedersachsen die längste Grenze gegenüber dem sowjetisch besetzten Mitteldeutschland besitzt, in dem Hunderttausende von Landsleuten unter erzwungenem, verbissenem Schweigen auf jedes Zeichen der Treue und des rückhaltlosen Kampfes um die Wiedergewinnung der Heimat warten, müsse allen Landsleuten Mahnung und Verpflichtung sein, am Landestreffen in Hannover teilzunehmen. Daraus, dass der Niedersächsische Ministerpräsident Kopf Schirmherr ist, sei zusätzlich das staatspolitische Gewicht abzulesen, das dem Treffen zukommt.

 

Auf den Hauptstrecken der Bundesbahn werden Sonderzüge eingesetzt, deren Linienführung und Abfahrtzeiten auf den Bahnhöfen erfragt werden können. Viele Kreis- und Ortsgruppen der Landsmannschaft und Kreis- und Ortsverbände des BvD bereiten Gemeinschaftsfahrten mit Autobussen vor.

 

Die Landesgruppe Niedersachsen ruft ihre Landsleute auf, umgehend mit den örtlichen Vertriebenenorganisationen Fühlung zu nehmen und sich zu erkundigen, welche Möglichkeiten bestehen, sich an Gesellschaftsfahrten zu beteiligen, die entweder durch Autobus nach Hannover fahren oder durch Benutzung der Regelzüge Anschluss an die Sonderzüge gewinnen.

 

Das Geleitwort für das „1. Landestreffen der Ostpreußen“ am 3./4. Juli in Hannover lautet:

 

„Ostpreußen - dennoch deutsch und allzeit unser!“

 

 

Seite 6   Bad Oeynhausen weihte Immanuel Kant-Gymnasium

Foto: Aus der Hand des Architekten, Prof. Dustmann, nimmt Stadtdirektor Dr. Lawin (Mitte) den Schlüssel für das neue Immanuel-Kant-Gymnasium in Bad Oeynhausen entgegen. In der ersten Reihe der Ehrengäste sitzen (von rechts) der Ehrenpräsident der ostpreußischen Landsmannschaft, Dr. Ottmar Schreiber, die Gattin des letzten Oberbürgermeisters von Königsberg, Dr. Will, und der frühere Inhaber des Kantlehrstuhls an der Albertina in Königsberg, Prof. Dr. Heimsoeth (Köln). Aufn.: A. Neander

 

Foto: Vor dem Neubau des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Bad Oeynhausen wehte am Tage der Einweihung die Fahne Königsbergs, die aus der Patenstadt Duisburg mitgebracht wurde.

 

Das geistige Erbe Immanuel Kants, ein kultureller Schatz aller Ostpreußen, hat ausgerechnet in einer Stadt einen Hort gefunden, die selbst seit neun Jahren in äußerster Bedrängnis und schwerer Not lebt. Während noch etwa 6000 Einwohner der in der ganzen Welt bekannten Badestadt Oeynhausen weit und breit in der Umgebung, in allen Teilen Deutschlands und im Ausland leben und auf die Rückkehr in ihre vom britischen Hauptquartier noch besetzten rund 800 Wohnungen, Hotels, Pensionen und Betriebe warten, erhielt der jüngste Neubau der auf den Abzug der Besatzung wartenden Stadt den Namen Immanuel-Kant-Gymnasium. Wesentlich ist dabei, dass die seit neun Jahren unter einmaligen Schulverhältnissen leidenden Jugendlichen, Eltern und Erzieher nun schon etwas Erleichterung spüren. Bedeutungsvoll wurde der Einweihungsakt, weil diese Stadt mit ihrem unter schweren Sorgen gewachsenen Bauwerk ein Bekenntnis zum deutschen Osten ablegte.

 

Ein alter Königsberger und jetziger Stadtdirektor von Bad Oeynhausen, Dr. Rudolf Lawin, verband seinen Namen schon mit dem ebenso wichtigen hochmodernen und weithin als vorbildlich anerkannten neuen Krankenhaus. Als er jetzt den Schulbau einweihte, stimmte ihm der Rat der Stadt einmütig zu, damit seiner alten Heimat ein Denkmal zu setzen. Dass diese Taufe auf den Namen des großen Königsberger Philosophen mehr war als nur ein kommunalpolitischer Akt, bestätigte der Ehrenpräsident der ostpreußischen Landsmannschaft, Staatssekretär Dr. Ottomar Schreiber, als er aus diesem Anlass Dr. Lavin die Mitgliedschaft zur Gesellschaft der Freunde Kants mitbrachte. Im gleichen Sinne lag die Tat des Vorsitzenden der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Duisburg, Harry Pohley, der die Fahne Königsbergs aus der Patenstadt mitbrachte und sie bei der Einweihungsfeier vor der neuen Schule neben den Farben des Bundes, des Landes NRW und der Stadt aufzog. Und schließlich wurde auch der Rahmen dieser Feier der besonderen Bedeutung des Ereignisses gerecht, als der letzte Inhaber des Kant-Lehrstuhls der Königsberger Albertina, Prof. Dr. Heimsoeth (Köln), Leben und Wirken Kants in einer vielbeachteten Vorlesung zum Bild eines Menschen von weltweiter Ausstrahlungskraft formte.

 

In der ersten Reihe der Ehrengäste, unter den Vertretern des öffentlichen Lebens von Stadt und Bad Oeynhausen, saß auch der gerade vor wenigen Monaten aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte letzte Oberbürgermeister von Königsberg, Dr. Will mit seiner Gattin. Das Wiedersehen der alten Königsberger am Vorabend des Taufaktes war ebenso freudvoll wie wehmütig, aber doch kennzeichnend für die Initiative, die hier von Ostwestfalen ausging. Drei Tage zuvor hatte die Metropole dieses Landstriches, die Leinen- und Fahrradstadt Bielefeld, in Anwesenheit von mehr als 2000 Ostpreußen die Patenschaft für Gumbinnen übernommen. Jetzt schmückt die eine Wand in der Eingangshalle zum neuen Gymnasium Bad Oeynhausens der Spruch, der einst am Königsberger Schloss zu lesen war:

 

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“.

 

Der Stadtdirektor von Bad Oeynhausen, Dr. Lawin, bezeichnete den unermüdlichen Förderer der landsmannschaftlichen Arbeit, Dr. Schreiber, als den „Vater der Ostpreußen“, wie man Agnes Miegel schon die Mutter des Landes nennt. Es sei bemerkenswert, dass eine durch Krieg und Nachkrieg angeschlagene Stadt nicht nur mit Worten, sondern durch die Arbeit und den Geist in dieser neuen Schule ein Stück kulturelles Erbe von Ostpreußen übernähme. Hier knüpfte auch Dr. Schreiber an, der die zurückliegende Zeit ein tiefes Tal nannte, durch das die deutschen Menschen während des Zusammenbruchs hindurchgingen, um jetzt wieder zu den Maßstäben für die wirklichen Zusammenhänge des Lebens zurückzufinden.

 

Eine Fülle von Grüßen und Geschenken, die sich alle irgendwie auf das Bedeutsame der Namensgebung, auf die Persönlichkeiten dieses einmaligen Zusammentreffens und die geistige Zukunft der Schule bezogen, würdigte die Leistungen der verantwortlichen Männer. Bad Oeynhausen hat an diesem Tag viele in seiner unmittelbaren Umgebung beheimatete Ostpreußen und damit auch die Landsmannschaft in der Bundesrepublik gegrüßt. Die Weihe des Immanuel-Kant-Gymnasiums sollte Brücken schlagen von Mensch zu Mensch. E. H.

 

 

Seite 6   Abschied von Kronprinzessin Cecilie

Noch einmal — wie bei der Beisetzung des Kronprinzen Wilhelm von Preußen am 26. Juli 1951 und diesmal vielleicht zum letzten Male — waren in den Mittagsstunden des 12. Mai 1954, auf der Stammburg der Häuser Hohenzollern und Brandenburg-Preußen die Vertreter deutscher und ausländischer Fürstenhäuser in großer Zahl versammelt, als die letzte Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen, Cecilie Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, im Offiziersgarten der Burg in der Gruft neben dem Kronprinzen zur letzten Ruhe gebettet wurde. Fast auf den Tag genau trennte ein halbes Jahrtausend diesen Tag von der Wiedergründung der Burg am 25. Mai 1954, die damals im Zeichen des Anfangs einer neuen geschichtlichen Periode stand. Nun wurde der 12. Mai 1954 vollends zum Abschied von einer Zeit, die im Sturm zweier Weltkriege untergegangen ist.

 

Dieses Bewusstsein klang auch durch die Schlichtheit der menschlich ergreifenden Trauerfeier im Grafensaal der Burg, an dessen Stirnseite der mit der Kronprinzenstandarte und dem mecklenburgischen Hauswappen bedeckte Eichensarg aufgebahrt war. Auf dem Sarg lag als Abschiedsgruß des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen ein Kranz aus 300 weißen und 50 rosaroten Nelken, den Lieblingsblumen der verstorbenen Kronprinzessin. Hier waren auch die Kränze der engsten Familienangehörigen sowie die Kränze des dänischen Königspaares und des dänischen Erbprinzenpaares mit weiß-roten Bandschleifen, der Kranz der Bundesregierung mit schwarz-rot-goldener Schleife sowie die Kränze der Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern niedergelegt. Weit in die Hunderte aber gingen die Kranz- und Blumenspenden, die von deutschen und ausländischen Fürstenhäusern, von den Landsmannschaften und Verbänden und vielen Einzelpersonen geschickt worden waren. Sie waren im Burghof und auf den Basteimauern niedergelegt worden.

 

Kurz vor Beginn des Trauergottesdienstes im Grafensaal traten Prinzen der Häuser Hohenzollern und Brandenburg-Preußen als Totenwache an den Sarg. Unter den Teilnehmern des Trauergottesdienstes sah man den Prinzen Oskar von Preußen, den letzten lebenden Sohn Kaiser Wilhelms II, und Prinzessin Oskar mit zwei Söhnen, die Herzogin Viktoria Luise von Braunschweig und Lüneburg, die einzige Tochter des letzten Kaisers, Prinzessin Barbara von Preußen, die Enkelin des Prinzen Heinrich, sowie Prinz Biron von Kurland und Prinzessin Herzeleide, die Tochter des Prinzen Oskar von Preußen.

 

Ferner waren anwesend der Königlich Britische Generalkonsul Gilchrist als persönlicher Beauftragter der Königin Elisabeth II. von England, Bundespostminister Siegfried Balke als Vertreter der Bundesregierung, Gesandter von Herwarth als Vertreter des Bundespräsidenten Generalfeldmarschall von Manstein, der ehemalige Kommandeur der Danziger Leibhusaren, Vertreter fast aller früheren deutschen Herrscherhäuser und der bekanntesten deutschen Adelsfamilien. Von den ostdeutschen Landsmannschaften vertraten Dr. Willi Portzehl die ostpreußische Landmannschaft von Baden-Württemberg und Senator a. D. Ermin Hasbach die Landsmannschaft der Westpreußen des Regierungsbezirks SüdwürttembergI Hohenzollern.

 

An das schlesische Oels, dessen Schloss der verstorbene Kronprinz Wilhelm im Falle seines

Ablebens als Witwensitz für die Kronprinzessin Cecilie bestimmt hatte, erinnerte auch der Berliner Hof- und Oberdomprediger Professor D. Bruno Doering in seiner Gedächtnisansprache, der in den Konfirmationsspruch der Kronprinzessin „Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen“ zugrunde gelegt hatte. Unter diesem Leitwort, so sagte er, habe das Leben der Kronprinzessin in den Tagen der Freude wie des Leides gestanden. Als ein Vermächtnis für ihre Kinder und Enkel, aber auch an ihr geliebtes deutsches Volk, möge dieses Wort der Bibel, in dem die ganze unüberbietbare Dynamik dieses einzigartigen Buches spürbar werde, auch über ihren Tod hinaus wirksam bleiben.

 

Mit dem Choral „Ich bete an die Macht der Liebe“ und unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches endete hier der letzte Weg der Verstorbenen. Die Gruft blieb noch am nächsten Tage geöffnet, so dass Tausende von Besuchern der Burg Gelegenheit hatten, von der toten Kronprinzessin Abschied zu nehmen.

 

Mit vielen ostpreußischen Häusern verband Kronprinzessin Cecilie besonders herzliche Verbindungen. Noch im Juli 1939 besuchte sie Schloss Friedrichstein. „Zur Erinnerung an Friedrichstein, Cecilie, Kronprinzessin“ ließ sie in eine silberne Schale eingravieren, die sie in Königsberg bei Walter Bistrick kaufte.

 

 

Seite 6   Galtgarbenfeste der Königsberger Studenten

Auf den Wanderungen durch das sommerliche Bernsteinland hat uns Alexis auch zum Galtgarbenkreuz geführt.

 

An dieser Stelle hat jahrzehntelang die Königsberger Studentenschaft ihre Galtgarbenfeste abgehalten. Sie fanden alljährlich am 18. Juni, dem Jahrestage der Schlacht bei Belle-Alliance, statt, den auch die aus dem Jahre 1818 stammende Verfassung der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“ zum „Fest der Erinnerung an alle deutschen Brüder“ für die Deutschen Hochschulen bestimmt hatte. Erstmals feierten die Königsberger Studenten ihr Galtgarbenfest 1818,

dem Jahre der Errichtung des Galtgarbenkreuzes. Die Festrede hielt damals der stud. jur. Alfred von Auerswald, ein Sohn des damaligen Oberpräsidenten, der — wie Alexis berichtet hat — zu den Unterzeichnern des Spendenausschusses für die Errichtung des Galtgarbenkreuzes gehörte. Wie die Feiern im Einzelnen verliefen, lässt sich heute wohl kaum noch feststellen. Doch wird berichtet, dass in den ersten Jahren neben den Studenten auch die Professorenschaft daran teilnahm, und aus dem Jahre 1822 ist bekannt, dass sich unter den damals gesungenen Liedern eines befand, das die unlösliche Freundschaft pries und teilweise wörtlich mit dem „Landesvater“ übereinstimmt. Es mag sein, dass dieses Lied regelmäßig dort gesungen worden ist, doch ist es auch möglich, dass es gerade für dieses Galtgarbenfest geschaffen worden ist, mit dem zugleich die kurz zuvor erfolgte Beseitigung einer Spaltung innerhalb der Studentenschaft gefeiert wurde.

 

Den Verlauf der Galtgarbenfeste um die Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat 1870 Karl Heinrich in der ersten Geschichte des Corps Masovia geschildert. Die gesamte Studentenschaft der Albertina, Angehörige aller damals bestehenden Korporationen ebenso wie die Nichtkorporierten, fand sich zusammen, stärkte sich zunächst nach der langen anstrengenden Fahrt — es gab ja noch keine Samlandbahn! — und dann begann unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung der umliegenden Dörfchen ein lustiges Treiben. Wir hören von Turnübungen, Wettlauten den Katzensteig hinunter, Reiterkämpfen auf den Schultern der Kameraden, aber auch von Liedern, Ansprachen und besinnlichen Spaziergängen. Am Abend ward ein Holzstoß entzündet und beim Flammenschein unter den hohen Bäumen ein froher Kommers abgehalten. Manch einem soll der Abschied von der Stätte des fröhlichen Treibens so schwer geworden sein, dass er es vorzog, unter den Haselbüschen an Ort und Stelle zu nächtigen und erst im Lauf des folgenden Tages gen Königsberg zurückzukehren.

 

Wie lange man dem Brauche der Galtgarbenfeste treu geblieben ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Im Jahre 1848 hat man es jedenfalls noch gefeiert und es wird berichtet, dass in jenem Jahr nach längerer Zeit endlich wieder die gesamte Studentenschaft gemeinsam daran teilgenommen hätte.

Benno Gliemann, Landgerichtsrat

 

 

Seite 6   Foto: In Treue zu Ost- und Westpreußen

Das große Landestreffen des Landesverbandes der Ost- und Westpreußen in Bayern hatte viele tausende Landsleute am 22. und 23. Mai in München vereint. Unser Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Heimat-Großkundgebung auf dem Königsplatz. Der 1. Vorsitzende der Landesgruppe Bayern, Prof. Dr. E. F. Müller, spricht zu den Landsleuten, die aus ganz Bayern erschienen waren. Die Großkundgebung wurde mit einer feierlichen Totenehrung eingeleitet, die Herr Diakon Krumm vornahm. Aufn.: Erich Doerk

 

 

Seite 7   Bauernnot. Von Richard Alfred Hennig.

Not bedrückte uns so schwer,

Haus und Hof genommen,

irr ich suchend nun umher

bis zum Wiederkommen.

 

Fast vierhundert Jahre saß

wacker mein Geschlecht,

und des Lebens hartes Maß

ging nach altem Recht.

 

Boten uns die Tage auch

oftmals Trotz und Schaden,

haben nie in dieser Zeit

Schuld auf uns geladen.

 

Beugten Frost und Hunger nicht

manchen von uns nieder?

Stets hob er sein Angesicht

auf zum Hofe wieder.

 

Bin ich lange noch allein,

muss die Sehnsucht schwellen;

lasst mich wieder Bauer sein

und den Hof bestellen!

 

 

Seite 7   Schicksal und Not des heimatvertriebenen Landvolkes.

Etwa 300 000 Bauern und Landwirte und 400 000 Landarbeiterfamilien sind aus den Gebieten ostwärts der Oder/Neiße von Haus, Hof und Heim unter Zurücklassung des gesamten Vermögens vertrieben worden. Dieser, in der Geschichte einmalige Vorgang, hat einen sozialen Abstieg dieses Bevölkerungsteiles mit sich gebracht, dessen Auswirkungen auf die Zukunft heute noch gar nicht zu übersehen sind. Das Ziel des Bolschewismus war nicht in erster Linie der Raub von Heimat und Vermögen, sondern durch das Einströmen von Millionen entwurzelter Menschen einen Zustand in Restdeutschland zu schaffen, der für den Bolschewismus einen günstigen Nährboden bilden sollte. Dass der Kreml sein politisches Ziel nicht erreicht hat, ist auf die Erfahrungen, welche die ostdeutsche Bevölkerung mit der Roten Armee gemacht hat und auf die vorbildliche Haltung aller Vertriebenen zurückzuführen.

 

Wie weit ist nun eine Eingliederung heimatvertriebener Bauern und Landwirte in ihren alten Beruf erfolgt?

 

Die amtlich durchgeführte Bodenbenutzungserhebung im Jahre 1953 ergibt, dass 32 420 ostdeutsche Bauern und Landwirte wieder angesiedelt worden sind. Das sind unter Berücksichtigung der seit 1945 bis jetzt geflüchteten Bauern aus der Sowjetzone etwa 10 Prozent aller ostdeutschen vertriebenen Menschen dieses Berufsstandes. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mehr als 50 Prozent der Betriebe eine Größe von unter 5 ha haben und keine Ackernahrung bilden. Diese Siedler sind meistens gezwungen, einen Nebenerwerb auszuüben. Es muss weiter berücksichtigt werden, dass die bisher in ihrem Beruf eingegliederten Bauern zum Teil Höfe übernommen haben, deren Eigentümer aus dem Kriege nicht zurückgekehrt sind. Der Kapitalaufwand zur Übernahme dieser Höfe war verhältnismäßig gering. Aufschlussreich ist eine statistische Auswertung eines Berichtes der Kameradschaft ehemaliger Hörer der Höheren Landbauschule Elbing, der von ehemaligen Dozenten der Schule herausgegeben worden ist. Der Bericht gibt u. a. die jetzige Tätigkeit von 133 staatlich geprüften Landwirten zur Kenntnis. Danach sind:

 

44 im früheren Beruf tätig

52 berufsfremd eingesetzt

12 ausgewandert nach Übersee

15 unbekannt berufstätig

9 arbeitslos

1 Rentenempfänger.

 

Die im Genossenschaftswesen, in der Landmaschinenindustrie oder als Berufsschullehrer z. Zt. Beschäftigten gelten bei dieser Auswertung als im früheren Beruf tätig. Rund 1/3 üben ihren früheren Beruf aus. Ein überaus günstiges Ergebnis! Es muss aber besonders hervorgehoben werden, dass fast 2/3 dieser fachlich besonders qualifizierten Landwirte, die meist selbständig und Leiter mittlerer oder großer Betriebe waren, nicht in ihrem Beruf tätig sein können. Der Boden, unbeweglich und nicht vermehrbar, ist nun einmal die Betriebsgrundlage für jeden Bauern und Landwirt. Dieser Boden ist in der Heimat geblieben und dort zur Steppe geworden.

 

Soweit die älteren Vertriebenen nicht Empfänger von Kriegsschadensrente sind, zählen sie meist zu dem 30%-igen Anteil der Arbeitslosen, den die Vertriebenen heute insgesamt betrachtet immer noch stellen. Die jüngeren Angehörigen des heimatvertriebenen Landvolkes sind entweder als Landarbeiter oder zum größten Teil in der Industrie beschäftigt. Die Landflucht mag auch eine Rolle spielen. Sie ist nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in fast allen Ländern Europas und sogar in Übersee festzustellen. In Kanada sind z. B. 57 000 Farmen von den Besitzern verlassen worden.

 

Der beschränkte Raum in der Bundesrepublik bietet unmöglich dem gesamten heimatvertriebenen Landvolk eine Existenz im früheren Beruf. Selbst bei Heranziehung des Besitzes der öffentlichen Hand und Kultivierung von weiten Moor- und Ödland Flächen wie z. B. des Emslandgebietes wird nur eine teilweise Eingliederung möglich sein. Voraussetzung für eine Gewinnung von Neuland sind erhebliche Mittel. Ob diese erforderlichen Mittel Bundesvertriebenenminister Prof. Oberländer zur Realisierung seines Planes vom Bund zur Verfügung gestellt werden, bleibt abzuwarten.

 

Bergbau, Industrie und Baugewerbe haben heute einen beachtlichen Teil des ostdeutschen Landvolkes als Arbeitskräfte aufgenommen. Diese Berufsentfremdung muss im Hinblick auf eine künftige Besiedlung der deutschen Ostgebiete als ein Substanzverlust betrachtet werden, der ein ausschlaggebender Faktor für die Zukunft dieser Gebiete sein wird.

 

Ausbildungs- und vor allem Aufstiegsmöglichkeiten für den landwirtschaftlichen Nachwuchs sind kaum vorhanden. Das gilt sowohl für den rein landwirtschaftlichen Beruf als auch für die Spezialberufe wie Melkermeister, Schweinemeister usw. Der hohe Stand unserer Rindvieh-, Pferde- und Schweinezucht in den Heimatgebieten beruhte nicht zuletzt auf einer hervorragenden Ausbildung und den oft jahrzehntelangen Erfahrungen des Tierpflegepersonals. Ohne Aussicht in absehbarer Zeit zu einer selbständigen Existenz in der Landwirtschaft zu kommen, bieten die landwirtschaftlichen Berufe dem Nachwuchs jedoch keinen Anreiz mehr.

 

So lange die deutsche Exportindustrie Absatz auf dem Weltmarkt hat, kann der Import von Lebens- und Futtermitteln erfolgen. Das kann sich plötzlich ändern. Stockt unser Export, so ist die Einfuhr von Lebensmitteln infolge der Devisenknappheit ernstlich bedroht. Die Krisenempfindlichkeit trifft uns dann wie zum Beispiel England, das ständig auf Exporterlöse und Lebensmittelzufuhren angewiesen ist und sich heute noch nicht von der Rationierung gewisser Lebensmittel freigemacht hat. Der Mangel an Devisen der überseeischen Länder zwingt heute England dazu, neue Absatzmärkte in Osteuropa zu suchen. Die weitere Folge von Absatzschwierigkeiten unserer Industrie wäre die Arbeitslosigkeit von der in 1. Linie wieder Heimatvertriebene betroffen werden würden.

 

Selbst bei einem Maximum an Getreide- und Hackfruchternten, bei Kultivierung jeden qm Bodens der hierfür überhaupt in Frage kommt, kann das kleine Bundesgebiet nicht 50 Millionen Menschen Nahrung liefern. Ohne die deutschen Ostgebiete ist Deutschland nicht lebensfähig und auf weite Sicht gesehen zum Untergang verurteilt. Diese Erkenntnis muss Allgemeingut aller Deutschen werden. Auch die Bildung einer Agrarunion macht die Bundesrepublik nicht unabhängig vom Nahrungsmittelmarkt. Handels- und zollpolitische Maßnahmen der Regierung stabilisieren heute die Preise für die Agrarprodukte im Bundesgebiet. Letztlich basieren aber die Erzeugnisse der Exportindustrie zu einem erheblichen Teil auf den Lebenshaltungskosten, insbesondere den Lebensmittelpreisen, die der Industriearbeiter zu zahlen hat. Dieser preisbildende Faktor kann auf die Dauer gesehen nicht außer Acht gelassen werden. Wir sind bei größter Rationalisierung unserer Landwirtschaft immer auf den Weltmarkt angewiesen.

 

Von den 100 000 jährlichen Auswanderern stellen die Heimatvertriebenen das Hauptkontingent. Es ist nicht bekannt, wieviel Angehörige des Landvolkes zu den Auswanderern zählen. Die Frage einer Auswanderung ist umstritten und kann für uns niemals eine Lösung bedeuten. Einerseits handelt es sich bei den Auswanderern um jüngere, vollarbeitsfähige Fachkräfte, deren Verlust im nationalen Interesse nur bedauert werden kann. Wir streben auch keine Auswanderung, sondern eine Rückwanderung in die angestammte Heimat an. Andererseits kann die Bundesregierung diesen Menschen keine ausreichende Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten, so, dass sie gezwungen sind zumeist in Übersee eine neue Existenz zu suchen. Deutsche Landwirte und vor allem Landarbeiter werden heute nicht nur von Kanada, sondern auch von allen südamerikanischen Staaten gesucht. Das endgültige Schicksal unserer Heimatgebiete liegt vorläufig noch in einer nebelhaften Zukunft. Der Verlauf der Viererkonferenz hat eindeutig bewiesen, dass die roten Machthaber gar nicht daran denken, eine Wiedervereinigung auch nur mit ihrer Besatzungszone unter den Bedingungen der Westmächte zuzulassen. Welche Schwierigkeiten werden sie einmal machen, wenn die Frage des Friedensvertrages und damit die Rückgabe der deutschen Ostgebiete akut werden? Diese Überlegungen lassen in manchem heimatvertriebenen Landvolkangehörigen den Entschluss reifen, sein Glück im Ausland zu versuchen.

 

Unser guter, alter Landarbeiterstamm aus der Heimat hat zu einem Teil den Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften im Bundesgebiet zunächst gedeckt. Bereits jetzt ist aber schon festzustellen, dass hauptsächlich in bäuerlichen Betrieben mittlerer Größe ein Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften besteht. Die Agrarstruktur im Westen bietet dem Landarbeiter kaum die Möglichkeit einer Eigenwirtschaft mit Kuhhaltung usw. wie sie im Osten üblich war. Die Industrie mit ihrer kürzeren Arbeitszeit und dem höheren Lohnstandard hat den größten Teil ehemaliger Landarbeiter aufgenommen. Kaum ein Landarbeiter, der heute in der Industrie oder im Bergbau beschäftigt ist, wird daran denken, seine Kinder wieder in der Landwirtschaft arbeiten zu lassen. Das wird sich bei einer Rückkehr in die Heimat verhängnisvoll auswirken.

 

Das in der Heimat zurückgelassene Vermögen war die Frucht der Arbeit, die unsere Vorfahren seit Jahrhunderten dort geleistet haben. Landsmannschaften und Vertriebenenverbände sind bestrebt, wenigstens das kulturelle Erbe zu erhalten. Eine berufsfremde Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolkes wird uns niemals über den Verlust der Heimat und aller materiellen Güter in der Heimat hinwegtäuschen. Mit diesem Zustand kann und wird sich das Landvolk und mit ihm alle Heimatvertriebenen nicht zufrieden geben. Wir wollen und dürfen die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat nicht aufgeben. Der Wille zu einer Heimkehr muss besonders in unserer Jugend wachgehalten werden. Das Heimatrecht ist ein von Gott gegebenes Recht, dessen Verletzung zur Auflösung jeder Ordnung führen muss. Mit unserem Schicksal wird sich das Schicksal Deutschlands und Europas entscheiden. Hoffen wir, dass Gott seine gewollte Ordnung bald wieder herstellt, die von kurzsichtigen Politikern so sinnlos zerstört worden ist.

A. Thiel, Staatlich geprüfter Landwirt.

 

 

 

Seite 7   De Mann möttem Kalw / Von Wanda Wendlandt

Anne End vonne Därp dao wohnd emaol e Daglehner, de weer, wi dat so bi ons heet, e böske möttem Zippelsack jepudert. Eenmaol ön e doll kohl Winter dao hadd he dat ömma so önne Liew, ömma so e Kniepe un Rementere, dat sien Olsche em kein Rauh nich leed, he sull doch emaol dem Dokter fraoge. Endlich als ehr Pranzle ömmere doller wurd, maokt söck de Mann denn ook oppe Wech un keem bi em Dokter. „Ja — das is ja schön und gut, lieber Mann, aber ich muss erst Euern Stuhl sehen“. — Dat jing nich, säd de Mann, denn he hadd tohuus kein Stohl, bloß e Bänk. De Dokter gröfflacht so e böske un denn verlangt he aower wenigstens de Waoter tom Underseeke. „Wat denn för Waoter?“ frog de Mann. „Na, aber Urin — wisst Ihr denn das nicht?“ — Jao, jao, säd de Mann un nehm dem Topp, wo em de Dokter jeew, un jing önne Stall ruut. Dao stelld akraod de Koh de Hinderbeene breed un how de Zaogel, un weil nu de Mann nich wußd, dat et Waoter von em sölwst sön sulld un em ook graods nich so daonaoh weer, so heel he denn dem Topp de Koh undre Naosch un brochd de Waoter dem Dokter. De Dokter bekickd söck denn dat von alle Siede, heel de Näs ran und schlakkert motte Ohre und tuckd motte Schullres. Wi he denn jenog jewundermarkt hadd, schow he de Bröll oppe Steern: „Was is denn bloß mit Euch, Mann?! Ihr habt ja ein Kalb im Bauch!“, denn de Koh weer kort fär et Kalve. Na dao verschrock söck de Mann nich schlecht un fung dem Dokter an to prachre un to prosche, dat de em doch helpe sull, dat he dat wedder los ware kunn. Aower de Dokter seed, dat he dat nicht studeert had un em ook nich helpe kunn. „Na, denn help de lewe Gottke!“, säd de Mann un set de Mötz op un nehm de Klink önne Hand.

 

Buute weer dat e luusje Kill un et schemmert ook all, wi de Mann losjing. De Ängste howe em, wat dat möt em ware sull un wat sien Wiew bloßig segge wull — un ön all sien Sorje un Simmeleere had he gaonich oppe Wech objepaßt. Möt eens had he söck verbiestert un wußd nich mehr uut un ön. Wi he nu dao so dorche hoge Schnee trampelt, dao leej op eenmaol e dootje Mann anne Wech und weer all ganz stief jefraore. „Na, Broder, Du lijjst dao good un Di deid mischt mehr weh — aower eck, eck mott e Kalw jungware laote — häst Du in Dienem lange Läwe all von sowat jeheert? — Aower e Paar feine Knestewel häst, de warscht Du jao nich mehr bruke, Du hast nu uutjeschäte un mi kaome se good to Paß — na nu laot Di doch kehre, dat eck Di de uttehne kann!“ Aower de Beene weere so stief jefraore, dat se äwre Knee awbroke wi Stecker un denn kreej he se ook nich ruter, weil se motte Ledder tohop jefraore weere. Dao stoppd he se mötte Stewel hullerdebuller önne Sack und staokt wieder dorche Schnee, bät he nich mehr kunn. Endlich kreej he Licht to kicke dao sietaw un jing op dem los un keem oppe Buerhoff. Dao jing he denn önne Huus und fraogt naoh Wech un Stech. De Buer verklaord em

denn dat un de Mann schlackerd mötte Ohre un wundert söck rein to schande, widat bloßig hadd togaohne kunnt, dat he graods naoh e verkehrt Sied weer losjegange. Fief Stunde weer he nu all underwegs un buute stockeraowediester un he möd wi e ohl Ackermähr, staomert he dorcheenander. „Je — wi dat togaohne kunn?! — „Dat kömmt von 't lange Predije“, säd de Pfarr, dao hadd he söck önne Böxe jeschäte. — De Keerl ös jao besaope wie e Stint!“ zischeldt de Knecht to de Buerfru. Na se jöwe dem Mann good to äte un denn sull he önne Kooj krupe, aower önne Bedd wull em de Buerfru nich laote, weil se ook docht, he weer besaope un wull ehr dem Bedd vollschwinigele. „Na, denn helpt dat nuscht, denn go eck önne Stall“ säd de Mann und de Buer let vonnem Knecht e groot Wösch Stroh önne Kälwerfack schmiete, wo graods leddich weer. „Dao jeheert he ook hen — he ös jao duun wi e Kalw“, säd de Knecht, wi se em alleen leete.

 

De Mann wöltert söck nu torecht, möd weer he jao graods jenog un wull woll unjeweejt schlaope, aower denn fülle em noch de Stewels ön un he zorrd de ute Sack un bekickd se noch emmaol un freid söck, denn Stewel weer he ön sienem Läwe noch nich Herr jeworde un wull so bold ook nich to so e Jlöck jekaome son. Denn stelld he se önne Eck un drelld söck op ander Sied un weer denn ok jliek verreist, dat em de Trompete von Jericho nich hadde opwecke kunnt.

 

Möddel de Nacht keem op eenmaol e Koh tom Kalwe un de Buer, wo dat Stähne jeheert had, keem möttem Knecht. Et jing denn ook alles good un et weer e stramm Kalw, un weil se nu nich wußte, wo se möt em andersch hen sulle, stoppte se em önne Kälberfack. Dao weer de Mann gaonich opjewaokt vonnem Rementere, aower de Fak weer jao groot jenog fär fief Kälwer. Wi dat nu jejne Morje jing, fung de Kalw, wo söck terkaowert had, an römtodammle und staokert äwrem Keerl, dat de denn nu och opwaoke deed. De fummeld denn nu röm öm Diestre un tappd, wat dao op em baowe leej, un wi he dat nu jewaohr wurd, dat dat e Kalw weer, dao weer em, als sull em de Schlag röhre: Wat wulle de Buer und sien Fru sejje, wenn dat nu morjens offenbar wurd, dat he e Kalw oppe Welt jebrocht had! Dat beste wull woll sön, he maockt söck jlieks oppe Socke, ehr et hell wurd, denn weer he wech vär Dag un denn sulle se sientwege von em denke wat se wulle! — He rappelt söck nu tosamme und maokt, dat he wechkeem, aower bi sien Verbiestertheit un Spode had he gaonich mehr an de Stewel jedocht, wo de Kalw bi et Römdammle önne Stroh jewöltert had.

 

Wi nur morjens de Buer möttem Knecht önne Stall keeme, dao wunderte se söck rein dem Kopp aw, wo woll de Mann jebläwe sön kunn, bät denn die Knecht de Beenes önne Stewel väre Stroh värklaud. „Dat kann tom Schinder! doch gaonich andersch sön, als dat de Kalw dem Keerl opjefräte häwt!“ Schlackerd he bloß ömma mötte Ohre.

 

 

 

Seite 8   Ebenrode-Stallupönen, Ostpreußen

Sechs Fotos: Zu unseren Bildern:

Oben: Der Altstädtische Markt nach der Zerstörung im ersten Weltkrieg und nach dem Wiederaufbau.

Mitte: Häusergruppen am Neustädtischen Markt.

Unten: Teilansicht vom Altstädtischen Markt mit den nach dem ersten Weltkrieg neuaufgebauten Häusern. Im Hintergrund die Kirche, vorne rechts das Geschäftshaus „Ostdeutsche Grenzboten“. Aufnahmen: (6) Archiv

 

 

Seite 8   Dr. Elwenspoek 70 Jahre alt

Der weit über die Grenzen Württembergs hinaus bekannte „Gutenachtliedonkel“, Dr. jur. Curt Elwenspoek, Ehrenmitglied der Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgemeinschaft Schorndorf, konnte am 28. Mai 1954, seinen 70. Geburtstag feiern.

 

Abend für Abend sitzen viele Tausend Kinder im ganzen Bundesgebiet am Lautsprecher und lassen sich von seiner lieben, sonoren Stimme mit väterlichen Ermahnungen und — selten genug — mit seinem „Guts Nächtle“ über den Süddeutschen Rundfunk ins Bett schicken. Körbe voller Briefe haben ihn Jahr für Jahr erreicht und sie schütten ihm, dem lieben Vertrauten aller Kinderherzen, ihre Sorgen, Nöte und Freuden aus, und immer noch hat er die rechten Worte für seine kleinen Lieblinge gefunden.

 

Am 28. Mai 1884 wurde Dr. Elwenspoek in Königsberg/Pr. geboren, besuchte die Schulen in der schönen ostpreußischen Stadt Osterode, wo sein Vater Bürgermeister war, und studierte anschließend Rechtswissenschaft. Doch kaum hatte er seinen „Dr.“ gemacht, zog ihn seine alte Leidenschaft zur Bühne. Als junger Liebhaber in Dürnburg a. d. Saale, an in- und ausländischen Bühnen holte er sich seine ersten Lorbeeren, um dann an das Mainzer Stadttheater zu gehen, wo er bald Freundschaft mit Carl Zuckmayer schloss. Bereits 1924 kam er nach Württemberg und wurde Chefdramaturg des Württembergischen Staatstheaters. Seit diesem Jahre ist er auch ununterbrochen Mitarbeiter des Süddeutschen Rundfunks.

 

Als Schriftsteller, früher unter dem Pseudonym Christoph Frik Ganter, konnte er sich schnell einen Namen schaffen. Seine Romane „Panama“ und „Dynamit“ z. B., wurden genauso ein Erfolg, wie seine beiden Bände „Der Gutenachtliedonkel erzählt  ...“, Märchen von heute für kleine und große Leute. Sein neuestes Werk „Aber die Liebe“, ein Brevier für zärtliche Herzen, verbindet in der Altersweisheit des Erfahrenen die Galanterie des Kavaliers alter Schule mit heiterer Güte und liebenswertem Optimismus.

 

Obwohl Dr. Curt Elwenspoek seit 30 Jahren in Württemberg lebt und wirkt, hat er seine alte Heimat Ostpreußen nie vergessen und blieb immer der Künder ihrer Kultur, ihres Brauchtums und ihres Humors. Er spricht heute noch — wovon wir uns oft im Rundfunk selbst überzeugen können — genauso gut seinen ostpreußischen Dialekt wie er ebenso gut „schwäbisch schwätze“ kann. In Anbetracht seiner Verdienste um die Verbreitung und Erhaltung ostpreußischer Kultur und ostpreußischen Brauchtums verlieh ihm die Landsmannschaft Ostpreußen, Ortsgemeinschaft Schorndorf, am 21. Mai 1950 die Ehrenmitgliedschaft. Eine besondere Freude für die Schorndorfer Ostpreußens war es, als er zu den Ostpreußenkindern nach Schorndorf kam, um ihnen einen schönen Nachmittag zu bereiten, und am Abend, anlässlich des Heimatabends der Landsmannschaft, zu seinen Landsleuten sprach und einige frohe, heimatliche Stunden mit ihnen verlebte.

 

Zu seinem 70. Geburtstag suchte ihn eine Abordnung der Ortsgemeinschaft auf, um ihn die Glückwünsche und das Geburtstagsgeschenk seiner Landsleute zu überbringen, worüber er sichtlich erfreut war und herzliche Worte des Dankes fand. Wir sind gewiss, dass Dr. Curt Elwenspoek uns — und unseren Kindern — noch viele frohe Stunden schenken wird und hoffen, ihn noch recht lange im Süddeutscher, Rundfunk zu hören. Heinz Kubelke

 

 

Prof Orlowski wurde 60 Jahre

Der aus Insterburg in Ostpreußen stammende Graphiker und Maler Prof. Hans Orlowski konnte in Berlin seinen 60. Geburtstag begehen. Der Jubilar erhielt im Jahre 1945 eine Professur an der Berliner Hochschule für bildende Künste.

 

 

Seinen 70. Geburtstag feierte am 30. April 1954, Univ.-Prof. Dr. med. Robert Heiss, Direktor der anat. Instituts der Universität Königsberg. Der Jubilar wohnt jetzt in München 23, Giselastraße 8.

 

 

Nordostdeutsche Kulturtage

Erstmalig veranstaltete das „Nordostdeutsche Kulturwerk“ in Lüneburg am 23. und 24. Mai Nordostdeutsche Kulturtage. Mit Konzerten (Frau Nora Ehlert - Nettstraeter-Königsberg und Prof. Margarete Schuchmann -Königsberg) Vorträgen, Dichterlesungen (Ottfried Graf Finckenstein) und einer Kunstausstellung wurden Arbeiten nordostdeutscher Künstler der Gegenwart herausgestellt. Prof. Dr. Max Hildebert Boehm hielt die Eröffnungsansprache.

 

 

„Der deutsche Orden“

Der Süddeutsche Rundfunk bringt am Mittwoch, den 23. Juni 1954, von 17.30 - 18.00 Uhr eine Sendung „Der deutsche Orden“ und seine ehemalige Residenz Bad Mergentheim. In dieser Sendung sucht Peter Höfer eine jahrhundertlange Wirkungsstätte des Deutschen Ordens auf, der bei der Kolonisierung Preußens und großer Teile des späteren Ostdeutschlands eine so bedeutungsvolle Rolle gespielt hat.

 

„Blüh' nur, blüh' mein Samenkorn“ heißt eine Sendung mit den schönsten Volksweisen aus der alten Heimat, die der Süddeutsche Rundfunk am Montag, den 7. Juni 1954, von 13.05 - 14.00 bringt.

 

 

Seite 8   Ostinstitut statt Ostdeutsche Universität

An Stelle einer Ostdeutschen Universität, in die nach einer schon vor längerer Zeit erhobenen Forderung die Justus-Liebig-Hochschule in Gießen umgewandelt werden sollte, befürwortete der hessische Kultusminister, Hennig, auf einer Pressekonferenz in Gießen die Errichtung eines Ost-Institutes im Rahmen der schon bestehenden Gießener Hochschule. Hennig erklärte, dass auch wissenschaftliche Kreise die Bildung einer Ostdeutschen Universität ablehnen, zumal man die Wissenschaft selbst nicht in eine ost- und eine westdeutsche Wissenschaft teilen könne. Ebenso habe der Bund für die Bildung einer Ostdeutschen Universität keinerlei  finanzielle Mittel zugesagt, während ein Ost-Institut mit Unterstützung rechnen könne.

 

 

Seite 9   Königsberg hatte hervorragende Gold- und Silberschmiede

Foto: Im Löbenicht

Foto: Blick auf die Duisburg-Ruhrorter Häfen

Wenn hier von Königsberger Büchereien und Goldschmieden die Rede sein darf, dann aus dem Grunde, dass unsere Vaterstadt lange Zeit die Hauptstadt und die Residenzstadt des Ordens und des Herzogtums Preußen gewesen ist. Kein anderer Fürst als der letzte Hochmeister des Ordens und erste Herzog von Preußen, Albrecht von Hohenzollern - Brandenburg (geb. 17.05.1490 in Ansbach, gest. 20.03.1568 in der Ordensburg Tapiau) hat das künstlerische Leben in Königsberg so beeinflusst, wie dieser Regent. Wenn hierfür ein Beweis erbracht werden kann, dann der, dass eines der besten Bilder des Herzogs Albrecht aus der sogenannten „Silberbibliothek“ Königsberg stammt.

 

Diese bemerkenswerte und wohl einzigartige Bibliothek verschafft den Nachweis dafür, dass Königsberg einige hervorragende Gold- und Silberschmiede gehabt hat, deren Werke Beachtung und berechtigte Bewunderung erregt haben.

 

Die „Silberbibliothek“ war ein Bestandteil der Königlichen Bibliothek zu Königsberg. Das Hauptgebäude wurde für Friedrich Wilhelm I. 1731 als „Königliches Palais“ erbaut, von Friedrich dem Großen zur Militärschule, sodann am 21, Februar 1810 zur Königlichen Bibliothek gemacht. — Die Universitätsbibliothek wurde nunmehr mit der Schlossbibliothek vereinigt. Die Bestände befanden sich ursprünglich im Schloss und wurden im Jahre 1542 mit den sehr reichen Schätzen an Büchern der Deutsch-Ordenbücherei der „Liberei“ der Burg Tapiau vereinigt. Vermächtnisse aller Art vergrößerten die Bibliothek nach und nach bis auf 220 000 Bände, die im Jahre 1896 auf über 300 000 Bände angewachsen war.

 

Hervorragend künstlerisch wertvoll war nun die erwähnte Silberbibliothek. Dieser Bücherschatz gehörte zur Bibliothek seit dem 20. August 1611, an welchem Tage er auf Wunsch des verstorbenen Herzogs der „Liberei“ einverleibt wurde, damit, wie es in der Anordnung hieß:

 

„beide Libereyen zu ewigen Zeiten dem Lande zu gut bleiben, gleichem Schatz aufs fleißigste erhalten und bewährt werden, auch seine Nachfolger nicht ermächtigt sein sollten, etwas davon wegzubringen oder zu verändern“.

 

Die Silberbibliothek stammt ursprünglich von der Herzogin Maria Anna von Braunschweig Lüneburg, der zweiten Gemahlin des Herzogs. In Kriegszeiten wurde sie von Königsberg fortgebracht, so 1757 nach Küstrin, von wo sie 1763 zurückgesandt wurde, aber auch durch Feuchtigkeit in den Kasematten sehr gelitten hatte. Im Jahre 1806 wurde sie von den Franzosen nach Memel gebracht.

 

Zu ihr gehörten im ganzen zwanzig Bande, die erst durch eine Veröffentlichung zum Universitätsjubiläum im Jahre 1894 zur 350-Jahrfeier der Universität bekannt wurden. Das wichtigste Ergebnis dieses Werkes ist die Feststellung, dass die Silberbande zum größten Teil Königsberger Arbeiten sind.

 

Den unermüdlichen archivalischen Forschungen eines Dr. Schweke ist es zu danken, dass eine große Reihe von Goldschmieden festgestellt werden konnten, die in den Jahren 1527 bis 1567 für verschiedene Goldschmiedearbeiten bezahlt worden sind. Drei Arbeiten sind zwar in Königsberg entstanden, aber von einem Nürnberger Goldschmied Kornelius Vorwend angefertigt worden, der sich 1554/1555 im Dienst des Herzogs in Königsberg aufhielt. Ein kleinerer Oktavband, der sich durch seine vornehme und geschmackvolle Verzierung mit geätzten Ornamenten auszeichnete, geht, wie die auf ihm befindlichen Schau- und Meisterzeichen ausweisen, auf einen Nürnberger Goldschmied Christoph Ritter oder Ritterlein, den Älteren, zurück, der ihn nicht vor 1547, dem Jahre, in dem er Meister wurde, angefertigt haben kann. Ein dritter Band ist wahrscheinlich in Hannöversch-Münden von einem Goldschmied aus Münden oder Hannover 1545 angefertigt worden.

 

Zwei der angeführten Bände sind wahrscheinlich durch Schenkung, der letzte Band durch Erbschaft in den herzoglichen Besitz gelangt.

 

Die übrigen 17 Bände sind, wie mit Sicherheit behauptet werden kann, in Königsberg angefertigt worden. Ihre Entstehung fällt in die Jahre 1554 bis 1562, was sich aus den eingravierten Jahreszahlen, teils aus urkundlichen Nachrichten ergibt.

 

Diese Nachrichten ergeben, dass der Herzog zwar kostbare und kunstvollere Arbeiten zuweilen in Nürnberg von dortigen Goldschmieden anfertigen ließ, dass er aber auch die einheimischen Meister häufig mit Aufträgen beehrte. Einer von diesen, ein gewisser Gerhard Lentz, wird im Jahre 1562 ausdrücklich mit der Anfertigung eines silbernen Bucheinbandes beauftragt. Da nun die übrigen sechszehn Bände mit diesem stilistisch eng verwandt sind, da sie überhaupt technisch und künstlerisch ebenso eng miteinander zusammenhängen, wie sie sich deutlich von den erwähnten drei Arbeiten auswärtiger Goldschmiede unterscheiden, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sie sämtlich von Königsberger Goldschmieden herrühren. Ein Vergleich der auf den Einbänden eingravierten Jahreszahlen und Meisterzeichen mit den in den Ausgaberechnungen vorkommenden Meistern, sowie ein stilistischer Vergleich und eine Gruppierung aller Bände untereinander hat sogar dazu geführt, wenigstens für die meisten derselben, die Namen der ausführenden Goldschmiede bis zu einem hohen Grade der Wahrscheinlichkeit zu ermitteln.

 

Nach den in Band VII „Königsberg“ der großen Veröffentlichung „Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen“ (herausgegeben im Auftrage des Ostpreußischen Provinzial-Landestages von Adolf Boetticher im Jahre 1897), auf die sich die hier wiedergegebenen Angaben stützen, hat sich herausgestellt, dass einzelne Bände von den Meistern Gerhard Lentz, Hieronymus Kösler und Paul Hoffmann ausgeführt worden sind. Für drei der übrigen Bände ließen sich die Verfertiger auch vermutungsweise nicht feststellen, obwohl man sagen kann, dass für sie als Verfertiger unter den damals vorkommenden Meisternamen nur Merten Mein, Christiph Preuß, Peter Siefert und Hieronymus Becker in Frage kommen.

 

Die traditionelle Bezeichnung „Silberbibliothek Herzog Albrechts“ trifft (immer nach dem angeführten Quellenwerk) nicht ganz das Richtige, da sich die Bände zum weitaus größten Teil nicht im Besitze des Herzogs, sondern vielmehr der Herzogin befanden. Diese, eine etwas verschwenderische Dame, deren Prunksucht den Herzog später zu besonderen einschränkenden Maßregeln zwang, scheint an dieser üppigen und im Grunde unpraktischen Art des Bucheinbandes besonderen Gefallen gefunden zu haben. Es darf angenommen werden, dass die meisten der erwähnten siebzehn Bände — abgesehen von denen, die ihr der Herzog zum Geschenk verehrte — von ihr selbst bestellt worden sind, und zwar bei den einheimischen Goldschmieden, die damals auch für den herzoglichen Hof tätig waren.

 

„Die kunsthistorische Bedeutung der Silberbibliothek besteht nun darin, dass sie nicht nur das einzige hervorragende Beispiel dieser Kunstgattung aus der Zeit der deutschen Frührenaissance ist, das sich erhalten hat (die Silberbände von Anton Eisenhot u. a. stammen fast durchweg aus späterer Zeit), sondern vor allen Dingen darin, dass sie nach den erwähnten Forschungsresultaten, das bisher sicher nachgewiesene Produkt des einheimischen Goldschmiedehandwerks ist“.

 

Wenn bei der Veröffentlichung der Feststellungen darauf hingewiesen wurde, wie wertvoll es für unsere Heimat war, dass die vornehmste Gattung des Kunsthandwerks bei uns im Osten eine Pflege gefunden hatte, die vollste Anerkennung verdiente, dann kann und muss heute mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass auch das Kunsthandwerk in unserer Heimat, weitab von den großen Kunstzentren, eine besondere Pflege gefunden hatte.

 

Einige Worte noch über die Einbände selbst: Die Silberbeschläge wurden in Form von dünnen Silberplatten auf den hölzernen Kern der Deckel festgeschraubt und festgenietet. Die Ornamente sind teils flächenhaft in Form von Gravierungen, teils plastisch, in Form von gegossenen und aufgenieteten Reliefs gehalten. Die plastischen Verzierungen sind entweder Mittelstücke oder Eckbeschläge, Schließen, Rückbeschläge und dergleichen.

 

Unter den Ornamenten überwiegt die Mauereske, ein von den Arabern stammendes, aus verschlungenen Bändern und ortentalisierenden Blättchen zusammengesetztes Ornament.

 

Unter den figürlichen Reliefs sind die allegorischen Figuren der Tugenden und Musen, der Werke der Barmherzigkeit, ferner die auf mehreren Bänden verwendeten Porträt-Medaillons und Schaumünzen des Herzogs und der Herzogin, die teilweise auf den Kupferstecher und Bildhauer Jakob Binck zurückgehen, bemerkenswert.

 

Dieser Binck, ein wohl aus Köln stammender Künstler, der früher in dänischen Diensten, von 1543 - 1548, dann wieder 1559 - 1568 in den Diensten des Herzogs Albrecht stand, war jedenfalls der bedeutendste Künstler, den Königsberg damals besaß. Von ihm dürften die besten figürlichen Darstellungen, besonders die der Evangelisten, ausgeführt worden sein.

 

Besucher der Sammlungen des Provinzial Museums im alten Ordens-Herzogs- und Königsschloss dürften die zeitweise ausgestellten Silberbände gesehen und bewundert haben.

Erich Reichelt

 

 

 

Seite 9   Die 700-Jahrfeier Königsbergs

Im Jahre 1955 wird die Stadt Duisburg, Patenstadt für Königsberg, die 700-Jahrfeier Königsbergs in Duisburg durchführen. Vertreter der Stadtverwaltung Duisburg unter Vorsitz von Oberstadtdirektor Klimpel haben in diesen Tagen mit namhaften Königsberger Persönlichkeiten und Vertretern der Landsmannschaft Ostpreußen und des Göttinger Arbeitskreises die grundsätzlichen Fragen des Stadtjubiläums besprochen. Der 29. und 30. Mai 1955 (Pfingsten) sollen die Hauptveranstaltungstage sein. Eine „Königsberger Woche" soll sich anschließen. Die Landsmannschaft Ostpreußen beabsichtigt, ihr Bundestreffen 1955 mit der Königsberger 700-Jahrfeier zu verbinden.

 

Die Königsberger Vereinigungen, Berufsgruppen, Innungen, großen Betriebsgemeinschaften und Schulgemeinschaften, die Pfingsten 1955 in Duisburg Wiedersehensfeiern abhalten wollen, werden gebeten, das der Stadt Duisburg, Patenstadt für Königsberg, mitzuteilen und die voraussichtliche Teilnehmerzahl anzugeben. Es empfiehlt sich, einen in Duisburg oder Umgegend wohnenden Angehörigen der Vereinigung mit der Vorbereitung zu beauftragen. Die Stadtverwaltung Duisburg will versuchen, im Rahmen der Patenschaft nach Möglichkeit freundschaftliche Verbindungen mit entsprechenden Duisburger Vereinigungen und Einrichtungen zu vermitteln.

Stadt Duisburg Patenstadt für Königsberg.

 

 

 

Seite 10   Pfingsten im Tiergarten

Tragen wir nicht alle eine Frühlingssehnsucht im Herzen? Tauchen nicht immer wieder die Erinnerungen an unsere geliebte Heimat auf? Wie eng verbunden war mit dem Frühlingsanfang auch der Besuch unseres Tiergartens. Pfingsten und Tiergarten war für uns Ostpreußen ein Begriff. Wie schreibt Agnes Miegel in ihrem Heimatgedicht: „In meiner Heimat Feldern liegt in den Furchen noch der Schnee“. So war es noch um die Osterzeit in unserem Ostpreußen, nur sehr langsam kam das Frühlingserwachen in unser eisgekühltes Land — aber Pfingsten erstrahlte auch unser Tiergarten im Festtagskleide! Das Erwachen der Natur muss man miterlebt haben, da wurde das Goethewort zum innersten Erlebnis: „Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen, als dass sich Gott Natur ihm offenbare“.

 

Um sieben Uhr früh begrüßten uns die Klänge des Morgenkonzertes, dazwischen der frohlockende Amselruf, das sanfte Wiegen der schlank aufstrebenden Pappeln hinter dem Musikpavillon, die herrliche Wiese mit den kleinen Zwergtulpen, anzuschauen wie eine Malerpalette mit bunten Farbtupfen. Die im grünen Strauchwerk versteckten Ruhebänke mit Ausblick auf herrlich gepflegte Blumenbeete mit dem leuchtend aufflammenden Rot der langstieligen Darwintulpen mit ihren schwarzen Kelchen. An der Promenade stand ein Magnolienstrauch, wie mit Schnee bestreut in zart weißer Blüte und hinter dem Kaffee Benther die Rotbuche mit ihren jungen Blättertrieben, die wie gelackt aufleuchteten beim ersten Morgensonnenstrahl. Duftende Fliedersträucher, umgeben vom zarten Birkengrün, vollendeten das Frühlingsbild.

 

Der Name Tiergarten sagt uns, dass wir nun auch der Tiere gedenken müssen, die den Kindern eine besondere Freude an den Festtagen brachten. So — unsere Jenny! Wie sie in ihrer Elefantenruhe mit ihrem Rüssel den Leierkasten drehte, dann die Spenden entgegennahm: Esssachen wanderten in ihren Magen, Zigaretten gab sie ihrem Wärter ab und Geldstücke steckte sie ihm gelehrig in seine Tasche. Dann der Jubel der Kinder, wenn sie zum hohen Ritt mit dem Sitzsattel geschmückt wurde; nur die Kleinsten der Kleinen zogen das Ponygespann vor, das in munterem Galopp durch den Tiergarten sauste. Kinder und Kindeskinder wurden von den altbekannten Wärtern in den Sattel gehoben.

 

Mittags gegen ein Uhr begann dann die Völkerwanderung durch die Hufenallee nach dem Tiergarten. Bald hörte man vom Gesellschaftshaus und Kaffee Benther die lustigen Klänge der beliebten Militärkapellen.

 

Aber „die größte Offenbarung ist die Stille“ und so durchwanderte ich gerne in den Vormittagsstunden unseren Tiergarten, der täglich mit neuen Wundern überraschte. Wie lieblich träumend lag das „Litauische Dorf“, mit seinen strohbedeckten Häusern und der kleinen Kirche an dem Hufengraben eingebettet, alles, ungekünstelt und wildromantisch. Vorbei an dem Rehgehege mit seinen grünenden Rasenflächen. Von einer kleinen versteckten Insel erblickte man den vielbesuchten Aussichtsturm, mit Grotte am Teich gelegen, in dem sich die Enten im bunten Federkleide tummelten.

 

So stehst du wieder vor uns in leuchtender Erinnerung, „unser Königsberger Tiergarten“ in deiner strahlenden Frühlingspracht. Eva Fritschken

 

 

Seite 10   Wo blieben Sie?

Uhrmachermeister Bruno Weist, um 1880 in Zinten geboren, wo sein rühriger Vater im Stadtwalde den Grundstein zu dem später weit bekannten Waldkurort legte, besaß auf dem Weidendamm in Königsberg/Pr. einen Uhrenladen mit sehr beanspruchter Reparaturwerkstätte. Bei dem großen Luftangriff im Sommer 1944 wurde er total ausgebombt; die fast panische Flucht führte ihn mit seiner Frau nach der nahen idyllischen Kleinstadt Creuzburg, und als tüchtiger Fachmann verschaffte er sich bald wieder eine bescheidene Existenz. Als Ende Januar 1945 vor der russischen Dampfwalze geflüchtet werden musste, ging es in hohem Schnee und schneidender Kälte auf Leiterwagen über Zinten, Heiligenbeil, das Eis des Frischen Haffes gen Westen. Während einer Stockung im Zuge der fast endlosen Wagenkolonnen fand er sein Fahrzeug nicht wieder und wanderte allein über die Nehrung auf Danzig zu. Dahin war auch seine Frau gelangt und der Zufall brachte das Ehepaar wieder zusammen. Es war um die Zeit, da der grauenvolle Untergang der „Gustloff“ nicht mehr totgeschwiegen werden konnte.

 

In Danzig-Langfuhr, hinter dem großen Kasernenkomplex Hochstrieß erhielten sie bei Einheimischen Unterschlupf. Im damals außerordentlich belebten Zentrum von Danzig lief ich meinem Vetter Bruno Weist Anfang März 1945 in die Arme. Ich war mit meiner Frau über Rauschen, Neukuhren, Pillau, Neufahrwasser schließlich auch bis Langfuhr gekommen und in der langen unversehrten Magdeburger Straße untergekrochen.

 

Es vergingen unruhige Wochen. Die tollsten Gerüchte gingen um. Hier und da sah man Erhängte wie Strohpuppen im Winde schaukeln, ein schauerlicher Anblick. Es begann die vorbereitende Artilleriebeschießung Danzigs. Immer öfters kreisten feindliche Flugzeuge über dem Terrain des Freistaates Danzig. Anfang April besetzten russische Truppen widerstandslos Langfuhr. Bald aber hieß es: Alle Zivilisten raus! Der Sturm auf das eigentliche Danzig nahte. Der große Strom der Zivilisten hatte bestimmte Kontrollpunkte zu passieren, wo man nach waffenfähig erscheinenden Männern suchte. Und so musste ich erleben, wie aus einer Gruppe mir gegenüber mein Vetter Bruno Weist brutal von der Seite seiner Frau gerissen und nur diese weitergelassen wurde.

 

Ich erreichte mit meiner Frau ungehindert freies Gelände. Nach einer fürchterlichen Nacht „etablierten“ wir uns im Villenvorort von Oliva bei der einheimischen Familie Speina, erst im Keller, dann 1. Etage, schließlich in einer mit Gerumpel vollgestopften Dachkammer. Nach kaum einer Woche hatte uns Frau Käte Weist ausfindig gemacht, sie hatte sich ebenfalls in Oliva nahe beim großartig angelegten Zisterzienser Kloster „einquartiert“, und fast fieberhaft beherrschte sie der Gedanke, Bruno Weist aufzufinden.

 

Die schmächtige, aus Fischhausen bei Pillau gebürtige Greisin wanderte viele Male seelenallein den langen unsicheren Weg nach Langfuhr und weiter nach Danzig, immer auf der Suche nach Bruno Weist. Die einzig entdeckte Spur war, dass jemand erzählte er sei mit ihm hinter den Mauern von Hochstrieß zusammen gewesen und wisse, dass man ihn mit fachlichen Reparaturen beschäftige. Allmählich bildete sich dann bei ihr die Vorstellung, Bruno Weist sei wegen seiner 65 Jahre wahrscheinlich freigelassen worden und habe sich darauf nach Königsberg/Pr. begeben. Also müsse sie auch dorthin.  

 

Inzwischen wurde in dem einst weltbekannten Kurort Oliva die Einstellung aller Kampfhandlungen bekannt. Man merkte, wie sich unter Aufsicht der russischen Soldaten schüchtern und unbeholfen die polnische Zollverwaltung etablierte. Ich kenne Fälle, wo der russische Kommandant energisch gegen polnische Schikanen einschritt. Es war erstaunlich, woher auf einmal nur die fanatisierten polnischen Patrioten kamen. Je jünger sie waren, desto rüpelhafter war meistens ihr Verhalten. Als die polnische Zivilverwaltung anordnete, dass alle Zugewanderten in ihren Heimatsort zurückkehren müssen, entschlossen auch wir drei uns zum Aufbruch.

 

Mitte Mai 1945 glückte es uns, in einem mehr als überfüllten Güterzug bis Dirschau zu kommen. Oberhalb Dirschaus brachte uns eine Dampffähre über die breite und reißende Weichsel. Dass die polnischen Fährleute uns dabei ausplünderten, verhinderte ein mitfahrender russischer Offizier. Nach dreitätigem mühseligen Marsch erreichten wir Marienburg an der Nogat.

 

In der alten, nur im Kern zerstörten Ordensstadt machten wir den aus Heiligenbeil stammenden Bäckermeister Max Döpner ausfindig. Der etwa 70-jährige, ungemein rüstige Mann hatte sich mit Frau, Sohn und Tochter an der nach Stuhm führenden Straße recht häuslich eingerichtet, und bei ihm verlebten wir zwei ziemlich ruhige und vor allem erholsame Wochen.

 

Bei Käte Weist stellte sich leider eine Hüftgelenkentzündung ein, so dass sie sich die Strapazen beim Weitermarschieren nicht mehr zumuten durfte. Wir mussten sie daher in Marienburg, wenn auch in guter Obhut wissend, zurücklassen. Wir haben von ihr nie wieder etwas erfahren. Auch von ihrem Mann meinem Vetter Bruno Weist, konnte in den vier Monaten des Herum-Zigeunerns in unserer gemeinsamen Heimatstadt Königsberg/Pr. nicht das Geringste wahrgenommen werden.

 

Die völlige Ungewissheit über ihr Schicksal besteht bis heute. Die bange Frage: Wo blieben sie? wird für hunderttausende ohne Antwort bleiben müssen. W. An.

 

 

 

Seite 10   Landsleute, bitte herhören!

Für die Berichterstattung danken wir folgenden Landsleuten:

 

Gertrud Glang,

 

Emil Marsch,

 

Otto Spidat,

 

Erna Krakomsky,

 

Elisabeth Schadlowsky,

 

Josef Mittmer,

 

Dr. Schneiders.

 

Unsere Bitte für die „Ostpreußen-Warte B" mehr denn je zu werben, hat nach unseren Feststellungen in den Reihen der Arbeitskameraden einen großen Anklang gefunden. Aber auch andere Landsleute schreiben uns, dass sie den Wert dieses Heimatblattes nicht verkennen und werbend dafür eingetreten sind. Nur so kommen wir unserem Ziel immer näher. Wir wollen nicht vergessen, dass uns die „Ostpreußen-Warte“ in unserer Suchangelegenheit durch die unentgeltliche Veröffentlichung der Suchartikel usw. stets unterstützt hat. Auf die Werbungsprämien, die der Elchlandverlag dafür hergibt, wird ganz besonders hingewiesen. Die Werbung lohnt sich daher auch in dieser Hinsicht. Unsere Arbeitskameraden im Auslande, die die „Ostpreußen-Warte B“ noch nicht halten, bekommen diese von uns als Zeitungsdrucksache zugesandt. Die Werbung unter uns darf und wird nicht abreißen.

 

Die ersten Ferienteilnehmer haben sich bereits an unseren Wanderungen durch den weiten Bergwald des Luftkurorts Biedenkopf beteiligt. Wir weisen darauf hin, dass jeder Landsmann sich sein Zimmer vorher selbst zu besorgen hat. Der hiesige Verkehrsverein, Marktplatz, gibt Auskunft (Rückporto bitte beifügen).

 

Kollege St.-Insp.-A. Halle, schreibt u. a.:

„Dem Kollegen St.-Insp. P. Dresden geht es wieder besser. Er schrieb mir, dass er ab 15.12.1953 versuchsweise arbeitsfähig geschrieben ist und seinen Dienst aufgenommen hat. Immerhin hat er durch seine Tbc. über 5 Monate aussetzen müssen und da er nur Krankengeld erhielt, einen erheblichen Verlust erlitten. Er war nicht einmal in der Lage seiner Frau einen Wintermantel zu kaufen. Sie hat noch keinen usw. Und wie viele Beispiele könnten wir hier anführen. Arbeitskameraden, habt Ihr die Kameraden in der Sowjetzone auch nicht vergessen? Die Not ist bei vielen Kollegen groß. Vergesst bitte nicht, dass der Kreis Duisburger Arbeitskameraden in der Päckchenaktion beispiellos ist. Und wieviel Dankesbriefe gingen hier für die Tat ein? Nun, wir haben diese Briefe für alle Fälle einmal aufgehoben.

 

 

Wir suchen und wer berichtet:

Angest. Karl Grajetzki (Druckerei),

 

St.-O.-Insp. Fritz Geruber,

 

St.-Insp. Goldmann,

 

St.-Amtmann Paul Gerth,

 

St.-O.-Sekr. Waldemar Girrulat,

 

Angest. Peter Gerst (Wohlf.-A.),

 

Architekt Julius Gnaß,

 

Schmiedemeister Gutzeit,

 

Brückenwärter Karl Groß,

 

Angest. Paul Grentz,

 

Spark.-Agest. Gramatzki,

 

Spark.-Angest. Helene Grunwald,

 

Dienstanfänger Grentsch,

 

St.-O.-Sekr. Gohlke,

 

Hilfsaufseher Wilhelm Gotthardt

 

Angest. Kurt Günther (K.W.S.),

 

Spark.-Angest. Gronert,

 

St.-Insp. Heinz Gau,

 

Spark.-Angest. Großmann,

 

Angest. Gundlack (Stiftung),

 

Martha Geßler,

 

Angest. Fritz Graf,

 

Heinz Großmann (29.05.1920).

 

Hausmeister Fritz Gawlick (Herderschule),

 

Gustav Gier (Feuerschutzpolizei),

 

tech. Zeichner Reinhold Gemmel.

 

Bei Anfragen bitte stets Rückporto beifügen.

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten und -Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1.

 

 

 

Eine 94-jährige Königsbergerin

Am 2. Mai 1954, feierte Frau Emma Mierwaldt, geb. Grutz ihren 94. Geburtstag. Es war ein dreifacher Geburtstag mit ihrem Sohn Konditormeister Carl Mierwaldt und ihrer Nenntochter Frau Käthe Jeppert.

 

Frau Mierwaldt ist geborene Königsbergerin, hat aber fast die Hälfte ihres Lebens in Memel gewohnt. Ihr Vater, Kgl. Bagger- und Maschinenmeister Hermann Grutz, führte in den siebziger Jahren den Bau des König-Wilhelm-Kanals in Schmelz bei Memel durch. Später zog sie zu ihrer Tochter nach Stallupönen (Ebenrode) und dann nach Königsberg, wo sie hoffte, ihren Lebensabend zu beschließen. Aber durch die Flucht kam sie in die Lüneburger Heide und wohnt jetzt in Hodenhagen a.d. Aller. Sie erfreut sich noch verhältnismäßiger körperlicher und geistiger Frische.

 

 

Seite 10   Eine tapfere Ostpreußen-Frau

Die Russenherrschaft in der Provinzhauptstadt erlebt von Margarete Raabe. 6. Fortsetzung

 

Unweit des Weideplatzes befand sich ein gemähtes Roggenfeld. Fräulein W. ging in aufrechter Haltung auf das Feld zu. In weiter Ferne sahen wir zwei Personen, anscheinend eine Frau und ein Kind, über die Felder gehen, und wir nahmen beide an, es seien deutsche Menschen, die den frühen Morgen zur Verringerung ihrer Nahrungssorgen ausnutzen wollten. Während Fräulein W. mit ihrer „Arbeit“ beschäftigt war, sah ich mit Schrecken, wie die beiden Personen sich laufend auf sie hinbewegten, bald erkannte ich eine Russenfrau. Als Fräulein W. sich mit einer Ährengarbe in einem Bunkerloch verstecken wollte, überraschte sie die Russin, die sie aufforderte, zum russischen Beamten mitzukommen. Alles Bitten, das Anbieten ihrer Schürze usw. half nichts. Als sich Fräulein W. nicht mitzerren ließ, wurde das Kind zum Beamten geschickt. Nun begann eine wilde Jagd, Fräulein W. lief und lief, und die Russenfrau lief hinterher, es ging durch ausgebrannte Gehöfte, über Bunkerlöcher, über Gestrüpp, über Geröll, bald fiel Fräulein W., bald fiel die Russenfrau, doch Fräulein W. behauptete das Feld, die Russenfrau blieb zurück. Nach einer Stunde ungefähr erschien Fräulein W. auf der Weide. Ich erkannte sie nur in der Nähe, sie hatte die Kleider gewechselt und das vom Laufen durchschwitzte gelöste Haar nach Russenart gebunden. Sie war gerettet, doch noch lange Zeit danach erinnerten die Brustbeschwerden an den Lauf vor der Rache der Russen. Wäre sie ertappt worden, hätte sie mit einer Mindeststrafe von sieben Jahren Zuchthaus rechnen müssen.

 

Bei meinen Kühen ging der Morgen gut vorüber, die Tiere grasten verhältnismäßig ruhig, aber die Sonne stieg höher und höher, und es wurde heiß. Ich beobachtete mit Bangen meine Herde. Da fängt eine und die andere Kuh an zu laufen, ich versuche sie aufzuhalten, aber es ist nicht möglich, mein Herz klopft, mein Atem keucht, die Kühe schießen an mir wie die Rehböcke vorbei, dem schützenden Stall entgegen. Müde ging ich hinterher, doch mich traf kein Vorwurf, man sagte mir, dass die Kühe während der heißen Stunden ruhig nach Hause kommen könnten. Nun freute ich mich, wenn es mittags heiß wurde; hatte ich doch dann eine Mittagspause. Jeden Tag bekam ich von einem der Kuhbesitzer dreimal das Essen und, o Freude, jeden Morgen einen halben Liter frische Milch und ein Stück Brot, dessen Größe je nach Laune und Gebefreudigkeit ausfiel. Als die Mittagshitze nachließ, blieb ich den ganzen Tag bei meinen Kühen auf der Weide. Doch eine Handarbeit, wie im vorigen Jahre, konnte ich nicht machen; die vergrößerte Herde verlangte meine ganze Aufmerksamkeit. Das viele Gehen und Laufen strengte mich stark an, jede freie Minute musste ich zum Ausruhen verwenden, und wie gern hätte ich auch einmal ein wenig geschlafen. Als es doch einmal vorkam, dass der Schlaf mich übermannte, sah ich voll Schrecken beim Erwachen meine Kuhherde schnell, schnell zum Teil nach Hause laufen, zum Teil im Haferfeld verschwinden. Es gelang mir, die Kühe bis auf eine, die nicht mehr zu erreichen war, wieder zusammenzubringen, aber die Mühe und Anstrengung, die das kostete, veranlasste mich, das Verlangen nach Schlaf später energisch zu vertreiben. Nach einiger Zeit sah ich mit freudigem Aufatmen, dass der Hafer geerntet wurde; aber o weh, da sprießte schon der junge Roggen, und ich musste besonders auf der Hut sein, die Kühe diesen Leckerbissen nicht probieren zu lassen.

 

Der Oktober kam heran, es wurde kalt und feucht, die Tiere fanden nicht mehr das gute Futter, an das sie gewöhnt waren, sie wurden unruhig und suchten nur nach einer Gelegenheit, auszubrechen und auf den jungen Roggen zu gelangen. Es wurde für mich von Tag zu Tag schwerer; durch das viele Laufen waren besonders am Abend die Beine stark geschwollen, ich kam humpelnd und hinkend und taumelnd vor Müdigkeit und Schwäche nach Hause. Hinzu kam, dass mich in der Dunkelheit ein Hund biss und mir eine blutende Wunde beibrachte. Ich ging wieder zu Frau Natascha und bat um Abhilfe, falls die Kühe noch nicht eingestellt werden sollten. Ich erreichte aber nur, dass am Abend jemand kam und mir half die Kühe heimzutreiben, denn ich konnte sie allein nicht von den Roggenfeldern fernhalten. Da, eines Sonntags — es war schon November — schneite es unaufhörlich, man konnte die Augen nicht aufmachen, die Kühe liefen durch den Schnee wild durcheinander, immer nach den Roggenfeldern zu, ich wusste mir keinen Rat und lief zu den Kuhbesitzern. Dort wurde mir gesagt, dass ich die Kühe bei dem starken Schneetreiben heimbringen könne. Aber am anderen Tage wurden sie wieder trotz Schnee und Frost herausgelassen, ich konnte nicht mehr auf den Beinen stehen, ich musste zu Hause bleiben und die Tiere gingen allein ihrer Wege. So endete meine Hirtenzeit vom Sommer 1947. In den folgenden Tagen brachte man mir wieder Näharbeit, ich verdiente viele Kartoffeln und aß Kartoffelklöße am laufenden Band. Auch Milch brachte man mir. Ich hatte mich so erholt, dass ich, wie man mir sagte, kaum wiederzuerkennen war. In dieser Zeit gingen die Gerüchte um, dass die Deutschen in allernächster Zeit nach der Heimat entlassen werden sollten, man sprach vom 15. November.

 

Eines Tages hieß es, dass eine Liste angefertigt worden war, mit den Namen derjenigen, die zum Transport gehören sollten. Da gab es viel Aufregung, jeder hatte Angst, nicht vermerkt zu sein. So ging es auch mir und Frl. Wiemer, zumal wir beide nicht auf der Sovjosenliste geführt wurden. Ich ging wieder zu Fr. Natascha und bat um ihre Hilfe. Sie versprach, mit den hierfür zuständigen russischen Männern zu sprechen. Inzwischen bereiteten wir uns für eine evtl. Fahrt vor, d. h., ein jeder packte seine noch vorhandenen Armseligkeiten in einen aus einem Sack gefertigten Rucksack. Aus einem Sackstück hatte ich mir eine „Hirtentasche“ genäht. In diese tat ich das während meiner Hirtenzeit für die Not ersparte und gedörrte Brot. Eines Morgens erscheint Natascha und sagt auf Russisch: „Es ist 6 Uhr, aufstehen, fertig machen, heute fahren, um 8 Uhr gehen Maschinen nach Insterburg“. Wie wir später erfuhren, hatte am Abend des 17.11.1947 der Sovjosen-Direktor mit seinen Helfern, zu denen auch der Mann von Natascha gehörte, die Namen der Deutschen festgelegt, die am Transport teilnehmen sollen. Nataschas Mann hatte für Frl. W. und mich gesprochen und so gehörten wir zu den wenigen Menschen, die aus Norkitten mitfahren durften. Die zwei Maschinen, die uns um 8 Uhr nach Insterburg fahren sollten, fuhren erst am späten Nachmittag; so lange warteten wir auf der Straße. Unsere Maschine streikte gleich hinter Norkitten, eine andere, die aus einem Nachbardorf mit Heimfahrern kam, musste uns ins Schlepptau nehmen. Kurz vor Dunkelwerden erreichten wir Birkenfelde bei Insterburg, woselbst wir in Listen eingetragen und zu je 40 - 50 Personen in Personen- und Viehwagen verteilt wurden. Für die zu erwartende Verpflegung mussten je Person 80 Rubel bezahlt werden. Wir bekamen je 3 Brote, etwas Rauchfleisch, Butter Zucker, Grütze. Als wir die 3 Brote sahen, erschraken wir, denn das war ja die Ration für 14 Tage, da hatte man allerhand mit uns vor.

 

In der Nacht setzte sich der Zug in Bewegung. Uns allen war wohl mehr oder weniger eigenartig zu Mute. Der schwerwiegende Augenblick war da, auf den wir länger als 2 ½ Jahre gewartet hatten, der uns geholfen hatte, alles Schwere, alle Not zu ertragen, den wir uns in allen möglichen Farben ausgemalt hatten. Nun ging es wirklich los, wir fuhren wirklich der Heimat zu, wir fuhren unsern Lieben entgegen. Aber der Zug fuhr langsam und stand bald wieder, überhaupt stand er mehr als er fuhr. Nach einigen Tagen hielt er des Nachts auf der Zollstation Gerdauen. Wir mussten waggonweise mit sämtlichem Gepäck zur Durchsuchung antreten. Zuerst wurde uns das Geld abgenommen, dann wurde sämtlichte Habe genauestens durchsucht. Schriftstücke und Sparkassenbücher, alles Schriftliche zerrissen. Ein großer Teil der Heimkehrer wurde zur Leibesvisitation bestellt, zu den Letzteren gehörte auch ich. Eine Russenfrau veranlasste mich, mich bis auf die Haut auszuziehen, durchsuchte mit großer Übung jedes Kleidungsstück und fand alles, was ich versteckt hatte. Mein Geld, das ich bisher 32 Monate hüten konnte und wovon ich glaubte, mir in Deutschland das Allernotwendigste kaufen zu können, ging verloren, dazu einige Goldsachen, Ringe u. dgl. - (Schluss folgt).

 

 

 

 

Seite 11   Foto. Nach neun Jahre wieder in den Armen der Mutter.

In den Wirren der letzten Kriegsmonate verlor die Ehefrau Anna Meyburg in Katharinenhof, Kreis Preußisch Eylau in Ostpreußen, ihren damals dreijährigen Sohn. Die jetzt in Warstade (Niederelbe) wohnende Mutter konnte ihren Siegfried nun nach neun Jahren wieder m ihre Arme schließen. Mit schweren Erfrierungen war er damals in Rügenwalde in ein Hospital eingeliefert, später nach Dänemark gebracht und kam als namenloses Waisenkind in ein Heim. Eine Kriegerwitwe aus Worms nahm sich seiner an und zog ihn auf. Alfred nannte sie ihn. Die Mutter kam mit einem Treck an die Niederelbe und ließ neun Jahre hindurch nicht nach, um ihren Sohn wiederzufinden. Keine Radiosuchmeldung verpasste sie. Eine Narbe an der Nase gab der Sprecher als besonderes Kennzeichen für den Jungen bekannt. Das hatte ihr Siegfried auch. Briefe wurden gewechselt, die in den letzten Tagen zu einem glücklichen Ende führten. Siegfried kam aus Worms und konnte in Hamburg seine ihm unbekannte Mutter in die Arme schließen. Aufnahme: Sohnemann

 

 

Suchanzeige

Wer kennt den Aufenthalt von Vally Radschies, aus Amwalde, Kreis Insterburg, geb. etwa 1935. Sie ist im Oktober 1944 mit ihrer Mutter und vier oder fünf Geschwistern geflüchtet. Nachr. erbeten an Schw. Ursula Brandt, Bremen/Oberneuland, Kinderheim.

 

 

Seite 11   Kleiner Streifzug durch unsere Provinzialhauptstadt

Foto: Das Wrangel-Kürassier-Denkmal in Königsberg. Aufnahme: Hansen

Wo und wann soll ich aufblenden? Etwa zu der Zeit, als dass die Mandel Eier noch sechs „Dittche" kostete. Das war so vor 50 Jahren. Ein Zeitalter der Beständigkeit und Beschaulichkeit, ohne Schwankungen. Das Pfund grüne Seife kostete beim Kaufmann jahrelang zwei Dittche und dabei blieb es. Jeden Mittwoch und Sonnabend war öffentlicher Markt. Am frühen Morgen kamen Bauern und Gärtner aus dem Umkreis der Stadt mit Pferd und Wagen dorthin, um ihre Erzeugnisse zu verkaufen. Hühner, Küken, Enten, Butter, Eier, Gemüse, Obst in Hülle und Fülle, alles in bunter Reihenfolge.

 

Im Zentrum der Stadt war zum Beispiel der Steindammer Markt. Er begann vor dem „Berliner Hof“ und zog sich den Steindamm entlang bis zum Gesukusplatz. Es wurde geschmeckt, befühlt, gehandelt und gekauft. Denn der Pfennig war damals etwas wert. Man bedenke: zehn Zigaretten nur 10 Pfennige! Die „Pusta" zum Beispiel, „Arbeitersalem“ genannt. Gar nicht schlecht. Ich wage zu behaupten, dass diese Zigarette mit dem verdächtigen Namen besser war als die heutige „steuerermäßigte“. 3 Mann rauchen, 6 Mann fallen, so ungefähr. Auf dem Gesukusplatz standen die Fleischer dann in ihren Holzbuden, die nach Schluss des Marktes immer abgebaut wurden. Hier hatten die Hausfrauen dann meistens ihren Stammfleischer, bei dem sie immer kauften. Es wurde reichlich gewogen, von wegen „Darf etwas mehr sein?“ — keine Spur! Im Gegenteil, es gab, wenn man reichlich gekauft hatte, noch etwas dazu. Ein Stück Schmeckwurst oder ein Ende Schwartenwust, auch „Bautz“ genannt. Diese aufgebraten oder dick mit Mostrich bestrichen, trotz ihrer Billigkeit — für 5 Pfennige gab‘s schon ein langes Ende — schmeckte gut und wurde gern gegessen. Jedenfalls herrschte an solch einem Vormittag ein buntes Gewimmel von Weiblein und Männlein. Hin und wieder kam in gemächlichem Tempo ein Pferdefuhrwerk. Der Kutscher knallte mit der Peitsche, wenn gerade auf der Mittelstraße ein paar Weiber „kadreierten“. „Ach nei, Frau Podack, haben Se aber scheene große Eier gekauft … !“ Na, und so weiter. Es wurde keiner umgefahren. Übrigens fuhr damals die erste Straßenbahn mit „Hafermotor“ und „Peitschenzündung“. Vorne beim „Führer“, — aus technischen Gründen möchte ich nicht Pferdelenker sagen — hing eine Glocke wie heute noch bei den Luftschaukeln auf dem Jahrmarkt. Die machte dann Ling, Ling und los ging die Fahrt ins Blaue. Die Linien gingen alle durch das Zentrum der Stadt. Auf- und Absteigen während der Fahrt konnte sich auch eine Großmutter leisten. Aber das hatte sie gar nicht nötig. Kam so ein Bähnlein daher, fuchtelte sie mit ihrem Regenschirm in der Luft herum und . . . der Führer hielt an, man half der Oma hinein und weiter ging‘s.

 

Auch vor dem alten Rathaus, auf dem Altstädtischen Markt, war der gleiche Betrieb. Hier standen allerdings noch zwei große Geschäftshäuser sogenannte „Packkammern“, Heller und Rosenfeld. Besonders an Markttagen war der Umsatz groß. Es gab dort alles an Kolonialwaren. Hier setzten die Landleute ihre Einnahmen wieder um. Handel und Wandel. Großer Umsatz, kleiner Nutzen. Aber man lebte, alle lebten sie.

 

Vom Altstädtischen Markt ein paar Schritte über die Wassergasse — hier gab es Geschäfte aller Branchen — gelangte man durch eine Quergasse zum Pregel am Fischmarkt. Hier hatten die Fischer von Haff und See ihre Segelkähne festgemacht. In langen Reihen am Kai des Pregels entlang standen die Fischkästen mit ihrem zappelnden Inhalt. Vom Aal bis zum Flunder und Dorsch. Wer einmal selbst Gelegenheit hatte, mit zum Fang auf die See hinauszufahren, wird wissen, wie schwer und gefahrvoll dieser Beruf mitunter war.

 

Von Handelsfrauen wurde dann auch der Verkauf von Fischen weiterhin übernommen. Sie zogen dann durch die Nebenstraßen der Stadt und boten dann ihre Fische an, in Form eines Melodramas, halb gesprochen, halb gejodelt: „Hoalt Stint, hoalt Stint, solang“ noch wölke sönd! Ei Kuhlbärsch, Broatzannt, Botterfösch!“ Ein Motiv, das vertont, die Königsberger Handelsfrauen in ganz Deutschland so populär und unvergesslich gemacht hat. Königsberger Handelsfrauen: Originale! Verkörperung echten Königsberger Milieus. Sie nahmen kein Blatt vor den Mund. Kommt da mal eine bessere Dame, um Fisch einzukaufen. „Nu, Madamke, wat wolle Se denn? Seeke söck uht!" Hat sie denn auch endlich. „Aber der Fisch hat doch so matte Augen!“ „Oawer schönste Fruh, hebbe Se ohk noch blanke Ooge, wenn See moal gestorwe sönd?“ So war das. Aber bleiben wir noch ein bisschen am Pregel, diesem trägen Burschen, der an seinen faulsten Tagen nicht gerade nach Nivea-Creme roch. Dennoch hatte er es fertig gebracht, in der Mitte der Stadt eine Insel zu bilden. Das war der Kneiphof. Hinter der Grünen Brücke vereinigte er sich wieder zu einer Tiefe und Breite, die Königsberg zu einer internationalen Hafenstadt machte. Von der alten Eisenbahnbrücke bis zum Hundegatt, also bis zur Krämerbrücke, und der Grünen Brücke, entstand dann auch das historische Speicherviertel, die Lastadie. Dicht am Kai standen die Speicher, vorherrschend Getreidespeicher. Ich sage, standen, bis ein „Phosphorregen“ aus der Luft alles zu einem Nichts machte, auch der Pregel brannte. Mir fiel es immer schwer, gerade an diesem Winkel vorbeizukommen. Denn als Junge, - meine Eltern wohnten in der Nähe – bin ich oft mit meinen Kameraden zum Pregel hinunter gegangen, um zu sehen, was denn so alles neu hereingekommen war. Da lagen die Schiffe der Engländer, Norweger, Schweden, Finnen, Russen, Türken, Griechen. Getreide, Hülsenfrüchte, Heringe, Kolonialwaren, chemische Düngemittel, Kohlen, Eisen, Zement, Holz als Ladung. Frachtdampfer aller Typen. Auch schnittige Segelschiffe mit imposanter Takelage, die an „Kapitän Morgan“ erinnerten, waren für uns besonders interessant. Die „leeren Kasten“ wurden dann mit Schleppern herausgelotst, wo sie dann über Pillau ihren Weg über See nahmen.

 

Da es damals noch keine so vollkommene Entladetechnik gab, so taten es damals so gewichtige Männer, die kaum unter 2 Zentner Eigengewicht hatten. Es waren die sogenannten „Stauer“. Wippend, als wäre ein Zweizentnersack nichts, flitzten diese dann vom Dampfer über Laufstege zum Speicher oder Waggon, und wie oft!

 

Zu gewissen Tageszeiten mussten die Pregelbrücken geöffnet werden, um Segelschiffe oder Dampfer mit geringem Tiefgang, die ihre Ladung im Innern der Stadt löschen sollten, durchzuschleusen. Hüben und drüben der hochgezogenen Brücke, sie wurde von Brückenwärtern auf- und zugedreht, lies „Knochenantrieb“, standen dann die wartenden Fußgänger, darunter auch einmal ein junger Offizier und ein Stauer, der gerade seinen Dampfer leer gemacht hatte. Es ist soweit. Der letzte Kahn hat die Brücke passiert. Der Brückenwärter kurbelt die Brücke im Rhythmus des Zeitalters herunter. Da ruft der ungeduldige Stauer: „Dü Koarl! Drell, drell! öck onn dö Herr General, wir stöhne hier wie e poor Oape!“ Raue Typen, aber sie haben mitunter an einem Tag so viel verdient, dass sie eine Woche davon leben konnten.

 

Das alte Königsberg war dazumal von dicken Festungsmauern und Wällen umgeben, durch deren Schießscharten sah man den trägen Spiegel des Wallgrabens, der so ziemlich die ganze Stadt umschloss. Der Wallgraben lag tief, von Weidenbüschen eingesäumt. Grüne Hänge stiegen von seinen Ufern aufwärts bis zu den angrenzenden Glacies. Schöne Baumbestände, Büsche und schattige Wege. Bänke, die zur Erholung einluden, mit dem Blick auf die Stadt. Hier wurde an den Sommerabenden, nach des Tages Arbeit und Hitze, von allen, die im Umkreis wohnten, die Abendluft genossen. Oder, wie man sagte: „E Nasche voll frische Luft geschnappt“. Da ja Königsberg eine starke Garnison hatte und die Kasernen gewissermaßen dicht hinter den Toren der Stadt standen, so herrschte denn auch bis zur vor „Zapfenstreich“ in den bewussten Anlagen ein reger „militärischer“ Betrieb. Denn son Soldatche stand bei den Marjellchens gut im Kurs. Warum auch nicht? Es waren alles stramme Burschen . . .

 

In Königsberg gab es auch ein schweres Reiterregiment, die Wrangel-Kürassiere. Bei besonderen Ereignissen: Kürassiere mit blitzendem Helm und Brustpanzer, weißen Uniformen und langen schwarzglänzenden Reitstiefeln, blitzenden Schabracken und Gezäum der Pferde, Lanzen mit dem Fähnlein der Schwadronfarbe. An der Spitze die Musikkapelle mit ihrem Dirigenten und dem Kesselpauker, er trug einen schwarzen wallenden Bart und dirigierte im Rhythmus seiner Paukenschläge, mit hochgestreckten Armen. Ein edler Rappe, der ihn trug, wurde gelenkt von Zügeln, die von den Steigbügeln ausgingen. Der Reiter zählte die Sterne, der Rappe die Steine. Nach den Takten eines Reitermarsches folgte eine Schwadron tänzelnder, einfarbiger, schöner Pferde. Ostpreußen war ihr Heimatland. So hatte ein jedes Regiment ein Musikchor.

 

Zum Beispiel das Inf. Rgt. 43 hatte einen Paukenhund, der die große Trommel während des Marsches auf einem Gefährt zog. Es war ein großer, kräftiger Bernhardiner, und er hat seinem Regiment lange gedient. Er stand damals im Range eines Gefreiten und trug den Gefreitenknopf auch prompt an seinem Halsband. Er wurde viel bestaunt und ließ alles uninteressiert über sich ergehen. Er kannte seine Dienstvorschriften.

 

An den Sonntagen im Frühling und im Sommer, wenn die schönen Parks und Grünanlagen Königsberg schon am Vormittag zum Spaziergang oder zur Erholung einluden, verband man damit auch gleichzeitig Mittagskonzerte. Diese wurden abwechselnd von verschiedenen Regimentern ausgeführt. Regelmäßig am Schlossteich, der Perle Königsbergs, oder auf dem Paradeplatz-Königsgarten. Schon lange vor Beginn, wogte Alt und Jung in Reihen links und rechts, unbeschwert und plaudernd durch die schattigen Kastanien- und Lindenalleen. Es war damals jeder guter Stimmung und strahlte Freundlichkeit aus, auch auf den anderen, den er nicht kannte. Wenn mich heute irgendwo ein Lindenduft überrascht, dann halte ich still und schließe die Augen, dann glaube ich, noch alles so deutlich und lebensnah um mich zu haben: die Heimat, die Menschen . . . Dann tut mir immer das Herz so weh, wenn ich wieder die Augen öffnen muss.

 

Doch, da ist die Platzkonzertmusik eingetroffen und baut sich auf im Kreise. Notenständer werden aufgestellt und bestückt. Der Musikmeister in der Mitte abwartend. Der Kreis ist eng umschlossen von Jung und Alt. Dann ein kurzes Klopfen des Taktstockes an den Degen, die Musik spielt: „Alte Kameraden“. Wer kennt sie nicht, die Marschkomposition von Teike, einem ehemaligen Königsberger Schutzmann.

 

„Hoffmanns Erzählungen“, „Mignon“, „Martha“, — Suppé, Strauß, Linke, Lehar, das alles

wollte in die Herzen der frohsinnigen Menschen.

 

Gold und Silber floss auch in die Hände der Menschen, das sie sich nach redlicher Arbeit, wo es auch immer war, verdient hatten. Es war beständig, wer würde es entwerten? Es war ja kein Papier. Ein besonderes Ereignis war stets ein Monsterkonzert. Das fand meistens im Sommer im Tiergarten an einem Sonnabend statt. „Die Schlachtmusik“ von Saro stand im Mittelpunkt. Ein imposantes musikalisches Gemälde um die Geschehnisse um 1870/1871. Die Klangwirkung war so weittragend, dass man auch außerhalb des Tiergartens davon etwas hörte. Es begann mit dem „Pilgerchor“ aus „Tannhäuser“. Den Mittelpunkt bildete das größte Feuerwerk des Jahres, alles mit musikalischer Untermalung, und es endete mit dem erhebenden Gelübde: „Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten . . .“. „Herr, mach uns frei“.

 

Das Feuerwerk war verpufft, die ewigen Lichter des Himmels, die Sterne blieben.

Hans Paulat

 

 

Soldatentreffen der 1. Ostpr. Inf.-Div.

Das diesjährige Treffen der 1. Inf.-Div. findet am 12. und 13. Juni in Wuppertal-Barmen statt. — Geplanter Verlauf:

 

Sonnabend. 12. Juni, Treffen der Kameradschaften der einzelnen Regimenter und Abteilungen in nachstehenden Lokalen: I. R. 1 und Div.-Stab: Stadion-Gaststätten am Zoo in Wuppertal-Elberfeld; I. R. 22 und Pi.-Batl. 1: Cafe Menges, Wuppertal-Barmen, Hohenzollernstr. 22 (Tölle-T.); I. R. 43 und Div.-Nachschub Tr.: Lokal Schnieders, Wuppertal-Vohwinkel. Bahnstr. 30; A. R. 1 und I. A. R. 37: Lokal Dörner-Hof, Wuppertal-Barmen, Unterdörnen; Pz.-Jäg. Abt-1: Zum Landwehrplatz, Wuppertal-Barmen. Steinweg; Auf kl. Abt. 1: Villa Foresta. Wuppertal-Barmen, Forestastr. 37; Nachr. Abt. 1: Gaststätte Pohlmann, Wuppertal-Barmen-Wichlinghausen, Malak 1: — ab 16 Uhr Eintreffen der Teilnehmer und Kaffeetafel; 17 Uhr Arbeitstagung und Durchführung des Suchdienstes in Verbindung mit dem Roten Kreuz; — ab 20 Uhr gemeinsames Abendessen und Kameradschaftsabend.

 

Sonntag, 13. Juni: 10 Uhr Divisionstreffen. 10 Uhr Gefallenenehrung und Gedenken der Kriegsgefangenen; 10.45 Uhr Vortrag: Wie wird eine deutsche Armee von morgen aussehen? 11.30 Uhr Militärmusik. ausgeführt von der Feuerwehrkapelle Wuppertal-Barmen und Einnahme eines einfachen Mittagessens. Gegen 14 Uhr: Offizieller Schluss der Divisionstagung.

 

Kameraden! Bei dieser Gelegenheit könnt Ihr durch Eure Anwesenheit beweisen, ob Euch die aus dem gemeinsamen Erleben in Kriegs- und Friedenszeiten gebildete Kameradschaft noch etwas bedeutet. Daher rufe ich allen ehemaligen Soldaten der 1. Inf.-Div. zu: „Erscheint am 12. und 13. Juni zu unserem Soldatentreffen in Wuppertal-Barmen“.

 

Anmeldungen unter Angabe der gewünschten Unterkunft (Einzelzimmer oder verbilligte Massenunterkunft.) sind möglichst umgehend an den Verkehrsverein Wuppertal-Barmen, Neues Rathaus, zu richten mit dem Vermerk „Kameradentreffen der 1. Inf.-Div.“. Über Reiseermäßigungen geben alle Bahnhöfe der Deutschen Bundesbahn Auskunft, dabei Zusammenstellen von Reisegesellschaften erwünscht. gez. Grase, General a. D. u. ehem. Feldzkdr. d. 1. Inf.-Div.

 

 

 

Seite 12   Walter Hardt. König Friedrich II. und Ostpreußen.

Nicht nur König Friedrich Wilhelm I. war von großer Bedeutung für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Ostpreußens gewesen, sondern das trifft auch auf seinen größeren Sohn Friedrich, dem späteren König Friedrich II. zu.

 

Nachdem der junge Prinz sich mit seinem Vater ausgesöhnt hatte, schenkte er ihm das Hauptgestüt Trakehnen. Der Kronprinz besuchte öfter dieses und wohnte dabei im Schloss des Landstallmeisters. Um Land und Leute dort genauer kennen zu lernen, machte er öfters Ausritte in die Umgebung.

 

So kam er auch einst nach dem Nachbardorfe Kurplauken. Vor einem Bauernhause fand er eine alte Bäuerin sitzen, die an einem großen Butterfass saß und butterte. Der Kronprinz stieg ab, setzte sich auf einen in der Nähe stehenden Schemel und begann mit der Alten ein Gespräch. In der Sonne dabei saß ein großer schwarzer Kater. Da kam dem Prinzen ein Gedanke. Er bat die Bäuerin um einen Topf Wasser. Sie stand auf und ging ins Haus, um das Gewünschte zu holen. In diesem Augenblick ergriff Friedrich den Kater, hob den Deckel des Butterfasses auf, steckte das Tier in die Sahne, schloss den Deckel, schwank sich aufs Pferd, und als die Frau zurückkam, war von dem Kronprinzen nichts mehr zu sehen.

 

Acht Tage später ritt der Prinz denselben Weg. Er wollte sich über den Erfolg seines Streiches unterrichten. Wieder fand er die Bäuerin vor der Tür, ritt heran und sprach sie an. Die Frau sah zu ihm hinauf und sagte: „Mir scheint, der gnädige Herr hat mir vorige Woche den Kater ins Butterfass gesteckt“. „Na“, sagte Friedrich, „was hat sie denn gemacht?“ „Gnädiger Herr“, war die Antwort, „ich habe den Kater rausgeschmissen“. „Und“, fragte der Prinz weiter, „die Sahne“? — „Nun“, kam die Entgegnung, „ich habe weiter gebuttert und habe dann die Butter ins Schloss gebracht und verkauft, die gnädigen Herrschaften dort fressen ja jeden Dreck“. Fritz schüttelte sich noch darüber, als er davonritt.

 

Der Kronprinz interessierte sich sehr für die dortigen landwirtschaftlichen Verhältnisse und sorgte tatkräftig für die Trockenlegung der großen sumpfigen Wiesenflächen durch Kanalisation der hier fließenden Pissa.

 

Aus dem Kronprinzen wurde der König, und es kam zum 1., zum 2. und zum Siebenjährigen Kriege. Aber Russland griff in den Krieg auf Seiten der Gegner des Königs ein.

 

Eine russische Armee rückte auf Ostpreußen zu. An der Spitze der Kriegs- und Domänenkammer in Gumbinnen stand damals als Präsident Johann Friedrich Domhardt, der Sohn eines Domänenpächters. Domhardt hatte noch vor dem Anrücken der Russen das Trakehner Gestüt nach dem Westen gelagert. Auch waren von ihm die Barbestände der Königlichen Kassen zum König geschickt worden. Ostpreußen sollte durch eine Armee unter dem alten verdienten Generalfeldmarschall von Lewaldt verteidigt werden. Das Heer wurde aber in der Schlacht bei Gr.-Jägersdorf, in der Nähe von Insterburg geschlagen. Die Russen konnten die ganze Provinz besetzen und behandelten das Land als ihr Eigentum.

 

Der König konnte Ostpreußen nicht zurückerobern, weil er seine Macht auf die Mitte des Kriegsschauplatzes konzentrieren musste.

 

Domhardt und die meisten der höheren und leitenden Beamten blieben auf ihrem Posten mit russischer Zustimmung. Natürlich mussten sie einen Diensteid auf den Zaren ablegen. Im Allgemeinen aber kümmerten sich die Russen nicht um die Einzeldinge der Verwaltung; so dass Domhardt auf dem Seewege seinem König Rekruten und mancherlei Geld zusenden konnte.

 

Die russische Herrschaft aber richtete doch in verschiedenen Teilen der Provinz durch starken Holzeinschlag mancherlei Waldverwüstungen an. So schlugen die Russen auch auf der Kurischen Nehrung die Waldungen herunter, wodurch die dortige starke Dünenbildung vor sich gehen konnte.

 

Pillau, dessen Hafen seit der Zeit des Großen Kurfürsten keine besondere Pflege mehr erfahren hatte, wurde von den Russen etwas ausgebaut. Der Name „Russendamm“ für eine Hafenmauer erinnert noch heute daran. Zur Errichtung dieses Baues waren übrigens die Männer der Stadt Kreuzburg herangezogen worden.

 

An einem Sonntage feierte die russische Besatzung ein großes Fest zu Ehren ihres Heiligen „Alexander“. Alexander Newsky, der von 1218 bis 1263 lebte, war russischer Großfürst gewesen und wurde als Nationalheld verehrt. Seine Bedeutung für die griechisch-katholischen Christen Russlands bestand darin, dass er Russland vor der Bekehrung zum römisch-katholischen Glauben bewahrt hatte. Die Russen ordneten nun in allen Kirchen Ostpreußens entsprechende kirchliche Feiern an. Sie wurden auch abgehalten. Aber der Pfarrer eines Ortes im Kreise Goldap hatte als Text seiner Predigt die Bibelstelle 2. Thimotheus 4, Vers 14, gewählt, welche so lautet: Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses bewiesen, der Herr bezahle ihm nach seinen Werken“. Der Geistliche blieb trotz dieses Textes unangefochten.

 

Im September 1762, nach dem Friedensschluss zwischen Preußen und Russland verließen die Russen unsere Heimat.

 

Domhardt war inzwischen Präsident der Königsberger Kriegs- und Domänenkammer geworden. Er begann eine rastlose Tätigkeit, um die Besatzungsschäden zu beheben und führte auch das Siedlungswerk, das Friedrich Wilhelm 1. begonnen hätte, im gleichen Sinne weiter.

 

Friedrich II. kam nie wieder nach Ostpreußen, er konnte es der Provinz nicht vergessen, dass sie einstmals eine russische Provinz gewesen war.

 

Aber ihm und den durch ihn bewilligten Geldmitteln dankt Ostpreußen doch sein größtes Entwässerungsvorhaben, den masurischen Kanal, — die Verbindung der masurischen Seen miteinander. Und das war von größter wirtschaftlicher Bedeutung für unsere Heimatprovinz.

 

 

Seite 12   Lustige Geschichten aus der Heimat.

Meine Eltern hatten ein Gut im Wehlauer Kreis. Meine beiderseitigen Großeltern lebten in Rastenburg und Sensburg, und es war damals eine große Reise, dorthin zu kommen. In meiner Kindheit gab es zwischen den beiden Städten keine andere Verbindung als die Postkutsche. Mir ist eine solche Fahrt in dem vorsintflutlichen Vehikel in lebhafter Erinnerung. Es war ein schwerer, gelb angestrichener Kasten mit Glasfenstern und Vorhängen, rot gepolstert und alles sehr staubig. Auf dem hohen, vorgeschobenen Kutschbock thronte der Postkutscher. Die Fahrt ging nicht sehr schnell, oft fielen die Pferde in Schritt, es wurde auch gelegentlich in einer Wirtschaft gehalten.

 

Es dauerte Stunden um Stunden, bis man am Ziel war und die Donnerkutsche mit großem Geschaukel und Gepolter auf dem Kopfsteinpflaster durch die Straßen rumpelte und auf dem jeweiligen Marktplatz hielt. Mit großer Freude wurde daher die kleine Schmalspurbahn begrüßt, die Rastenburg und Sensburg verband. Pfeifend und fauchend wand sie sich durch das Gelände, das hübsch und abwechslungsreich war. Es war den Sensburger Bewohnern eine liebe Gewohnheit, zum „Bahnhof“ zu gehen, wenn ein Zug einlief. Der Bahnhof bestand in einer Bretterbude mit der Aufschrift „Sensburg“.

 

Es ereignete sich einmal, dass der Zug bis zum Ende der Schienen, der Station nicht achtend, „durchbrauste“, worauf der Stationsvorsteher und das Publikum unter großem Hallo ihm nachsetzten.

 

Der Lokomotivführer musste wohl mit der Mentalität dieses rauchenden und fauchenden Ungetüms nicht vertraut gewesen sein. Von hohen Vorgesetzten zur Rede gestellt, hatte er zu seiner Verteidigung nur anzuführen: „Derr Deiwel soll dem Ponny brrämsen“.

 

 

Die Wette von Sensburg

Ein Onkel von mir, Hautpmann von 1870/1871, hatte ein kleines Gut in der Stadt Sensburg. Wie bei allen Ostpreußen, bestand seine Hauptpassion in der Pferdezucht. Er hatte gute Erfolge damit. Die Fohlen und jungen Pferde hatten ihre Koppeln in der Nähe des Hofes und der Fahrstraßen nach der Stadt, und mein Onkel befand sich oft stundenlang bei den Tieren.

 

Eines Tages, als er wieder einmal die Pferde herangelockt hatte, sie beklopfte und mit Zucker fütterte, gesellte sich zu ihm ein ihm unbekannter Herr. Das Gespräch kam bald in Gang, da derselbe ein Pferdesachverständiger war und mit Kennermiene die Tiere beobachtete. Eine dreijährige Fuchsstute fiel ihm ganz besonders auf. Schließlich meinte er, das Tier mache einen so intelligenten Eindruck, dass man annehmen könnte, es würde sich für eine Manege eignen. Er stellte sich dann als Kunstreiter und Zirkusdirektor vor und bat meinen Onkel, ihm das Pferd zu überlassen. Natürlich wollte er sich nicht von seinem Lieblingstier trennen. Der Zirkusdirektor machte ihm dann den Vorschlag, ihm den Fuchs nur leihweise zu überlassen, da er ihn innerhalb 14 Tagen Manege reif machen könnte. Mein Onkel bestritt das. Die Herren wetteten um einen Korb Sekt, und der Direktor zog mit dem Fuchs los.

 

Der Zirkus war in der Umgebung der Stadt aufgebaut und nach 14 Tagen sollten die Vorstellungen im Ort selbst stattfinden. Wer beschreibt das Erstaunen meines Onkels, als er einmal nach zirka 8 - 10 Tagen durch die kleine Stadt ging und an den Litfaßsäulen große Plakate angeklebt fand:

 

Vorführung eines dreijährigen Fuchs des Herrn Hauptmann R. nach 14-tägiger Dressur. — Staunenswerter reiterlicher Erfolg der Hohen Schule usw.

 

Mein Onkel war natürlich wütend, seinen Namen an die Öffentlichkeit gezerrt zu sehen und noch dazu an den Litfaßsäulen klebenderweise. Er konnte aber dagegen nichts machen, da er ja sein Versprechen gegeben hatte und in die Wette eingegangen war. Natürlich war er überzeugt, den Korb Sekt zu gewinnen.

 

Der kluge Zirkusdirektor hatte sehr geschickt die Angelegenheit und den Namen meines Onkels als Reklame ausgewertet, und am Tage der Vorstellung strömte die ganze Umgebung in den Zirkus, so dass lange vor Beginn die Eintrittskarten ausverkauft waren. Alles sah voller Interesse dem Dressurakt entgegen. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als die Glanznummer verkündet wurde und der sehr elegante Kunstreiter auf dem bildschönen Fuchs in die Manege ritt und das Pferd vorschriftsmäßig versammelt vorstellte. Er machte einige Pas der Hohen Schule und anscheinend fand das Tier es sehr reizvoll, auf der Manegenwand mit den Vorderfüßen entlang zu gehen. Jedenfalls reichten die Kunststücke aus, um zu beweisen, dass das Tier in 14 Tagen Manege sicher war. Unter ungeheurem Beifall konnte sich der Kunstreiter immer wieder verbeugen. Den Korb Sekt hatte er gewonnen und der Abend endete recht feucht-fröhlich, da mein Onkel sich dem Humor der ganzen Situation nicht verschließen konnte.

 

Der Fuchs kam nach einigen Tagen wieder in seine gewohnte Koppel. Mein Onkel konnte das Pferd nun selbst zureiten, aber es hatte wohl Gefallen an seiner kurzen künstlerischen Laufbahn gefunden, denn sobald er eine Mauer oder Ähnliches erblickte, musste es sich sofort mit den Vorderfüßen heben, um darauf spazieren zu gehen. Das Pferd wurde dann von der Remontekommission angekauft und musste in den Krieg. Frida Rahn

 

 

 

Kleine Meise. Von Karla Coste

Eine kleine Meise,

Eine bunte Meise,

Singt im Haselstrauch

Bis in die Nacht.

Singt aus voller Brust,

Singt so voller Lust,

Dass der Haselstrauch

Vom Schlaf erwacht.

 

Haselstrauch der lacht,

Hat sich schön gemacht,

Weil die kleine Meise

Gar so zärtlich singt.

Goldne Troddeln winken,

Purpursternchen blinken

Und die kleine Meise,

Die den Frühling singt.

 

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzähle. (11)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Was meinen Se, was ich mir freie! Ich kann all wieder humpeln, und damit is nun der schwierigste Teil von meinem Unfall ieberwunden. Blos vonnes Gericht is noch immer nuscht zu heeren. Fier die paar Dittchens Schmerzensgeld, wo hoffentlich rausspringen werden, will ich de Emma e neiem Sommermantel kaufen. Laß Se! Denn kann se wenigstens nich mehr sagen: „Siehst, was bist nich zu Haus geblieben!“ De Emma is sehr abergleibisch. Niemals zieht se zum Beispiel dem linken Strumpf zuerst an, und denn hat se noch viele andre Fisemantenten, wo se drauf aufpasst wie das Keichel aufem Schnodder. Aber das is alles noch garnuscht gegen dem Bauer, wo mir der Landsmann K. aus M. berichtet hat. Der kommt aus Tilsit. Da war er erst Wagenfiehrer bei der Straßenbahn, denn Hilfsfahrdienstleiter und zuletzt Zählerableser und Kassierer, also auch e heeherer Zivilbeamter, wo nu außer Dienst is und nachem Krieg bei die Bauern arbeiten ging, indem dass er all im ersten Krieg Reservewachtmeister wurd und mit Pferd umzugehen versteht. Mit Pferde, wohlgemerkt, aber nich mit obsternatsche Bauern! Wenn er all Spieß war, denn missd er dem ganz anders „zurechtgemacht“ haben. Zum Wohnen kriegd er e Zementkammer im Schweinestall nebne Futterkich, und die war noch zu schad fier ihm, sagd der Bauer. Ieber seinem Schlafsalong war der Schweineboden, wo Stroh und Buschholz lag. Da wurd abends immer die Hündin raufgebracht, dass se nachts jaulen solld und er kein Aug nich zumachen konnd. Und wie er mal raufging und ihr e Tracht Priegel aufschaben wolld, da rutschd er im Hemd mittes linke Bein in einem Schornsteinloch rein und zerbrach sich auch noch seinem scheenen Klingerstock. Heernse, heernse! Aber der Tilsiter Landsmann war ja auch kein Mensch nich, sondern bloß e Hexenmeister außem Ural, wie er später zu heeren kriegd. Und das kam so: 1946 hädd der Bauer man 8 Fuder Heu geerntet. Davon fraßen 7 Milchkiehe, 4 Stick Jungvieh, 4 Pferde und 5 Schafe. Die Pferde kriegden abens blos so viel Heu, dass se de Haferkörner rausstochern konnden, wo mang de Zähne stecken geblieben waren. De Kiehe gab er blos gefrorene Steckrieben. De Wasserleitung war auch eingefroren, er hold blos alle vierzehn Tage fier e Kiehe Wasser aus die Gemeindepumpe. So gaben 7 Kiehe zusammen blos 8 Liter Milch. Das is natierlich e bische sehr wenig, und es war nu ganz klar, dass die verhungerte Kiehe nu ganz doll verhext waren. Nu wurd e Enthexungsfrau aus Lüneburg geholt. Die ging inne gute Stub, nahm e schwarzes Tuch ieberm Kopp und suchd nu eifrig dem Hexenmeister wie e Polezeihund dem Verbrecher sucht. Es dauerd auch gar nich lang, da hädd se ihm gefunden. Und was meinen Se, wer das war?. Es war kein andrer wie unser Tilsiter Zivilbeamten a.D. Sehn Se! Erst Jahre später, als er längst woanders wohnd, ließ ihm der Bauer auf Umwege sagen, dass solche Leite wie er frieher verbrannt wurden. In die Zwischenzeit machd er immer drei Kreize, wenn er dem Tilsiter traf. Und wenn er ihm aufe Straß begegnen tat, denn kletterd er vonnem Wagen runter, machd drei Kreize, ließ ihm vorbei und kletterd denn wieder rauf. Es geht doch nuscht ieber e anständigem Aberglauben! Wahrscheinlich hädd er Angst, dass e Pferd e Bein brach. Aber wenn er mittem Trecker Mist fuhr, machd er es genau so. Wenn er beis Pfliegen auf Feld e schwarze Krähenfeder fand, denn kratzd er anne Grenz vonnem Nachbar e Loch und beerdigt die Feder, indem dass er Hände voll Erd raufschmiss. Untre Dachrinn stand e Regentonn. Zwischen ihr und der Wand hädd er „geheiligtem“ Backstein zwischengeschoben. Jeden Morgen drehd er sich einmal ganz rum, dass ihm auch keiner beobachten konnd, denn hold er dem Backstein raus, machd drei Kreitze und schob ihm ganz schnell wieder zurick. Erst dann ging er im Stall bei seine Pferde. Und wie unser Landsmann aus Tilsit beim Zuckerrieben-Aufladen e kleine Maus fier die junge Katzen mitnehmen wolld, da wurd der Bauer wietend, nahm ihm de Maus weg und beerdigt ihr ebenfalls annen Nachbar seine Grenz. Aber unser Landsmann buddeld ihr wieder aus, wie der Bauer e leerem Wagen hold, und nahm ihr doch fier e Katzen mit. Das hädd aber die Bauersche beobacht und ihrem Mann erzählt. Dadrauf hat der Bauer sofort beide Katzen vergiftet. Mein lieber Landsmann aus Tilsit, ich hab Deine beiden langen Briefe mit großem Vergniegen gelesen und dank Dir scheen fier alle Deine Mitteilungen. Auch alle anderen Ostpreißen, wo mir geschrieben haben, meinem herzlichsten Dank. Schreibt man weiter, ich frei mir ieber jedem Briefche, wenn ich auch nich immer gleich alles verarbeiten kann. Ich hab noch so viel aus unsre Heimat zu erzählen, dass der Platz inne Zeitung nich fier alles langt. Sehn Se, wie jetzt Mitte Mai mit eins so warm wurd, da fiel mir e kleine Jugendsinde ein, aber nich, wie Ihr nu wahrscheinlich wieder denkt. Ich war als Jung von vierzehn Jahr mal zu Pfingsten auf Besuch bei einem Onkel von mir, wo in Laugeninken wohnd und e Schmied hädd. Natierlich war es auch man e kleines Dorf, und es gab auch keine Wasserleitung nich und kein Spülklosett, sondern hinten anne Schein war e kleines Kaburrche rangebaut mit e Herzche inne Tier. Diesem Ort hädd ich mir fier meine erste Jugendsinde ausgesucht: Ich wolld probieren, e Ziehgarr zu rauchen. Mein Onkel hädd immer e Kistche Ziehgarren aufes Panneel stehen, „Hamburger Keule“ hießen die und waren ganz orndliche Strempels. Eine davon hädd ich mir nu gestriezt, e Schachtel Streichhölzer inne Hosenfupp gestochen, und nu zog ich mir erwartungsvoll in das Kaburrche zurick. Natierlich hädd ich mir nich de Bixen unten zugebunden, wie einer soll, wenn einer das erste Mal rauchen will. Ich huckd mir nu scheen bequem zurecht, biß de Spitz vonne Ziehgarr ab und steckd ihr an. Dem Streichholz schmiss ich hinter mir in das Loch rein. Ich hädd aber gar nich gesehen, dass da all orndlich voll war mit sehr viel Papier mittenmang. Es war dem Tag sehr heiß, sonst hädd es villeicht nich so e großes Unglick gegeben. Jedenfalls suckeld ich nu tapfer drauflos, dass mir de Tränen inne Augen kamen und ich husten missd. Das ging e Weil ganz gut. Mit eins aber merkd ich, wie mir vorne schlecht und hinten heiß wurd. Ich denk, ich muss weiß wie Kreid ausgesehen haben. Aber das war nich das Schlimmste, auch nich, dass ich mir nu iebergeben missd, sondern dass das ganze Kaburrche mit eins in Flammen stand und ich gerad noch dem Tierhaken aufkriegd und in dem heißen Maientag reinstirzd. Hinten war ich auch all e bische angesengt, aber noch nich viel. Da hädd sich doch das Papier in dem Kaburrche von mein reingeschmissenes Streichholz entzindet, und so war das Unglick passiert. Das Kaburrche päserd runter bis aufe Grundmauer, die „Hamburger Keule“ war ieberhaupt nicht mehr zu finden. Dafier kriegd ich aber von meinem Onkel, wo als Schmied e gute Handschrift schrieb, „Laugeninker Keile“, wo bestimmt nich von schlechte Eltern war. Viele Jahre sind seitdem vergangen, aber immer, wenn es auf Pfingsten geht, besonders wenn es draußen scheen warm is, fällt mir meine erste Jugendsinde in das Laugeningker Kaburrche ein. Und wenn ich auch von die Keile anständige Striemen kriegd, scheen war es doch! Es war zu Haus ieberhaupt alles scheen, auch das unangenehme, das wird einer erst jetzt richtig gewahr, wo einer kein richtiges ostpreißisches Zuhaus nich mehr hat. – Leben Se wohl, liebe ostpreußische Landsleite, bis aufes nächste Mal! Herzliche Grieße!

Ihr alter Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Kreuzingen, Kreis Elchniederung: Ingrid Kudwin, geboren am 16.07.1938 in Tilsti, und Klaus-Jürgen Kudwin, geb. 22.06.1939 in Tilsit, von ihrem Vater: Willi Kudwin, geb. 14.10.1904

 

Ludendorff, Kreis Labiau, bei Fritz Gescheit: Willy Beckmann, geb. 25.11.1933, von seinem Vater: Fritz Beckmann

 

Ludwigsort, Kreis Heiligenbeil: Peter-Dietrich Plaumann, geb. 23.07-1943 in Heiligenbeil, von seiner Mutter: Frieda Thiem, geborene Plaumann, geb. 27.11.1922

 

Lübecksfelde, Kreis Lyck: Gerhard Grusdat, geb. 10.10.1934, in Lübecksfelde, von Siegfried Grusdat, geb. 03.01.1923. Gerhard Grusdat  befand sich im Dezember 1945 in Berlin im Kausldorfer Krankenhaus.

 

Mandeln, Kreis Samland: Sabine Wilamowski, geb. 10.07.1940, und Burkhard Willamowski, geb. 15.09.1942, von ihrem Vater: Gerhard Willamowski. Beide Kinder waren mit der Mutter Elisabeth Willamowski, geborene Wischnewski, am 30.01.1945 in Fischhausen.

 

Neukuhren, Kreis Samland „Haus Helene“: Margot Pahlke, geb. 03.12.1942 in Neukuhren, von ihrem Vater: Horst Pahlke, geb. 17.04.1920. Das Kind befand sich zuletzt mit seiner Mutter Dora Pahlke bei der Tante Helene Kureck. Wer ist mit diesen aus Neukuhren geflüchtet und kann über den jetzigen Aufenthalt Auskunft geben?

 

Nikolaiken, Kreis Sensburg: Irmtraut Schröder, geb. 04.09.1944, von ihrem Vater Ernst Schröder, geb. 23.08.1911. Außerdam werden die Mutter Frieda Schröder, geborene Conrad, und die Großmutter Marie Conrad gesucht. Die Gesuchten sollen Ende Januar oder Anfang Februar 1945 am Frischen Haff gesehen worden sein.

 

Paaris, Kreis Rastenburg: Annegret Kersch, geb. 28.09.1944, von ihrer Mutter: Edith Kersch, geb. 04.02.1918. Auf der Flucht von Paaris im Januar 1945 wurde die Mutter auf dem Bahnhof Bartenstein verwundet und in das dortige Krankenhaus eingewiesen. Das Kind Annegret Kersch wurde gesund von der am Bahnhof diensttuenden NSV-Schwester, die aus Lötzen stammen soll, übernommen und später einer Gemeindeschwester übergeben. Annegret befand sich in einem elfenbeinfarbigen Kinderwagen.

 

Postnicken (Kurisches Haff), Kreis Samland, bei Ida Schumann: Peter Eschmann, geb. 14.03.1942 in Königsberg, von Frau Groß

 

Rheinswein, Kreis Ortelsburg, bei Familie Borkowski: Horst Pahl, geb. 11.11.1939 in Hagen, von seinem Großvater: Otto Pahl

 

Susannenthal, Kreis Samland: Gerhard Schwarz, geb. 27.06.1934, und Brigitte Schwarz, geb. 04.03.1936, von ihrem Vater: Willi Schwarz

 

Spannegeln, Kreis Labiau: Werner Wallus, geb. im Juni 1944 in Kreuzingen, Kreis Labiau, von seiner Pflegemutter: Emilie Kunz, geborene May, geb. 17.10.1896. Der Pflegemutter wurde das Kind vor der Flucht durch eine Fürsorgerin des Jugendamtes Labiau wieder abgenommen, da es mit einem Kinder-Sammeltransport Anfang Januar 1945 nach dem Westen und kann weitere Auskunft über das Kind Werner Wallus, geb. im Juni 1944, geben?

 

Zur Mitteilung

Wir weisen unsere Leser ausdrücklich darauf hin, dass die von uns veröffentlichten Listen schon im Rundfunk verlesen worden sind. Daher kann es vorkommen, dass Angehörige mit derselben Meldung durch die verschiedenen Veröffentlichungen mehrmals angesprochen werden.

 

Sternsee, Kreis Rössel: Gertrud Popihn, geb. 02.03.1938 in Sternsee, von ihrer Mutter Maria Popihn, geborene Milkau. Das Kind wurde im März 1945 auf der Flucht in Landsberg, Ostpreußen, mit seinen drei Geschwistern von der Mutter getrennt. Die Kinder waren mit einer Frau Karpf aus Rastenburg, Bahnhofstraße, die ihre eigenen zwei Kinder und ihre alte Mutter bei sich hatte, zusammen. Ihre drei älteren Kinder fand Frau Popihn wieder. Nach Angabe dieser Kinder soll Gertrud Popihn mit Frau Karpf und deren Angehörigen wegen Bombengefahr in einen Keller gegangen sein.

 

Tapiau, Kreis Wehlau, Kirchenstraße 9: Margarethe Thoms, geborene Henseleit. Sie hatte auf der Flucht im Januar 1945 das gesuchte Kind. Ingeborg-Renate Mertsch, geb. am 15.01.1943, bei sich und soll in Metgethen, Schloss, und später sogar noch einmal in Tapiau, Kreis Wehlau, gesehen worden sein. Ingeorg-Renate Mertsch, geb. 15.01.1943, wird gesucht von ihrer Mutter: Lina Mertsch

 

Trankwitz, Kreis Samland: Peter Ehlert, geb. 13.06.1937, von seinem Vater: Gerhard Ehlert, geb. 28.08.1907. Peter Ehlert soll am 15.05.1947 mit einem Transport von Königsberg aus zu seiner Großmutter Gaulke nach Kolberg in Pommern in Marsch gesetzt worden sein.

 

Tölteningken, Kreis Wehlau: Siegfried Pokall, geb. 05.08.1937, und Roswitha Pokall, geb. 23.05.1943, von ihrem Vater: Erwin Pokall

 

Trakehnen, Kreis Ebenrode: Alfred Wolfgang Krause, geb. 14.07.1940 in Breslau, von seiner Mutter: Elisabeth Krause, geb. 18.04.1909. Der Knabe soll sich in Trakehnen bei Emma und Paul Urban, Schreinermeister, aufgehalten haben.

 

Zichenau, Südostpreußen: Lydia Kuppe, geb. 16.05.1936, von ihrer Mutter: Berta Kuppe, geb. 27.09.1902. Außerdem werden die Geschwister Ewald Kuppe, Edmund Kuppe und Olga Kuppe gesucht.

 

Ziegenberg, Kreis Samland: Hans-Georg Balk, geb. 24.06.1941 in Königsberg, von seiner Mutter: Gertrud Balk, geb. 08.03.1917

 

Einem Waisenhaus in Königsberg: Klaus-Jürgen Brenzinger, von seiner Mutter: Gerda Brenzinger, geb. am 24.05.1922. Klaus-Jürgen Brenzinger, geb. 06.05.1942, hat mittelblaue Augen und fast weißes Haar. Die Unterlippe ist etwas dick. Er soll 1947 oder 1948 mit einem Kindertransport aus Königsberg gekommen sein und soll sich auch im Lager Bischofswerda befunden haben. Es ist möglich, dass Klaus-Jürgen Brenzingern auch den Namen Rohr oder Fleischer führt.

 

Zimmerbude, Kreis Samland: Margitta Fischer, geb. 19.04.1943, und Rainhard Fischer, geb. 28.03.1944, von ihrer Mutter: Lieselotte Fischer, geborene Lange, geb. 12.09.1916. Beide Kinder wurden in Zimmerbude von der Mutter getrennt. Von der Ortsgruppe Zimmerbude wurden die Kinder einer alten Dame übergeben. Reinhard Fischer trug damals einen weißen Krimmermantel und eine weiße Wollmütze. Margitta Fischer trug einen dunkelblauen Mantel mit weißen Knöpfen und einen weißen Bubikragen, eine weinrote spitze Plüschmütze mit schwarzem Krimmer. Wer übernahm auf der Ortsgruppe Zimmerbude diese beiden Kinder?

 

Zinten, Kreis Heiligenbeil: Klaus Koßmann, geb. 06.09.1942, von seinem Vater: Fritz Koßmann. Der Junge wurde in Zinten, Kreis Heiligenbeil, am 3. Februar 1945 infolge Beschusses durch Splitter am Körper verwundet und in das Hauptlazarett in Zinten eingeliefert. Da dieses überfüllt war, wurde er jedoch ohne Papiere dem Reservelazarett in der Mittelschule übergeben. Der Knabe hat blaue Augen, dunkles Haar und am Oberschenkel ein Muttermal. Außerdem muss er Splitternarben aufweisen. Welche Ärzte bzw. Schwestern können Auskunft über den Verbleib des Klaus Koßmann geben?

 

Spannegeln, Kreis Labiau: Werner Wallus, geb. im Juni 1944 in Kreutzingen, von seiner Pflegemutter: Emilie Kunz, geborene May, geb. 17.10.1896. Im Juli 1944 nahm die Pflegemutter das Kind durch das Jugendamt in Labiau in Pflege. Die Mutter des Kindes, Else Wallus, aus dem Kreis Elchniederung, war Wehrmachthelferin. Sie gilt ebenfalls noch als vermisst. Der Pflegemutter wurde das Kind vor der Flucht wieder abgenommen, da es mit einem Kinder-Sammeltransport Anfang Januar 1945 nach dem Westen verschickt werden sollte. Seit dieser Zeit wird das Kind vermisst. Wer leitete Anfang Januar 1945 einen Kinder-Sammeltransport aus Labiau nach dem Westen und kann weitere Auskunft über das Kind Werner Wallus, geboren im Juni 1944 geben?

 

Tapiau, Kreis Wehlau: Lieselotte Kabeck, geb. 12.06.1941 in Tapiau, von ihrer Mutter: Maria Kabeck, geborene Bartel, geb. 28.08.1901. Das Kind ging der Mutter auf der Flucht in Haasenberg, Ostpreußen, verloren.

 

Trutenau, Kreis Samland: Erna Weißenberg, geb. 22.12.1936 in Worienen bei Groß-Lindenau, und Horst Gerhard Weißenberg, geb. 13.12.1937 in Königsberg, von ihrem Vater: Fritz Weißenberg, geb. 28.11.1910

 

Turen, Post Bernen, Kreis Gumbinnen: Willi Naujoks, geb. 16.12.1938 in Gumbinnen, von seiner Tante: Johanna Berlin, geborene Naujoks, geb. 25.11.1903. Willi Naujoks befand sich im Januar 1945 in Domnau, Ostpreußen bei seiner Tante Hanna.

 

Vierruthen bei Jäskendorf, Post Liebemühl, Kreis Osterode: Bruno Jäkel, geb. 04.08.1938 in Kl.-Kanten, von seinem Bruder: Herbert Jäkel, geb. 28.04.1923

 

Willenberg, Kreis Ortelsburg, Gartenstraße 22: die Geschwister Alois Bialowons, geb. 04.02.1933, Sabine Bialowons, geb. 28.01.1935, Edmund Bialowons, geb. 07.06.1937, und Herbert Bialowons, geb. 14.11.1940, von ihrem Vater: Adam Bialowons, geb. 19.11.1906.

 

Willkischken, Kreis Tilsit-Ragnit: die Geschwister Erika Strupies und Ursula Strupies, geb. 25.06.1941 in Willischken, Arno Strupies, geb. 10.01.1939 in Willkischken, und Dieter Strupies, geb. 19.12.1939 in Willkischken, von ihrer Mutter: Marie Brenner, geb. Catawis, geb. 10.11.1911

 

Belsen, Post Henskischken, Kreis Schloßberg: Meta Ursula Sambalat, geb. 12.02.1936 in Belsen, von ihrem Bruder: Walter Sambalat, geb. 30.08.1922. Meta Ursula Sambalat befand sich zuletzt im Lager Spullen oder Kussen, Kreis Schloßberg. (Meine Bemerkung, aus der Chronik Kirchspiel Kussen: Die Eltern, Friedrich Sambalat, geb. 23.04.1884 ist im Januar 1946 in Spullen, Kreis Schloßberg umgekommen. Martha Sambalat, geb. Steiner, geb. 22.12.1895, ist im September 1945 in Belsen, Kreis Schloßberg umgekommen)

 

Deutsch-Thierau, Kreis Heiligenbeil: Herbert Gattau, geb. 01.05.1937 in Deutsch-Thierau, und Heinz Gattau, geb. 31.01.1939 in Deutsch-Thierau, von ihrem Vater: Fritz Gattau, geb. 20.07.1912

 

Altendorf, Kreis Gerdauen: Herbert Wassel, geb. 30.03.1937 in Nubertshöfen, von seiner Mutter: Helene Wassel, geborene Star, geb. 06.11.1912. Herbert Wassel wurde 1948 noch in Tauroggen in Litauen gesehen.

 

Augam, Kreis Preußisch-Eylau: Paul Schwibbe, geb. 20.03.1936 in Augam, von seiner Schwester: Grete Paprocki, geborene Schwibbe, geb. 13.06.1925.

 

Birkenhain, Kreis Tilsit-Ragnit: Reinhold Havenat, geb. 1943, von Auguste Josupeit, geb. 05.11.1873

 

Coadjuthen, Kreis Heydekrug: Siegfried Kahnfeld, geb. 28.08.1937 in Bismarck, von Else Ucka, geb. Kahnfeld, geb. 10.09.1895

 

Coadjuthen, Kreis Heydekrug: die Zwillinge Willy Gottschalk, und Hans Gottschalk, geb. 22.08.1940 in Heydekrug, von Hildegard Rielke, geborene Gottschalk, geb. 15.10.1901

 

Cullmen-Jennen, Post Picktupönen, Kreis Tilsit: Manfred Tennort, geb. 06.01.1937 in Wissweinen, und Klaus Tennort, geb. 12.01.1938 in Larischhofen, von ihrer Mutter: Lina Tennort, geborene Pleick, geb. 29.06.1915

 

Dulzen, Post Topprienen, Kreis Preußisch-Eylau: Brigitte-Herta Krämer, von Meta Krämer, geb. Krüger, geb. 10.03.1912

 

Fuchsberg, Kreis Samland: Ekkehard Juckel, geb. etwa 1943 in Königsberg, von seinem Vater: Erwin Juckel, geb. 09.06.1914. Ekkehard Juckel befand sich 1945 in Heilsberg. Seine Mutter wollte nach Zinten zur Entbindung ins Krankenhaus.

 

Gallingen, Kreis Bartenstein: die Geschwister Ilse Schulz, geb. 23.03.1935, Reinhold Schulz, geb. 12.02.1937 in Gallingen, und Helmut Schulz, geb. 21.09.1938 in Bartenstein, von ihrer Tante, Amanda Gottschalk, geborene Schulz, geb. 04.09.1902

 

Gortzen, Kreis Lyck: Elisabeth Warobioff, geb. 13.01.1933 in Arys, von Erna Warobioff

 

Habichtswalde, Kreis Labiau: Ingrid Gallein, geb. 06.10.1937 in Habichtswalde, von ihrer Großmutter: Auguste Gallein, geborene Kaiser, geb. 17.11.1883. Ingrid Gallein befand sich am 01.10.1948 in Kerben, Kreis Tauroggen, Litauen, bei Bauer Alexander Leeck.

 

Königsberg, Gerlachstraße 97a: Waltraud Rautenberg, geb. 24.01.1940 in Königsberg, von ihrer Tante: Ruth Schiemann. Waltraud Rautenberg kam Anfang Januar 1946 krankheitshalber in das Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg.

 

Mahnsfeld, Kreis Samland: Bruno Bischoff, geb. 21.08.1933 in Mahnsfeld,  und Rudolf Bischoff, geb. 26.11.1934 in Mahnsfeld, von ihrer Tante: Maria Theresia Bischoff, geb. 20.04.1897. Bruno Bischoff und Rudolf Bischoff befanden sich im März 1945 in Starkenberg, Kreis Samland.

 

Mehlsack, Kreis Braunsberg: die Geschwister Dora Lübeck, geb. 15.04.1934, und Anneliese Lübeck, geb. 24.09.1942 in Mehlsack, von ihrer Tante: Elisabeth Wichert, geborene Thater, geb. 01.06.1917

 

Cranz, Ostseebad, Kirchenstraße 10, Kreis Samland: Dieter Hein, geb. 28.05.1941 in Königsberg, von seinem Vater: Hans-Werner Hein, geb. 07.11.1912. Dieter Hein ist mit seiner Mutter Ruth Hein, geborene Ritzenfeld, geb. 02.07.1920, im April 1945 in Labiau gesehen worden.

 

Pillau, Kreis Samland: ehemalige Schlageterstraße 320: Karin Neumann, geb. 24.04.1942 in Pillau, von ihrer Schwester: Ingrid Neumann, geb. 29.04.1934

 

Polzenhof, Kreis Bartenstein, bei Familie Übernickel: Ilse Preukschat, geb. 20.10.1934 in Neumeilen, und Hildegund Preukschat, geb. 11.08.1937 in Neumeilen, von Fritz Preukschat, geb. 12.09.1903

 

Pottlitten, Kreis Heiligenbeil: Klaus Stürmer, von seinem Onkel: Fritz Ewert, geb. 02.04.1900

 

Powayen, Kreis Samland, Kinderheim: Lothar Schneider, geb. 05.12.1938, von seiner Großtante: Helene Sommer, geborene Sobotka, geb. 05.10.1888

 

Powayen, Kreis Samland: die Geschwister Johanne Trittmacher, geb. 1934 in Bonslaken, Kurt Trittmacher, geb. 1940 in Powayen, und Erich Trittmacher, geb. 1941 in Powayen, von ihrem Vater: Albert Trittmacher, geb. 29.08.1901

 

Steegen, Kreis Preußisch-Holand: Boto Groß, geb. 23.07.1937 in Groß-Tippeln, von seiner Mutter: Elise Groß, geborene Runge, geb. 15.06.1913

 

Tappelkeim, Kreis Bartenstein: Gerda Schwarz, geb. 05.03.1934 in Meludwiesen und Horst Schwarz, geb. 31.12.1941 in Meludwiesen, von ihrem Bruder: Gerhard Schwarz. Gerda Schwarz und Horst Schwarz befanden sich Mitte 1947 in Friedland, Kreis Bartensein.

 

Tölteningken, Kreis Wehlau: Siegfried Pokall, geb. 05.08.1937, und Roswitha Pokall, geb. 23.05.1943, von ihrem Vater: Erwin Pokall

 

Trakehnen, Kreis Ebenrode: Alfred Wolfgang Krause, geb. 14.07.1940, von seiner Mutter: Elisabeth Krause, geb. 18.04.1909. Der Knabe soll sich in Trakehnen bei Emma Urban und Paul Urban, Schreinermeister, aufgehalten haben.

 

Buschwalde, Kreis Neidenburg: Werner Dignas, geb. 14.08.1941, und Horst Dignas, geb. 09.11.1942, von ihrem Vater: Karl Dignas, geb. 15.10.1902. Werner Dignas und Horst Dignas sind 1945 mit der Mutter, Helene Dignas, geborene Selkmann, aus Buschwalde, auf die Flucht gegangen. Die Mutter soll mit den Kindern jedoch nur bis Landsberg, Ostpreußen, gekommen sein.

 

Friedland, Kreis Bartenstein, Säuglingsheim: Hannelore Assinger, geb. 06.10.1942 in Landskron, von ihrer Mutter: Minna Assinger, geborene Reimann, geb. 28.06.1914

 

Gerbitten, Kreis Samland: Kurt Gerwin, geb. 19.10.1933 in Gerbitten, von seiner Mutter: Amanda Gerwin. Kurt Gerwin soll mit seinem Bruder Horst Gerwin am 27.10.1947 nach dem Westen transportiert worden sein.

 

Kalkofen, Kreis Lyck: Friederike Kruklinski, geb. 23.03.1933 in Morgengrund, von Gerda Kruklinski, und Johann Kruklinski, geb. 05.01.1895

 

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen?

Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München, Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a. Gesucht werden aus:

 

vermutlich Allenstein: die Angehörigen von Vorname unbek. Schneidereit, zuletzt bei der 121. Infanteriedivision - A/5996

 

der Umgebung von Allenstein: die Angehörigen von Willi Schilling, geb. etwa 1908 bei Allenstein, verh., Landwirt, Gefreiter, Feldpostnummer 41 577 — A/7878

 

vermutlich Ostpreußen: die Angehörigen von Georg Höring, geb. etwa 1923, Obergefreiter von der Luftwaffe zur Fallschirmtruppe abgestellt — A/7629 

 

Ostpreußen, vermutlich Königsberg: die Angehörigen von Vorname unbekannt Marquardt oder Marschall, geb. etwa 1922 vermutlich in Königsberg, Obergefreiter beim Eisenbahntransport-Regiment 952 — A/7809  

 

vermutlich Ostpreußen oder Westpreußen, Pommern: die Angehörigen von Willi Nordmann, vermutlich ledig, Obergefreiter, Feldpostnummer 17 533 — A/8074

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Paul Pflantz, geb. etwa 1926/1927, ledig, Gefreiter oder Unteroffizier — B/5253

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Werner Romba, geb. in Ostpreußen, ledig, SS-Sturmmann bei der 1. SS-Panzerdivision 12 Hitlerjugend, Feldpost-Nr. 58 497 B — B/5320

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbek. Roßlahn, geb. etwa 1926/1927, ledig, Gefreiter oder Uffz. — B/5323

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Schiffer, Feldwebel —- A/6141  

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbek. Schlegel, geb. etwa 1926/1927, Gefreiter oder Unteroffz. — B/5663

 

vermutlich Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbek. Vannselow, geb. etwa 1926/1927 in Ostpreußen, ledig, Obergefreiter oder Unteroffizier — A/5760

 

Elbing (Westpreußen): die Angehörigen von Erich Breitfeld, geb. etwa 1915/1917, vermutlich in Elbing, ledig, Landwirt, Stabsgefreiter beim Regiment 408 der 121. Division — A/123  

 

Elbing (Westpreußen): die Angehörigen von vermutlich Paul Mathias, geb. etwa 1900, Polizeimeister beim SS-Polizeiregiment 1, Feldpostnummer 04 644 — B/916

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbek. Hasenpusch, geb. etwa 1919, ledig, Landw., Obergefreiter beim Art.-Rgt. 349, Feldpostnummer 10 670 — A/4952

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Erich Janke, geb. etwa 1903 in Ostpreußen, verh., 3 - 4 Kinder, Metallarbeiter, Obergefreiter, Feldpostnummer 02 713 D — A/6556

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Jörike, geb. etwa 1915, verh., Obergefreiter, Feldpostnummer 20 940 — A/5037

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Jordan, geb. etwa 1915, ledig, zuletzt bei der Veterinär-Kompanie Dänemark, Feldpostnummer 41 869 — A/5039

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Jordan, geb. etwa 1927/1928, ledig, zuletzt bei der Festungs-Pionier-Kompanie Königsberg — A/5040

 

Ostpreußen: die Angehörigen von vermutlich Heinz Kallweit, geb. etwa 1916, zuletzt bei der 2. Komp., Füsilier-Bat. 361, Feldpostnummer 24826 — D/155

 

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Zivilgegangene

Wir veröffentlichen nachfolgend Namen von in die UdSSR Verschleppten, die dort noch zurückgehalten werden, bzw. dort verstorben sind. Der Suchdienst Hamburg ist bemüht, die Anschriften der Angehörigen zu ermitteln, um sie benachrichtigen zu können. Sollten Sie die Namen und Anschriften von Angehörigen kennen, schreiben Sie an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II (Zivilvermisste), Hamburg-Altona, Allee 131.

 

Elbing, Pangritz-Kolonie: die Angehörigen des Max Kadel, geb. etwa 1902, Arbeiter bei der Firma Schichau.

 

Königsberg: die Angehörigen der Kochfrau Käthe Apel oder Appel, geb. etwa 1903.

 

Königsberg-Rosenau, Schrebergarten: die Angehörigen des Erich Evert.

 

Königsberg: die Angehörigen der Magda Fabian, Friseuse.

 

Königsberg, vermutlich Blücherstraße 1: die Angehörigen des Herbert Prepens oder Preppens, geb. etwa 1909. Er war Maurer beim Reichsbahn-Ausbesserungswerk in Königsberg und gehörte vermutl. dem Bahnschutz an.

 

Königsberg: die Angehörigen des Schneiderlehrlings Günther Preuß, geb. etwa 1930.

 

Königsberg: die Angehörigen der Gertrud Schikowski, sie war im Lager mit ihrer Schwiegertochter Evi Schikowski zusammen.

 

Königsberg, Nachtigallensteig: die Angehörigen des Paul Schimkoweit, geb. etwa 1896, Angestellter bei der Stadtverwaltung.

 

Königsberg: die Angehörigen des Schülers Fritz Stenkowitz, geb. etwa 1931.

 

Bartenstein: die Angehörigen von Fräulein Neumann, weitere Personalangaben liegen nicht vor.

 

Großudertal, Kr. Wehlau: die Angehörigen der Arbeiterfrau Stuhrmann, geb. etwa 1917. Frau Stuhrmann hatte vier Kinder.

 

Nassengarten, Stadtteil von Königsberg: die Angehörigen von Frau Schirrmacher, geb. etwa 1890. Frau Schirrmacher war verheiratet und hatte fünf Kinder.

 

Kreis Samland, bei Palmnicken: die Angehörigen von Frau oder Frl. Surmann, geb. etwa 1916.

 

Kreis Sensburg: die Angehörigen von Frau oder Frl. Wittzock, geb. etwa 1905.

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Hausfrau Anna Schneider, geb. etwa 1895.

 

Tolkemit, Kr. Elbing, Siedlung, Sudetenstr. 28: die Angehörigen der Martha Harwardt, geborene Trautmann, geb. etwa 1915, und deren Kinder Paul Trautmann, geb. etwa 1932, Josef Trautmann, geb. etwa 1933, Toni Trautmann, geb. etwa 1936.

 

Königsberg, Ziegelstraße 14: die Angehörigen des Herrn Andres und seiner Ehefrau. Herr Andres hatte noch eine Tochter.

 

Königsberg, vermutlich Hippelstraße 1: die Angehörigen des Hermann oder August Böhm, geboren vermutlich 29. Januar 1888. Herr Böhm war RB-Lademeister bei der Güterabfertigung in Königsberg-Aschhof und war verheiratet mit Berta Kantim.

 

Königsberg: die Angehören der Ursula Bory, geb. etwa 1929. Die Mutter hieß vermutlich Frieda Bory.

 

Königsberg: die Angehörigen der Maria Jansen, geb. etwa 1926.

 

Königsberg: die Angehörigen des Willi Rose, geb. etwa 1910, und seiner Ehefrau, Vorname und Geburtsdatum unbekannt. Willi Rose war Maurer.

 

Borowen, Kreis Neidenburg, später vermutlich Buschwalde: die Angehörigen des Herrn Vorname unbekannt Bahr,  geb. etwa 1884. Herr Bahr war Landwirt und Oberbürgermeister.

 

Damerau: die Angehörigen des Herrn Biermann, geb. etwa 1895, und seiner Ehefrau Maria, geb. etwa 1897, nebst Kindern Willi Biermann, geb. etwa 1930, und Hedwig Biermann, geb. etwa 1933. Kind Gerhard-Adolf Biermann, soll sich vermutlich in Damerau befinden.

 

Friedland, Kr. Bartenstein: die Angehörigen des Emil Baumgart, geb. etwa 1886. Emil Baumgart war verh. und Ing. beim Ostpreußenwerk.

 

Gilgenau, bei Passenheim, Kr. Ortelsburg: die Angehörigen des Herrn Benke, geb. etwa 1916, verh., von Beruf Landwirt. Ein Schwager des Herrn Benke hieß vermutlich Josef Schröder.

 

Heilsberg-Land: die Angehörigen der Frau Berndt oder Behrend, geborene Schmeier, geb. etwa 1913. Sie war die Tochter des Tischlermeisters Paul Schmeier und besaß eine Gast-Landwirtschaft. Vermutliche frühere Wohnung des Herrn Schmeier: Adolf-Hitler-Str. 29 in Heilsberg.

 

Heilsberg, vermutlich auch Allenstein: die Angehörigen der Frau Bessel, geb. vermutl. am 10.10.1912. Frau Bessel war verh., hatte 1 Kind, ihr Ehemann war aktiv. Oberfeldwebel.

 

Labiau: die Angehörigen des Albert Bosch, geb. etwa 1887, verh., Beruf: Schmiedemeister. Herr Bosch hatte eine Tochter namens Käthe.

 

Mehlkehmen-Birkenmühle, Kr. Ebenrode: die Angehörigen des Hanns Aßmus und seiner Ehefrau. Weitere Personalangaben nicht vorhanden.

 

Ostpreußen: die Angehörigen der Frau Herta oder Gertrud Bamberger. Frau Bamberger war verh. und stammt vermutlich aus Westfalen oder dem Rheinland. Sie hatte ein Kind, das in Ostpreußen zurückblieb, ihr Ehemann war vermutlich Soldat.

 

 

Seite 14   Richard Schirrmann der große Ostpreuße. Der Vater des deutschen Jugendherbergswerks 80 Jahre alt.

Foto: Richard Schirrmann 55 Jahre alt.

Foto: Richard Schirrmann 80 Jahre alt.

Am 15. Mai wurde in ganz Deutschland der 80. Geburtstag Richard Schirrmanns gefeiert. Wer ist Richard Schirrmann? Er ist der Vater des deutschen Jugendherbergswerkes, sein Gründer und heutiger Ehrenvorsitzender. Dass Schirrmann ein Werk schuf, das heute in der ganzen Welt als selbstverständlich hingenommen wird, verdanken wir dem „seelischen Trauma“, das in dem damals 30-jährigen Volksschullehrer bei seiner Versetzung aus der waldreichen Weite seiner ostpreußischen Heimat — er stammt aus Grunenfeld in Ostpreußen — in das westfälische Industrierevier entstand. Er führte als. erster die bleich-wangigen Arbeiterkinder in die Ferien hinaus. Die Quartiernot bei langen Wanderungen gab ihm 1909 die Idee ein, in jeder größeren Schule während der Ferien Strohnachtlager einzurichten. Schon zwei Jahre später halfen ihm westfälische Unternehmer, die Burg Altena zur ersten Jugendherberge der Welt auszubauen. Unzählige Anekdoten aus jenen Tagen, von Schirrmanns Wanderkameraden und Schülern aufbewahrt, spiegeln die ungläubige Verwunderung, mit der damals trotz Wandervogelbewegung und beginnender Sportpflege der Herbergsgedanke aufgenommen wurde.

 

1913 gab es schon 83, 1921 gab es 1300, 1931 gab es 2114 Jugendherbergen in Deutschland, von denen heute erst 666 wieder eröffnet werden konnten. In der ganzen Welt gibt es heute 3000 Jugendherbergen, die im vorigen Jahre zehn Millionen Übernachtungen zu verzeichnen hatten.

 

Das Jugendherbergswerk ehrte unseren großen Landsmann zu seinem 80. Geburtstag mit der Grundsteinlegung eines JH-Neubaues auf Burg Altena (Westf.), wo Schirrmann vor rund 50 Jahren das JH-Werk begründete. Der Neubau dieser Jugendherberge wird 600 000 DM betragen. Stadt und Kreis Altena haben eine freiwillige Bauspende von 120 000 DM dafür aufgebracht und Schirrmann zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

 

Schirrmanns 80. Geburtstag machte Grävenwiesbach im Taunus zum Mittelpunkt eines eindrucksvollen Jugendtreffens. Mehr als tausend junge Menschen fanden sich auf der Wiese neben seinem Haus ein, um dem Gründer und Ehrenvorsitzenden des Deutschen Jugendherbergswerkes Lieder und Volkstänze zu bringen.

 

Erst kürzlich sprach der ostpreußische Pionier des deutschen Jugendherbergswerkes in Amsterdam unter großem Beifall seiner niederländischen Freunde anlässlich des silbernen Jubiläums des holländischen Jugendherbergsverbandes. Von allen Amsterdamer Zeitungen wurde bestätigt, dass dieser ostpreußische Lehrer der beste Propagandist des deutschen Jugendherbergswerkes gewesen ist.

 

 

Seite 14   Wir gratulieren! Ostpreußenfamilie in Flensburg

Die nachstehend aufgeführten betragen Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg können im Monat Juni 1954 ihren Geburtstag feiern!

 

Am 01.06.1954. Frau Berta Kutz, Flurstraße 17, früher: Memel-Försterei. 73 Jahre

 

Am 02.06.1954. Frau Karoline Palfner, Glücksburger Straße 5, früher: Ebenrode. 82 Jahre.

 

Am 03.06.1954. Herr Friedrich Feurig, Schulgasse 10, früher: Pillau-Seetief. 71 Jahre.

 

Am 03.06.1954. Herr Alfred Unruh, Steinstraße 7, früher: Pillau, Coronelstraße 2. 70 Jahre.

 

Am 07.06.1954. Frau Emma Boehnke, Munketopf 22, früher: Ebenrode, Ostpreußen. 70 Jahre.

 

Am 07.06.1954. Frau Hedwig Hoff, Holm 38, früher: Königsberg Preußen, Vorder-Roßgarten 43/44. 70 Jahre

 

Am 09.06.1954. Frau Ernestine Paulukuhn, Bismarckstraße 48, früher: Seehausen, Kreis Ebenrode. 84 Jahre

 

Am 10.06.1954. Herr Hugo Seidenstücker, Johanniskirchhof 9, früher: Grenzwacht, Kreis Lyck, 72 Jahre.

 

Am 14.06.1954. Frau Gertrud Rauch, Peter-Christian-Hansen-Weg 14, früher: Oertelsburg. 72 Jahre.

 

Am 17.06.1954. Herr Friedrich Groß, Lager Weiche, früher: Allenburg, Königstraße 16. 81 Jahre.

 

Am 17.06.1954. Herr Karl Wandtner, Jürgenstraße 9, früher: Johannisburg, Schloßplatz 8. 72 Jahre.

 

Am 18.06.1954. Herr Wilhelm Müller, Slitüde 3, früher: Goldap, Jablonker Straße 6. 76 Jahre

 

Am 19.06.1954. Frau Ottilie Böhm, Junkerhohlweg 16, früher: Königsberg, Preußen, Bölkestraße 4. 82 Jahre.

 

Am 22.06.1954. Herr Friedrich Arendt, Teichstraße 5a, früher: Königsberg Preußen, Feldstraße 1. 70 Jahre

 

Am 22.06.1954. Herr Wilhelm Petersen, Hafermarkt 2, früher: Tilsit, Claudiusstraße 38. 72 Jahre.

 

Am 23.06.1954. Herr August Kaspereit, Mützelburglager, früher: Trenk, Kreis Samland. 76 Jahre.

 

Am 23.06.1954. Frau Auguste Kensbock, Burgstraße 16, früher: Allenstein, Straße der SA 65. 71 Jahre.

Am 24.06.1954. Frau Anna Grunau, Friesische Straße 51, früher: Lötzen, Bismarckstraße 20. 71 Jahre.

Am 28.06.1954. Frau Marie Tobias, Lager Westerallee, früher: Bartenstein. 71 Jahre.

 

Am 30.06.1954. Herr Albert Kroll, Jürgenstraße 63a, früher: Königsberg Preußen, Georgstraße. 71 Jahre.

 

Der Vorstand der Landsmannschaft Ostpreußen und die gesamte Ostpreußenfamilie gratulieren allen Geburtstagskindern aufs herzlichste und wünschen ihnen einen gesegneten Lebensabend. Armoneit.

 

Frau Johanne Braun, geb. Reiß, aus Nikolaiken, Kreis Sensbrug, Ostpreußen, jetzt mit ihrem Ehemann Johann Braun in Seesen am Harz, Lange Straße 45, wohnhaft, wird am 6. Juni 1954, 80 Jahre alt.

 

Das Fest der Silbernen Hochzeit feiern am 8. Juni 1954, Herr Brun Leskien und Frau Maria, geb. Rikowski, aus Königsberg, Hagenstraße 120, jetzt: Aschaffenburg/Main, Schillerstraße 39.

 

Ihren 80. Geburtstag beging am 31. Mai 1954, Frau Emma Augath, geborene Kuhnke, aus Königsberg, Tuchmacherstraße 1/2, jetzt: in Wiesbaden-Biebrich, Pfälzerstraße 11, wohnhaft.

 

Seinen 80. Geburtstag begeht am 1. Juni 1954, der Schneidermeister Richard Kuntze, aus Königsberg, Burgenlandstraße 4c, jetzt in Husum, Nordhusumerstraße 40 wohnhaft. Der Jubilar wird von seiner Ehefrau und Tochter betreut und erfreut sich völliger Geistesfrische. Auch seinen Humor hat er nicht verloren.

 

 

Seite 14   „Meine Mutti sah aus wie ein Engel!“. Der Kindersuchdienst findet Vater und Geschwister.

Über neun Jahre sind seit Kriegsende vergangen und noch jetzt werden jeden Monat in 600 bis 700 Fällen Kinder durch den Kindersuchdienst in Hamburg mit ihren Eltern oder Angehörigen zusammengeführt, von denen sie durch den Krieg getrennt worden sind. Die hoffnungslosesten Fälle sind darunter, von denen man kaum zu glauben wagte, dass sie noch geklärt werden könnten. Erstaunlich ist aber die Tatsache, dass bis in die neuere Zeit hinein immer wieder einzelne Kinder als elternlos gemeldet werden, denen man vielfach schon längst hätte helfen können. Von einem solchen Kind, für das erst im vergangenen Jahr ein Suchantrag nach den Angehörigen aufgegeben wurde, wird hier berichtet.

 

Es war im April 1945, als ein Trecker mit zahlreichen Kindern von Neubrandenburg kommend in Güstrow (Mecklenburg) eintraf. Es waren Kinder, die aus einem Kinderheim in Pillau kamen und nun in Heimen und Pflegestellen untergebracht wurden. Während die meisten dieser Kinder aber genaue Angaben über sich und ihre Herkunft machen konnten, sprach der kleine etwa vierjährige Günther seinen Namen bei jeder Frage anders aus, so dass seine Personalien ungenau blieben. Bis jetzt behielt er deshalb einen angenommenen Namen. Sein Geburtsdatum wusste er überhaupt nicht, also wurde dieses geschätzt. Aber sonst konnte er von seinem bisherigen Leben sehr viel erzählen und eine bunte Schilderung geben. Er sprach z. B. davon dass er einen größeren Bruder hätte, der ihn einmal in eine Regentonne tauchte, weil er ihn geärgert hatte. Auch an eine Schwester Lieselotte konnte er sich erinnern, die etwas älter war, denn sie konnte schon immer die Kleider für ihre Puppen häkeln. Von der Heimat erzählte Günther, dass seine Eltern das Gut Groß-Lindau gekauft hatten. In der Koppel sollen sehr viele Pferde gewesen sein, ganz wilde schwarze und schöne hellbraune mit einem weißen Stern am Kopf. Die Pferde sind später von Soldaten abgeholt worden. Der Vater konnte sehr gut reiten, ging viel zur Jagd und brachte öfter Hasen mit. Ein Förster soll der Vater aber nicht gewesen sein. Auch er ist Soldat geworden. Dann erzählte er von dem Tod der Mutter, die durch Bombensplitter verletzt wurde. Er berichtete wörtlich: „Dann wurde meine Mutti ins Krankenhaus getragen, am anderen Tage packte meine Oma Kuchen und Wein ein, denn wir wollten meine Mutti besuchen. Da kam eine Schwester und sagte, dass meine Mutti tot sei. Wir haben dann alle sehr geweint. Später wurde die Mutti in einen Sarg gelegt und hatte eine schöne Decke mit Spitzen über. Lieselotte legte viele Blumen darauf, meine Mutti sah aus wie ein Engel“.

 

Günther sprach weiter davon, dass er und seine Geschwister in ein Kinderheim kamen und später sind sie alle auseinandergekommen.

 

Soweit die Erzählung des kleinen Jungen, der inzwischen tüchtig herangewachsen ist. Da seine Pflegemutter sehr krank wurde konnte sie den Jungen nicht mehr länger behalten und bat nun erst den Kindersuchdienst, Angehörige zu suchen. Umfangreiche Nachforschungen setzten ein und führten jetzt zum glücklichen Erfolg. Es war möglich, den kleinen Günther genau zu identifizieren. Und nun konnten nicht nur die älteren Geschwister gefunden werden, sondern auch der Vater, der mit allen drei Kindern bisher noch keine Verbindung hatte. Dabei stellte sich übrigens heraus, dass die Angaben des kleinen Günther zwar im Wesentlichen richtig waren, nur gehörte den Eltern nicht das Gut, von dem er sprach, die Familie war vielmehr von Königsberg auf dieses Gut evakuiert worden. Bei dem angeblichen Vater, der immer zur Jagd ging, handelte es sich um den Gutsbesitzer. Die Mutter ist bei einem Luftangriff ums Leben gekommen, wie Günther schon richtig schilderte. Durch seine genauen Erzählungen war die Identifizierung überhaupt erst möglich geworden, denn sie deckten sich mit den Angaben des Vaters und der Geschwister. Günther kann den Tag gar nicht abwarten, an dem er mit dem Vater, mit Bruder und Schwester wieder zusammen sein wird. Die Kinder wohnen in der sowjetisch besetzten Zone und der Vater in Westdeutschland. Die Übersiedlung ist schon eingeleitet worden. Walter Stiewe

 

 

Wer kennt die Angehörigen?

Auf dem Soldatenfriedhof in Salerno/Italien liegen begraben:

 

Gren. Richard Voss, geb. 31.01.1920, aus Königsberg und

 

Johannes Klomfaß, geb. 13.08.1921 aus Bredinken.

 

Die Angehörigen konnten bisher nicht ermittelt werden. Wer kann Auskunft über die Angehörigen der beiden Ostpreußen geben? Nachr. erbeten an die Schriftleitung der Ostpreußen-Warte. 

 

 

Seite 14   Fahrpreisermäßigung für Vertriebene und Flüchtlinge

Die Bundestagsfraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE hat dem Bundestag einen Antrag eingereicht, nachdem hilfsbedürftigen Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtligen drei Bahnfahrten zu halbem Preis bis zum 30. Juni 1955 gewährt werden sollen.

 

 

263 Vertriebenen-Gemeinden

In 263 Gemeinden des Bundesgebietes wohnten im Vorjahr mehr Vertriebene als Einheimische. Von diesen Gemeinden liegen nach dem Bericht 159 in Niedersachen, 65 in Schleswig-Holstein,30 in Bayern und eine in Rheinland-Pfalz.

 

 

 

Seite 14   Vom Holländerbaum

Die Bezeichnung Holländerbaum ist jedem Königsberger bekannt. Wer den Ursprung nicht kennt oder ihn schon wieder vergessen haben sollte, sei folgender Hinweis als Gruß der alten, herben und doch schönen Vaterstadt ins Gedächtnis gerufen.

 

Königsberg war eine alte Handelsstadt, als solche musste sie ihre Interessen wahren.

 

Der „Holländerbaum" bestand aus einer Reihe von Baumstämmen, die untereinander verbunden, quer über den Pregel gelegt waren und die Bestimmung hatten, den Pregel im Interesse der Steuer- und Zollverwaltung für Wasserfahrzeuge zu sperren, an der Stelle, wo das Stadtgebiet begann. Je ein Baum wurde an jedem Ufer des Pregels durch den Baumschließer abgeschlossen. Der Holländerbaum wurde schon im Jahre 1570 angelegt. — Der Litauer Baum, in der Nähe der Litauer Wallgasse, wo der Pregel das Königsberger Stadtgebiet betritt, wurde auch im Jahre 1570 angelegt und diente dem gleichen Interesse wie der Holländerbaum. Dieser wird den Königsbergern insofern fester im Gedächtnis sein, als der Bahnhof „Holländerbaum“ schon durch seinen ersten Klinkerbau sich dem Auge des Heimatfreundes besser eingeprägt haben dürfte.

 

Der Spazierweg vom Holländerbaum bis zum Litauerbaum, die ehemaligen Festungsanlagen entlang, vorbei am Ausfalltor, dem Steindammer-, Tragheimer-, Roßgärter-, Königs- und Sackheimer Tor wird vielen Königsbergern besonders im Gedächtnis sein. E. R.

 

 

90 Jahre Fußartillerie-Regiment von Linger Ostpreußen Nr. 1

Am 13. Juni 1954 um 10 Uhr treffen sich die Kameraden der schw. ostpr. Heeres-Artillerie (II/37; II/47; II/57; 506, 511, 526, 536, Ers. Abt. 37) in Duisburg, Mühlheimerstraße 35 im Gesellschaftshaus „Societät“ (Nähe Hbf.). Anmeldung zum gemeinsamen Mittagessen (Gedeck ca. 3,-- bis 3,50 DM) an Kameraden Werner Munk, Duisburg, Felsenstr. 91b, bis zum 5. Juni 1954.

 

 

Seite 15   Familienanzeige

In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 1954 um 1.30 Uhr, verstarb im Landkrankenhaus in Meißen nach kurzem, schwerem Leiden, unser herzensguter Vater, lieber Schwiegervater, Großvater, Schwager und Onkel, der frühere Gutsbesitzer Emil Schellhammer, früher Beinigkehmen bzw. Tilsit, Ostpreußen, im fast vollendeten 74. Lebensjahr. Sein Leben war voller Menschengüte und tiefer Gläubigkeit. Die Einäscherung fand am Mittwoch, den 5. Mai 1954 in Meißen statt. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 13. Mai 1954 in Rodewisch/Vogtl. In tiefer Trauer: im Namen der Angehörigen: Herbert Schellhammer. Eislingen/Fils, im Mai 1954, Ulmer Straße 34

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Wer kennt die Dachpappenfabrik Geb. Hermann Schierling, Königsberg, Ostpreußen, Hermann-Allee 23, und kann über deren Ergehen Auskunft geben? Möglichst ausführliche Nachricht erbittet Buchsachverständige Paula Hartmann, Königsberg in Preußen, Vorderer Roßgarten 57 I, jetzt: Bad Lauterberg, Harz, Wolfsgrube 38.

 

Achtung Königsberger! Wer kennt die Anschrift der Goldschmiedemeisterin Toni Koy, aus Königsberg? Nachricht erbet. an Lic. theol. Ruth Fuehrer. (22) Ludwigshafen, Rhein, Rohrbachstraße 74 III.

 

Wer weiß etwas über den Verbleib meiner drei Brüder: Georg Guski, geb. 13.11.1897, aus Ankendorf (Kreis Heilsberg), Alfred Guski, geb. 23.10.1903, aus Jankendorf (Kr. Allenstein), Eugen Guski, geb. 08.12.1909, zuletzt bei Goldap; ferner wird gesucht: Franz Schwenzfeier, geb. 03.09.1911, aus Alt-Garschen (Kreis Heilsberg). Nachricht erbeten an Aloysius Guski, Warendorf bei Münster, Splieterstraße 6.

 

Gesucht wird Familie Blankenstein aus Königsberg (Pr.). Blankenstein war in der Wagnerstraße „Zum Römer“ Büffetier. Bitte etwaigen Bescheid an Frau Berta Siller, Brebel über Süderbrarup.

 

Gesucht wird Manfred Kreutner, geb. 18.07.1927, Tannenwalde (Kreis Königsberg i. Pr.). Letzte Nachricht 1944 v. Fallschirmjäger-Ausb.-Rgt. I, Quedlinburg im Harz. Nachricht geg. Unkosten erbeten: Ernst Kretschmann, Gelsenkirchen-Horst, Reichenberger Straße 14.

 

Alfred Schlingelhoff, geb. 01.02.1923 in Groß-Birkenfelde, vermisst seit 09.05.1944 bei Sewastopol, wird gesucht von seiner Mutter Käthe Schlingelhoff in Bühren, Kreis Hann. Münden.

 

Gesucht wird: Sabine Wittke, geb. 25.05.1936, befand sich besuchsweise beim Onkel Lehrer Bernhard Wittke und Margarete Wittke. geb. Henry, in Petershagen bei Heilsberg. Alle drei sind seit 25.01.1945 vermisst — von den Eltern Dr. Heinz Wittke und Frau Sabine, geb. Lemm, Reutlingen, Jahnstr. 32.

 

Gesucht werden die Schwestern von August Friedrich Szemkus, geb. 19.06.1891 in Neu-Sauskoyen/ Ostpr., zuletzt wohnhaft Trempen/ Ostpreußen und Frau Elfriede Mickeluhn aus Schakendorf. Zuschriften erbittet Frau Maria Szemkus, Berlin W 36. Mansteinstraße 8.

 

Gesucht werden Frau Marie Heß, geb Meller, verw. Schott, geb. 09.05.1874 in Cogehnen/Ostpreußen, zuletzt wohnhaft in Königsberg, Blücherstraße 18, und Herta Schott, geb. am 30.11.1903 in Königsberg, Standort-Fürsorgerin in Königsberg, ebenfalls wohnhaft in Königsberg, Blücherstraße 18. Letzte Nachricht vom 18.01.1945. Nachricht erbeten an: Deutscher Caritasverband, Suchdienst, Freiburg i. Br., Werthmannhaus.

 

 

Seite 16   Memelland – Verpflichtung und Mahnung. Das Hamburger Memel-Treffen aus Anlass der 15. Wiederkehr des Tages der Wiedervereinigung des Memelgebietes mit dem deutschen Vaterlande.

Foto: Bundesminister Kraft spricht zu den Memelländern.

Foto: Nach dem Festgottesdienst in der Kirche Nienstedten. Aufnahme: A. O. Schmidt

... Am hohen Steilufer über der Elbe in Hamburg-Nienstedten wehten die Memeler Fahne und die des alten Preußen neben den Farben Hamburgs und den Farben der Memeler Patenstadt Mannheim.

 

Der Blick geht weit über den großen Strom — die Norderelbe — über die Werften und die Marschinsel Finkenwerder, Geburtsstätte des niederdeutschen Dichters Gorch Fock, bis er sich im silbrigen Dunst in der Ferne verliert. Die breite Uferstraße — die Elbchaussee — ist zwischen den Gebäuden und dem großen Garten der Elbschloß-Brauerei und der Kirche in Nienstedten vom frühen Morgen an zu einer großen belebten Dorfstraße geworden — im Zeichen des Memel-Treffens. Viele Heimatblätter der unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete und eine Anzahl großer Tageszeitungen hatten das Treffen angezeigt und ihm durch die Anteilnahme die größere Bedeutung beigemessen, die sie auf Grund des Anlasses verdient.

 

Die 700-Jahrfeier Memels in Hamburg im August 1952 hat Deutschland aufhorchen lassen. Es war eine große festliche Veranstaltung, ein Jubiläum besonderer Art. Die Stadt, zu der Einheimische und Heimatvertriebene ein seltenes Bekenntnis der Treue und Zugehörigkeit ablegten — liegt 600 km ostwärts der Oder-Neiße-Linie. Die nun zur Erinnerung gewordenen eindrucksvollen Feierstunden haben gezeigt, dass Memel trotz seines schweren Schicksals nicht vergessen und seine 700-jährige Geschichte nicht zu Ende ist.

 

Das Memel-Treffen am 23. Mai war eine Feierstunde und eine stille Mahnung in einer Zeit weltpolitischer Auseinandersetzungen auf großen Konferenzen. Viele waren gekommen von denen, die einstmals in den Dörfern, Flecken und in der Stadt des Gebietes zwischen der Luisenbrücke über den Memelstrom und der kleinen Fischerhütte an des alten Reiches Grenze bei Nimmersatt gelebt und gearbeitet haben.

 

... Der Tag begann mit einer Stunde der Besinnung in der kleinen Dorfkirche in Nienstedten. Unter alten mächtigen Kastanien versteckt, abseits vom Lärm der Weltstadt, auf hohem Ufer im Winde von der Niederelbe her liegt sie wie eine Insel des Friedens. Dicht gedrängt in den Bankreihen des kleinen Gotteshauses lauschten die Andächtigen den Worten des Memelländischen Generalsuperintendenten und einstigen Predigers von St. Johannis zu Memel, Obereigner, der Liturgie und Festpredigt hielt. Die denkwürdigen Stationen deutsch-preußischer Geschichte wurden lebendig bis zu dem Frühling 1939 mit der kurzen Zeit des Glücks und den nachfolgenden Jahren der Enttäuschung, des Unheils und des großen Leides. Dem Gottesdienst folgte die Feierstunde im großen Saal der Elbschloß-Brauerei. Zur Eröffnung sprach der erste Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer, Oberregierungs- und Schulrat a. D. Richard Meyer die feierlichen Worte des gesamtdeutschen Bekenntnisses:

 

„In dieser Stunde gedenken wir unserer Schwestern und Brüder unter sowjetischer Bedrückung. Unser Volk ist gegen seinen Willen geteilt. 18 Millionen Deutsche in der Sowjetzone wollen wie wir das geeinte Deutschland. Wir geloben, alles in unseren Kräften stehende zu tun, das die deutsche Einheit in Freiheit zur Wirklichkeit werde“.

 

Nach eindrucksvoller Totenehrung durch Generalsuperintendent Obereigner ergriff Bundesminister Kraft das Wort zur fast einstündigen Festrede, in der er die westliche Welt aufforderte, bei der Vereinigung des freien Europa Osteuropa nicht zu vergessen und im Einzelnen folgendes ausführte. „Wir Heimatvertriebenen werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf Schaffung eines geeinten Europa gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können. Vorbedingung für ein freies und geeintes Europa ist ein einiges Westeuropa, das zum Fanal werden muss für die unterdrückten Völker hinter dem Eisernen Vorhang, Diese Völker gehören zum Abendland wie wir. Wir Vertriebenen fühlen uns als Bindeglied zwischen West und Ost, deshalb haben wir vor allem anderen die Verpflichtung, uns Gedanken zu machen über das Schicksal Europas, das Ost- und Südosteuropa einschließt und es ist unsere Sache diejenigen Politiker Westeuropas daran zu erinnern, die das vergessen haben sollten. Europa ist durch den Streit der Nationalitäten an den Abgrund geraten; wenn die Uneinigkeit Westeuropas nicht überwunden wird, dann wird eines Tages ganz Europa eine leichte Beute der Machthaber Moskaus werden“.

 

Mit der Forderung für das Recht auf Heimat für alle Deutschen schloss Bundesminister Kraft seine Ausführungen. Zum Abschluss des Festaktes, der von Heimatliedern, gesungen vom Ostpreußenchor Hamburg, umrahmt war, klangen aus alten und jungen Kehlen zukunftsfroh die Worte: . . . von der Maas bis an die Memel . . .

 

Außer den Ausführungen des Bundesministers Kraft verdienen folgende Worte aus der Botschaft „Memelland-Schicksalsland“ des Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen und Staatssekretär a. D. Ottomar Schreiber besonders genannt zu werden:

 

„Zwei Erkenntnisse verdankt die lebende Generation der Memelländer ihrem Schicksal. Die eine, dass die unbeirrbar entschlossene Haltung eines Volkes auch ohne Gewalt entscheidende politische Wirkung haben kann. Und die zweite: dass politische Gegensätze überwunden werden können, wenn menschliche Bindungen entstehen“. Günther Groebe

 

 

 

Seite 16   Das „Prussia-Samland“-Jubiläum

Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Sportvereinigung Prussia - Samland Königsberg/Pr. hatte sich am 1. und 2. Mai in Hamburg im Restaurant „Feldeck“ unter Führung von Bruno Romahn die zerstreute Prussia-Samland-Familie ein Stelldichein gegeben. Etwa 300 Vereinskameraden waren gekommen, darunter viele aus der sowj. besetzten Zone, was besonders begrüßt wurde.

 

Von den Mitbegründern waren Melchien (Prussia) und Nötzel (Samland) anwesend. Johannes Harder hielt die Festrede. Die alten verdienten Kämpfer Melchien, Nötzel, Walter, Schulz, Lalla, Harder, Baaske, Brenke, Muntau, Frau H Bläsner und Romahn wurden besonders geehrt. Von den erfolgreichsten Aktiven sah man neben Baaske, Brenke und W. Schulz die Fußballer Will, Bärwald, Hermenau, Pulewka, Conrad, Milz, Kurpat, die Leichtathleten Kross, Liedig und den Boxer Battke. — Als Gratulanten waren die Königsberger Sportvereine  - die einstigen Gegner auf dem grünen Rasen — V. f. B., Asco, K. S. T. V., V. f. K., Ras. Preußen, erschienen. Der Deutsche Leichtathletikverband war durch den Hamburger Leichtathletikverband vertreten, die Stadt Königsberg durch Konsul a. D. Bieske. In Anerkennung der großen Verdienste der Leichtathletikabteilung verlieh der D.L.V. die neu geschaffene silberne Plakette der jubilierenden Vereinigung. Viele alte Sportkameraden und befreundete Sportvereine und Verbände sandten Glückwünsche, so der Deutsche Fußballbund durch seinen Präsidenten Dr. Bauwens; ferner Dr. Drescher, Dr. Schmidtke, Dr. Richter früher Königsberg. Der Mitbegründer von „Samland“, Schanter, hatte eine eigene Federzeichnung vom Klubhaus übersandt. Hans Paulat, Fritz Ruchay Familie Ad. Egger - Bern und viele andere hatten Glückwünsche übersandt. - Bruno Romahn gedachte der gefallenen Kameraden beider Weltkriege und Harder widmete dem allerseits verehrten Sportstrategen Fritz Döhring, der 1945 in Königsberg umgekommen ist, herzliche Gedenkworte.

 

In dem mit Königsberger Bildern geschmückten Festraum, die auch das Prussia-Samland-Sportgelände und Sportmannschaften zeigten gab es manches frohe, oft unerwartete Wiedersehen. Frl. Gronwald erfreute die Jubiläumsteilnehmer durch Vorträge im ostpreußischen Platt. Frl. Inge Brenke,und ihr Partner durch mit großem Beifall aufgenommene Tanzvorführungen.

 

Am Sonntag beschloss ein gemeinsamer Ausflug nach dem Sachsenwald die Tage des gelungenen Jubiläums. Jeder der alten Vereinskameraden hat die Hoffnung, das nächste Jubiläum wieder daheim im alten Königsberg auf der heimischen Sportplatzanlage miterleben zu können. W. Ge.

 

 

Rasensport-Preußen 05 e.V.

Im kommenden Jahr kann die Spielvereinigung Rasensport-Preußen 05 e. V. auf ein 50-jähriges Bestehen zurückblicken. Es ist geplant, im Rahmen der 700-Jahrfeier unserer Heimatstadt Königsberg u. a. ein Treffen der ehemaligen Sportkameraden durchzuführen. Zur Vorbereitung der Veranstaltung werden die ehemaligen Vereinsmitglieder, soweit sie sich noch nicht gemeldet haben, gebeten, ihre Anschrift aufzugeben an: Ernst Witt (23) Aurich / Ostfriesland, Fischteichweg 2.

 

 

Seite 16   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen-Danzig.

Foto: Kurt Padubrins

Das 8. Wiedersehenstreffen in Hameln vom 19. bis 23. August 1954 rückt näher und schon jetzt muss sich jeder schlüssig werden, ob er teilnehmen will; denn es heißt vor allem, rechtzeitig dafür sparen. Die Formblätter für die endgültige Anmeldung sind erst nach Pfingsten zu erwarten. Der Festbeitrag für das Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes, in das unser Treffen eingebaut ist. beträgt 5 DM und ist zusammen mit der Anmeldung einzuzahlen. Unterkunftsmöglichkeit wird geboten in Massenunterkunft für 1,50 DM je Nacht, in Bürgerunterkunft für 2,75 DM je Nacht, im Hotel für 4 bis 8 DM je Nacht. Das Unterkunftsgeld soll nicht im Voraus, sondern von jedem Teilnehmer in Hameln unmittelbar an seine Unterkunftsstelle bezahlt werden. Besucher, aus der Sowjetzone zahlen keinen Festbeitrag und sollen freie Unterkunft erhalten.

 

 

Herzliche Glückwünsche zum Geburtstage allen im Juni geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern,

 

besonders zum 40. Geburtstage Klaus-Erhard Schulz (Königsberger Turnclub) am 20. Juni 1954.

 

Zum 50. Geburtstage Emil Flick (Gumbinnen) am 26. Juni 1954 und Werner Schikorski (KMTV 1842) am 28. Juni 1954 sowie

 

zum 60. Geburtstage Helmut Choitz (Königsberger Turnclub) am 21. Juni 1954.

 

Die Anschriftensammlung von Mitgliedern ehemaliger ost- und westpreußischer Turnvereine einschl. Danzig und Memelland ist den Vorbestellern inzwischen zugestellt worden. Weitere Bestellungen an Wilhelm Alm Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33 (1,50 DM auf Postscheckkonto Hannover 11 60 75).

 

Fröhliche Pfingsten! allen Turnschwestern und Turnbrüdern!

 

Ein Doppeljubiläum — 45 Jahre Staatsdienst und 50 Jahre Turner — begeht am 8. Juni 1954 Justizoberinspektor, Turnbruder Kurt Padubrins vom Turnverein Insterburg, jetzt in Stade, Pulverweg 30. Als „Zögling" in den Verein aufgenommen, waren ihm die Turner Babbel, Hermanny, Schieleit, Pilkowski, Wittkat u. a. Vorbild. Turnbruder Babbel förderte seine turnerische Veranlagung noch besonders bei dem von ihm geleiteten Unterricht für „Vorturner“ der einzelnen Klassen des Gymnasiums. Beim 13. Deutschen Turnfest 1913 in Leipzig war dann Tbr. Babbel an einigen Geräten Kampfrichter seines ehemaligen Zöglings. Turnbruder Padubrins war daher besonders erfreut, 40 Jahre später beim Deutschen Turnfest Hamburg 1953 wieder mit seinem alten Turnlehrer und Kampfrichter und auch mit vielen anderen alten Turngenossen zusammenzutreffen. Dem lebensfrohen, jugendfrischen Jubilar wünschen wir noch für viele Jahre turnerische Lebensfreude in seinem Eigenheim und Garten in Stade, Pulverweg 30.

 

 

Zum Nachdenken. Jubiläumsberichte ähnlich dem vorstehenden wären noch viele zu erstatten, wenn Raum und Zeit es zuließen; so aber gilt einer für viele. Sie wollen auch zumeist gar nicht genannt und gefeiert werden in ihrer turnerischen Bescheidenheit und in ihrem Stolz auf die turnerische Gemeinschaft. Max Schwarze hat in „Leben und Lehre“ 1926 köstliche Worte für das turnerische Innenleben gefunden: „Der turnerische Gedanke? Wir kennen ihn wohl, ihn und die leuchtenden Ziele, die er uns zeigt. In festlichen Stunden steht er zu Zeiten vor uns in seiner ganzen strahlenden Schönheit und ursprünglichen Kraft. In seinem Namen hüten wir die Gesundheit, die rotwangig-blühende der Kindheit, die trotzig, überschäumende der Jugendzeit, die in sich selber sichere der Vollkraftjahre und die haushälterisch-bedächtige des späten Alters“. Der Rückblick auf 50 Jahre so reichen Turnerlebens ist wahrlich ein Jubiläum. Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 16   Siegfried Perrey leitet Lehrgang der Nationalelf

Siegfried Perrey wird am 2. Juni 1954 in München-Grünwald einen Lehrgang leiten, durch den die deutsche Frauen-Handball-Nationalmannschaft auf das Länderspiel gegen Österreich am 5. Juni in Wien vorbereitet wird. Der DHB gibt damit seinem ehemaligen Spielwart, der vor einigen Monaten wegen Verwendung städtischer Gelder zu nicht vorgesehenen Zwecken unerwartet zwei Monate Gefängnis erhielt, eine Chance, die er auf Grund der großen Verdienste, die er sich um den deutschen Handball erworben hat, sicherlich verdient.

 

Wie DSB- und DHB-Präsident Willi Daume hierzu feststellt, wird Siegfried Perrey, den „stets ein hoher Idealismus“ und auch Opferbereitschaft im Dienste des deutschen Handballs beseelt hat“, als Sportlehrer beim Pfälzischen Handballverband wirken und vom DHB verschiedentlich zur Schulungsarbeit herangezogen.

 

 

ASCO-Treffen in Hamburg

An den LA-Meisterschaften am 7. und 9 August 1954 in Hamburg wird sich auch die Sportvereinigung ASCO-Königsberg e. V., beteiligen. Die internen Wettkämpfe der „Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten“ werden am Freitag, den 6 August um 1 Uhr in Hamburg ausgetragen. Der ASCO-Kameradschaftsabend findet im Sylldorfer Hof unmittelbar nach den Meisterschaftskämpfen am Sonnabend statt.

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