Ostpreußen-Warte, Folge 05 vom Mai 1958

Ostpreußen-Warte

Folge 05 vom Mai 1958

 

Seite 1   Sterbende Städte in Ostpreußen. 650 Jahre Geschichte mit einem Federstrich ausgelöscht / Tausende Hektar liegen brach.

In der polnischen Zeitschrift „Warmia i Mazury" wird der allgemeine Verfall der Kleinstädte des Kreises Braunsberg/Ostpreußen eingehend geschildert. So heißt es über Wormditt, dass die dortige Situation keinerlei Optimismus erwecke, denn „die Bilanz ist so düster wie überall!" Seit Kriegsende wurde in der Stadt Wormditt kein einziger Wohnraum gebaut. In derselben Zeit verfielen jedoch zahlreiche Häuser, oder sie wurden abgetragen. Vor dem Kriege wies die Stadt drei Krankenhäuser auf,— heute dagegen besteht kein einziges mehr.

 

In dem benachbarten Städtchen Mehlsack dagegen ist wohl ein Krankenhaus vorhanden, doch werden dessen 70 Räume gegenwärtig — von drei Familien „wild" bewohnt. „Wenn das Tempo der Devastierung anhält, werden in wenigen Jahren bestenfalls noch die Mauern des Krankenhauses stehen", bemerkt der polnische Berichterstatter in bitterer Resignation. Mehlsack habe den Charakter einer Stadt verloren und sei heute nur noch eine Dorfgemeinde. Die Zahl der Einwohner von Mehlsack sei von 6400 vor dem Kriege auf 1500 heute abgesunken. Dazu schreibt der polnische Berichterstatter: „Eine Stadt, die vor dem Kriege größer war als manche Kreisstadt in Zentralpolen, wurde mit einem Federstrich degradiert! Mit einem unbedachten Federstrich wurden die 650 Jahre Geschichte dieser Stadt ausgelöscht; die aus dem 14. Jahrhundert stammende Stadtmitte verschwand einfach von der Oberfläche der Erde! Das Städtchen zerfällt heute im genauesten Sinne des Wortes. Das Dutzend reparaturbedürftiger Gebäude dürfte bei dem Fehlen von Baumitteln schon in ein bis zwei Jahren nur noch einen Trümmerhaufen darstellen“.

 

Der Kreis Braunsberg, zu dem die Städte Wormditt, Frauenburg und Mehlsack gehören, habe vor dem Kriege zu den reichsten der Provinz gehört, heißt es in dem polnischen Bericht weiterhin; aber heute sei von Reichtum keine Rede mehr. Tausende von Hektar fruchtbaren Bodens, der zu dem besten der „Wojewodschaft" gehöre, liegen brach, weil es an Wirtschaftsgebäuden fehle. Auch vernichteten neuerdings Überschwemmungen weitere viele tausend Hektar Ackerland, Überschwemmungen, die die Folge falsch geplanter Meliorationen sind. In die Entwässerung habe man riesige Summen gesteckt, aber das Geld habe buchstäblich der Sumpf verschlungen; die Reparaturen an den Drainage-Einrichtungen erwiesen sich als wirkungslos. Braunsberg selbst schließlich habe seine Verbindung zur See völlig verloren, obwohl es vor dem Kriege für die Fischerei, den Personen- und den Güterverkehr eine beachtliche Rolle gespielt habe.

 

Seite 1   Foto: Masuren. Das Land der dunklen Wälder und kristallenen Seen, ein Wander- und Ferienparadies einmaliger Schönheit. Foto: Fischer

 

Seite 1   Nicht durch Atomkanonen. Von Richard Kinat, MdB.

In einem Artikel in der „Fränkischen Tagespost", Nürnberg, wendet sich der ostpreußische Bundestagsabgeordnete Richard Kinat gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr, da seiner Meinung nach damit die letzte Möglichkeit einer friedlichen Rückkehr der Heimatvertriebenen verspielt würde. Es ist erfreulich, aus dem Munde eines Vertriebenenpolitikers einmal eine dem allgemeinen Sprachgebrauch so gegensätzliche Stimme zu hören; wir möchten sie unseren Lesern nicht vorenthalten.

 

Wenn Adenauer eines Tages nicht mehr Chef der Bundesregierung wäre — die Vertriebenen und Flüchtlinge würden seinem Abgang die wenigsten Tränen nachweinen. Denn sie sind die ersten Leidtragenden seiner Politik: Ihr „Recht auf Heimat", als Phrase oft genug von der Regierung und ihrem „alten Manne" strapaziert, rückt mit jedem Tag weiter ab von seiner Erfüllung. Von den Unzulänglichkeiten im Lastenausgleich gar nicht zu reden und von der missratenen „Eingliederung".

 

Vertriebene wie Sowjetzonenflüchtlinge, denen das Recht auf Heimat so viel bedeutet, werden nun, nach der Atomdebatte im Bundestag, feststellen müssen, dass die Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte kaum noch eine Chance hat. Welcher Sprecher der Koalitionsparteien kümmerte sich schon um das Anliegen der Vertriebenen und Flüchtlinge, einmal wieder heimzukehren, als er die nukleare Aufrüstung der Bundeswehr forderte? Dafür war zuvor im Plenarsaale des Bundeshauses jene fürchterliche Entgleisung des Präsidenten der Landsmannschaften, Baron von Manteuffel-Szoege, zu hören, der die Bolschewisten als das Urböse mit Atombomben ausrotten will...

 

Die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, erkennen heute klarer denn je, dass ihnen die Politik Adenauers kaum das Recht auf Heimat verbürgt. Jenen Kräften, die einer gesunden und gerechten Vertriebenenpolitik auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet entgegenwirken, ist freilich der sich auf Atombomben orientierende Regierungskurs ebenso sympathisch wie den Verzichtpolitikern: Beide Gruppen sind nicht daran interessiert, dass die Vertriebenen und Flüchtlinge über einen Friedensvertrag wieder in ihre Heimat kommen. Von dieser Kanzlerpolitik haben sie nichts zu fürchten.

 

Dreizehn Jahre sind vergangen, ohne dass man den Vertriebenen und Flüchtlingen sagen könnte: Es kommt der Tag der Heimkehr, der Tag einer Lösung — wenigstens der brennendsten Fragen. Die Politik Adenauers ist dabei, alle Chancen für eine mögliche friedliche Regelung — und nur so eine darf und kann es geben — zu verlieren. Die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik wäre das Ende aller Hoffnungen auf eine gesamtdeutsche Lösung, die Voraussetzung ist für eine Regelung aller ausstehenden Territorialfragen.

 

Die Regierungskoalition versucht unentwegt der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass die Sowjetunion der Todfeind des deutschen Volkes sei — Adenauer hat das sogar einmal öffentlich gesagt. Wenn von Mitteldeutschland und den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie gesprochen wird, dann so, als habe es nie ein von allen Mächten geschlossenes Potsdamer Abkommen gegeben, als habe die Sowjetunion das Territorium bis an die Elbe im Zuge eines Gewaltstreichs besetzt. So ist es ja auch nicht. Natürlich können uns — und am wenigsten eben den Vertriebenen und Flüchtlingen — die sowjetischen Praktiken nicht gefallen, und es ist die erste nationale Aufgabe des deutschen Volkes, das geteilte Deutschland wieder zu vereinigen und darüber hinaus beharrlich für einen Friedensvertrag zu werben, der auch eine Lösung für das Problem der deutschen Ostgebiete bringt. Aber kann dieses Ziel über den Amoklauf eines Wettrüstens erreicht werden? Indem sich die Bundesrepublik vom Westen atomar bewaffnen lässt, ja, später vielleicht sogar selbst Atomwaffen produziert?

 

Es gibt nur den Weg der Verhandlungen. Und der braucht keinerlei Vorleistungen einzuschließen, die einen Verzicht auf Sicherheit und Freiheit zur Folge haben würden. Obwohl die Sozialdemokratie entschieden gegen den Eintritt der Bundesrepublik in die NATO war, so erkennt sie doch die Rechtsverbindlichkeit der einmal geschlossenen Verträge an — allerdings ohne auf die Möglichkeiten einer Modifizierung zu verzichten und ständig dafür einzutreten, die NATO durch ein besseres System kollektiver Sicherheit in Europa zu ersetzen.

 

Nichts aber steht in den NATO-Verträgen von einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr! Wird sie wirklich, gegen den Widerstand des Volkes, durchgeführt, dann wird das ungelöste deutsche Problem bis zum Zerreißen weiter angespannt. Wer die Adenauersche Außenpolitik und Rüstungspolitik bejaht, der sollte jedenfalls daran denken, dass mit ihr Wiedervereinigung und Friedensvertrag in unerreichbare Fernen rücken. Solange Adenauer regiert, schwinden die Aussichten der Vertriebenen und Flüchtlinge, einmal wieder — und zwar auf dem einzig möglichen friedlichen Wege — nach Hause zu kommen, hoffnungslos dahin.

 

Seite 1   „Woche der Westgebiete"

In der Zeit vom 9. bis 16. Mai veranstaltet die polnische Gesellschaft für die „Entwicklung der Westgebiete" in Breslau eine „Woche der Westgebiete". Die Propagandaveranstaltungen sollen dazu dienen, die polnische Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es sich bei den „Westgebieten um urpolnisches und von den Deutschen zeitweise okkupiertes Land" handelt. Die Popularisierungsversuche des Problems der polnischen „Westgebiete" finden zur Zeit in ganz Polen statt. Die Veranstalter beschlossen außerdem, Breslau „als eine Stadt, die besonders mit den Anfängen der polnischen Geschichte verbunden ist", zu einem der wichtigsten Zentren der bevorstehenden 1000-Jahrfeier Polens zu machen.

 

Seite 1   Sejm-Abgeordneter beschuldigt polnische Regierung

Der katholische Sejm-Abgeordnete Stomma hat im „Tygodnik Powszechny" der polnischen Regierung vorgeworfen, für ihre künftige Deutschlandpolitik keine Konzeption bereit zu halten. Stomma warf der Regierung weiteihin vor, sich gegenüber friedensbereiten Strömungen in der westdeutschen Bevölkerung „passiv zu verhalten". Die Gomulka nahestehende Zeitschrift „Polilyka" hat diese Vorwürfe mit der Behauptung zurückgewiesen, dass eine neue Konzeption polnischerseits nicht nötig sei, weil Polen in seiner Deutschlandpolitik sowohl die Existenz der DDR als auch den Teil der öffentlichen Meinung Westdeutschlands berücksichtige, der eine Verständigung mit Polen wolle.

 

Seite 1   Polnische „Patenschaft"

Im Rahmen der „Patenschaft", die Warschau über die „Wojewodschaft" Allenstein übernommen hat, sind folgende „Betreuungsmaßnahmen" vorgesehen. Warschauer Fachleute sollen sich in Ostpreußen ansiedeln, Industriebetriebe sollen eine enge Zusammenarbeit anknüpfen, Warschau soll den Städten Ostpreußens in Fragen der Kommunalverwaltung helfen, und die Schulen der polnischen Hauptstadt sollen mit denen im Ermland und in Masuren Kontakt pflegen. Des Weiteren sollen möglichst viele Einwohner Warschaus ihre Ferien in diesem Jahre in Masuren verbringen. — Andererseits sollen Bewohner der „Wojewodschaft" Allenstein zu wichtigen Veranstaltungen nach Warschau eingeladen werden.

 

Seite 1   Lockangebote für polnische Neusiedler

Die Volksrepublik Polen, die gegenwärtig einen Teil des Landes der nur mit Defiziten zu bewirtschaftenden Staatsgüter in den Oder-Neiße-Gebieten zum Verkauf stellt, macht bäuerlichen Interessenten den Erwerb des Bodens durch zahlreiche Vergünstigungen besonders schmackhaft. Abgesehen davon, dass die Bodenpreise in den Oder-Neiße-Gebieten weit unter denen für gleichwertigen Acker in Zentralpolen liegen, erhalten die Kauflustigen von der Warschauer Regierung auch die Zusage, für mindestens drei Jahre von der Steuerzahlung und für zwei Jahre von den Pflichtablieferungen befreit zu werden. Wie die Londoner polnische Zeitung „Dziennik polski" zu berichten weiß, können diese Zeiträume sogar noch verlängert werden. Auch erhalten die Käufer von Staatsgut-Ländereien Prioritäten bei der Zuerkennung von Krediten zugesprochen, die dem Einkauf von landwirtschaftlichen Maschinen und Vieh dienen.

 

Seite 2   „Sonderzulage West" gegen Abwanderung. Die polnische Presse fordert Maßnahmen zur Eindämmung der Rückwanderungsbestrebungen.

Zum ersten Male ist in der polnischen Presse die Gewährung einer „Sonderzulage West" für alle diejenigen Polen gefordert worden, die in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten arbeiten oder in diese Gebiete umsiedeln. Diese Forderung wird von der in Grünberg, Nieder-Schlesien, erscheinenden polnischen Zeitung „Gzeta Zielonogorska" erhoben, und zwar mit der Begründung, dass viele Polen alles täten, um eine Umsiedlung in die Oder-Neiße-Gebiete zu vermeiden.

 

Auch jeder tüchtige Fabrikdirektor strebe danach, alsbald von seinem Posten in den Oder-Neiße-Gebieten abberufen und nach Warschau versetzt zu werden. Man könne sich also nicht wundern, wenn dann auch dessen Nachfolger wieder „auf den gepackten Koffern sitzen bleibt" in der Erwartung, die „Westgebiete" wieder verlassen zu können. Die gleiche Verhaltensweise sei auch bei Künstlern und Schriftstellern zu beobachten. Aus diesem Grunde empfiehlt das polnische Blatt die Einführung einer allgemeinen Gehaltszulage für alle diejenigen, die sich in den Oder-Neiße-Gebieten aufhalten.

 

Dass aber auch durch eine solche „Sonderzulage West" die Rückwanderungsbestrebungen der polnischen Einwanderer kaum eingedämmt werden dürften, gibt die „Gazeta Zielonogorska" im gleichen Bericht zu erkennen; denn es wird außerdem über ein Gespräch in der Eisenbahn berichtet, in dessen Verlauf eine Frau ihrer Gesprächspartnerin gegenüber zum Ausdruck brachte, sie möchte nicht einmal dann in den Oder-Neiße-Gebieten wohnen, wenn man ihr ein Monatsgehalt von 5000 Zloty anbieten würde.

 

Die in Breslau erscheinende polnische Zeitung „Gazeta Robotnicza" macht ihrerseits den Vorschlag, dass den polnischen Einwohnern der Stadt Breslau Goldmedaillen verliehen werden sollten, falls besondere Verdienste um die Stadt vorlägen. Eine solche Maßnahme könne dazu beitragen, „das Gefühl der Verbundenheit mit der Stadt dauerhaft zu machen".

 

Seite 2   Hochwasserkatastrophe

Für mindestens ½ Milliarde Zloty Schaden entstanden nach amtlichen polnischen Schätzungen durch eine Hochwasserkatastrophe in der Weichselebene von einem bisher kaum dagewesenen Ausmaß. Der Umfang der Katastrophe, durch die etwa 30 000 ha Acker überflutet wurde, ist auf die völlige Vernachlässigung von Deichbauten und Überschwemmungsschutz zurückzuführen. Am Unterlauf der Weichsel bemühte man sich in den letzten Tagen verzweifelt, die verrotteten Deiche zu befestigen und Sandsackbarrieren zu errichten. Das Rote Kreuz der Bundesrepublik hat dem Polnischen Roten Kreuz in Warschau telefonisch seine Hilfsbereitschaft für die Opfer der Hochwasserkatastrophe angeboten. Das Polnische Rote Kreuz hat gleichzeitig mit seinem Dank für das Angebot mitgeteilt, dass es konkrete Wünsche übermitteln wird, sobald es die Umstände erfordern.

 

Seite 2   Sowjets lehnten „Reisebegleiter" ab. Offene Kritik an den Zuständen in den Oder-Neiße-Gebieten.

Beamte der sowjetischen Botschaft in Warschau haben in den vergangenen Wochen zahlreiche „Informationsreisen" durch die polnisch verwalteten Oder-Neiße-Gebiete unternommen, „um sich über den Stand des Wiederaufbaus der polnischen Westgebiete" zu unterrichten. Wie hierzu verlautet, widmet die Sowjet-Botschaft in Warschau den polnisch verwalteten Oder-Neiße-Gebieten ihre volle Aufmerksamkeit und fordert von den Kommissionen der Warschauer Regierung und des Parlaments ständig die Veröffentlichungen über „Probleme der Westgebiete" an. Während ihrer letzten Reisen durch die Oder-Neiße-Gebiete machten die Beamten der Sowjet-Botschaft zahlreiche fotografische Aufnahmen in Ostpommern, Ostpreußen und Niederschlesien. Ein Angebot des Warschauer Außenministeriums, den Beamten der Sowjet-Botschaft polnische „Reisebegleiter" zur Verfügung zu stellen, die den sowjetischen Beamten „interessante Objekte" zeigen sollten, war von der Sowjetbotschaft abgelehnt worden. Die Beamten der Sowjetbotschaft interessierten sich, wie mitgeteilt wurde, insbesondere für den Zustand der Kulturdenkmäler, den Wohnungsbau und für Verkehrsprobleme. Bei Zusammenkünften mit örtlichen polnischen Verwaltungsfunktionären äußerten sich die sowjetischen Beamten kritisch über die allgemeinen Zustände in den Oder-Neiße-Gebieten sowie über die „auffallende mangelhafte Sorge um die landwirtschaftlichen Nutzflächen".

 

Seite 2   „Arbeiterstimme" nur noch wöchentlich

Die in Breslau erscheinende „Arbeiterstimme", die einzige deutschsprachige Tageszeitung in Polen und den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten, wird vom 1. Mai an nur noch als Wochenzeitung fortgeführt werden. Diese Einschränkung wird vom Verlag damit begründet, dass die Zahl der in den Oder-Neiße-Gebieten noch lebenden Deutschen durch die Familienzusammenführung in den letzten drei Jahren so weit zurückgegangen ist, dass die Aufrechterhaltung einer deutschsprachigen Tageszeitung nicht mehr nötig und auch wirtschaftlich nicht mehr möglich sei. Die „Arbeiterstimme" war vor sieben Jahren erstmalig ebenfalls als Wochenzeitung erschienen und vor drei Jahren zu einer Tageszeitung umgebildet worden. Die Redaktion will sich auch in Zukunft „die Sorge um die Belange der Deutschen in Polen sowohl in kultureller als auch in materieller Hinsicht" zur Aufgabe machen.

 

Seite 2   Das „Danziger Experiment“

Die drei Danziger Strandbäder Brösen, Glettkau und Heubude sollen ebenso „europäisiert" werden, wie das Strandbad Zoppot, berichtet die in Danzig erscheinende polnische Zeitung „Glos Wybrzeza". Auch diese Bäder dürften „in keiner Hinsicht hinter den berühmten Seebädern zurückstehen". Im Augenblick allerdings seien diese Badeorte vollkommen verwahrlost, so dass man sich geradezu „schämt, jemandem den gegenwärtigen Zustand vor Augen zu führen", zumal dieser „hinsichtlich der wirtschaftlichen Fähigkeiten, sowie Ordnungsliebe und Sauberkeit der Polen ein unrühmliches Zeugnis ablegt". In Brösen seien beispielsweise auch sämtliche Holzbauten völlig verfault. Die Besserung der Zustände stelle das „Danziger Experiment" dar, das auf alle Fälle gewagt werden müsse.

 

Die gleiche polnische Zeitung berichtet in einer weiteren Ausgabe von dem Verfall der berühmten „Vorlaubenhäuser" in der Danziger Niederung. „Glos Wybrzeza" stellt fest, dass man nichts getan habe, um diese Bauernhäuser vor dem Verfall und der Zerstörung zu bewahren, und appelliert an die polnischen Verwaltungsbehörden, sie dürften es nicht zulassen, dass auch noch die letzten dieser Vorlaubenhäuser „dem Zahn der Zeit zum Opfer fallen".

 

Seite 2   Deutsche Stadtwappen — auf polnischen Briefmarken

Auf einer Tagung der Gdingener Ortsgruppe der polnischen Propaganda-Organisation „Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete" wurde im Hinblick auf die geplanten Tausendjahrfeiern Polens beantragt, eine Serie von Briefmarken mit den Wappen der ostdeutschen Städte, Danzig, Zoppot, Stolp, Lauenburg usw. herauszubringen.

 

Seite 2   Düstere „Orbis“-Prognosen für 1958

Entgegen früheren Ankündigungen erweisen sich die jetzt seitens der staatlichen polnischen „Orbis“-Reisegesellschaft für die Sommersaison 1958 vorliegenden Pläne für den Gesellschaftsreise-Verkehr mit dem Ausland als überaus bescheiden. Nur insgesamt 9000 Privilegierte werden mit Hilfe der Orbis-Gesellschaft Auslandsreisen antreten können, hiervon nicht einmal die Hälfte nach westlichen Ländern. Brüssel ist in Verbindung mit der diesjährigen Weltausstellung eines der Hauptziele im Westen. Die Kosten dorthin betragen für eine 10-tägige Fahrt 6000 Zloty! Die deutsche Sowjetzone wird von 200 Personen besucht werden können, Italien von 80 Personen, Griechenland von 50 Personen (Kosten: 9000 Zloty).

 

Auch umgekehrt, d. h. in Polen selbst, erwartet man mit ca. 15 000 Touristen weit weniger Ausländer, als ursprünglich angenommen und propagiert worden war. In den Oder-Neiße-Provinzen hat „Orbis" nur in einigen wenigen Städten bzw. Kurorten Hotelplätze für westliche Touristen und Erholungsuchende belegt, so z. B. in Breslau, Kudowa, Bad Landeck. Die Preise für Unterbringung und Verpflegung liegen zwischen 9 und 14 Dollar täglich.

 

Seite 2   Viehhaltung in Wohngebieten

Die Danziger Zeitung „Dziennik Baltycki" wendet sich gegen die Gepflogenheiten der nach Danzig gezogenen ostpolnischen Repatrianten, riesige Mengen von Haustieren und Pelztieren in den städtischen Wohnbereichen unter den primitivsten Verhältnissen, in provisorischen Hütten und Verschlagen zu halten. Die Wohnverhältnisse in Danzig seien äußerst beengt, die Stadt beherberge außerdem Tausende von Hoch- und Fachschülern, und die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten sei aus diesem Grunde besonders groß. Die Viehhaltung in der Stadt schaffe „wahre Brutstätten für Ratten und Fliegen". Bei einer Kontrolle der Höfe von 940 Wohnblocks in Danzig waren nur 17 in einem einwandfreien Zustand; dagegen waren 299 Höfe „furchterregend dreckig".

 

 

Seite 2   Reparaturhafen Gdingen

Polen beginnt, langsam in den Kreis der schiffbauenden europäischen Nationen aufzurücken. Nach Meldungen aus Warschau wurden im vergangenen Jahr in Gdingen an 123 ausländischen Schiffen regelmäßig Überholungen im Wert von 55 000 Dollar durchgeführt. Es handelt sich um Schiffe unter den Flaggen Liberias, der USA, der Bundesrepublik, Finnlands, Großbritanniens, Hollands, Norwegens, Italiens, der DDR, Costa Ricas und der Tschechoslowakei. Erwähnenswert ist, dass die britischen Schiffe „Baltic Swift" und „Baltrover" von der Werft nach den Grundsätzen der Ausschließlichkeit gewartet werden.

 

Seite 2   PRESSESPIEGEL

Gesamtdeutsch zu denken — nicht so einfach

„Es ist heute nicht so einfach, gesamtdeutsch zu denken. Die provisorischen Staatsgebilde diesseits und jenseits der Elbe tragen die Tendenz zu endgültigen Staaten in sich. Wir lehnen diesen Anspruch leidenschaftlich ab, wenn er uns von drüben entgegentritt und von Ostberlin oder Moskau präsentiert wird, und wenn wir darauf hingewiesen werden, dass es sich bei dem kommunistischen Regime in Mitteldeutschland um einen souveränen Staat handeln soll. Wir vergessen aber darüber leicht dass es fast schon staatsgefährlich zu werden beginnt von einem Provisorium in Bonn zu sprechen, obwohl man sich dabei, wenigstens vorläufig noch auf den Wortlaut des Grundgesetzes stützen kann. Aber auch bei uns ist die Tendenz, das Provisorische unseres Staatswesens, das durch die Teilung des Volkes bedingt ist, zu einem Endgültigen werden zu lassen, im Wachsen begriffen. Deshalb ist es, wie gesagt, nicht so einfach, gesamtdeutsch zu denken. DIE WELT

 

Entmächtigung Deutschlands

Von einer Atombewaffnung, die diesen Namen verdient, ist überhaupt keine Rede. Die Bundesrepublik bekommt die Schale einer solchen Bewaffnung (ein paar Geschosse, die für Atomladungen bestimmt sind), aber sie bekommt nicht den Kern: die freie Verfügung über Atomsprengköpfe. Die Bundesregierung will nach den Worten des ‚dynamischen' Verteidigungsministers, Franz Joseph Strauß, dieses Verfügungsrecht gar nicht haben und hofft mit Hinweisen auf diese Selbstbeschneidung die Vorwürfe der Opposition zu entkräften. Vorwürfe, die Bundesrepublik plane einen bewaffneten Alleingang mit Atomraketen, lassen sich auf diese Weise gewiss entkräften. Aber wer denkt denn ernsthaft an so was? Vorwürfe, die Regierung verzichte mit dem Ja zur Atomintegration auf das letzte Stück politischer Selbständigkeit, wiegen dafür umso schwerer. Die ‚Matadore', die der Bundesverteidigungsminister aus Amerika importieren möchte (ohne nukleare Sprengköpfe, versteht sich), sind nur in einer Richtung einsatzfähig, in Richtung auf den Rapacki-Plan und alle anderen Vorschläge zur Lockerung des politischen Clinchs der Großmächte. „Am Boden zerstört“ werden soll mit diesen Waffen jeder Gedanke an einen selbständigen deutschen Beitrag zu einer internationalen ‚Entflechtung' und damit der letzte Widerstand gegen die totale deutsche Entmächtigung. Der Bundestag hat dazu seine Hand gereicht; aber wusste er, was er tat?" DIE TAT, Zürich

 

Wiedervereinigungs-Heuchler

„Der Zweite Weltkrieg ist in Europa nicht vergessen. Man kann die Lage in Europa als Gesamtheit nur verstehen, wenn man die wachsende Furcht vor einer deutschen Vorherrschaft berücksichtigt. Das bewirkt in der Praxis, dass es schwer ist, in Europa einen Menschen zu finden, der die Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands nicht so lange wie nur irgend möglich hinausschieben möchte. Es kommt da zu seltsamen Erscheinungen. Vor der Öffentlichkeit klammern sich diejenigen, die mit dem Westen verbunden sind, an die Dulles-Adenauer-Formel: Freie Wahlen für die Wiedervereinigung. Aber sie tun das keineswegs, weil sie an dieses Rezept glauben, sondern weil sie im Gegenteil wissen, dass Deutschland auf diese Weise nicht vereinigt werden kann . . .

 

Der Niedergang des amerikanischen Einflusses in Europa wird meiner Meinung nach so lange andauern, wie unsere amtlichen Vorstellungen von der Zukunft Deutschlands und Osteuropas aus jenen Illusionen und Klischeevorstellungen bestehen, die Eisenhowers Regierung von der Truman-Regierung geerbt hat. Denn diese Illusionen gehören in eine Zeit, in der das Gleichgewicht der Kräfte und die Technik von Krieg und Diplomatie ganz und gar verschieden von dem waren, was sie heute sind“. HAMBURGER ABENDBLATT

 

Urnotstand des Menschen

„Die große Gewissenserforschung, vor der die Menschheit seit 13 Jahren die Flucht ergriffen hat, weil sie durch die „Hölle der Analyse" ihrer Schuld nicht hindurchschreiten will, kommt mit Riesenschritten auf uns zu. Vielleicht ist unserem Volk die Aufgabe gestellt, einen entscheidenden Beitrag zur geistigen Rückbesinnung vor dem monströsen Gegenstand zu leisten, vor dem wir uns mitsamt unserer Logik, unserer Vernunft, unserer Christlichkeit, ja mit unserem nackten Selbsterhaltungstrieb zu prostituieren scheinen. Der Notstand, in dem wir uns befinden und dessen Konturen wir erst einmal nach allen Seiten in unser Bewusstsein zu erheben haben, ist mit keinem der regulären und überkommenen Notstandsvorstellungen vergleichbar. Es ist der Urnotstand des Menschen, der Totalnotstand einer Nation überhaupt, da er sich als extraordinärer Bestandsnotstand des Ganzen erweist und alle Individualnotstände des Einzelnen vor dem Gegenstand kollektiv in sich schließt. Auch für den Notstands-Begriff gilt, dass hier die Quantität in die Qualität umgeschlagen ist“. NEUE POLITIK, Hamburg

 

Donnernd dem dritten Weltkrieg entgegen

„Es kann jetzt gesagt werden, dass nicht einmal oder zweimal, sondern viele Male Maschinen des Strategischen Luftkommandos der Vereinigten Staaten mit Wasserstoffbomben beladen donnernd gegen den Himmel in Richtung Sowjetunion und dritten Weltkrieg aufstiegen. Das Signal, das sie auf den Weg sandte, war ein Funkspruch von einer der Stationen der ,Dew Linie', dem durch Kanada laufenden Vorwarnsystem, dass sich ein Schwarm unbekannter Flugobjekte, wahrscheinlich sowjetische Raketen, auf halbem Wege des tödlichen Halbstunden-Fluges nach den Vereinigten Staaten befinde. In jedem Falle erwies sich der Alarm als falsch. . . Diese haarsträubende Enthüllung der dünnen Scheidewand zwischen Krieg und Frieden zwischen dem Sein und Nichtsein der Menschheit geht aus einem Bericht der United Press hervor … Angenommen, die Sowjets entdecken unsere Maschinen, bevor wir unseren Irrtum erkennen? Haben sie (die Sowjets) einen unfehlbaren Plan, unseren Irrtum gutzumachen? Wir haben nichts davon gehört. Alles, was wir wissen, ist, dass menschliche Wesen nie vollkommen sind, dass sich das Strategische Luftkommando (SAC) aus menschlichen Wesen zusammensetzt und die Menschheit nicht gegen Unfall versichert ist“. NEW YORK POST

 

Seite 2   Frhr. v. Witzleben gestorben

Der Ehrensprecher der Lm. Weitpreußen, Erik v. Witzleben (Lübeck), verstarb nach schwerer Krankheit am 12. April 1958. In ihm verliert die landsmannschaftliche Bewegung einen der Ältesten und treuesten Mitschöpfer und Mitarbeiter. Sein kluger Rat hat gerade in der Gründerzeit der Landsmannschaften viel zum Gelingen unseres Werkes beigetragen. Sein Andenken wird unvergessen bleiben und uns Mahnung und Ansporn sein.

 

Seite 2   Tanz auf dem Vulkan.

Wir haben uns so daran gewöhnt, jede Aktion der Sowjets auf dem Felde der internationalen Politik als Propagandaschlager zu betrachten, dass ein großer Teil der öffentlichen Meinung in der Welt auch bei dem jüngsten Vorstoß im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sofort wieder mit dieser Erklärung bei der Hand ist. Und was Propaganda ist, wird nicht ernst genommen, kann man mit einer Handbewegung abtun. Es lohnt sich nicht einmal, sich auch nur in Gedanken damit zu beschäftigen. Gehen wir zur Tagesordnung über.

 

Wie aber, wenn es sich nicht um Propaganda, sondern um blutigen Ernst handelt? Dann bekommen die Worte Gromykos, die Sowjetunion sei mehrfach „um Haaresbreite" dem Entschluss nahe gewesen, angesichts der gegen ihre Grenzen fliegenden Atombomber einen Gegenschlag auszulösen, eine ominöse Bedeutung. Wir wissen seit einiger Zeit, dass auch die Amerikaner einmal, als ein nicht identifiziertes Objekt auf einem ihrer Radarschirme erschien, kurz davor waren, auf den Knopf zu drücken, der den Atomkrieg auslöst. Zu leicht vergisst man, dass wir unter Umständen leben, die keinerlei Vergleich mit früheren Krisenzeiten zulassen. Noch zur Zeit des Zweiten Weltkrieges konnte man warten, bis der Gegner einen Schlag führte, denn er konnte mit ihm immer nur einen kleinen Teilerfolg erringen, beileibe nicht den Krieg entscheiden, bevor die Gegenwehr wirksam wurde. Heute wäre der erste Überraschungsschlag, den eine Atommacht mit Atom- und Wasserstoffbomben führt, so furchtbar, dass die Gegenwehr praktisch schon erfolgen müsste, ehe der beabsichtigte Schlag des Gegners niedergegangen ist.

 

Eine solche Situation muss, das ist psychologisch gar nicht anders möglich, bei den für die Landesverteidigung verantwortlichen großen und kleinen Militärs beider Seiten zu einem Stadium höchster nervöser Dauerspannung führen. Wer die Gefahr nicht sehen will, die darin für die ganze Menschheit liegt, ist einfach blind. Wir leben alle wie im tiefsten Frieden dahin, und in Wirklichkeit kann zu jeder Stunde aus heiterem Himmel der vernichtende Schlag fallen, weil irgendeiner der Tausende von Soldaten, die an diesem makabren Spiel mit den Höllenbomben täglich beteiligt sind, die Nerven verliert.

 

Vielleicht wollten die Sowjets mit ihrem Schritt nichts anderes, als die Weltöffentlichkeit, die so ruhig schläft, einmal in recht drastischer Form auf diese Tatsachen aufmerksam machen. Es gibt auf die Drohung, unter der die ganze Welt lebt, keine andere Antwort als die Abschaffung der Atomwaffen und die Vernichtung der angelegten Vorräte unter einer internationalen Überwachung. Ringt sich die Welt dazu nicht in Kürze durch, dann ist bald ewige Nacht. P. L.

 

Seite 3   Sensburg – Stadt der deutschen Kinder. Deutsche Eltern sollen Mädchen und Jungen nachträglich polnische Namen geben

Eine neue Etappe des polnischen Volkstumskampfes hat in der ostpreußischen Kreisstadt Sensburg begonnen. Die Woiwodschaftsregierung in Allenstein hat sich dafür diese Stadt ausgesucht, weil Sensburg einen sehr hohen deutschen Bevölkerungsanteil hat. Zwar wurden auch aus Sensburg, das vor dem Kriege nahezu zehntausend Einwohner zählte, viele Deutsche vertrieben. In den Jahren nach 1945 aber kamen nach hier viele Deutsche aus anderen ostpreußischen Gebieten, teils als Flüchtlinge aus dem sowjetisch besetzten Norden, teils als freiwillige oder von den Polen verpflichtete Zuwanderer. Bis die Familienzusammenführung begann, kamen zeitweise auf jeden polnischen Siedler in Sensburg zwei Deutsche! Heute ist das Verhältnis etwa eins zu eins.

 

Der polnischen Verwaltung scheint es nun nicht zu passen, dass die vielen ostpreußischen Familien hier sehr kinderreich sind. Radio Danzig sprach erst in diesen Tagen von Sensburg als „Stadt der autochthonen Kinder". Da die Polinisierungsversuche gegenüber der deutschen Bevölkerung noch immer wirkungslos sind, will man sich jetzt wieder einmal der Gewalt bedienen. So berichten Deutsche, dass sie mündliche und schriftliche Aufforderungen seitens der Standesämter bekommen, die deutschen Namen ihrer Kinder „abzuändern". Und zwar begründet man das mit dem Hinweis, „dass die Autochthonen die Pflicht haben, den Kindern den Übergang zum polnischen Stammvolk durch eine richtige Namensgebung zu erleichtern und sie nicht durch deutsch klingende Namen zu verwirren". Dabei ließ man es aber noch nicht bewenden!

 

In mehreren Fällen haben die polnischen Behörden schon von sich aus Namensänderungen vorgenommen, obwohl das auf Grund der bestehenden Vorschriften ungesetzlich ist. Diese Maßnahme wurde gegenüber solchen Kindern ergriffen, die „provozierende ausländische Namen erhalten haben". Bei den Mädchen rechnet man dazu folgende Vornamen: Adelgund, Edelgard, Ehrentraud, Freia, Gislinde, Heike, Helmtrud, Irmtrud, Krimhilde, Siglinde, Ute und Viktoria. Und bei den Jungen: Adolf, Armin, Dieter, Dietrich, Eckhard, Ehrenfried, Friedrich, Fürchtegott, Gerwin, Gisbert, Götz, Guntraum, Hagen, Knut, Markus, Roderich, Roger, Rüdiger, Siegfried, Volkhard, und Wolfhard. In diesen Fällen tragen die Standesämter einfach von sich aus „gute autochthone Namen“ ein und benachrichtigen die übrigen Behörden von dieser Änderung. So kommt es plötzlich, dass deutsche Kinder polnische Vornamen wie Jan, Andrzej, Ryszard, Zenon, Czelslaw, Jerzy, Feliks, Piotr, Wit, Stanislaw, Michalina, Celina, Alicja, Pelagia, Zofia usw. erhalten.

 

Wie aus Briefen Deutscher ersichtlich ist, lassen sie sich diese Umbenennung nicht gefallen. Es liegen bereits bei einem Verwaltungsgericht und der Staatsanwaltschaft Anzeigen wegen dieser Eigenmächtigkeiten der Behörden vor. Tatsächlich gibt es keinerlei gesetzliche Vorschriften, die für diese Maßnahme eine Handhabe bieten! Da auch schon polnische Anwälte die Interessenvertretung Deutscher übernommen haben, ist zu hoffen, dass der Polonisierung deutscher Namen bald ein Riegel vorgeschoben wird!

 

Selbst wenn das gelingen sollte, wird aber nicht zu verhindern sein, dass unsere Landsleute weiter in ihrem Deutschtum bedrängt werden. Offensichtlich wollen die polnischen Dienststellen die deutsche Insel Sensburg möglichst verkleinern, indem sie Optionen erreichen oder zumindest Betätigung in den „Organisationen der Autochthonen". Damit umschrieb man erst kürzlich den Versuch, durch Beeinflussung in sogenannten Einheimischen Zirkeln die Ostpreußen dem Polentum anzunähern. Es geht ihnen dabei in der Hauptsache um die deutsche Jugend. Musste diese auch unter mancherlei Zwang bzw. automatisch bei der Geburt die polnische Staatsbürgerschaft annehmen, so ist doch gerade in Sensburg ersichtlich, dass diese jungen Menschen weitgehend deutsch von ihren Eltern erzogen worden sind. Sie denken auch deutsch und machen sich mit den Polen nicht gemein. Die Jugendlichen der Stadt kann man sofort einteilen — das sind Polen oder das sind Deutsche. Meistens sprechen die deutschen Mädchen und Jungen ihre Muttersprache genauso fließend wie das Polnische. Und das alles sind die Faktoren, die die polnische Verwaltung unbedingt ändern möchte.

 

Dabei ist die einigermaßen erträgliche Lage der Kreisstadt heute nicht zuletzt ein Verdienst der arbeitsamen Deutschen. Trümmerräumung, Wiederaufbau, Tätigkeit der Industrie usw. wäre den Polen ohne unsere Landsleute gar nicht möglich gewesen. Nicht zu vergessen ist auch mancher gute Ratschlag, den sich die Verantwortlichen der Polen insgeheim von den alten Einwohnern der Stadt holten, wenn es um Fachprobleme ging, die ein Zugezogener nur schwer zu übersehen vermag. Heute aber will man vergessen, dass die Deutschen der polnischen Verwaltung nie Schwierigkeiten gemacht haben. Sie wollten hier nur so leben, wie sie es von Hause gewöhnt sind. Darüber hinaus waren sie bereit, die polnische Verwaltung bis zum Abschluss eines Friedensvertrages als einmal gegeben hinzunehmen. Dieses Verhalten genügt den Polen aber anscheinend nicht. Sie wollen unsere Landsleute nun auch noch mit Haut und Haaren.

 

Wie ist das heutige Bild Sensburgs, das schon 1348 ein Ordenshaus besaß und Anfang 1400 zur Stadt wurde? Die Schätzungen über den Zerstörungsgrad im Krieg gehen ziemlich auseinander. Einmal wird gesagt, Sensburg habe an die sechshundert Häuser durch Zerstörungen verloren und sei folglich zu etwa fünfundvierzig Prozent vernichtet. Die Polen sprechen dagegen von nur „fünfhundert zerstörten Grundstücken". Jedenfalls kann man annehmen, dass die Kreisstadt zwischen einem Drittel und zur Hälfte Opfer der Kampfhandlungen wurde. Die Polen haben sich im Übrigen die Gelegenheit nicht entgehen lassen, in ihrer Propaganda eine Reihe falscher Pressenachrichten aus Westdeutschland über Sensburg auszunutzen. Auf einer Ausstellung „Revisionistenpresse lügt" zeigte man einige Photokopien westdeutscher Zeitungen, in denen die frühere Bevölkerungszahl der Stadt mit 12 000 und sogar mit 14 000 Personen angegeben wird (auf das letzte Vorkriegsjahr bezogen). Dem gegenüber sei die gegenwärtige Einwohnerzahl von 9000 Menschen unter den Polen sehr gering. Tatsache dagegen ist, dass Sensburg im Jahre 1939 zwischen 9000 und 10 000 Einwohner zählte und dass unter der polnischen Verwaltung diese Zahl wieder erreicht worden ist.

 

Natürlich verschwieg die Ausstellungsleitung, dass — als diese unrichtigen Angaben veröffentlicht wurden — es damals wegen der totalen Nachrichtensperre kaum Informationsmöglichkeiten aus Ostpreußen gab. Und dass die zu hohen Einwohnerzahlen wahrscheinlich auf die Kriegsjahre zurückzuführen sind, wo auch in Sensburg Evakuierte aus allen Teilen des Reiches aufgenommen worden waren. Die Ausstellung enthielt aber auch einen Fehler der Polen: sie behaupteten nämlich darin, dass Sensburg erst unter der polnischen Verwaltung zur Kreisstadt erhoben worden sei. Das war natürlich Unsinn, da Sensburg in ununterbrochener Folge seit dem Jahre 1818 eine deutsche Kreisstadt in Ostpreußen gewesen ist!

 

Doch wenden wir uns nun der Gegenwart zu. Da die Zahl der Wohnungen und Gebäude heute geringer ist als vor dem Kriege, aber gleichzeitig die alte Einwohnerzahl erreicht ist, herrscht in Sensburg permanente Wohnungsnot. Viele Polen, die sich hier ansiedeln sollten oder wollten, bekamen keine Unterkunft. Sie zogen daher in die Umgebung, wo die meisten Dörfer noch so wie früher aussehen und wo sehr wenig vernichtet ist.

 

Die Beseitigung der Schäden erfolgte in Sensburg in mehreren Etappen. Zuerst wurde die Aufräumung der zerstörten Viertel beschlossen. Das waren vor allem die Gegenden am Großen Markt, in der Hauptstraße und am Czoos-See. In diesen Bezirken sind sehr viele Gebäude verschwunden. Die Aufräumungsarbeiten erfolgten nach zweierlei Maßstäben: einmal der Planierung solcher Flächen bzw. Grundstücke, die sich zum Wiederaufbau eigneten oder dafür vorgesehen waren, und zum anderen die Trümmerräumung auf Grundstücken, die nicht wieder bebaut werden sollten.

 

Dabei überwogen allerdings solche Grundstücke, die vom Wiederaufbau nicht erfasst wurden. Auf allen diesen Flächen legten die Polen Grünanlagen an, soweit das die Lage gestattete. Die meisten neuen Parks finden wir heute am schon genannten Großen Markt. Das ist die einzige Stelle der Stadt, wo man Mühe hat, sich zurecht zu finden, weil sich viel verändert hat. Haben sich die Polen auch Mühe mit diesen Grünanlagen gegeben, so kann man doch darüber streiten, ob ihre Anlage für das Stadtbild und die Entwicklung Sensburgs günstig war. Wahrscheinlich blieb der polnischen Verwaltung aber gar nichts anderes übrig, weil Geld und Material für den Häuserneubau auch hier sehr knapp sind.

 

Das wird einem auch deutlich, wenn man die von Trümmern befreiten Grundstücke an der Hauptstraße und anderen Stellen sieht, die zum Wiederaufbau vorgesehen sind. Noch nicht einmal an einem Dutzend dieser Plätze sind inzwischen neue Gebäude entstanden! So bleiben diese Grundstücke vorerst liegen und bewachsen langsam mit Gras und Gestrüpp. Worin besteht nun eigentlich der Sensburger Wiederaufbau? Er beschränkt sich auf die Reparatur leicht beschädigter und renovierungsbedürftiger Häuser. Die Stadtverwaltung kann sich den Abbruch heiler Häuser nicht leisten — auch der Verfall unversehrter Gebäude muss verhindert werden, wenn man die Wohnungsnot nicht noch vergrößern will. So werden die meisten Wiederaufbaumittel für den vorhandenen Wohnraum eingesetzt.

 

Wurde auch der Verzicht der Stadtverwaltung, das Zentrum um den Großen Markt in eine Grünanlage zu verwandeln, von übergeordneten Stellen mehrfach kritisiert, so haben doch die getroffenen Maßnahmen auch ihr Gutes. Hat doch die Stadt erkannt, dass sie nie den Wiederaufbau im Zentrum in absehbarer Zeit durchführen kann. Darum hat man die geringen Investitionsmittel nicht am ohnehin untauglichen Objekt verplempert, sondern sich mit der Erhaltung des Vorhandenen begnügt. Dadurch wurden die sinnlosen Abrissaktionen verhindert, über die wir aus anderen ostpreußischen Städten leider schon so oft berichten mussten. Man kann daher unterstellen, dass sich die polnische Stadtverwaltung in Sensburg tatsächlich darum bemüht, der Wirklichkeit Rechnung zu tragen und die Substanz vor dem sonst üblichen Verfall zu retten. Anderenfalls hätte man nämlich alles Geld in den Aufbau des Zentrums stecken müssen — während dieser jahrelangen Arbeiten wäre kein Zloty in der Kasse gewesen, um leicht beschädigte oder vom Verfall bedrohte Häuser instand zu setzen Die Sensburger können also damit rechnen, dass die vom Krieg verschonten Häuser weitgehend erhalten bleiben und dass der Wiederaufbau neuer Gebäude — wenn auch nur sehr langsam — von statten geht .

 

Was ist sonst noch aus der Stadt an den Seen zu berichten? Viele Geschäfte haben den Krieg überstanden und sind auch heute wieder Läden. Wir würden uns aber über ihren Anblick wundern, denn diese Geschäfte gleichen heute von außen kleinen Gefängnissen! man hat nämlich gewaltige Gitter vor ihnen angebracht, um Langfingern ihr Handwerk zu erschweren. Natürlich ist auch die Kriminalität hier wie überall in Ostdeutschland sehr angestiegen. Im vergangenen Jahr registrierte man in der Stadt drei Morde, sechsundzwanzig schwere Raubüberfälle und mehr als hundert schwere Einbrüche. Die Diebstähle und die Unterschlagungsaffären gar nicht mitgezählt.

 

Nun auch einiges über bekannte Sensburger Bauwerke und Gebäude. Da ist einmal die evangelische Kirche, die schwerste Schäden im Kriege davontrug. Die zahlenmäßig starke deutsch-protestantische Gemeinde bemüht sich seit langem darum, dieses Gotteshaus wieder in seinen früheren Zustand zu versetzen. Dem stehen aber riesengroße Schwierigkeiten entgegen, die kaum bewältigt werden können. Interessieren wird es die von dort Vertriebenen auch, dass es heute in ihrer Heimatstadt ein großes Kinder- und Waisenhaus gibt. Es ist im ehemaligen Altersheim untergebracht und wurde vergrößert. In das Heim kommen Kinder aus allen zentralpolnischen Provinzen zur Ausbildung. Das Waisenhaus beherbergt sie bis zu dem Zeitpunkt, wo sie eine Lehre antreten können. Hier sollen sich auch einige deutsche Kinder befinden bzw. waren sie dort und wurden dann entlassen.

 

Der Stadtpark hat sich gegenüber unserer Zeit kaum verändert. Von der Stadtverwaltung ist es untersagt worden dort Bäume zu fällen. Die Miliz hat ein strenges Auge darauf, so dass der kleine Wald im Stadtpark kaum geschmälert ist. Unweit des Parks haben die Polen in einem Zweifamilienhaus ihre „Kulturelle Betreuungsstelle für Autochthone" eingerichtet. Die Besucherzahl im letzten Jahr wird mit 177 angegeben, was wohl alles sagt. Über den Stadtpark ragt auch noch wie früher der bekannte Sensburger Bismarckturm. Könnten wir ihn besteigen, so würden wir sehen, dass die den Park umgebenden Häuser fast alle erhalten sind. Sie sind durchweg von Polen bewohnt. Leer stehende Häuser oder Wohnungen gibt es hier so gut wie gar nicht. Dabei handelt es sich immer um Ausnahmefälle.

 

Am Czoos-See sind inzwischen einige wenige Neubauten entstanden. Und zwar erst in letzter Zeit. Fallengelassen wurde der Plan, hier eine moderne Schule mit Unterricht im Freien während der warmen Jahreszeit zu bauen. Die Mittel reichen nicht. Die deutschen Kinder müssen mit den polnischen gemeinsam zur Schule gehen. Zeitweise hagelte es Strafbefehle, weil 580 deutsche Familien ihre Mädchen und Jungen nicht in die polnischen Lehranstalten schickten und eine eigene Schule für sie wie in Schlesien und Ostpommern forderten. Das konnte aber nicht durchgesetzt werden.

 

Was den industriellen Sektor betrifft, so ist zu sagen, dass die Bau- und Holzwirtschaft am besten ausgebaut ist. Es gibt mehrere Baubetriebe. Auch die Sägewerke sind wieder in Betrieb. Die Wälder um Sensburg sind stark eingeschlagen worden. In letzter Zeit aber gibt es eine bewaffnete Waldpolizei und Vorschriften für die Wiederaufforstung. Diebstähle sind sehr erschwert. Die sämtlich verstaatlichten Sägewerke stellen in der Hauptsache Holzschliff für die polnische Papiererzeugung her. Diese Betriebe arbeiten mit hohen Überschüssen. In ihnen sind viele Sensburger beschäftigt.

 

Auch die Zuckerwarenfabrik und die Zementwarenwerke bestehen noch. Die Zahl der Ziegeleien hat sich jedoch verringert. Über das Schicksal der Maschinenfabrik ist nichts bekannt geworden. Viele Polen arbeiten auch in der Landwirtschaft. In diesem Jahr ist vorgesehen, nach deutschem Vorbild Sensburg wieder zu einem Zentrum der ostpreußischen Schafzucht zu machen. So berichtete in diesen Tagen jedenfalls die polnische Presse. Tatsächlich war der Schafbestand hier früher ziemlich groß. Die wirtschaftliche Bedeutung und Kapazität Sensburgs ist aber im Vergleich zu den letzten Vorkriegsjahren unter der polnischen Verwaltung beträchtlich zurückgegangen.

 

Foto: Blick auf das masurische Städtchen Sensburg, in dem der bekannte Dichter Ernst Wiechert geboren wurde. Foto: Löhrich

 

Seite 3   Nachrichten aus der Heimat

Kleinstädte verfallen

Über den Verfall der Kleinstädte Ostpreußens berichtet die Allensteiner Zeitung „Warmia i Mazury" am Beispiel der Städte Saalfeld und Wartenburg. In der Stadt Saalfeld (Kreis Mohrungen) sei zwar eine Gerberei-Arbeitsgenossenschaft ins Leben gerufen worden, doch sei Saalfeld immer noch eine Stadt, „wo der Mensch mit Schaudern auf die aus den Trümmern emporragender nackten Schornsteine blickt, auf die Mauern verbrannter Häuser, die immer mehr mit dem Erdboden gleich werden und ein Trümmergebirge bilden".

 

Saalfeld aber hebe sich noch günstig ab gegen die Stadt Wartenburg (Kreis Allenstein): „Wartenburg ist trotz dreizehnjähriger polnischer Herrschaft in einem solchen Zustand, dass es mit jedem Tag mehr aufhört, Stadt zu sein. Es verliert überhaupt jeden städtischen Charakter und nimmt die Gestalt eines mit keinem menschlichen Wort zu beschreibenden Gespenstes an. Dies ist die fürchterliche, aber wahrheitsgemäß geschilderte Wirklichkeit“.

 

Seite 3   Bar-Betrieb in der Marienburg

Wie die in Danzig erscheinende polnische Zeitung „Glos Wybrzeza" (Stimme der Küste) berichtet, ist im Hochschloss der Marienburg, und zwar in zwei einst vom Hochmeister des Deutschen Ordens bewohnten Räumen, ein Bar-Betrieb eingerichtet worden. Zweimal in der Woche finden hier Tanzabende statt, und es ist geplant, auch Bridge-Abende zu veranstalten. Wie „Glos Wybrzeza" weiterhin meldet, gebe es nunmehr in der Marienburg keine „tote Saison" mehr; denn der Bar-Betrieb laufe zu jeder Jahreszeit. Den Initiatoren des Bar-Betriebes „in den ehrwürdigen Kemenaten" gebühre „eine besonders gute Note". Demnächst würden auch Prospekte in englischer, französischer und deutscher Sprache herausgegeben werden, um in der ganzen Welt Touristen für den Besuch der Marienburg bzw. der Bar zu werben. Ob sich wohl Deutsche finden lassen, die sich am Barbetrieb in der Marienburg erfreuen werden?

 

Seite 3   Kolchosen nicht gefragt

Nur noch 322 landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (Kolchosen) bestehen zurzeit in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten. Vor dem Oktober 1956 waren es über 5000. Im Gebiet von Allenstein sank die Zahl der Kolchosen von 540 um 52. Im Gebiet von Breslau bestehen noch 78 statt früher 1700. 24 sind es im Stettiner Raum und 15 im Gebiet Köslin.

 

Seite 3   Großfeuer in Allenstein

Bei einem Großbrand in einem Allensteiner Hotel ist ein Gast ums Leben gekommen, 28 wurden schwer verletzt. Wie aus Berichten Warschauer Zeitungen hervorgeht, wurde das Feuer von betrunkenen Jugendlichen entfacht, die mit brennenden Zigaretten um sich warfen. Einer von ihnen kam ums Leben. Die Verantwortlichen sollen sich, wie es in polnischen Zeitungen weiter heißt, nach ihrer Wiederherstellung vor einem Gericht verantworten.

 

Seite 3   Kein Haus gebaut

Schonungslos enthüllt die in Allenstein erscheinende Zeitung „Glos Olsztynski" die Trostlosigkeit der Verhältnisse im ostpreußischen Angerburg. Die Eisenbahnlinie Angerburg - Lötzen ist noch nicht wieder in Betrieb, weil auf 18 km Länge die Schienen demontiert worden sind. Die Wohnungsverhältnisse sind in Angerburg besonders schlecht (2.4 Menschen auf einen Wohnraum!) Bisher ist noch kein Haus in Angerburg wieder aufgebaut worden. Für 1959 (!) rechne man mit der Fertigstellung eines Hauses mit 51 Räumen. Angerburg sollte, nach polnischen Plänen, ein Touristenort werden. Die Pläne für ein Hotel haben 100 000 Zloty verschlungen; doch ist stattdessen nur eine Baracke mit Gastwirtschaft gebaut worden. Der Stadt Angerburg fehlten, so schreibt die Zeitung, alle Zukunftsplanungen: sie vegetiere unter einer schwachköpfigen Verwaltung dahin.

 

 

Seite 4   Ansiedlung rückläufig – noch immer kein Programm. Notstand des heimatvertriebenen Landvolkes dauert an – Soziale Sicherheit kleingeschrieben.

Das Bundesernährungsministerium hat soeben das Ergebnis der Förderungsmaßnahmen auf Grund des Flüchtlingssiedlungsgesetzes und des Bundesvertriebenengesetzes zu Gunsten der heimatvertriebenen Landwirte und Sowjetzonenflüchtlinge nach dem Stand vom 31.12.1957 veröffentlicht. Der „Bauernverband der Vertriebenen" hat diesen Bericht nachstehend untersucht. Danach wurden insgesamt bis 31.12.1957 geschaffen: 94 862 Stellen auf 460 645 ha. Im Kalenderjahr 1957 wurden 11 762 Stellen auf 35 209 ha geschaffen, während es im Kalenderjahr 1956 noch 12 361 Stellen auf 41 528 ha waren. Die Stellenzahl ist also innerhalb des letzten Jahres um 4,8 Prozent, die Gesamtfläche sogar um 15,2 Prozent zurückgegangen.

 

Das bisherige Siedlungsergebnis hat sich wie folgt entwickelt:

Siedlungsergebnis 1949 – 1957

 

1949/1950 (18 Monate): Stellenzahl 10 670. Fläche 101 608 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 9,5

 

1951: Stellenzahl 12 544. Fläche 84 365 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 6,7

 

1952: Stellenzahl 11 870. Fläche 62 249 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 5,2

 

1953: Stellenzahl 8 693. Fläche 43 907 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 5,2

 

1954: Stellenzahl 13 234. Fläche 51 465 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 3,8

 

1955: Stellenzahl 13 728. Fläche 40 314 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 2,9

 

1956: Stellenzahl 12 361. Fläche 41 528 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 3,4

 

1957: Stellenzahl 11 762. Fläche 35 209 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 3,0

 

1949 - 1957: Stellenzahl 94 862. Fläche 460 645 ha. Durchschnittsgröße einer Stelle (%) 4,9

 

Unter den 94 862 Betrieben sind Nebenerwerbsstellen und Kleinbetriebe bis 2 ha: 62 979.

Kleinbäuerliche Betriebe bis 10 ha: 15 824.

Vollbauernstellen über 20 ha: 16 059.

Die Tabelle zeigt, dass seit 1955 ein starker Rückgang der Eingliederung festzustellen ist.

 

Aus den einzelnen Ländern liegt folgendes Siedlungsergebnis vor:

Siedlungsergebnis 1949 – 1957 in den Ländern.

 

Bad.-Württ.: 13 650 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 10 728, in % 78,4; Gesamtfläche 31 750; Durchschnitt ha 2,3

 

Bayern: 12 409 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 4 235, in % 34,1; Gesamtfläche 101 520; Durchschnitt ha 8,1

 

Berlin-West: 41 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 21, in % 51,2; Gesamtfläche 207; Durchschnitt ha 5,0

 

Bremen: 680 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 619, in % 91,0; Gesamtfläche 1 307; Durchschnitt ha 1,9

 

Hamburg: 408 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 333, in % 81,6; Gesamtfläche 1 337; Durchschnitt ha 3,2

 

Hessen: 8 867 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 6 017, in % 67,8; Gesamtfläche 36 909; Durchschnitt ha 4,1

 

Niedersachsen: 26 775 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 18 123, in % 67,6; Gesamtfläche 143 548; Durchschnitt ha 5,3

 

Nordrh.-W. 14 966 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 11 520, in % 76,9; Gesamtfläche 48 683; Durchschnitt ha 3,2

 

Rheinl.-Pfalz: 4 382 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 2 363, in % 53,9; Gesamtfläche 24 172; Durchschnitt ha 5,5

 

Schlesw.-H.: 12 654 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 9 020, in % 71,2; Gesamtfläche 71 212; Durchschnitt ha 5,6

 

Bundesgebiet: 94 862 Stellen; davon bis 2 ha, Anzahl 62 979, in % 66,3; Gesamtfläche 460 645; Durchschnitt ha 4,9

 

Hinsichtlich der Größe der Betriebe ergibt sich für die letzten drei Jahre ein Ansteigen des Prozentsatzes, der Klein- und Nebenerwerbsstellen bis zu 2 ha von Jahr zu Jahr. Im Kalenderjahr 1957 wurden 84,8 Prozent der Eingegliederten auf Nebenerwerbsstellen angesetzt. Demgegenüber weist die Zahl der Betriebe bis 10 ha eine rückschrittliche Entwicklung auf, während sich die Zahl der Vollbauernstellen geringfügig vermehrt hat.

 

Hinsichtlich der Herkunft der Stellen ergibt sich für die letzten drei Jahre folgendes Bild:

Herkunft der Stellen 1955,1956, 1957

 

1955: 6 774 Neusiedler. 2 795 Ankauf. 638 Pacht. 3 521 Einheirat. Insgesamt 13 728

 

1956: 6 607 Neusiedler. 4 285 Ankauf. 805 Pacht. 664 Einheirat. Insgesamt 12 361

 

1957: 6 841 Neusiedler. 4 068 Ankauf. 175 Pacht. 678 Einheirat. Insgesamt 11 762

 

Die Tabelle zeigt, dass der Eingliederung durch Ankauf neben der Neusiedlung weiter größere Bedeutung beizumessen ist. Die für das Jahr 1955 ausgewiesene Zahl von 3 521 Eingliederungsfällen durch Einheirat erscheint sehr hoch. Offenbar sind in ihr statistisch noch nicht erfasste Fälle aus den Vorjahren enthalten.

 

Das Siedlungsprogramm für das laufende Haushaltsjahr steht leider immer noch nicht fest. Infolge dieser Verzögerung, die sich auf die Planungen in den Ländern auswirken muss, und angesichts der sehr schwierigen Verhandlungen über die Finanzierung der Siedlung aus dem Bundeshaushalt ist damit zu rechnen, dass die Vertriebenensiedlung im neuen Haushaltsjahr 1958/1959 sowohl der Stellenzahl als auch der Fläche nach wiederum zurückgehen wird.

 

Die durchaus mögliche Landbeschaffung, vor allem am freien Markt, durch die Länder ist aber erst dann gesichert, wenn die Länderbehörden wissen, über welche Finanzierungsmittel sie verfügen. Dies wiederum ist erst dann der Fall, wenn der Umfang der Siedlungsmittel des Bundes feststeht. Die verspäteten Beratungen über den Bundeshaushalt, der voraussichtlich erst in einigen Monaten verabschiedet werden wird, wirken sich somit zusätzlich auf die Durchführung der Siedlung nachteilig aus. Für die noch nicht eingegliederten vertriebenen Landwirte bedeutet jede Verzögerung der Ansiedlung eine Verschärfung ihres sozialen Notstandes.

 

Wie gering sind die Mittel, um die es hier geht, im Vergleich zu den astronomischen Summen, die für die tödliche Gefahren heraufbeschwörende Aufrüstung aufgebracht werden. Wie schnell aber sind diese Milliarden bewilligt, und wie lange dauert es, bis Bruchteile dessen zur Linderung brennender sozialer Nöte bereitgestellt werden. Soziale Sicherheit, Sicherheit eines menschenwürdigen Lebens für alle Schichten der Bevölkerung, das sind Parolen, die in der Bundesrepublik nur nachgeordnete Bedeutung besitzen, obwohl ihnen — im Gegensatz zur vermeintlichen militärischen Sicherheit — Echtheit innewohnt.

 

Seite 4   Verteilung der Vertriebenen-Höfe

Von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben der Vertriebenen über 0,5 ha befinden sich 14 907 der 45 503 erfassten Betriebe in Niedersachsen. An zweiter Stelle rangiert Bayern mit 9 647 Betrieben, dem Hessen mit 4997 Höfen folgt. Nordrhein-Westfalen mit 4738, Baden-Württemberg mit 4648 und Schleswig-Holstein mit 4154 Betrieben schließen sich an, während Rheinland-Pfalz mit 2093, Bremen mit 164 und Hamburg mit 154 Höfen im Besitz von Vertriebenen den Schluss bilden.

 

Seite 4   Renten-Vorschusszahlungen an Witwen.

Im Falle des Todes des Empfängers einer Angestelltenrente dauert es im Allgemeinen sehr lange, bis die Feststellung des Rentenanspruchs der Witwe bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durchgeführt ist. Nicht selten gerät die Witwe dadurch in eine unverschuldete Notlage und muss die Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch nehmen. Zwischen der Bundesversicherungsanstalt und der Post wurde nunmehr zur Beseitigung dieses Missstandes ein Abkommen getroffen, nach dem die Witwe innerhalb von 14 Tagen nach dem Ableben ihres Ehemannes bei ihrem Auszahlungspostamt einen Vorschuss auf die Renten beantragen kann. Voraussetzung hierzu ist jedoch, dass die Witwe ihre Rente bisher durch die Post ausbezahlt erhalten hat. Dem Postamt müssen dabei ein gültiger Personalausweis und eine Sterbeurkunde vorgelegt werden, die die Witwe als die Ehefrau des Verstorbenen ausweisen.

Bei der Erteilung des Rentenbescheides wird der Vorschuss durch die Bundesanstalt mit den Witwenbezügen verrechnet. Er beträgt im Regelfalle die dreifache Monatsrente. Wurde jedoch die Versicherungsrente über den Sterbemonat hinaus bezahlt, so werden die überbezahlten Beträge auf den Vorschuss angerechnet.

 

Seite 4   „Rentenerhöhungen wirkungslos“

Hannover. Eine wirksame Reform der Kriegsopferversorgung forderte in Hannover der Fachreferent des „Reichsbundes der Kriegs -und Zivilbeschädigten", Joachim Dauhs (Hamburg). Er bedauerte, dass die Bundesregierung offenbar nicht gewillt sei, noch in diesem Haushaltsjahr einen Reformentwurf, der das Los von etwa 3,8 Millionen Rentenempfängern verbessern könne, vorzulegen. Angesichts der ständig steigenden Preise werde die Kaufkraft der Sozialleistungen so drastisch herabgesetzt, dass die letzten Erhöhungen der Renten bereits wieder Wirkungslos geworden seien.

 

Seite 4   Umsiedler klären Vermisstenschicksale. Im Lager Friedland können täglich etwa 25 Soldatenschicksale geklärt werden.

Friedland. Dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Grenzdurchgangslager Friedland gelingt es auf Grund der nahezu täglich in Friedland eintreffenden Aussiedler-Transporte aus den Oder-Neiße-Gebieten, zahlreiche Vermisstenschicksale früherer Wehrmachtsangehöriger zu klären, weil die Aussiedler oftmals Soldbücher, Erkennungsmarken, Gräberlisten oder persönliche Habe gefallener deutscher Soldaten mitbringen. Andere Aussiedler sind in der Lage, Deutsche zu benennen, die noch in ihren Heimatgebieten leben und die zu Auskünften dieser Art imstande sind. Die Befragungen des Suchdienstes klären auf diese Weise im Durchschnitt täglich rd. 25 Soldatenschicksale durch Feststellung der Gräber namentlich bekannter Soldaten, während die Zahl der überhaupt neu ermittelten Soldatengräber im Tagesdurchschnitt um rund 150 anwächst. Die Lage der Gräber wird dem „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" in Kassel mitgeteilt.

 

Von entscheidender Bedeutung ist auch die Arbeit des Roten Kreuzes in Friedland bei der Erforschung der Schicksale vermisster deutscher Kinder. Viele Aussiedler sind in der Lage, Angaben über versprengte und auf der Flucht zurückgelassene Kinder zu machen, die in polnischen Familien oder Waisenhäusern aufwachsen, und über deutsche Kinder, die bei polnischen oder deutschen Verwandten in den Heimatgebieten leben, die bisher aber noch nicht in Kontakt mit den im Westen lebenden Eltern treten konnten und zwar vornehmlich aus dem Grunde, weil deren Anschriften im Bundesgebiet ihnen bisher unbekannt geblieben sind. Fälle dieser Art werden dem Kindersuchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg zugeleitet, der sich dann zum Zwecke der Familienzusammenführung u. a. mit dem Polnischen Roten Kreuz in Verbindung setzt.

 

Seite 4   Friedland-Spenden zu gering.

Göttingen. Bis Anfang April sind für die Friedland-Hilfe, die Ende des vorigen Jahres mit großen Hoffnungen ins Leben gerufen wurde, insgesamt 517 000 DM eingegangen. Das Gesamtaufkommen betrug bis zum Februar 457 000 DM, so dass in den letzten Wochen nur 60 000 DM gespendet wurden.

 

Der Schatzmeister der Friedland-Hilfe gab jetzt eine Erklärung ab, in der mit Bedauern und Enttäuschung gesagt wird, dass die Aktion nicht das erwartete Ergebnis gehabt habe. Man habe ursprünglich angenommen, dass die Verantwortung für die Brüder und Schwestern in den polnisch-besetzten Gebieten größer sei, als es die Deutschen in der Bundesrepublik in den letzten Wochen bekundet hätten. Man könne nicht von Wiedervereinigung sprechen und das Recht auf die Heimat als naturrechtlich begründeten Anspruch immer wieder hervorheben, wenn man nicht bereit sei, für die Menschen, die das harte Los der Aussiedlung hätten auf sich nehmen müssen, etwas zu tun.

 

In diesen Monaten, in denen täglich über vierhundert Menschen im Grenzdurchgangslager Friedland ankämen und in denen in Kürze zusätzlich die Rückkehr aus der Sowjetunion erwartet würden, müsse der Beweis erbracht werden, dass die Bundesrepublik gewillt sei, den Deutschen zu helfen, die noch immer so hart unter dem Krieg und seinen Folgen leiden müssen.

 

Seite 4   Vertriebenenanteil an der Arbeitslosigkeit. Besonders hoher Anteil in den landwirtschaftlichen Berufen.

Obwohl der Anteil der Vertriebenen an allen Arbeitslosen seit Jahren mehr und mehr zurückgeht, bot der Arbeitsmarkt der Vertriebenen bis 1955 ein weitaus ungünstigeres Bild als der der Einheimischen. Während der Arbeitsmarkt der Einheimischen bereits im Jahr 1955 in den Bereich der Vollbeschäftigung gelangte, traf dies für den der Vertriebenen erst im folgenden Jahre zu. Im vergangenen Jahr hat sich die Lage der Vertriebenen auf dem Arbeitsmarkt, wie aus einer Verlautbarung des Bayerischen Arbeitsministeriums hervorgeht, abermals gebessert, während auf dem Gesamtarbeitsmarkt eine Stagnation zu erkennen war. Wie das Bayerische Arbeitsministerium mitteilt, wurde vom Landesarbeitsamt Südbayern berichtet, dass die Vermittlung Vertriebener kein Problem mehr sei und dass sich bei der Unterbringung von arbeitslosen Vertriebenen keine anderen Schwierigkeiten zeigten als bei den Einheimischen. Eine Belastung des Arbeitsmarktes durch Vertriebene bestehe nur noch in den ganz ungünstigen Bezirken, vor allem in den Notstandsgebieten.

 

Der zuletzt errechnete Vertriebenenanteil an allen Arbeitslosen (22,5 v. H.) werde in den einzelnen Berufsgruppen teils über, teils unterschritten. Besonders hoch liege er in den landwirtschaftlichen Berufen, bei Glasmachern, Textilherstellern und Textilverarbeitern und in einigen Angestelltenberufen (Volkspflegeberufe, Rechts- und Sicherheitswahrer, Erziehungs- und Lehrberufe), sehr niedrig dagegen bei Steingewinnern und Steinverarbeitern, graphischen Berufen, Verkehrsberufen, hauswirtschaftlichen und künstlerischen Berufen. Im Großen und Ganzen sei auch dieser Personenkreis hinsichtlich der qualifizierten Arbeitskräfte stark ausgesiebt. Dazu hätten nicht zuletzt die Ausgleichsvermittlungen beigetragen. Berufsgruppen mit den meisten arbeitslosen Vertriebenen waren Ende März 1958 in Bayern die Bauberufe mit 34 000, die gewerblichen Hilfsberufe mit 8000, die Textil- und Bekleidungsberufe mit 4000 und die landwirtschaftlichen Berufe mit 3000 Arbeitslosen.

 

Die Verbrauchsgüterkonjunktur des vergangenen Jahres ist auch im Besonderen den weiblichen arbeitslosen Vertriebenen zugutegekommen. Ihr Anteil an allen arbeitslosen Frauen hat sich von 24,0 v. H. Ende März 1957 auf 22,3 v. H. Ende März 1958 gesenkt. Weibliche arbeitslose Vertriebene stehen vor allem noch in den gewerblichen Hilfsberufen (3500), den Textil- und Bekleidungsberufen (3000), den landwirtschaftlichen Berufen (2200), sowie den kaufmännischen und Verwaltungsberufen (2300).

 

Seite 4   Ausbildungshilfe verbessert. Anrechnungsvorschriften für Stipendien wurden wesentlich gelockert.

Bonn. Die Bestimmungen über die Ausbildungshilfe haben sich durch eine neue Ergänzungsanweisung des Bundesausgleichsamtes, die eine Lockerung der Vorschriften über die anrechenbaren Einkommen bei der Gewährung von Ausbildungsbeihilfen vornimmt, wesentlich verbessert. Danach werden ab 1. April 1958 neben den auch bisher schon unberücksichtigt gebliebenen Einkünften, eine Reihe von genau festgelegten Stipendien außer Ansatz bleiben. Dazu gehören Stipendien, die auf Grund der Richtlinien des Bundesinnenministers für die Förderung von Studenten wissenschaftlicher Hochschulen gewährt werden. Dazu zählen ferner die Stipendien, die mit Hilfe von Bundeszuschüssen vom Evangelischen Hilfswerk, der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem katholischen Cusanuswerk, der Stiftung „Mitbestimmung" oder der Studienstiftung des Deutschen Volkes gegeben werden.

 

Wenn der Antragsteller bei der Bewilligung der Ausbildungsbeihilfe bereits laufende Leistungen aus dem Stipendium bekommt, so bleiben die Beträge allerdings nur dann außer Ansatz, wenn der Antragsteller bei der Gewährung des Stipendiums sein Einverständnis erklärt hat, dass eine nachträglich bewilligte Ausbildungsbeihilfe nach LAG bis zur Höhe des ihm für den gleichen Zeitraum bewilligten Stipendiums erstattet wird. Das Ausgleichsamt teilt in solchen Fällen der das Stipendium zahlenden Stelle mit, wie hoch der Betrag der Ausbildungsbeihilfe ist. Es überweist etwaige Nachzahlungsbeträge an Ausbildungsbeihilfe für Monate, in denen das Stipendium vorschussweise gezahlt worden ist, unmittelbar an die das Stipendium zahlende Stelle. In den übrigen Fällen erfolgt eine Mitteilung des Ausgleichsamtes nur auf Anfrage.

 

Seite 4   Postanweisungen nach Polen möglich

Seit dem 1. Juli 1957 besteht die Möglichkeit, Geld mit Postanweisungen nach Polen zu senden. In einem entsprechenden Abkommen zwischen Polen und der Bundespost ist nur von „Polen" die Rede. Um Missverständnisse auszuschalten wird darauf hingewiesen, dass die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete unter diese Regelung fallen. Postanweisungen können bis zum Höchstbetrag von 400 DM aufgegeben werden. Der Umrechnungskurs beträgt für 100 DM 568,56 Zloty. Die Beträge auf den Postanweisungen an Empfänger in Polen bzw. in den deutschen Ostgebieten sind ausschließlich in Deutscher Mark anzugeben, also nicht umgerechnet in Zloty. Wird das nicht beachtet, so sind meistens Verzögerungen von mehreren Wochen bei den Geldüberweisungen die Folge.

 

Seite 4   Es starben fern der Heimat

Richard Gaehling, Hauptlehrer i. R., aus Menthen (Westpr.) im Alter von 74 Jahren am 1. März 1958 in Oldenburg.

 

Wilhelm Gerth, Kaufmann, aus Schrotten (Westpreußen) im Alter von 83 Jahren am 2. April 1958 in Lüneburg.

 

Fritz Hartmann, Landwirt (früherer Kreisbauernführer des Kreises Gumbinnen), im Alter von 68 Jahren am 14. März 1958 in Westerstede i. O.

 

Hermann Konrad, Landwirt, aus Kopiehnen, Krs. Pr. Holland. Im Alter von 84 Jahren am 10. März 1958 in Wolfenbüttel.

 

Friedrich Niebert, aus Allenstein, im Alter von fast 84 Jahren am 26. März 1958 in Delmenhorst,

 

Seite 4   150 000 Hektar liegen brach

Rund 150 000 Hektar ursprünglich landwirtschaftlich genutzter Boden liegen nach neuesten Schätzungen in der Bundesrepublik brach. Als Grund wird Arbeitskräftemangel und Abwanderung in andere Berufe angegeben.

 

Gleichzeitig suchen zehntausende heimatvertriebene Bauern seit mehr als zehn Jahren vergeblich wieder Grund und Boden. Für die Ansiedlung dieser Bauern hat die Bundesrepublik angeblich nicht genügend Geld, während auf der anderen Seite Milliarden und aber Milliarden für die Aufrüstung ausgegeben werden.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 5. Mai 1958.

Das Weichselland.

„Es ist keine leere Einbildung, wenn man sich etwas darauf zugutetut, dem Bauerntum zu entstammen. Zum Größenwahn hat man freilich ebenso wenig das Recht, wie wenn man an den Stufen eines Thrones geboren wurde, aber es ist ein eigen Ding zu wissen, dass man irgendwo in mütterlicher Erde wurzelt, nicht anders als der Rebstock, über den dasselbe Strohdach sich schützend neigt, das schon vielen aufsprossenden Geschlechtern als Obhut und Zuflucht gegolten.

 

Dabei war der Hof, auf dem mein Vater einst das Licht der Welt erblickt hatte, schon längst in fremde Hände übergegangen, aber irgendwohin strebt das irrlichternde Stammesgefühl der auseinandergesprengten Stücke eines Blutsverbandes. Und so hatte mein Vater mich früh gelehrt, das Anwesen des Onkels Jakob als eine Art von Urheimat zu betrachten. Deutlich sehe ich vor mir das blutbraun gestrichene Giebelhaus, an dessen Schwelle ich nach stundenlanger Wanderung endlich landete. Niederdeutscher Sitte folgend, reihten sich unter einem Dache Stallung und Scheune, letzte im rechten Winkel, ihm an. Ein Blumengarten — holländisch gezirkelt — lagerte sich ihm vor und ging auf seiner Hinterseite in üppige Obstanlagen über.

 

Der Hof — ein Bauernhof wie alle —, grün begrast, mit Mistgrube und Göpelwerk — ein Speicher, der auf der Gegenseite das Geviert beendete — ein Staketentor, das es zur Straße hin abschloss — ein Schweinehauf, der mir entgegentrottete — Gänse, Enten, Hühner, Tauben überall — und das Ganze in einen roten Mittagsdunst gewickelt, der mich wohlig in seine Mitte nahm: so tat das Eden jener Tage sich vor mir auf . . .

 

Zu Ende des Monats verließ ich den Hof, um nach dem Wunsche meines Vaters den Rest der Ferienzeit bei einer Tante zu verleben, die jenseits der Nogat in dem Dorfe Robach ein Wirtshaus besaß. Tante Lieschen ist mir von allen väterlichen Verwandten die liebste gewesen. Die Härte und der Geiz, die bei ihnen Gemeingut schienen, waren in ihr soweit herabgemildert, dass ich sie mit den anderen Menschen, die mir begegnet waren, in eine Reihe stellen konnte . . .

 

In ihrer Schenkstube saß ich damals stundenlang und hörte mit Gier den Gesprächen der Kahnschiffer und der Landleute zu, die zu einem Schnaps oder einer Stange Braunbier eingekehrt waren. Eine nicht enden wollende Bilderreihe rollte sich vor mir auf, und tausend Leben lebte ich, während einer der Gäste nach dem anderen sein Schicksal auf ausgestreckten Händen an mir vorübertrug . . ."

(Aus Hermann Sudermanns „Bilderbuch meiner Jugend")

 

Seite 5   Westpreußischer Fahrtenbilderbogen

Versunken ist das Land, in dem die Zelte unserer Jugend standen und unsere Lagerfeuer brannten. Unsere Jungen und Mädel können nicht mehr mit dem Kutter über das Haff fahren und sich nächtlich am Strand der Nehrung in die Wogen stürzen.

 

Sollte es uns „Alten" nicht möglich sein, die Jüngeren in Gedanken in das verlorene Land hinzuführen und ihnen die Heimat der Väter und Vorfahren lebendig werden zu lassen? Gewiss, unser Erlebnis, das Urerlebnis unserer Heimat, vermögen wir ihnen nicht zu vermitteln, aber doch ein Erlebnis, mögen es die gelehrten Leute „Bildungs-" oder „Gefühls-Erlebnis" nennen.

 

Unsere Tochter Inge ist elf Jahre alt. Sie hat hier aufgezeichnet, was sie den Erzählungen der Eltern und vielen Bildern entnahm, was sie in Geschichten las und was sie offenen Auges verglich mit dem, was sie in ihrem jungen Leben anderorts sah, an der Havel, auf dem Bodensee, in alten Städten im Westen des Reiches und am Strand der Lübecker Bucht. Mir scheint, Inges Fahrtenbilderbogen ist ein Stückchen lebendiges Westpreußen geworden. Bernhard Heister

 

Seite 5   Foto: Eine abgebildete Zeichnung.

Wer macht es Inge nach?

Wir prämiieren ständig Zeichnungen und Aufsätze, die sich mit dem Thema „Was weißt Du von Deiner Heimat" beschäftigen.

Es winken wertvolle Buchpreise.

Einsendungen erbeten an „Ostpreußen-Warte", Jugendbeilage „Die Kogge", Hannover, Klingerstraße 4.

 

Seite 5   Deutsche in aller Welt.

Deutsche Techniker in den USA.

Wie heute deutsche Ingenieure und Forscher in den USA bei der Eroberung des Weltraums eine große Rolle spielen, so haben in früheren Zeiten ebenfalls deutsche Auswanderer bei der technischen Erschließung des nordamerikanischen Kontinents bedeutsame Leistungen vollbracht.

 

Vor 130 Jahren, also bei Anbeginn der modernen Technik, schuf der Deutsche Albert von Stein die ersten großen Wasserwerke in den Vereinigten Staaten, und zwar in den Städten Cincinnati, Richmont, New Orleans, Nashville sowie in mehreren anderen Großstädten. Der Schwabe Gindele baute den Riesentunnel, mittels dessen Chicago, die ungeheuer schnell wachsende Großstadt, mit frischem Wasser aus dem Michigansee versorgt wurde. Die großartigen Wasserwerke San Franziscos baute Hermann Schüßler. Die gewaltigen Silbergruben Nevadas, die den Staaten ungeheure Reichtümer erbrachten, wären alle ersoffen und durch giftige Gase abbauunfähig geworden, wenn der Aachener Adolf Sutro sie nicht durch große Tunnelbauten entlüftet und entwässert hätte. Einen Großteil seines 6 ½ Mill. Dollars betragenden Vermögens verwendete Sutro für philanthropische Einrichtungen. Der Erfinder der Erdölleitungen ist der deutschamerikanische Bergbauingenieur Hermann Haupt.

 

Zu den großzügigsten Brückenbauern der USA gehörte Albert Fink, der im Dienste der „Baltimore-Ohio-Bahn" die ersten Eisenbrücken errichtete. Eine förmliche Revolution im Brückenbau führte vor hundert Jahren der Thüringer Johann August Roebling herbei, der die von ihm erzeugten Drahtseile zur Erbauung von Hängebrücken verwendete. So erbaute er die erste Brücke, die die beiden Ufer des Niagara verbanden, die einen völligen Umschwung im Brückenbau nämlich vom Kettenkabel- zum Drahtseilkabelsystem erbrachte. Mit einer solchen Hängebrücke überspannte er sodann den Ohio und auch andere Flüsse, bis er dann 1867 mit dem Bau der Brücke über den East River von New York nach Brocklyn begann, die sein Sohn 15 Jahre später vollendete. Bereits im ersten Jahr, in dem die Brücke benutzt wurde, passierten 8,8 Millionen Menschen dieses Werk. Die 1917 dem Verkehr übergebene viergleisige Eisenbahnbrücke von New York nach Long Island wurde von dem Sudetendeutschen Gustav Lindenthal erbaut, der auch die 300 m breite und 118 m tiefe Schlucht des Kentuckyflusses mit einer Eisenbahnbrücke überspannte. Auch die Brücke über den Hudson wurde von Lindenthal geplant, die New York mit dem Staate New Jersey verbindet. Eduard Hemperle schlug mehrere Brücken über die Ströme Mississippi und Missouri.

 

Der Breslauer Karl P. Steinmetz schwang sich durch seine zahlreichen Erfindungen zum Direktor der „General Electric Company" auf.

 

Seite 5   Die Zeit wird kommen …

Wie ein Strom, der, anfangs klein und namenlos, von Meile zu Meile seines Laufes immer von neuen Bächen und Quellen vermehrt und geschwellt wird und endlich in freudiger Fülle dem Meere zubraust, so wird die Meinung, eine öffentliche und deutsche Meinung, die jetzt kaum hie und da als ein stilles Bächlein rieselt, das von vielen frechen Händen mit Unrat besudelt und mit Schutt verstopft wird, endlich als ein voller und mächtiger Strom durch das ganze Volk dahinbrausen und durch keine ängstlichen Späher und Auflauerer mehr zu hemmen sein. Die Elenden, welche ein böses Gewissen plagt, mögen es versuchen, wie sie wollen, die Kühnheit der Geister zu lähmen und die Freiheit der Gedanken zu schmälern, es wird ihnen nicht gelingen. Denn wahrlich, die Zeit wird kommen, wo mehr als ein Verräter, den die Gutmütigkeit des Volkes bis jetzt verschont hat, mit Zittern fliehen wird; die Zeit wird kommen, wo man Fürsten, die wider Deutschland freveln, nicht mehr unglückliche Verblendete, durch die Angst für das Wohl ihrer Untertanen in einer falschen Politik missgeleitete Männer nennen wird, sondern wo man den einen Hochverräter nennen und als Hochverräter strafen wird, der den Eidschwur gegen sein Volk bricht und sich mit fremder Schande und Hinterlist gegen das Reich verbündet. Ernst Moritz Arndt im Jahre 1815.

 

Seite 5   Kunstwettbewerb der deutschen Jugend

Im engen Zusammenwirken mit dem Bund deutscher Kunsterzieher und dem Verband deutscher Leibeserzieher hat der Deutsche Leichtathletik - Verband DLV auch in diesem Jahre wieder zu einem „Kunstwettbewerb der deutschen Jugend" aufgerufen. Dieser Wettbewerb gilt als Teil der an der Wende vom Juli zum August in Göttingen stattfindenden Deutschen Jugendmeisterschaften.

 

Der Deutsche Jugendausschuss im DLV wendet sich damit schon jetzt an alle für eine Teilnahme in Frage kommenden Jugendlichen in Schule und Verein. Der Kunstwettbewerb 1958 erstreckt sich auf sämtliche Gebiete der bildenden Künste. Zugelassen sind Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten, deren Thema „Lauf, Sprung und Wurf in Sport, Spiel und Alltag" lautet. Die Teilnahme gliedert sich in zwei Gruppen, deren erste die zwischen dem 1. Januar 1940 und 31. Dezember 1943 geborenen Jugendlichen umfasst, während alle jüngeren der Gruppe II angehören. Größter Wert wird auf selbständige schöpferische Leistung gelegt, alle Nachahmungen werden zurückgewiesen.

 

Den Teilnahmebedingungen ist zu entnehmen, dass alle Arbeiten, Plastiken ausgenommen, die Mindestgröße nach DIN A 3 nicht unterschreiten dürfen. Die Arbeiten müssen neben dem Kennwort „Kunstwettbewerb" die genaue Anschrift des Teilnehmers tragen und bis zum 1. Juli 1958 an das Sportamt der Stadt Göttingen eingereicht sein. Die besten Arbeiten werden in Göttingen (Städt. Museum) im Rahmen der Deutschen Leichtathletik-Jugendmeisterschaften in der Zeit vom 30. Juli bis 10. August ausgestellt. Die 30 besten Arbeiten in jeder Gruppe werden durch Urkunden und Buchpreise ausgezeichnet. Die Schöpfer der sechs besten Gestaltungen in Gruppe I lädt der DLV zu einem kostenlosen Besuch der Meisterschaften in Göttingen ein und verleiht ihnen dort im Rahmen einer Feierstunde ihre Auszeichnungen.

 

Das Schiedsgericht setzt sich aus Vertretern des Bundes Deutscher Kunsterzieher, des Verbandes Deutscher Leibeserzieher und des Deutschen Leichtathletik-Jugendausschusses zusammen. Seine Entscheidungen sind unanfechtbar.

 

Mit diesem Kunstwettbewerb will der Deutsche Leichtathletik - Verband die olympische Idee wachhalten und vertiefen, denn gerade sie umfasst edles körperliches Streben in harmonischem Zusammenklang mit dem Willen zum Guten und der Liebe zum Schönen und verbindet über die nationalen Grenzen hinaus mit all denen, die guten Willens sind.

 

Nachdem der Kunstwettbewerb 1957 im Rahmen der in Schweinfurt stattgefundenen Deutschen Leichtathletik-Jugendmeisterschaften einen überragenden Erfolg brachte, erwartet der DLV für Göttingen 1958 ein noch stärkeres Echo.

 

Mit dem Entwurf zum DLV-Werbeplakat für die Deutschen Jugendmeisterschaften wendet sich der DLV gesondert ausschließlich an die älteren Schüler der Göttinger Gymnasien und der Knaben-Mittelschule.

 

Seite 5   Deutsche Missionare am Amazonas.

Wir lesen in der „Brasil-Post":

Wieder einmal rückt das Amazonasgebiet in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Eines ist sicher, heute herrscht Hunger am Amazonas. Jeder Urwaldmissionar bestätigt das, Hunger in einem Gebiet, das Humboldt als „Speisekammer der Menschheit" bezeichnet haben soll. Leider ist bisher der Anschluss an die Weltwirtschaft nicht gefunden worden, denn die nationale Wirtschaft Brasiliens braucht den Amazonas kaum, weil seine Wirtschaftsprodukte leichter und billiger in den aufgeschlossenen Südstaaten zu finden sind. Die „Brasil Post" steht nun auf dem Standpunkt, dass es angebracht wäre, alte Ideen und Pläne ans Tageslicht zu holen, die von den vielen Tausend deutschen Missionaren entwickelt wurden, die im Laufe von 400 Jahren im Amazonasgebiet gewirkt haben, nicht zuletzt unter ihnen die Jesuiten, die die Meister in der Amazonaskunde genannt werden können. In dem Aufsatz werden zahlreiche, zumeist längst vergessene Namen hervorragender deutscher Missionare genannt, die sich als Lehrer, Ärzte, Forschungsreisende, Architekten, Kartographen und Wirtschaftler betätigt und viel zur Entwicklung der Ureingeborenen getan haben. VDA

 

Seite 6   Bauernregeln

Mai kühl und nass, füllt dem Bauern Scheun und Fass.

Kühler Mai, ist ‚ne alte Regel, beschert viel Arbeit für Keller und Flegel.

Nasser Mai, wenig Heu.

Maientau macht grüne Au; Maienfröste sind unnütze Gäste.

Strahlt St. Urban im Sonnenschein, gibt’s vielen guten Wein.

Ein Bienenschwarm im Mai, ist wert ein Fuder Heu.

Die drei Eismänner ohne Regen, für Bauer und Winzer großer Segen.

Gibt’s im Mai der Nebel viel, fehlt’s an Äpfeln und Birnen zum Spiel.

Im Mai soll dem Hirten der Rock vom Leibe faulen, dann wird ein gutes Jahr.

Viel Gewitter im Mai, singt der Bauer Juchhei.

Wenn im Mai die Wachteln schlagen, läuten sie an Regentagen.

Mairegen auf Saaten, regnen Dukaten.

Blühen die Eichen Ende Mai, es ein gutes Schmalzjahr sei.

Ist es klar am Petronell (31.), messt den Flachs ihr mit der Ell!

 

Seite 6   Weißt du …

. . . dass in Krakau gelegentlich Goethe gewohnt und einige Jahrhunderte vorher Kopernikus studiert hat? Der Sage nach soll übrigens auch Dr. Faust in Krakau gewohnt haben. Es ist daher auch vorgesehen, in dieser Stadt eine Goethe-Gedenkstätte zu errichten.

 

. . . dass das Danziger Werder auch den Namen Preußisch-Holland trug, weil auf Veranlassung der preußischen Könige hier holländische Kolonistenfamilien angesiedelt wurden?

 

Seite 6   Dank an die Mutter. Von Hans Bahrs.

Zwischen Abend und Morgen

Spannt sich die tiefe Nacht

Immer hat deine Liebe

Still darüber gewacht.

 

Zwischen Morgen und Abend

Bleibt für dich keine Ruh.

Immer musst du dich sorgen,

Mutter, du Liebe, du!

 

Nimm den Druck unsrer Hände,

Nimm ein gerauntes Wort!

Immer lebt deine Liebe

In unserm Herzen fort.

 

Gestern, heute und morgen,

Immer wird das so sein,

Kehrt als Dank zu dir wieder

Still am Ende dann ein.

 

Seite 6   Naturgeschichte – 800 Jahre alt.

Die wohl älteste deutsche Naturgeschichte ist von einer Frau geschrieben worden. Die Äbtissin Hildegard von Bingen, die von 1098 bis 1179 lebte, schrieb ihr naturwissenschaftliches Werk „Physika" teils deutsch, teils lateinisch. Sie gibt genaue Beschreibungen von 40 Säugetieren. 60 Vögeln, 30 Fischen, „allerlei Gewürm" und etlichen Fabeltieren. Außerdem schildert sie noch etwa 300 Pflanzen.

 

Seite 6   Wer kommt mit?

Liebe ostpreußische Mädel und Jungen!

Zum zweiten Male will die Landesgruppe der Landsmannschaft Ostpreußen Sommerfreizeiten für Euch durchführen. Wo? Nun, in einer der schönsten Gegenden des Landes Nordrhein-Westfalen, in Nieheim, einem kleinen „verwunschenen" Städchen im Kreise Höxter, im Ausläufer des Teutoburger Waldes. Wir wollen uns in der ersten Hälfte unserer Sommerferien zusammenfinden, wollen wandern, singen und lachen, von der Heimat hören, einige Lichtbilder und Filme sehen, vor allem aber wollen wir „frische Luft" schnappen und uns tüchtig erholen.

Unser Dr. „Lupes" — die alten Teilnehmer der letzten Freizeit kennen ihn — wird wieder mit von „der Partie" sein. War das nicht prächtig? Wir laden Euch alle recht herzlich dazu ein!

Die Sommerfreizeit wird am 30.07.1958 beginnen und vierzehn Tage dauern. Sie kostet für Mädchen und Jungen von 10 - 16 Jahren 40,-- DM, für ältere 45,-- DM. Es ist ein richtiges Zeltlager an einem herrlich gelegenen Platz.

Und nun meldet Euch bis zum 10. Juni bei Heinz Kowalski, Leichlingen, Eichenstr. 47. Je eher Ihr Euch anmeldet, desto besser. Nach Eurer Meldung erhaltet Ihr genaueren Bescheid. Die Lager sind für Mädchen und Jungen von 10 - 14 Jahren getrennt, nur gemeinsam für die älteren von Euch. Doch für alle auf einem Platz.

Wir freuen uns jetzt schon auf unsere gemeinsame „Freie Zeit" — und auf Euch.

Eure Hans Herrmann, Landeswart der ostpreußischen Jugend und Melitta Nikelat, Landeswartin der ostpreußischen Jugend.

 

Seite 6  Foto: Samländische Steilküste. Foto: Rosner.

 

Seite 6   Die Samländische Steilküste.

Der „Samländische Küstenhain“ wurde in Ostpreußen wie ähnliche Landschaften auf Rügen und auf der Insel Sylt schon lange vor dem Kriege unter Naturschutz gestellt, um die erdgeschichtliche Entwicklung zu verfolgen.

 

Der geschützte Landstreifen zieht sich in einer Länge von etwa 60 Kilometern zwischen Cranz und Pillau vorerst westlich in geringer Höhe von nur 10 Metern bis zum Fischerhafen Neukuhren. Dort wird die Steilküste allmählich mächtiger und erreicht schließlich am Wachbudenberg die größte Erhebung von 61 Metern über dem Meeresspiegel. Am nahen Leuchtturm Brüsterort biegt die Küste nach Süden um und verläuft am Westrand der samländischen Halbinsel bis in die Gegend von Palmnicken abfallend in einer Höhe von 30 bis 40 Metern; sie wird dann noch niedriger und weist in dem Gebiet von Lochstädt, Neuhäuser und Pillau Höhen von weniger als 10 Metern auf.

 

An den Steilhängen ist der Schichtenaufbau gut zu erkennen. Es sind Bildungen der Eiszeit und des voraufgegangenen Braunkohlenzeitalters, wobei die untersten Lagen der Bernsteinstufe angehören. Hier hatte die Staatliche Bernsteinmanufaktur in ihrem Werk in Palmnicken aus der „Blauen Erde" den Bernstein gewonnen, der dann in den Königsberger Werkstätten von Künstlerhand zu den in aller Welt begehrten Schmuckstücken verarbeitet wurde.

 

Vielfach ist an der Steilküste ein Gestein von brauner Farbe zu beobachten, das in Fachkreisen unter der Bezeichnung „Krant" bekannt ist. Sowohl bei Sanden der Bernsteinstufe als auch der Braunkohlenstufe sind diese Erscheinungen wahrnehmbar. Als besonders charakteristische Stelle für solche Krantbildungen ist der Zipfelberg bei Gr. Kuhren anzusehen, wo sie in einer 10 Meter dicken Schicht hervortreten.

 

Die Decke der braunkohlenzeitlichen Schichten wird von Absätzen der Eiszeit gebildet, nämlich Geschiebemergel, Kies und Sand. Im Laufe der Zeit haben sich aber die Lagerungsverhältnisse durch Druck und Bewegung der Inlandeismasse wesentlich geändert, so dass der erdgeschichtliche Aufbau ein wechselvolles Bild darbietet.

 

Darüber hinaus wird die Steilküste jahraus, jahrein weiter umgeformt, und zwar durch die ewige Meeresbrandung und den Einfluss von Wind und Wetter. Wir haben es früher auf unseren Wanderungen sehen können, wie sich im Frühjahr und Herbst bei stürmischer See die hohen Wellen gegen die Küste wälzten und an den Hang erhebliche Verwüstungen eintraten, so dass das Steilufer dadurch Meter um Meter zurückging.

 

Um den Anprall der See zu mildern, hat man verschiedentlich künstliche Schutzwälle errichtet: Buhnen- und auch Zementmauern. Hinter ihnen findet nun die Ablagerung des vorübertreibenden Sandes statt, wodurch der Strand breiter wird. Das hat zur Folge, dass sich die Brandungswellen oftmals totlaufen, ehe sie die Steilküste erreichen.

 

Die überaus lange und zugleich breite Strandfläche des Samlandes bietet ein ideales und am Steilufer romantisch gelegenes Badegelände, das bis 1944 jedes Jahr aufs Neue unzählige Feriengäste aus allen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland zur Sommerzeit aufsuchten. Sie fanden Unterkunft in dem größten ostpreußischen Badeort Cranz, in dem wegen seiner waldeingebetteten Lage bevorzugten Kurort Rauschen, in der wildzerklüfteten Steilküstenlandschaft bei Georgenswalde und Warnicken, in dem freundlichen Fischerstädtchen Sorgenau, ferner in Neuhäuser und Pillau.

 

Wer dieses Gebiet durchwandert hat und den Blick von den Höhen in der Gegend um Rauschen genießen durfte: vom brandungsumsäumten Steilufer nach Norden über die unendlichen Weiten des Meeres, nach Westen längs der Steilküste über Forsten, Wälder und Fischerorte, über die Gausup- und Wolfsschlucht hinweg bis zum Eckpfeiler Brüsterort, nach Osten zum fernen Silberstreifen der Kurischen Nehrung — für den wird diese Landschaft in der Erinnerung unvergessen bleiben. W. R.

 

Seite 6   O schöne Sommernacht / Joseph von Eichendorff.

Nun ade, Mühle und Schloss und Portier! Nun ging’s, dass mir der Wind am Hute pfiff. Rechts und links flogen Dörfer, Städte und Weingärten vorbei, dass es einem vor den Augen flimmerte; hinter mir die beiden Maler im Wagen, vor mir vier Pferde mit einem prächtigen Postillion, ich hoch oben auf dem Kutschbocke, dass ich oft ellenhoch in die Höhe flog.

 

Das war so zugegangen: Als wir vor B. ankommen, kommt schon am Dorf ein langer dürrer, grämlicher Herr im grünen Flauschrocke uns entgegen, macht viele Bücklinge vor den Herren Malern und führt uns in das Dorf hinein. Da stand unter den hohen Linden vor dem Posthause schon ein prächtiger Wagen mit vier Pferden bespannt. Herr Leonhard meinte unterwegs, ich hätte meine Kleider ausgewachsen. Er holte daher geschwind andere aus seinem Mantelsacke hervor, und ich musste einen ganz neuen, schönen Frack und Weste anziehen, die mir sehr vornehm zu Gesicht standen, nur dass mir alles so lang und weit war und ordentlich um mich herumschlotterte. Auch einen ganz neuen Hut bekam ich, der funkelte in der Sonne, als wäre er mit frischer Butter überschmiert. Dann nahm der fremde, grämliche Herr die beiden Pferde der Maler am Zügel, die Maler sprangen in den Wagen, ich auf den Bock, und so flogen wir schon fort, als eben der Postmeister mit der Schlafmütze aus dem Fenster guckte. Der Postillion blies lustig auf dem Horne, und so ging es frisch nach Italien hinein.

 

Ich hatte eigentlich da droben ein prächtiges Leben wie der Vogel in der Luft und brauchte doch dabei nicht selbst zu fliegen. Zu tun hatte ich auch weiter nichts, als Tag und Nacht auf dem Bocke zu sitzen und bei den Wirtshäusern manchmal Essen und Trinken an den Wagen herauszubringen, denn die Maler sprachen nirgends ein, und am Tage zogen sie die Fenster am Wagen so fest zu, als wenn die Sonne sie erstechen wollte. Nur zuweilen steckte der Herr Guido sein hübsches Köpfchen zum Fenster heraus und diskutierte freundlich mit mir, und lachte dann den Herrn Leonhard aus, der das nicht leiden wollte und jedes Mal über die langen Diskurse böse wurde. Ein paarmal hätte ich bald Verdruss bekommen mit meinem Herrn. Das eine Mal, wie ich bei schöner, sternklarer Nacht droben auf dem Bocke die Geige zu spielen anfing, und sodann späterhin wegen des Schlafes. Das war aber auch ganz zum Erstaunen! Ich wollte mir doch Italien ganz genau besehen und riss die Augen alle Viertelstunden weit auf. Aber kaum hatte ich ein Weilchen so vor mich hingesehen, so verschwirrten und verwickelten sich mir die sechzehn Pferdefüße vor mir wie Filet so hin und her und übers Kreuz, dass mir die Augen gleich wieder übergingen, und zuletzt geriet ich in ein solches entsetzliches und unaufhaltsames Schlafen, dass gar kein Rat mehr war. Da mochte es Tag und Nacht, Regen oder Sonnenschein, Tirol oder Italien sein, ich hing bald rechts, bald links, bald rücklings über den Bock herunter, ja manchmal tunkte ich mit solcher Vehemenz mit dem Kopfe nach dem Boden zu, dass mir der Hut weit vom Kopfe flog und der Herr Guido im Wagen laut aufschrie.

 

So war ich, ich weiß selber nicht wie, durch halb Welschland, das sie dort Lombardei nennen, durchgekommen, als wir an einem schönen Abende vor einem Wirtshause auf dem Lande stillhielten. Die Postpferde waren in dem daran stoßenden Stationsdorfe erst nach ein paar Stunden bestellt, die Herren Maler stiegen daher aus und ließen sich in ein besonderes Zimmer führen, um hier ein wenig zu rasten und einige Briefe zu schreiben. Ich aber war sehr vergnügt darüber und verfügte mich sogleich in die Gaststube, um endlich einmal wieder so recht mit Ruhe und Kommodität zu essen und zu trinken. Da sah es ziemlich liederlich aus. Die Mägde gingen mit zerzottelten Haaren herum und hatten die offenen Halstücher unordentlich um das gelbe Fell hängen. Um einen runden Tisch saßen die Knechte vom Hause in blauen Überziehhemden beim Abendessen und glotzten mich zuweilen von der Seite an. Die hatten alle, kurze dicke Haarzöpfe und sahen so recht vornehm wie die jungen Herrlein aus. — Da bist du nun, dachte ich bei mir, und aß fleißig fort, da bist du nun, endlich in dem Lande, woher immer die kuriosen Leute zu unserem Herrn Pfarrer kamen mit Mausefallen und Barometern und Bildern. Was der Mensch doch nicht alles erfährt, wenn er sich einmal hinterm Ofen hervormacht!

 

Wie ich noch so eben esse und meditiere, huscht ein Männlein, das bis jetzt in einer dunklen Ecke der Stube bei einem Glase Wein gesessen hatte, auf einmal aus seinem Winkel wie eine Spinne auf mich los. Es war ganz kurz und bucklicht, hatte aber einen großen, grauslichen Kopf mit einer langen römischen Adlernase und sparsamen Backenbart, und die gepuderten Haare standen ihm von allen Seiten zu Berge, als wenn der Sturmwind durchgefahren wäre. Dabei trug er einen altmodischen, verschossenen Frack, kurze plüschene Beinkleider und ganz vergilbte seidene Strümpfe. Er war einmal in Deutschland gewesen und dachte wunder, wie er gut Deutsch verstünde. Er setzte sich zu mir und fragte bald das, bald jenes, während er immerfort Tabak schnupfte: Ob ich der Servitore sei? wenn wir arriware? ob wir nach Roma gehen? Aber das wusste ich alles selber nicht und konnte auch sein Kauderwelsch nicht verstehen. „Parlez vous francais?" sagte ich endlich in meiner Angst zu ihm. Er schüttelte mit dem großen Kopfe, und das war mir sehr lieb, denn ich konnte ja auch nicht Französisch. Aber das half alles nichts. Er hatte mich einmal recht aufs Korn genommen, er fragte und fragte immer wieder; je mehr parierten, je weniger verstand einer den anderen, zuletzt wurden wir beide schon hitzig, so dass mir's manchmal vorkam, als wollte der Signor mit seiner Adlernase nach mir hacken, bis endlich die Mägde, die den babylonischen Diskurs mit angehört hatten, uns beide tüchtig auslachten. Ich aber legte schnell Messer und Gabel hin und ging vor die Haustür hinaus. Denn mir war in dem fremden Lande nicht anders, als wäre ich mit meiner deutschen Zunge tausend Klafter tief ins Meer versenkt, und allerlei unbekanntes Gewürm ringelte sich und rauschte da in der Einsamkeit um mich her und glotzte und schnappte nach mir.

 

Draußen war eine warme Sommernacht, so recht um gassaten zu gehen. Weit von den Weinbergen herüber hörte man noch zuweilen einen Winzer singen, dazwischen blitzte es manchmal von fern, und die ganze Gegend zitterte und säuselte im Mondenschein. Ja, manchmal kam es mir vor, als schlüpfte eine lange dunkle Gestalt hinter den Haselnusssträuchern vor dem Hause vorüber und guckte durch die Zweige, dann war alles auf einmal wieder still. — Da trat der Herr Guido eben auf den Balkon des Wirtshauses heraus. Er bemerkte mich nicht und spielte sehr geschickt auf einer Zither, die er im Hause gefunden haben musste, und sang dazu wie eine Nachtigall.

 

Schweigt der Menschen laute Lust:

Rauscht die Erde wie in Träumen

Wunderbar mit allen Bäumen.

Was dem Herzen kaum bewusst,

Alte Zeiten, linde Trauer,

Und es schweifen leise Schauer

Wetterleuchtend durch die Brust,

 

Ich weiß nicht, ob er noch mehr gesungen haben mag, denn ich hatte mich auf die Bank vor der Haustür hingestreckt und schlief in der lauen Nacht vor großer Ermüdung fest ein.

(Aus dem „Taugenichts")

 

Seite 7   Heimat. Hanns Gottschalk.

Du bist's, aus deren Tiefen wir getaucht.

Du hast uns deine Seele eingehaucht.

 

Du formtest uns in deinem Mutterschoß.

Du gabst uns frei und lässt uns nicht mehr los.

 

Wir atmen dich und stehn in deinem Licht.

Wir sind aus dir und tragen dein Gesicht.

 

Wir wachsen in dein Wesen erdgefügt hinein.

Wir sind wie du und anders können wir nicht sein

 

Du bist's, aus deren Tiefen wir getaucht.

Du hast uns deine Seele eingehaucht.

 

Seite 7   Foto: Das Zschocksche Stift in Königsberg.

 

Seite 7   Herbert Meinhard Mühlpfordt. Das Zschocksche Stift. In Memoriam Walter Pirsch.

In dieser zweiten Arbeit soll von dem Hause die Rede sein, das unter diesem Namen weit über Königsberg hinaus bekannt war, in dem höchst bedeutende Menschen ein- und ausgegangen sind, wie Immanuel Kant, Wilhelm v. Humboldt, der 1809 als Geh. Staatsrat und Leiter der Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium hier wohnte, der alte Kommerzienrat Saturgus und George Karl Friedrich Zschock.

 

Dieses Haus trug die Bezeichnung Neuer Graben 6. Als Stift aber hat es nie gedient. Unverheirateten, über 45 Jahre alten Töchtern verarmter Kaufleute wurde erst 1872 rechts an das Haus ein zweitstöckiger, 24 Fenster langer zwei Zimmer breiter Trakt als Stift von dem Königsberger Baumeister Dieme angebaut, in dem 26 Damen untergebracht werden konnten. Von diesem Stift ist außer der Goldschrift „Zschocksches Fräuleinstift" an der Frontseite weiter nichts zu erzählen; von ihm ging irrtümlich der Name auf den schönen Bau im Stile Ludwigs XVI. über, der richtiger das Saturgussche Haus heißen müsste.

 

Denn die Saturgus haben es gebaut. Es war das zu dem berühmten Garten gehörige Landhaus.

 

Aber schon müssen wir die Beschreibung dieses denkwürdigen Baues mit einem Ignoramus beginnen; wir kennen nicht das Jahr in dem es errichtet wurde. Im Gegenteil: das Haus gibt uns schon mit seiner Entstehung schwer lösbare Rätsel auf.

 

Aber der Baustil ist ja eine untrügliche Richtschnur! Wer bewundernd vor dem herrlichen Hause stand, musste auf Grund seiner Formen ohne weiteres die Entscheidung treffen: Zopfstil — also Erbauung um 1790. Und genau dieses Jahr ist auch im Dehio von 1922 zu lesen, und unser längst verstorbener Königsberger weiland Direktor des Kunstgewerbemuseums Ulbrich setzt die Entstehung auf „um 1793" an. Der neueste Dehio-Gall von 1952 nennt als Entstehungsjahr: „nach 1776, vermutlich 1788".

 

Aber diese Jahre sind unmöglich.

 

Denn erstens beschreibt der weitgereiste Daniel Bernouli *) 1779 Haus (und Garten) genauso, wie es bis zur Bombennacht stand. Auch der in meiner Arbeit „Der Saturgussche Garten" (Ostpreußenwarte 1958, Nr. 3 und 4) genannte „Wasserpoet", selber ein typisches Produkt der galanten Zeit, schildert das Haus wie den Garten bis in alle Einzelheiten schwülstig und langatmig. Als das Haus vollendet war, hat er also noch immer im Stil des Rokoko „gedichtet" — das spricht dafür, dass das Haus eben noch in der Rokokozeit vollendet worden ist! Sodann ergeben die Akten, dass ein Umbau, etwa eine Fassadenverschönerung mit den Emblemen des Zopfstils, nicht stattgefunden hat. Und endlich fingen bereits 1776 die Finanzen der Brüder Saturgus zu wackeln an — und wer wird sich in Krisenzeiten noch zu dem Bau eines kostspieligen Hauses entschließen?

 

Aus allen diesen Gründen bleibt nur übrig, anzunehmen, dass hier ein sehr fortschrittlicher Baumeister — seinen Namen kennen wir nicht — sehr frühzeitig in einem sehr modernen Stil gebaut hat. Schwerlich wird dieser schöne dekorative Baustil schon den Namen „styl Louis seize" gehabt haben, obwohl dieser König von 1774 - 1793 regiert hat. Man sieht, Königsberg war damals allem Neuen aufgeschlossen und mit Recht die größte und führendste Stadt Preußens, nächst Berlin.

*) geb. 29.01.1700 in Groningen, gestorben 17.03.1782 in Basel.

 

Die interessante Frage nach dem Erbauungsjahr hat schon früher bedeutende Kunstkenner interessiert; so hat Dr. Ludwig Goldstein, der in den dreißiger Jahren gestorbene feinsinnige „Unter dem Strich-Journalist" der Hartungschen Zeitung in dem 1911 erschienenen, leider einzigen Jahrgang der Monatsschrift „Neue Kunst in Ostpreußen" die von dem Königsberger Architekten Walter Kuckuck herausgegeben und von Gräfe und Unzer verlegt wurde, über das Haus Neuer Graben 6 eine ausführliche Arbeit veröffentlicht, der sechs Bilder des Photographen Max Kiby beilagen.

 

Goldstein hatte mit einer Reihe von Fachleuten, unter denen sich auch der bekannte Baupolizeirat Walter Schwartz, der später einige Zeit Stadtverordnetenvorsteher war, befand, genaue Messungen der Fundamente vorgenommen, aus denen diese Männer schlossen, dass baulich seit der Entstehung des Hauses nichts mehr verändert worden war, auch nicht an der Fassade. Ob Goldstein einen Zeitpunkt für die Erbauung des Hauses angab, ist mir nicht bekannt.

 

Wenn wir nun also die Jahre 1774/1775 als Entstehungszeitpunkt annehmen wollen, so wirft sich unverzüglich die Frage von selbst auf: sollte das schöne Haus vielleicht mit eine der Ursachen des Konkurses der Brüder Saturgus gewesen sein? Ich möchte diese Frage bejahen.

 

Über das Gartenhaus, das zweifellos vor diesem Hause, vermutlich an gleicher Stelle, stand, und von dem alten Friedrich Saturgus erbaut worden war, wissen wir nichts Sicheres. Dass eins vorhanden war, machen die vielen Festlichkeiten, die Besuche des Königs, und der Ausbau des Gartens unzweifelhaft. Darüber hinaus behauptete der neueste Dehio-Gall — leider ohne Quellenangabe — dass 1752/1753 ein Wohnhaus, einstöckig mit Mansardendach, das Mittelstück des späteren errichtet worden sei.

 

Betrachten wir nun den schönen zweistöckigen Bau von der Straße Neuer Graben her, von dem man bei seiner Erbauung weit über grüne saftige Wiesen des Pregeltales schauen konnte!

 

Vor dem alten Patrizierhaus liegen vier gewaltige Granitkugeln auf Postamenten, die das vorspringende, reich im Zopfstil verzierte Portal zu schützen scheinen. Zwei schräg gestellte, bis über das Dach reichende Fahnenstangen geben mit den Kugeln zusammen eine überraschende Wirkung. Über der schön geschnitzten Eingangstür sieht man in Goldziffern, von einem Kranzgewinde umrahmt, noch die alte „Servis"-( = Steuer-)nummer des Hauses: 421. (Die Häuser der Stadt Königsberg erhielten erst im Jahre 1810 Straßennummern.) Über der Tür ein reich mit Gewinden behangenes Konsolendach.

 

Der Mittelrisalit des Hauses hat, dem unteren Stockwerk entsprechend, im Oberstock drei hohe Fenster mit typischen Gewinden und Rosetten des Louis-seize-Stiles schön umkleidet. Diese waren 1923 recht abgebröckelt und wurden damals getreu ersetzt.

 

An den gegliederten Seitentrakten finden sich beiderseits fünf hohe Fenster, so dass die Front mit dreizehn Fenstern einen bedeutenden Eindruck macht. Das Ziegelsatteldach hat drei Mansardenfenster.

 

Auch die Gartenfront des Mittelbaues trägt Verzierungen im Zopfstil, wenn auch nicht so reich wie die Vorderfront.

 

Wir betreten durch die wuchtige Eingangstür einen kleinen Vorflur und stehen vor drei Türen. Die rechte führte zur Zeit der Saturgus in ein Naturalienkabinett, von dem der Basler Gelehrte Bernoulli in seiner Reisebeschreibung von 1779 (er war 1777/1778 in Russland gewesen und auf der Rückreise) sagt, es sei „eine der großartigsten Sammlungen von Stoffen und Merkwürdigkeiten aus den drei Naturreichen" und „eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt", aufgestellt „in einem schönen Zimmer mit besonderem Geschmack". Der Vorsteher der Sammlung war eine Zeitlang niemand Geringeres als Immanuel Kant. Bei der Betrachtung eines in einem Bernsteinstück eingeschlossenen Insektes sagte er einmal: „Wenn du erzählen könntest, wie es zu deinen Zeiten war, wie groß würde unsere Kenntnis sein!" 1790 bzw. 1820 gingen die Sammlungen in den Besitz des zoologischen Museums der Universität über, bildeten den Grundstock zu deren Museumsschätzen.

 

Ein weiteres Zimmer auf dieser Seite, dessen Wände mit Vögeln bemalt waren — man denke an das Zimmer Voltaires in Sanssouci — wurde als Vogelkäfig für viele seltene exotische Vögel eingerichtet. Bernoulli beschreibt es genau und der Wasserpoet kann es nicht genug in den Himmel heben.

 

Die vom Vorflur links abgehende Tür führte zur Küche und zu den Bedientenzimmern. Die Tür geradeaus leitete in den großen Gartensaal.

 

Eine Wendeltreppe bringt uns vom Vorflur in das erste Stockwerk, wo ein Vorflur dem unteren entspricht. Hier hängt eingerahmt der große Beringsche Stadtplan von 1613, auf welchem wir die freie Pregellandschaft sehen, wie sie sich dem ersten Saturgus dargeboten hat, als er den Platz für Garten und Landhaus wählte.

 

Wenn wir nun die große geschnitzte Tür öffnen, die geradeaus zu dem über dem Gartensaal gelegenen ovalen Festsaal führt, so verstummen gewöhnlich die Besucher; und nur leise betreten sie den großen eigenartig wirkenden Teppich, der den ganzen weiten Raum bedeckt. Er zeigt ein ungewöhnlich großblumiges Muster mit Arabesken in starken bunten Farben. Es ist so, als sei die letzte der drei Schwestern Zschock eben erst aus dem Saal gegangen — und dort, an einem der vielen Sessel lehnt noch ihr kleiner Krückstock.

 

Und doch starb sie schon 1872! Aber durch das gleichlautende Testament der drei Schwestern Zschock bekommen wir einen klaren Einblick in das kulturelle Leben einer reichen Königsberger Kaufmannsfamilie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wehmütig denken wir an das Uphagenhaus, das Gegenstück in unserer, ebenso brutal verwüsteten Nachbarstaat Danzig.

 

So ehrwürdig berührt die Atmosphäre dieses Saales im Zschockschen Hause, dass die Besucher sich nur flüsternd unterhalten.

 

Gegenüber dem Eingang sind drei sehr hohe Fenster, die den Ausblick auf die schönen Statuen und Blumenbeete des Gartens gewähren. Noch hängen die kostbaren Gardinen an den Fenstern, die von roten golddurchwirkten Shawls drapiert sind. Zu beiden Seiten der Tür stehen große Sofas im Empirestil — gelb poliertes Holz mit weinroten Damastbezügen. Neben der Tür hängt ein perlenbestickter Klingelzug herab. In der Mitte des Saales stehen zwei große runde Tische mit passenden Decken und um diese herum die zu den Sofas harmonierenden Sessel. Die Einrichtung wird vervollständigt durch einen hübschen Spiegelschrank, der Andenken an die drei Stifterinnen enthält: Nippes, Poesiealben, Handarbeiten und ähnliches.

 

An den Längswänden sind zwei geschnitzte weißlackierte Türen, die zu den Wohnzimmern bzw. Schlafzimmern führten. Über einer dieser Türen hängt das einzige Gemälde in diesem Saal — ein halblebensgroßes Porträt einer der Schwestern Zschock im jugendlichen Alter. Es verrät, dass sie eine Schönheit gewesen sein muss.

 

Ein besonderes Gepräge verleihen dem Saal die zu stark gewölbten Nischen ausgebauten Ecken, über die von der Decke rote Draperien mit goldenen Quasten und Troddeln herabhängen. Sie sind aber nicht aus Stoff, sondern täuschend ähnlich aus Stuck modelliert.

 

In den beiden Ecknischen der Fensterseite stehen die schön gearbeiteten, ganz gleich ausgeführten Büsten von der Mutter der vier Geschwister Zschock, einer geborenen Du Moulin, und von George Carl Friedrich Zschock, dem königlichen Kaufmann, der das Haus 1831 gekauft hatte. Silberschildchen an ihren Sockeln tragen Namen, Geburts- und Sterbedaten. Der Bildhauer ist unbekannt.

 

In den Ecknischen an der Tür stehen zwei gewaltige runde Kachelöfen aus der Erbauungszeit mit großen Gewinden im Stil Ludwig XVI. Doch waren diese Öfen nur Attrappen — der barocke Einfall eines genialen Architekten — denn ihre Ofenlöcher waren kleine Schränkchen und kein Ofenrohr führte zu keinem Schornstein.

 

Der Saal war also gar nicht heizbar; doch muss er durch die großen Türen von den gut heizbaren Nebenräumen aus genügend erwärmt worden sein. Bei festlichen Gelegenheiten mag auch der wunderschöne gewaltige Kronleuchter mit seinen zahllosen Prismen, der von der Mitte der Decke herabhing, durch seine achtzig Kerzen den Raum ausreichend erwärmt haben. Wenn man an einem schönen Sommerabend diesen brennenden Kronleuchter vom Garten aus durch die hohen Fenster sah, war es ein feenhafter Anblick.

 

Wir steigen nun mit unseren Besuchern in den Gartensaal hinab. Er war etwa ebenso hoch wie der Festsaal — etwa, vier Meter —, aber nicht so groß. Eine verglaste hohe Doppeltür und zwei Fenster ließen den Blick in den schönen Garten frei. An der rechten Längswand stand ein ähnliches Sofa im Empirestil, wie die im Festsaal, davor ein größerer rechteckiger Tisch und um diesen herum eine Anzahl zum Sofa passender gepolsterter Stühle, die ebenfalls mit weinrotem Damast bespannt waren. Ein kleiner zu diesen Möbeln passender Schrank, vervollständigte die Einrichtung.

 

Von der Decke hing ein großes Modell eines Dreimasters mit voller Takelage, bis in alle Kleinigkeiten ausgeführt, herab. Am Bug prangte der Name „Die große Hoffnung".

 

An den Wänden hingen Bilder aller preußischen Könige. Das Interessanteste aber waren die drei kleinen ölgemalten Medaillonbilder, welche die drei Stifterinnen im jugendlichen Alter darstellten. Sie waren alle brünett und alle richtige Schönheiten.

 

Wer waren nun eigentlich die Zschocks?

Nach dem Tode des Justitiarius Kuhnke und kurzem Zwischenbesitz eines Unbekannten erwarb 1831 der Kaufherr George Carl Friedrich Zschock das Grundstück. Ähnlich wie die Saturgus im 18. Jahrhundert, beherrschte er in dieser Zeit das Getreidegeschäft. Wann er geboren wurde, konnte ich nicht erfahren; er besaß mehr als vierzig Speicher auf der Lastadie, und sein Vermögen betrug mehrere Millionen, das er seinen drei Schwestern hinterließ, als er im Jahre 1854 starb. Denn er war unverheiratet geblieben, was er sich umso mehr „leisten" konnte, als er von diesen Schwestern liebevoll umsorgt wurde. Er wurde, wie seine Mutter, und nach ihm seine Schwestern, in dem Mausoleum auf dem Alten Altstädtischen Friedhof in der Brandenburger Torstraße beigesetzt.

 

Nach dem Tode des Bruders lebten die drei Fräulein, deren Vornamen ich nicht feststellen konnte, still und zurückgezogen in dem großen Hause mit dem schönen Garten bis zu ihrem Tode, ihr Dasein dem Andenken an Mutter und Bruder weihend. Erst 1872 starb die Jüngste, und sogleich nach ihrem Tode wurde gemäß dem gleichlautenden Testament der drei Schwestern mit dem Bau des Stiftes begonnen.

 

Diese Testamente bestimmten, dass der riesige Nachlass dem Vorsteheramt der Königsberger Kaufmannschaft zufallen solle mit der Bedingung, dass ein großes Haus neben dem schönen Wohnhaus erbaut werden sollte für 28 unverheiratete, über 45 Jahre alte Töchter ehemals korporierter Königsberger Kaufleute, die verarmt waren. Außer dieser freien Wohnung sollten den Stiftsinsassen am Todestage des Bruders Carl Friedrich und am Geburtstage der Mutter größere Geldspenden in einer feierlichen Sitzung im Festsaal überreicht werden. Hier heißt es wörtlich: „Dies hat in dem Saal zu geschehen, welcher mit den Büsten meines Bruders und meiner Mutter geziert ist, und der ebenso wie der Gartensaal nie vermietet werden darf. Die Möbel in diesen Sälen bleiben darin und sind aufs sauberste zu halten. Sämtliche Gärten vor und hinter dem Grundstücke, zu welchen Orangerie und sonstige Räume, Gartenutensilien, Statuen, Bänke usw. gehören, sind stets in Ordnung zu halten“.

 

Diesem Testament gemäß wurden Haus und Garten unter Denkmalschutz gestellt, von den Stiftsvorstehern gepflegt und erhalten.

 

Die Dotation erfolgte an den im Testament vorgeschriebenen Tagen im Festsaal, der zu diesem Zwecke mit Blumen und Topfpflanzen geschmückt war. Besonders schön waren die Büsten mit Blumen geziert. Die Stiftsdamen nahmen in den Sofas und Sesseln Platz, während die Stiftsvorsteher an einem kleinen Tischchen am Fenster saßen. Einer der Vorsteher hielt eine kleine Gedächtnisrede und dann wurden -  bis 1918 - jeder Dame 450 Mark überreicht. Nach der Inflation wurden diese Summen geringer, aber die würdige kleine Feier erhielt sich bis zum bitteren Ende.

 

Seite 7   Der Turmbau zu Babel. Von Rudolf Alexander Schröder.

Es ist keiner unter uns, dem nicht die Geschichte vom Turmbau zu Babel bekannt wäre. Sie gehört zu den schönsten und eindrucksvollsten Geschichten eines alten heiligen Buchs. — Aber wenn auch die Geschichte von der babylonischen Sprachverwirrung uns allen von Kindertagen her vertraut ist, so hat vielleicht nicht jeder darüber nachgedacht, worin das Unermessliche grade dieser Geschichte beruhe. Es beruht nämlich darin, dass sie neben ihrem legendären Inhalt einen Gleichnisinhalt von einzigartiger Kraft ihr eigen nennt. Was ist, auf eine kurze Formel gebracht, der Inhalt dieser Geschichte? Die Menschen wollten zu hoch hinaus, und Gott schlug sie mit Verwirrung.

 

Bei Lichte besehen ist das ein Vorgang, der sich im Leben aller Einzelpersonen, aller Familien, aller Gemeinden, Städte, Völker und Nationen immer von neuem wiederholt; es ist der Erdenvorgang aller Erdenvorgänge. Denn wie steht es? Jeder einzelne Mensch, auch der bescheidenste, wird irgendwo, und wäre es mit dem reinsten und besten Teil seines Wesens, zu hoch hinaus wollen: immer wieder aber wird er sich, wo ihm aus anderen, jenseitigen Welten das unerbittliche „Halt“ entgegentönt, mit Verwirrung geschlagen finden.

 

Und die Weltgeschichte? Überall und von allen Völkern sind in ihr Türme zu Babel gebaut worden und sind, nachdem ihre Bauherrn sie in Verwirrung verlassen haben, eingestürzt, unvollendet, wie sie waren, wenn nicht Söhne und Enkel eben dieser Bauherrn mit ihrer Abtragung und Einebnung raschen Prozess machten. Denn es ist in der Tat so, dass die alte, und in vielem so klug gewordene Menschheit doch in der Hauptsache niemals klug wird. Immer wieder muss sie mit ihrer Lektion von vorn beginnen. Manchmal denkt sie, nun habe sie begriffen, wie man die Bäume in den Himmel wachsen lasse. Dann geht alles herrlich voran, eine kurze Zeit, eine lange Zeit, aber das Ende kommt doch. Manchmal weht ein Sturm die Bäume um, noch ehe sie haben recht blühen und fruchten dürfen; manchmal kommt der Tag der Verwirrung in der Stille unvermerkt. Und da zeigt sich's denn, dass die inzwischen alt, hoch und stolz gewordenen Bäume innerlich hohl und morsch waren und nicht einmal mehr die eigene Last tragen konnten.

 

Seite 8   Familienanzeigen.

Der Königsberger Männer-Turnverein von 1842 beklagt das Hinscheiden unseres Turnbruders Otto Milewski, der am 11. April 1958 völlig unerwartet im 71. Lebensjahr heimgegangen ist. Mit ihm verliert unsere Gemeinschaft einen in der Stille mit unverbrüchlicher Treue zu ihr stehenden Turnbruder, der mir selbst persönlich besonders nahe stand als aufrichtiger, zuverlässiger Freund, als Berufskollege und Kriegskamerad. In herzlicher Anteilnahme an dem Schmerz der Hinterbliebenen werden wir ihm allezeit ein ehrendes Andenken bewahren. Für den Königsberger Männer-Turnverein von 1842. Wilhelm Alm

 

Am 27. März 1958 ist unsere Turnschwester Martha Adler, Inhaberin des Ehrenbriefes des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft im Alter von 72 Jahren für immer von uns gegangen.

Schon 1905 verschrieb sie sich dem deutschen Turnen und hielt unserer Elbinger Turngemeinde bis zuletzt unverbrüchliche Treue. Viele Jahre hindurch wirkte sie wegweisend als Frauenturnwartin im Verein und im Unterweichselgau. Unzählige Turnerinnen verehren sie als die Lehrmeisterin und das Vorbild der Einheit von Leistung und Tugend, wahrer menschlicher Größe Jahnscher Prägung. Durch ihr stilles und doch von Feuereifer getriebenes Wirken hat sie sich in der Geschichte des Turnkreises I und noch viel mehr in den Herzen ihrer Turnschwestern und Turnbrüder ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Für die Elbinger Turngemeinde von 1859. Werner Schmuckert

 

Seite 8   Suchdienst

Wer hilft suchen?

Wer weiß etwas über das Schicksal meines Vaters Valentin Wunderlich, geb. 13.02.1893, zuletzt wohnhaft in Rosengart bei Mehlsack (Krs. Braunsberg/Ostpr.). Er wurde am 04.12.1944 in die Nähe von Insterburg zum Volkssturm eingezogen.

Ebenfalls suche ich meinen Bruder Paul Wunderlich (mit Foto), geb. am 04.02.1920 in Rosengart. Er war zuletzt als Soldat in Russland (am Wolchov). Mitteilungen erbeten an Joseph Wunderlich, Harsewinkel/ Rheda 181, Krs. Warendorf.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg, Osdorf, Blomkamp 51, unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Bischofsburg, Kreis Rössel, Schützenweg 36, wird Helmut Fahl, geboren am 20. Mai 1937 in Königsberg, gesucht von seinem Vater Josef Fahl. Helmut Fahl befand sich im April 1945 auf einem Schiff, das in Höhe der Halbinsel Hela auf eine Mine lief und sank. Sein Bruder Lothar Fahl wurde gerettet. Von Helmut hat man bis heute nichts wieder gehört.

 

Aus Dittauen, Kreis Memel, bei Frau Taszus, wird Lotas Vilkas, geboren am 16. Mai 1937 in Mülheim an der Ruhr, gesucht von seiner Schwester Ursula Thiele, geborene Wölk, geboren am 31. Januar 1929 in Mülheim/ Ruhr.

 

Aus Groß Pöppeln, Kreis Labiau, wird Margret Falk, geboren am 5. Juni 1943, gesucht von ihrer Mutter Lotte Falk, geboren am 15. Februar 1911 in Kirschbeck, Kreis Labiau. Margret Falk flüchtete mit ihrer Schwester Renate Falk, geboren am 12. November 1940 und ihrer Großmutter Lina Falk, geboren am 8. Februar 1866 in Gallgarben. Am 27. Februar 1945 sind sie mit einem Schiff von Pillau abgefahren und nach Dänemark geflüchtet. Renate Falk wurde in einem Kinderheim in Kopenhagen gefunden. Die Großmutter und Margret Falk werden noch vermisst. Die Großmutter ist vermutlich in einem Lager in Kopenhagen verstorben.

 

Aus Guttstadt, Kreis Heilsberg, Mälzerstraße 97, wird Siegmund Erdmann, geboren am 28. Oktober 1944, gesucht von seiner Mutter Margarete Erdmann, geboren am 9. August 1905. Frau Erdmann begab sich mit ihren vier Kindern im Februar 1945 von Guttstadt aus auf die Flucht. Im Wald zwischen Guttstadt und Gut Schwengen ging ihr der Knabe Siegmund Erdmann verloren. Siegmund war damals 4 Monate alt. Er war bekleidet mit einem Hemdchen und Jäckchen und war in Windeln und in eine braunkarierte Reisedecke eingeschlagen. Wer hat seinerzeit einen Jungen im Alter von etwa 4 Monaten in der Umgebung von Guttstadt und Gut Schwengen aufgefunden?

 

Aus Halldorf, Kreis Treuburg, wird Manfred Coploch, geboren etwa 1938, gesucht von seinem Pflegevater Franz Knoch, geboren am 29. Juni 1910 in Schuchten. Manfred Coploch ist seit dem 21. Januar 1945 in Preußisch Eylau, Ostpreußen vermisst. Seine Schwester wurde 1945 in Dänemark aufgefunden.

 

Aus dem Kinderheim in Heilsberg wird Hannelore Meyer, geboren am 13. Juni 1937, gesucht von Richard Meyer und von Edith Meyer, geboren am 3. Januar 1936 in Birkenhöhe. Hannelore Meyer befand sich seit 1947 im Kinderheim in Heilsberg.

 

Aus Hermsdorf, Kreis Heiligenbeil, wird Christel Heinrich, geboren am 26. September 1934, gesucht von ihrem Vater Fritz Heinrich, geboren am 24. September 1908 in Hermsdorf. Nach dem Tod ihrer Mutter — im Februar 1947 — ist Christel Heinrich mit Frau Emilie Thal nach Litauen gegangen. Zwischen Kaunas und Schaulen ging Christel Heinrich verloren und wird seitdem vermisst.

 

Aus dem Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg wird Erika Neumann, geboren am 4. April 1943, gesucht von ihrer Mutter Lieselotte Neumann. Erika Neumann wurde am 12. Februar 1947 in das Krankenhaus der Barmherzigkeit in Königsberg eingewiesen. Als besonderes Merkmal weist das gesuchte Mädchen am linken Auge einen blauen Fleck auf.

 

Aus Königsberg, Königsstraße 93, wird Christine Markgraf, geboren am 9. April 1940, gesucht von ihrer Mutter Frieda Markgraf, geborene Woop. Das Mädchen ist der Mutter auf dem Bahnhof Lindvaris/Litauen am 27. Oktober 1947 verloren gegangen.

 

Aus Königsberg, Theaterstraße 12, werden die Geschwister: Helga Stibitzki, geboren am 5. August 1938 und Elsa Stibitzki, geboren am 2. April 1937, gesucht von ihrem Vater Erwin Stibitzki, geboren am 16. April 1903 in Berlin. Die ältere Schwester Dora Stibitzki wird auch noch gesucht.

 

Aus Lubenwalde, Kreis Schloßberg, werden: Günther Kraudssun (richtig lautet der FN: Kraudßun) geboren am 12. August 1938 und Erich Kraudssun (Kraudßun), geboren am 30. Mai 1936 in Blockswalde, gesucht von ihrer Schwester Eva Skel, geborene Kraudssun (Kraudßun), geboren am 20. April 1932 in Blockswalde. Die letzte Nachricht war vom Oktober 1944 aus Wehlau/Ostpreußen.

 

Aus Mogahnen, Kreis Samland wird Emil Potreck, geboren am 9. Juli 1936, gesucht von seiner Schwester Maria Potreck, geboren am 6. September 1931 in Mogahnen, Kreis Samland.

 

Aus dem Kinderheim „Sorgenfrei" in Neu-Dollstädt, Kreis Preußisch Holland, wird Dora Johrden, geboren am 12. Januar 1938 in Preußisch Mark, Kreis Mohrungen, gesucht von ihrer Schwester Ursula Johrden, geboren am 3. Juli 1936 und von ihrem Großvater Friedrich Johrden.

 

Aus Rostheim, Gemeinde Siemental, Kreis Sichelberg/Südostpreußen, werden die Geschwister: Erika Erdmann, geboren am 24. Juli 1941 und Irene Erdmann, geboren am 9. Juni 1938, gesucht von ihrer Mutter Josefine Erdmann, geboren am 24. August 1906. Erika Erdmann und Irene Erdmann wurden in Sichelberg/ Ostpreußen von der Mutter getrennt. Sie befanden sich auf dem Wagen der Frau Margarete Erdmann aus Siemensheim, die selbst drei Kinder, Albert Erdmann, Elisabeth Erdmann und Irma Erdmann hatte. Wer treckte im Januar 1945 in Sichelberg mit Frau Margarete Erdmann und den 5 Kindern zusammen und kann über deren Verbleib Auskunft geben?

 

Aus dem Krankenhaus in Sensburg wird Heinz - Edgar Waschewski, geboren am 23. April 1943, gesucht von seinem Vater Paul Waschewski, geboren am 19. September 1906. Der Knabe wurde im Krankenhaus am 25. Januar 1945 gesehen und soll kurz darauf als geheilt entlassen worden sein.

 

Aus Schmackerau, Kreis Insterburg, werden die Geschwister: Christel Fester, geboren am 13. Oktober 1942 und Herbert Fester, geboren am 11. Dezember 1939, gesucht von ihrem Bruder Kurt Fester, geboren am 24. März 1928.

 

Aus Tomoscheiten, Kreis Tilsit-Ragnit, werden die Zwillinge: Hilde Naujoks, geboren am 15. November 1938 und Irma Naujoks, geboren am 15. November 1938, gesucht von Maria Szepst, geborene Kudwin.

 

Aus Wehlau, Kleine Vorstadt 1, wird Karl-Heinz Woelky, geboren am 14. März 1940, gesucht von seiner Mutter Marie Woelky, geborene Schulz, geboren am 23. März 1916 in Wehlau. Karl-Heinz Woelky ist 1947 in Litauen gesehen worden.

 

Aus Wehrwilten, Kreis Bartenstein, wird Ursula Fligge, geboren am 11. Juli 1939, gesucht von ihrer Mutter Anna Hader, verwitwete Fligge, geborene Ehlert, geboren am 14. Dezember 1920 in Kissitten. Das Kind wurde auf der Flucht am 11. März 1945 in Stolp/Pommern von seiner Mutter getrennt.

 

Aus Ilmsdorf, Kreis Gerdauen, werden Claus Fischer, geboren am 19. Juni 1943, und Wally Fischer, geboren am 24. Mai 1941 in Ilmsdorf, Kreis Gerdauen, gesucht von ihrem Vater Walter Fischer, geboren am 23. Februar 1904 in Groß-Engelau, Kreis Wehlau.

 

Aus Nectainen bei Wormditt, Kreis Braunsberg, wird Erika Fischer, geboren am 28. September 1938 in Sandenwalde, gesucht von ihrem Vater Franz Fischer, geboren am 12. Februar 1911 in Gelsenkirchen.

 

Vermutlich aus Rauben, Kreis Insterburg, wird Werner Schardin, geboren etwa 1936, gesucht von seiner Schwester Christel Schardin, geboren am 31. Oktober 1941.

 

Aus Schillmeißen, Kr. Heidekrug/Memelgebiet, werden Dieter Knoop, geboren am 20. Oktober 1943, und Erwin Knoop, geboren am 27. Dezembr 1934, gesucht von ihrem Vater Emil Knoop, geboren am 15. Januar 1910 in Jagatporwen. Die Geschwister Knoop waren mit ihren Eltern zuletzt im Lager Potulice bei Bromberg. Der Vater wurde von der Familie getrennt. Inzwischen ist er nach Westdeutschland gekommen. Von den beiden Kindern und ihrer Mutter, fehlt bisher jede Spur.

 

Aus dem Waisenhaus in Angerburg/Ostpr. werden Erna Grube, geboren etwa 1940, Gerda Grube geboren etwa 1938, und Liesbeth Grube oder Elisabeth Grube, geboren etwa 1936, gesucht von ihrem Bruder Erwin Grube.

 

Aus Coadjuthen, Kreis Heydekrug, werden die Brüder Dietmar Westphal, geboren am 10 Dezember 1943. Heinz-Hugo Westphal, geboren am 21. August 1941, und Horst-Hugo Westphal, geboren am 5. August in Coadjuthen, gesucht von ihren Tanten Anna Girke, geborene Beckerath und Helene Heckendorf, geboren am 4. Oktober 1906. Bei den Kindern befand sich die Mutter, die ebenfalls noch vermisst wird. Die letzte Nachricht war vom Januar 1945 aus Wiepenbruch, Kreis Labiau, Ostpreußen.

 

Aus Deutsch-Thierau, Kreis Heiligenbeil, wird Bruno Pletzki, geboren am 14. Juni 1935 in Grünhof-Kippen, gesucht von Eva Pletzki, geboren am 28. September 1925.

 

Aus Ellernbruch, Kreis Gerdauen, werden die Geschwister Gerhard Grafke, geboren am 2. April 1941, und Brunhilde Grafke, geboren am 4. Mai 1939 in Ellernbruch, Kreis Gerdauen, gesucht von ihrem Vater Robert Grafke, geboren 1905.

 

Aus Heiligenbeil, Reichenberger Weg 17, werden die Geschwister Reinhard Lemke, geboren am 21. Januar 1943. Carola Lemke, geboren am 18. November 1941 und Kuno Lemke, geboren am 18. April 1939, gesucht von ihrer Tante Hildegard Seroka, geborene Trampnau. Die Eltern der Kinder, Bruno Lemke, geboren am 2. April 1912. und Ella Lemke geborene Trampnau, geboren am 14. April 1916, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Heilsberg, Bergstraße 11 werden Trautchen Marunski, geboren etwa 1940, und Günther Marunski, geboren etwa 1938, gesucht von ihrem Bruder Alfred Marunski, geboren am 5. Januar 1931, und von Johann Gonschor.

 

Aus Karpauen, Kr. Angerapp, werden die Geschwister Hans Nieder, geboren am 14. April 1941, und Ursula Nieder, geboren am 29. September 1933 in Neuhöhe, gesucht von ihrer Tante Anna Benicke, geborene Liedtke, geboren am 27. Juni 1906.

 

Aus Königsberg, Sackheimer Mittelstraße 25, wird Gisela Hellwig, geboren am 7. April 1937 in Königsberg, gesucht von Fritz Döring. Die Mutter Else Hellwig, geboren am 4. Dezember 1906, und die ältere Schwester, Annemarie Hellwig, geboren am 1. September 1933, werden auch noch gesucht.

 

Aus Lichtenau, Kreis Braunsberg, wird Erna Bartsch, geboren am 26. Mai 1939, gesucht von ihrer Mutter Anna Bartsch, geborene Schrade, geboren am 27. November 1902 in Lichtenau.

 

Aus Lindenau, über Braunsberg, Kreis Heiligenbeil, werden Arthur Hopp, geboren 1939 in Lindenau, und Elfriede Hopp, geboren etwa 1933 in Lindenau, gesucht von ihrem Bruder Helmuth Hopp, geboren am 15. Juni 1936. Auf dem Transport in Winter 1945/1946 von Braunsberg nach dem Westen erkrankte der Bruder Helmuth und ist dadurch mit seinen Geschwistern auseinander gekommen.

 

Mecken, Kreis Ebenrode, wird Herbert Viehöfer, geboren am 23. Dezember 1936, gesucht von seinem Vater August Viehöfer und von seiner Schwester Liesbeth Viehöfer, geboren am 11. November 1926. Die letzte Nachricht von Herbert Viehöfer war vom April 1947 aus Litauen.

 

Aus Mehlsack, Kreis Braunsberg, werden Maria Axnicht, geboren am 12. Mai 1941, und Rudolf Axnicht, geboren am 25. April 1939, gesucht von ihrem Vater Franz Axnicht, geboren am 3. September 1910 in Sonnenfeld, Kreis Braunsberg.

 

Aus Mehlsack, Kreis Braunsberg, Scheunenstraße 3, werden Georg Schacht, geboren am 5. August 1939, und Karl Heinz Schacht, geboren am 5. Mai 1935 in Mehlsack, gesucht von ihrem Vater Georg Schacht, geboren am 24. April 1905 in Mehlsack, die Brüder Schacht wurden im Februar 1945 am Kurischen Haff auf einen Lastkraftwagen verladen.

 

Aus Memel, Herderstraße 45, werden die Geschwister Horst Kubillus, geboren am 31. Januar 1941, Irmgard Kubillus, geboren am 7. Juni 1942, Jürgen Kubillus, geboren am 8. Juli 1943, und Hannelore Kubillus, geb. am 1. September 1944 in Memel, gesucht von ihrem Vater Johann Walter Kubillus, geboren am 3. Mai 1918.

 

Aus Neu-Hasselberg, Kreis Heiligenbeil, werden Helga Will, geboren am 18. Januar 1943, und Irmgard Will, geboren am 13. November 1939, gesucht von ihrer Tante Helene Herrmann, geborene Will, geboren am 11. Oktober 1908 in Neu-Hasselberg.

 

Aus Rucken, Kreis Heydekrug, wird Waltraut-Renate Bajohr, geboren am 24. Mai 1937, gesucht von ihrer Mutter Martha Bajohr. Waltraut Renate Bajohr war auf der Flucht mit ihrer Großmutter Erdmuthe Nelamischkies zusammen.

 

Seite 9   Des blinden Meisters Rache. Was die astronomische Uhr von St. Marien zu Danzig erzählt.

Kunstuhren finden wir schon 250 v. Chr. Auch wissen wir, dass Posidonius aus Apanea, Ciceros Freund, um 85 v. Chr. Eine astronomische Uhr mit viel Beiwerk verfertigte. Im 3. Jahrhundert baute Chromatius, Präfekt von Rom, soviel man aus dem verworrenen Text der Überlieferung entnehmen kann, ein großes mechanisches Kunstwerk, das in Verbindung mit einer Uhr den Lauf der Planeten zeigte. In der Mitte des 6. Jahrhunderts wird eine Kunstuhr erwähnt, bei der ein Herkules mit seiner Keule die Stunden auf einer Löwenhaut schlug. Dabei erscheinen die zwölf Stunden als die zwölf Arbeiten des Herkules.

 

In Deutschland viel bewundert wurde eine astronomische Uhr die der Sultan Saladin von Ägypten 1232 an Kaiser Friedrich II schickte. Trithemius gibt ihren Wert mit 500 000 Franken an.

 

Im Jahre 1352 wurde für das Straßburger Münster eine Kunstuhr angefertigt, deren Ruhm in alle Lande drang. Ihre Erbauung durch einen gewissen Jehan Boernave, der bei den Arabern gelernt habe, ist sagenhaft. Wir kennen den Erbauer nicht und wissen nur, dass er zwei Jahre lang an dem Werk tätig war. Das Uhrwerk setzte verschiedene Figuren, so die sich verbeugenden heiligen Dreikönige und einen krähenden Hahn in Bewegung. Auch ein Glockenspiel und ein Zeiger für die vom Sternenlauf abhängige Aderlassstelle am menschlichen Körper waren vorhanden. Von der ganzen Uhr ist nur die Figur des Hahnes als Museumsstück erhalten Mit den beiden späteren Münsteruhren hat dieses Werk nichts zu tun.

 

Kunstuhren, die Berühmtheit erlangten, wurden erbaut 1419 am Altstädter Rathaus zu Prag, in einer großen Nische an der Nordseite des Rathauses zu Olmütz, am Rathause zu Heilbronn, an der Frauenkirche zu Nürnberg, am Rathause zu Ulm, in der Marienkirche zu Lübeck, sowie am Zeitglockenturm in Bern. Alle diese Kunstwerke hat Frau Sage mit ihren Fäden umsponnen.

 

Die Marienkirche zu Danzig barg manch wertvolles Kunstwerk in ihren ehrwürdigen Mauern. Zu diesen Schätzen gehörte die große astronomische Uhr. In den Jahren 1464 bis 1470 war sie von dem Nürnberger Hans Düringer angefertigt worden Zu ihrer Zeit war sie ein seltenes Kunstwerk, und Stadtväter und Bürger waren stolz, sie zu besitzen. Nicht sie allein bewunderten diese Uhr, auch von weither kamen Reisende, sie zu besichtigen.

 

Die Enthüllung fand nach der Überlieferung am ersten Pfingstfeiertage 1470 statt. Für die mühevolle und anerkennenswerte Arbeit erhielt der Künstler von dem Kuratorium der Kirche, dem auch der Rat der Stadt angehörte, eine beträchtliche Geldsumme und für die ganze Lebenszeit noch eine Rente von 24 Mark, für damalige Zeiten auch eine ansehnliche Summe, und freie Wohnung. Als Gegenleistung musste er das Uhrwerk in Betrieb halten.

 

Der Ruf dieser Uhr verbreitete sich weithin, und so war es kein Wunder, dass auch andere Städte sich von dem Hersteller ein gleiches Kunstwerk anfertigen lassen wollten. Wie die Sage berichtet, soll auch die Hansestadt Lübeck an den Danziger Meister herangetreten sein. Kaum hatte der Bürgermeister Danzigs davon erfahren, so beschloss er Düringers Absicht auf jeden Fall zu verhindern. Danzig sollte um den Ruhm dieses Kunstwerks nicht geschmälert werden.

 

Der Bürgermeister ließ daher Düringer zu sich kommen und fragte ihn, ob es wahr sei, dass er eine weitere Uhr dieser Art anfertigen wolle. Als der Meister dies bestätigte, wurde ihm die Forderung gestellt, jeglichen Auftrag abzulehnen. Doch Meister Düringer weigerte sich, da ihn der Auftrag Lübecks lockte. Er hoffte, nicht nur dieselbe Uhr noch einmal zu bauen, sondern sie durch seine gesammelten Erfahrungen ganz bedeutend zu verbessern und damit seinen Ruhm noch zu erhöhen. Da Düringer von seinem Vorhaben nicht abzubringen war zahlte der Bürgermeister ihm sein Jahresgehalt für das kommende Jahr und noch eine besondere Gratifikation aus, die von ihm als ein Notgroschen für die Zukunft betrachtet werden möge. Dann hieß er ihn noch einmal zum Fenster hinausschauen und sich zum letzten Male den Turm der Pfarrkirche, den Artushof und die von hier aus zu übersehenden Straßen anzusehen; denn es sei sein fester Wille: er solle niemals wieder das Licht des Tages erblicken.

 

Obwohl der bestürzte Künstler vor dem Bürgermeister niederkniete und nun schwur, er wolle nie wieder, seine Hand an eine ähnliche Arbeit legen, blieb der Stadtgewaltige bei seinem Entschluss, um für immer gesichert zu sein. Er rief zwei im Nebenraume versteckte Henkersknechte, diese banden Düringer, fuhren ihm mit einem glühenden Eisen über die Augen und vernichteten seine Sehkraft.

 

Der Unglückliche brütete nun über Racheplänen gegen die Peiniger. Und eine willkommene Gelegenheit bot ihm die Hand zu seinem Vorhaben. Durch irgendeinen Umstand war an dem Gangwerk der Uhr eine Kleinigkeit in Unordnung geraten, kein anderer Uhrmacher der Stadt wagte sich an die Reparatur, und der Rat sah sich genötigt, den Erbauer selbst darum zu ersuchen. Er wurde auf die Galerie geführt, wo er zwischen den Rädern auf und ab schritt, in dem er bald dieses bald jenes abtastete. Plötzlich fasste er das Haupttriebrad, griff mit voller Kraft hinein und drehte es verkehrt herum. Da rollten die Räder, alle Zeiger kreisten, die Figuren fielen durcheinander, und die Gewichte stürzten losgerissen herab. Diesen Augenblick der allgemeinen Überraschung benutzte der Geblendete, schwang sich über die Galerie, stürzte herab und zerschmetterte auf dem Steinboden. Seit dieser Begebenheit ging die Uhr nicht mehr.

 

Soweit die Sage. Das alte Wahrzeichen aber lebt weiter in der Erinnerung der Vertriebenen und alle Freunde der schönen Stadt an der Ostsee. Hermann Bink

 

Seite 9   Foto: Die astronomische Uhr im nördlichen Querhaus der Marienkirche zu Danzig.

Die kunstvolle Uhr besteht aus zwei Scheiben, von denen die untere Sonne, Mond und Planeten, und die obere die Kalenderzeichen enthält und zu bestimmten Zeiten bald die Verkündigung Maria, bald die Anbetung der Heiligen Drei Könige darstellt. Sie zeigt den Auf- und Niedergang der Sonne und des Mondes für jeden Tag des ganzen Jahres, den Lauf der Planeten und der Zeichen des Tierkreises, den gesamten Sternhimmel, den Kalender und die beweglichen Festtage. Über den Scheiben läuft eine Galerie hin, an deren einem Ende bei jedem Glockenschlage ein Apostel erscheint, die Galerie durchschreitet und am anderen Ende wieder verschwindet. Über dieser stehen Adam und Eva, die bei jeder Stunde eine kleine Glocke ziehen, und neben ihnen die vier Jahreszeiten, die jeweils herrschende steht vor den anderen. — Im Wesentlichen gleicht diese Uhr in ihrer Anordnung jener von St. Marien zu Lübeck.

 

Seite 9   Es steht auf Sturm. Uralter Wind- und Hagelabwehr-Zauber in Ostpreußen.

Die Zeit der Hagelwetter rückt heran. Sie fürchtet der Landmann mit Recht, da sie ihm Schaden an Fruchtblüten und Korn zufügen können. Im Ernstfalle hilft heute zum Teil die Versicherung. Früher griff der Bauer zu zauberischem Tun, um den bösen Dämon Hagel von seinem Felde abzulenken; mochte er sich am Felde des Nachbarn schadlos halten. Manche uralte Sitte der Hagelabwehr-Magie lebt im Brauchtum noch heutiger Tage fort.

 

In Ostpreußen schrieb man dem Johannisfeuer hagelbrechende Wirkung zu. Feuer als Hagelabwehr verwandte man auch auf der Rhön; mit angezündeten Holzfackeln, geteerten Besen und mit strohumwickelten Stangen lief man durch die Saatfelder, rollte auch ein brennendes, strohumflochtenes Rad die Anhöhe hinab. Seltsam mutet folgender ostpreußischer Abwehrbrauch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts an:

 

Wenn ein Hagelfeuer drohte, stach der masurische Bauer drei Stück Rasen aus und legte sie verkehrt auf die Grasseite. Die Frau nahm den Brotschieber, drehte ihn an der Dachleiter dreimal um und legte ihn neben die Leiter auf die Erde. Der Bauer und seine Frau taten dies in der Überzeugung, dass dann der Wind sich umdrehe, die Wolken abgingen und der Hagel den Feldern dessen, der das Mittel angewendet hatte, keinen Schaden tat.

 

Noch einfacher war ein anderes Mittel, um den Hagel magisch zur Abkehr zu zwingen. Bei aufziehendem Unwetter, das dem Felde verderblich sein könnte, pflegte man zum Hütejungen im Oberland Ostpreußens zu sagen: „August, dreh die Mütze rum, Hagel zieht auf“. Die in letzter Zeit nur scherzhaft gebrauchte Redensart offenbart zusammen mit den eingangs erwähnten ostpreußischen Handlungen den alten Volksglauben, durch Umkehrung eines Gegenstandes analog Wind und somit Hagelwolken abwenden zu können.

 

Besonders Hut und Mütze spielten beim Wind- und Hagelzauber seit alters her im Volksglauben eine bedeutende Rolle. Schon Saxo Grammaticus der Geschichtsschreiber — um 1200 — berichtet vom schwedischen König Eirik, dass er durch Drehen seines Hutes Wind hervorrufen konnte. In der Wallonie bewirkt dasselbe das Drehen eines Dreispitzhutes. Eines der Kindermärchen der Brüder Grimm weiß von einem zu erzählen, der durch schiefes oder gerades Setzen seines Hutes das Wetter lenken kann.

 

Nach finnischem Glauben sitzen acht Wirbelwinde in einer Mütze. Auch bei den alten Preußen gab es „Winddreher“, die es verstanden, Winde zu erzeugen und zu lenken.

 

In mannigfachen Hutbezeichnungen drückt sich die enge Verbindung von Hut und Wind und Wolken aus. In Ostpreußen nennt man einen Zylinder „Wolkenschieber“. In Schleswig-Holstein ist „Wolkenschuwer“ eine Mütze mit Schirm. Ebendort nennt man den Napoleonshut  „Windklöwer“ = „Windspalter“. Die zipflige Kopfbedeckung der Lappen heißt „Mütze der vier Winde“. Erinnert sei auch an die deutsche Redensart „Nicht einmal so viel wie eine Mütze voll Wind“. Wenn jemand so viel wie eine Mütze voll Wind“. Wenn jemand den Hut oder die Mütze schief auf hat, sagt man: Es steht auf Sturm. Landesmuseumsdirektor Dr. Wilh. Gaerte

 

Seite 9   Deutsches „Collegium Copernicum“

In München fand die Gründung des „Deutschen Komitees der Internationalen Vereinigung Collegium Copernicum“ statt. Ziel der Vereinigung ist die Förderung wissenschaftlicher und künstlerischer Institutionen, deren Tätigkeit sich mit dem osteuropäischen und asiatischen Raum befasst. Dies soll durch Errichtung von Kulturheimen zur Unterbringung wissenschaftlicher Forschungsstätten, Unterstützung für kulturelle Einrichtungen und Förderung des Kulturaustausches geschehen. Das erste konkrete Ziel ist die Errichtung eines „Osteuropa-Hauses" in München, für das im Etat des bayrischen Staates bereits Mittel vorgesehen sind und zu dessen Unterstützung sich auch die Bundesregierung bereit erklärt hat.

 

Das Deutsche Komitee ist eine nationale Sektion der in Gründung befindlichen Internationalen Vereinigung Collegium Copernicum, deren Sitz Genf sein soll. Zum Präsidenten des Deutschen Comitees wurde einstimmig der stellvertretende bayrische Ministerpräsident, Staats-  (hier bricht der Bericht ab).

 

Seite 9   Ostdeutscher Sammelband

Im Mittelpunkt der Arbeit des Göttinger Arbeitskreises Ostdeutscher Wissenschaftler stand im Berichtsjahr 1957/1958 die Herausgabe eines großangelegten Sammelbandes über Ostdeutschland, der unter Mitarbeit zahlreicher Wissenschaftler im Sommer unter dem Titel „Das östliche Deutschland, ein Handbuch" erscheinen wird. In diesem Sammelwerk, das auch ins Englische übertragen wird, werden in drei Teilen die Probleme des Völkerrechts, der deutschslawischen Geschichte und der ostdeutschen Wirtschaft behandelt.

 

Seite 9   Ostkunde-Lehrstuhl

Ein zweiter Lehrstuhl für Ostkunde wird an der Universität Kiel eingerichtet werden, beschloss der schleswig-holsteinische Landtag kürzlich. Der Lehrstuhl, den die BHE-Landtagsfraktion vorgeschlagen hatte, wird vor allem der wirtschaftsrechtlichen Forschung dienen.

 

Seite 9   Vor 150 Jahren in Königsberg (IV)

Wir lesen im Jahrgang 1808 der „Kgl. Preußischen Staats-, Kriegs- und Friedenszeitungen" in „Nro 35. Königsberg. Montag, 2ten May 1808", Beilage:

Theater-Anzeige. Die Theater-Direction ¹) hat die Oper ,Der Corser aus Liebe zu Freytag den 6ten May bestimmt. Die Vorstellung wird mit einem pantomimischen Ballett geschlossen, welches in Danzig bereits mit Beyfall gegeben worden, den man hier zu erndten gleichfalls sich schmeicheln darf. — Zu wenig bekannt in dieser Stadt sah sich zu dieser Anzeige genötigt und hat die Ehre, ein verehrenswerthes Publicum zu dem angezeigten Abend ergebenst einzuladen. Friedrich Veltheim. Kneiph. Brodtbänkengasse No 301

 

Einem verehrungswürdigen Publico zeige ich hiermit ergebenst an, wie außer den gewöhnlich verschiedenen Torten jetzt auch noch folgende neue Gattungen bey mir zu haben sind: als: Louisentorten, Punschtorten, Schneekoppen, Kaninchenberge, Eisbäume und Bonaparttorten. Ebenso kann ich auch mit mehrere neue Sorten bonbon aufwarten. Feige, Conditor dem Hof Post Amte ²) gegenüber.

 

In „Nro 36. Königsberg. Donnerstag den 5ten May 1808":

Wir Friedrich Wilhelm v. G. Gn. Kg. v. Preußen, Marggraf z. Brandenburg etc. etc. Thun Kund und fügen hiemit zu wissen: Durch die im Herzogthum Warschau bekannt gemachte Verordnung v. 27. März c. ist der Werth der preußischen Drei-Groschenstücke, die in Preußen Düttchen und in Schlesien Böhmen heißen, um den 3. Theil ihres Nominalwerthes herabgesetzt worden. Wir verordnen hierdurch, dass von heute an die Düttchen für 2 Groschen Preuß., die Zwei Groschen für Einen und Groschen die Ein Groschen für Groschen sowohl Unseren preußischen Cassen als im Privat-Verkehr gelten und angenommen werden sollen. Königsberg d. 4ten May 1808. L.S.) Friedrich Wilhelm Stein.

 

In „Nro 37. Königsberg. Montag den 9ten May 1808":

Taxe für den Monat May: für die Bäcker: Weitzen-Brod: für 1 gr. 3 Loth 2 Qu; für 2 gr. 7 Loth 1 Qu.; Roggen-Speise-Brod: für 1 gr. 7 Loth 1 Qu. Für die Hacker ³): Butter die beste: 1 Stein 39 fl. 11 gr., 1 Pfd. 1 fl. 7 gr. Erbsen, graue, große 1 Schfl. 13 fl. 14 gr.. 1 Stof 9 gr. Die Fleischertaxe bleibt unverändert ).

Kgb. 4ten May 1808. Kgl. Preuß. Polizey-Direktorium

 

In „Nto 38. Königsberg. Donnerstag den 12ten May 1808":

„Concert-Anzeige. Einem hochzuverehrenden Publicum zeige gehorsamst an, wie ich diese bevorstehenden Sommer die gewöhnlichen Conzert in meinem Garten auf dem Tragheim vom künftigen Sonntag als den 15. May cr. an eröffne und damit jeden Mittwoch und Sonntag continuire. Das Entree der Herren 10 gr., Damen 6 gr. Durch die Fürsorge einer reellen Aufwartung sowohl als billige Behandlung des Genusses schmeichle mir Zufriedenheit und zahlreichen Besuch. Bartsch.

 

In „Nro 39. Königsberg. Montag den 16ten May 1808" Anzeigen:

Geld-Gewichts-Tabelle mit Rücksicht auf die Düttchen nach ihrem jetzigen Werth verkauft d. Expedit, d. Kgb. Ztg. für 6 gr. preuß.

Über Erbunterthänigkeit, ein Commentar über das Kgl. Preuß. Edict v. 9ten Oct. 1807, ihre Aufhebung betr. Vom Geh. Justizrath Schmalz Berlin. Preis 1 fl. 8 gr.

Ist in Königsberg zu haben bey Göbbels und Unzer. H. M. Mühlpfordt

 

¹) Direktor Steinberg; es handelt sich bereits um das „Neue Schauspielhaus"-Stadttheater-Opernhaus am Königsgarten, das am 09.03.1808 mit der Oper „Titus" eröffnet worden war.

²) Da das Hippelsche Palais in der Junkerstraße 1797 zum Postamt wurde, so muss Feige seine Konditorei neben dem Theater auf dem Creytzenschen Platz gehabt haben, entweder auf der Stelle des späteren Verwaltungsgrundstücks der (neuen) Altstädt. Kirche oder an der Ecke Junkerstraße-Paradeplatz. Nicht kann es die Ecke neben der Post gewesen sein, denn dieses Haus gehörte E. J. A. Hoffmanns „O-Weh-Onkel" Dörffer.

³) = Höker.

) Die Taxen wurden im Edikt vom 24.10.1808 gleichzeitig mit der Aufhebung der Zünfte und der Einführung der Gewerbefreiheit aufgehoben.

 

Seite 10   Die Stadt Tilsit. Ostpreußische Geschichte am Beispiel einer Stadt.

3. Fortsetzung.

Moritz von Perschkau. Eine der markantesten Persönlichkeiten Tilsits vor der Stadtwerdung ist wohl Moritz von Perschkau, Burggraf zu Tilsit, gewesen. Aus alter Familie und von Adel, der ja besondere unantastbare Vorrechte besaß, hatte sein Name einen gewichtigen Klang in ganz Preußen und über dessen Grenzen hinaus. Zudem war er einer der reichsten Grundbesitzer des Landstriches denn neben dem Familiengute Senteinen, das seinem Vater Hans von Perschkau für treue Dienste vom Orden 1486 geschenkt wurde, besaß er noch die große Strominsel bei Splitter und seit 1522 das „Benedictenfeld" (später Dorf Bendigkauken bei Tilsit). 1537 verlieh Herzog Albrecht u. a. seinem „Erbaren Burggrafen Moritz von Perszkaw vnd seynen mennlichen Leibeserleben erben" den „Schallmischen acker zur Splitter, zween huben acker beim flies Melle (Flüßchen Meerwisch), eyn stück Waldes, wo daraus eyn rossgarten gemachet, die Stulbek genannt (spätere Vorstadt Stolbeck), die fischerey im teiche in der Stulbek zween Pauren (Bauern) am Heidensee (Schilleningker See)".

 

Nach seinem Tode haben Perschkaus Söhne die Besitzungen übernommen, Moritz das Gut Senteinen, Friedrich die Besitzungen in Splitter und Ludwig das Gut Schilleningken. Gunst und Vertrauen des Fürsten hatten den Landedelmann, der als einer der ersten mit den Seinen in der Provinz Schalauen zur neuen Lehre übertrat, zu dem verantwortungsvollen Amt des Burggrafen berufen. Und Herzog Albrecht, dem das Gedeihen seiner künftigen Stadt am Memelstrome als Bollwerk gegen den feindlich gesinnten Osten sehr am Herzen lag, hätte sich wohl keinen besseren und umsichtigeren Verwalter wählen können. Ohne Zweifel war es ein schweres Amt, in der aus allen deutschen Gauen bunt zusammengewürfelten Bevölkerung Zucht und Ordnung zu halten, Zwietracht zu schlichten und den immer dringlicher werdenden Forderungen der Stadtbürger nach mehr Land, Privilegien und Zinserlass gerecht zu werden. Außerdem lebte noch das unruhige Völkchen der übriggebliebenen Stammbevölkerung, die „Schalwen (Schalauer) zur Splitter" und die „Preußen im Hackelwerk hinter der Tilse", die, obwohl loyal geworden, sich in ihrem angestammten Recht und Landbesitz bedroht fühlten. Vielleicht war auch das Auftreten des adelsstolzen Burggrafen allzu selbstbewusst, dass sogar seine nächsten Untergebenen gegen ihn heimlich oder offen zu rebellieren begannen, wie der Amtsschreiber Valentin Neuhof, der in einer Beschwerde offen Partei für die Bevölkerung ergriff und sich über Perschkau bitter beklagte.

 

Offenbar schweren Herzens, da er den Burggrafen nicht kränken wollte, „legte" Herzog Albrecht schließlich 1545 den tüchtigen und erfahrenen Nicolaus von Gadendorff als Amtshauptmann in das „stettlein Tilse", der sich nun seinerseits um Verwaltung und Beschwernisse kümmern sollte.

 

1545 berichtete Gadendorff dem Herzog über eine Besichtigungsreise mit Moritz v. Perschkau u. a.: „Ew. F. Gnaden schreyben an mich das stettlein allhie zur Tilsen allenhalben belangend hab ich heute dato den 29. Aprilis empfangen und tu Es. F. Gnaden hirauf untertheniglich berichten, was den ersten articul, was und wieviel das stettleyn an eckern, wiesen und weyden und weldern hab belangend ist, und ferner Ew. F. Gnaden bericht vor mir begehret, womit Ew. F. Gnaden ihnen helfen mechten, so hab ich demnach solchs mit Moritzen beritten und besehen und finden beyde, das ihnen Ew. F. Gnaden nit wohl füglicher helfen mugen, denn das Ew. F. Gnaden ihnen die ecker und wiesen, so die Preusen im Hackelwerk über der Mymmel innehaben, wilchs Moritz den Preusen vor den Campen gegeben, und mit den Campen grenzen. Zum andern und dritten articul, was die fischerey betreffen ist haben sie gar keyne fischerey denn nur allein im Strom der Mvmmel ein jeder mit der Handgewaffen, so fern das stettleyn grenzet, frey zu fischen, und geben keynen zins davon wie andere, so am Strom wohnen. Zum vierten, den Grundzins belangend, gibt ein jeder von ein Haus und Erbe eyne Mark ohne die Krüger geben keyn Grundzins. Zum fünfften, was sie für Scharwerk haben und tun müssen. Und erstlich, so müssen die Undeutschen allesampt Handwerker und wer sie seynt, das Getreide auf dem Haus neben den Preusen allzeit, wann es vonnöten mit umstechen warten insogleichen das getreyde in der Scheunen im Aust helfen abladen, auch das Schlos kehren und helfen reyne machen und die Schaf waschen und scheren und so zum Haus vonnöten, zu Schiff helfen auf und ab bringen, doch beschwerden sich solchs ser die Handwerker und so doch Zins von ihren Häusern geben, und haben die Preusen alls zuvor getan. Zum 6, was die Handwerker vor Zins geben? Gibet eyn jeder Besessener Landbesitzender 1 mark Grund zins wie oben gemelt und die Schuster geben eyn jar 1 par Stifel Ew. F. Gnaden Fischerknechte von dene buden, darinn sie feyl haben. Zum 7, was die Wage, scheffel, buden und badstuben tragen? Ernstlich was die wage und scheffel tregt, haben sich Ew. F. Gnaden aus den Zins registeren in der Rentkamer zu ersen, denn von 1 Stehen (Steinaltes Gewicht) zu wegen, gibt mann 1 fennig und von 1 Scheffel zu messen auch 1 fennig. Der Kram budenzins halben gibt jede bude eyn jar 1 mark zins, seynt 7 buden laut dem Zins register. Der Badstuben halben ist keyn gmein Badstuben allhie, sondern die es vermegen, haben Badstuben in ihren häusern.

 

Letzlichn auch wollen Ew. F. Gnaden eingedenken seyn der Irrung halben, so im stettleyn der Austheilung halben er Stetten wie dann Ew. F. Gnaden willens herauf zu schicken und solche Stetten zu messen un auszutheylen lassen bedacht damit dem selben mocht erfolget werden. Solchs hab Ew. F. Gnaden ich in Unterthnigkeyt auf Ew. F. Gnaden Schreiben mit Wissen und angezeiget zu lassen. Datum Tilsen den . Mai 1545

Ew. F. Gnaden untertheniger gehorsamber Claus Gadendorff“.

 

Des ewigen Haders und Zankens müde und verbittert, bat Moritz von Perschkau 1546 den Herzog, ihn doch aus dem Amte in Gnaden zu entlassen, da er alt, sehr schwach und zudem der Schrift unerfahren sei! Aber Albrecht wollte seinen Getreuen Diener, dem schließlich das Aufblühen des Ortes mit zu verdanken war, der zu Beginn nur aus einigen um die Burg gescharten Häuschen bestand, noch nicht gehen lassen und gab erst nach einer abermaligen Bitte Moritz von Perschkaus 1548 endlich seine gnädige Zustimmung.

 

Bei der Stadtgründung 1552 ist Moritz v. Perschkau Besitzer eines Kruges und der wüsten Klosterstätte in der Deutschen Gasse.

ha. (wird fortgesetzt)

 

Seite 10   Prof. Dr. Kolbow wurde „Bohnenkönig"

Die Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde Kants" versammelten sich am 22. April, dem Geburtstage des großen Königsberger Philosophen, zu ihrer traditionellen Jahresversammlung, die „Bohnenmahl" genannt wird; denn nach altem Brauch ermittelt die Gesellschaft ihren Vorsitzenden in der Weise, dass am Schlusse des Mahles eine Torte gereicht wird, in der sich eine Bohne befindet: Wer die Bohne erhält, ist als „Bohnenkönig" Vorsitzender der Gesellschaft bis zur nächsten Jahressitzung. „Bohnenkönig" für das Jahr 1958/1959 wurde Prof. Dr. med. et phil. Heinrich Kolbow, Delmenhorst (früher Universität Königsberg).

 

Der bisherige „Bohnenkönig" der bis 1945 in Königsberg ansässigen, im Jahre 1947 in Göttingen neugegründeten Gesellschaft, Dr. Fritz Gause, gedachte zu Beginn der Jahresversammlung des im Vorjahre verstorbenen Ehrenmitglieds, Dr. h. c. Manfred Graf von Brünneck-Bellschwitz, des früheren Landeshauptmanns der Provinz Ostpreußen, und würdigte dessen Verdienste um das Land jenseits der Weichsel und um die Stadt Königsberg. Dr. Gause, der früher in Königsberg der Leiter des Stadtarchivs war, hielt sodann die Festrede über das Thema „Kants Freunde in der Kaufmannschaft Königsbergs". Er vermittelte ein eindrucksvolles Bild vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben in der Hauptstadt Ostpreußens zur Zeit Immanuel Kants und schilderte insbesondere die Beziehungen des Philosophen zu einzelnen Kaufmannsfamilien und Handelsherren, von denen viele ihre Söhne an die Königsberger Alma Mater Albertina entsandten, deren Rektor Kant eine Zeitlang gewesen ist.

 

Seite 10   Auf dem Königsberger Fischmarkt. Eine Jugenderinnerung von Gerhardt Seiffert.

„Koarl kemmst met auf de Fischbrück?" — „Aber kloar, Mänsch" — Eine Aufforderung zum Rumstromern mit diesem Ziel fand immer freudige Zustimmung. Auf der Fischbrücke gab es stets etwas zu erleben, da war immer etwas zu sehen. Auf der Fischbrücke roch es nicht nur nach Fisch, sondern vor allem so verlockend nach Haff und See, nach der weiten blauen Ostsee, dem Inhalt unserer Träume und Wünsche, unserer Spiele und unserer Sehnsucht. Der Fischbrücke haftete ein so eigenartig anziehender Hauch der Ferne an, der uns wieder und wieder auf unseren Jugendstreifzügen zu ihr hinzog.

 

Am Pegelufer, zwischen den Brücken und alten Gassen, lag der Fischmarkt, nahe den alten Handelshäusern, Kaufhöfen und Fachwerkspeichern, bewacht vom „Blauen Turm". Vom jenseitigen Ufer blickte neugierig aus ihrer stillen Abgeschiedenheit inmitten des hastenden Stadtgetriebes wie aus einer anderen Welt die grüne Dominsel herüber mit der alten Universität und dem Grabmal Immanuel Kants.

 

Auf dem Pregel aber schaukelten Bord an Bord die zahlreichen Fischkutter, die im ersten fahlen Licht der Morgendämmerung mit geblähten Segeln des Haffes Wellen durchgepflügt hatten und dann mit Motorkraft den Pregel herauf bis in die Stadt hineingetuckert waren, um ihren Fang von Haff und See auf der Fischbrücke zum Verkauf zu bringen.

 

Einmal nur mit hinaus dürfen — — aber ach, wir mussten es dabei bewenden lassen, von der Kaimauer herab auf die Kutter zu schauen und von allem zu träumen oder auch zu prahlen, was man tun würde, wenn...

 

So wandten wir uns seufzend dem Betrieb auf dem Fischmarkt zu. Hier, ein paar Schritte von der Kaimauer entfernt, hatten die Fischverkäuferinnen, gesunde rotwangige, korpulente, robuste Frauen unbestimmbaren Alters, ihre Fische aufgestellt und hoch auf die Kisten gestapelt mit fettglänzenden, duftenden geräucherten Flundern und Aalen. Um sie herum aber das Geplatsche der frischen, lebenden Fische. In den hochbeinigen, außen grün, innen rot gestrichenen Holzwannen die Süßwasserfische aus Haff und Fluss: Stinte, Makrelen, Barsche, Karauschen, Neunaugen und wie sie alle hießen. In den tiefen Bottichen die Seefische.

 

Manchmal hatte auch ein Fischer einen lebenden Seehund in einem großen Kübel ausgestellt, jenen in der Ostsee seltenen Fischräuber, der den Fischern die Netze zerreißt. Für ein Dittchen konnten wir uns den Seehund ansehen und uns von ihm beprusten und bespritzen lassen. Dadurch hatte der Fischer wenigstens eine kleine Entschädigung für seine zerfetzten Netze.

 

Mit lautpreisenden Worten im urwüchsigsten ostpreußischen Platt aber priesen die Fischfrauen, vor Liebenswürdigkeit fast triefend, ihre leckere Ware an: „He, Madammche, e paar Flundre? Oder hier von diese Oal, nähm Se fier dem Härrn Jemahl!"

 

Sie verstanden sich mit den Hausfrauen gut, die Fischfrauen, und im Laufe der Jahre halte sich zwischen Fischfrau und Käuferin ein freundschaftliches, vertrauensvolles Verhältnis entwickelt, so daß fast jede Hausfrau immer wieder zu „ihrer Fischfrau" kaufen ging.


 


 

Wehe aber jener jungen, unerfahrenen Marktbesucherin, die es wagen sollte, an der Güte oder Frische der Fische zu zweifeln! Dann stemmte die beleidigte Fischfrau empört beide Arme in die kräftigen Hüften und ließ mit durchdringender Stimme in herrlichsten Heimatlauten eine wahre Sturmflut von Worten, die in keinem Lexikon aufgeführt sind, auf die vermessene Sünderin niederprasseln. Der Armen blieb nichts anderes übrig, als verlegen, mit hochrotem Kopf unter dem Gelächter von uns Jungen zu versuchen, unauffällig in der Menge zu verschwinden.

 

Zum Abschluss unseres Bummels stromerten wir dann noch zu einer der Brücken, die gerade hochgezogen wurde, um den großen lastenschweren Schiffen die Durchfahrt zu den Speichern freizugeben oder ausfahrende Dampfer zu neuer Fahrt in See stechen zu lassen. Wie hingen wir dann neugierig über den Brückengeländern und wären gar zu gerne mit an Bord gewesen. Nicht satt sehen konnten wir uns, ganz im Gegensatz zu den geschäftigen, eiligen Passanten, denen das Warten zu lange dauerte.

 

Wie sagte doch jener brave Kutscher, der vor vielen Jahren seinen Herrn Landschaftsrat fuhr und vor der Brücke warten musste? „Nu moak all de Brück tau, eck un de Härr Landschaftsrat woarte schon wie de Oape!"

 

Seite 10   Kulturelle Nachrichten

Ostdeutsche Chöre schließen sich zusammen.

Der 9. April wird für die Geschichte des Verbandes der Ostdeutschen Chöre ein wichtiges Datum bleiben: In Köln trafen sich der Bundeskulturwart der Landsmannschaft Schlesien, Dr. Herrmann, der Dirigent des bekannten Augsburger Schlesierchores, der auf einem bemerkenswerten Leistungsstand ist und bereits Oratorien aufgeführt hat, und der Landesverbandsvorsitzende des Verbandes der Ostdeutschen Chöre in Nordhrein-Westfalen, Studienrat Dr. A. Schnabel, Viersen, zu einer wichtigen Arbeitssitzung. In Bayern haben sich nach dem Vorbild in Nordhrein-Westfalen bereits 32 ostdeutsche Chöre zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, die sich zum Ziele gesetzt hat, ostdeutsches Kulturgut zu erhalten und weiterzutragen, sich für die Dichter und Komponisten der ostdeutschen Heimat der Vergangenheit und der Gegenwart einzusetzen, durch Gemeinschaftskonzerte den Leistungsstand der Chöre zu fördern, durch Chorleiter-Arbeitstagungen gute gemeinsame Arbeit zu ermöglichen. Seit Jahren wird in Nordrhein-Westfalen mit bisher 130 zusammengeschlossenen Chören insgesamt über 3000 Sängerinnen und Sängern die Verbandsarbeit mit bestem positivem Erfolg durchgeführt. Das Bestreben bei den Konferenzen in Köln ging darauf hinaus, den Aktionsradius des Verbandes zu vergrößern. Die ostdeutschen Chöre Bayerns erhofften die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem in Nordhrein-Westfalen von Dr. Schnabel geleiteten Verband. Es bestand bereits seit längerer Zeit lebhaftes Interesse an den Landestagungen in Köln, wo der intensivste Einblick und Überblick in die Verbandsarbeit vermittelt werden konnte. Das Ergebnis der Gespräche war die Bildung einer festen Arbeitsgemeinschaft der ostdeutschen Chöre Bayerns mit dem Chorverband in NRW. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule machen wird und sich noch mehr Chöre bereitfinden, sich in den Dienst der Heimat zu stellen und für das heimatliche Kulturgut einzusetzen. An die ostdeutschen Chöre Bayerns wurden bereits die von Prof. Gotth. Speer und Dr. A. Schnabel zusammengestellten Listen über empfehlenswerte Chorliteratur für ostdeutsche Chöre verschickt, deren Beachtung eine überdurchschnittliche Qualitätswertung für jeden Chor bedeutet.

M. J.-F.

 

Seite 10  Ehrenvoller Auftrag für Professor Eduard Bischoff

Professor Eduard Bischoff von der Königsberger Kunstakademie, der jetzt in der Künstlersiedlung Halfsmannhof in Gelsenkirchen wirkt, wurde aufgefordert, mit einigen seiner neuesten Werke (Ölbilder und Holzschnitte mit Motiven aus der Heimat) an einer repräsentativen Ausstellung der gegenwärtigen deutschen bildenden Kunst in Santiago de Chile teilzunehmen. Die Ausstellung wird unter dem Titel „Mensage Artistico de Alemania" („Künstlerische Botschaft aus Deutschland") im Museo de Arte Contemporánea gezeigt und soll anschließend auch in Buenos Aires, Caracas, Montevideo u. a. Orten Lateinamerikas der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Wie ein Sprecher der Kulturabteilung, Exc. Janal Sjierauk, sowie Vertreter des Bundes und der Jury betonten, wurde bei der Beurteilung der zur Auswahl stehenden Werke vor allem auf die Tatsache Rücksicht genommen, dass die Ausstellung, die unter dem Ehrenschutz des chilenischen Botschafters in der Bundesrepublik, Exc. Manuel Hormazábal, wie auch des deutschen Botschafters in Chile, Dr. Carl v. Campe, steht, in Südamerika von einem anspruchsvollen und sehr kunstinteressierten Publikum erwartet wird.

 

Seite 10   Danziger Mosaik-Bildnerin wirkt in Nürnberg

Die 38-jährige, als Malerin ausgebildete Danzigerin Margitta Schäfer, deren Glasmosaiken bereits verschiedentlich im Bundesgebiet als schmückende Motive an Hauswänden und als Säulenverkleidungen zu finden sind, arbeitet neuerdings in ihrem Atelier im Nürnberger Stadtteil Johannis an religiösen Mosaikbildern, die als Kirchenschmuck Verwendung finden sollen. Über Ostern fand auch eine Ausstellung ihrer fertigen Arbeiten und Entwürfe in Nürnberg statt. Zu ihrem Schaffen wurde die Danziger Künstlerin durch die frühchristlichen Glasarbeiten an den norditalienischen Basiliken angeregt.

 

Seite 10   Ostdeutscher Literaturpreis.

Der Vorstand der Künstlergilde e. V. hat beschlossen, den Ostdeutschen Literaturpreis erneut auszuschreiben und auf 2000 DM zu erhöhen. Der Preis soll ungeteilt für eine dichterische Arbeit (Lyrik, Prosa, Dramatik oder Essay) verliehen werden, die in den letzten 5 Jahren im Druck erschienen ist und die Problematik des deutschen Ostens oder der Begegnung zwischen den Deutschen und ihren Nachbarn im Osten in gültiger Weise behandelt.

 

Seite 10   Preußischer Bühnenpreis

Ein Preußischer Bühnenpreis in Höhe von 5000 DM ist nach Mitteilung der Westberliner Vaganten-Bühne von Frau Else Pedersen für ein Schauspiel gestiftet worden, das „in zeitnaher Form preußisches Gedankengut zum Inhalt haben soll“.

 

Einsendungen werden bis zum 31. Dezember an die Vaganten-Bühne, Berlin, Charlottenburg Nr. 2, Kantstraße 12a, die gleichzeitig das Erstaufführungsrecht erhält, erbeten.

 

Die in Westberlin lebende Frau Pedersen stammt aus Ostpreußen und hat, wie Horst Behrend, der Leiter der Westberliner Vaganten-Bühne, mitteilt, diesen Preis aus Liebe zu ihrer Heimat, zum Preußentum und dem Theater gestiftet. Sie ist nicht wohlhabend und hat ihr Sparkassenbuch über 5000 DM für diesen einmaligen Preis einem Notar übergeben.

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

 

Foto: Prof. Eduard Bischoff: Abend am Kurischen Haff (Öl) 1958. Eines der Bilder von Professor Eduard Bischoff, das auf der Deutschen Kunstausstellung in Santiago de Chile „Mensage Artistico de Alemania" (Künstlerische Botschaft aus Deutschland) gezeigt wird. Näheres hierüber siehe unser Bericht auf Seite 13, Foto: Lankau

 

Seite 11   Halbmond im Mai. Von Franz Erdmann.

Sieh dort im Nebeldunst der Frühe

die scharfe Mondessichel

gleich einem Drachenboot

mit hochgewölbtem Bug,

als hätte eines Künstlers feiner Stichel

sie ausgestanzt aus rostigem Morgenrot.

 

Windstille lullt es ein,

es liegt wie festgebannt

das hohe Himmelsschiff,

und nur ein gelblich fahler Schein

schwelt um den Sichelbug,

wie ein Fanal auf einem Felsenriff

 

Seite 11   Die Dünenhexe. Von Tamara Ehlert.

Wittkuhn ritt den Strand entlang. Das Wasser leuchtete, und die Luft war wie blaues Glas. Der Sand unter den Pferdehufen war von den Wellen hartgeklopft und spiegelte.

 

Auf den nassen Steinen hockte die Szameitatsche. „Guten Morgen, Strandvogt", krächzte sie. „Willst all wieder spionieren? Solltest man im Bett geblieben sein — ein altes Weib am frühen Morgen, das bringt Unglück. Möchtest wohl wissen, was hier drin ist?" Zu ihren Füßen lag ein prall gefüllter Sack. Sie riss ihn auf und wühlte mit ihren dürren Händen darin herum. „Schwemmholz, alles Schwemmholz, damit die Szameitatsche sich ein Toppche Suppe kochen kann. Denkst wohl, da is Bernstein drin und du kannst mich einsperren lassen“.

„Red keinen Unsinn", sagte Wittkuhn ruhig.

„Mich einsperren lassen, das war sowas", kicherte die Alte. „Aber den Gefallen tu ich dir nich. Vielleicht find ich mal ein Stück, groß wie eine Kinderfaust, dann bring ich es dir. Immer noch besser, als wenn man die einzige Tochter ins Haus gebracht kriegt, tot wie ein Fisch auf dem Sand“.

„Hör endlich damit auf, sagte der Strandvogt ärgerlich. „Immer die alte Geschichte“.

 

„Alte Geschichte sagst, alte Geschichte!" Die Szameitatsche wiegte sich hin und her, und ihre bösen kleinen Augen glitzerten wie die Augen einer hungrigen Möwe. „Kann ich mir denken, dass davon nuscht hören willst. Aber warts nur ab, die eine zieht die andere nach. Warts nur ab“.

 

Der Strandvogt beugte sich ein wenig vor und sah die Alte drohend an. „Nimm dein verfluchtes Maulwerk in acht, Dünenhexe", sagte er langsam. „Pass auf, dass du nicht an deiner Bosheit erstickst“. Er ritt davon.

 

Die Szameitatsche warf ihm einen Stein nach, aber sie traf ihn nicht. „Wirst schon noch sehn", zischte sie, „wirst schon noch sehn“. Sie stand mühsam auf und lud sich den Sack auf die Schultern. Er war schwer und feucht, und sie ächzte unter seiner Last.

Die Düne lag wie eine faule Katze in der Morgensonne und wärmte sich den breiten Rücken. Vom Wasser kam ein leichter Wind und kraulte ihren silbergrauen Pelz aus Disteln und Strandhafer. Die Szameitatsche kroch den Hang hinauf und wanderte auf den Friedhof zu. Die weißen Holzkreuze glänzten. Eines gehörte zur Frau des Strandvogts. Die war beim Baden ertrunken, als ihr Kind noch nicht laufen konnte. Und eines gehörte zu Grete Szameitat, die in die See ging, als der Strandvogt eine andere heiratete.

 

Die Alte ließ den Sack zu Boden fallen und humpelte auf die Gräber zu. „Noch eins zu wenig", murmelte sie. „Drei müssen es sein, Strandvogt, drei müssen es sein“. Sie bückte sich über das Grab ihrer Tochter und ließ die lockere Erde durch ihre Finger rieseln.

Im Schatten der Düne kauerte das Dorf. Der Rauch, der von den Flunderfeuern aufstieg, hüllte es in einen durchsichtigen grauen Mantel. Der Strandvogt ritt auf die Häuser zu und versuchte, die Szameitatsche zu vergessen.

 

Aber es gelang ihm nicht.

Er dachte an Christine Wittkuhn, die einer dunklen und seltsamen Lust verfallen gewesen war die sie bei Sturm ans Wasser trieb und zum Baden verlockte, allen seinen Bitten und Warnungen zum Trotz. Und er dachte an den Sommertag vor zehn Jahren, an dem ihr diese Lust zum Verhängnis wurde.

 

Er sah sich bei Einbruch der Dämmerung nach Hause kommen und durch die leeren Stuben laufen, und er sah seine kleine Tochter mit angezogenen Fäustchen in ihrem Korb schlafen. Er hörte sich angstvoll nach seiner Frau rufen, und er hörte den Regen auf das Dach trommeln und gegen die Fenster klatschen. Er roch den salzigen Wind, der ihn ins Gesicht biss, als er ans Wasser lief, um seine Frau zu suchen, und er roch die faulige Süße des Seetangs, der wie Aussatz am verlassenen Strand klebte. Er spürte das Grauen wieder das aus der Brandung auf ihn zu kroch, und er spürte, wie sein Herz aussetzte, als er — gefangen in dem Netz von Angst Finsternis und Einsamkeit - endgültig begriff, dass die See ihm Christine für immer genommen hatte.

 

„Verfluchte Hexe", sagte der Strandvogt laut. Und er verwünschte die unheimliche Alte, die das alles wieder heraufbeschworen und ihm den Frieden dieses Sommermorgens zerstört hatte.

 

Hilla Wittkuhn rannte ihrem Vater entgegen, als er in den Hof eintritt. Sie war zehn Jahre alt. Ihr Haar war wie der braune Bernstein, wenn man ihn gegen die Sonne hält, und ihr Mund glich einem Paar ausgebreiteter Libellenflügel.

 

„Ich geh jetzt zu Kallweit", sagte sie.

„Ist gut", sagte Wittkuhn. „Ich hol dich abends. Dass du mir nicht ans Wasser gehst!"

„Nein, nein", schrie sie und rannte fort. Er sah ihr nach, wie sie davonlief, bis in die Zehenspitze voll Daseinsfreude. Ihr rotes Kleid flatterte. —

 

Kallweit saß vor der Tür und flickte seine Netze. „Na, da bist ja, Hillache", sagte er. „Ich hab schon auf dich gewartet“. Sein Gesicht war dunkel und rissig wie die Holzwand seines Hauses.

Es war das letzte Haus im Dorf. Im Garten wuchsen Gilken und Kiekübernzaun, und dahinter begannen schon die Getreidefelder. Der Wind ging über sie hin, und Kallweit sagte: „Siehst, Hillache, die Roggenmuhme kämmt das Korn, nun zittern die Halme“.

 

„Vielleicht sind sie traurig, weil sie bald geschnitten werden", sagte das Kind.

„I, Hillache, was du immer für Gedanken hast", sagte Kallweit.

Dann sprachen sie nicht mehr, Kallweit flickte seine Netze, und das Kind hockte barfuß daneben und sah ihm zu. Seine Schuhe hatte es unter die Bank gestellt.

 

Um die Mittagszeit holte Kallweit eine Schüssel mit dicker Milch. Sie brockten sich Brot hinein und aßen beide daraus. Die Sonne prallte auf das Dach, und das Stroh knisterte in der Hitze.

 

„Pass auf, Hillache", sagte der Fischer, „heute gibts noch was ab. Da hinten wirds schon ganz schwarz“.

„Weißt, was ich mal möchte?" sagte das Kind. „Ich möcht mal bei Gewitter baden. Das muss schön sein — wenn die Wellen so hoch sind“.

„Hättest denn keine Angst?"

„Nein", sagte das Kind. „Dann ruft die See. Aber ich darf ja nicht baden“.

„Lass man gut sein", sagte Kallweit. „Dein Vater wird schon wissen, warum er es dir nich erlaubt. Musst nich hören, wenn die See ruft, Hillache, musst nich hören“.

 

Hilla zog sich die Schuhe an. „Ich geh jetzt nach Hause", sagte sie. „Auf Wiedersehn, Kallweit“.

 

Aber sie ging nicht nach Hause. Sie lief über die Palve, am Friedhof vorbei, auf die Düne zu. Der Wind war eingeschlafen. Über dem kurzen Gras tanzten die Eintagsfliegen ganz niedrig, und das Labkraut roch scharf und süß. Die Düne sah jetzt nicht mehr wie eine faule Katze aus, sie glich einem Raubtier vor dem Sprung, lauernd und geduckt. Das Licht über dem Wasser war schwefelgelb. Und dann wachte der Wind wieder auf. Er trieb den glühenden Sand vor sich her, prügelte die See, bis sie sich wütend aufbäumte und mit grünen und weißen Zähnen in den steinigen Strand biss. Er fasste nach den Krüppelkiefern und verbog sie, dass ihre dünnen Stämme weinten. Er riss das Kind an den Haaren und zerrte an seinem Rock, dass er sich blähte wie ein Segel aus Klatschmohn.

 

Hilla Wittkuhn hatte keine Angst. Sie rutschte die Düne hinunter und zog Kleid und Schuhe aus. Ihre Füße, leicht wie der Wind und der Sand und die Möwen über ihr, rannten unaufhaltsam dem Wasser entgegen. Eine große Welle kam auf sie zu und erfasste ihr nacktes braunes Körperchen. Sie schrie vor Vergnügen hell auf.

 

Als die Dunkelheit einfiel, klopfte es beim Strandvogt an die Tür. Er öffnete selbst. „Ach die Szameitatsche", sagte er. „Na, hast dein faustgroßes Bernsteinstück gefunden?" Die Szameitatsche kicherte. „Viel was Besseres, Strandvogt, viel was Besseres. Wirst dich wundern“.

 

Sie machte ihre Schürze auf und hielt ihm etwas entgegen. Ein klitschnasses rotes Kleidchen und ein Paar Kinderschuhe, kleine feste braune Schuhe ganz mit Sand verkrustet. „Ein schöner Fund, Strandvogt", kreischte die Alte. „Ein schöner Fund!"

 

Der Strandvogt wurde so weiß wie der Kies auf seinem Gartenweg. Er streckte seine Hand nach dem Bündel aus, aber er nahm es nicht. Die Hand fiel an seinem Körper herab wie ein toter Ast an einem gestorbenen Baum. Er ging an der Alten vorbei, und sein Rücken war so krumm, als hätte er drei Säcke Schwemmholz zu tragen.

Die windige Schwärze fraß ihn auf.

Aus Tamara Ehlert „Die Dünenhexe", Erzählungen. Elchland-Verlag, Göttingen.

 

Seite 11   Herbert Wessely: VORFRÜHLING.

Aus dem grauen Erdbraun der Wiesen steigt fröhliches Grün. Erst an den Rändern des Weihers und der hundert Rinnsale, die wie seltsames Gitterwerk den Wiesenhang zerteilen, dann über die ganze Wiese hin, von unten herauf, vom feuchten lebensspendenden Grunde.

 

Es ist immer so, in jedem Frühjahr. Nicht, dass es diesmal anders und etwas Besonderes wäre, überraschender, eindringlicher oder früher als sonst. Es ist wie in jedem Jahre, nur — ich sehe es so, als wäre es das erste Mal. Dass es so etwas gibt!

 

Aus der grauen Öde dieses wachsende, siegende Grün! Es ist überall und in hundert Stufen und Tönen. Hängt wie seidiger Hauch in den Birken und bricht aus den glänzenden Knospen der Buchen mit einer Kraft des Leuchtens, als läge jedes Blatt, jede Knospe auf Goldgrund.

 

Dunkel und ernst stehen die winterbraunen Fichten. Aber die Lärchen! Wie Moos und Gewölle treiben sie ihr samtiges Grün, weich und fromm.

Nur die Eichen und Eschen zögern noch, die großen Zweifler und Zauderer. Aber ihre

Knospen glänzen schon: erwartungsvoll und voll verhaltener Kraft.

 

Soll ich da in die Stadt gehen, durch die grauen Gassen und Höfe, wo die Menschen wirre Dinge treiben, die ihnen das A und O ihres Lebens dünken?

 

Wie aber tappen sie vorbei am wahren Wesen, das nicht aus nacktem Nutzen und ausgeklügeltem Gewerke bricht, aber über stillem Weiher, windbewegtem Strauche und aus dem Vogelliede emporsteigt. Was ist schon an der Stadt, an ihren starren, steinernen Kristallen? gemessen an Baum und Wald? Irr halt das Schwirren und Schrillen, der Lärm des Getriebes und das Dröhnen der Maschinen.

 

Hier am Rande der Berge aber summt die Wiese, rauscht der Wald und singt der Bach sein frühlingsfrohes Lied. Weiß schäumt es in feinen Silberstreifen über die moosigen Steine. Das ist die Welt Gottes, und hundertfältiges Leben füllt sie.

 

Der braune Acker nimmt die Saat auf, und aus tausend Zweigen bricht die lebendige Zuversicht — leise, ohne leeren Schall, grün und heilend.

 

Seite 11   Abschied. Von Wolfgang Altendorf eine Liebesgeschichte.

Da standen beide. Beide im Gehaste der Menschen, im Brummen der Gepäckwagen, im Stampfen, Pfeifen, Rangieren und Schreien. „Wie schrecklich das ist", sagte sie und versuchte zu lächeln. Er sah sie, sah ihren Mund, ihre etwas vorgewölbte Nase, das Kinn und die winzigen Härchen am Hals.

 

Aber sie sah nur seine Augen. Sie empfand diesen Abschied in seinen Augen; seiner Gestalt wich sie aus. Er sah und spürte den Abschied in ihrer Gestalt. Sie strich sich mit der Hand das Haar aus der Stirn. Ihr Lächeln sollte Tröstung für ihn sein. Er dachte an die Stube, die kleine Küche, an das enge Schlafzimmerchen droben unterm Dach des großen Mietshauses, an die kleine Veranda mit den vielen Blumen. Wenn er nun heimging, würde alles einsam sein.

 

Und wie leer dieses Eisenbahnabteil sein würde: leer — voller Menschen. Sie sah sich auf der Bank sitzen, die Hände gefaltet, hinausblickend auf die vorbeiflitzenden Telegrafenstangen. Nie waren sie getrennt gewesen, niemals. Nicht einmal während des Krieges und nicht auf der langen Flucht danach. Oh, es war unvernünftig, dass sie sich nun trennten. Sie empfand es. Es war nicht richtig, dass sie es nun taten, nun, wo die Tage sich längst geordnet hatten, die Nächte längst ohne Furcht waren.

 

Der Doktor hatte die Brille abgenommen, die Gläser angehaucht und sie mit einem Taschentuch gerieben. „Es ist notwendig, dass Ihre Frau in die Berge kommt. Soll ich Ihnen einen Schreck einjagen! Ich möchte es nicht. Aber diese Luftveränderung ist nun einmal die Vorbedingung für eine Genesung. Wenn das auch schon lange zurückliegt, das mit Ihrer Flucht. Es wirkt nach. Vielleicht ist es nur Heimweh. Aber es wird sicherlich mehr sein als Heimweh. Eine Luftveränderung wird helfen. Können Sie nicht mit ihr fahren?"

 

Er hatte den Kopf geschüttelt. Es war ja völlig undenkbar, dass er sich freimachen konnte. Man konnte nicht so einfach alles im Stich lassen und wegfahren. Vor Jahren noch, ja, da hatte man es gekonnt, gemusst. Da war man dazu gezwungen worden. Das Leben ging weiter. Nun war man gebunden. Die Arbeit fuhr nicht mit, aber sie wuchs, wenn man sie nicht ständig beaufsichtigte, sie niederhielt.

 

„Sie wissen also, wie wichtig es ist, dass Ihre Frau in die Berge kommt", fuhr der Doktor fort. „Vier Wochen, sechs Wochen. Was sind da Tage? Sechs Wochen, lieber Freund, das ist das mindeste“.

 

Auf dem Heimweg war ihm diese Trennung, diese Reise sehr vertraut geworden, dieser Gedanke an einsame Tage und Wochen. Schadete es, wenn man sich trennte? Nein, es schadete gewiss nichts. Sie würden sich Briefe schreiben und aneinander denken. Trennung erneuert die Liebe! Für viele Ehen war eine Trennung manchmal sogar notwendig, eine Trennung für einige Wochen. „Du musst nach Berchtesgaden für acht Wochen, ja. Oder nach Mittenwald, nach Oberammergau — ah! Man kann dich wirklich beneiden! Acht Wochen lang nichts als Sonne und frische Luft, nichts als Berge, auf ihren Spitzen der Schnee, Wälder dazu —!"

 

„Ohne dich", fragte sie. Aber sie wusste, dass er jetzt nicht wegkonnte. Trotzdem fragte sie:

 

„Ohne dich?", fragte sie. Aber sie wusste, dass Erinnerung an die Nächte — damals — in den Kellern, die Nächte auf der Flucht in den Heuschobern, die aus ihr sprachen. Nächte und Tage auf offenen Güterwagen, schlammigen Schleichwegen, die Furcht vor dem Strahlenbündel der Scheinwerfer. Nun, das war lange vorbei, existierte nicht mehr. Das Leben floss in ruhigen Bahnen. Warum also trennten sie sich nun? Oh, man konnte es riskieren. Man verlor sich ja nicht mehr. Acht Wochen von sechshundert Wochen, die seitdem vergangen waren? „Und wann —?" fragte sie. Es klang nun erwartungsvoll, geradezu fordernd. Es hieß: Es ist wirklich an der Zeit, dass ich endlich einmal herauskomme aus diesem Staub der Großstadt, diesem Dunst, diesem Lärm, dass ich die gute Luft in den Bergen atme und gesund werde. „Morgen", antwortete er. „Oder besser: übermorgen. An einem Donnerstag reist es sich besser, da ist es auf der Bahn ruhiger“.

 

Wie ein Blitzschlag war diese helle Spanne vorübergezuckt, dieses ‚übermorgen'. Nun war ihnen beiden sehr elend zumute in dieser dumpfen Frühe auf dem Bahnhof. Sie sahen sich. Er ihren Mund und sie seine Augen. Nun trieben sie auseinander auf dem Meer des ungelebten Lebens, in der Lücke des Aufeinander-wartens.

 

Sie küssten sich. Er winkte lange. Dann steckte er beide Hände tief in seine Manteltaschen, auch die rechte Hand, die sonst immer auf ihrem Arm gelegen hatte.

 

Die Nacht verstrich. Am Nachmittag des folgenden Tages kam ein erster Brief von ihr, der ihre glückliche Ankunft im Urlaubsort meldete.

Der zweite Brief erreichte ihn schon nicht mehr, denn er war ihr längst nachgefahren.

 

Seite 11   Die Macht und das Recht. Von Blaise Pascal.

Das Recht ohne Macht ist wirkungslos und schwach.

Die Macht ohne Recht ist tyrannisch.

Das Recht ohne Macht ist unsinnig, weil es immer Böse gibt.

Die Macht ohne Recht ist unsittlich.

Man muss deshalb die Macht und das Recht zusammenfügen und damit erreichen, dass das Gerechte auch mächtig und das Mächtige auch gerecht sei!

 

Seite 12   Gedanken. Fritz Kudnig.

Not und Leid sind die Hochschule des Lebens. Wer seine Nöte nicht, mindestens in seinem Innern, zu meistern vermag, wird ewig ein Stümper auf dieser Meisterschule des Lebens bleiben.

 

Jede Not wächst mit der zunehmenden Schwäche unseres Willens und unseres Lebensvertrauens. Nicht die Not, wir selber sind schuld, wenn wir uns durch sie entmannen lassen.

 

Dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, pfeifen die Spatzen von jedem Wipfel. Wir Menschen aber wähnen oft, Übermenschen zu sein und wundern uns dann, wenn wir, wie Ikarus, geblendet und mit versengten Flügeln wieder auf unserer dunklen Erde landen.

 

Die Tragik des Lebens besteht nicht zuletzt auch darin, dass unserm Willen der Wille unzähliger anderer Wesen, vor allem aber der Wille des Schicksals gegenübersteht. Solange wir diesen nicht begreifen und immer nur gegen ihn anzurennen versuchen, solange wird unser Dasein tragisch sein und voller Leid.

Sobald wir jenen unüberwindlichen Schicksalswillen jedoch anerkennen und bewusst bejahen, hört alle Tragik des Lebens für uns auf. In dem Menschen, der seinem Schicksal vertraut, eint sich der eigene Wille wundersam dem Willen des Ewigen. Für ihn ist die überall sichtbare, schmerzvolle Zwiespältigkeit des Lebens aufgehoben, und alles Leid der Erde kann dann nur seine Kraft mehren, Leid und Not in der Tiefe der eigenen Seele zu überwinden.

 

Das Schicksal sendet uns Not nie, damit wir an ihr zerbrechen! — Damit wir die Not zerbrechen lernen, dazu wird sie uns gesandt!

 

Seite 12   Gustav Frenssen. Glückliche Tage.

Er nahm das mannshohe Gestell, das er selbst gezimmert hatte, und aus der Lade das Fernrohr. Der Professor vom Gymnasium, der von den astronomischen Neigungen des jungen Bauern gehört hatte, hatte ihn eines Tages besucht und ihm das Rohr besorgt. Als er möglichst geräuschlos über die Mitteldiele ging, stand ihre Kammertür noch offen.

 

„Bist du noch wach?" sagte er beklommen“.

Sie sagte: „Es ist noch nicht spät“.

„Der Himmel ist so klar: ich will noch mal nach den Sternen sehen. Hast du Lust, so kannst du mitkommen“.

Sie blieb erst stehen; aber dann hörte er, wie sie ihm nachkam.

Er steckte das Dreibein mitten auf den Rasen und sagte: „Du hättest Sonntagmittag dabei sein müssen, da hatte ich den Mond und schöne Sterne im Rohr“.

„Ach, was du sagst! Am Mittag? Sind denn die Sterne auch am Tage am Himmel?"

„Natürlich, Deern! Wo sonst?"

„Ach... das habe ich nicht gedacht! Ich dachte, die machten es wie die Nachtwächter, des Nachts unterwegs und am Tage im Bett“.

 

Jörn Uhl schüttelte stark den Kopf: „Hast du das wirklich gemeint?"

„Ja", sagte sie. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen“.

Aber er traute ihr doch nicht. Er suchte am Himmel und richtete das Rohr und sah hinein, und sagte mit verhaltener Stimme: „Nun sieh hinein“.

Sie stellte sich ungeschickt, dass er seine Hand auf ihre Schulter legte, und fragte: „Was siehst du?" „Oh", sagte sie. „Ich seh' ... ich sehe . . . ein großes Bauernhaus, das brennt. Es hat Strohdach. Oh! . . Alles brennt; das Dach ist ganz in Flammen. Es ist ein richtiges altes Dithmarsches Bauernhaus . . . Auf welchem Stern ist das denn?"

 

„Na", sagte er. „Das ist gut! Nein, Deern! ... Du bist entweder nicht recht klug oder ein großer Schelm“.

„Was denn nun wieder?" sagte sie und sah ihn erstaunt an.

„Du hast zu viel Phantasie", sagte er ernst, „die ist bei der Wissenschaft von Schaden . . . Was siehst du sonst?"

„Ich sehe ... ich sehe . . . seitwärts von dem Bauernhause eine Planke, die ist dunkel; denn das brennende Haus dahinter. Aber in die brennende Diele kann ich hineinsehen. Drei, vier Garben sind schon vom Boden heruntergefallen und liegen brennend auf der Lohdiele. Oh, wie ist das schrecklich! Zeige mir ein anderes Haus das nicht brennt . . zeige mir einen Bauernhof, wo sie gerade dabei sind, die Kälber auszujagen“.

 

Er lachte fröhlich auf. „Du Schelm", sagte er, „du möchtest wohl auch dein Dreibein am Himmel sehen, was?"

 

Er hatte noch niemals jemand an seinen Beobachtungen teilnehmen lassen. Nun wunderte und freute er sich über ihr Erstaunen und ihre Freude. „Das hast du nicht erwartet, was? Ja, siehst du? Was du da gesehen hast, das war Orion“.

 

Sie sagte aufatmend: „Ich kann es wohl verstehen, dass es dir Freude macht“.

Er nickte und sagte: „Weil du so verständig redest, sollst du auch den Mond mal sehen“.

Nun wunderte sie sich über die Massen: „Was sind das? Beulen? Wie in unserem kupfernen Kessel! Ganz genau so: wenn er blank gescheuert überm Herd hängt und morgens das Feuer nach ihm hinauf scheint“.

„Die Beulen sind Berge und Täler. Kannst du links am Rande die Gebirgsspitzen sehen? Sie werden von links her von der aufgehenden Sonne hell erleuchtet, und nach rechts hin fällt ihr dunkler Schatten aufs Land“.

 

Sie schüttelte verblüfft über das, was sie sah und was er sagte den Kopf, verlor das Bild aus dem Rohr und richtete sich wieder auf und sagte: „Ich habe das ja in der Schule gehört, von den vielen tausend Meilen Entfernung und Umfang und so was. Aber ich habe Lehrer Karstensen das nie geglaubt. Ichdachte immer, er hätte es sich aufbinden lassen“.

 

So? . . . Und nun hast du genug gesehen. Sonst träumst du wieder und siehst im Traum, ich weiß nicht was.

Wirst du schlafen können?" „Ich will's versuchen“.

Wieder wollte er die Hand nach ihr ausstrecken; aber die Hochachtung vor ihr hielt ihn zurück.

 

Sie ging, und er blieb. Er stellte das Rohr noch auf den Mittelstern an der Deichsel des großen Bären, und stellte es noch einmal auf den Mond, und beobachtete die Umrisse der Meere, um eine Karte vom Mond zu vervollständigen, die er angefangen hatte. Es verging die Zeit. Er war eifrig geworden, stand da mitten auf dem Rasen und hantierte geräuschlos an seinem Rohr.

 

Hauseulen flogen von Baum zu Baum und sahen den Nachtsteher mit aufgerissenen, wimperlosen Augen an. Vom Felde her kamen die bekannten Nachttöne: bald ein Möwenschrei, bald das ferne Brüllen eines Rindes. An einem Pferdehuf klirrte eine Kette, und Wildgänse flogen über den Hof.

 

Er hörte das alles; aber es war ihm alles so gewöhnlich, dass er es nicht zu Herzen nahm. Aber plötzlich, während noch die Gänse über ihm schrien, war ihm, als hörte er einen leichten Schrei.

 

Aber als er hinsah, stand da unter dem Hausdach im hellen Mondschein eine weiße menschliche Gestalt, hatte die Hand über die Augen und tastete mit der anderen gegen die Mauer, als wollte sie da ins Haus hinein, wo doch gar keine Tür war, und redete dazu in erregten Worten: „Die Kälber sind im Garten: Du musst besser aufpassen! Steh doch auf, Jörn, und hilf mir!“

 

Jörn Uhl kam in drei langen Schritten über den Rasen und rief leise ihren Namen: „Ich hin schon hier . . . Hier stehe ich ... Ich bin es …  So! So! . . . Nun sei man still ... Ich bin es . . .“

 

Sie war verstummt und fing an, sich mit der oberen Handfläche die Augen zu reiben, wie ein Kind sich den Schlaf aus den Augen reibt, und klagte auch nach Kinderweise. Da umfasste er sie und sagte ihr wieder, wo sie wäre, und führte sie nach der Stalltür und suchte sie zu trösten. „Siehst du, hier ist schon die Stalltür. Hier bist du hindurchgegangen, du Träumerin; durch den ganzen Stall bist du im Traum gegangen. Hast du die Mondkälber gesucht?

 

Als sie nun endlich ihre Lage klar erkannte, erschrak sie, warf ihre Hände gegen ihr Gesicht und stieß wehe Laute aus: „Oh, oh, wie ist das schrecklich“. Aber er liebkoste sie und nahm ihre Hände vom Gesicht. So kamen sie bis zur offenen Tür, die zur Kammer führte.

Nach dem Morgenkaffee zog Jörn Uhl, ganz wie gestern, den Sonntagsrock an und ging ins Dorf.

 

Als er zurückkam und durch den Apfelgarten ging, lag da unweit der Gartenpforte auf der Steinbrücke eine Wildgans. Er zeigte ihr den Vogel und sagte: „Sie hatte einen Flügel gebrochen und lag auf den Steinen“.

Sie warf einen scheuen Blick auf das Tier und sagte nichts.

„Na", sagte er verlegen. „Du bist doch sonst immer ein großer Held gewesen, besonders mir gegenüber. Schilt mich ordentlich aus, ich hab's verdient“.

 

Sie schwieg aber still, legte nur beide Hände an die Schläfen und starrte in die Glut. Da zog er ihr die eine Hand sanft vom Haar herunter und fasste sie an und ging mit ihr über die Diele durch die Verbindungstür ins Vorderhaus. Sie folgte ihm willenlos. In der Wohnstube führte er sie zu dem großen Stuhl und drückte sie hinein „So", sagte er weich, „hier sind wir ganz allein, Lena. Bist traurig, kleine Deern, und bist sehr böse? Ist dir all dein schönes Lachen vergangen?"

 

Er setzte sich auf die Lehne und fing an, ihr Haar und Wange zu streicheln und ihre Hände, die im Schoß lagen. Sie sagte noch immer nichts.

Da fing er an, sie zu streicheln und zu küssen: „Kind, lass doch bloß dein Weinen! Bist ja meine kleine, feine Braut! Sei doch nur wieder fröhlich!" Zuletzt nannte er sie „Rotkopf". Da musste sie lachen; denn das war der Name der besten Kuh, welche vorne als erste im Stalle stand. Nun hob sie auch den Kopf und sah ihn lange an, unbeweglich.

 

Und dann kam Jörn Uhl richtig in das Weiche und Wohlige, wie er meinte, es verdient zu haben.

Aus dem Bertelsmann-Lesering-Wahlband 1?37 (Jahr unleserlich daher ?), Gustav Frenssen „Jörn Uhl".

 

Seite 12   Wir blättern in neuen Büchern.

Theo Zimmermann: Der praktische Berater. 576 Seiten mit vielen Mustern für Briefe, Verträge und Formulare; dazu 130 Zeichnungen. Leinen DM 9,80. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

Der Laie hat meist einen heillosen Respekt vor Juristen und Paragraphen, vor dem gesamten Komplex der Rechtsprechung, deren weites vom Dickicht der Gesetze und Verordnungen überwuchertes Feld er nicht zu überblicken vermag. Ich will mit den Gerichten nichts zu tun haben, so tröstet er sich dabei, aber wie leicht kann es geschehen, dass er ohne sein Zutun oder gar Verschulden in einen Streitfall verwickelt wird. Hier tut es gut, einen kundigen Rechtsberater bei der Hand zu haben, der einen beispielsweise darüber belehrt, ob die gegen ihn ausgesprochene Kündigung gerechtfertigt ist, ob man in der Küche waschen darf oder wie man sich zu verhalten hat, falls man einmal vor den Kadi zitiert wird. Theo Zimmermann, ein bekannter Münchener Rechtsanwalt, hat es mit Geschick unternommen, den Leser durch das Labyrinth des Rechtswesens zu führen, wobei er aus seiner Praxis viele Beispiele anführt, die nun eine regelrechte Gebrauchtanweisung für sämtliche Fälle sind.

 

„Recht haben allein genügt nicht — man muss es auch beweisen können, belehrt der erfahrene Jurist den vom Gefühl der Untadeligkeit durchdrungenen Laien. Es nützt oft wenig, wenn man sich selbst unschuldig weiß, man muss die Beweise dafür dem Richter schwarz auf weiß auf den Tisch legen. Ob es sich um einen Kauf- oder Ehevertrag handelt, ob es um Wertpapiere, Schuldverschreibungen oder Kredite geht, ob man mit Verwandten, Nachbarn oder fremden Personen in Streit gerät, immer ist es unumgänglich, sich rechtzeitig und gegen alle Eventualitäten abzusichern. Theo Zimmermann hilft dem Unkundigen dabei. Er zeigt, wie man ein Mahnschreiben oder ein Testament abzufassen hat, er sagt einem an Hand von richterlichen Entscheidungen, was von verlorenen Baukostenzuschüssen, von Zwangsräumungen und von der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu halten ist. Und schließlich beschreibt er klipp und klar, wie man einen Prozess anstrengt und wie man ihn am besten führt.

 

„Der praktische Rechtsberater", der die bekannte Reihe der im C. Bertelsmann Verlag erscheinenden Praktischen Ratgeber fortsetzt, ist trotz der Fülle des Materials übersichtlich gegliedert und bringt 58 Abbildungen von Musterbriefen. Formularen und Tabellen sowie 130 Zeichnungen, die in eindringlicher Weise die an Beispielen dargestellten Rechtsfälle illustrieren. Ein umfangreiches Register ermöglicht dem Leser, sofort „seinen Fall“ zu finden und sich über seine Aussichten und Möglichkeiten zu informieren.

 

Helene Mierisch: Ärzte, Schwestern und Soldaten. Erlebtes aus zwei Weltkriegen. Koehlers Verlagsgesellschaft, Biberach a. d. R. 366 Seiten, Ln. DM 12,80.

Unter dem Titel „Kamerad Schwester" sind die Erlebnisse der 17-jährigen in mehreren Großauflagen verbreitet. Sie bilden — da immer wieder verlangt — gekürzt den Vorklang zu den Eindrücken des 2. Weltkrieges.

 

Liegt der Reiz des ersten Teiles in der Begeisterung des jungen Menschen für die selbstgewählte schwierige Aufgabe, so spricht im zweiten Teil die lebenserfahrene Frau und Mutter von Hochleistungen großer Ärzte und aufopfernder Schwestern, aber auch von selbsterlebtem vielseitigem Versagen. Dieser große Zeit- und Menschenspiegel wirft das beiden Kriegen gemeinsame Bild des leidenden Menschen zurück und die Verschiedenheiten durch Zeitgeist und Haltung, in Front und Heimat.

 

Das eindringliche, aufrüttelnde Buch wird zu einer Anregung für Ärzte- und Schwesternarbeit in Krieg und Frieden; es wendet sich zugleich im Auftrag aller „Getroffenen" an weiteste Kreise mit der Mahnung, in guten Zeiten ihre schweren körperlichen und seelischen Leiden nicht wie einen bösen Spuk ungenutzt zu vergessen.

 

Friedrich Kaminsky: Joseph von Eichendorff und das Jahr 1848. Erinnerungen zum 104. Todesjahr des Dichters. Verlag Die Brücke, München, 26 Seiten, brosch., 1 Kunstdruckbeilage.

Diese kleine, aber inhaltsreiche Arbeit zeigt den großen Dichter der Romantik unter völlig neuen Gesichtspunkten, soweit es seine Haltung zu politischen Fragen betrifft; sie beruht auf einem sorgfältig zusammengetragenen Quellenmaterial. Wer Eichendorff nicht nur als romantischen Dichter sehen, sondern auch in seiner Stellungnahme zu damaligen politischen Dingen kennen lernen will, wird diese Arbeit begrüßen, da sie Neuland erschließt und eine willkommene Ergänzung der im Eichendorff-Jahr 1957 vorliegenden Literatur bietet.

 

Ostpädagogik — Ein wichtiger Zweig der Ostforschung. Wegweiser-Verlag, Troisdorf, 114 Seiten 2,50 DM.

Man geht von falschen Voraussetzungen aus, wenn man glaubt, der Bolschewismus werde eines Tages mit Waffen niedergerungen werden können. Vielmehr mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus auf dem Gebiet des Produktionswettbewerbs und auf geistiger Ebene stattfinden wird. Im Westen stellen daher Erziehung und politische Bildung Bürgen für eine bessere Zukunft dar. In diesem Zusammenhang wird es notwendig sein, die geistige Grundlage, auf der das Sowjetsystem beruht, gründlich zu studieren. Das gilt im Besonderen auch für die kommunistische Erziehungsmethode, mit der die Jugend zum Träger des totalitären Systems gemacht werden soll. In der vorliegenden Schrift behandeln hervorragende Kenner das östliche Erziehungs- und Unterrichtswesen und zeigen, welche Gefahren aus ihm drohen.

 

Seite 12   Das Problem der Macht.

Wer unter euch der erste sein will, der sei der Diener aller. Markus 11, 44 – 45.

 

Was ist das Wesen der Macht? Auf diese zentrale Frage des Politischen sucht Edmund Marhefka eine Antwort. Meisterhaft, sagt er, sei mit größter Einfachheit durch die Natur das Wesen der Macht im Dienste begründet. Der Mangel menschlicher Erkenntnis aber habe das Problem erschreckend verwirrt. Am Beispiel der Atomlehre komme klar zum Ausdruck, dass die christliche Auffassung von der Macht, deren Wesen im Dienst liegt, voll und ganz durch das Naturgesetz bestätigt werde. Damit ist der entscheidende unwiderlegbare Grundsatz jenes „Buches der Könige" gefunden, das Edmund Marhefka den „Herren dieser Welt" gewidmet hat: Das Wesen der Macht ist die Liebe.

 

Der Verfasser hat die Geschichte der Machtforschung näher untersucht: Während er im „dunklen Altertum" und im „finsteren Mittelalter" noch die klare Trennung von Macht und Gewalt entdeckt, eine vortreffliche Darlegung des Verhältnisses zwischen Macht, Gewalt und Recht z. B. bei Hesiod findet, sieht er bei Platon und Aristoteles nur ein oberflächliches Ableuchten der Staatsformen und ein Verkennen der Macht in ihrem Wesen als Liebe. Erst bei Cicero und später bei Seneca finde sich eine tiefere Erkenntnis der Macht wieder. Unter den Neueren unterscheide Max Weber zwar zwischen Macht, Gewalt und Herrschaft, bleibe aber mit seinen Untersuchungen an der Oberfläche, ohne in das Wesen der Probleme einzudringen. Noch ungünstiger fällt das Urteil über Friedrich Nietsche aus, wobei sich der Verfasser allerdings auf die heute nur noch kritisch aufzunehmende Aphorismensammlung „Wille zur Macht" stützt und zweifellos dem Philosophen nicht voll gerecht wird.

 

Marhefkas Werk umfasst drei Hauptteile. Das 1. Buch bemüht sich um die treibenden Kräfte im Völkergeschehen, die Denkformen, die Natur als Erkenntnisquelle und — im entscheidenden Kapitel — um das Wesen der Macht. Im 2. Buch werden die Staatsauffassungen aller Zeiten unter dem Gesichtspunkt der Denkformen und des Machtbegriffs untersucht. Hier rollt die Staatstheorie und -praxis der großen Kulturvölker, von Ägypten, China und Japan angefangen bis zum Deutschen Reich, vor uns ab. Im 3. Buch versucht der Verfasser die Notwendigkeit einer deutschen Staatsreform darzulegen und die praktischen Mittel ihrer Durchführung zu entwickeln. Dieses Buch gipfelt in dem Entwurf einer republikanischen Verfassung nach dem „Befähigungsprinzip", in der Staatspräsident, Kabinett, „Volkskammer", „Bundesrat'' und „Ständerat" flankiert werden von einem Staatsaufsichtsamt. Zweifellos gehen von derartigem Aufriss wesentliche Anregungen für ein erneuertes verfassungspolitisches Denken aus, insbesondere hinsichtlich der geforderten Selektion und Kontrollorgane. Andererseits lassen sich unzählige Einwände gegen die umrissenen staatlichen Organe erheben, so sehr ihre Bezeichnungen und Aufgaben aus tiefgreifenden und umfassenden staatsgeschichtlichen Überlegungen konzipiert sein mögen.

 

Die eigentliche Monumentalität des Werkes geht — wie zu erwarten war — nicht von der Verfestigung der Durchsichten in einem Reformplan aus, vielmehr von der nonkonformistischen völlig unabhängigen und reifen Darlegung der Zusammenhänge von Herrschaft in den geschichtlichen Ausprägungen bis ins 20. Jahrhundert unserer Gegenwart. So führt das Werk folgerichtig von den lapidaren Formulierungen des Anfangs („Die Geschichte der Herren dieser Welt zieht sich wie eine Kette ständig wiederkehrenden Elends menschlicher Entwürdigung durch die Jahrhunderte") zu der nüchternen Beurteilung der Lage des Völkerrechts am Schluss des Werkes: „Die großen Staaten sind es, die sich die größten Verstöße gegen das Völkerrecht zu Schulden kommen lassen und sie bei ihren Satelliten dulden . . ., die sich schlimmer als die Bestien benehmen und Kriege und Elend über die Völker bringen. Die Mammutstaaten sind es, die dem atheistischen Materialismus verfallen und als stinkende Kolosse die Weltatmosphäre verpesten. Sie sind es, die aus Furcht vor ihrem natürlichen Zerfall nach Sicherheit schreien. Sie sind es, die zum Schutz ihrer schmutzigen Eroberungen Satellitenstaaten in völkerrechtswidriger Hörigkeit um sich sammeln . . ., die ständig vom Frieden reden und ununterbrochen für den Krieg rüsten“.

 

Die Behauptung, dass erst neue Weltkatastrophen den Weg frei machen könnten für einen Bund unter der Führung völkerrechtlich bewährter Staaten, lässt zumindest darauf schließen, dass der Verfasser die Chance zum Überleben in einem Atomkrieg zu hoch bewertet. Aus diesem Grunde bleibt ihm auch — obwohl er bis an die Schwelle gelangt — die Einsicht in die neuen Möglichkeiten gewaltloser Politik noch versagt.

 

Bei der Untersuchung der Staaten fehlte Indien. Bei der Betrachtung und Heraushebung des prometheischen Handelns (im Gegensatz zum epimetheischen) wird die Dynamik Gandhischer Weltüberwindung nicht zu Rate gezogen. Dadurch fehlt dem Buch ein letzter Durchbruch in Möglichkeiten jenseits der bisherigen Geschichte. Die Versäumnis eingeholt, könnte die Arbeit entscheidend mit zur Bewältigung dessen beitragen, was Marhefka in dem Schlusskapitel „Weltgericht" ahnungsvoll zeichnet und mit dem Satz aus dem „Buch der Weisheit" beschließt: „Den Geringen widerfährt Gnade, aber die Großen Herren dieser Welt werden gewaltig gestraft“.

 

Edmund Marheika: Die Herren dieser Welt — das Problem der Macht. Ein Staaten- und Regenten-spiegel, 480 Seiten. Leinen 19,50 DM. Maximilian-Druck und Verlag, Berlin 1958.

 

Seite 13   Familienbücher für Heimatvertriebene. Wichtige Neuordnung des Personenstandsrechts seit dem 1. Januar 1958.

Fast unbemerkt geblieben ist für viele, dass am 1. Januar 1958 das Personenstandsgesetz in einer am 8. August 1957 bekanntgegebenen Neufassung und eine zur Ausführung dieses Gesetzes am 12. August 1957 erlassene Rechtsverordnung in Kraft getreten sind. Diese Vorschriften beseitigen nicht nur die seit 1944 auf diesem Gebiet eingetretene Rechtszersplitterung, sondern kommen auch dem Wunsch der Vertriebenen nach, wieder in den Besitz beweiskräftiger Unterlagen über ihren Personenstand zu gelangen. Wie ein großer Teil der Vertriebenen zu seinem Leidwesen hat feststellen müssen, sind aus den Vertreibungsgebieten im Osten nur sehr wenige Personenstandsbücher gerettet worden. Soweit sich übersehen lässt, sind Anfragen an Behörden in den nicht mehr unter deutscher Verwaltung stehenden Gebieten zur Erlangung von Personenstandsurkunden ergebnislos geblieben. Zahlreiche Vertriebene, die für die Bestellung des Aufgebots, in Erbschafts-, Pensions- oder Rentenfällen dringend Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden benötigten, haben sich deshalb in den vergangenen Jahren mit der Bitte um Hilfe an Behörden des Bundes und der Länder oder auch an die Vertriebenen-Organisationen gewandt, ohne dass ihnen wirklich geholfen werden konnte.

 

Jeder Vertriebene kann jetzt nach der neuen gesetzlichen Regelung beantragen, dass für ihn ein mit voller Beweiskraft ausgestattetes Familienbuch angelegt und ihm eine beglaubigte Abschrift des Familienbuchs oder ein Auszug aus diesem, der ebenfalls volle Beweiskraft besitzt, ausgestellt wird. Das Familienbuch wird von dem Standesbeamten angelegt und geführt. Über die Zuständigkeit sind zahlreiche Bestimmungen erlassen worden, die in Anbetracht der vielen in Frage kommenden, verschieden liegenden Fälle im Rahmen dieses Aufsatzes nicht behandelt werden können. Sie sind bei jedem Standesbeamten zu erfragen. Um die Angaben, die in das Familienbuch einzutragen sind, nachzuweisen, müssen dem Standesbeamten noch vorhandene Personenstandsurkunden, Familienstammbücher, kirchliche Tauf- und Trauscheine oder andere öffentliche Urkunden, wie z. B. Kraftfahrzeugführerscheine und Ernennungsurkunden vorgelegt werden. Falls keine oder nicht ausreichende Unterlagen der vorgenannten Art vorhanden sind, können Auskünfte eingereicht werden, die von den Heimatortskarteien, deren Zentralstelle sich beim kirchlichen Suchdienst in München befindet, angefordert werden. Es ist auch zulässig, sich auf die Auskünfte früherer Nachbarn zu berufen.

 

Es liegt auf der Hand, dass die Einrichtung dieser Familienbücher für die Standesbeamten sehr viel Arbeit mit sich bringt. Dem Antragsteller ist deshalb zu empfehlen, sich mit Geduld zu wappnen, zumal der Sachverhalt nur in ganz wenigen Fällen ohne zeitraubende Rückfragen bei anderen Stellen aufzuklären sein wird. Um wirklich dringende Fälle möglichst rasch zu einem Abschluss zu bringen, sollten in der ersten Zeit nur die Vertriebenen die Anlegung eines Familienbuchs beantragen, die aus bestimmten Gründen sehr bald wieder beweiskräftige Personenstandsurkunden benötigen.

 

Das Familienbuch wird bei einer Wohnsitzverlegung der Familie an den für den neuen Wohnsitz zuständigen Standesbeamten abgegeben und kann daher jederzeit am Wohnsitz der Familie eingesehen und benutzt werden. Das Familienbuch wird noch ergänzt durch das Stammbuch der Familie, das an die Stelle des früheren Familienstammbuchs getreten ist. Die Beschaffung bleibt dem Einzelnen überlassen. Das Familienbuch wird nicht nur für Vertriebene, sondern auch für alle diejenigen angelegt, die nach dem 1. Januar 1958 die Ehe geschlossen haben. Es wird am Ort der Eheschließung angelegt. Zur Vereinfachung der Führung der Personenstandsbücher werden Veränderungen des Personenstands hauptsächlich im Familienbuch vermerkt. Die Anlegung eines Familienbuchs wird, nach dem zunächst einmal die Anträge der Vertriebenen erledigt sind, durch landesrechtliche Vorschriften auch für die Familien angeordnet werden, bei denen die Eheschließung vor dem 1. Januar 1958 erfolgt ist.

 

Auf lange Sicht wird durch diese Neuordnung des Personenstandsrechts eine Vereinfachung der Arbeit der Standesbeamten erwartet.

 

Seite 13   Europadörfer erstehen. Ein Albert Schweitzer-Dorf im Saargebiet.

Aachen. Nach den ersten drei Europadörfern in Aachen, Bregenz und Augsburg will die von dem belgischen Dominikaner P. Pire begründete und geleitete „Hilfe für heimatlose Ausländer" im Laufe des Jahres 1958 mit Unterstützung von Förderern aus allen Ländern Europas weitere vier oder fünf solche Dörfer errichten, teilt die deutsche Sektion dieser internationalen Vereinigung mit. Geplant sind zwei Dörfer in Deutschland, davon eines im Saar-Gebiet, das den Namen „Albert-Schweitzer-Dorf" führen wird, und eines in Südbaden, ferner je eines in Belgien, in Frankreich und in Italien. Für das Albert-Schweitzer-Dorf ist die Errichtung dreier Häuser bereits durch Spenden großherziger Förderer aus einer belgischen Stadt sichergestellt.

 

Bezüglich der Ziele dieser Aktion, dem Kreuzzug für ein „Europa des Herzens" weist die Vereinigung darauf hin, dass man auf die Ergebnisse, die diese Europadörfer zeitigen werden, geduldig warten müsse, das es sich dabei nicht um die Verwirklichung von Bauprogrammen oder von einfachen Problemen der wirtschaftlichen Eingliederung heimatloser Ausländer handele, sondern um ein Programm für eine möglichst vollständige menschliche Umerziehung und Wiederintegrierung. Die bisher erkennbaren Ergebnisse seien allerdings ermutigend; in einem Fall habe es sich z. B gezeigt, dass von 21 in einem solchen Europadorf wiederverwurzelten Familien, heute 19 schon wieder als normal angesehen werden können.

 

Rest der Seite Buchvorschläge.

 

Seite 14   Annemarie in der Au. Ein Muttertag.

Es war ein unwahrscheinlich schöner Tag, dieser zweite Sonntag im Mai. Es war so warm und sonnenschön, dass alle Bänke des Parks an der Schlossmühle besetzt waren, die bis zu diesem Tage ein recht erbärmliches Leben in Wind und feuchtem Nebel geführt hatten. Auf jener Bank, die den Stiefmütterchenrabatten gegenüberliegt, und die bald wieder von einem Kranz blühender Rhododendren umstanden sein wird, sitzt eine alte Frau. Und sie wirkt wie ein dunkler Fleck inmitten der Gesellschaft sich begegnender Pracht.

 

Muttertag, denkt die alte Frau und sieht einer jungen Frau nach, die begleitet von zwei blumentragenden rosasteifen Mädchen an ihr vorübergegangen. Die Mädchen hatten sich auf die Bank setzen wollen, aber die Frau hatte abgewinkt. Vielleicht bin ich ihr nicht gut genug gewesen, denkt die alte Frau, vielleicht hat sie Angst gehabt, die Mädchen könnten an mir zu viel Hässliches sehen, was nicht in diesen Tag hineinpasst. Aber es soll niemand glauben, dass sie immer so wie ein dunkler Fleck im lebendigen Bunt der Welt gewesen ist.

 

Muttertag. Der alten Frau wird niemand Blumen schenken, und sie ist doch auch eine Mutter. Drei Kinder hat sie gehabt, nun ist keines mehr da. Zwei Söhne hat der Krieg verschlungen. Die Tochter, ja, die lebt noch, aber sie ist mit ihrem Mann ausgewandert. Die alte Frau hätte mitkönnen, gewiss, sie hätten es sogar gern gesehen, die Tochter und ihr Mann, aber die alte Frau hat schon einmal das Heimweh kennengelernt, und darum ist sie hier zurückgeblieben. Niemand wird ihr Blumen schenken, niemand aufmerksam sein. Muttertag ist eben doch nicht für alle Mütter da. Die alte Frau sitzt und grübelt nach.

 

So bemerkt sie nicht, dass ein winzig kleines Etwas auf sie zugetippelt kommt und mit seinen Händchen die Bank entlangpatscht. „Roselies", ruft eine junge Stimme von einer der Nebenbänke, aber das kleinwinzige Etwas hört nicht darauf. Es steckt gerade sein Fingerchen in den Mund und schaut mit fragenden Augen auf den dunklen Fleck inmitten der bunten Pracht. Nun bemerkt es die alte Frau. Sie muss lächeln, und zwei kleine Hände patschen weiter die Bank entlang und berühren vertrauensvoll ihren alten abgetragenen Mantel. Die alte Frau weiß nicht, was sie sagen soll.

 

Jetzt patscht das kleine Etwas namens Roselies bis zum Ende der Bank, bückt sich, rupft ein paar Hälmchen aus dem erwachenden Erdreich, schaut sie an, möchte sie ins Mündchen stecken, und patscht sie schließlich der Frau in die abgearbeiteten Hände.

 

„Schenkst du mir die Blümchen?"

 

Blümchen, sagt die alte Frau, und das kleine Etwas bückt sich gleich wieder und pflückt noch einmal eine Patschhand voll zarten Grüns und legt sie der Frau in den Schoß. Die alte Frau nimmt die Gräser, eins nach dem andern mit zitternden Händen, hält sie wie einen kleinen Strauß. Roselies aber tippelt quer über den Weg zu den Stiefmütterchenrabatten und patscht nach den dunkelvioletten Sternen.

 

Doch da ruft wieder die junge Stimme und ist schon neben dem kleinwinzigen Etwas, hebt es hoch und trägt es fort. Die alte Frau hält einen Strauß Gräser und schaut den Davongehenden nach. Dann muss sie den Kopf senken.

 

Also ist Muttertag doch für alle Mütter da. Man muss diesen Tag nur selbst in sich fühlen, nur in sich.

 

Die alte Frau sitzt lange so da, still und vergrübelt. Die Sonne senkt sich, der Park an der Schlossmühle wird leer, nur sie sitzt da und hält ihren Kopf gesenkt, die Hände um ein Sträußlein Gras gefaltet.

 

Der Parkwärter geht an der alten Frau vorbei. Er kennt sie gut. Beim dritten Mal bleibt er stehen: „Willst du nicht heimgehen, Mutter? Es ist kalt geworden“.

 

Mutter, hat er gesagt und du, nicht Frau und nicht Dame und nicht Sie, sondern einfach nur: Mutter.

 

Die alte Mutter hört ihn nicht mehr und der Wächter sieht, dass sie schon für immer heimgegangen ist.

 

Seite 14   Bild der ostdeutschen Frau. Luise Kalweit.

Ein Lied will ich singen von den biedern, zuverlässigen Frauen der kleinen ostpreußischen Besitzer, die auf dem Grundstück ihres Mannes, das gerade die Familie ernährte, werkten und wirkten, unermüdlich, eisensfest. Ihr Tun, das in der Heu- und Kornernte wie die Sonne seinen Höhepunkt erreichte, das die Stunden des sich dehnenden Arbeitstages nicht berechnete, ist im Buch des Lebens verzeichnet, wenn auch ihr Name vergessen ist und sie selber verschollen, friedlich gestorben oder im Kriege umgekommen sind.

 

Seht ihr sie nicht vor euch? Betrachtet sie mit mir noch einmal von Kopf zu Fuß. Das Gesicht ist zerknittert unter dem weißen Schauertuch des Sommers, unter dem schwarzen Chenille-Kopftuch des Winters. Der eingefallene Mund weist nicht immer alle Zähne auf, aber er kann noch wohlwollend lächeln, wenn die knochige arbeitsharte Hand zärtlich, sanft ein „Kleines" streichelt, sei es das neugeborene Kälbchen oder das jüngste Enkelkind in der alten Wiege. Viel haben die wissenden Augen an Freude, viel mehr noch an Leid, gesehen.

 

So sah Dürer seine Mutter, denke ich beim Anblick einer solchen Frau voll Ehrfurcht. Sie hat aber noch den blinzelnden Humor in den Augenwinkeln und das seltene Lächeln um den Mund, was bei Dürers Mutter fehlt. Die Kleidung entspricht nicht den Gewändern in den Schaufenstern, sie ist oft gewebt, vererbt, der Rock lang, faltig. Bis auf die vom Landschuster angefertigten Schuhe fällt er herab.

 

In altväterischen Bräuchen und Worten, von der Mutter übernommen, ohne nach dem „Warum" zu fragen, ist oft das Tagwerk, die Jahresarbeit dieser Frauen verankert. Da werden die Felder im Frühjahr „umgangen", damit sie gesegnet sind; und das Schmackostern, das Osterwasserholen und das Begießen mit Osterwasser, wenn die Langschläfer noch im Bett liegen, ist ebenso heilig wie der grüne Birkenschmuck zu Pfingsten hinter Spiegel und Eckbank und an der Bank vor der Tür. Da rollt noch das mit Stroh umflochtene brennende Sonnenrad zu Johanni den Hügel hinunter in den See, und der Fladen für die „Aust" enthält die richtige Eierzahl und das gehörige Fett, und die letzte Garbe muss auf dem Felde stehen bleiben. Die Martinsgans und das „Einschlachten" gehen dem Pfefferkuchenbacken, das vier Wochen vor Weihnachten beginnt, so sicher voran wie das erste Mondviertel dem Vollmond. Was wäre im Hause dieser Priesterinnen des Alltags Advent und Weihnachten ohne die Sternsinger? Was wäre der Weihnachtsabend ohne den Besuch von Schimmel, Storch, Bock und Bär? „Zerschlagt nichts in den Zwölften!" flehen sie, „tut keine drehende Arbeit, esst keine Erbsen und wascht nicht, — aber Federn müsst ihr reißen und die Kiele am Kreuzweg verstreuen zum Schutz gegen die bösen Geister. Und am Heiligabend geht in den Stall. Da hört ihr die Tiere sprechen und hört, was sie von euch denken und sagen. Und wenn einer stirbt, müsst ihr die Uhr anhalten und den Spiegel verhängen und die Fenster öffnen“.

 

Wessen Lebenslauf so von Bräuchen durchwoben ist, der ist in tiefster Seele fromm, der nimmt Frömmigkeit in die Alltagsarbeit mit. Wenn da Brot gebacken wird, wie nur Landbrot gebacken werden kann, der segnet es auch und genießt es mit Segen.

 

Natürlich stand mir Frau Dagott vor Augen, als ich diese Art von ostpreußischen Landfrauen zeichnete. Sie war es, die beim Brotbacken nie vergaß, ein Kreuz über den Teig zu machen, ehe sie ihn formte und den Leib in den Ofen schob. „Läwet Gottke, hälp!“ sagte sie dabei. Ohne dieses Kreuzeszeichen wurde kein Brot angeschnitten und die „stille Minute“ des Tischgebets fehlte nicht.

 

Seite 14   Die Stimme einer Mutter. Es ist genug gestorben.

In einer Entgegnung auf den Aufruf des Dichters Richard Dehmel „Einzige Rettung" schreibt Käthe Kollwitz im Oktober 1918 im „Vorwarts":

 

Richard Dehmel veröffentlicht im „Vorwärts" vom 22. Oktober einen Aufruf: „Einzige Rettung". Er appelliert an die Freiwilligkeit aller kriegstauglichen Männer. Einem Aufruf der obersten Verteidigungsinstanz meint er, würde nach Ausscheidung der „Memmen" eine kleine, desto auserwähltere Schar todbereiter Männer sich stellen, und Deutschlands Ehre würde durch diese gerettet werden.

 

Ich wende mich hiermit gegen Richard Dehmel. Ich vermute, wie er, dass einem solchen Appell an die Ehre eine auserlesene Schar Folge leisten würde. Und zwar wieder wie im Herbst 1914 in der Hauptsache aus Deutschlands Jugend bestehend, soweit dieselbe noch in Frage kommt. Das Resultat würde höchstwahrscheinlich sein, dass diese Opferbereiten tatsächlich hingeopfert würden, und dass dann — nach dem täglichen Blutverlust dieser vier Jahre - Deutschland eben verblutet ist. Was dann im Lande bliebe, wäre nach Dehmels eigener Schlussfolgerung nicht mehr die Kernkraft Deutschlands. Diese läge eben auf den Schlachtfeldern. Meiner Meinung nach aber wäre ein solcher Verlust für Deutschland viel schlimmer und unersetzlicher als der Verlust ganzer Provinzen.

 

Man hat tief umgelernt in diesen vier Jahren. Mir will scheinen, auch in Bezug auf den Ehrbegriff. Wir empfanden Russland nicht als ehrlos, als es in den unerhört harten Brester Frieden willigte. Es tat es aus dem verpflichtenden Gefühl heraus, die ihm noch verbleibenden Kräfte für den inneren Wiederaufbau sparen zu müssen. Ebenso wenig darf Deutschland, wenn ein Rechtsfrieden an der Entente scheitern sollte, sich als entehrt empfinden, wenn es einen Gewaltfrieden eingehen muss. Gefasst und stolz muss es sich bewusst bleiben, dass seine Ehre ebenso wenig damit verloren ist wie die Ehre eines einzelnen Menschen, der sich überstarken Mächten beugt. Seine Ehre soll Deutschland daran setzen, das harte Geschick sich dienstbar zu machen, innere Kraft aus der Niederlage zu ziehen, entschlossen der ungeheuren Arbeit, die vor ihm liegt, sich zuzuwenden.

 

Die Tat Richard Dehmels, dass er sich jetzt wieder zur Front meldet, achte ich, so wie ich seine freiwillige Stellung im Herbst 1914 achtete. Aber man darf nicht vergessen, dass Dehmel den wertvollsten Teil seines Lebens hinter sich hat. Was er zu geben hatte — Wunderschönes und Wertvolles — hat er ausgegeben. Ihn hat nicht mit zwanzig Jahren ein Weltkrieg verbluten lassen.

 

Aber die ungezählten Tausende, die auch zu geben hatten — anderes noch als ihr junges nacktes Leben —, ist es wirklich zu verantworten, dass, als diese eben anfangen sollten, sich zu entfalten, sie in den Krieg gerissen wurden und legionenweise starben?

 

Es ist genug gestorben! Keiner darf mehr fallen! Ich berufe mich gegen Richard Dehmel auf einen Größeren, welcher sagte: „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden".

Aus Käthe Kollwitz „Aus meinem Leben“, Erinnerungen, Tagebuchaufzeichnungen und Briefe mit einer Einführung von Hans Kollwitz. List-Bücher, Band 92. Paul List Verlag, München.

 

Seite 14  

Wonnig ist‘s in Frühlingstagen

Nach dem Wandelstab zu greifen

Und den Blumenstrauß am Hute

Gottes Garten zu durchschweifen

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (57)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Der Mai is gekommen! Und nu ran annem Maitrank, wo auf gut deitsch Grog heiß. Se wissen doch: Rum muss, Zucker kann, Wasser brauch nich.

 

Im Monat Mai kriegen de Katzen Junge, und de Menschen sind von die Liebe ganz bedammelt. Das Lebensalter spielt dabei keine Rolle nich, denn bei die Schnoddernasen fängt es an und bei die Opas heert es auf. Alter schitzt vorm Torweg nich, sagden wir zu Haus.

 

Es war auch im Mai, wie der Opa Scherwinski aus Allenstein noch emal in dem Stand der Ehe reintrampeln tat. Er war vierundachtzig und all ganz verschrumpelt und spacheistrig wie e Zwirnsfaden. Seine Braut war finfunddreißig Jahre jinger und e Kopp greeßer wie der Opa. Aber nich bloß in die Länge war se ihm ieber, sondern auch in die Breite, denn se wog bald dreimal so viel wie er und hänn e Fahrgestell- wie e Zuchtkuh naches siebente Kalb. Natierlich hädd se es bloß auf seine Pängjohns-Dittchens abgesehen, aber das wolld er nich glauben. Er liebd ihr ebend heiß und innig, und wenn ihm einer vor ihr warnen tat, lächeld er bloß ganz glicklich und meind, das is nuscht wie Neid. Aber de Menschen meinden es wirklich gut mit ihm, denn sie war bekannt als rabjates Frauenzimmer, und ihr Maulwerk ging wie e Häckselmaschine. Jeder wussd, dass er gleich inne erste Tage von ihr Pems kriegen wird, aber es nitzd alles nuscht. Se wissen ja: De Liebe macht den Rehbock blind, so geht's auch manches Menschenkind.

 

Am Hochzeitstag war de ganze Kirch voll, aller wollden sich an das drollige Paar ergötzen. Und denn kamen se an. Sie e Schritt voraus, er hädd ihr eingeärmelt und ließ sich ziehen, denn er war nich mehr gut aufe Fieße und aufe Brust. Alles war mucksmausche-still, und wie se aufem halben Weg nachem Altar waren, sagd e altes Frauche mit e zittriges Stimmche, aber doch so, dass es aller heeren konnden: „Erbarmung, Erbarmung, nu bringen se ihm!" — E Halbjahr später hädd er de Klumpen aufgesetzt, und bei seine Beerdigung legt e guter Freind e Kranz mit zwei Schleifen aufes Grab. Aufe erste stand gedruckt „Als letzten Gruß!" und aufe zweite: „Sittst, wat kröppst!"

 

In unser Dorf is nu natierlich auch Mai, und da geht nu auch de Liebe um, und zwar heiß se Juljetta. Vor ungefähr drei Wochen hat se uns bevölkert, der Krugwirt hat se irgendwo aufgeangelt, und nu bedient se de Gäste. Se is e staatscke Mergell, jung und knusprig, hat griene Augen und schwarze Haare, und de Kerdels sind aller rein verrickt nach ihr. Interessant is se auch noch, denn se is Italjänerin, sagt se. Ihr Vater war e verarmter Graf, sagt se, und is von die Partisanen erschossen worden. Ihre Mutter war vonnes Ballett und is se immer mitte Gondel inne Schul gefahren und in Palermo is se außem Internat ausgerissen, sagt se. Nu is se ganz allein. Und wenn se mittes Erzählen soweit gekommen is, schluchzt se einmal ganz tief und herzzerbrechend und zerknillte tränche mittes Taschentuch. Denn werden de härteste Bauern weich wie Butter und geben immer noch einen aus. Und manch einer hat ihr all aus Mitleid fimf Mark inne Hand gedrickt. Das is allerhand fier e Bauer aus diese Gegend.

 

Ja, das is de Juljetta! Der Krugwirt reibt sich de Hände, denn er hat mit ihr wirklich e gutem Fang gemacht, und das Geschäft geht wie geschmiert. Bloß de Frauens innes Dorf sind ihr gar nich grien. Wenn de Männer außes Haus gehn, passen se auf wie de Sperrkuckse, wo se bleiben, und rietz sind se mit eins auch im Krug, um ihre Männer vor die „Sumpfdotterblume" zu beschitzen. Se haben ihr noch mehr Namens gegeben und möchden am liebsten, dass se wieder abhaut, denn se trauen ihr nich iebern Weg. Aber ihre Männer trauen se auch nich, besonders jetz im Mai.

 

Und nu is ganz unverhofft e Knaatsch passiert, erst e kleiner Knaatsch und denn e großer. Dem kleinen hädd ich verursacht, indem dass mir das mit die italjänische Juljetta von Anfang an e bissche spanisch vorkam. Die gab mir zu schaurig an, und wie ich ihr einem Nachmittag mal allein inne Krugstub bedrickd und mir mit ihr unterhield, da glitschd se aus mitte Zung. Se sprach sehr vornehm mit e frisiertes Maul und ausländisch gefärbt. Bloß wie se mir e Tulpehe Bier aufem Tisch stelld und ich ihr aus Versehen anstieß, vergaß se mit eins ihre italjänische Vergangenheit und sagd: „Verschwaddem Se man nich!"

 

Nu war es raus, und ich nahm ihr gleich inne Zang: „Nu sag man, Mergellche, von wo kommst und wem's bist?" Da fing se an zu heulen wie e Schlosshund, und de Tusch vonne Wimpern kleckerd ihr iebre Backen. Und denn erzähld se alles, was ich wissen wolld. Se hieß garnich Juljetta, sondern Jule Jette Joneleit. Se war auch nich mitte Gondel in Venedig gefahren, sondern mit e Kahnche im Moosbruch. Ausgebixt war se zwar, aber nich außes Internat in Palermo, sondern aus eine Anstalt fier schwer erziehbare Mädchen. Sehn Se, das hadd ich mir doch gleich gedacht. Weil se aber wenigstens zu mir so ehrlich gewesen war, versprach ich, ihr nich zu verraten. Was geht es mir auch schließlich an. Bloß vermahnt hab ich ihr, dass se als Ostpreißin so was macht. „Zur Belohnung gab se mir e Butschche aufe Back.

 

Und denn kam der große Knaatsch. E jung verfreiter Inschenjöhr hädd auf ihr e Aug geschmissen, und se hädd zurickgeschmissen, und nu wolld er bei ihr italjänischen Sprachunterricht nehmen, so hädd er es wenigstens seine Frau erzählt. Aber weil se tagieber keine Zeit hädd, missd er ihr nachts besuchen. Dass es zu Haus nich auffiel, ging er „auf Montasche", und dazu missd er eine Nacht unterwegs bleiben. Er fuhr mit sein Fahrrad — das Motorrad machd zu viel Schkandahl - aber bloß bis inne Kreisstadt, trank sich orndlich Mut an und kam nachts so gegen Uhre zwölf zurick. Se hädden alles gut vorbereitet. Dem großen Hund hädd se klammheimlich drei Schlaftabletten innes Ambrot geriehrt, und nu lag er aufe Seit und schnarchd wie der Opa Donalies, wenn er acht Tulpchens Grog getrunken hadd. De letzte Gäste waren all so um elf gegangen, weil se morgens wieder frieh raus mussden, und nu lag der Krug stockediester, und alles innes Haus schliefen fest wie de Ratzen. Bloß de Juljetta nich, die stand am Fenster und lauerd auf ihrem inschenjöhrlichen Sprachschieler. Das Fenster ging nachem Hof raus. Das war e Glick fier die beide, e Unglick war aber, dass es eine Trepp hoch lag. E Leiter wolld er nich ranstellen, er brauchd auch nich, denn genau untres Fenster war e angebaute Schweinsbuchs, und da konnd er raufklettern. Er brauchd bloß e Klimmzug zu machen, und denn konnd es gleich losgehen mittes Wokabel-Lernen. Es war also alles gut ieberlegt.

 

Ärgerlich war bloß, dass das Holz von die Schweinsbucht all ziemlich molch und verfault war, aber das wussden die beide nich, und das merkd er erst, wie er mit Schwung raufhoppsd. Er brach gleich durches Dach durch und plumpsd inne Bucht rein, wo ihm die alte Artsau mit virrzehn kleine Ferkelchens in Empfang nahm. Nu lag er mit seinem neien Friehlingsanzug im Schweinsdreck, die Artsau beschniffeld ihm, und de Ferkelchens wurden wach und wollden ieberall bei ihm suckeln. De Juljetta foorts de Trepp runter, um ihm zu befreien. Da kam mit eins der Hund wieder zu sich und fing an zu bellen. E fette Ratz wolld ihm begnagen, weil se dachd, er is dot, und wie se hinten am Schinken anfing, wachd er von die Schmerzen auf. Da wurd Licht innes Haus, und was nu ward, können Se sich ja denken. Was soll ich noch viel erzählen. Der Inschenjöhr war blamiert bis aufe Knochen und hädd alle Miehe, seine Frau zu beruhigen. E neies Dach fiere Schweinsbucht missd er auch noch bezahlen. Und de Juljetta packd dem andern Morgen ihre Plossen im italjänischen Pappkartons und verschwand außes Dorf, wie se gekommen war. Nu sind de Kerdels aller traurig, und de Frauens froh.

 

Sehn Se, so is das mit dem Monat Mai, de Bäume schlagen aus, und de Kerdels auch. Aber nu is ja nich weit bis Pfingsten, deshalb verlass ich dem Thema und winsch Ihnen alle gesunde und vergniegte Feiertage!

Ihr alter Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Dr. Gilka feierte Doppeljubiläum. 60. Geburtstag — 40 Jahre im Verwaltungsdienst.

Am 26. April 1958 feierte Oberkreisdirektor Dr. Otto Gilka (Kreis Grevenbroich) seinen 60. Geburtstag. Gleichzeitig konnte er in diesen Tagen auf eine vierzigjährige Verwaltungstätigkeit zurückblicken. „Streifen wir nur kurz die Geschichte dieser Persönlichkeit", schreibt die „Neuss-Grevenbroicher Zeitung", Stichworte — Meilensteine seines Lebens:

 

Am 26. April 1898 in Ostpreußen als Sohn eines Beamten geboren; von 1917 bis 1919 Soldat im Weltkrieg, wo er verwundet wird; in Königsberg Studium der Rechtswissenschaften; am 29 Juni 1921 erste juristische Staatsprüfung beim Oberlandesgericht in Königsberg; am 12. Juli des gleichen Jahres in den Beamtenstand versetzt; am 24. November 1922 zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert; am 28. Februar 1925 Große Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst beim Preußischen Ministerium des Inneren zu Berlin; Referendar und Assessor an verschiedenen Gerichten und bei mehreren Verwaltungen.

 

Nach einer Tätigkeit im Landratsamt Lippstadt als Dezernent bei der Regierung in Oppeln wird Dr. Gilka am 8. März 1929 zum besoldeten, das, heißt: beamteten Magistratsmitglied der 600 Jahre alten ostpreußischen Stadt Allenstein ernannt und am 28. August 1931 zum beamteten Oberbürgermeister gewählt. Diese profilierte Persönlichkeit im damaligen kommunalpolitischen Leben hat zur Folge, dass das aktive Zentrumsmitglied Otto Gilka von den Nationalsozialisten 1933 beurlaubt und ein Jahr später vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird. Der vitale und aufrechte Dr. Gilka lässt sich nicht ins Boxhorn jagen und baut sich in Düsseldorf als Anwalt für Verwaltungsrecht eine neue Existenz auf.

 

Am 14. Juli 1945 ernennt ihn der Düsseldorfer Regierungspräsident im Einvernehmen mit der britischen Militärregierung zum Landrat des Kreises Grevenbroich. Am 22. März 1949 wählt ihn der Kreistag zum Oberkreisdirektor: dieser offizielle Beschluss in einer Zeit beginnenden stürmischen Wiederaufbaues war eine Entscheidung, deren Wert bis heute fast täglich spürbar blieb: Dr. Gilka hat es in den vergangenen, ereignisschweren Jahren in guter Zusammenarbeit mit dem Kreisparlament und den Gemeinden verstanden, die vielseitigen Interessen des Kreisgebiets und der Bevölkerung zu seiner Herzensangelegenheit zu machen“.

 

Seite 14    Mittelschulrektor i. R. Willy Zeil 80 Jahre alt.

Willy Zeil wurde am 6. Mai 1878 im Kirchdorf Wehrkirchen in der schönen Rominter Heide geboren. Dort hat er die 5-klassige Volksschule besucht. Nach dieser Schulzeit: Auf Präparandenanstalt und Seminar Ragnit bis 1898 zur Ausbildung als Volksschullehrer. Als solcher zuerst tätig im Kreise Angerburg und ab 1902 in Königsberg/Pr. Von 1907 bis 1910 wurde er vom Stadtschulamt zum Unterricht an der Königsberger Präparandenanstalt beurlaubt. 1910 Prüfung als Mittelschullehrer und 1911 Rektorprüfung für Volks- und Mittelschulen. Von 1911 bis 1929 wirkte er an der Haberberger Mittelschule, unterbrochen 1914 - 1918 durch Kriegsdienst.

 

1929 wurde Zeil Rektor an der Sackheimer Mittelschule für Knaben und Mädchen in Königsberg/Pr. Er wurde auch Mitglied des Schulausschusses für Mittelschule. Jetzt trat die Sackheimer Mittelschule besonders an die Öffentlichkeit.

 

Eng verbunden mit der Schule war die „Vereinigung ehem. Sackh. Mittelschüler". Manche fruchtbare Unterhaltung zwischen Zeil und den „Ehemaligen" wurde da gepflegt.

 

Nun kam der zweite Weltkrieg. Die Schule wurde Lazarett, Lehrer und viele ehemalige Schüler wurden eingezogen. Oft ist es vorgekommen, dass Zeil mit einem kleinen Orchester die Verwundeten erfreute. Oft bekam er Besuch von ehem. Schülern und Schülerinnen und konnte ihnen Trost und Hilfe geben. 1945 musste auch Zeil Königsberg verlassen, wie wir es wissen, mit großem Schmerz und tiefer Trauer. Er landete in "Sauensiek, Kreis Stade/Elbe. Zu Pfingsten 1957 besuchte ihn die Vereinigung der ehem. Sackh. Mittelschüler, die jetzt ihren Sitz in Düsseldorf hat, mit zirka 70 ehem. Schülern und Schülerinnen sowie einer Reihe von Mitgliedern seines ehem. Lehrerkollegiums. Es gab ein frohes und auch ein schmerzliches Wiedersehn und viel Dank für alles, was der große Lehrer und Erzieher für die Jugend getan hat. K. Gr.

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Itzehoe

In der Jahreshauptversammlung der LO stellte der erste Vorsitzende, Schulrat i. R. Grohnert fest, dass die Landsmannschaft wohl parteipolitisch neutral, aber heimatpolitisch das Gewissen aller Parteien sein müsse. Das letzte Jahr habe bewiesen, dass im Westen immer mehr die Erkenntnis dämmere, dass mit der Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße ein schweres Unrecht begangen worden sei. Er hob hier als besonderen Lichtblick die Rede des Abgeordneten Reece vor dem Repräsentantenhaus in Washington hervor. — In dem Jahresbericht stellte er fest, dass die Gruppe heute 800 Mitglieder zähle, das sind also mit Familienangehörigen rund 2400 Landsleute. Insgesamt 25 Veranstaltungen im zurückliegenden Jahr zeugen für die rege Tätigkeit der Gruppe. Die Neuwahl ergab folgende Besetzung: 1. Vors. Schulrat i. R. Grohnert, der mit diesem Amt nun bereits zum siebenten Mal betraut wurde; Stellvertr. Dr. Bahr und Glaner; Schriftf. Frau Tiedke; Kasse, Schlossecki; Frauengruppe, Frau Worm; Kultur, Radtke und Hardt; Verbindungsmann zum Chor, Teichert; Veranstaltungsausschuss, Gralki, Groth, Schimanski; Presse, Nowitzki; Kassenprüfer, Rupsch und Grunau.

 

Wilhelmshaven

Allgemeines Bedauern wurde laut, als der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Obermedizinalrat Dr. Zürcher, bei ihrer letzten Zusammenkunft bekanntgeben musste, dass der angesetzte Vortrag über die letzten Kämpfe in Ostpreußen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden müsse, da der Vortragende erkrankt sei. Es hatte sich gerade eine Anzahl alter ostpreußischer Soldaten eingefunden, die z. T. selbst den militärischen Zusammenbruch ihrer Heimat miterlebt hatte. Aber die Zuhörer wurden mit einem ganz anderen Erlebnis sehr reichlich entschädigt: Agnes Miegel sprach zu ihnen, wenn auch nur von einer Schallplatte, die sie vor wenigen Wochen besprochen hat, als sie sich in einer Feierstunde kurz vor ihrem 79. Geburtstage für immer aus der Öffentlichkeit zurückzog. Umrahmt von dem Geläut der Silberglocke des altehrwürdigen Königsberger Domes, dem Liede aller Ostpreußen: „Land der dunklen Wälder" und anderen Volksliedern der Heimat sprach Agnes Miegel aus ihrem reichen dichterisdien Schaffen, so „Die Frauen von Nidden", „Abschied von Königsberg" und vieles andere in bewundernswerter Frische. Der Vorsitzende las dazu Agnes Miegels kurze Schilderung ihres Lebensweges, die sie der Schallplatte mitgegeben hatte. Es war ein ganz besonderer Abend, für den die Anwesenden dem Vorsitzenden Obermedizinalrat Dr. Zürcher herzlich dankten, der die Veranstaltung mit einem Gedicht der ostpreußischen Dichterin Frieda Jung eingeleitet hatte. Die Landsmannschaft Ostpreußen kommt wieder am 19. Mai bei Dekena zusammen.

 

Lübbecke

In der April-Monatsversammlung der LO wurden Lichtbilder und Filme, die das Vertriebenenministerium zur Verfügung gestellt hatte, gezeigt. Die Bilder von den deutschen Ostprovinzen, angefangen von Stettin bis hinauf zur Memel, hinterließen bei allen Besuchern einen starken Eindruck. — Der Vorsitzende Hardt gedachte im Anschluss daran des kürzlich in Espelkamp-Mittwald verstorbenen Oberstleutnants a. D. Karl von Plekwe, der ein verdienter Sohn seiner ostpreußischen Heimat war.

 

Seesen a. H.

Anmeldungen für den Jahresausflug am 15.06. (7 Uhr) zum Teutoburger Wald bis spätestens 31.05. bei Elektro-Röder, Jacobsonstr. 13. Besichtigungen: Kloster Corvey, Externsteine, Hermannsdenkmal, Bad Pyrmont. Gesamtpreis DM 10,--.  

 

Hof/Saale

Bei der letzten Monatsversammlung der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen gab der 1. Vors. Studienrat Bergner eine Vorschau auf die kommenden Veranstaltungen und hielt eine Rückschau über die jüngsten politischen Ereignisse aus der Sicht der Landsmannschaft.— Zur Erinnerung an die Heimat wurde einer Landsmännin, die jetzt ihren Wohnsitz in Amerika hat und sich zur Zeit in Hof bei den Eltern aufhält, ein Andenken überreicht. Im zweiten Teil des Abends bot der Bezirksvorsitzende, Dehnde Resee, Bayreuth, früher Theaterintendant in Königsberg, mit großem Beifall aufgenommene Gedichtvorträge, gegliedert in ostdeutsche Gedichte, ost- und westpreußische Balladen und Humor daheim. Es war eine Freude, den Ausführungen zu lauschen.

 

Amberg

Die Ostdeutsche Landsmannschaft e. V. Amberg umschließt Ost- und Westpreußen, Pommern und Brandenburger!

Am 12. April 1958 trafen sich in der Gaststätte Kummert, die Mitglieder zur Jahreshauptversammlung. Nach der Begrüßung und Verlesung des Geschäftsberichts durch den 1. Vorsitzenden Dr. Asmus und des Kassenberichtes durch den Ortskrankenkassen - Oberinspektor Rehberg (Braunsberg/Ostpreußen) wurde dem Gesamtvorstand Entlastung erteilt. In der Gesamtschau wurde im Ablauf des zurückliegenden Jahres auf eine rege landsmannschaftliche Tätigkeit verwiesen. — Durch Lm. Zipser (Danzig) wurde die Neuwahl vorgenommen und folgende neue Besetzung von den Mitgliedern bestimmt: 1. Vors. Dr. Asmus, 2. Vors. Werner Graf v. Keyserlingk (Königsberg Pr.), 1. Kassenführer Katruss (Neu-Norweischen/Ostpr.), 2. Kassenführer Petersohn (Riga). 1. Schriftführerin Frau Elwitz (Königsberg/Pr.), 2. Schriftführerin Fräulein Bialek (Berlin). Ferner je ein Jugendleiter, Kulturwart, Gerätewart, Organisationsleiter und Wanderwart, sowie fünf Beisitzer.

 

Nach reger Diskussion erfolgte der Antritt des neuen Vorstandes mit Ansprache des 1. Vors. Dr. Asmus. Auf einen Filmvortrag mit Filmmaterial aus Ostpreußen im Monat Mai bei Kummert und auf eine größere würdige Veranstaltung anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Ostdeutschen Landsmannschaft wurde hingewiesen.

 

Seite 15   Königsberger Bundestreffen am 1. Juni in Hamburg

Das diesjährige Bundestreffen der Königsberger findet am Sonntag, dem 1. Juni, in Hamburg, Ernst-Merck-Halle (am Park „Planten und Blomen") statt.

 

Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr mit einem Gottesdienst im Jungiusrund neben der Ernst-Merck-Halle.

 

In der Feierstunde um 11.30 Uhr wird der Bundestagsabgeordnete Reinhold Rehs, Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen, das Wort ergreifen.

 

Es wirken mit der Ostpreußenchor und die Zollkapelle Hamburg. Ab 18 Uhr bis Mitternacht Tanz mit bunten Darbietungen in der Festhalle.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass Sonderzüge nicht eingesetzt werden, da die von der Bundesbahn geforderte Teilnehmerzahl nicht zu erreichen ist. Dagegen werden die auswärtigen Teilnehmer auf folgende Fahrpreisermäßigungen aufmerksam gemacht: Einzelreisende benutzen, soweit möglich, Sonntagsrückfahrkarten. Diese gelangen allerdings nur in bestimmten ausgewählten Verbindungen zur Ausgabe, die durch Aushang auf den Bahnhöfen bekanntgemacht sind.

Allgemeine Rückfahrkarten werden für alle Verbindungen ausgegeben, je nach der Entfernung mit 10- bis 35-prozentiger Ermäßigung.

 

In diesem Zusammenhang wird noch darauf hingewiesen, dass am 1. Juni der Sommerfahrplan der Bundesbahn in Kraft tritt, der wesentliche Fahrplanverbesserungen bringen wird.

 

Mitglieder von örtlichen landsmannschaftlichen Gruppen werden gebeten, sich wegen verbilligter Gemeinschaftsfahrten an die Vorsitzenden ihrer Gruppen zu wenden. Diese sind aufgerufen worden, Gemeinschaftsfahrten nach Hamburg vorzubereiten und zwecks Vergrößerung der Teilnehmerzahl auch Landsleute aus dem Kreis Osterode hinzuzuziehen, da auch dieser Kreis am gleichen Tage sein Heimattreffen in Hamburg durchführt.

 

Seite 15   Heimatgemeinschaft Rößel (Fördererring)

Mit Hilfe unserer Landsleute war es möglich, in letzter Zeit unsere Bildersammlung zu erweitern. Es liegen jetzt vor:

Von Rößel 11 Aufnahmen,

Rößeler Gymnasium 9,

Bischofsburg 10,

Bischofstein 11,

Seeburg 7,

Heiligelinde 6.

Ferner eine Aufnahme von Lautern, eine von Waldensee (Kirche) und eine von Allenstein (Blick auf die Garnisonkirche. Rathaus und Schloss).

 

Weitere Aufnahmen sind in Vorbereitung. Genauere Angaben über die einzelnen Bildmotive bringt der Rundbrief für den Kreis Rößel, der „Rößeler Heimatbote", der durch die Geschäftsführung in Kisdorf zu beziehen ist.

 

Besonders hingewiesen sei noch auf die Ermländertreffen im Mai: am Sonntag, 11. Mai, in Ulm, am 18. Mai in Bordesholm/Holstein, am 26. Mai (Pfingstmontag) in Berlin.

Nähere Angaben in den Ermlandbriefen.

Die ermländischen Lehrer und Lehrerinnen treffen sich am Mittwoch nach Pfingsten um 10 Uhr in Düsseldorf, Lokal „Haus Dieterich", Am Worringerplatz.

 

Zuschriften und Angaben für die Heimatgemeinschaft Rößel (Fördererring) sind nur an den Unterzeichneten zu richten. Erwin Poschmann, (24b) Kisdorf/Holstein (über Ulzburg).

 

Seite 16   Wir gratulieren zur Konfirmation.

Wir gratulieren Hadumoth Wendlandt, der Tochter unserer langjährigen, treuen Mitarbeiterin Wanda Wendlandt, heute wohnhaft Berlin-Zehlendorf, Am Fischtal 26b, zur Konfirmation.

 

Seite 16   Kameradschaft Luftgau I

Schriftf.: W. Gramsch, (20a) Celle, Waldweg 83.

Wie bereits angekündigt, schließen wir uns mit einem Sondertreffen am 1. Juni in Hamburg der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisgruppe Königsberg/Pr.-Stadt an. Nach einer Feierstunde in der Ernst-Merck-Halle, die etwa um 11 Uhr beginnt und gegen 13 Uhr beendet sein wird, kommen wir zum gemeinsamen Mittagessen in der Gaststätte „Zum Elch". Inhaber Paul Bohl (früher Königsberg/Pr.) gegen 14 Uhr zusammen. Das Lokal liegt in der Mozartstraße 27 und ist wie folgt zu erreichen:

 

mit den Straßenbahnlinien 14 und 15 bis Mozartstraße und Linie 18 bis Winterhuderweg,

mit der Hochburg bis Haltestelle Mundsburg und mit den Alsterschiffen bis Mühlenkamper Fährhaus. Es wird ein kräftiger Eintopf für 2,-- DM sowie Menü für 4,-- DM bereitgehalten.

 

Damit der Wirt sich entsprechend einrichten kann, bitte ich um Anmeldung für die Teilnahme am Essen bis spätestens zum 20. Mai an meine obige Anschrift.

Für ein weiteres Treffen in diesem Jahre bitte ich folgendes Datum vorzumerken: am 14. September in Göttingen!

 

Aber zunächst auf Wiedersehen in Hamburg!

 

Unser Suchdienst

Zur Regelung von Versorgungsansprüchen werden gesucht:

Ehem. Angehörige des Flak-Reg. 1, und hier besonders die Kameraden der 1. Batterie Alfred Gredig, Herbert Stutzke, Hugo Krüger und Ernst Pust von Hans Schlegel. Ebersberg/Bayern, Wildermuthstraße 16.

 

Ehem. Angehörige des Feldgericht beim Lgk. I Königsberg/Pr. der Dienststelle „Chefrichter beim Chef der Luftflotte 3", und hier den ehem. Generalrichter Dr. Eckerle von Franz Naujoks, ehem. Justizwachtmeister, wohnhaft in Hassel bei Mettmann/Rheinland, Kirchendellerweg 5. Es handelt sich um die Nachweisführung der Beamteneigenschaften des Naujoks.

 

Die ehem. Angestellte beim Fl.-H. Gutenfeld/ Ostpr., Hildegard Lehmann, bisher wohnhaft in Verden/Aller, ist unbekannt verzogen. Ihre jetzige Anschrift wird von obiger Schriftleitung dringend benötigt.

 

Seite 16   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig - Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb), Gotenstraße 33.

 

Der Mai ist gekommen! Herzliche Glückwünsche allen Maikindern zum Geburtstage! Unter ihnen beglückwünschen wir:

am 01.05.1958: Evemarie Regehr (Tiegenhof), 30 Jahre;

 

am 05. 05.1958: Helge Ludewig-Lackner (KMTV Kbg und Lyck), 40 Jahre;

 

am 05.05.1958: Margarete Loschke (KMTV Kbg) 60 Jahre;

 

am 28.05.1958: Fritz Preuß (Tgm Danzig) 60 Jahre;

 

am 24.05.1958: Gertrud Ortmann (TC Danzig), 70 Jahre;

 

am (ohne Datum) Robert Sander (TuF und Tgm Dzg), 80 Jahre;

 

am 21.05.1958: Karl Schüleit (KMTV Kbg und Tilsit), 82 Jahre;

 

am (ohne Datum): Arthur Callwitz (Tgm Dzg), 84 Jahre.

 

Das X. Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie am 22.07.1958 in München wird nach dem Ergebnis des Hauptmeldetermins die zahlenmäßig gehegten Hoffnungen voll erfüllen. Auch die Anmeldungen aus Mitteldeutschland entsprechen den Erwartungen. Vorläufig können Nachmeldungen noch abgegeben werden; die Unterbringung in München wird auch für die Nachzügler dank des Entgegenkommens unserer in München wohnenden Landsleute und dank des selbstlosen Werbeeinsatzes unserer dortigen Helfer noch befriedigend geregelt werden können.

 

Um die in Holz geprägte Sonderplakette, unsere in München zu tragende „Erkennungsmarke", in ausreichender Zahl zu bestellen, bitte ich diejenigen Turner und Turnerinnen aus Ostpreußen, Danzig und Westpreußen, die sich durch einen Verein des DTB für München endgültig angemeldet haben, um Nachricht darüber. Die Turnerfestnummer unserer Turnerfamilie für München lautet: 30 415.

 

Jeder Festteilnehmer, der seinen Festbeitrag über die Turnerfamilie gezahlt hat, bekommt noch Mitteilung über die Nummer, unter der er im Hauptmeldebogen geführt wird. Beide Nummern gehören zusammen und sind wichtig, falls jemand ausnahmsweise unmittelbar mit der Geschäftsstelle des Deutschen Turnfestes in München mündlich oder schriftlich in Verbindung treten muss.

 

Das Deutsche Turnfest 1958 in München vom 20. bis 28.07.1958 bringt außer unserem Wiedersehenstreffen am 22.07. neben vielen anderen Veranstaltungen am 24.07. eine allgemeine Kundgebung der Heimatvertriebenen und am 25.07. ein allgemeines Alterstreffen. Täglich von Montag bis Freitag gibt es laut Turnfahrtenbuch halbtägige und ganztägige Turnfahrten in die nähere und weitere Umgebung von München.

Ein Stadtplan von München mit den Außenbezirken (2,50 DM), das Turnfahrtenbuch, das für Reisen im Süden Dauergeltung hat (2,00 DM einschl. Porto), und das Sonderfestabzeichen unserer Turnerfamilie (1,00 DM) können bei mir bestellt werden.

 

Allen Anfragen wegen des Deutschen Turnfestes und des Wiedersehenstreffens sowie wegen des Sonderzugverkehrs bitte ich, der Kürze-halber Antwortpostkarten beizufügen.

Gut Heil! Onkel Wilhelm.  Turnfestpostkarten (Mappe mit 5 Karten 0,50 DM)

 

Seite 16   ASCO-Treffen in Hannover

Im Rahmen des Treffens der Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten am 18. Juli in Hannover, am Vorabend der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaft, gibt es wie in jedem Jahr wieder offizielle Wiedersehensfeiern der einzelnen ostpreußischen Turn- und Sportvereine. Der ruhmreiche ASCO Königsberg trifft sich mit seinen alten und jungen Freunden, Aktiven und Inaktiven am Sonnabend, dem 19. Juli, im „Hotel zur Post", Hannover, Schillerstraße (ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs) ab 19 Uhr bei lustigen Darbietungen und Tanz. Auch andere ostpreußische Turn- und Sportvereine planen Wiedersehensfeiern. Sie werden gebeten, die Veranstaltungen dem Presse-Sachbearbeiter Maximilian Grunwald, Hannover-Kirchrode, Bleekstraße 5, zu melden, damit sie offiziell bekanntgegeben werden können.

 

Alle ostpreußischen Vereine, die sich inzwischen in der Bundesrepublik oder in Berlin wieder zu ihren Gemeinschaften zusammengefunden haben, dieses bisher aber noch nicht der Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten (Anschrift: Otto Wiedemann, Kassel. Wilhelm-Allee 140) gemeldet haben, werden gebeten, dies umgehend nachzuholen, damit ihnen die Ausschreibungen für die traditionellen Leichtathletik-Wettkämpfe am 18. Juli in Hannover zugesandt werden können.

 

Seite 16   Ostpreußische Leichtathleten treffen sich. Wettkämpfe — Ostpreußen hat zwei Preise zu verteidigen — Kameradschaftsabend.

Zum fünften Male wird die Traditionsgemeinschaft der Leichtathleten aus den deutschen Ostgebieten, die im Jahre 1951 gegründet wurde, anlässlich der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Hannover ihre sportlichen Wettkämpfe am 18. Juli, also einen Tag vor Beginn der Meisterschaften, durchführen. Die Wettbewerbe finden im Stadion der Technischen Hochschule Hannover statt und stehen unter der Schirmherrschaft des Niedersächsischen Ministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte, Minister Albert Höft. Nach umfangreichen Arbeiten des örtlichen Organisationsausschusses sind nunmehr die Ausschreibungen herausgekommen, die Wettbewerbe für Männer, Frauen, Jugendliche sowie Schüler und Schülerinnen verschiedener Altersklassen vorsehen.

 

Die Allgemeine Klasse der Männer (Jahrgang 1939 und älter) sieht 100 m, 400 m, 1000 m, Weitsprung, Kugelstoßen und Speerwurf vor. Dieselben Disziplinen, außer 400 m, sind für die Altersklassen I und II (Jahrgänge 1923 bis 1926 bzw. 1919 bis 1922), die Altersklasse III (Jahrgänge 1914 bis 1918) sowie die Altersklassen IV und V (Jahrgänge 1909 bis 1913 bzw. 1908 und älter) vorgesehen, lediglich in den Altersklassen IV und V beträgt die Sprintstrecke 75 m. — Die beste 1000-m-Leistung aller Klassen wird mit dem Wanderpreis der Pommerschen Landsmannschaft ausgezeichnet. Verteidiger ist Jürgen Scharnow (SC Preußen Stettin). Die ostdeutsche Traditionsstaffel über 4 X 100 m (Jahrgänge 1922 und älter) hat Ostpreußen zu verteidigen, wobei es um den ewigen Wanderpreis des DLV-Vorsitzenden Dr. Max Danz geht. Diese Staffel ist nur offen für Verbandsmannschaften, die von alten Mitgliedern der Sport- und Turnvereine aus Ostpreußen, Danzig, Westpreußen, Grenzmark, Pommern, Schlesien und Sudetenland gestellt werden. Daneben gibt es noch die 4 X 100m-Vereinsstaffel für ostdeutsche Vereine (Jahrgänge 1939 und älter), die der VfB Breslau zu verteidigen hat.

 

Den Hermann-Kanus-Gedächtniswanderpreis für den Traditionsmehrkampf der Verbände hat der VfB Breslau gestiftet. Die beiden besten Vorkampf- bzw. Vorlauf-Leistungen jedes ostdeutschen Verbandes über 100 m und 1000 m, im Weitsprung und Kugelstoßen, die in den Altersklassen erzielt worden sind, sowie die Zeit in der 4 X 100-m-Traditionsstaffel werden hier gewertet und nach der DLV-Mehrkampfwertung berechnet. Verteidiger ist Ostpreußen.

 

Neu aufgenommen in das Programm ist der Verbands-Vierkampf (nur gültig für die allgemeine Klasse). Jeder Verband stellt zwei Teilnehmer, wobei die besten Leistungen in den Einzelkämpfen gleichzeitig für den Verbandsmehrkampf gewertet werden.

 

Die Wettbewerbe für Frauen in der allgemeinen Klasse (1939 und älter) und in der Altersklasse (1928 und älter) sehen 75 m, Weitsprung und Kugelstoßen vor.

 

Die männliche Jugend bestreitet in Klasse A (1940/1941) und B (1942/1943) 100 m, Weitsprung und Kugelstoßen. Neu aufgenommen ist hier die 4 X 100-m-Verbands-Jugendstaffel, für Klasse A und B getrennt. — Für die weibliche Jugend (1940/1941 bzw. 1942/1943 gibt es Wettbewerbe über 75 m, Weitsprung und Kugelstoßen. Auch Wettbewerbe für Schüler und Schülerinnen fehlen nicht. Für Schüler (Klasse A - 1944/1945, Klasse B - 1946 und jünger) gibt es 75 m, Weitsprung und Schlagballweitwurf, dieselben Disziplinen auch für Schülerinnen.

 

Startberechtigt für Männer-, Frauen-, Jugend- und Schülerwettbewerbe sind alle Deutschen die vor dem 31.12.1944 ihren Wohnsitz in einem ostdeutschen Ort oder im Sudetenland hatten, ebenfalls die Kinder dieser aus den ostdeutschen Gebieten stammenden Eltern. Mit Ausnahme der Verbands- oder Vereinsstaffeln kann auch jeder Ostdeutsche ohne frühere oder jetzige Vereinsangehörigkeit starten. Diese Einschränkung entfällt für die Verbandsstaffeln der Jugendklassen A und B.

 

Jeder Teilnehmer darf nur in zwei Wettbewerben starten, ausgenommen Staffeln. Für die ostdeutsche Traditionsstaffel um den Dr.-Danz-Wanderpreis wird nur eine Mannschaft für jeden Verband zugelassen, für die übrigen Staffeln ist die Begrenzung offen.

 

Die Meldungen sind bis spätestens zum 15. Juni 1958 an den technischen Leiter der Wettkämpfe der Traditionsgemeinschaft, Herrn Hilmar Dreßler, Hannover, Franckestraße 3, zu richten. Die Wettkämpfe beginnen am 18. Juli, um 14.30 Uhr. Quartierwünsche sind möglichst bis zum 1. Juni an Heinz Simanowski oder Ursula Simanowski, Hannover, Berliner Allee 16, zu richten.

 

Die Siegerehrung wird im Rahmen eines Kameradschaftsabends am 18. Juli (20 Uhr) in der Stadthalle vorgenommen. Alle Verbände, die am Sonnabend, dem 19. Juli, interne Verbands- bzw. Vereinswiedersehenstreffen veranstalten wollen, werden gebeten, dieses an den Leiter der Presse und Propaganda. Maximilian Grunwald, Hannover, Bleekstraße 5, baldmöglichst mitzuteilen.

 

Seite 16   Wir gratulieren!

Zur diamantenen Hochzeit

Eheleute Friedrich Ulrich, Schlosser, und Frau Karoline Ulrich, geborene Hoffmann, aus Danzig, am 6. April 1958 im Städtischen Heim Blankenburg.

 

Eheleute August Schritt, Seilermeister, und Frau Johanne Schritt, aus Tiegenort/Danzig, am 11. April 1958 im Altersheim Jeggen/Osnabrück.

 

Zur goldenen Hochzeit

Eheleute Johann Sokolowski und Frau Wilhelmine Sokolowski, aus Rasenfeld, Kreis Rosenberg, Westpr. am 18. April 1958 in Himbergen.

 

Zum 85. Geburtstag

Gustav Byszio, aus Ostpreußen, am 1. Mai 1958 in Wesuwe, Kreis Meppen.

 

Zum 81. Geburtstag

Maria Danehl, aus Allenstein, Zeppelinstraße 5, am 4. Mai 1958 in Berlin-Steglitz, Schöneberger Straße 15.

 

Seite 16   Mai-Geburtstagskinder in Flensburg

Minna Sommer, aus Königsberg am 1. Mai 1958, 77 Jahre, jetzt wohnhaft Twedterholz 65;

 

Amalie Schulz, aus Königsberg am 2. Mai 1958, 80 Jahre, jetzt wohnhaft Turiner Str. 5;

 

Gertrud Obendorf, aus Georgenburg am 2. Mai 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft Lager Westerallee 3/5;

 

Johann Bösswetter, aus Königsberg am 3. Mai 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft Klueserwinkel 10;

 

August Beyer, aus Weckendorf/Gerdauen am 4. Mai 1958, 80 Jahre, jetzt wohnhaft Friedheim 26;

 

Helene Powels, aus Königsberg am 5. Mai 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft, Ostlandstraße 12;

 

Elisabeth Rosenkranz, aus Königsberg, am 14. Mai 1958, 79 Jahre, jetzt wohnhaft Falkenberg 28;

 

Rosalie Bergmann, aus Königsberg am 15. Mai 1958, 85 Jahre, jetzt wohnhaft Dorotheenstraße 24;

 

Hermann Puschke, aus Steinort/Angerburg am 15. Mai 1958, 75 Jahre, jetzt wohnhaft Diblerstraße 60;

 

Anna Skibbe, aus Drugefenen am 18. Mai 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft Friesenlager/Weiche;

 

Gertrud Loesser, aus Königsberg am 18. Mai 1958, 77 Jahre, jetzt wohnhaft Ostseebadweg 13;

 

Erdmuthe Voss, aus Gilge/Labiau, am 20. Mai 1958, 76 Jahre, jetzt wohnhaft Am Bauernhof 2;

 

Anna Schettler, aus Königsberg, am 24. Mai 1958, 78 Jahre, jetzt wohnhaft Ostlandstraße 34;

 

Karoline Sturm, aus Königsberg am 25. Mai 1958, 76 Jahre, jetzt wohnhaft DRK-Heim;

 

Otto Neth, aus Zinten am 27. Mai 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft Vusumer Straße 1;

 

Berta Kropeit, aus Königsberg, am 28. Mai 1958, 78 Jahre, jetzt wohnhaft Bauerlandstraße 71;

 

Ferdinand Neumann, aus Königsberg am 28. Mai 1958, 92 Jahre, jetzt wohnhaft Mathildenstraße 6;

 

Elisabeth Maluck, aus Königsberg am 20. Mai 1958, 79 Jahre, jetzt wohnhaft Husumer Straße 1;

 

Berta Krofelder, aus Neumünsterberg am 30. Mai 1958, 95 Jahre, jetzt wohnhaft Schiffbrücke 65;

 

Johann Sakuth aus Nidden, am 30. Mai 1958, 82 Jahre, jetzt wohnhaft Hafendamm 52.

 

Das Heimatblatt der Ost- und Westpreußen, die „Ostpreußen-Warte", gratuliert allen Jubiläen von Herzen und wünscht recht viel Glück und auch weiterhin beste Gesundheit!

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