Ostpreußen-Warte, Folge 05 vom Mai 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 05 vom Mai 1957

 

Seite 1   Foto: Land der dunklen Wälder … - Inmitten endloser, einsamer Wälder See an See – wie Perlen, von der Hand des Schöpfers ausgestreut, das ist Masuren. Foto: Hallensleben

 

Seite 1   Rückfall in die Barbarei. Atombewaffnung kein Verteidigungsmittel für Deutschland.

„Wir können aber einen Aggressor nur dann zurückhalten, wenn er weiß, dass der Rückschlag ihn selbst vernichtet, wenn er losschlagen sollte. Ich weiß, das klingt furchtbar, aber es ist realistisch gedacht. Wie die Dinge liegen, müssen wir realistisch denken".

 

Diese Sitze, vom Bundeskanzler als Antwort auf die Göttinger Erklärung der Atomforscher gesagt, hören sich recht einleuchtend an; trotzdem enthalten sie eine Reihe von gefährlichen Ungewissheiten.

 

Zunächst kann man schon die zu den Dogmen der westlichen Politik gehörende Voraussetzung anzweifeln, dass als Angreifer nur die Sowjetunion in Frage kommt. Erst vor knapp einem halben Jahr haben wir erlebt, dass zuweilen auch westliche Mächte als Aggressoren auftreten. Vor allem aber ist da die Frage, warum Moskau angreifen sollte. Seine sämtlichen erkennbaren Ziele, unter denen die Ausbreitung des Kommunismus sicher nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, sind mit allen anderen Mitteln eher zu erreichen als mit einem kriegerischen Angriff. Zu einem solchen Angriff dürfte es daher nur kommen, wenn der Westen in seiner Politik unreparable Fehler macht oder wenn ein Wahnsinniger im Kreml die Macht ergreift.

 

In beiden Fällen wird das Wissen um die vernichtende Wirkung des Rückschlages kein Hemmnis mehr sein. Der Wahnsinnige wird es ignorieren; die halbwegs vernünftigen russischen Generale und Politiker aber werden alles tun, um bereits den Angriffsschlag zum Vernichtungsschlag zu machen. Ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Aufbau der dazu notwendigen atomaren Ausrüstung ausreicht, lässt sich allerdings schwer beurteilen. Auch die westlichen Geheimdienste werden keine völlig sicheren Feststellungen treffen können. Wie dem aber auch sei, für uns Deutsche und das übrige Resteuropa haben solche Überlegungen vermutlich nur theoretische Bedeutung. Was nützt einem Häuflein, das in einer Atomwüste den ersten Schlag überlebt hat, die Hoffnung, dass nun tausend Kilometer weiter östlich der gleiche Schrecken beginnt. Von Amerika aus gesehen, das vom Angriffsschlag wahrscheinlich nicht mit der gleichen Wucht getroffen wird, wie die vorgeschobenen Stützpunkte, mag sich die Lage anders darstellen. Dort hat man vielleicht noch Zeit, das Schwert zu ziehen, wenn der Schild zerhauen ist. Nur für das Schild ist das ein magerer Trost.

 

Mit anderen Worten: Die Atombewaffnung hat für uns Deutsche im besten Fall einen Wert als Mittel der Abschreckung. Verteidigen können wir uns damit nicht, unter Umständen aber provozieren, was wir doch alle vermeiden möchten.

 

Was hat es überhaupt mit diesen A- und H-Bomben auf sich? Zur bevorzugten Lektüre Hitlers gehörten utopische Romane von Wundermaschinen und Wunderwaffen, mit denen man nach Vernichtung aller Feinde die Welt beherrschen könnte. Man brauchte nur ohne eigene Gefährdung sozusagen vom Klubsessel aus einige Schalthebel zu bewegen, um die Mordmaschinen in Gang zu setzen, die vernichtenden Explosionen auszulösen.

 

Es gibt daneben in den Nürnberger Dokumenten einen durchaus nicht utopischen, sondern sehr realen Briefwechsel über die Perfekten der Massenvernichtung mit verborgenen Schießapparaten, Gaswagen und Verbrennungsöfen. Genau in diese Kategorie gehören auch die A- und H-Bomben. Vollkommene Mord- und Schreckmaschinen, würden sie auch einer anderen Gruppe von Banditen und Gangstern die totale Herrschaft über die Welt ausliefern, falls jene nur die technische Herstellung bewältigen könnten. Schon heute aber wird allein durch ihr Vorhandensein der der Machtgedanke, der im Bereich der weißen Völker doch immer Ordnungsgedanke gewesen ist, seiner letzten moralischen Elemente beraubt, während zugleich im Bereich des Soldatisch-Kriegerischen ein Rückfall in die Barberei geschichtlicher Anfänge erfolgt. Frau, Kind, Wehrlose zu schützen und zu schonen, war einmal das Gebot christlicher Ritterschaft gewesen, mit dem sie das grausame und blutgierige Tier in der eigenen Brust gebändigt hat. Die Atombombe wird Frauen, Kinder, Greise fressen und Äcker, Dörfer, Städte obendrein.

 

Man rede sich nicht ein, dass man den Schrecken mit Paragraphen bannen, mit organisatorischen Mitteln verringern oder gar auf der Angst vor ihm den Tempel des ewigen Friedens errichten könnte. Ist die Waffe da, wird sie auch gebraucht werden. Wer ihre Herstellung nicht scheut, wird auch die Anwendung nicht scheuen. Die wilden Dunkelheiten der menschlichen Rasse kennt schlecht, wer ihr nicht zutraut, dass sie sich bei klarstem Verstand allein aus mörderischer Neugier selbst in die Luft sprengt. Freilich liegt in dieser Art auch eine Hoffnung. Was der Appell an den Verstand nicht vermag, das vermag zuweilen die „metaphysische Beschwörung", der Ruf an die Gegenkräfte, die wir Gewissen nennen.

 

Die 18 Atom-Professoren haben sich mit ihrer Erklärung verdient gemacht um ihr Volk und, wenn sie darauf hört, um die Menschheit. Der Herr Bundespräsident sollte ihnen eine goldene Ehrenkette um den Hals legen.

 

Sie haben der abgegriffenen Wortmünze „Freiheit" einen neuen Glanz gegeben. Wieder einmal durfte die Welt erfahren, dass mutig dem Gebot des Gewissens zu gehorchen und Bekenntnis abzulegen auch gegen die Meinungen der Machthaber und Funktionäre und Taktiker erst in Wahrheit Freiheit heißt.

 

Sie haben zugleich dem deutschen Namen einen Teil jenes Makels genommen, der in den letzten Jahren auf ihn gehäuft wurde. Vergangene Untaten, deren Urheber tot sind, mit Gesten und Deklamationen zu verurteilen, kann nicht so sehr ernst genommen werden. Der Protest gegen die Vorbereitung zukünftiger Untaten wird die Gutwilligen in der Welt aufhorchen lassen: So spricht das wahre Deutschland!

 

Wir glauben nicht an das Utopia einer künftigen Friedenswelt. Wir glauben aber nicht an die Unaufhaltsamkeit immer schrecklicherer Katastrophen, wenn wir das unsere tun. Darum sollten die 70 Millionen unseres Volkes die Mahnung der Achtzehn aufnehmen und an die verantwortlichen Staatsmänner der Welt weitergeben. Dr. A. K.

 

Seite 1   Albert Schweitzer warnt die Welt. Wir sind für unsere Nachkommen verantwortlich. Auszug aus der Erklärung des Friedensnobelpreisträgers.

Tatsache ist, wenn auch die in der Presse im Umlauf befindlichen Statistiken der Nachprüfung bedürfen, dass in Hiroshima, in den Jahren nach dem Abwurf der Atombombe, abnorm viel Totgeburten stattfanden und abnorm viele Kinder mit Missbildungen zur Welt kamen.

 

Zu bemerken ist, dass auch die schwächste, von innen her kommende Bestrahlung sich auf die Nachkommen schädigend auswirken kann. Die ganze Verheerung, die eine auf die Vorfahren ausgeübte radioaktive Bestrahlung bei den Nachkommen anrichtet, wird, nach den in der Vererbung geltenden Gesetzen, nicht gleich in den folgenden Generationen, sondern erst in den späteren, nach 100 oder 200 Jahren, offenbar werden. So wie die Dinge liegen, kann man also noch keinen der schweren und schwersten Fälle anführen, den die von innen kommende radioaktive Strahlung verursacht hätte. Soweit sie besteht, ist sie ja noch nicht in der Stärke vorhanden und noch nicht lange genug wirksam, dass sie die in Frage kommenden Schäden hätte anrichten können. Man kann nichts anderes tun, als von den Schäden, welche durch von außen kommende Strahlen verursacht werden, auf die zu schließen, welche von der von innen wirkenden Strahlung einmal zu erwarten sein können. Ist diese nicht so stark wie jene, so kann sie es nach und nach dadurch werden, dass sie Jahre hindurch ununterbrochen wirkt und damit eine Leistung erreicht, die ähnliche Folgen haben kann, wie sie die von außen kommenden, stärkeren Strahlungen hatten. Ihre Wirkungen summieren sich.

 

In Betracht zu ziehen ist auch, dass diese Bestrahlung nicht wie die von außen kommende Bestrahlung Schichten von Haut, Bindegewebe und Muskeln durchdringen muss, um die Organe zu treffen. Sie bestrahlt die Organe aus der Nähe und in keiner Weise abgeschwächt. Vergegenwärtigt man sich die Bedingungen, unter denen die Bestrahlung von innen her stattfindet, hört man auf, gering von ihr zu denken. Wenn es auch wahr ist, dass man hinsichtlich der Gefährdung durch sie vorerst noch keine Fälle anführen, sondern nur Befürchtungen äußern kann, so sind diese doch so tief in Tatsachen begründet, dass sie für unser Verhalten das Gewicht von Wirklichkeiten annehmen.

 

Wir sind also genötigt, jede Steigerung der bereits bestehenden Gefahr durch die weiterhin stattfindende Erzeugung von radioaktiven Elementen durch Atombombenexplosionen als ein Unglück für die Menschheit anzusehen, das unter allen Umständen verhindert werden muss. Ein anderes Verhalten kann für uns schon allein darum nicht in Betracht kommen, weil wir es im Hinblick auf die Folgen, die es für unsere Nachkommen haben könnte, nicht zu verantworten vermögen. Dieser droht ja die erste und furchtbarste Gefahr.

 

Seite 1   „Oder-Neiße unabänderlich“

Peking. Nach Auffassung Polens und der Volksrepublik China ist die Oder-Neiße-Linie „im Interesse des Friedens unabänderlich". Eine entsprechende Erklärung wurde beim Abschluss des polnischen Staatsbesuchs in Peking von den Ministerpräsidenten Cyrankiewicz und Tschu En-lai unterzeichnet.

 

In der Erklärung wird ferner betont, dass Polen und China eine Wiedervereinigung Deutschlands unterstützen. Die allgemeine weltpolitische Lage habe sich entspannt. Eisenhowers Nahost-Programm, der Widerstand der Weltmächte gegen ein Verbot der Atomwaffen und die Errichtung von Atomstützpunkten in Westeuropa seien jedoch Anzeichen dafür, dass die „Imperialisten den Frieden weiterhin bedrohen". Hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Ländern des Ostblocks betonen Cyrankiewicz und Tschu En-lai, dass alle diese Staaten dasselbe Ziel verfolgten: den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft. Durch dieses gemeinsame Ziel und durch ihre gemeinsame Ideologie, den Marxismus-Leninismus, seien die Sowjetunion, Polen, China und die anderen Oststaaten eng verbunden.

 

Seite 2   Langjähriges Besiedlungsprogramm für Nord-Ostpreußen. Menschentransporte aus Inner-Russland.

Um den durch den Menschenmangel bedingten wirtschaftlichen Missstand zu beheben, betreibt die Sowjetunion eine umfangreiche Wiederbesiedlung Nord-Ostpreußens. Nach den letzten Erhebungen haben alle Kleinstädte und Landgemeinden kaum 40 Prozent ihres ursprünglichen Bevölkerungsstandes erreicht. Über 700 Orte sind überhaupt nicht bewohnt. Jetzt sollen jährlich 100 000 Menschen aus dem Innern Russlands nach Ostpreußen gebracht werden. In die Bezirke Insterburg und Königsberg kamen bereits 2700 Familien.

 

Als die Sowjetunion das nördliche Ostpreußen annektierte, interessierte sie nur die Küste. Erst 1947 begann die „planmäßige" Besiedlung des Gebietes zwischen Memel und Pregel. 800 000 Sowjetbürger kamen in zwei Schüben zu den noch dort lebenden 34 000 Deutschen, von denen 30 000 automatisch Sowjetbürger wurden, weil sie litauisch klingende Namen hatten oder annehmen mussten. Nur 400 galten offiziell als „deutsche Minderheitsgruppe im Kaliningrader Oblastj".

 

Ende 1950 kamen neue Menschentransporte aus dem Innern Russlands nach Ostpreußen. Sie ersetzten die 80 000, die nach amtlichen Berichten wieder abgewandert waren. Nur im Bezirk Tilsit war die Kopfzahl unverändert geblieben. Doch auch das war kaum erfreulich. „Die wirtschaftlichen Reserven des Landes wurden sinnlos verbraucht", schrieb „Kaliningradskaja Prawda" über die dortigen Frontsoldaten-Siedlungen, „die Sowchosen wurden heruntergewirtschaftet und das Soll nicht erfüllt“. „Überfüllt" meldeten dagegen die „Schrott"-Sammler.

 

Aber damit erhöhten sich nicht die landwirtschaftlichen Produktionsziffern. Um dies zu erreichen, vermehrte man die Zwangsarbeitslager durch solche „Neubürger", die ihre Strafen „durch Besserungsarbeit auf freiem Fuß" verbüßen mussten. Ihre Aufsicht gesellte sich zu der Verwaltung einiger Kolchosen im Ordensschloss zu Tapiau. 1954 kamen Sonder-Kommissare der Verwaltung in Königsberg hinzu. Sie kümmerten sich allerdings nicht nur um die Landwirtschaft. Hunderten von Deutschen, in erster Linie Volksdeutschen, zwangen sie den berüchtigten „Pasport" auf, der sie zu „Staatenlosen" oder „Sowjetbürgern" stempelte.

 

Obwohl ein im Sommer 1955 verkündetes Aufbauprogramm für das Gebiet zwischen Heiligenbeil („Mamonowo"), Königsberg und Friedland („Prowdjinsk") mit der Ansiedlung entlassener Soldaten zusammenfiel, konnten die Versorgungsschwierigkeiten auch weiterhin nur durch „Einfuhren" behoben werden. Denn weiterhin sanken die Ernteergebnisse, versteppten und versumpften Äcker und Wiesen, Felder und Wälder. Selbst das geförderte Zellulose- und Papierkombinat in Königsberg-Sackheim musste die Produktion wegen Holzmangel verschiedentlich unterbrechen, wie „Kaliningradskaja Prawda" in einer Bilanz feststellte.

 

Das gegenwärtig laufende Besiedlungsprogramm soll diese Missstände bis 1963 beheben. Daneben sollen die „Kontaktschwierigkeiten" überwunden werden, die die Sowjetbürger untereinander haben, die wenig Russisch und erst recht nicht die Landessprache derer verstehen, denen die Heimat zum Gefängnis geworden ist. Ob es 700 oder 1000 sind, steht in keiner Statistik. Gewiss ist nur, dass es unter den gegenwärtig 200 000 Bewohnern Königsbergs, unter den 43 000 in Tilsit („Ssovjetsk"), unter den 32 000 in Insterburg („Tschernjachowsk") und unter den 15 000 Sowjetbürgern in Gumbinnen („Gussew") keine freien Deutschen gibt.

 

Seite 2   Blick nach Osteuropa

Sowjetunion.

In der neugegründeten Stadt Dubna bei Moskau befindet sich das sowjetische Kernforschungszentrum für friedliche Zwecke. Dort arbeiten Forscher aus fast allen Ostblockstaaten und der DDR.

 

Im neuen Kraftwerk des Jenissei sollen 200 Hydroaggregate von je 300 000 kW fast dreimal so viel Strom erzeugen als das Kuibyschewer Wasserkraftwerk. Die neue Anlage wird etwa 82 km oberhalb der Stadt Jenissei und 27 km unterhalb der Mündung des Nebenflusses Angara entstehen. Der Jenissei ist doppelt so wasserreich wie die Wolga.

 

Unter dem Titel „Neues Leben“ kommt ab 1. Mai dieses Jahres in der Sowjetunion eine deutschsprachige Zeitung heraus.

 

Die vor 570 Jahren erbaute Kathedrale in der litauischen Hauptstadt Wilna dient heute als Gemäldegalerie. Im Zuge ihres Kampfes gegen die Kirche haben die Sowjets nach dem Kriege Gottesdienste in der Kathedrale nicht mehr gestattet.

 

Das erste katholische Gebetbuch nach dem Krieg unter Sowjetlizenz ist in Litauen unter dem Titel „Das Katholische Gebetbuch" erschienen. Es wurde in einer Auflage

von 50 000 gedruckt. Die 342 Seiten enthalten die gebräuchlichsten Gebete, Kirchenlieder usw.

 

Polen.

In Nowa Huta, der bekannten polnischen Industriestadt bei Krakau, wurde jetzt der Bauplatz für eine katholische Kirche ausgewählt. Nowa Huta ist als moderne vollautomatisierte Industriestadt von der stalinistischen Regierung Polens bewusst ohne Kirche erbaut worden. Gomulka hat sofort nach seiner Wiedereinsetzung als Regierungschef auf ausdrücklichen Wunsch der Arbeiter von Nowa Huta dem Bau einer Kirche zugestimmt.

 

Für die Schweiz wird auf der Danziger Werft im kommenden Jahr der Bau eines 35 000-t Tankers begonnen werden. Die Kosten für den Bau dieses Tankers werden auf ca. 400 Mill. Zloty geschätzt, die Bauzeit auf etwa vier Jahre.

 

Ungarn.

Die Sowjets sollen die Absicht haben, etwa 60 bis 100 km von der österreichischen Grenze entfernt, Atom- und Raketenbasen in Ungarn zu errichten.

 

Rumänien.

Über die Zusammenführung der in Rumänien lebenden Deutschen mit ihren Familien in Westdeutschland sollen demnächst deutschrumänische Verhandlungen stattfinden. Es geht dabei um die Zusammenführung von etwa 12 000 Menschen. Bereits bei den Besprechungen der beiden Rot-Kreuz-Gesellschaften im vergangenen Herbst war grundsätzlich Einvernehmen über diese Aktion erzielt worden.

 

Seite 2   Deutsche in Ostgebieten können DDR-Bürger werden. Bemerkenswerte Vereinbarung. zwischen Warschau und Ostberlin über „Konsularpässe"

Berlin. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen den polnischen Regierungsstellen und der DDR-Botschaft in Warschau werden denjenigen „Personen deutscher Nationalität“ in den Oder-Neiße-Gebieten, „die die Staatsangehörigkeit der DDR annehmen möchten, Konsularpässe ausgestellt“. Dies teilte der Vorsitzende des Breslauer Wojewodschafts-Nationalrates, Ostapczuk, in Waldenburg auf der kürzlich abgehaltenen ersten Konferenz der „Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft“ mit. Ostapczuk erklärte, dass die Inhalber der DDR-Konsularpässe als in Polen lebende DDR-Bürger angesehen werden und jederzeit eine Besuchsreise in die DDR unternehmen bzw. nach Mitteldeutschland umsiedeln könnten. Es werde jedoch niemand zur Annahme der DDR-Konsularpässe als in Polen lebende DDR-Bürger angesehen werden und jederzeit eine Besuchsreise in die DDR unternehmen bzw. nach Mitteldeutschland umsiedeln könnten. Es werde jedoch niemand zur Annahme der DDR-Konsularpässe gezwungen. Wenn den Deutschen „ein solcher Ausweg nicht entspricht“, werde innerhalb der nächsten Monate ein polnischer „Identitätsausweis mit eingetragener deutscher Nationalität“ ausgehändigt.

 

An der Konferenz der „Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft" nahmen neben polnischen Regierungsvertretern DDR-Konsul Fritsche und DDR-Presseattaché Hackel teil. Zu den Erklärungen des Breslauer Wojewodschafts-Nationalrates, Ostapczuk, über die DDR-Staatsbürgerschaft für die in den Oder-Neiße-Gebieten verbliebenen Deutschen verlautet aus Ostberlin, dass es nunmehr zwei Kategorien Deutscher jenseits von Oder und Neiße gebe: 1. Deutsche mit Staatsangehörigkeit der DDR und 2. Personen deutscher Nationalität, bei denen aber die Staatsangehörigkeit vorläufig ungeklärt ist. Aus diesem Grunde erhielten diese Personen lediglich einen polnischen Identitätsausweis, auf dem die deutsche Nationalität, jedoch nicht die Staatsangehörigkeit eingetragen sei.

 

Über den künftigen Status der Deutschen mit DDR-Staatsangehörigkeit wurde gesagt, dass sie „völkerrechtlich unter dem Schutz der DDR stehen". Auf Grund entsprechender Abmachungen zwischen Pankow und Warschau sei es nunmehr der DDR-Regierung möglich, „auf einen gewissen Kreis Deutscher in den polnischen Westgebieten Einfluss zu nehmen". Es werde sich in Zukunft zeigen, dass ein überwiegender Teil der Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten den DDR-Konsularpass und somit die DDR - Staatsbürgerschaft annehmen werde.

 

Der „Pressedienst der Heimatvertriebenen" weist im Zusammenhang mit dieser Meldung darauf hin, dass nach Feststellungen eines polnischen Regierungsvertreters die Zahl der deutschen Staatsbürger in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten sowie in Polen sich auf rund 1,1 Millionen beläuft, wozu noch 60 000 bis 70 000 sogenannte „anerkannte Angehörige der deutschen Minderheit" kommen.

 

Seite 2   Ermländer und Masuren fordern

Die Warschauer Zeitung „Trybuna Ludu“ berichtet, dass der polnischen Regierungskommission für die Oder-Neiße-Gebiete ein Memorandum einer Delegation dieser Gebiete zuging. In dem Memorandum haben Ermländer und Masuren die Forderung erhoben, in entsprechendem Maße in den Stadt- und Gemeinderäten sowie überhaupt in der Verwaltung ihrer Heimatgebiete vertreten zu sein. Weiterhin forderten sie eine Wiedergutmachung und Rehabilitierung für das in der Vergangenheit erlittene Unrecht. Hierbei ging es besonders um die Auszahlung von Renten und Pensionen. Die Regierungskommission überwies diese Angelegenheit dem Arbeits- und Sozialministerium.

 

Seite 2   Mehr Freiheit für Kollektivbetriebe?

Ein Sonderausschuss des polnischen Sejm bearbeitet gegenwärtig den Entwurf eines neuen Gesetzes über landwirtschaftliche Kollektivbetriebe in Polen. Die Grundlage für die Tätigkeit eines jeden landwirtschaftlichen Kollektivbetriebes soll das von ihren Mitgliedern gebilligte Statut sein. Wirtschaftspläne dürfen dem Kollektivbetrieb nicht aufgezwungen werden. Die Mitglieder einer Kollektivwirtschaft sollen vollkommene Freiheit für die Wahl der dem Betrieb entsprechenden Norm in organisationsmäßiger Hinsicht haben.

 

Seite 2   Erschwerte Ausreise

Polen hat die Bestimmungen für die Familienzusammenführung geändert. Die „Aussiedler" müssen nun selbst nach Stettin kommen und auch die Kosten für die Fahrt bis zur Oder-Neiße-Linie selbst übernehmen. Wie es in der Bestimmung heißt, sollen Ausnahmen in bestimmten Fällen gemacht werden. Das gilt vor allem für kranke, gebrechliche und ältere Personen. In den deutschen Ostgebieten wurde eine neue Bestimmung des Warschauer Innenministeriums herausgegeben, aus der hervorgeht, dass grundsätzlich nur die Deutschen für die Familienaussiedlungsaktion in Frage kommen, die in der Bundesrepublik Familienangehörige ersten Grades haben. Diese Bestimmung wird erweitert auf alleinstehende Deutsche, die arbeitsunfähig sind oder kein Einkommen haben.

 

Seite 2   Pressespiegel

Gefahr des Zweiparteiensystems

„Parteien wandeln sich, wenn überhaupt, nur langsam. Solange die deutschen Parteien, entsprechend den Wünschen vieler Wähler. Weltanschauungen huldigen, so lange wird das Zweiparteiensystem in der Bundesrepublik nicht auf Dauer einziehen. Die scheinbar auf ein Zweiparteiensystem zulaufende Entwicklung seit 1953 wird vor allem von der vorübergehenden Alternative für oder gegen Adenauer bestimmt … — Kann man aber unserer noch immer jungen parlamentarischen Demokratie die Belastungsprobe zumuten, die heute ein Zweiparteiensystem bedeuten würde, dessen beide Parteien ob ihrer jeweiligen „Heilslehre" schier unversöhnlich sein müssten und die von extremen Entwicklungsmöglichkeiten bedroht wären? Der Zwang zu Koalitionsverhandlungen, bei denen der kleinere Partner nicht wegen der Übermacht des größeren von Anfang an hoffnungslos unterlegen ist, hat heilsame Folgen. Er bewahrt die Allgemeinheit vor dem Abgleiten der jeweils größten Partei in halbdiktatorische Gefilde." Deutsche Zeitung, Stuttgart.

 

Auf Teilung Deutschlands gebaut

„Der Gemeinsame Europäische Markt ist hier von einigen kritisiert worden, weil er die Teilung Europas verstärken würde, da er ja auf der fortdauernden Teilung Deutschlands aufgebaut ist. Aber amtliche Kreise glauben, dass diese Teilung in vorhersehbarer Zukunft ohnehin nicht überwunden werden kann." The New York Times.

 

Es ist etwas faul

„Seit Nürnberg hat der Treueid des Soldaten und Beamten nur noch einen relativen Wert. Aber auch die Treuepflicht des Staates ist fragwürdig geworden, seitdem deutsche Soldaten und Beamte, die im Kriege für den Feind arbeiteten, nach 1945 ohne weiteres Ämter und Pensionen erhielten, während die deutschen Soldaten und Beamten, die ihre vaterländische Pflicht erfüllt hatten, erst lange und oft noch bis heute erfolglos um ihre Rechte kämpfen mussten. — Im Falle der 131-er betrachtet sich die Bundesrepublik nicht als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, im Falle des Konkordats wurde ihr diese Rechtsnachfolge jetzt vom Karlsruher Oberbundesgericht bestätigt. Und wie steht es mit der Treuepflicht der Bundesregierung gegenüber ihren Beamten Schlütter und Strack? Es ist etwas faul im Staate Dänemark“. Der Fortschritt, Düsseldorf.

 

Nur „taktische Atomwaffen"

„Zwar beruhigt uns Minister Strauß mit der Feststellung, dass die Bundeswehr vorerst nur mit sogenannten „taktischen Atomwaffen" ausgerüstet werden solle. Um diese Versicherung unseres Franz-Josef richtig würdigen zu können, muss man wissen, dass die Bombe von Hiroschima die drittkleinste Atombombe und vorwiegend für den taktischen Einsatz vorgesehen ist. So sieht also die „Weiterentwicklung der Artillerie" aus, über die ein so hervorragender Fachmann wie der Herr Bundeskanzler uns ins Bild gesetzt hat. Der Spiegel. Hamburg.

 

Nichts Deutsches mehr

„Westdeutschland baut wieder auf, jedoch auf eine Weise, die uns stets wieder mit etwas peinlicher Überraschung erfüllt. Es fehlt alle Romantik und Gemütlichkeit! Überall breite Straßen, umsäumt von enormen Gebäuden von Glas und glänzendem Metall, überall Warenhäuser, an all diesem ist nichts Deutsches mehr; es ist amerikanisch. Es gleißt und glänzt, und die Schaufenster erwecken den Schein von Überfluss. Das neue Deutschland scheint einen ausgesprochenen materialistischen Typ zu vertreten.

 

Besorgt denkt man, was von der westeuropäischen Kultur wohl übrigbleiben wird, wenn sich ein so energisches Volk wie das Deutsche solch vollkommen äußerlichen Warenhaussuggestionen preisgibt. Die großen deutschen Städte bieten einen hypermodernen, aber keineswegs durch klugen und wohlüberlegten Städtebau imponierenden Eindruck. Alles erweckt den Gedanken an eine Filmstadt mit noch armseligen Resten hinter den Fassaden, was einst deutsche Städteschönheit war“. Algemeen Dagblad, den Haag

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Am 1. April zogen die ersten Rekruten aus den Reihen der Wehrpflichtigen in die bundesdeutschen Kasernen ein.

 

Die Kommunistische Partei Saar wurde auf Grund eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. April aufgelöst. Auf Anweisung des Innenministeriums sollen in diesem Zusammenhange keinerlei Verhaftungen vorgenommen werden.

 

Generalleutnant Dr. Speidel hat als Nachfolger des französischen Generals Carpentier das Oberkommando über die NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa übernommen. Gleichzeitig: wurde zum Befehlshaber der Seestreitkräfte Nordsee der Kapitän zur See Zenker ernannt.

 

Der kanadische Botschafter in Kairo, Herbert Norman, beging Selbstmord durch einen Sprung von der Veranda der im siebenten Stockwerk gelegenen Wohnung des schwedischen Botschafters In Kairo. Der Grund für diese Handlung sei offenbar in Beschuldigungen amerikanischer Zeitungsberichte zu suchen, nach denen Norman Kommunist gewesen sein soll.

 

18 deutsche Atomwissenschaftler mahnten in Göttingen vor der Bewaffnung der Bundeswehr mit Kernwaffen und vor den schweren Folgen eines Atomkrieges .Dieser Appell fand ein weltweites Echo und löste in vielen Staaten ähnliche Kundgebungen führender Wissenschaftler aus.

 

Über den norwegischen Rundfunk richtete Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer einen dramatischen Appell an die Weltmächte, alle weiteren Atomwaffenversuche einzustellen. Mit realistischer Treue zeichnet er die Gefahren, die der Menschheit durch die Atomexplosionen drohen, und ihre Auswirkungen auf die Ungeborenen. Über 140 Sender der Welt übertrugen die Rede Schweitzers.

 

Einer der führenden amerikanischen Atomexperten, und Mitglied der Atomenergie-Kommission, Dr. Libby, erklärte vor der physikalischen Gesellschaft in Washington, radioaktive Teilchen, die bei Versuchsexplosionen von Wasserstoffbomben in die Stratosphäre hochgeschleudert werden, würden sich über die ganze Erde verbreiten und noch zehn Jahre lang ihre gefährliche Wirkung behalten.

 

Die Aktion der 18 deutschen Atomforscher unterstützte von Frankreich her der bekannte Atomforscher Frederic Joliot-Curie mit einer Rundfunkrede, in der er die Gefahren der Atomexplosionen drastisch darstellt.

 

Der amerikanische Verteidigungsminister Wilson erklärte, er könne sich kernen größeren Krieg ohne die Verwendung von Atomwaffen vorstellen. Aber auch in kleineren Kriegen würden „taktische" Atomwaffen eingesetzt werden. Generalstabschef Admiral Radford unterstützte die Auffassung Wilsons, indem er sagte, das militärische Programm der USA beruhe auf dem Einsatz von Atomwaffen.

 

Der Verteidigungsausschuss des Parlaments der Westeuropäischen Union (WEU) forderte in Straßburg die Ausrüstung der Armeen aller Mitgliedstaaten mit taktischen Atomwaffen.

 

Der französische Wissenschaftler Paul Berthold berichtete aus Sydney, dass die Bewohner vieler Inseln im Pazifik durch den Genuss radioaktiv verseuchter Fische bereits unheilbar erkrankt seien. Die Krankheit gehe auf die Versuche mit Atom- und Wasserstoffbomben im Pazifik zurück.

 

Eine grundlegende Umstellung der bisherigen britischen Militärpolitik kündete die konservative Regierung Macmillan in einem Weißbuch an. Hauptgewicht dieser Umstellung soll auf der Entwicklung von Wasserstoff- und Atombomben sowie auf den Ausbau der Fernlenkwaffen liegen.

 

Die Räumung des Suezkanals ist mit der Hebung der ägyptischen Fregatte „Abukir" durch Hamburger Schiffe abgeschlossen worden.

 

Zu einer Protestaktion gegen die geplanten Wasserstoffbombenversuche Englands auf der Weihnachtsinsel im Pazifik hat der britische Philosoph und Mathematiker Earl Bertrand Russel, Nobelpreisträger 1950, gemeinsam mit zehn weiteren bekannten Persönlichkeiten aufgerufen. Das von Russel gegründete Notstandskomitee spricht der Regierung das Recht ab, solche Versuche durchzuführen.

 

Der sowjetische Staatspräsident Marschall Woroschilow begab sich zu einem dreiwöchigen Staatsbesuch nach Peking. Es ist dies die erste Reise des sowjetischen Staatsoberhauptes nach der chinesischen Volksrepublik. Im Anschluss wird Woroschilow auch Indonesien und die Mongolische Volksrepublik besuchen.

 

Der sowjetische Verteidigungsminister Marschall Schukow und der Außenminister Gromyko sind zur gleichen Zeit in Bukarest eingetroffen, um einen Vertrag mit Rumänien zu unterzeichnen, wonach die Sowjetunion auch weiterhin das Recht erhält, Truppen in Rumänien zu stationieren.

 

Der norwegische Ministerpräsident Gerhardsen beantwortete einen Brief Bulganins, in dem Norwegen davor gewarnt wird, mit Atomwaffen ausgerüstete NATO-Einheiten ins Land zu lassen. Gerhardsen teilte hierzu mit, Norwegen werde nicht zulassen, dass fremde Streitkräfte auf seinem Gebiet stationiert werden, es sei denn, Norwegen werde angegriffen oder Angriffsdrohungen ausgesetzt.

 

Vor ausländischen Pressevertretern erklärte der britische Botschafter in Bonn, Steel, dass seine Regierung keine Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Atombombenangriffe treffen werde, da es keinen sicheren Schutz gegen solche Bomben gebe.

 

Durch eine einzige starke Kernexplosion könnten 20 000 Menschen in der ganzen Welt an Knochenkrebs erkranken, heißt es in der Warnung einer Gruppe bekannter britischer Atomwissenschaftler. Besonders großen Gefahren seien Kinder ausgesetzt.

 

Einen Triumphzug durch die Straßen von Athen bereitete die griechische Bevölkerung Erzbischof Makarios von Zypern bei seiner Rückkehr aus der britischen Verbannung. Außenminister Averoff war zur Begrüßung eingetroffen und Militärkapellen und Ehrenkompanien waren aufmarschiert.

 

Entlang der Österreich-ungarischen Grenze ist von ungarischer Seite ein Minengürtel angelegt worden, der bereits in der Nähe von Deutschkreuz sein erstes Opfer gefordert hat. Es handelt sich um den 23-jährigen ungarischen Flüchtling Skepanits aus Oedenburg.

 

Bundespräsident Heuß hat den ehemaligen kommunistischen Abgeordneten von Nordrhein-Westfalen, Josef Angenfort, der wegen Weiterführung der verbotenen „Freien Deutschen Jugend" zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, kurz vor der Amnestiedebatte begnadigt.

 

Die finnische Koalitionsregierung unter Führung von Ministerpräsident Fagerholm ist zurückgetreten, nachdem Fagerholm bei der Wahl des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei des Landes gegenüber dem 76-jährigen ehemaligen Regierungschef Tanner eine überraschende Niederlage erlitten hat.

 

In der chilenischen Hauptstadt Santiago sind bei Unruhen 41 Personen getötet und über 100 weitere verletzt worden. Staatspräsident Ibanez hat über die Stadt den Belagerungszustand verhängt. Polizei und Truppen hatten das Feuer eröffnet, um Demonstrationen gegen eine Fahrpreiserhöhung bei den öffentlichen Verkehrsmitteln aufzulösen.

 

In Kolumbien überfielen 50 Banditen in Polizei- und Soldatenuniform ein Dorf nordöstlich von Ibaque und enthaupteten 22 Männer. Einheiten der Armee befreiten das Dorf und töteten fünf Banditen in einem Feuergefecht. 40 weitere konnten gefangengenommen werden.

 

Seite 3   Foto: Bochum grüßt die Ostpreußen. Foto: Stadtarchiv Bochum

 

Seite 3   Bochum: „Schaufenster des Reviers“

„Nicht liegst du in der Berge Schoß,

Nicht an dem schönen Rhein;

Doch hast du dich geschrieben tief

In manches Herz hinein.

Dein Kleid ist schlicht, ein Alltagskleid,

Kein Feiertagsgewand;

Doch hoch in Ehren steht bei dir

Die Hand, die Arbeitshand“.

 

Mit diesen wenigen Versen von Carl Faber ist die Stadt Bochum, die man „Schaufenster des Reviers" nennt, charakterisiert.

 

Da, wo in der Gegend der heutigen Stadt Bochum nun die Schlote rauchen, Häusermassen und ragende Türme sich erheben und, des Landmanns Saatfelder zurückdrängen, der Bergbau seine Maulwurfsarbeit betreibt, standen um Christi Geburt die stillen Hütten und einsamen Gehöfte der Sigambrer, welche das ganze Gebiet zwischen Lippe und Ruhr und links von der oberen Ruhr einnahmen, so dass die Gegend von Bochum, Wattenscheid und Essen, auch Recklinghausen als Bestandteile anzusehen sind.

 

Die älteste Form des Ortsnamens ist nach den Heberegistern um das Jahr 900 Bochem, im 12. Jahrhundert Bukhem, Bukheim oder Bokheim; im 13. Jahrhundert findet sich die Benennung Bocheim, im 14. Buycheim, im 15. wieder Bochem und Bokum.

 

Die Grafschaft Buchheim wird urkundlich 1041 erwähnt, kam im Jahre 1293 an die Grafschaft Mark, mit dieser 1609 an Brandenburg. Bochum selbst erhielt schon 1321 Stadtrecht, war aber noch vor einem Jahrhundert ein Ackerbürgerstädtchen mit etwa 5000 Einwohnern. Erst die Erschließung der gewaltigen Steinkohlenlager machte Bochum in wenigen Jahrzehnten zu einer modernen Industrie-Großstadt.

 

Wie jede andere Ortschaft hat Bochum im Laufe des Bestehens Schicksalsschläge mancher Art erdulden müssen. Hatte der Ort schon 1504 durch ein mehrfach in Westfalen gespürtes Erdbeben gelitten, so brach 1517 ein gewaltiges Unglück herein. Am Markustage (25. April) brach in einem Hause Feuer aus; der Wind wälzte die Flammen rasch weiter, und das Feuer ergriff in Massen die eng gebauten, strohgedecktes Fachwerkhäuser; bald war die ganze Stadt mitsamt der Pfarrkirche niedergebrannt. Mit den kärglichen Resten ihrer Habe, mit den wimmernden Kindern und dem kläglich schreienden Vieh standen die unglücklichen Bewohner plötzlich obdachlos draußen; im Glutscheine jenes weithin den Nachthimmel rötenden Brandes war das mittelalterliche Bochum jäh in Trümmer gesunken. Eine Dortmunder Chronik meldet das Ereignis mit folgenden Worten: „Dis jaers am avende Marci brante Bouchum rein uet mit der kerken und hoef“.

 

Während des zweiten Weltkrieges wurde durch Luftangriffe Bochum zu 56% zerstört, am schwersten traf es die dichtbebaute Innenstadt. Der Wiederaufbau ging und geht nach einem großzügigen Neuordnungsplan vor sich. Der Steinkohlenbergbau umfasst heute mit 19 Zechen und 7 Kokereien fast 40 000 Beschäftigte. Eine bedeutende Rolle spielt die Gewinnung von Nebenprodukten des Bergbaus, wie Ammoniak und Benzol. Aus dem Kohlenbergbau ist eine gewaltige Eisen- und Metallindustrie erwachsen. In der Eisen- und Metallindustrie sind mit dem Handwerk zusammen etwa 50 000 Personen tätig. Seit 1945 wurden etwa 50 verschiedenartige neue, meist kleinere Betriebe in Bochum angesiedelt, darunter natürlich auch Vertriebene, wie überhaupt der Zuzug aus dem Osten seit der Industrieerschließung immer sehr stark gewesen ist.

 

In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie spielen die Brauereien eine beachtliche Rolle. Nach der Meinung eines Lokalpatrioten soll das Bochumer Bier das beste der Welt sein, wie es die nachstehenden Verse dokumentieren:

 

„Bin im Lauf der Zeit gekommen

Weit in Gottes Welt umher;

Habe manchen Trunk genommen

Hoch auf Bergen, tief im Meer;

Saß in manches Kellers Hallen,

Trank mir vier und fünf und sechs,

Doch das beste Bier von allen

Ist das Bochumer Gewächs.

Lieblich schäumt es auf im Glase,

Bräunlich-rot wie Siegellack,

Manche glühe Knubbelnase

Zeugt von seinem Wohlgeschmack;

Zwar es gibt verschied'ne Sorten,

Aber alle, sie sind gut,

Alle schaffen allerorten

Lust zum Leben, Kraft und Mut.

Bochum, trägst in ferne Zonen

Deinen Namen, deinen Ruf

Durch den Donner der Kanonen,

Die Dein reger Fleiß erschuf;

Doch nicht minder Dir zum Ruhme

Liebes Bochum, Prosit! Blume,

Einen Ganzen weih ich Dir!"

 

Bochum ist der Geburtsort Ostermanns, jenes wunderbaren, mit seltener Tatkraft und Genialität ausgerüsteten Mannes, der als armer Flüchtling sein Vaterland verlassen musste, fern der Heimat eines mächtigen Reiches Geschicke leitete, und dann wieder von der Sonnenhöhe der Macht hinabgeworfen, einsam und still in der Verbannung sein tatenreiches Leben beschloss. — Heinrich Johann Friedrich Ostermann, später Graf Andrey Iwanowitsch, wurde 1686 zu Bochum geboren, floh infolge einer tätlichen Auseinandersetzung von Jena, wo er studierte, ins Ausland, kam nach mancherlei Irrfahrten nach Russland und trat in kaiserliche Seedienste. Unter Peter dem Großen wurde er einer der einflussreichsten Minister. Peter II. erhob ihn zum Grafen, Kaiserin Anna zum Generaladmiral. Unter der Kaiserin Elisabeth wurde er aber 1741 nach Sibirien verbannt, wo er sechs Jahre später starb. Von den Nachkommen seiner an den General Tolstoi verheirateten Tochter ist besonders hervorzuheben der Graf Alex-Iwanowitsch Ostermann-Tolstoi, der sich im Kriege gegen Napoleon, namentlich 1813 in der Schlacht bei Kulm, auszeichnete.

 

Ein anderer berühmter Bochumer ist der Hofrat Dr. med. Karl Arnold Kortum, der sich auf dem Felde der Poesie Unsterblichkeit errungen hat. Am bekanntesten ist die „Jobsiade", deren Titel vollständig lautet „Leben, Meinungen und Taten von Hieronymus Jobs, dem Kandidaten, und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb, auch endlich als Nachtwächter zu Schildburg starb. Vorn, hinten und in der Mitten geziert mit schönen Holzschnitten. Eine Historia lustig und fein in neumodischen Knittelverselein“. (Münster und Hamm. 1784.)

 

Heutzutage ist Bochum auf Grund der günstigen Lage als Eisenbahnknotenpunkt und als moderne Großstadt ein viel gesuchter Tagungsort, zumal die Stadt auch an Sehenswürdigkeiten nicht arm ist. Neben dem Schauspielhaus als Pflegestätte des klassischen und modernen Schauspiels hat das städtische Sinfonie-Orchester einen anerkannten künstlerischen Ruf. Die Städtischen Kunstausstellungen bieten monatlich eine wechselnde Schau der Malerei, Graphik und Plastik. Im Bergbau-Museum kann der Besucher umfassende Sammlungen aus aller Welt betrachten sowie ein Anschauungsbergwerk unter Tage. Das Geologische Museum besitzt einzigartige Sammlungen geologischer Fundstücke aus dem Industriegebiet und Edelstein- und Mineralsammlungen. Der Stadtpark ist baumkundlich eine reichhaltige Anlage des Reviers mit Tierpark und Aquarium. Nach modernsten technischen, hygienischen und sportlichen Grundsätzen hat die Stadtverwaltung ein Hallenbad geschaffen, das sich sehen lassen kann. Hermann Bink.

 

Unsere Abbildung zeigt ein Blatt aus der Originalschrift der „Jobsiade", jenes komischen Heldengedichtes, das der Bochumer Arzt und Ratsherr Dr. Carl Arnold Kortum zu Ende des 18. Jahrhunderts verfasste.

 

 

 

Seite 3   Ostpreußen — deutsche Verpflichtung. Bochum erwartet 150000 Ostpreußen.

150 000 Ostpreußen werden sich zu ihrem großen Bundestreffen vom 17. bis 19. Mai in Bochum versammeln.

 

Das Leitwort des Treffens „Ostpreußen — deutsche Verpflichtung" soll in einer Zeit, da die internationale Diskussion über das deutsche Ostproblem sehr aktuell ist, daran erinnern, dass das Schicksal der deutschen Gebiete hinter Oder und Neiße jeden Deutschen angeht.

 

Auf dem Bundestreffen der Ostpreußen wird der Sprecher der Landsmannschaft, Bundestagsabgeordneter Dr. Alfred Gille, in einer Großkundgebung die politischen Forderungen der Ostpreußen verkünden.

 

Die mit großem Erfolg bereits in Hannover und während der „Grünen Woche" in Berlin gezeigte Ostpreußen-Schau wird auch in Bochum zu sehen sein und eine Übersicht über die Leistungen Ostpreußens in geschichtlicher, kultureller, künstlerischer und wirtschaftlicher Hinsicht geben sowie die Bedeutung dieser Provinz für ganz Deutschland unterstreichen.

 

Für besondere Verdienste um die Förderung zur Erhaltung des ostpreußischen Kulturgutes wird die Landsmannschaft Ostpreußen einen Kulturpreis stiften.

 

Seite 3   Fremdenverkehr soll gehoben werden. Masurens Seen – „Polnische Schweiz“. Idyllische Ruhe – Dampferfahrten – Camping-Plätze.

 Auf Anordnung der Warschauer Regierung sollen in diesem Jahr große Anstrengungen gemacht werden, um den Fremdenverkehr im masurischen Seengebiet zu heben. Bereits im letzten Jahr waren in Sorquitten am Lampaschsee in größerem Rahmen Vorkehrungen zur Aufnahme von Feriengästen getroffen worden. Am Seeufer entstanden eine Reihe von Holzhäuschen, die jeweils Raum für vier Personen bieten und lediglich für Übernachtungen vorgesehen sind. Kochvorrichtungen befinden sich in diesen Häuschen nicht, weil man die Gäste zum Aufsuchen von Gasthäusern veranlassen will. Um Sorquitten wurden zahlreiche Camping-Plätze angelegt, in deren Nähe staatliche Bootverleihstellen eingerichtet wurden.

 

Die erste Gruppe ausländischer Feriengäste traf im letzten Herbst aus der Tschechoslowakei ein. Es handelte sich um 40 junge Wandervögel die per Rad kamen und ihre Schlafzelte bei sich führten. Sie kochten auf den Camping-Plätzen selbst ab und ließen die umliegenden Gastwirtschaften wenig verdienen.

 

Jetzt kamen die zuständigen Behörden darauf, dass Camping-Freunde nicht die geeigneten Devisenbringer sind und dass für sehnlichst erwartete Besucher aus dem Westen andere

Anreize geschaffen werden müssen, wenn man sie zum Besuch der masurischen Seen veranlassen will. Man entschloss sich daher, die „idyllische Ruhe" anzupreisen und vom tiefen Frieden und der Unberührtheit der Landschaft zu sprechen. Leider sind aber die Holzhäuschen zu primitiv, und die wenigen Gasthöfe der Umgebung können nur eine kärgliche Verpflegung bieten. Das soll jetzt anders werden. Große staatliche Zuwendungen sollen die Gasthöfe in die Lage versetzen, eine bessere Ernährung der Kurgäste zu gewährleisten. Man will kleine Dampferfahrten durch die größtenteils durch natürliche Wasserwege verbundenen masurischen Seen arrangieren und neue, elegante, jedoch in die Landschaft passende Hotels bauen. Dann — so hofft man in Nikolaiken und Sorquitten — werden bald die Gäste aus Frankreich und England, die den polnischen Behörden die angenehmsten sind, eintreffen und — wie sie es nennen — die „polnische Schweiz" genießen.

 

Seite 3   Papst Pius XII. gab in seiner traditionellen Osteransprache vor rund einer viertel Million Pilgern seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Menschheit einen Weg aus der Nacht des Hasses und der Gleichgültigkeit finden möge.

 

Seite 3   Nachrichten aus der Heimat.

Allenstein. Als kürzlich in verschiedenen Staatsgüterbetrieben gedroschen wurde, hüpften so viele Mäuse in die Dreschmaschine, dass das Korn und Stroh rot gefärbt wurde. Es handelte sich in vielen Fällen um seit Jahren lagerndes Getreide, das aus Zeitmangel bisher nicht gedroschen wurde.

 

Danzig. Im Februar lief auf einer Danziger Werft ein 5000 t großes Trampschiff vom Stapel, das von der in Zoppot gekürten polnischen „Miss Strand 1957" auf den Namen „Frombork" getauft wurde.

 

Danzig. Wie die in Danzig erscheinende polnische Zeitung „Dziennik Baltycki" berichtet, soll nunmehr das im Kriege zerstörte Danziger Krantor wieder aufgebaut werden. Es wird damit gerechnet, dass im Jahre 1958 der mittlere Teil des Krantores, der hölzerne Turm mit dem Kran, gerichtet werden kann.

 

Danzig. Im Frühjahr wurde mit der Ausbaggerung des Danziger Hafens begonnen, der total verschlammt und versandet ist.

 

Elbing. Durch Zufall wurden jetzt in Elbing beim Umgraben eines Gartens ein Schwert, zwei Spieße und ein Messer aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts gefunden. Im Sommer sollen gründliche Untersuchungen nach weiteren Grabstätten angestellt werden.

 

Heilsberg/Ostpreußen. Seit 1945 sind in Heilsberg nach Berichten von Spätaussiedlern nur fünf bis sechs Häuser gebaut worden.

 

Heydekrug. Als in Heydekrug der erste amerikanische Tarzan-Film lief, kam es zu einer regelrechten Prügelei um die Eintrittskarten. Der Film musste in einer ausverkauften Mitternachtsvorstellung wiederholt werden.

 

Lötzen. Polnische Pfadfinder haben jetzt in der Nähe von Lötzen im Bezirk Allenstein auf einem Masurischen See die Jacht Eva Brauns gefunden, die ein Geschenk Hitlers war.

 

Memel. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt Memel nur 250 Wohnungen für Werktätige fertiggestellt.

 

Posen. Zum 75. Jahrestag der Entdeckung der Tuberkelbazillen durch Robert Koch wurde in Wollstein bei Posen eine Straße nach ihm benannt. Robert Koch hatte in Wolstein im Jahre 1882 den Tuberkelbazillus und ein Jahr später den Cholerabazillus entdeckt.

 

Posten.  In Posen ist kürzlich ein technisch-wirtschaftliches Komitee ins Leben gerufen worden. Eine seiner Aufgaben soll es sein, Maßnahmen zur Gesundung  der brachliegenden Wirtschaft zu treffen.

 

Preußisch-Holland. Die Evangelischen von Preußisch-Holland und Umgebung versammeln sich jeden Sonntag in der kleinen St.-Georgen-Kirche. Den Gottesdienst hält meist ein Pfarrer aus Allenstein, dem es aber verboten ist, in deutscher Sprache zu predigen.

 

Rastenburg. Unter der Überschrift: „Das Führerhauptquartier gibt bekannt …“ wusste die „Arbeiterstimme“ dieser Tage als größte Neuigkeit zu berichten, dass sich ein Wildschweinrudel vor einiger Zeit in Hitlers ehemaligem Hauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg einquartiert hat.

 

Zoppot. Die polnische Marine hat jetzt den zivilen Behörden verschiedene Gebäude zur Verfügung gestellt. So konnte u. a. ein Kasernenkomplex zwischen Gdingen und Adlershorst  in ein Krankenhaus mit 300 Betten umgewandelt werden. Das bekannte Hotel „Riviers“ in Gdingen, das die Behörden auch gern übernommen hätten, soll jedoch vorerst noch weiter als Offizierskasino dienen.

 

Seite 4   Kostenlose Krankenhilfe.

Für die Besucher der Bundesrepublik und West-Berlins aus der Sowjetzone und den Vertreibungsgebieten sind die Richtlinien über kostenlose Krankenhilfe erweitert worden. Danach brauchen Gastgeber künftig, wenn sie nicht die finanziellen Mittel dazu erübrigen können, nicht mehr für die Kosten der Krankenhilfe ihrer Gäste aufzukommen, wenn diese während des Besuches im Bundesgebiet oder in West-Berlin erkranken.

 

Nach den an die Länder ergangenen Richtlinien des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen sind von der kostenlosen Krankenhilfe jedoch Geschäftsreisende, Mitglieder von Delegationen und Personen, die im Auftrage von Partei-, Staats- oder sonstigen politischen Stellen der Sowjetzone und Ost-Berlins oder der Ostblockstaaten die Bundesrepublik besuchen, ausgeschlossen.

 

Die Krankenhilfe wird von den Fürsorgeämtern der Stadt- und Landkreise gewährt, die sie über die zuständigen Regierungen wieder vom Bund zurückbekommen.

 

Sie darf nur gewährt werden, wenn der Besucher glaubhaft macht, dass er die durch seine Erkrankung erstandenen Kosten nicht selbst bestreiten kann. Dabei sind nur Einkünfte und Vermögen zu berücksichtigen, die dem Besucher im Bundesgebiet oder in West-Berlin zur Verfügung stehen und deren sonstige Verwertung auch zumutbar ist.

 

Seite 4   „Aussiedler"-Kinder fördern!

Die Mitglieder des Präsidiums des Verbandes der Landsmannschaften fassten in ihrer letzten Sitzung am 29. April in Bonn folgenden Beschluss:

 

„Das Präsidium möge sich mit Nachdruck an die zuständigen Stellen wenden, um zu erwirken, dass Kinder der jetzt aus den deutschen Ostgebieten kommenden „Aussiedler", die dem normalen Schulunterricht in westdeutschen Schulen nicht folgen können, durch Sondermaßnahmen unverzüglich so gefördert werden, dass sie in absehbarer Zeit am normalen Unterricht teilnehmen können“. Diese Empfehlung soll den zuständigen Länderbehörden, der Ständigen Konferenz der Kultusminister sowie dem Ostdeutschen Kulturamt mit dem Hinweis auf die große Dringlichkeit dieses Problem zugehen.

 

Seite 4   Unterhaltshilfe und Rentenreform

Der Bundestag hat neben den bereits verkündeten Gesetzen zur Rentenreform, die eine Anhebung der Sozialrenten mit sich bringen, im 8. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz, das zur Zeit dem Bundesrat vorliegt, auch eine Anhebung der Unterhaltshilfesätze beschlossen. Beide Erhöhungen sind aufeinander abgestimmt. Als Folge des unterschiedlichen Inkrafttretens der beiden Gesetze drohten in den Überleitungsmonaten wegen Anrechnung der Renten auf die Leistungen an Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleichsfonds Abzüge, die dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen. Deshalb hat das Bundesausgleichsamt in Ausführung einer Entschließung des Deutschen Bundestages vom 04.04.1957 mit Zustimmung der Bundesregierung unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag die Verbesserungen des Lastenausgleichsgesetzes auf dem Gebiet der Unterhaltshilfe vorweggenommen. Die Ausgleichsämter haben die Anweisung erhalten, spätestens im Monat Juni mit Wirkung vom 01.05.1957 Abschlagszahlungen auf die Unterhaltshilfeerhöhung zu leisten oder im Fall der Anrechnung von Renteneinkünften die günstigere Anrechnung auf der Grundlage der künftigen Sätze vorzunehmen.

 

Seite 4   „Wer will das Elend überhaupt noch sehen?" Niederländische Soziologen bereisten und studierten Länder mit Vertriebenenproblemen

Nicht an die Staaten, sondern an die Menschen, an alle, die es lesen, wenden sich die niederländischen Soziologen Pinner, Clewe und Mynd. Sie sind jüngst von einer Studienreise durch alle Länder, die ein „Nachkriegs- oder Flüchtlingsproblem“ haben, zurückgekehrt, und sie fanden es „erschreckend“, dass diese Probleme in den weitaus meisten Fällen nur noch am Rande existieren, obwohl sie keineswegs gebannt sind. Die Herzen seien härter geworden. Dort, wo vor wenigen Jahren Kriegsfolgen Schicksalsschläge verteilten, gelten bei einer Mehrheit die Überbleibsel des Baracken- und Flüchtlingsschicksals als eine „peinliche Angelegenheit“. Die Öffentlichkeit halte sich die Ohren zu, wenn Armut, Elend und Hilferuf der Ärmsten sie aus dem „Luxustraum“ zu reißen drohen. Sie rümpft die Nase über die Frau mit dem ausgewaschenen Kleid; manche sagen ihrer Tochter, ihrem Sohn: „Dass du dich in der Schule nicht mit der Hilde, dem Karl aus der ‚schmutzigen Baracke‘ einlässt!“

 

Louis Mynd sagt, die Öffentlichkeit sei von einer „Psychose gegen das Mitgefühl“ ergriffen worden, vor allem die, die sich heute mehr für die Pariser Mode, das neueste Auto, die supermodernen Errungenschaften, für surrealistische Malerei und für Briefmarkensammeln — um nur einige Beispiele zu nennen — interessieren, wenden sich mit einer Art Schaudern ab, wenn es um das immer noch bestehende menschliche Elend geht.

 

Für sie ist der neue Perserteppich im Sechs-Zimmer-Luxusheim ein überlegenswerteres Ereignis, als die Baracke des Elends hinter dem nächsten Hügel oder in der benachbarten Stadt. Kleider und Wohnkultur, Ansprüche, Technik und Luxus machen Leute, aber manchmal auch schlechte Charaktere", meint Mynd.

 

In seinem Appell an das Gewissen schreibt Leeg Clewe: „Wer will denn heute überhaupt noch hinsehen, wo das Elend sich durch die Schuld der Zeit eingenistet hat? Wer will es denn noch tilgen, ohne den Unterton der Falschheit, ohne Heuchelei und seelenleeres Bedauern? Früher hieß es, Bescheidenheit ist eine Zier. Heute richtet sich das Augenmerk nicht so sehr auf den Bescheidenen, der als Außenseiter gilt und oft belächelt wird. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf den, der protzt, und erweist ihm Untertänigkeit, Anerkennung und Bestaunen.

 

Wer achtet schon auf eine arme Person, die an einem chromblitzenden Straßenkreuzer vorbei schleicht?! Wer grinst nicht im geheimen oder offen, wenn sich jemand, der sich ein kleines Auto leistet, neben einen Achtzylinder stellt?! Bescheidenheit gilt heute fast als Makel, sei es nun durch Schicksalsschlag oder aus eigenem Entschluss, aus Klugheit und Weitblick oder Verantwortung vor anderen. Die Zufriedenheit im eigenen Heim ist der Kern des Egoismus, der bis zum Zynismus gegen alle Habenichtse und Elenden anstachelt!"

 

Radolf Pinner setzt sich in soziologischen Abhandlungen mit den Klassen auseinander, die jeder selbst schafft und an denen er die Mitschuld trägt, wenn sich aus dem „Unterschied" eines Tages der von anderen geschürte „Klassenhass" neu begründet. „Ich habe auf meiner Reise gesehen, dass das Elend aus dem Blickwinkel des guten Willens gerückt wird. Hingestoßen werden muss die Öffentlichkeit überall immer wieder auf die Schicksale, die der Krieg zurückließ. Je mehr es für sie aber nur eine peinliche Angelegenheit ist, was noch nicht überwunden wurde, desto mehr verstrickt sie sich in eine seelenlose Welt, aus der es nur ein deklassiertes Erwachen geben kann.

 

Seite 4   BVD fordert Sofortmaßnahmen für Aussiedler. Herausnahme aus den Lagern — Schaffung von Arbeitsplätzen

Der Gesamtvorstand des Bauernverbandes der Vertriebenen e. V. in Bonn hat eine Entschließung gefasst, in der es heißt, es sei damit zu rechnen, dass noch im Jahre 1957 mindestens 100 000 Aussiedler aus den deutschen Ostgebieten in die Bundesrepublik aufzunehmen seien. Die soziale und wirtschaftliche Eingliederung dieser großen Nachhut aus der Vertreibung erfordere sofortige und wirksame Maßnahmen. Es sollten alle Maßnahmen sozialer und Wirtschaftler Art beschleunigt durchgeführt werden, um vor allem die schweren psychologischen Schäden, die diesem Personenkreis zugeführt worden sind, schnellstens zu heilen und der Jugend das Hineinwachsen in ihr angestammtes Volkstum zu ermöglichen. Der Bund der vertriebenen Deutschen und der Verband der Landsmannschaften sollten die Öffentlichkeit zur Gründung eines Hilfskomitees für die Aussiedler aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten aufrufen. Den großen Vertriebenenverbänden werde dabei die Aufgabe zuteil, einmal den Aussiedlern die Verbindung mit ihren Landsmannschaften zu geben und mit der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaft und den freien Berufen die ersten Sofortmaßnahmen zur Herausnahme der Betroffenen aus den Lagern und zur Schaffung von Arbeitsplätzen durchzuführen. Eine umfassende persönliche Betreuung der Aussiedler auf lange Sicht sei im Hinblick auf den langen Zeitraum, in dem diese unter völlig veränderten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen hätten leben müssen, besonders wichtig. Diese Aufgabe könne nicht mehr allein vom Staat bewältigt werden.

 

Seite 4   Fast ein Viertel der Arbeitslosen sind Vertriebene.

Von den rund 702 000 Arbeitslosen im Bundesgebiet, welche die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg für Ende März 1957 verzeichnete, sind rund 165 000 oder 23,5 Prozent Heimatvertriebene. Damit ist der Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtzahl der Arbeitslos vertriebenen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen immer noch weit höher als der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe an der Gesamtzahl der Bevölkerung, der sich auf 17, Prozent beläuft.

 

Seite 4   Lehrgang für Vertriebenen-Landwirte.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Landwirte und Bauern, Hannover, Callinstraße 27, führt vom 6. bis 11. Mai in Mariaspring bei Göttingen einen berufsfördernden Lehrgang für ostvertriebene Landwirte und Bauern durch.

 

Durch diese Lehrgänge, die bereits in früheren Jahren an verschiedenen Plätzen des Landes mit großem Erfolg durchgeführt wurden, sollen auch vor allem solche Landwirte mit den zeitgemäßen Berufsmethoden ihren sesshaften Kollegen auf dem Laufenden gehalten werden, die heute in anderen Berufen tätig sind. Die Erhaltung und darüber hinaus Erweiterung ihrer einstigen Berufskenntnisse scheint aber im Hinblick auf die Wiedervereinigung oder die spätere Rückgliederung der Ostgebiete erforderlich. Neben reinen Fachvorträgen sind auch solche politischer Natur sowie eine Betriebsbesichtigung vorgesehen.

 

Seite 4   Merkblatt zur Eingliederung

„100 000 siedlungswillige Flüchtlingsfamilien bitten um Hilfe!" Dieser Satz steht über einem Merkblatt, das die Evangelische Aktionsgemeinschaft zur Eingliederung vertriebener Landwirte in Stuttgart herausbrachte. Zahlenangaben und Gegenüberstellungen reden in diesem Merkblatt in deutlicher Sprache von der Not des vertriebenen Bauerntums. Die Evangelische Aktionsgemeinschaft wendet sich damit vornehmlich an die eingesessene Landbevölkerung der Bundesrepublik, um diese mit den Möglichkeiten einer Hilfe für den besonders schwer einzugliedernden Berufsstand der Landwirte bekannt zu machen. Auslaufende Höfe, Einheiraten, Pachtungen, Hofverrentung, Flurbereinigung und Verbesserungen der Agrarstruktur sind einige der Möglichkeiten, auf die hier hingewiesen wird.

 

Seite 4   Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstaltet zwei Kriegsgräberfahrten nach Andilly in Frankreich. Die erste Fahrt führt am 30. und 31. Mai ab Offenburg und die zweite am 30. Juni und 1. Juli ab Trier zu den deutschen Soldatenfriedhöfen. Diese beiden Fahrten bieten auf längere Sicht die letzten Möglichkeiten, die Ehrenstätte in  Andilly zu besuchen, weil Mitte Juli mit den Zubettungsarbeiten und anschließend mit dem Ausbau der Grabstätten begonnen wird.

 

Seite 4   Bücher - die uns angehen

Walter Leifer: Asien — Erdteil der Entscheidung. Marienburg-Verlag, Würzburg. 224 S. 14,80 DM.

Ein bestürzendes Buch, und nicht nur für den, der den östlichen Koloss noch mit den kindlichen Augen aus der Perspektive der Boxeraufstände sieht, sondern auch für den, und der das Heranwachsen einer dritten großen Macht beobachtet. Es rüttelt gewissermaßen an unserem abendländischen Gewissen, an den müden Seelen der ewigen Krähwinkel-Naturen, die aus Trägheit und Ängstlichkeit nicht wahr haben wollen, dass unser guter alter Kontinent eben doch nicht mehr der Mittelpunkt der Welt und ihres politischen Geschehens ist. Schon in seinem Vorwort appelliert der Verfasser an die westliche Welt, nicht die Augen zu verschließen vor dem dynamischen Aufbruch Asiens, der alle bisherigen Vorstellungen vom Fernen und Nahen Osten über den Haufen geworfen habe, und Leifer stellt als Quintessenz die Forderung, nach Gegenkräften zu suchen, bevor es für das Abendland zu spät sein könnte.

 

Besonders aufschlussreich wird dem Leser Problem und Tragik Israels in dem Kapitel „Industrialisierter Messiasstaat" vor Augen geführt. In der Frage der Brüderschaft zwischen Peking und Moskau teilt Leifer den Optimismus wachsender Gegensätze späterer Konflikte — wie sie etwa Starlinger („Hinter Russland — China") sieht — nicht; er hält diese Prognosen für Wunschträume.

 

Das Buch stimmt nachdenklich, etwa wenn Leifer sagt: „Von den Küsten des Mittelmeeres bis zu den Gestaden des Stillen Ozeans, von Sibiriens Tundra bis zur Inselflur der Molukken ist die asiatische Welt (er meint wohl auch innerhalb des islamischen Blocks die nordafrikanische Welt) im Aufbruch begriffen. Asien ist zum Schicksal der Welt geworden“.

 

Es mag dem deutschen Leser als ein versöhnliches Zeichen des Schicksals erscheinen, dass es in diesem riesigen Raum keinen Hass und kaum eine Abneigung gegen das Volk gibt, das im zweiten Weltkrieg Ansehen und Stärke auf dem europäischen Kontinent eingebüßt hat. Es darf dies jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir der westlichen Welt und dem Abendland auf Gedeih und Verderb angehören und deshalb mit der gleichen Aufmerksamkeit und Verantwortung die letzten dramatischen Vorgänge in Asien und Nordafrika zu verfolgen haben. H. N.

 

Walther Hubatsch: Wege und Wirkungen ostpreußischer Geschichte. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. 166 S. Hln., DM 8,80.

Es geht Prof. Hubatsch in diesen seinen Arbeiten vor allem darum, Einheit und geschichtliche Individualität einer deutschen Provinz zehn Jahre nach ihrer gewaltsamen Loslösung von Deutschland und ihrer Zerreißung in polnische und russische Verwaltungsgebiete vor das geistige Auge der Deutschen treten zu lassen. Es gelingt dem Verfasser, die wesentlichen Züge der siebenhundertjährigen Geschichte Ostpreußens herauszuarbeiten, immer auf der Bildfläche des größeren Raumes: ja, nur in zurückliegenden Jahrhunderten richtig gesehen und gewürdigt werden, sind doch die Völker- und länderverbindenden Eigenschaften ebenso wie der gelehrte Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse seit je Wesensmerkmale Ostpreußens gewesen. Über dieses Anliegen hinaus schuf Prof. Hubatsch mit diesem Werk seiner Heimat ein schönes Buch des Gedenkens, zu dem die Vertriebenen aus diesem geschichtlichen Raume immer wieder mit Stolz greifen werden. Der Jugend aber hat Prof. Hubatsch ein Geschichtswerk in die Hand gegeben, für das ihm nicht genug gedankt werden kann. vT

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte.Nummer 5. Mai 1957.

Die allerschönste Blume.

Alle Blumen ohne Ausnahme sind schön. Auch die kleinen und unscheinbaren haben ihre Schönheiten, auch die seltsamen und unheimlichen ihre Reize.

 

Man kann nicht sagen, welche Blume am schönsten ist. Der eine liebt der edlen Rose volle Formen, der andere des Heckenrösleins schlichte Gestalt. Dieser wieder freut sich an des Maiglöckchens zierlichem Bau, jener an der Würde der Lilien. Den dünkt keine herrlicher als des Flieders leuchtende Rispe, der wieder zieht der Heide winzige Blüte vor.

 

Auch die Blumen sind der Mode unterworfen, auch von ihnen werden einige heute gefeiert und morgen missachtet. Dem Tulpenkultus folgte der Dahliensport, dann errang die Hyazinthe große Erfolge, diese wich dem Chrysanthemum, das jetzt vor den wunderbaren und wunderlichen Orchideen der Tropen in den Hintergrund tritt.

 

Auch die wilden Blumen sind von der Mode abhängig, wenn auch nicht so sehr wie die Gartenblumen. Immer hat man das Windröschen geliebt, stets hat man sich am ersten Veilchen gefreut, zu allen Zeiten Himmelschlüssel gebrochen.

 

Eine Blume aber war nie modern und wird nie modern werden. Sie ist zu gewöhnlich, zu gemein. Sie steht an jedem Wege, sie wächst auf allen Wiesen, blüht auf jedem Anger, selbst zwischen den Pflastersteinen fristet sie ihr Leben und wuchert auf dem Kies der Fabrikdächer. Jedes Kind kennt sie, jeder Mensch weiß ihren Namen, alle sehen sie, aber keiner macht Aufhebens von ihr, sagt, dass sie schön sei.

 

Das ist der Löwenzahn, die Butterblume, die Kuhblume, die Kettenblume der Kinder, deren kleine goldene Sonnen in jedem Rasen leuchten, in jedem Grasgarten strahlen, an allen Rainen brennen, so massenhaft, so tausendfach, so zahllos, dass man sie nicht mehr sieht, weil man sie überall zu sehen gewohnt ist. Und deshalb hält man es nicht  der Mühe wert, sie zu betrachten und sich ihrer feinen Schönheit, ihrer vornehmen Form, ihrer leuchtenden Farbe zu erfreuen.

 

Nur die Kinder lieben sie. Vielleicht nicht deshalb, weil ihnen die Schönheit dieser Blume zum Bewusstsein kommt, sondern deshalb, weil es die einzige ist, die sie immer und überall pflücken dürfen. Kein Wärter knurrt, kein Bauer brummt, wenn die Kleinen sich ganze Hände voll davon abrupfen; sie sehen es sogar gern, denn es ist ein böses Unkraut, der Löwenzahn, ein Grasverdränger und Rasenzerstörer, gegen den alle Arbeit und Mühe nichts hilft.

 

Wäre sie aber nicht da, wir würden sie sehr vermissen. Nicht so frisch würde uns das junge Gras dünken, nicht so herrlich des Apfelbaumes Blütenschmuck; eintönig schiene uns der Rain und langweilig der Grabenrand; des Finken Schlag und der Grasmücke Sang, der Stare Pfeifen und der Schwalbe Zwitschern, weniger lustig würden sie uns klingen, fehlten unter den blühenden Bäumen, dem grünen Grase die goldenen Sönnchen, des Maies froheste Zier

 

Tausendfach strahlen sie, zahllos leuchten sie, bringen Licht in den Schatten und Wärme in die Kühle. Winzige Abbilder der Sonne sind es, ganz aus reinem Golde gemacht, ganz ohne einen dunklen Fleck. Man könnte meinen, jeder Sonnenstrahl, der zur Erde fiel, hätte Saft und Kraft bekommen und sich in eine Blume verwandelt, in eine Blüte, golden wie die Sonne und rund und strahlend wie sie.

 

Es mag ja auch so sein; irgendein tiefer Zusammenhang besteht zwischen der Sonne und ihrem Abbilde. Je heißer die Sonne scheint, je weiter öffnen sich die gelben Blumen, als könnten sie nicht genug Glanz und Glut einsaugen. Und bleibt die Sonne hinter grauen Wolken, dann ziehen die Blumen sich eng zusammen, als frören sie nach ihr. Und wer sie von der Sonne nimmt, sie mit nach Hause bringt und in ein Glas stellt, der ist betrogen; sie blüht ab, ohne sich zu öffnen, welkt und wird greis und grau. Aber auf den Gedanken, sie mit in ein Heim zu nehmen, wird niemand kommen; sie ist zu gemein, diese Blume, und ist doch die allerschönste Blume. Hermann Löns

 

Seite 5   Alles ist Dein Werk. Briefe an die Mutter.

Es fehlt mir hier auch nichts als Sie und alle zu Hause. Wieviel ich an Sie denke, kann ich Ihnen nicht sagen; es ist doch nirgends so wie zu Hause, und was ich habe, habe ich doch nur von Ihnen. Ihnen danke ich alles, und es ist mein innigster Wunsch, dassss aus allem, was ich hervorbringe, dieses einmal zu sehen wäre; so gehörte Ihnen denn alles an, und ich hätte den Strom zu seiner lieblichen Quelle zurückgeleitet. Philipp Otto Runge

 

Denn wem dankten fast alle Männer, die etwas Großes für die Menschheit wagten, ihre Kraft? Keinem anderen als ihren Müttern. Du trugst beinah alles zur Entwicklung meiner Kräfte bei, und alles, was ich einst Gutes wage und tue, ist Dein Werk und der schönste Dank, den ich Dir bringen kann. Novalis

 

Ich gehöre wohl auch zu denen, die nicht immer so sprechen können, wie es ihnen im Augenblick ums Herz ist, — sonst würdest Du mich wohl oft von einer viel weicheren Seite kennengelernt haben. Aber die Empfindungen bleiben dieselben, — und sieh, Mutter, jetzt, — da ich vor Dir fort bin, überwältigen mich die Gefühle des Dankes für Deine herrliche Liebe zu Deinem Kinde, die Du ihm zuletzt wieder so innig und warm an den Tag legtest, ... ich möchte Dir gern alle die einzelnen Beweise Deiner Liebe aufzählen, für die ich danke, wenn es nicht deren zu viel wären. Richard Wagner

 

Nun zu Dir, einzige Mutter. Ich bin mit meinen Gedanken so oft bei Dir. Ich lerne Dich mehr und mehr verstehen. Ich ahne Dich. Wenn meine Gedanken bei Dir sind, dann ist es, als ob mein kleiner, unruhiger Mensch sich an etwas Festem, Unerschütterlichem festhält. Das Schönste aber ist, dass dieses Feste, Unerschütterliche ein großes Herz hat. Lass Dir danken, liebe Mutter, dass Du Dich so uns erhalten hast! Lass Dich ganz ruhig und lange umarmen. Paula Modersohn-Becker

 

Seite 5   Gedenkblatt des Monats.

Richard Schirrmann. Vater des Jugendherbergswerkes.

Es hat niemand dem langaufgeschossenen, Mitte Mai 1874 geborenen ostpreußischen Lehrer Richard Schirrmann an der Wiege gesungen, dass er ein weltumspannendes Werk für die wandernde Jugend aller Nationen einmal schaffen würde, wie es dieser Schöpfer der Jugendherbergen getan hat. Es war damals ein Unterfangen, als er in den letzten Jahren des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit seinen größeren Jungen ostpreußischer Dorfschulen tagelang Wanderungen unternahm und mit ihnen in der freien Natur tollte. Der Lehrer wirkte im Kreise Lötzen und nach dem ersten Kriege in Rössel und Stettin. Seine Wanderlust hat nie aufgehört. Als er in Gelsenkirchen inmitten des rauchgeschwängerten Schornsteinwaldes des Ruhrgebietes den Vergleich zu der klaren Luft der masurischen Seenlandschaft zog, reifte in ihm der Gedanke, der Jugend für ihre Wanderungen billige und gute Herbergen zu geben, woraus schon 1909 in Altena die erste deutsche Jugendherberge, wohl die erste in der Welt überhaupt entstand.

 

Die große Bewegung der Wandervögel, die 1910 einsetzte, wandelte seine Vorstellungen zu dem Entschluss, für die Schaffung allgemeiner Jugendherbergen für das allgemeine Jugendwandern einzutreten. Mit wackeren Helfern und unterstützt von freudigen Spenden entstand die mittelalterliche Burg Altena zu neuer Jugendblüte. 1914 gab es dank Schirrmanns unermüdlichen Bemühungen in Westfalen, Rheinland und Hessen 200 Jugendherbergen mit 30 000 Übernachtungen. Mit Riesenschritten ging es nach dem Kriege vorwärts. Die deutschen Gemeinden brachten eine Kopfspende von fünf Pfennig, jeder deutsche Schüler einen Herbergspfennig auf und Richard Schirrmann konnte 1933 in Deutschland auf ein umspannendes Netz von 2100 Jugendherbergen schauen, das 4,5 Millionen Jahresübernachtungen aufzeigte. Die Krönung seines Werkes erlebt der Ostpreuße Richard Schirrmann, als 1932 zwölf ausländische Verbände mit dem Deutschen Jugendherbergsverband das internationale Jugendherbergswerk schufen, dessen erster Präsident Richard Schirrmann wurde. Damit mündeten die ersten Anfänge, die von Ostpreußen ihren Ausgang nahmen, im Jugendwandern und dem Welt-JH-Werk von 25 Verbänden in wahrhaft weltweite Bedeutung. Die friedliche Verständigung der Jugend aller Völker im Wandern war Richard Schirrmanns Lebenswerk.

 

Die Bundesrepublik ehrte an seinem 78. Geburtstag den einstigen ostpreußischen Landlehrer, der heute in Grävenwiesbach im Taunus seinen Lebensabend verbringt, mit der Verleihung des Großkreuzes zum Verdienstorden. Die wandernde Jugend der Welt aber dankt dem Schöpfer ihrer Wanderherbergen durch ihre Freude am Wander- und Naturerleben, die er erst ermöglichte.

 

Was ich nicht in der Schule gelernt habe, dass ich mir erwander. Joh. Wolfg. von Goethe

 

Seite 5   Der reiche Bauer von Nickelswalde.

Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen war der deutsche Ritterorden sehr mächtig und sehr reich, und auch das ganze Land war reich und zufrieden. Damals lebte zu Nickelswalde ein Bauer, der durch seinen Reichtum berühmt geworden ist. Als nämlich einige Gäste aus Deutschland den Hochmeister in Marienburg besuchten, sahen sie überall Überfluss und Reichtum und priesen deshalb den Hochmeister glücklich. Das hörte der Schatzmeister des Ordens, Heinrich von Plauen, und er sprach zu den fremden Herren: „Der größte Reichtum des Hochmeisters ist der Reichtum seiner Untertanen. In unserem Lande wohnt ein Bauer, der elf Tonnen voll Gold hat“. Das hielten die Gäste für Scherz.

 

Einige Tage später aber führte Herr Heinrich die Gäste seines Herrn nach Nickelswalde, wo sie bei einem Bauern einkehren mussten. Bei diesem hatte er das Mittagsmahl bestellt. Der Tisch war für die Gäste gedeckt, und rund um denselben standen zwölf Tonnen; darauf waren Bretter gelegt zum Sitzen für die Herren. Als sie nun beim Essen waren, da sagte der Ritter von Plauen: „Dies ist der reiche Bauer, von dem ich Euch erzählt habe“. Da ließ der Hochmeister den Bauern kommen und forderte ihn auf, seinen Reichtum zu zeigen. Der Bauer antwortete: „Ich habe Euch alles hingesetzt, was mir gehört. Seht, auf was für Bänken ihr gesessen habt“. Als nun die Bretter weggenommen waren, sahen sie, dass sie auf Tonnen gesessen hatten, von denen elf voll Gold waren; die zwölfte war noch leer.

 

Die Gäste verwunderten sich des reichen Bauern. Der Hochmeister aber ließ dem Bauern auch die zwölfte Tonne aus der Schatzkammer füllen, damit die Gäste in Wahrheit sagen konnten, dass im Lande des Hochmeisters ein Bauer zwölf Tonnen voll Gold habe. Simon Grunau

 

Seite 5   Die Pfarrersfrau von Allenburg

In der Pfarrchronik der ostpreußischen Kleinstadt Allenburg wird berichtet, dass der beherzten Gattin des Pfarrers Schmidt die Bürger 1807 die Einstellung schwerer Drangsalierungen durch napoleonische Soldaten verdankten. Die Pfarrfrau war eine geborene de Poulet, deren Familie aus Frankreich nach Ostpreußen emigriert war. Verrohte Soldateska plünderte die Stadt und riss bei der Suche nach eingenähten Goldstücken der Pfarrfrau das Oberkleid vom Leibe. Dies und die Misshandlungen in der Nachbarschaft veranlassten die Pastorin in Begleitung ihres Mannes zum Marschall Ney zu eilen, der in Allenburg Quartier bezogen hatte, um ihn in der Sprache seines Landes zu bitten, der Stadt eine Schutzwache gegen die Marodeure zu stellen.

 

Der Marschall verhielt sich zunächst ablehnend und wurde erst durch die entrüsteten Vorwürfe der mutigen Frau veranlasst, den Gräueln Einhalt zu gebieten. Die Stadt Allenburg, in der 1807 bei den Plünderungen 218 Menschen umkamen, hat der tapferen Pfarrersfrau ein ehrendes Andenken bewahrt.

 

Seite 5   Interessantes aus der alten Heimat.

V. Von Poeten und anderen Künstlern

Als zu Anfang des 19. Jahrhunderts in einem Frühjahr der kaiserlich-russische Staatsrat und Dichter August Friedrich von Kotzebue von Weimar kommend nach St. Petersburg zurückreiste, fuhr er mit der Post von Königsberg nach Cranz und dann weiter über die Kurische Nehrung, wo einst die Alte Poststraße entlang führte, nach Memel. Da aber im Memeler Tief gerade starker Eisgang herrschte und ein Übersetzen daher unmöglich war, musste Kotzebue notgedrungen volle drei Tage in dem alten, auf einer Düne gelegenen „Sandkruge" zubringen. Missmutig über die unwillkommene Verzögerung und die Langeweile schrieb er in sein Tagebuch ein Gedicht, ohne zu ahnen, dass es einmal eines seiner bekanntesten, wenn nicht überhaupt sein bekanntestes und weitverbreitetstes sein würde. Später vertont, wurde es noch von unseren Großeltern und Eltern viel und gerne gesungen: „Es kann ja nicht immer so bleiben, hier unter dem wechselnden Mond ..."

 

Ostpreußen kann stolz sein, viele namhafte und weltbekannte Künstler und Gelehrte hervorgebracht zu haben. Zu ihnen zählt der bedeutende Maler Lovis Corinth, der 1858 als Sohn eines Gerbermeisters in Tapiau geboren wurde. Seiner Vaterstadt schenkte er ein Triptychon, die Kreuzigung darstellend. Bis zuletzt hing es, vielbewundert, in der Kirche zu Tapiau.

 

Weit weniger bekannt dürfte jedoch sein, dass der ebenso berühmte Maler Eduard von Gebhardt (geb. 1838), obwohl in einem Pfarrhause in Estland geboren, aus einer ostpreußischen Familie stammt. Sein Urgroßvater war Fleischermeister in Wehlau. Dessen Sohn, also der Großvater des Malers, siedelte als Theologe 1789 nach dem Baltikum über und wurde Oberpastor an der Kirche St. Nicolai in Reval. 1842 erhielt er den russischen Adel. — Mit 17 Jahren ging Eduard von Gebhardt an die Kunstakademie in St. Petersburg (jetzt Leningrad), kam dann mit zwanzig an die Kunstakademie in Düsseldorf, die seinerzeit Weltruf genoss. In Düsseldorf lebte Gebhardt bis zu seinem Tode im Jahre 1923.

 

Johannes Brahms, der zu den bekanntesten deutschen Tonschöpfern gehört, gab 1880 in Königsberg ein Konzert mit eigenen Werken. Ein großer Teil des Publikums verließ aber vorzeitig den Konzertsaal, weil es seine Musik nicht verstehen konnte und als unharmonisch empfand. Ähnlich äußerten sich auch verschiedene Zeitungskritiker.

 

Seite 6   Wie der Orden vom Deutschen Hause entstanden ist.

Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit künden wir allen denen, die jetzt leben und die noch kommen sollen, wie, wann und von wem der Orden des Hospitals Sankt Marien des Deutschen Hauses von Jerusalem gestiftet wurde.

 

Im Jahre 1190 nach unseres Herren Geburt zu den Zeiten, als Akkon von den Christen belagert, und mit Gottes Hilfe wieder aus den Händen der Ungläubigen gewonnen wurde, waren in dem Heere gute Leute aus Bremen und Lübeck. Diese erbarmten sich um der Liebe Christi willen über die mannigfaltigen Gebrechen der Siechen im Heere und errichteten das Spital unter dem Segel eines Schiffes, das man Kogge heißt, und brachten die Kranken dort mit großer Andacht unter und pflegten ihrer eifrig. Dieses kleine Beginnen erbarmte den Herzog Friedrich von Schwaben und andere hohe Herren, deren Namen hier nachgeschrieben stehen: der ehrbare Patriarch von Jerusalem, König Heinrich VI., Herzog Heinrich von Brabant, der an der Spitze des Heeres stand, die Meister der Johanniter und Templer, und die Erzbischöfe und Großen des Deutschen Reiches. Mit deren Rat sandte der Herzog von Schwaben seine Boten über das Meer zu seinem Bruder König Heinrich, der dann Kaiser wurde, damit er vom Papst Zölestin die Bestätigung des Spitals erlangte, dass es die Kranken pflege, wie die Johanniter und ritterlich lebe, nach dem Orden der Templer. So geschah es, dass dieser beiden Orden Leben und Vorrechte für unser Spital von der Gnade unseres Herren und von der Müdigkeit des Papstes verliehen und bestätigt wurde. Auch wurde es nicht allein von den Leuten auf Erden bestätigt, sondern auch von Gott im Himmelreich. Aus den Statuten des Ordens

 

Seite 6   Ostpreußische Sprichwörter

Möt Langholz mottst nöch quer foahre!

Ein jeder feg' vor seiner Tür, so wird die ganze Straße rein.

Man muss so lange längs des Zaunes gehen, bis man hinübersteigen kann.

Fett schwemmt bawe, on wenn't Hundsfett ös.

Von Harte gern ,seggt de Bur, wenn hei mot

 

Seite 6   Ehe es den Kugelschreiber gab ...

. . . ritzte man in vorgeschichtlicher Zeit Schriftzeichen und Bilder mit Schabesteinen in Felswände und auf Steinplatten.

 

. . . schrieben die Römer mit Bronze oder Elfenbeinstiften auf wachsüberzogene Holztäfelchen. In Deutschland wurden noch im Mittelalter Rechnungen auf solchen Wachstäfelchen ausgefertigt.

 

. . . verwendet man in Südasien in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten Feuersteinsplitter als Griffel und schrieb damit auf Palmblätter.

 

. . . schrieben die Chinesen mit dem Pinsel. Die alten Ägypter machten sich aus Binsenrohr Federn und schrieben damit ihre Hieroglyphen auf die Papyrusblätter. Später erst kam man darauf, die starken Flügelfedern von Gänsen, Schwänen und Adlern im Kiel zu spalten und sie als Schreibwerkzeug zu benutzen.

 

Seite 6   Arbeitstagung der ostpreußischen Jugend.

Was war eigentlich in Herne los?

Am 7. April trafen sich die Führungskräfte der ostpreußischen Jugend im Lande Nordrhein-Westfalen zu einer Arbeitstagung in Herne. 25 junge Ostpreußen waren erschienen, von den Landschaftsverbänden, den Bezirken und aus den Gruppen. Mit solchen feierlichen Vorreden wisst ihr nicht viel anzufangen, ihr wollt wissen, was „los" war.

 

Nun, dies: Wir zerbrachen uns den Kopf über unsere Dänemarkfahrt, über die musischen Wettkämpfe, den Landesgruppentag, die Stellung unserer ostpreußischen Jugend in der DJO und über noch einiges mehr.

 

Bochum, unser Bundestreffen, wurde diskutiert. Denn dort soll doch der Welt gezeigt werden, dass wir jungen Ostpreußen, und gerade wir jungen, um nichts in der Welt bereit sind, unsere Heimat aufzugeben. Kameraden der DJO aus den anderen Landsmannschaften werden mit uns Schulter an Schulter für unsere Mutter Ostpreußen eintreten.

 

Und so ging es fort, Thema für Thema: Beschickung der Lehrgänge, Arbeitsbrief, Arbeitsmaterial, unsere Bundeszeitschrift „Der Pfeil" und anderer „Kleinkram" (der natürlich auch sein muss).

 

Und noch eins: Satzungen will man haben, vielleicht auch eine Jugendordnung, jedenfalls etwas was uns ostpreußische Mädchen und Jungen noch fester aneinander- und miteinanderbindet und verbindet. Und das willst du doch sicherlich auch, nicht wahr?

 

Als erstes sichtbares Erlebnis fandest du in dieser „Kogge" einen Aufruf zur Teilnahme an unseren geplanten Sommerfreizeiten. Dort werden wir uns schon näherkommen! Unser Landesvater Grimoni war natürlich auch die ganze Zeit über bei uns. Ihm und uns hat es Freude gemacht, mit welchem Ernst und welcher Verantwortungsfreude jeder der Teilnehmer bei der Sache war.

 

„Arbeitstagungen" müssen nun einmal sein. Aus den knappen Ausführungen wirst du dies sicher verstehen können. Den Teilnehmern aber geben sie immer wieder neue Kraft für unsere gemeinsame Arbeit, unser gemeinsames Ziel!

 

Seite 6   Auf zur Sommerfreizeit

Liebe Mädchen und Jungen!

In einer der schönsten Gegenden unseres Landes führt die Landsmannschaft Ostpreußen, Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, zum ersten Male Sommerfreizeiten für euch durch. Der Platz befindet sich in der Nähe von Höxter, an den Ausläufern des Teutoburger Waldes (Geschichtsbuch: siehe Hermann der Cherusker) gelegen.

 

Hier wollen wir uns in der ersten Hälfte der Sommerferien zusammenfinden, wollen wandern, singen, lachen, von der Heimat hören, uns in Film und Lichtbild an ihren Schönheiten erfreuen — vor allem aber wollen wir uns tüchtig erholen!

 

Dazu laden wir euch herzlich ein! Notiert also bitte gleich in euer Notizbuch: 3. bis 17. August. Für diese 15 Tage ist ein Eigenbeitrag von 20 DM beizusteuern (also sofort eisern sparen!).

 

Die Mädchen werden in einem festen Haus (nur die ganz Unentwegten in Zelten) und die Jungen in Zelten untergebracht. Spätester Anmeldetermin ist der 15. Juli!

 

Verpasst aber den Termin nicht! Je eher du dich anmeldest, desto besser. Nähere Einzelheiten werden dir dann mitgeteilt.

 

Jungen von 10 bis 14 Jahren melden sich bei Horst Piezarka, Dortmund, Sudermannstraße 25. Horst wird, wie bereits im Vorjahr, diese Freizeit leiten.

 

Mädchen und Jungen im Alter von 15 Jahren und darüber wenden sich an mich: Herne, Ringstraße 47. Diese Freizeiten werde ich übernehmen.

Ich freue mich schon jetzt auf unsere gemeinsame „freie Zeit" und auf euch!

 

Euer Hans Herrmann Bundesgruppen- und Landeswart der Ostpr. Jugend.

 

Seite 6   Wappen der Heimat

Insterburg. Gumbinnen

 

Seite 6   Aus unserer Bücherkiste

Liebe Leseratten!

Aus den Schätzen unserer Bücherkiste greifen wir heute einen Band heraus, der so recht nach Sinn und Herzen aller Jungen ist. Es ist das Baken-Buch.

Unter Segeln um die Welt. Von Gustav Schröder. Baken-Verlag, Hamburg. 112 S., Halbl. 4,50 DM, kartoniert mit Leinenfalz 3,20 DM.

 

Es ist der abenteuerliche Lebensbericht eines Kapitäns, den das Fernweh in jungen Jahren zur See getrieben hat. Ein Buch, wie es nur ein Seemann zu schreiben vermochte, der sich mit Leib und Seele dem großen Wasser verschrieben hat. Es ist die Rückschau auf achtunddreißig Jahre Seefahrt auf allen Weltmeeren, ein langer Weg, reich mit Hindernissen gespickt, reich an Abenteuern, und dennoch: ein glücklicher Weg.

Reich illustriert ist dieses Baken-Buch ein schönes Geschenk für jeden rechten Jungen! Euer Gert.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. (Schluss)

Schlicht und einfach hatte Unsatrape sein Bekenntnis gesprochen, und doch war es, als ob er der Menge sein Herz geöffnet hätte: Sehet, es ist kein Falsch darin. Sie sahen es und blickten mit schier heiliger Scheu auf den Blutzeugen des Christengottes.

 

Nur einer nicht. Ein Schrei zerriss die Stille: „Verräter!", und ein Wurfspieß zischte vom Wall her über die Köpfe hinweg, um sich in Unsatrapes Brust zu bohren. Wolf sah den Tod heranfliegen. Blitzschnell stieß er Unsatrape zur Seite, darüber geriet er selbst in die Bahn des Geschosses und sank, schwer getroffen, zur Erde.

 

Entsetzen heulte auf, brach ab, verstummte. Dann grollte durch das bange Schweigen die Donnerstimme des Sudauerfürsten: „Wer hat es gewagt, die Ehre Skomands zu morden?"

 

Schuldbewusst senkten sich die Köpfe, aber niemand trat vor.

 

Im Lager des Komturs hatten sie den Aufschrei wohl gehört, und besorgt schauten sie zu der Feste auf. Dann war es wieder still geworden, und nichts regte sich. Lange Zeit. Den Komtur begann die Unruhe zu peinigen. Sollten die Heiden es gewagt haben, sich an seinem Gesandten zu vergreifen? Er wies den Gedanken von sich, denn das war Skomands Art nicht. Als aber immer noch nichts zu sehen, noch zu hören war, erwog er ernstlich den Befehl zum Angriff.

 

Da ließ ein Rufen ihn aufblicken: „Sie kommen!“ Und in der Tat, sie kamen. Das Tor der Burg öffnete sich, langsam quoll der lange Zug der Sudauer heraus, alle unbewaffnet. Voran schritt der Fürst, ihm folgten vier Männer mit einer Bahre, neben ihr ging Unsatrape.

 

Der Komtur erwartete sie am Fuße des Hügels. Jetzt erkannte er den Wunden, den sie trugen, und ein grimmiger Zorn verfinsterte sein Gesicht. Der Zug hielt, die Bahre wurde niedergesetzt, und Skomand trat vor den Komtur.

 

 

 

Der herrschte ihn an: „So bringst du mir meinen Gesandten?"

 

Skomand entgegnete ihm mit ruhiger Würde, eine schwere Trauer klang durch seine Worte: „Ich gebe mich in deine Hand, Komtur. Der Wahnwitz eines Toren hat meine Ehre geschändet, da siehst du das Opfer einer verbrecherischen Hand. Mein ist die Schuld nicht, aber ich nehme sie auf mich“.

 

Prüfend lag der Blick des Komturs auf dem Gesicht des Sudauers. Dann wandte er sich ab und trat an die Bahre. Da lag Wolf, ohne Bewegung, bleich wie ein Toter. Aus der rechten Schulter sickerte rotes Blut. „Lebt er?" fragte der Komtur. „Noch lebt er", erwiderte Unsatrape.

 

„So höre denn, Skomand", fuhr der Komtur fort, „stirbt Wolf, so wird dir und jedem Zehnten von deinen Mannen der Kopf abgeschlagen. Bleibt er am Leben, so wird der Landmeister über dein Los entscheiden“.

 

Wolf blieb am Leben. — Der Krieg mit den Sudauern ging zu Ende. Nur im äußeren Osten flackerte noch einmal der Widerstand auf. Aber schon zwei Jahre nach der Ergebung Skomands wurden auch die letzten Scharen der Aufständischen auf dem Felde von Meruniske vernichtend geschlagen. Damit war der Friede endgültig hergestellt. Und das geschah im Jahre des Herrn 1283. —

 

Skomand, und mit ihm der größte Teil seines Stammes, hatte sich taufen lassen. Aber der Orden traute dem alten Feinde nicht. Darum beschloss er, die Unterworfenen von der Grenze fort in das Innere des Landes umzusiedeln. In dem sicheren Samland gab er ihnen eine neue Heimat. Sie heißt heute noch: der sudauische Winkel.

 

Und was wurde aus Wolf und Wolfson?

 

Als der Komtur mit seiner Streitmacht und seinen Gefangenen aufbrach, um sich mit dem Heer des Landmeisters zu vereinigen, ließ er den wackeren Wartsmann Henke mit einer starken Besatzung in der Skomandburg zurück. Ihm und Wolfson vertraute er den Verwundeten an. So lag denn Wolf in der kühlen, weiten Halle, in der er einst Skomand gegenübergestanden hatte, aufs liebevollste gepflegt von seinem Knappen und dem treuen Freund. Sein starker Körper wehrte sich mit zäher Kraft gegen den Tod. Lange, bange Tage, schwankte die Entscheidung, wer Sieger bleiben würde. Henke und Jörge rührten sich nicht von dem Lager des Kranken und schauten stundenlang voll bitterer Sorge in das bleiche Gesicht.

 

Dann begab es sich eines Abends, dass vom Tore her ein Hornruf, hell und scharf, durch die stille Luft in das Gemach hereindrang. Da lief ein Zucken über Wolfs Gesicht, und seine Augen öffneten sich weit und klar. Jörge jubelte auf, und Herr Henke beugte sich über den Geretteten:

 

„Erkennt ihr mich, Wolf?" fragte er freudig erregt.

 

Aber Wolf hatte die Augen wieder geschlossen, und der Wartsmann musste hinauseilen, zu sehen, wem der Hornruf gegolten hatte. Schon nach kurzer Zeit öffnete er aufs Neue geräuschlos die Tür und herein kam der Landmeister, Herr Konrad von Tierberg.

 

Mit leisen Schritten trat er zu dem Lager, und noch einmal schlug der Wunde die Augen auf. Der Landmeister neigte sich zu ihm, fasste seine abgezehrte Rechte und sagte mit warmer, herzlicher Stimme: „Bruder Meinard!"

 

Bei dem Klang der Stimme hatten sich die Lider des Kranken wieder geschlossen. Aber auf seinem Gesicht zeichnete sich deutlich die innere, wache Spannung. Es war, als wenn er in die Ferne lauschte. Dann begannen seine Lippen zu zittern, und als der Landmeister sein Ohr herabneigte, vernahm er deutlich, wenn auch nur wie ein Hauch, die Worte: „Ich... habe... meine ... Pflicht getan!"

 

Der Landmeister richtete sich auf. Tief ergriffen nahm er Wolfs Rechte in seine beiden Hände: „Ja, Bruder Meinard, das hast du!" Viele Tage noch blieb der Landmeister in der Skomandburg. Wolf genas zusehends und Wolfsons Augen strahlten immer heller. Er hatte seine Ruhestatt in der Halle aufgeschlagen und war nun wieder Tag und Nacht bei seinem großen Freunde. Und dann kam der Tag, da Wolf zum ersten Male in Skomands Lehnstuhl am offenen Fenster saß und mit frohem Blick hinausschaute über das weite, schöne Land, das in lichtem Sonnenglanz vor ihnen gebreitet lag.

 

An diesem Tage kam der Landmeister noch einmal zu ihm, um Abschied zu nehmen. Als Jörge das Gemach verlassen hatte, setzte sich Konrad von Tierberg zu dem Genesenden. Er war bewegt, als er sprach:

 

„Bruder Meinard, ehe ich scheide, lass mich dir noch eines sagen. Bruder Bolko ist nicht mehr im Orden. Er verließ ihn freiwillig. Doch ehe er von uns ging, gestand er mir seine schwere Schuld. Ja, es ist wahr, ich habe einst eine Frau geliebt, die ich nicht lieben durfte, weil sie eines andern war. Darum gelobte ich mich dem Orden. Aber was ist solch niedrigem Sinn der Schmerz eines Menschenherzens, was das heilige Opfer der Entsagung! Nur ein willkommener Grund, seinen Spott daran zu üben, sie in den Schmutz zu ziehen. Du hast ihn gezüchtigt,“ und ritterlich hast du an ihm gehandelt und an mir, als du schwiegst, warum du es tatest. Dafür danke ich dir heute noch. Aber was wussten wir damals. Du hattest die Hand erhoben gegen einen Bruder, du weigertest dich, zu bekennen, warum du es getan. So mussten wir nach dem Gesetz der Bruderschaft den harten Spruch fällen. Darob darfst du uns nicht schelten!"

 

Wolf schüttelte den Kopf, und ein stilles Lächeln leuchtete in seinem Gesicht.

 

„Ich schelte nicht, und niemandem bin ich gram. Bedenket auch, Herr Landmeister, ich bin Wolf der Struter und weiß von Bruder Meinard nichts mehr. Sieben Jahre haben vieles ausgelöscht. Gutes und Schlechtes, auch Meinard von Leuen“.

 

„Nicht doch", widersprach der Landmeister, „wenn du jetzt wieder zu uns kommst, niemand ist, der dich nicht von Herzen willkommen heißt“. Doch Wolf wehrte ab.

 

„Lass mich Wolf bleiben. Und wenn Eure Güte mir etwas Großes gewähren will, so lasst mich auch hier in diesem Lande bleiben. Ich liebe diese Erde und will ihr treu sein. Den Pflug will ich führen, säen und ernten. Und Jörge soll mein Erbe sein. Er ist mir ein rechter Wolfson geworden“.

 

Der Landmeister sann lange vor sich hin, dann reichte er Wolf die Hand. „Lebt wohl! Es soll sein, wie du es willst, Wolf!"

 

Am Ufer des Nebotinsees entstand ein stattlicher Hof. Dort hauste das Geschlecht der Wölfe durch viele Jahrhunderte. Sie ackerten ihre Erde und jagten in dem Walde, der einst Perkuno heilig war. Ende

 

Seite 7   Zeichnung. Tilsit Schwelle Osteuropas.

Ein Hauch von der unermesslichen Weite Osteuropas lag über der seit dem Versailler Vertrag östlichsten Stadt auf reichsdeutschem Boden — über Tilsit ab hier fast 600 m breiten Memelstrom. Dieser Hauch kam vom jenseitigen Stromufer und begleitete den selten abreißenden Strom von Floßhölzern, die aus litauischen Wäldern auf dem Rücken des Flusses bis vor die Tore von Tilsit schwammen. In der Zellstofffabrik Waldhof-Tilsit wurden die Stämme zu Zellulose umgeformt, um von Tilsit aus in dieser neuen Gestalt in alle Himmelsrichtungen exportiert zu werden.

 

Auch dem äußeren Erscheinungsbilde der Stadt haftete jener schwer definierbare Hauch von Weite an: Die Hauptstraße von Tilsit, die „Deutsche Straße", ist so breit angelegt, dass sie in voller Länge als Marktplatz dienen konnte. Breit und ausladend auch die Bürgerhäuser, in und vor denen sich häufig genug geschichtliche Begegnungen und Begebenheiten vollzogen.

 

Unser Bild zeigt den wohl markantesten Bau von Tilsit, die Deutschordenskirche. Sie wurde im Verhältnis zu gleichnamigen Schwestern erst spät geweiht, und zwar am 16. Juli 1610. Ihr Stifter war der letzte Hochmeister des Deutschen Ritterordens Albrecht, Herzog in Preußen. Er hatte Tilsit „erst" 1552 das Stadtrecht verliehen. Den erst 86 Jahre später aufgesetzten edlen Barockturm zierte weder Kreuz noch Wetterhahn — sondern der Kurbrandenburgische Adler.

 

Seite 7   Tilsit 1957. Niedergang einer stolzen Stadt

Von 58 000 Deutschen ist nur noch einer in Tilsit – Kirchliches Leben ausgestorben.

Als die Stadt Tilsit an der Memel am 22 Oktober 1944 von den letzten deutschen Truppen geräumt wurde, riss für mehr als ein Jahrzehnt jede Verbindung nach dorthin ab. Tilsit wurde wie das übrige Nord-Ostpreußen der Sowjetunion einverleibt und hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen. Gerüchtweise verlautete, die Stadt sei sehr stark zerstört und sehr verfallen. Man sprach u. a. davon, zwei Drittel Tilsits lägen in Trümmern.

 

Inzwischen sind Heimkehrer in Deutschland eingetroffen, die als sowjetische Kriegsgefangene längere Zeit in Tilsit arbeiteten und Auskunft über das Geschehen in der Stadt geben konnten. Nach ihren Angaben sind Schäden in Tilsit während der Bombenangriffe im Jahre 1943, sowie während der Kämpfe und nach der Besetzung entstanden. Allerdings sind nach diesen Berichten die Verwüstungen längst nicht so groß, wie bisher befürchtet worden ist. Nach Meinung der Heimkehrer ist höchstens ein Drittel dieser Stadt zerstört worden.

 

Außer einigen Straßen in der Innenstadt ist vor allem das Gebiet zwischen der Memel und der Deutschen Straße vernichtet worden. In den hier befindlichen Trümmerwüsten stehen nur noch der Hafenspeicher, die große Zellstofffabrik und einige Mietshäuser. Bis auf dieses Stadtviertel ist Tilsit weitgehend erhalten geblieben. Das trifft auch für die bekannte Hauptstraße — die Hohe Straße — zu, die bisher ebenfalls als völlig zerstört galt.

 

Tatsächlich aber ist diese Straße mit dem Markt auf dem Schlossplatz die Lebensader Tilsits geblieben. Die Hohe Straße weist die weitaus größte Zahl von staatlichen Geschäften in der ganzen Stadt auf, und an den beiden Markttagen — Sonntag und Mittwoch — pendeln Tausende von Kauflustigen zwischen dem Schlossplatz-Markt und dieser Straße hin und her. An diesen beiden Tagen nämlich kommen die Einwohner der Dörfer von weit her, um in Tilsit etwas zu erstehen oder etwas zu verkaufen.

 

Allerdings besteht heutzutage ein gewaltiger Unterschied im Geschäftsbetrieb gegenüber früher. Typisch russische Verhältnisse beherrschen nun das Straßenbild. Die Trödelmarkt- und Basar-Atmosphäre bieten zwar ein buntes Bild, aber geben der Stadt ein fremdartiges Gesicht. Am Sonntag könnte man meinen, die ganze Bevölkerung des Kreises und Tilsits sei auf den Beinen um Handel zu treiben. Es gibt nichts, was nicht angeboten würde oder was keinen Käufer fände.

 

Wir haben in unseren aktuellen ostpreußischen Berichten schon oft auf die Marktsitten der Polen und Russen hingewiesen. Dennoch müssen wir aber bei unserer Berichterstattung über Tilsit noch einmal darauf verweisen, weil es gerade die armselige Marktatmosphäre ist, die das heutige Leben in der Heimat widerspiegelt. Wer heute am Sonntag auf dem Tilsiter Schlossplatz stundender glaubt sich in irgendein russisches Kleinstadtnest versetzt. Da stehen auf 20 und 30 Meter Frauen neben Frauen und bieten durch Hochhalten die unmöglichsten Gegenstände an. Die Kauflustigen promenieren vorbei, befühlen die Waren und begutachten sie. Und kurz darunter steht schon die nächste Reihe — und so fort. Auch Büdchen gibt es. Die meisten Marktwaren aber werden von Hand zu Hand aus dem Koffer oder vom Wagen herunter verkauft.

 

Die Armut gibt dem Markttreiben ihr Gepräge. Nicht einmal genügend Brot ist im legalen Handel vorhanden, so dass sogar Mehl und Brote Objekt des Schwarzhandels sind. Hunderte von Menschen strömen herbei, wenn die Bäckerei in der Hohen Straße wirklich einmal aus der Zentralbäckerei — heute in der ehemaligen Aktienbrauerei — Brot angeliefert erhält. Und ebenso ist es mit anderen Lebensmitteln und Konsumgütern. Nur sehr wenig kann der Russe heute zu regulären Preisen einkaufen. Das meiste muss er nach vielen Feilschen und auf dem illegalen Markt zu überhöhten Preisen erstehen.

 

Zahlreich sind an den Markttagen auch die Ordnungsorgane vertreten. Sie kontrollieren die Bauern nach ihren Freigabescheinen, die ihnen den Verkauf von Lebensmitteln gestatten. Nur wenn das Ablieferungssoll restlos erfüllt ist, bekommen die Bauern die begehrten Freigabescheine. Aber natürlich kann man auch sie gegen entsprechende Bezahlung den Schwarzhändlern abkaufen ... Auch Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Nicht aus politischen, sondern fast immer wirtschaftlichen Gründen. Gegen wieviel Gesetze muss man doch verstoßen, wenn man nur leben und einkaufen will! Sehr beliebt sind auch Warenbeschlagnahmen. Trotz allem aber nimmt es die russische Polizei nicht sehr genau. Zumeist werden Käufer und Verkäufer in Ruhe gelassen — ändern kann auch die Polizei im Grunde nichts. Der Mangel zwingt die Menschen einfach dazu, sich des Schwarzhandels zu bedienen.

 

Wie sehen nun die anderen Stadtteile aus? Das Rathaus ist erhalten geblieben und dient heute als Gerichtsgebäude. Auch hier werden vornehmlich kriminelle und wirtschaftspolitische Straftaten abgeurteilt, — dann gibt es wieder Zeiten, wo die Aufgegriffenen monatelang in Untersuchungshaft sitzen, bis sie vor ihren Richter kommen. Ab und zu kommt auch ein Militärgericht oder ein Strafsenat für politische Delikte in das Rathaus, um die schwerwiegenden politischen Fälle abzuurteilen. Dann müssen aus allen Betrieben Abgeordnete an den Schauprozessen teilnehmen.

 

Zur Einwohnerzahl kann nur gesagt werden, dass Tilsit übervölkert ist. Unmöglich aber kann man eine genaue Zahl angeben, da es keine solchen Statistiken gibt. Tilsit zählte früher 58 000 deutsche Einwohner — trotz der Zerstörungen wird die Einwohnerzahl heute nicht geringer sein, weil die russischen Wohnbedürfnisse nicht mit den unsrigen gleichzusetzen sind. Wo früher eine deutsche Familie lebte, wohnen heute zwei russische. So kommt es, dass die Zerstörungen auf die Einwohnerzahl ohne größeren Einfluss geblieben sind. Nur eines ist sicher: von den 58 000 Deutschen blieb nur ein einziger in dieser Stadt! Es handelt sich dabei um eine deutsche Frau, die einen Russen geheiratet hat. Alle anderen Einwohner sind in alle Winde zerstreut oder nicht mehr am Leben.

 

Die Russen haben die zerstörten Straßenzüge bis heute noch nicht wieder aufgebaut. Auch diesbezügliche Pläne bestehen nicht. An Stelle von Neubauten ist nur ein Reparaturprogramm in Kraft, das sich der leicht beschädigten oder der baufällig gewordenen Gebäude annimmt. Man kann deshalb sagen, dass der Stadtsowjet Tilsit auf dem Stande zu halten versucht, wie die Stadt seinerzeit übernommen worden ist. Und das ist schon sehr viel, wenn man an die irrsinnigen polnischen Abbrucharbeiten in den südostpreußischen Städten denkt, wo Tausende heil gebliebener Häuser der Spitzhacke zum Opfer fielen, weil man Material benötigte und weil Warschau wiederaufgebaut werden sollte.

 

Tilsit musste aber dafür viel Wohn- und Geschäftsraum für militärische Zwecke hergeben. In der Stadt befindet sich eine überaus starke sowjetische Garnison, die in unzerstörten deutschen Kasernen und anderen inzwischen beschlagnahmten Gebäudekomplexen einquartiert ist. Oft sieht man die Soldaten durch die Straßen zu Übungen marschieren oder fahren. Auch motorisierte Einheiten befinden sich hier.

 

Verschwunden sind in Tilsit auch alle gottesdienstlichen Räume. Keine der religiösen Stätten dient heute noch ihrem alten Zweck, was nicht zerstört wurde, ist heute zweckentfremdet. Wie beispielsweise die Deutsche Kirche, die als Schrottsammelplatz dient. Der Atheismus herrscht ohne Zweifel über die neuen russischen Bewohner der Stadt und hat auch nur die geringste kirchliche Betätigung unterdrückt. Zehntausende von Menschen leben hier ohne Geistliche und ohne Gotteshäuser! Was jedoch in den Herzen und Seelen der Menschen vorgeht, das weiß niemand. Vor allem bei den älteren Russen kann man annehmen, dass der in Tilsit demonstrativ zur Schau gestellte Atheismus nur äußerlich ist. Die Häuser und Wohnungen Tilsits sind auch noch in anderer Weise verändert worden.

 

Man findet nämlich heute kaum ein Haus in der Stadt, in dem nicht Vieh aller Art gehalten wird. Oft wurden dafür keine Ställe gebaut, sondern Wohnräume oder Kellergeschosse genommen. In vielen zur ebenen Erde gelegenen früheren Wohnräumen sind daher heute Schweine, Ziegen, Kühe und Geflügel untergebracht; der Mist wird einfach auf die Straße oder in den Garten geworfen. Die Lebensverhältnisse machen es zur Notwendigkeit, dass sich möglichst jeder Bewohner Vieh hält und zum Selbstversorger wird. Zudem sind Kühe, die in der Stadt gehalten werden, ablieferungsfrei. Wer also die gewonnene Butter oder die Milch frei verkauft, kann mit regelmäßigen guten Einnahmen rechnen oder sich sattessen. Andererseits leiden natürlich die Häuser durch die Unterbringung von Vieh in den Wohnräumen gewaltig und sind nach unseren Begriffen eigentlich für Menschen unbewohnbar geworden.

 

Aus der Stadt ist weiter zu berichten, dass die berühmte Königin-Luise-Brücke mit vieler Mühe wiederaufgebaut worden ist. Der erste Neubau wurde durch eine Überschwemmung vernichtet, aber auch der zweite Neubau wurde wieder in Holz ausgeführt, so dass die Brücke keinen Vergleich mit früher aushält und nicht als sicher gelten kann. Unfälle geschehen immer wieder.

 

Wenig vertrauenerweckend sieht auch Jakobsruhe aus, wo sich heute ein großer Rummelplatz befindet. Hier werden die verschiedensten Vergnügungen geboten. Unter anderem wurde auch ein Turm aufgestellt, von dem man mit dem Fallschirm herunterspringen kann und nach dreimaligem Springen ein „Diplom" über diese Art der vormilitärischen Ertüchtigung erhält. Sonst werden den Besuchern, die gesalzene Preise für den Eintritt bezahlen müssen, Tanzlustbarkeiten und Kneipen geboten, überhaupt findet man jetzt viel mehr Destillen und Schankstellen als früher in Tilsit. Der Alkoholverbrauch ist erheblich. Die Arbeiter der Zellstofffabrik und der Leder-Holz- und Maschinen-Werke haben nicht mehr Bedürfnisse, als den Hunger zu stillen und zu trinken, — mehr bietet „Sowjetsk", wie Tilsit heute heißt, seinen neuen Bürgern ohnehin nicht.

 

Seite 7   Der Tod in der Tucheler Heide. Ein Tatsachenbericht von Bruno Giersche.

Während des ersten Weltkrieges kommt es infolge in Förstermangels zu einem erbitterten Kleinkrieg wischen Forstbeamten und Wilderern.

 

Wer ist der rücksichtslose Mörder, dessen Grausamkeit alles bisher Dagewesene übertrifft. Drei Opfer kommen bereits auf sein Schuldkonto. Die ausgesetzten Belohnungen klettern: 1000, 2000, 3000 Mark. Jetzt ist ihm Förster Gröner auf der Spur, und es gelingt ihm, den Unbekannten beim Auslegen von Schlingen zu stellen.

 

„Das also ist nun der große Schreck der Tuheler Heide", denkt Gröner und geht lautlos mit seiner Büchse in Anschlag.

 

„Hände hoch!" donnert ihn Gröner mit mächtiger Stimme an.

 

Der Folgsame

Der unbekannte Wilddieb ist ganz verdattert von diesem Anruf ganz dicht hinter seinem Rücken. Blitzartig lässt er seinen Kopf nach links und rechts fliegen. Dann ist ihm klar, dass jeder Widerstand zwecklos ist; er kann seine Flinte nicht mehr erreichen.

 

Ruckartig fliegen seine Arme in die Höhe.

„Aufstehen und umdrehen!" befiehlt Gröner, immer noch seine Büchse im Anschlag.

Langsam dreht sich der Unbekannte um. Gröner schaut in ein breites, rohes Gesicht, aus dem ihn ein paar schwarze stechende verschlagene Augen unruhig ansehen. Ein hassverzerrtes Grinsen liegt um den Mund des Unbekannten.

 

„Rechts um!" sagt Gröner. Jener folgt aufs Wort. Indem der Förster den Wilddieb scharf im Auge behält, nimmt er hinter dessen Rücken die Flinte des Wildschützen auf und wirft sie sich über seine linke Schulter. Seine Rechte hält derweil die eigene Büchsess.

 

„Jetzt langsam zum Weg!" bedeutet er dem Wilddieb. „Aber Schritt für Schritt, sonst knallt es!" Willig gehorcht jener. Gröner folgt ihm in ein paar Schritten Abstand; die Büchse noch immer im Anschlag.

 

„So, das Schlimmste war geschafft!" denkt der Förster, als sie den Weg erreicht haben. Er lässt den Wilddieb mit erhobenen Armen etwas weiter vorausgehen und nimmt jetzt seine Büchse unter den Arm.

 

Als er mit dem Kerl an der Pflanzung vorbeikommt, machen die Weiber ganz entgeisterte Augen, und ein erregtes Getuschel hebt unter ihnen an.

 

Gröner ist in bester Laune.

„Bartz!" ruft er zu seinem Haumeister hinüber. „Wenn Sie Mittagspause machen, dann springen Sie mal schnell zu meiner Frau hinüber und bestellen ihr, dass ich heute später zum Essen komme. Ich muss den hier erst beim Gendarmen abliefern! — Und die Oberförsterei soll sie anrufen und durchgeben, dass es mit dem Schrecken der Tuchler Heide vorbei ist!"

 

Mittagsglut

Dann geht er mit dem Gestellten langsam weiter. Es ist Mittagsstunde, und die Sonne sticht heute heiß wie im Juli. Und bis zum Dorf, wo der Gendarmeriewachtmeister stationiert ist, sind es gute eineinhalb Stunden.

 

Der Wilddieb geht langsam und folgt jedem Wink des Beamten. Nur auf eine Frage gibt er keine Antwort. Er will nicht seinen Namen nennen.

 

„Gut!" denkt Gröner. „Das werden wir auf der Gendarmeriestation schon herauskriegen!"

 

Die Hitze treibt dem Förster Schweißperlen auf die Stirn. Er macht es sich bequem und nimmt seine Büchse auch auf die Schulter.

Mit einem kurzen schielenden Blick hat es der Wilddieb wahrgenommen. Dem Förster entgeht es auch, dass jener die Arme nicht mehr richtig hoch hält.

 

Jetzt führt der Weg durch eine hohe Kiefernschonung und wird an beiden Seiten durch

dichtwucherndes Gesträuch eingeengt. Der Wilderer hat seine Schritte unmerklich verlangsamt. Er geht jetzt ziemlich dicht vor dem Beamten und lässt seine verschlagenen Augen nach allen Seiten spielen. Gröner merkt es nicht. Er hat gerade seine Uhr gezogen.

 

Da hat sich der Wilddieb blitzschnell gewandt und ist dem Beamten mit beiden Händen von unten herauf an die Kehle gesprungen.

Ein verzweifeltes Ringen hebt an. Dabei gleiten dem Beamten die Waffen von der Schulter. Als seine entsicherte Büchse auf den Boden schlägt, löst sich der Schuss und peitscht mit lautem Knall durch die mittagsstille Waldruhe.

 

Gröner ist ein großer starker Mann und wehrt sich gegen den Würgegriff des andern mit verzweifelter Entschlossenheit. Aber bald fühlt er seine Kraft erlahmen. Dieser breitschultrige untersetzte Bandit ist jünger und hat ungeahnte Kräfte.

 

Jetzt muss Gröner in die Knie. Jener hält seine Kehle wie in eisernen Klammern. Ein wutverzerrtes Antlitz keucht dicht vor seinen Augen.

 

„Es ist aus!" denkt der Förster und fühlt wie ihm die Sinne schwinden wollen.

Da wirft der Bandit sichernd den Kopf hoch. Dann lässt er plötzlich von seinem Opfer ab, packt die beiden Gewehre und ist im Nu in der dichten Schonung verschwunden.

 

Haumeister Bartz kommt mit zwei Arbeitern atemlos angerannt.

 

„Ich habe den Schuss gehört!" keucht er von der Anstrengung des Laufes. „Und da hab ich gleich gedacht, da muss etwas passiert sein!"

 

„Sie kamen noch eben recht!" keucht der Förster stockend. „Im Angenblick wär's mit mir aus gewesen. — Aber das ist meine Schuld! — — Das ist ja ein ganz gefährlicher Halunke!"

 

Und es bleibt weiterhin ein Geheimnis um diesen gefährlichen Banditen, der fortan immer dreister seine Schandtaten ausübt.

 

Die Schatten des Unheimlichen fallen sogar schon auf das alltägliche Leben in den Forsthäusern. Die Knechte und Mägde in den Förstereien sagen aus Furcht den Dienst auf. Förster und Försterin müssen zusehen, wie sie mit ihrer großen landwirtschaftlichen Arbeit, die ja mit jeder Stelle verbunden ist, allein fertig werden. Die Zustände wurden unhaltbar.


 

Da ging es denn wie ein Aufatmen durch die Forsthäuser als es bekannt wurde, dass die zugesagte Hilfe aus Berlin in Tätigkeit getreten sei.

 

3.

Der Kommissar

In Berlin ist zu dieser Zeit der Kriminalkommissar Busch tätig. Er ist in Fachkreisen als Spezialist für die Aufklärung von Forstverbrechen bekannt. Busch erhält nun eines Tages von seiner Dienststelle im Ministerium den Auftrag, den geheimnisvollen Mörder der Tuchler Heide zu stellen und unschädlich zu machen. Mit diesem Auftrag trifft er am nächsten Tage bei dem Staatsanwalt in Konitz ein.

 

Der Staatsanwalt kann ihm zwei neue wertvolle Fingerzeige für seine Ermittlungen geben, die auf Grund der Steckbriefe soeben eingegangen sind. Da ist zunächst ein Feldpostbrief aus Graudenz eingetroffen. Darin schreibt ein Artillerist, er habe auf der Stube mit einem gewissen Paul Kleinschmidt zusammengelegen, der in einem Ort in der Tuchler Heide beheimatet sei. Dieser gewisse Kleinschmidt habe immer seine Erlebnisse als Wilddieb zum Besten gegeben und habe erklärt, er sei wegen Schlingenstellerei schon mehrmals bestraft worden. Aber er könne davon nicht mehr lassen. Und wenn er bei passender Gelegenheit vom Kommiss loskäme, dann würden sie von ihm bald zu hören kriegen, zumal er mit den Grünröcken, die ihn damals ins Gefängnis gebracht hatten, noch eine alte Rechnung zu begleichen habe. Paul Kleinschmidt sei dann im Sommer 1916 fahnenflüchtig geworden, und kurz danach wären dann ja die ersten Morde in der Tuchler Heide geschehen ---

 

„Ich glaube, dass dieser Hinweis sehr wertvoll ist!" sagte der Staatsanwalt und blickt den Kommissar fragend an.

 

Busch nickt zustimmend. Dann will er weiter wissen: „Und die andere Mitteilung, Herr Staatsanwalt?"

 

„Sie erscheint mir nicht so wertvoll, zumal sie auch anonym eingegangen ist!" fährt er fort. „Da schreibt jemand aus Czersk — das ist übrigens der größte Ort mitten in der Heide — dass sich dort bei einem Schuhmacher Krupak zuweilen ein fremder, verdächtiger Mann von annähernd 40 Jahren aufhalte, der die Schusterfamilie reichlich mit Wildfleisch versorge und allem Anschein nach zärtliche Beziehungen zu der ältesten Tochter des Schusters unterhalte. Der Unbekannte finde sich erst immer nach Anbruch der Dunkelheit dort ein und verlasse das Haus im Morgengrauen durch den Hofausgang, der auf die Hintergasse hinausführe“.

 

Als der Staatsanwalt schweigt, geht Busch noch immer seinen Gedanken nach, indem er dabei die Angaben über den Fahnenflüchtigen Kleinschmidt überprüft, die der Staatsanwalt von der Militärbehörde bereits angefordert hatte.

 

„Es könnte sich bei beiden Anzeigen sehr wohl um ein und dieselbe Person handeln!" meint er dann. „Jedenfalls fahre ich noch heute nach Czersk, um mir diesen Krupak etwas näher anzusehen!"

 

„Sehen Sie zu, Herr Kommissar!" bittet der Staatsanwalt, „dass diese Angelegenheit rasch bereinigt wird. Denn so geht es einfach nicht mehr weiter! Der unbekannte Bandit beherrscht ja uneingeschränkt das ganze Heidegebiet, übrigens ist erst gestern wieder ein Forstbeamter von ihm am hellichten Tage dicht neben der Försterei erschossen worden“.

 

Marinkas Trost

„Ich werde mein möglichstes tun!" sagt Busch. Dann fährt er nach Czersk.

 

Das Haus des Schuhmachers Krupak hat er in dem kleinen Ort von etwa 6000 Einwohnern bald erfragt. In einer kleinen Gastwirtschaft dicht daneben kehrt er ein und erfährt dort Näheres über den Schuhmacher. Krupak ist Witwer von annähernd 70 Jahren. Den Haushalt führt seine Tochter, die bei ihren 38 Jahren noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben habe, dass sich eines Tages doch noch der Rechte für sie finden werde.

 

Vor kurzem habe der Alte einen Gesellen gehabt, mit dem es wohl soweit gewesen sei. Aber seit er zum Militär einberufen sei, habe sich das Verhältnis gelockert. Aber der Marinka — so heiße die Schustertochter — gehe die Sache wohl nicht allzu nahe; denn mittlerweile habe sie sich schon mit einem andern getröstet.

 

Während der Wirt dies erzählt, hat der Kommissar schon seinen Plan gefasst. Er will versuchen, bei dem alten Krupak als Gehilfe unterzukommen. Sollte dies glücken, so hätte er das Haus ständig unter Kontrolle und würde bald wissen, wer der Unbekannte sei, der hier zu so ungewöhnlicher Zeit einkehre. Dass es Kleinschmidt ist, steht für ihn bereits fest. —

 

Und Buschs Plan glückte! Da er die polnische Sprache fließend beherrschte, kam er mit dem alten Krupak bald in Kontakt, zumal er sich als Schuhmachergeselle vorstellte, der vor kurzem als Kriegsversehrter aus dem Wehrdienst entlassen sei. Der Alte kam ihm sogar selber mit dem Vorschlag, er möge bei ihm als Geselle eintreten. Er allein schaffe die viele Flickschusterei nicht.

Busch nahm an und bezog droben im Giebel die Kammer. Wenn er die Treppe hinunterstieg, stand er direkt vor der Tür, die in die kleine Stube der Schustertochter hineinführte.

 

Nun saß Busch also für's erste auf dem Schusterschemel und sohlte und flickte das Schuhzeug. Da er in diesem Handwerk einen Kursus mitgemacht hatte, verstand er etwas von der Sache und machte seine Arbeit zur Zufriedenheit des Alten.

 

Ja, der Alte brachte ihm bald eine gewisse Freundschaft entgegen und weihte ihn in manches seiner kleinen Geschäftsgeheimnisse ein.

 

 Allein zu zweit

Marinka, die Schusterstochter, hingegen, begegnete dem „neuen Gesellen" zunächst kühl

und abwartend. Aber bald wusste sich Busch bei der verblühenden Schönen so gut einzuschmeicheln, dass es ihn Mühe kostete, sich ihrer heißblütigen Natur zu erwehren.

 

rotzdem suchte der Kommissar immer nach einer Gelegenheit, mit ihr allein zusammen zu sein.

 

Die fand sich fast jeden Abend, da der alte Krupak zeitig zu Bett ging. Dann saß er in ihrem Zimmer und suchte zwischen Scherz und Kurzweil seinem Ziele näher zu kommen. Und dabei fiel ihm auf, dass sie gegen 10 Uhr immer unruhig wurde und ihn nur zerstreut antwortete.

 

Skizze: Die Tucheier Heide, der Schauplatz unseres großen Tatsachenberichtes.

 

Länger als bis ½ 11 Uhr hatte sie ihn noch nie in ihrer Stube geduldet. Sie begründete das mit ihrer großen Müdigkeit.

 

Als er eines Abends um diese Zeit in seine Kammer hinaufgestiegen war und sich halbentkleidet auf sein Lager geworfen hatte, war es ihm, als höre er unten in Marinkas Stube Männerschritte.

 

„Lieber Paul"

Leise erhob er sich, schlich unhörbar die Treppe hinunter und lauschte mit entsicherter Pistole an der Tür. Was er dort zwischen den Liebesbeteuerungen der Marinka und dem erregten Flüstern des Unbekannten vernahm, sagte ihm genug. Der drinnen erzählte von einem „Grünen", den er heute "umgelegt"  habe — von einem Rehbock, den er im Holzschuppen an bekannter Stelle für sie versteckt ...

 

Und Marinka nannte den Unbekannten ein übers andere Mal „mein lieber Paul" ...!

 

Dieser Paul sagte jetzt, dass er morgen Abend zur nämlichen Zeit wiederkommen werde.

 

Busch schlich lautlos in seine Kammer zurück. Für ihn gab es keinen Zweifel mehr! Der unbekannte Förstermörder hieß Paul Kleinschmidt! Und Kleinschmidt war im Haus! Mit dem Schlaf des Kommissars war es vorbei. Er überlegte, wie er den Banditen überführen sollte. Dazu brauchte er noch die Bestätigung des Mordes, den der Unbekannte soeben angedeutet hatte. Diese Bestätigung würde wohl morgen im Laufe des Tages vorliegen. Dann könnte er morgen Abend zugreifen.

 

9000 Mark

Der frühe Tag graute schon. Da hörte der Kommissar unten im Zimmer wieder leise Schritte. Dann knarrte die Tür. Im Nu stand Busch am Fenster, von wo er in den Hinterhof sehen konnte. Jetzt schlich dort eine kräftige, untersetzte Gestalt zur Pforte hinaus. Nach der Beschreibung der Militärbehörde war dies Paul Kleinschmidt.

 

Dieser Tag brachte dem Kommissar die endgültige Bestätigung seiner Vermutung. Ein neuer Steckbrief der Staatsanwaltschaft verkündete einen neuen Förstermord.

 

 „9000 Mark Belohnung für den neunfachen Mörder!"

 

Im Schusterhause herrschte heute eine merkwürdige Unruhe. Als Busch das Gespräch auf den Förstermörder lenkte, versuchte der alte Krupak die Rede auf ein anderes Thema zu bringen, indem er noch bemerkte, dass die Forstbeamten sich als Unmenschen gegen die arme Bevölkerung aufführten.

 

Aber nun seien sie mal an ihren Meister geraten. Dem könnten sie nichts anhaben. Der sei kugelfest.

 

Seine Tochter, von der Busch derweil kein Auge ließ, wurde abwechselnd weiß und rot. Sie zitterte und stand plötzlich auf. „Bist du krank?" fragte der Kommissar. (Fortsetzung folgt)

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg - Osdorf Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Allenstein, Schanzenstraße 14. werden die Geschwister Wolfgang-Werner Gravemann, geboren am 15. September 1944. Gerhard Gravemann, geboren am 10. April 1943. Bernhard Gravemann, geboren am 7. Januar 1942 und Günther Gravemann, geboren am 22. Mai 1939 in Allenstein, gesucht von ihrer Großmutter Maria Gravemann, geborene Kortbus, geboren am 15. August 1890. Die Mutter Helene Gravemann, geborene Klimek, geboren am 18. Juni 1917 in Weißkuhnen, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Allenstein, Schanzenstraße 29, wird Gerhard Arndt, geboren am 4. Mai 1944 in Allenstein, gesucht von seinem Vater Ernst Arndt, geboren am 10. März 1921.

 

Aus Allenstein, Trautzigerstraße, bei Czuikowski wird Renate Kostrewa geboren am 5. Mai 1939, gesucht von ihrem Vater Franz Kostrewa, geboren am 9. Mai 1905 und von ihrem Onkel Alexander Hiedels, geboren am 9. Mai 1905.

 

Aus Allenstein, ehemalige Straße der SA 22, werden Inge Tommerdich, geboren am 20. April 1942, und Werner Tommerdich, geboren 1938, gesucht von ihrer Tante Anna Pickarski, geborene Hirschberg. Die Mutter Helene Tommerdich, geborene Hirschberg, geboren am 5. März 1903, wird auch noch vermisst.

 

Aus Dachshausen, Kreis Angerapp, wird Herbert Fritz, geboren am 28. Januar 1942 in Dachshausen, gesucht von seinem Großvater Albert Fritz, geboren am 19. April 1894 in Luisenwalde, und von seiner Tante Hertha Klapproth, geborene Fritz.

 

Aus Eydtkau, Wiesbadenerring 11, wird Hannelore Granitzki, geboren am 16. Januar 1938 in Königsberg, gesucht von Berta Granitzki. geborene Neumann.

 

 Aus Grabowen. Kreis Goldap, wird Helmut-Werner Sell, geboren am 5. September 1939 in Eckberg, Kreis Goldap, gesucht von seiner Mutter Ida Alex, geschiedene Sell, geborene Czerwonka, geboren am 23. Juli 1910 in Kowahlen. Die ältere Schwester Erika-Irmgard Sell, geboren am 31. August 1936 in Langensee, wird auch noch gesucht.

 

Aus Heiligenbeil, Dietrich-Eckhardstraße 15, wird Alfred Rudi Link, geboren am 10. Juni 1942, gesucht von seiner Tante Charlotte Sickelka, geborene Kreutzer. Die Mutter des Kindes, Elisabeth Link, geboren am 25. November 1918 in Heiligenbeil, wird auch noch gesucht.

 

Aus Himmelforth, Kreis Mohrungen, wird Irene Springer, geboren am 20. Februar 1939, gesucht von ihrem Vater Willi Springer, geboren am 26. August 1909 in Himmelforth.

 

Aus dem Waisenhaus in Heilsberg wird Gerd Kalinna, geboren am 25. Mai 1941, gesucht von seinem Vater Wilhelm Kalinna. Der Knabe stammt aus Angerburg und befand sich nach dem Tode seiner Mutter bei einer Familie Kleefeld in Arnsdorf, Kreis Heilsberg. Diese Familie Kleefeld kann vielleicht Näheres über das Schicksal des Knaben Gerd Kalinna aussagen.

 

Aus Königsberg, Friesestraße, werden Margitta Palfner, geboren am 27. April 1943, und deren Mutter Berta Palfner. geborene Becker, geboren am 18. Mai 1898 in Stallupönen, gesucht von Otto Palfner, geboren am 28. April 1893. Frau Berta Palfner wurde 1946 noch in Königsberg/ Preußen gesehen.

 

Aus Lauken, Kreis Ebenrode, werden Otto Mett, geboren am 21. August 1938 in Lauken und Alfred Mett, geboren am 30. Januar 1937 in Lauken, gesucht von Elfriede Hölzler, geborene Mett, geboren am 24. November 1924.

 

Aus Königsberg, Tiepoltstraße 5, wird Gisela Oltersdorf, geboren am 8. Januar 1943 in Görlitz, gesucht von ihrer Tante Erna Pfeiffer, geboren am 30. Oktober 1907 in Görlitz. Das gesuchte Kind Gisela Oltersdorf befand sich in Pflege bei Frau Luci Eilf, geborene Will, die sich jetzt angeblich in der Gegend von Duisburg befinden soll.

 

Aus Mörken, Kreis Osterode, wird Reinhard Malach, geboren am 26. Juni 1944, gesucht von seiner Mutter Agnes Malach, geboren am 28. August 1904. Frau Malach verließ in Könitz für kurze Zeit den Zug, um Milch zu holen. Der weiterfahrende Zug wurde in Schneidemühl beschossen. Das nur leicht verletzte Kind soll am 26. Januar 1945 einer Frau übergeben worden sein, die aus Neustettin stammt und mehrere Kinder hatte.

 

Aus Neuwiese, Post Liebenfelde, Kreis Labiau, wird Hildegard Lehmann, geboren am 10. August 1941, gesucht von ihrer Großmutter Henriette Lange, geborene Fröse. Hildegard Lehmann soll mit ihrer Mutter, die auch noch gesucht wird, 1948 mit einem Transport nach Thüringen oder Sachsen gekommen sein.

 

Aus Preußenwall bei Birkenmühle, Kreis Ebenrode, wird Anneliese Kollwitz, geboren am 2. Dezember 1941 in Gudellen, gesucht von ihrem Onkel Siegfried Warnat, geboren am 29. November 1915.

 

Aus Türen, Post Bernen, Kreis Gumbinnen, wird Willi Naujoks, geboren am 13. - 16. Dezember 1938 in Gumbinnen, gesucht von seiner Tante Johanna Berlin, geb. Naujoks, geboren am 25. November 1903 in Türen. Kreis Gumbinnen.

 

Aus Trakseden, Kreis Heydekrug/Ostpreußen, wird Annilotte Hermann, geboren am 11. April 1941, gesucht von ihrem Großvater Heinrich Barkeit, geboren am 26. Dezember 1889. Das

Kind Annilotte Hermann wurde zuletzt mit seiner Mutter, Helene Hermann, in Neukuhren, Kreis Samland, gesehen. Der Großvater mütterlicherseits soll angeblich nach Sachsen geflüchtet sein.

 

Aus Wabbeln, Kreis Ebenrode, wird Manfred Neubauer, geboren am 6. Februar 1939, gesucht von seiner Großmutter Auguste Bartuschat. Die Mutter Frieda Neubauer und die Schwester Ingrid Neubauer, geboren am 6. März 1936, werden auch noch vermisst. Sie befanden sich zuletzt bei Neufahrwasser — Schiffshalle — bei Danzig. Nach einem Fliegerangriff am 24. März 1945 sind sie dort nicht mehr gesehen worden.

 

Aus Wittenberg, Kreis Preußisch Eylau, wird Jutta-Maria Glitz, geboren am 16. März 1943 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Walter Glitz, geboren am 18. August 1911. Das Mädchen, das sich „Putti" nannte, ging am 28. Januar 1945 im Raum Mahnsfeld-Ramsen-Kobbelbude" verloren. Es soll von einem Soldaten der ehemaligen Hermann-Göring-Division zum Hauptverbandsplatz Ramsen gebracht worden sein.

 

Aus Stolpen, Kreis Allenstein werden Erwin Nehm, geboren am 21. Januar 1941 in Fürstenau und Kurt Nehm, geboren am 29. September 1939 in Fürstenau, gesucht von ihrem Vater Fritz Nehm, geboren am 24. November 1904 und ihrem Bruder Siegfried Nehm, geboren am 23. Oktober 1929. Die Kinder Erwin und Kurt Nehm sind seit dem 23. Januar 1945 mit ihrer Mutter in Gradtken/Ostpreußen vermisst.

 

Aus Schwarzstein, Kreis Rastenburg werden Harald Langhals, geboren im Mai 1941 in Schülzen und Siegfried Langhals, geboren 1938 in Schülzen, gesucht von Willi Obermüller, geboren am 4. Juli 1921. Die Mutter Else Langhals, geborene Obermüller, geboren am 24. August 1919, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Wehrwalde, Kreis Angerapp wird Waltraud Erna Frost, geboren am 8. März 1938, gesucht von ihrer Mutter Gertrud Frost, geborene Buddning. Waltraud Frost befand sich zuletzt in Reichwalde, Kreis Preußisch Holland und ist auf der Flucht, während ihre Mutter wegen Verwundung ins Krankenhaus kam, abhandengekommen.

 

Seite 8   Traditionsgemeinschaft Leichte Flakabteilung 71. Heimatstandort Königsberg Pr.

Am Ostersonnabend und Ostersonntag fand in Kassel ein gut besuchtes Kameradentreffen statt.

 

Am ersten Tag der Begegnung erfolgte eine Aussprache über das Schicksal vermisster Kameraden, über organisatorische Fragen und über die Leistungen dieser erfolgreichen und bewährten ostpreußischen Truppe während des zweiten Weltkrieges. Hierbei stand im Mittelpunkt der Veranstaltung ein übersichtlich angelegter und fesselnd vorgetragener Bericht des Kameraden Werner Grodde.

 

Am Ostersonntag legten die Tagungsteilnehmer am Gefallenen-Ehrenmal in der Karlsaue einen Kranz zum ehrenden Gedenken an die Opfer des Krieges aus den Reihen der Abteilung nieder. In die Erinnerung eingeschlossen wurden alle, die für Deutschland ihr Leben dahin gegeben haben, dazu die alte Garnisonstadt Königsberg und die ganze Provinz Ostpreußen.

 

An diesen Festakt schloss sich ein Besuch von Kassel-Wilhelmshöhe bei prächtigem Sonnenschein und dann eine weitere Aussprache nach gemeinsamem Mittagessen. Ein geselliger Abend beendete das Treffen.

 

Der Hauptverdienst an der Vorbereitung und Durchführung des gelungenen Treffens gebührt dem Kameraden Heinz Stobbe aus Kassel. Ihm wurde mit Recht aus dem Kreise der Erschienenen mehrmals für seine Mühewaltung gedankt. Den schönsten Dank bildete jedoch die Anwesenheit von Kameraden aus weit entlegenen Wohnsitzen, z. B. aus dem Schwarzwald, aus Hamburg und sogar aus Wien. Gar mancher, der an der Fahrt nach Kassel verhindert war, hatte telegraphische oder schriftliche Grüße geschickt, unter ihnen General der Flakartillerie a. D. Odebrecht, der Abteilung erster Kommandeur, und Oberst Werner Jacobson. Namentlich erwähnt sei die Teilnahme des Oberst a. D. Bodo Jacobson.

 

Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass dem nächsten Aufruf zu einem Wiedersehen noch mehr Angehörige der Abteilung folgen werden. Dr. Hugo Novak, Weidenau/Sieg. Nordstr. 10.

 

Seite 8   Ehem. Luftgau I Ostpreußen und Danzig

Als ehem. Befehlshaber im Luftgau I Ostpreußen und Danzig vom Jahre 1939/1940 rufe ich zur Bildung, einer Kameradschaft Luftgau I alle ehem. Soldaten, Beamten und die zivile Gefolgschaft einschl. der Frauen auf, wann und wo sie auch immer tätig waren und im Kriege bis zum bitteren Ende im harten Winter 1944/1945 gekämpft und geblutet haben.

 

Unsere Aufgaben sollen sein: Unterstützung besonders der Hinterbliebenen in der Klärung ihrer berechtigten Versorgungsansprüche: Hilfe bei der Klärung der noch zahlreichen Vermisstenschicksale; Pflege der Tradition und der Kameradschaft unserer unvergesslichen Luftwaffe und Fühlungnahme und dauernde Verbindung mit der jungen Luftwaffe der Bundeswehr.

 

Bereits bestehende Zusammenschlüsse einzelner Verbände werden sich der Kameradschaft zweckmäßig anschließen, denn nur in der Einigkeit und Geschlossenheit. werden wir diese, unsere Aufgaben erfüllen können.

 

In diesem Geiste grüße ich alle, die gewillt sind, in unsere Reihen zu treten, in kameradschaftlicher Verbundenheit! gez. Mußhoff, General d. Fl. a. D.

 

Alle die „Kameradschaft Luftgau I" betreffenden Nachrichten werden vereinbarungsgemäß im Bundesorgan des „Luftwaffenrings e. V.", das monatlich erscheint, veröffentlicht. Beitrittserklärungen zur Kameradschaft sind zu richten an: Hauptgeschäftsstelle „Der Luftwaffenring e. V." in Bremen 17, Postfach 7025. Auskünfte erteilt der Schriftführer. Kamerad Wilhelm Gramsch, 20a) Celle, Waldweg 83.

 

Seite 8   Kindersteckbriefe mit Fotos.

Name: Schwarz;

Vorname: Brigitte;

geboren etwa 1941/1942.

Haar: dunkel.

Das Kind stammt aus Eichwalde, Kreis Labiau/Ostpr. Brigitte und die Mutter Minna Schwarz erkrankten und wurden am 18. September 1947 in das Städt. Krankenhaus in Tauroggen eingeliefert. Dort ist die Mutter am 20. September 1947 verstorben. Der Vater des Kindes soll Soldat gewesen sein. AI/M-01520.

 

Name: Mai (May);

Vorname: Peter;

geboren etwa 1942.

Augen: braun.

Haar: braun.

Der Knabe kam 1947 mit einem Kindertransport vermutlich aus Königsberg, Palmnicken oder Pobethen in das Quarantäne-Lager Seltz, Kreis Demmin. Er erinnert sich, dass der Vater Willi Mai von einem Trecker tödlich überfahren wurde und der Opa „Max" heißt. Mit seinem Opa sind seine Mutter Margarete Mai, die Schwester Brigitte Mai und Bruder Rolf Mai gemeinsam mit einem Pferdegespann geflüchtet. In Königsberg haben sie sich getrennt, weil der Opa eine andere Richtung fuhr. Die Mutter soll dann in Königsberg in einer Gärtnerei gearbeitet haben. Später soll sie und die Schwester verstorben sein. 01450.

 

Name: Wegrowski;

Vorname: Peter;

geboren 25.11.1944 in Allenstein.

Augen: blaugrau.

Haar: hellblond.

Die Mutter des Jungen heißt Anna Agnes Wegrowski und soll zuletzt in Allenstein, Zeppelinstraße 15b, gewohnt haben. 0 1573.

 

Seite 9   Foto: Treppenaufgang in einem Winkel des Konigsberger Schlosshofes. Die Figur stellt den ersten Hohenzollern in der Mark, Kurfürst Friedrich I., dar. Foto; Löhrich

 

Seite 9   Foto: Hoftor in Groß-Albrechtsdorl, Kreis Ortelsburg. Gehöft der Familie Orlowski Foto: Schlusnus

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Meinhard Mühlpfordt

XiX. Der Veilchenberg.

Es war ein zweiter Ausflug für meine kleinen Beine, wenn mein Vater am Sonntag einen Morgenspaziergang mit uns Kindern machte und als Ziel den Veilchenberg angekündigt hatte.

 

Denn dieser raue und ungepflegte Berg lag wie vor den Toren der Stadt und fiel jählings nach Süden und Westen ab; zu seinen Füßen lag ein altes Lokal, das bis zum bitteren Ende beliebt blieb: die „Neue Bleiche“. Dorthin strömte die Bevölkerung an Sonntagnachmittagen, denn auch dort, wie in allen „Etablissements“ auf den Hufen, vor dem Königstor und überall sonst im Grünen, galt der Satz: „Familien können Kaffee brühen“. Für die Kinder aber war es das Schönste, dort den langsam nach Juditten oder Metgethen vorbeischleichenden Zügen zuzuwinken. Und den Fahrgästen im Zuge wieder war es ein Vergnügen, die lachenden und frohen Kinder dicht gedrängt in ihren hellen Sonntagskleidchen am Zaun stehen und winken zu sehen.

 

Unternahm man also im Jahre 1898 die lange Wanderung durch die Stadt, den Volkspark, wo die alte Besselsche Sternwarte stand, durch das unheimliche Ausfalltor, in dessen düsterem Tunnel die Schritte hohl widerhallten, an dem Wasserfall des Festungsgrabens rechter Hand dahinter, der aus dem Himmel herabzustürzen schien, vorbei, so kam man in steter Steigung über den langen Rücken des gewaltigen Berges auf die Höhe. Sogleich bot sich ein weiter, weiter Blick über Pregel und Haff.

 

Noch keines der großen Bauwerke zunehmender Kultur und Zivilisation, die vierzig Jahre später den Blick beengten, stand damals dort: es gab noch nicht den mächtigen, die Abwasserleitung über die tiefe Hufenschlucht führenden Viadukt, keine Psychiatrische Universitätsklinik stand gegenüber auf dem kahlen Rücken, der wogende Getreidefelder trug, kein Elektrizitätswerk, kein Straßenbahndepot, keine Gasanstalt, kein Kühlhaus, kein Bahnhof kein Hafenbecken IV mit neuem Getreidespeicher keine Spulchenfabrik waren vorhanden, lediglich der mächtige Kornsilo und die gewaltige Walzmühle störten die gerade Linie des Horizontes bis zum Haff.

 

Aber diese damals ganz neuen, auf die Initiative des Vorstehers der Kaufmannschaft Richard Posselt erbauten Gebäude — sie waren 1897 fertig geworden — wurden als ein Wunder der Technik angestaunt, war der Kornsilo damals doch der größte Getreidespeicher Europas! Ich habe übrigens diese beiden Gebäude, die den Stil der langen Linie schon 25 Jahre vorwegnahmen, architektonisch immer als schön empfunden; besonders herrlich war der Anblick, wenn man, von Pillau kommend, die fielen Fenster dieser Riesen im glutenden leuchten der Abendsonne erstrahlen sah.

 

Blickte man jedoch nach Osten, so winkte aus dem Grün — damals, wie bis zur Schicksalsnacht — der hohe Turm der Neuroßgärter Kirche herüber mit seiner riesigen Uhr und der wunderschönen welschen Haube, die den Fischern auf dem Haff zur Landmarke diente. Rechts davon hinter dem Festungsgraben aber tauchte das bescheidene Geleise der 1865 fertigstellten „Lizentbahn" in dem schwarzen Tunnel unter.

 

Tief unter uns auf dem für Zivilisten verbotenen Wege zum Glacis — später der „Schwarze Weg" genannt —, wo damals schon die schönen Kanadischen Pappeln hoch in den Himmel ragten, stand ein kleines Häuschen, um das stets ein Soldat in blauer Uniform mit blitzender Pickelhaube und geschultertem Gewehr herumwanderte. Es war ein „Pulverhäuschen", — heute sagt man Munitionsbunker. Nach solchem Häuschen hatte auch der Pulversteg,  der von Cosse heraufführte, seinen Namen. Wenn ich diesen Soldaten sah, musste ich immer an das Liedchen von Hauff denken, wo der Soldat in finstrer Mitternacht auf stiller Wacht steht.

 

Damals trug der Veilchenberg seinen Namen noch mit vollem Recht; es war dort im Frühling alles blau von Veilchen. Die Rücksichtslosigkeit der Königsberger gegen diese lieblichen Frühlingsboten hat sie dann in zwei Jahrzehnten restlos ausgerottet.

 

In früherer Zeit war der Veilchenberg verrufen, denn dort stand das Altstädtische Hochgericht -- der Galgen, nachdem die früheren Richtstätten auf dem „Büttelplatz" (später eine Zeitlang „Strohmarkt") und „dem Platz an den drei Galgen" (dem späteren „Heumarkt") durch das Wachsen der Stadt in ihren Bannkreis einbezogen worden waren.

 

Auf dem Veilchenberg war es, wo wir dann im Jahre 1910 den mit großer Neugierde erwarteten und in allen Zeitungen vorher groß angekündigten Halleyschen Kometen beobachteten. Er sollte früher doch ein mächtiger Schweifstern gewesen sein — aber ach — er hatte, als er pünktlich kam, inzwischen irgendwo im Weltall seinen schönen langen Schweif ziemlich eingebüßt und war nur noch ein armseliger Vertreter seiner Gattung — immerhin aber der einzige, den ich in meinem Leben zu sehen bekommen habe.

 

In den viel geschmähten 15 Jahren nach dem ersten Weltkriege, in denen Königsberg dank der klugen Entfestigungspläne des Stadtbaurates Beuster und der Geschicklichkeit des Stadtgartendirektors Schneider die wunderschöne „Stadt im Grünen" wurde, wie nur sehr wenige im Reich, wurde auch der Veilchenberg umgestaltet. Jetzt bot er inmitten herrlicher Rosenhecken die schönsten Winkel — nicht zuletzt sei hier der krönenden Kuppe gedacht. Und im Winter war er ein Tummelplatz und Paradies der Skiläufer.

 

Selbst wenn die Russen ihn jetzt zur Festung gemacht haben sollten — ihn werden wir gewiss einmal wiedersehen, denn Berge zu versetzen vermögen auch die Russen nicht!

 

Mit dem Wunsche, dass es uns allen, die ihre Vaterstadt in der Fremde nur noch heißer zu lieben gelernt haben, vergönnt sein möge, in sie recht bald zurückzukehren, sie aufzubauen und sich ihrer stillen Winkel wie einst zu erfreuen oder zu erinnern, schließe ich diese Aufsatzreihe.

 

Seite 9   So war der Frühling.

So war der Frühling in meiner Stadt —

die Spatzen hockten am Weg und froren

wie Wollknäuel, die jemand verloren

und dann nicht aufgelesen hat.

 

Der Frost saß nachts noch am Straßensaum

und legte Glasscherben auf die Pfützen,

doch schon betupften wie grüne Mützen

die ersten Knospen jeden Baum.

 

Die alten Häuser spürten die Gicht

vom Winter her in den krummen Wänden

und fassten mit roten Ziegelhänden

begierig ins weiße Mittagslicht.

 

Sie ließen willig den warmen Strom

der Sonne an ihre Schwellen branden,

und ihre buckligen Schatten standen

wie schwarze Katzen rings um den Dom.

 

Die Abende glänzten blau und matt.

Wie Seidentücher an jungen Frauen

wehten die zärtlichen schleierblauen

Abende hin über meine Stadt. Tamara Ehlert

 

Seite 9   Blick nach Memel / Von Ludwig Passarge

Ich machte mich auf und ging längs dem Haff, bald am Strande, bald auf der steilen Uferhöhe, nach Norden zu, der Dünenwelt entgegen, in die ich schon vom Dampfboot aus einen Blick geworfen hatte. Die Eichen und Kiefern des Waldes, die man als einen Urwald wohl bezeichnen kann, zeigen die schönsten Formen, so dass ich mir das Entzücken eines Malers denken darf, der hierher käme, um zu studieren ...

 

Ich ging weiter durch das dichte Wacholdergebüsch des Waldes; ich wusste, was ich zu erwarten hatte, und doch, da ich nun an die letzte Waldecke kam, der Wald nach links zurücktrat, einen bewaldeten Zirkus, die Grekinn, bildend, und mir gerade gegenüber ein ungeheurer Dünenwall sich bis in das Haff zur Rechten niedersenkte, da war mir doch zumute, als ob sich mir ein Unerhörtes, Ungeahntes vor das Auge stelle, etwas so Erhabenes und so Erdrückendes, dass es durch meine Nerven bebte und ich erschüttert stille stand. Und glaube man nicht, dass es ein zufälliger Eindruck von dieser Größe war. Ich behaupte, nachdem ich ruhig geworden, dass ich mit diesem Anblicke nichts vergleichen kann, als den des Meeres oder der Alpen ...

 

Von der Höhe des ersten Hügels, gleich über dem bedrohten Walde, gibt es eine wunderbare Umschau. Nach Norden, bis nach Memel erstreckt sich die unübersehbare Sandwüste, begrenzt von den beiden Meeren. Nach Süden sieht man weit über den Schwarzorter Wald, der sich fast eine halbe Meile lang hin dehnt, bis dahin, wo sich die Dünen der Nehrung im Horizonte verlieren, wahrscheinlich bis Nidden; ein gewaltiger Anblick.

 

Über dem Haff zur Linken glänzte die Sonne, so dass die ganze Wasserfläche glitzerte und das Auge geblendet den Anblick kaum ertragen konnte, in weiter Ferne verlor sich die Fläche und man erblickte das jenseitige Ufer des Haffs, flach und ohne hervortretende Punkte. Zur Rechten aber über dem tiefdunklen Meere standen Gewitterwolken, die allmählich den Himmel bezogen und nun mit der Sonnenhelle im Osten einen Kontrast bildeten, der schärfer gar nicht zu denken war. Die Nehrung bildete gerade die Wasserscheide. Bald wurde sie in tiefsten Schatten gehüllt, bald glänzte der Dünensand im grellsten Sonnenlichte.

 

Wohl befindet sich der Wanderer nur 170 Fuß über dem Niveau der See; aber nicht die Dinge an sich bestimmen den Eindruck, sondern die Vorstellung von ihnen, und der Fremde wird sich mit eigentümlichen Empfindungen vergegenwärtigen, dass diese Masse, darauf er steht, aus unzähligen Sandkörnern, also aus Individuen besteht, welche aus dem Meere aufgebaut, weitergewandert, sich aneinandergeschlossen und endlich diesen Berg gebildet haben. Ein jedes dieser Körner ist eine Stunde lang gewandert, hat Flügel gehabt, ist von der Luft davongetragen und nach kurzem Leben zu Boden gefallen und von den nachfolgenden Genossen begraben worden. So ruht es jahrelang, erst dicht unter der Oberfläche, dann weiter, tief im Schoße des Berges. Aber wie die Jahre verrinnen, nähert es sich mehr und mehr seiner Auferstehung auf der andern Seite des Berges. Es fällt die Hülle. Der Wind stürzt in den Berg. Wieder das kurze Traumleben.

 

An dieses Schicksal eines Sandkornes wird der Wanderer gemahnt, wenn er auf der Gipfelkante steht und den Blick rings um sich schweifen lässt. Dort ein Meer, hier das andere. Ein reiches Fruchtland ringsum bedroht von Unholden, die, in den glühenden Nebelduft verschleiert, verschwommen daliegen.

 

Und die nächste Nähe wird zur fernsten Ferne.

 

Seite 9   Alle Jahre wieder

Der Instmann Karl M. ist ein tüchtiger Mensch und hat auch eine kinderreiche Familie. Alle Jahre war Familienzuwachs in der Wiege. Der Bauer, bei dem er arbeitete, gab jedes Mal den Wagen her, um zur Kindtaufe zur Kirche zu fahren, und auch einen Korb voll guter Sachen zum Schmaus. Als Karl nun wieder kommt und um den Wagen zur Kindtaufe bittet, da sagt der Bauer: „Karl, all wedder?" „Ach Herr", meint Karl, „es is man bloß alle Jahr einmal!"

 

Seite 9   Ostertreffen der Staatlichen Hufenoberschule für Mädchen-Königsberg

Am ersten Osterfeiertage fand in Hildesheim das zweite Treffen der Staatlichen Hufenoberschule für Mädchen, Königsberg, statt. Der ehemalige Direktor, einige Lehrkräfte und viele ehemalige Schülerinnen waren von nah und fern der Einladung nach Hildesheim gefolgt. Es gab ein frohes Wiedersehen und Wiederfinden, und viele alte Erinnerungen wurden ausgetauscht und alte Verbindungen wieder neu geknüpft. Herzlich begrüßte Oberschullehrerin Schmidt, in deren Hand auch diesmal wieder die Organisation des Treffens lag, die Teilnehmer. Studienrätin Dr. Sprang drückte ihre Freude über das Gelingen einer solchen „Reise in die Vergangenheit" aus. Bis zum späten Abend saß man noch beisammen, und eine Reihe von Teilnehmern verabredete sich auch noch für die nächsten Tage zu gemeinsamer Stadtbesichtigung und Wanderungen in die Umgebung.

 

Um den Teilnehmerkreis bei ihren jährlichen Treffen von Mal zu Mal zu erweitern, wurde angeregt, die Zusammenkunft jeweils an einem anderen Ort des Bundesgebietes durchzuführen, um so allen Ehemaligen der Schule die Möglichkeit des Dabeiseins zu geben. Studienrätin Irmgard Tolkmitt, Düsseldorf

 

Seite 9   Ehem. Sackheimer Mittelschüler

Die Vereinigung der ehem. Sackheimer Mittelschüler Königsberg/Pr. hält ihr Jahreshaupttreffen 1957 zu Pfingsten in Hamburg ab und ladet alle ehem. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler unserer Schule auf das herzlichste ein. Anlässlich dieses Treffens findet für alle Teilnehmer aus dem Rheinland und Westfalen eine Omnibusfahrt zu einem verbilligten Fahrpreis statt. Der Ausgangspunkt der Fahrt ist Duisburg (über Düsseldorf nach Hamburg). Die Abfahrtzeiten sind: Pfingstsonnabend 14 Uhr ab Duisburg und 15 Uhr ab Düsseldorf. Soweit noch Plätze vorhanden, können auch ostpr. Landsleute, die nicht Mitglied unserer Vereinigung sind, an dieser Fahrt teilnehmen und sich bei dem 1. Vorsitzenden, Schulk. Herbert Minuth. Düsseldorf, Suitbertusstraße 34. anmelden bzw. Auskunft einholen. Der Meldeschluss ist der 20. Mai, die Einzahlung des Fahrpreises ist bis zum 1. Juni vorzunehmen. Die Rückkehr ist für Pfingstmontag, zirka 22 Uhr vorgesehen.

 

Das Programm des Treffens sieht folgendes vor:

Am Pfingstsonnabend, zirka 21 Uhr: Eintreffen des Omnibusses in Hamburg im Tagungslokal der Vereinigung „Zum Elch", Hamburg 21, Mozartstraße 27 (Straßenbahnlinien 14 und 15 bis Mozartstraße). Kurze Begrüßung.

 

 Am Pfingstsonntag. 15 Uhr: Eröffnungsfeierstunde im Tagungslokal mit anschl. Kaffeetafel und gemütl. Beisammensein. Das Tagungslokal ist tagsüber geöffnet, und auch am Vormittag steht der Vorstand zu Auskünften zur Verfügung.

 

Pfingstmontag. 10. Juni: Besuch bei Herrn Mittelschulrektor i. R. Willy Zeil in Sauensiek bei Buxtehude. Näheres darüber im Tagungslokal. Zirka 12 Uhr: Begrüßung durch Herrn Rektor Zeil. Anschließend gemeinsames Mittagessen und Kaffeetafel. Zirka 16 Uhr: Verabschiedung und Rückfahrt.

 

Wir erwarten eine recht rege Beteiligung und versprechen einen guten Verlauf unseres Wiedersehens.

 

19. Mai beim Bundestreffen der Ostpreußen in Bochum treffen wir uns nach der Großkundgebung in derselben Halle an einer besonders gekennzeichneten Stelle im Bezirk „Sackheim" und erwarten auch hier eine gute Beteiligung. Der Vorstand.

 

Seite 10   „ Die Welt will betrogen sein“. Wie zwei Sachsengänger ein Schauspiel gaben.

Der Titel dieser Geschichte ist gleichzeitig, der eines Theaterstücks. Trotzdem sich der Vorhang vor dem Premierenpublikum nicht gehoben hatte, wird man es doch dem Autor uneingeschränkt und einstimmig bestätigen müssen, dass es recht erfolgreich über die Bretter gegangen war. Weniger Einstimmigkeit herrschte allerdings darüber, ob das gelungene Stück in die Kategorie der Komödie oder des Trauerspiels einzureihen sei. Die Veranlassung zu diesem Streit war eine ganz verzwickte Geschichte, die uns wert genug erscheint, der Vergangenheit entrissen zu werden.

 

Es mag ein Menschenalter zurückliegen. Damals war es der Brauch, dass alljährlich im zeitigen Frühjahr aus den Ortschaften um Berent und Karthaus die sogenannten „Sachsengänger" nach Westdeutschland zogen, wo sich ihnen bessere Verdienstmöglichkeiten in der Landwirtschaft und Industrie boten als daheim. In diesem regelmäßigen Treck waren stets auch der Johann Klatt und der Andreas Köhn zu finden, zwei schlagfertige Burschen mit viel Mutterwitz und gesundem Menschenverstand. Sie ließen sich alljährlich von einer Kieler Firma als Bauarbeiter anwerben und waren hier als tüchtige Kräfte sehr geschätzt.

 

Diese Tatsache aber machte die beiden übermütig. Dass sie einige Male verspätet auf der Arbeitsstelle erschienen, ließ man ihnen noch durchgehen; als sie aber einmal den ganzen Montag blau machten, wurden sie fristlos entlassen. Da war nun guter Rat teuer. Das Geld hatte ihnen alleweil locker in der Tasche gesessen, so dass sie nun völlig mittellos dastanden.

 

„Was soll jetzt werden?" meinte der Andreas Köhn. Hannes Klatt, der gerade mit seinem knurrenden Magen Zwiesprache hielt, antwortete vielsagend: „Für's erste werden wir uns nach einem ordentlichen Frühstück umsehen müssen!"

 

„Hannes!" unterbrach ihn der Andreas ängstlich. „Ich weiß, wie du das meinst! Aber betteln geh ich nicht!" „Aber — wer redet denn vom Prachern!" empörte sich Klatt. „Meinst, ich lass mich von einem Blitzkopp abführen? — Im Übrigen: lass das mit dem Frühstück nur meine Sorge sein!"

 

Sie waren inzwischen hinter den letzten Häusern der Vorstadt ins freie Land hinausgekommen, und nach einem strammen Fußmarsch von einer Stunde lag das erste Dorf vor ihnen. Hier muss nun gesagt werden, dass damals die Bauern schlimme Wochen durchmachten. Die Schweinepreise fielen beständig, und es war dem Landwirt in jenen Tagen nicht möglich, sein Borstenvieh zu einem lohnenden Preis abzusetzen. Auf diese Tatsache hatte der Hannes Klatt seinen Plan gegründet.

 

Gleich auf dem ersten Hof sprach er vor und stellte sich zum Entsetzen seines Kumpanen als Aufkäufer einer bekannten Kieler Großschlachterei vor. Der Bauer war glücklicherweise auf dem Feld. So bot Klatt denn der Bäuerin einen Preis, der sich hören ließ. Die Bäuerin, erfreut darüber, ein so gutes Geschäft zu machen, führte die Herren in den Stall. Klatt warf einen flüchtigen, aber fachmännisch abschätzenden Blick auf die fünf prächtigen Tiere, streckte darauf der Bäuerin die Rechte zum Handschlag hin und sagte bloß: „Verkauft!"

 

Dann fuhr er im Ton des nüchternen Geschäftsmannes fort: „Es wird ihnen sicher bekannt sein, dass unsere Firma kein Handgeld zahlt. Morgen früh kommt unser Wagen und holt die Tiere ab. In Kiel werden sie gewogen, und sie erhalten dann das Geld bar auf den Tisch gezählt. — „Einverstanden?"

 

Die Bäuerin nickte glücklich über den — wie sie meinte — so raschen und guten Handel  und lud ‚die Herren‘ zu einem Imbiss in die gute Stube. Die beiden ließen sich nicht lange bitten und machten von der freundlichen Aufforderung ausgiebigen Gebrauch. Sie entwickelten dabei einen Appetit, der die Bäuerin in einiges Erstaunen versetzte. Als der Tisch leer war, empfahlen sich die beiden mit seltsamer Eile. In diesem und in den nächsten Dörfern machten sie vorerst keine weiteren Geschäftsabschlüsse mehr.

 

„Das Frühstück haben wir nun hinter uns", schmunzelte der Hannes. „Wirklich, ein anständiges Frühstück, das zur Not einen Tag über vorhält", musste auch der Andreas zustimmen.

 

„Richtig", lachte der andere. „Nun fehlen uns bloß noch ein paar Groschen zu unserem Glück. Denn es ist ein jämmerliches Gefühl, in der Fremde mit leeren Taschen auf der Straße zu liegen“.

 

Das soll wohl wahr sein! Aber wie willst du hier auf redliche Art und Weise zu Geld kommen?" Der Hannes machte ein vielsagendes Gesicht. „Ich kenne oben auf der Geest ein abgelegenes Dorf. Da müssen wir hin. Übrigens ist dort kein Gendarm stationiert!" „Also ist es doch eine unsaubere Sache, die du vorhast!" bangte der Köhn. „Das verbitt ich mir bei aller Freundschaft! Du weißt selber, wie genau ich es immer mit Recht und Gesetz nehme“.

 

Da schwieg der andere, und sie trotteten recht einsilbig nebeneinander den einsamen Weg entlang, der sie nach drei Stunden das kleine abgeschiedene Geestdorf erreichen ließ.

 

Hannes Klatt betrat als erster die winzige Gastwirtschaft, begrüßte den Krüger hinter der Theke und hielt auch nicht lange mit seinem Anliegen zurück: „Zwei fahrende Künstler geben sich die Ehre, die Bewohner ihres Ortes zwei Stunden lang mit einem lustigen Programm zu unterhalten, wenn sie uns für diesen Zweck heute Abend ihre Gaststube zur Verfügung stellen“.

 

Der Wirt, der durch diese Schaustellung auch für sich einen kleinen Gewinn abfallen sah, gab ohne Zögern seine Einwilligung. Er bestellte sogar persönlich den alten Nachtwächter, der im Dorfe folgende Bekanntmachung ausklingeln musste: „Heute Abend um acht Uhr wird im Dorfkrug die heitere Vorstellung: ,Die Welt will betrogen sein' gegeben. Erwachsene zahlen zwanzig Pfennig, Kinder die Hälfte auf allen Plätzen!"

 

Derweil der Nachtwächter diese Botschaft bekanntgab, zimmerten Hannes und Andreas in einer Ecke der Gaststube, wo ein kleines Fenster in den Garten führte, eine behelfsmäßige Bühne zusammen. Zum Schluss stückelten sie aus alten Kartoffelsäcken den Vorhang zurecht, auf dem sie ein Pappschild befestigten, das in großen ungelenken Buchstaben die Aufschrift trug: „Die Welt will betrogen sein!"

 

In der Tat, der Titel besaß Zugkraft. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung waren sämtliche Sitz- und Stehplätze ausverkauft. Andreas Köhn saß mit einer Zigarrenkiste vor der Tür; der Kassenüberschlag ergab 15,20 Mark. Das übertraf die höchsten Erwartungen. Er beglich beim Wirt die Tageszeche, entlohnte den Nachtwächter mit einer halben Mark für seine Mühewaltung und begab sich dann zu seinem Gefährten hinter den Vorhang.

 

Schon ertönte das erste Klingelzeichen. Die Gespräche ebbten ab. Nun das zweite Klingelzeichen, und es wurde ganz still in dem Raum.

 

Doch auf das dritte Klingelzeichen wartete das Publikum vergeblich. Als endlich ein paar Ungeduldige den Mut aufbrachten, hinter dem Vorhang nach dem Rechten zu sehen, machten sie sehr lange Gesichter. Denn die beiden Künstler waren durch das offene Fenster längst über alle Berge. Wie zum Hohn prangte auf dem Stuhl mitten auf der Bühne das Schild mit der inhaltsschweren Aufschrift: „Die Welt will betrogen sein!"

 

Ein Sturm der Empörung tobte durch den Raum. Endlich begriffen ein paar von den Alten und deuteten mit zornigem Gelächter auf das Pappschild.

 

„Die Welt will betrogen sein! Nun, ihr Leut", erklärten sie den übrigen, „diese Vorstellung haben uns die zwei Galgenvögel richtig gegeben, wenn sie auch nicht nach unserem Sinn war“.

 

Und genau der gleichen Meinung war auch der Hannes Klatt, der sich fernab des Tatortes auf nächtlicher Landstraße darum bemühte, die bangen Zweifel seines Kumpanen zu zerstreuen. „Nein, Andres", beschwichtigte er ein über das andere Mal, „hier ist nichts gegen Gesetz und Recht geschehen. Oder willst du's etwa bestreiten, dass es keine Schaustellung zu dem angekündigten Thema war?"

 

Trotz dieser einleuchtenden Rechtfertigung hielt es aber auch der Hannes Klatt für ratsam, den Staub Holsteins von den Füßen zu schütteln und für eine gewisse Zeit im angrenzenden Niedersachsen unterzutauchen. Bruno Giersche

 

Seite 10   Freud und Leid

„Wenn die Freude pocht, das klingt so traut,

wie ein süßer, heller Frühlingslaut.

„Freude, liebe Freude, schnell herein!

Liebe Freude, lang schon harr' ich dein!“

Und sie lächelt, legt den Mantel ab.

„Weißt du, was ich hier im Bündlein hab?

Viel! Mich dünkt, es reicht für jeden Tag!

Eine Rose, einen Finkenschlag,

eine Arbeit, die dir wohl gelang,

einen Groschen Spargeld, blink und blank,

einen Freundesgruß, ein Sonntagskleid,

für die Armut Brot und Wein bereit,

Kinderjubel unterm Weihnachtsbaum,

über Gräbern einen Ostertraum,

eine Eichenheimat, lenzdurchweht,

grün und licht, drin jeder Deutsch versteht,

deiner Lieben Liebe inniglich!

Nimm dir etwas, nimm — und freue dich!“

 

Pocht das Leid, das klingt so tief und bang,

wie ein windverwehter Glockenklang.

„Böses, liebes Leid, wer schickte dich?

Ach, ich träumte! Warum weckst du mich?"

Doch es lächelt, legt den Mantel ab:

„Weißt du, was ich hier im Bündlein hab?

Für das Auge lichten Perlenglanz,

für die Stirn einen leuchtenden Siegerkranz,

für die Seele heiliges Verstehn,

für die Brust ein Kreuz. Nun bist du schön!

Flügel noch! Dein Sehnen steuert dich!

Nimm, nimm alles hin — und segne mich!“

 

Freud und Leid, ich beuge tief mein Haupt.

Seid mir willkommen! Meine Seele glaubt —

glaubt, dass durch euch, ob sie auch fehlt und irrt,

ihr dennoch endlich die Vollendung wird!

Formt denn und biegt mein Herz! Es gibt sich drein,

Lacht und weint sich still in Gott hinein.

Frieda Jung (1865 - 1929)

 

Seite 10   Frühlingslied

Nun brennen wieder die Kastanienkerzen

Und lodern ihre Inbrunst Tag und Nacht

Verschwendrisch aus, und haben alle Herzen

Zu einem großen Liebesbrand entfacht.

 

O Erde! Erde! Wie aus Urwelttiefen

Rufst du das Leben auf zu neuer Glut;

Uns allen, die wir wintermüde schliefen,

Erregtest du das stockend schwere Blut.

 

Betörend schweben Wonnen in den Lüften

Und jeder Zweig ist uns ein Zauberstab.

Bunt blühen Blumen über kalten Grüften,

Musik tönt über jedes frische Grab.

 

Denn wieder brennen die Kastanienkerzen

Und leuchten Liebenden die ganze Nacht.

Sie haben ungestüm in allen Herzen

Aus Qual und Lust den Lebensbrand entfacht.

Josef Schneider

 

Seite 10   Foto: Die Heilsberger Mühle vor ihrer Zerstörung im 1. Weltkrieg.

 

Seite 10   Die Heilsberger Mühle. Erinnerung an ein verlorenes Paradies / Von Gisela Gembicki.

„Ach Jottchen nein, sie kommen all wieder!" Diesen abgrundtiefen Seufzer stieß jedes Mal unser alter Mühlenmeister aus, wenn er mich und meine mehr oder weniger sauberen Spielgefährten zur Mühle ankommen sah. Nein, wir gingen nicht im schlendernden „Teenager"-Schritt, sondern rasten wie die wilde Jagd über den Mühlenplatz, so dass die Tauben aufstoben und erst auf dem Dach wieder zur Ruhe kamen. Diese Tauben gehörten zum Heilsberger Mühlenplatz genauso wie die sehr viel berühmteren gefiederten Brüder und Schwestern zum Markusplatz in Venedig.

 

Über die kleine Treppe und Rampe ging es im Gänsemarsch zur Mühle hinein. „Na, zu was seid ihr all wieder da", brummelte missvergnügt der arme Mühlenmeister, nahm die verstaubte Schirmmütze ab und kraulte sich vor Unbehagen und düsteren Vorahnungen den schon leicht gelichteten Hinterkopf. Wir waren schon eine rechte Landplage, und ich hatte herzlich wenig Ähnlichkeit mit einer sogenannten „Höheren Tochter" — sehr zum Kummer meiner lieben Mutter.

 

Hinauf ging es zum ersten Stock, um von dort im rasanten Tempo die geliebte Rutschbahn hinunterzurutschen. Sie übte geradezu eine magnetische Anziehungskraft auf uns aus. Bald war uns alles viel zu langsam und wir kugelten übereinander, was unsere Begeisterung — natürlich nur unsere Begeisterung — noch erhöhte. Schon wartete das nächste Vergnügen auf uns — die Schubkarren. Gegenseitig karrten wir uns unter lautem Jubel durch die geräumige Verkaufshalle. Immer schneller, immer schneller bis ein energisches „nu is aber Schluss" dem Spuk ein Ende machte.

 

Leise schlichen wir uns dann wieder zu den oberen Lagerräumen hinauf. „Pst, dass bloß der Alte nuscht merkt". Nach fachmännischer Besichtigung der verschiedenen Maschinen, von denen es uns die „Wackelmaschine" besonders angetan hatte, stieg der letzte Akt: Ich wurde von meinen munteren Spielgefährten mit erheblichen Mengen Mehl bestäubt, wobei sie jubelnd schrien „Mehlprinzessin, Mehlprinzessin!“

 

Auf diesen Titel war ich bestimmt damals ebenso stolz wie heute „Miss Universum" auf ihre preisgekrönte Schönheit. Ganz unvermutet stand dann aber oft mein Vater vor uns und versetzte meiner „prinzesslichen Würde" schallende Ohrfeigen. „Wie oft habe ich dir schon verboten, im Mehl zu spielen." Reichlich flössen die Tränen und verwandelten meine gepuderte Lieblichkeit in ein verschmiertes, verzweifeltes Kindergesicht.

 

„Vatchen, ich will es auch nicht wieder tun". Nun heulten alle mit „ach, aber Herr Kiehl — es ist doch zu schön in deiner Mühle". Und mein grundgütiger Vater verwies uns nicht aus dem Paradies. Diese Vertreibung geschah erst sehr viel später, aber das ahnten wir damals Gottlob noch nicht.

 

Seite 10   Der Zyniker

In der Schlacht von Leuthen wurde ein preußischer Soldat gefangen genommen, der während der vorangegangenen Schlacht bei Kolin zu den Österreichern übergelaufen war. Der König ließ den Deserteur vor sich bringen.

 

„Warum verließest du mich damals?" fragte der preußische Kriegsherr.

 

„Halten zu Gnaden, Majestät", antwortete der Überläufer, „aber es stand damals ganz schlecht mit Ihnen“.

 

„Hast recht, mein Sohn", erwiderte Friedrich, „lass uns aber heute noch einmal das Glück versuchen, geht's wieder schlecht, dann laufen wir morgen beide davon“.

 

Seite 10   Fritz Kudnig: Ein- und Ausfälle

Es gibt Fälle, wo es heißt: Fällen oder fallen.  

 

Wir halten immer den anderen für dumm, wenn er uns nicht versteht. Doch sein Nichtbegreifen liegt oft nur daran, dass wir es nicht verstehen, uns ihm verständlich zu machen.

 

Wenn wir doch mit derselben Ängstlichkeit, mit der wir unsere eigenen Schwächen verschweigen, auch über die kleinen Fehler unserer Mitmenschen schweigen wollten!

 

Mit den Wölfen muss man heulen, sagt mancher. Und er heult doch nur, weil er selbst einer ist.

 

Wer viel redet, hat nicht Zeit, viel zu tun.

 

Die Rederitis ist die verbreitetste, leider nicht ungefährlichste, aller Krankheiten.

 

Ich habe es nie zu schwer empfunden, wenn ich einsam war. Umso mehr Zeit und Raum blieb mir, um innerlich zu wachsen. Ich sagte mir: das ist wie bei den Bäumen. Wo sie zu dicht stehen, verkümmern sie.

 

Es ist unser gutes Recht, ja, unsere Pflicht, uns wegen eines verpfuschten Lebensabschnittes Vorwürfe zu machen. Aber halten wir uns nicht zu lange mit den Vorwürfen über Vergangenes auf. Entwürfe für eine bessere Zukunft sind uns weit dienlicher.

 

Unsere Zukunft liegt, wenigstens zu einem ganz großen Teile, in unsern eigenen Händen. Würden dies alle Menschen erkennen und entsprechend handeln, so würde die Welt bald ein anderes Gesicht haben, nicht das Satansgesicht, das sie heute vielfach trägt.

 

Leben wir oft nicht nur deshalb sinnlos in den Tag hinein, weil wir als Heilmittel gegen die dunkle Zukunft nur noch Selbstbetrug und Betäubung kennen?!

 

Geistige Kurzsichtigkeit ist am gefährlichsten in der Politik. Aber gerade dort ist sie am häufigsten, weil die Politiker stets in Gefahr sind nur von heute auf morgen zu denken nicht für Jahrzehnte, wie sie es müssten, weil es mehr als je um das Schicksal der ganzen Menschheit geht.

 

Seite 10   50-jähriges Jubiläum als treue „Perle"

Von dem nicht alltäglichen Jubiläum einer ostpreußischen Frau berichtete die „Cuxhavener Zeitung":

 

„Ein seltenes Arbeitsjubiläum konnte am 15. April 1957 Fräulein Auguste Lewitzki, Am Bauhof 17, begehen. 1884 im Kreis Wehlau in Ostpreußen geboren, trat sie vor 50 Jahren als Hausgehilfin in die Dienste der Familie des Fuhrunternehmers Grunwald in Königsberg.

 

Ein halbes Jahrhundert teilte „Gustchen", wie sie allgemein genannt wurde, Freud und Leid ihrer Herrschaft. Treue, Fleiß und Ehrlichkeit waren die Eigenschaften, durch die sie sich im Laufe der Jahre besonders ausgezeichnet hat. Den bei ihrem Dienstantritt 7-jährigen Sohn der Familie wurde sie eine unentbehrliche Betreuerin. Wie oft kam er in seinen Nöten zu dem guten Gustchen, um sein Herz auszuschütten! Immer wusste die treue Seele Rat — sei es mit Nadel und Faden bei einem zerrissenen Hosenboden oder mit tröstenden Worten bei einem kleinen Schmerz. Hart wurde sie vom Schicksal geprüft, als sie 1938 den ihr so ans Herz gewachsenen jungen Grunwald und 1944 seinen Vater mit ins Grab legte.

 

Zusammen mit Frau Grunwald und Herrn Paul, einem Geschäftsfreund des Königsberger Hauses, durchstand sie die Schrecken der Flucht. Gemeinsam wurden sie 1949 in Cuxhaven ansässig. Seitdem auch Frau Grunwald vor einiger Zeit die Augen für immer schloss, führt sie Herrn Paul weiterhin die Wirtschaft.

 

Das Wasser und die Weite unserer Landschaft, eine Parallele zu ihrer Königsberger Heimat, halfen der heute 73-jährigen Jubilarin, sich bei uns schnell einzuleben. Frisch und munter konnten wir sie gestern an ihrem Ehrentage begrüßen. Möge dieser treuen und fleißigen Frau weiterhin bei bester Gesundheit ein schöner und langer Lebensabend beschieden sein.

 

Seite 10   Kulturelles in Kürze

DJO-Kulturwoche in Marburg/Lahn. Eine Kulturwoche der deutschen Jugend des Ostens fand vom 23. Bis 28. April in Marburg/Lahn statt. Dabei trafen sich die Vertreter der im Landesjugendring zusammengeschlossenen Organisationen zu einer Diskussion über „Die Ostkunde im Rahmen der außerschulischen Jugendbildung“. Ferner wurden Themen wie „Die Kulturarbeit in unserem Bund“ und „Unsere Jugend musiziert“ besprochen. In der Aula der Phillipps-Universität hielt Prof. Dr. Eugen Lemberg einen Festvortrag mit dem Thema „Erbe und Auftrag“, und es fand eine Tagung mit den Kulturreferenten aus Bund und Ländern, dem VdL-Kuturreferenten und den Kulturreferenten der Bundeslandsmannschaften statt. In einer Dichterlesung kamen zehn junge Autoren aus den deutschen Ostgebieten und Mitteldeutschland zu Wort, unter ihnen die aus Königsberg gebürtige Tamara Ehlert und der junge Danziger Klaus Pawlowski.

 

Jahrestagung des Göttinger Arbeitskreises. Auf der Jahrestagung des Göttinger Arbeitskreises ostdeutscher Wissenschaftler sprachen Prof. Dr. Gleitze vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut des DGB in Köln über den „Deutschen Osten in seiner wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Funktion für Deutschland“ und Prof. Dr. Dr. Hans Koch, München, über die „Außenpolitische Lage unter Berücksichtigung der Ostprobleme“.

 

Lehrstuhl für Ostkunde. Die Universität München hat zwei Kommissionen eingesetzt, die die Frage der Errichtung je eines Lehrstuhls für Ostkunde und für Südosteuropäische Kultur und Geschichte prüfen sollen.

 

Seite 11  Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte )

Heimweh haben wir alle. Von Annemarie in der Au.

Heimweh haben wir alle nach der Heimat. Manche sind darüber gestorben, manche hat das Heimweh über sich selbst hinauswachsen lassen und ihnen Kräfte zu einem neuen großen Werk gegeben. Manche befällt das Heimweh wie eine Krankheit, gegen die sie machtlos sind, die sie nicht los werden können, weil sie nicht wissen, was diese Krankheit ausmacht, — vielleicht die Sehnsucht nach einem ganz bestimmten Lachen, das verweht ist, oder einem Haus, oder einem Baum, oder einfach alles in allem zusammen. Manche wissen ganz genau, wonach sie Heimweh haben, die haben es besser, die können ihr Heimweh in eine besondere Ecke stellen, zu der nur sie selbst Zutritt haben, sie können mit ihm sprechen, so oft sie wollen, aber sie können es auch ebenso gut lassen und ihrer gewohnten Arbeit nachgehen. Sie haben es gut. Sie sind Herren ihres Heimwehs, und man nennt sie die Starken, die allem Leben neue Impulse zu geben imstande sind.

 

Jahrelang hatte die junge Frau nach der Flucht so dahingelebt. In einer Stadt, die bald dreimal so groß war wie ihre Heimatstadt, hat sie gearbeitet, gesorgt und wieder gearbeitet. Sie hat gespart und sich wieder ihr Eigenes angeschafft, sie hat geweint und gelacht, wie es so ein Tag gerade mit sich brachte, und das grübelnde Denken hatte keinen großen Platz bei ihr. Aber eines Tages war sie krank geworden und lag nun auf einer abgeschirmten Terrasse Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat. Da war eines Tages das Heimweh da, Heimweh nach etwas, was die junge Frau nicht bestimmen konnte. Sie forschte danach in den durch Sorgen halbverschütteten Erinnerungen, aber sie fand es nicht. Und je länger sie suchte, umso quälender wurde das Heimweh, dieses Heimweh nach dem unbestimmbaren Etwas. Das währte lange so, und es schien, als wenn das Liegen in der freien, so herrlichen Natur sie kranker mache, als sie jemals gewesen war.

 

Dann fuhr eines Tages eine Mähmaschine auf die Wiese, die vor der langgestreckten Terrasse lag. Es war nicht so eine kleine Handmähmaschine, nicht einmal eine von den motorisierten, sondern eine richtige Mähmaschine, wie man sie auf den großen Feldern gebraucht, und die sich auf dem kleinen grünen Flecken geradezu lächerlich riesenhaft ausnahm. Und danach erschien eine pferdegezogene Harkmaschine, die für das Harken mehr Zeit brauchte, als wenn der Mann auf der Maschine die Arbeit selbst gemacht hätte.

 

Das war am Vormittag gewesen. Gegen Mittag, als die Sonne voll auf die gemähte Wiese traf und sich daranmachte, ihr Glühen im feuchten Gras zu kühlen, so dass in beider Berührung ein leiser, ganz leiser Dampf aufstieg, lag die Frau mit geschlossenen Augen da und erwartete tief atmend den frischen Mähgeruch. Aber es war seltsam, das Heu duftete nicht, jedenfalls nicht so, wie sie es erwartete. Es war nicht jener herb würzige Duft des Wiesenheus, nach dem sie — ja, das war es, mit einem Mal wusste sie es — nach dem sie all die Monate hier in Ruhe und friedlicher Natur Heimweh gehabt hatte.

 

Als am nächsten Tag das Heu vor der Terrasse gewendet wurde, schloss die junge Frau wieder die Augen und träumte sich beim Klappern der Maschine in ihre Heimatstadt zurück, zurück in jene Straße, durch die um diese Zeit Wagen hinter Wagen vom frühen Morgen bis hinein in den späten Abend hochbeladen mit Heu von den Flusswiesen hindurchgerumpelt war. Und über der ganzen Stadt lag der würzige Geruch und hüllte sie gleichsam in eine heilende Duftwolke von getrocknetem Gras, Schafgarbe, Hirtentäschel und manchen anderen Kräutern ein.

 

Die junge Frau sah und spürte das alles ganz deutlich. Wagen auf Wagen kam über die Brücke her, kunstvoll aufgestakt, hoch, rechteckig und fest, damit das Fuder auf dem langen Wege nicht ins Rutschen kam und irgendwo auf dem Pflaster landete. Obenan lag die kleine sieben- oder achtsprossige Leiter, oder sie hing an dem herausragenden Fuderbaum, der manchmal mit seinem roten Fähnchen lustig dem nächsten Wagen zuwinkte.

 

Die junge Frau musste lachen, und sie träumte davon, wie sie selbst einmal so auf dem Heufuder mitgefahren war, hoch aufgereckt, damit ja die ganze Stadt ihren Stolz bestaunen könne; dann aber, als in der Straße die Baumäste über den Wagen streiften und sich lustig mit Halmbüscheln zierten, hatte sie sich tief ins Heu hineingekuschelt. O, wie das geduftet hatte! Das waren nicht allein Gras und Kräuter, das war mehr, das waren der Strom und die Weite, das war wie Sehnsucht und Erfüllung in einem Atemzuge. Ja, so war es.

 

Da konnte die junge Frau wieder lächeln, und das Heimweh war keine Qual mehr, sondern zu einer schönen Erinnerung geworden. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, um den ganzen wundersamen zauberhaften Atem in sich einsaugen zu können und wieder gesund zu werden, ohne dass irgendetwas dabei nachzuhelfen braucht. Und die junge Frau wird glücklich, so wie sie all die Jahre trotz der netten kleinen mühseligen Erfolge nicht mehr gewesen ist.

 

Seite 11  

Ein Gastmahl ist dein Leben:

Nimm, was dir wird gegeben;

was nicht ist da,

was dir nicht nah,

erbettle nicht,

erwarte, bis es dir gegeben —

Sei froh, und wenn die Nacht anbricht,

dann bange nicht,

steh freudig auf und danke für dein Leben.

Johann Gottfried Herder

 

Seite 11   Erinnerung an meine Mutter. Von August Winnig.

Es war vor meiner Konfirmation. Meine Mutter saß am Fenster mit einem Korb voll Tannen-, Wachholder- und Stechpalmenreisern, die sie tags zuvor geholt hatte, und band die Girlande, mit der sie am Morgen des Konfirmationstages der Sitte gemäß unsere Haustür schmückte. Ich setzte mich zu ihr und las ihr ein Gedicht vor; es war das Spielmannslied von Gottfried Keller. Meine Mutter nahm die Gedanken des Gedichts auf und sprach in ihrer eindringlichen Art davon, wie sie hier Beziehungen zu mir sähe, und dass ihr daraus manche Sorge käme. „Eine Tugend", sagte sie, „lege ich dir noch ans Herz, das ist die Liebe. Ergib dich nicht dem Hass, sondern habe Mitleid mit allem Unglück und sei immer bereit zu helfen. Frage nicht, ob dir der, dem du hilfst, wieder helfen kann, sondern tue Gutes, weil es dein Herz dir sagt. Wittere nicht gleich hinter allem, was dir von andern widerfährt, Bosheit oder Arglist, sondern gib die Mühe, es ohne solchen Argwohn zu verstehen. Denke jedes Mal, wenn einer etwas tut, was dir nicht gefällt, was du getan hättest, wenn du an seiner Stelle stündest, und wenn du im Zweifel über das Wesen eines Menschen bist, so halte dich lieber an das Gute als an das Schlechte. Forsche nicht bei jedem nach Dingen, die du tadeln könntest, sondern sieh bei jedem zuerst und am meisten das, was dir gefällt und was du loben möchtest; denn in jedem Menschen steckt Gutes und Böses. Würden wir nun aber immer nur das Schlechte sehen, so wäre uns jeder ein Ärgernis, und wir würden unseres Lebens niemals froh werden. Vor solchen Menschen, die immer zuerst nach den Fehlern der andern sehen, nimm dich in acht; denn in ihnen ist das Schlechte übermächtig, und sie würden sich freuen, wenn sie dir schaden könnten. Wenn ich glaubte, dass du einer von dieser Art wärest, so würde ich dir dies nicht sagen, denn sie sind so und können nicht anders sein, und man möchte sie bedauern; es fehlt ihnen das Wahre, das erst das Leben schön macht: sie können sich nicht mit anderen freuen …“So redete meine Mutter eine Weile, und als sie schwieg, holte ich mein Stammbuch und bat sie, doch trotz ihrer Bedenken einen Spruch hineinzuschreiben. Sie blieb aber bei iher Weigerung und meinte, die Worte müssten genügen.

 

Seite 11   Klaus Pawlowski. Der Schienenstrang

Irgendwo läuft ein einsamer Schienenstrang in den Tag hinein, der steigenden Sonne entgegen.

 

Die Schienen sind braun und blind; denn nur die Zeit ist über sie hinweggegangen, nur die Zeit, seit Jahren schon, hat das Gras aus dem harten Schotter hervorgetrieben, hat die Eisenträger mit Ackerwinde überwuchert und mit Löwenzahn überblüht, hat der wartenden Erde langsam, kaum spürbar die hölzernen Schwellen zurückgegeben. Sie modern dahin und lassen müde die dicken rostigen Schrauben zwischen den fauligen Fasern frei...

 

Und die Zeit geht über die Gleise dahin, sonst nichts, nur die Zeit, seit Jahren schon. Die Schienen schleichen, zwei unförmigen braunen, blinden Schlangen gleich, mutlos und traurig hinaus in den Tag der Sonne entgegen.

 

Sie haben jede Beziehung verloren, zueinander und zur Wirklichkeit. Das alte hohe Signal, das sich neben dem Schotterweg starr emporreckt, zeigt zwar noch immer „Freie Fahrt" an, seit Jahren schon — und wartet auf den Zug, auf irgendeinen Zug, der gen Osten fährt wie damals, mit schwingenden Kolben und schlagenden Rädern ... der Sonne entgegen.

 

Aber es fährt kein Zug auf den rostigen Schienen, und die Schwellen vermodern und werden zu Erde, langsam, kaum spürbar. Und es kann kein Zug über sie hinwegfahren.

 

Es sei denn, er zerbräche die Schranke, jene rotweiße freche Stange, die irgendwo, fest auf zwei krummen Eisengabeln aufgelegt, quer die Gleise sperrt.

 

Es sei denn, er führe achtlos an dem Schild vorbei, das neben der gestreiften Barriere in den Schotter gerammt ist, auf dem „Polska" steht, nur „Polska", schmutzig und verwaschen.

 

Aber man kann nicht einfach eine Grenzschranke zerbrechen, auch wenn sie mitten durchs Herz schneidet wie ein Messer, und man kann auch nicht achtlos an einem amtlichen Schild vorbeifahren, auch wenn es eine Lüge ist, auch wenn es als Verbotsschild den geraden Weg nach Hause sperrt und... eine Lüge ist...

Nein, auch dann nicht!

Nur die Schienen laufen unter der rotweißen Stange hindurch, blind und braun. Und wenn sie nachher an dem alten zerschossenen Bahnwärterhäuschen vorbeikommen, können sie nicht sehen, dass an der geborstenen Mauer ein Schild hängt. Die Schrift ist vom Regen zum Teil herausgewaschen und unter der Sonne abgeblättert, aber man kann das Wort noch entziffern, das einst in schwarzen Buchstaben auf das Schild gemalt worden ist: Deutsch-Brügge... Deutsch — Brügge ...

 

Die Schienen können es nicht sehen, denn sie sind vom Gras überwuchert und von Löwenzahn überblüht, sie sind blind und alt, und es wird wohl nie mehr ein Zug über sie hin nach Osten fahren, auch wenn das Signal auf „Freie Fahrt" steht, das alte rostige Signal...

 

Aber es gibt Menschen, unzählige Menschen, die das kleine Bahnwärterhaus mit dem verwaschenen Schild nicht vergessen, die wissen, dass auf dem Schild „Deutsch-Brügge" steht und immer stehen wird, auch wenn der Regen darüber rinnt und die Sonne die Farbe dörrt; denn die Schrift hat sich in das Holz gefressen, tief in das weiche Holz.

 

Und es gibt viele, viele Herzen, die den einsamen Schienenstrang nicht sterben lassen, auch wenn die Schwellen vermodern, auch wenn die Ackerwinde und das Gras die Gleise überwuchern, unzählige Herzen gibt es, die die rotweiße Schranke zerbrechen, das Schild achtlos hinter sich lassen und jeden Tag seit Jahren schon dahinfahren auf unsichtbaren endlosen Zügen der steigenden Sonne entgegen.

 

Seite 11   Die Geschichte des Bauern Li Fu / Von Josef Mülberger.

Als der Meister aus der Hütte am Wasser unterm Felsen gefragt wurde, was er unter Menschlichkeit verstehe, erzählte er:

 

Nicht fern von hier, auf einer Anhöhe überm Ufer des Meeres, steht das Haus des Bauern Li Fu mit den Feldern ringsum. Das Dorf liegt am Strand zu Füßen des Hügels. Auf dem Hang zwischen dem Dorf und dem Haus des Li Fu befindet sich ein Tempel.

 

Als Li Fu, damals schon ein bejahrter Mann, eines Tages die Ernte einbrachte, sah er von seiner Höhe noch fern im Meer eine Springflut heranrollen. Sie wird das Dorf mitsamt den Hütten, Feldern und Menschen vernichten; bis zu mir aber kann sie nicht gelangen: das dachte Li Fu, das Heranrollen der Springflut betrachtend. Während er sich seiner Rettung schon erfreute, stieg ein anderer Gedanke in ihm auf, und Li Fu gehorchte ihm, indem er seine Felder, die Garben und sein Haus in Brand steckte. Sogleich erklang die Glocke des Tempels, und alle kamen eilig aus dem Dorf herauf, um den Feuerbrand zu löschen. — Das, was Li Fu getan, nenne ich menschlich gehandelt.

 

Das Dorf wurde von der Springflut verschlungen, Hütten und Felder zerstört und verwüstet, und die geretteten Menschen wurden in dem Tempel untergebracht. Bald erhoben und mehrten sich die Stimmen, Li Fu hätte unüberlegt und übereilt gehandelt und die Leute am Strande warnen können, ohne seine Ernte anzuzünden; dann müssten sie jetzt nicht Hunger leiden.

 

Li Fu schalt die Menschen wegen ihrer Undankbarkeit nicht und grollte ihnen nicht. — Das nenne ich wiederum menschlich gehandelt.

 

Als Not und Elend noch größer wurden, kam die Meinung auf, Li Fu hätte sie nicht warnen und lieber zugrunde gehen lassen sollen, denn der rasche Tod wäre besser gewesen, als dieses Leben ist. Wiederum schwieg Li Fu nicht nur, sondern verübelte den Verzweifelten ihre Meinung nicht.

 

Als die Hütten am Strand wieder aufgebaut und die Felder besser als vorher trugen, meinten die Leute des Dorfes, keine Geschenke könnten groß genug sein, Li Fu zu danken. Sie glaubten nämlich, dass in Li Fu göttlicher Geist wohne, errichteten in ihrem Dorf einen Tempel mit einer Tafel, die in goldenen Zeichen den Namen Li Fu trug, und huldigten ihm am Jahrestag der Errettung und auch sonst mit Gebeten und Opfergaben.

 

Während sein Geist in dem Tempel angebetet wird, lebt Li Fu selbst noch mit seinen Kindern und Enkeln in der alten binsengedeckten Hütte auf dem Hügel, pflügt, sät und erntet wie alle anderen. Am Jahrestag der Errettung geht er mit den anderen in den Tempel, bringt seine Opfergabe, kniet nieder und betet dort. Wenn das nicht menschlich gedacht und gehandelt ist, so weiß ich nicht, was Menschlichkeit anderes sein sollte.

 

Seite 11   Kohlezeichnung von Albrecht Dürer  (1514)

 

Seite 11   Meine Mutter. Von Josef Schneider

Meine Mutter ist eine harte Frau,

Sorgen verdunkeln ihr herbes Gesicht.

Doch wenn ich frage, was sie bedrückt,

schaut sie mich an — und sagt es mir nicht.

 

Ihre Hände wissen vom Ausruhn nichts,

denn mein Vater ist lange tot.

Seither mühen sich Sinnen und Tun

Tag für Tag ums ein nur: um Brot.

 

Alles kleine Gebaren warf sie ab.

Ihre Worte kommen von ferne her

und ihr Schreiten hat einen weiten Schwung.

Nachts hör ich sie oft atmen: tief und schwer.

 

Doch zuweilen, wenn sie versonnen ist

oder mit anderen Müttern von ihrem Sohne spricht,

rafft sie Arbeit und Not zum größten Glück.

Dann verklärt alles Dunkel ein inneres Licht.

 

Seite 12   Niederdeutscher Dichterkreis „Die Kogge“. Danziger Tagung 1932 ein einzigartiges Erlebnis.

Die Kogge, ein Freundeskreis niederdeutscher Dichter, wurde im Jahre 1924 vom Wilhelm Scharrelmann, Ludwig Bäte und Carl Lange in den Ratsstuben von Bremen begründet. Wilhelm Scharrelmann wurde der bewährte „Kapitän" der Kogge, die nach fast 10-jährigem Bestehen durch die NSDAP strandete. Die „Kogge" war damals kein Verein und keine Organisation mit Satzungen und wirtschaftlichen Vorteilen, sondern ihre Mitglieder trafen sich alljährlich als schaffende Menschen auf freundschaftlicher Grundlage in niedersächsischen Städten, um durch Vorträge und Vorlesungen tieferen Einblick in das geistige Ringen der Menschen zu geben und besonders durch Aussprachen über die niederdeutsche Dichtung ein enges Band zu schließen. Unter den ersten Mitgliedern befanden sich Blunck, Franck, Hinrichs, Hinrichsen, Eicke und Wagenfeld.

 

Es wechselten jährlich die Tagungsorte, von denen ich Melle, Worpswede, Oldenburg, Kiel, Hamburg und Osnabrück nenne. In den Tagungsorten fanden Besichtigungen bedeutsamer Bauten, Vorträge, Vorlesungen, Theaterbesuche und Fahrten in die Umgebung statt. Das Wesentliche waren aber die freundschaftlichen Aussprachen. Bei der Tagung in Osnabrück, im ehrwürdigen Friedenssaal des Rathauses lud der Verfasser dieser Ausführungen im Auftrag des Senats der Freien Stadt Danzig „Die Kogge" zu einer Fahrt nach der alten Hansestadt und der Marienburg ein. Der mahnende Aufruf, den bedrängten und abgetrennten Osten zu besuchen, fand begeisterte Zustimmung. So fand im September 1932 als „Deutschkundliche Woche" die erste Tagung fern der Heimat statt. Die vielfachen Verknüpfungen des Nordwestens mit dem deutschen Osten wurden besonders hervorgehoben. Die Mitglieder der „Kogge", die auch die weite Reise nicht gescheut hatten, wurden freudig und dankbar empfangen. Niederdeutsche und ostdeutsche Art haben vielfach verwandte Züge, wie die alten Hansestädte im Geist und Ausdruck ihrer schönen Bauten. Der Danziger Tagung war das Thema zugrunde gelegt: Dichtung als Ausdruck niederdeutschen Volkstums".

 

In den Vorträgen und Vorlesungen der Dichter wurde die hansisch-norddeutsche Gemeinsamkeit der Danziger mit der niederdeutschen dargestellt. Die vielfachen geistigen Beziehungen zwischen Ost und West mit ihren wesensgleichen Zügen wurden in Kunst, Kultur und Dichtung zum Ausdruck gebracht, das Wahre, Echte und Gesunde betont, die eigene Art bestärkend. Die kulturpolitische Bedeutung der Dichterzusammenkunft in Danzigs Mauern bildete sowohl für die „Kogge" wie für den Osten einen Höhepunkt kultureller Veranstaltungen. Der Danziger Kultussenator Hermann Strunk, der Vorsitzende des Danziger Heimatbundes als Flurnamenforscher und als führendes Mitglied der Allmers-Gesellschaft in Norddeutschland bekannt, gestaltete die zahlreichen Veranstaltungen, Empfänge, Vorträge, Lesungen usw. im alten Rathaus, im Artushof und im Uphagenhaus zu unvergesslichen Erlebnissen für alle Teilnehmer. Hinzu kam eine gemeinsame Fahrt nach der Marienburg, in der Oberbaurat Professor Bernhard Schmid, mit Geheimrat Steinbrech der Wiederhersteller der Marienburg, ein vortrefflicher Führer war. Der Vorsitzende der „Kogge" Wilhelm Scharrelmann sprach beim Abschluss der großartig verlaufenen Tagung in dichterischen Worten den herzlichsten Dank der „Kogge" für vorbildlich gastliche Aufnahme in Danzig aus. Viele Lebensfreundschaften legen Zeugnis von der Gemeinschaft und Brüderschaft der „Kogge-Mitglieder" ab.

 

Die Danziger Tagung 1932 sollte die letzte der „Kogge" sein; schon sie wurde durch die NSDAP torpediert. Nach dem Zusammenbruch fanden sich seit 1951 einige ehemalige „Kogge-Mitglieder", u. a. August Hinrichs, Alma Rogge, Carl Lange — Wilhelm Scharrelmann war 1950 in Worpswede gestorben — in einem alten, historischen Bremer Lokal zusammen, aber sie hielten die Zeit zum Wiederflottmachen der „Kogge" verfrüht.

 

Die Initiative von Ludwig Bäte und Josef Winckler, dem Verfasser des „Tollen Bomberg" ist es zu verdanken, dass im Frühjahr 1953 die „Kogge" als erweiterte Vereinigung niederdeutscher, westfälischer und niederländischer Dichter erneut ihre Segel hisste und in der 1000-jährigen Domstadt Minden als ständigen Heimathafen vor Anker ging, der anmutig und lieblich gelegene Hanse- und Westfalenstadt, die den „Kogge-Dichtern" eine neue Heimat schenkte.

 

Die frühere „Kogge" verteilte den hohen „Carl-Schünemann-Roman-Preis" und Wilhelm Scharrelmann gab „Die Schatzkammer" heraus, eine sehr sorgfältig angelegte Überschau niederdeutscher Dichter auf künstlerischem Gebiet. Nun ist zur Ehrung bedeutender „Kogge-Mitglieder" von der Stadt Minden ein kostbarer und künstlerischer „Kogge-Ring" gestiftet worden, der alljährlich verliehen wird und den als erster Ludwig Bäte empfangen durfte. Im letzten Jahr erhielt ihn die westfälische Dichterin Margarete Windhorst. Bei den nun jährlich in Minden stattfindenden Tagungen werden außer den Vorlesungen und Vorträgen gemeinsame Ausflüge und Fahrten in die schöne, nähere und weitere Umgebung unternommen. In diesem Jahr werden bei der Tagung vom 17. bis 20. Mai niederländische Dichter in größerer Zahl erwartet. Es ist in dieser kurzen Zusammenfassung nicht möglich, auf die einzelnen bedeutsamen Vorträge und Vorlesungen der Dichter näher einzugehen, aber es ist sicher, dass jeder Teilnehmer nach den erhebenden und beglückenden Tagen innerlich bereichert heimkehrt.

 

Als Nachfolger Ludwig Bäte wurde als Präsident der „Kogge" 1956 Dr. Hanns Martin Elster gewählt. Tief bedauert wurde der Heimgang August Hinrichs, der zu den treuesten Mitgliedern gehörte und keine Tagung versäumte. Unter den heutigen 87 Mitgliedern befinden sich außer den Genannten Otto Brües, Karl Bunje, Manfred Hausmann, Ina Seidel, Ruth Schaumann, Rudolf Alexander Schröder, Berend de Vries und die hervorragendsten niederländischen Dichter.

 

Eine große Freude war es mir immer wieder, wenn die Sprache auf den Osten kam, dass die Teilnehmer an der Danziger Tagung diese als einzigartiges Erlebnis bezeichneten und daher den schweren Verlust zu würdigen wissen, der eine fast 1000-jährige deutsche Kultur vernichtete. Carl Lange

 

Seite 12   Heimatgefühl durch Bindung an den Menschen.

Wer heute über die Begriffe Heimat und Heimattreue nachdenken will, muss bereit sein, bestimmte unausweichliche Realitäten anzuerkennen, um zu gültigen Erkenntnissen zu kommen. In diesem Sinn war es das besondere Verdienst einer soeben beendeten Tagung der Evangelischen Akademie Loccum über das Problem des Heimatbewusstseins, dass sie sich diesen Realitäten und Einsichten, die sich heute aus politischen Tatsachen und aus unabwendbaren wirtschaftlichen Entwicklungen ergeben, nicht verschloss. Das Problem des Heimatbewusstseins stellt sich heute von zwei verschiedenen Seiten: einerseits von den vielen Millionen Menschen die ihre Heimat gewaltsam verloren haben, andererseits von der sozialen Mobilität der modernen Industriegesellschaft, insbesondere im Hinblick auf die in der Bildung begriffenen wirtschaftlichen Großräume.

 

Hat der moderne Mensch, der nur im Ausnahmefall in der Umgebung der Landschaft verbleibt, in der er geboren und aufgewachsen ist, noch ein echtes Heimatgefühl, oder fragt der umherziehende Bürger unserer modernen großräumigen Gesellschaft nicht mehr nach solchen Bindungen? Die Antwort, die in Loccum auf die Frage gefunden wurde, hatte etwas Tröstliches und war zugleich eine Verpflichtung für jeden einzelnen. Wir befinden uns, wie der Tagungsleiter, Akademiedirektor Dr. Bolewski, feststellte, in der Frage des Heimatgefühls an einem Schnittpunkt geistiger Bewegungen. Das alte, aus der Romantik erwachsene Denken ist noch da, und ein neues sich zurechtfinden mit seinen realen Forderungen ist erst im Entstehen begriffen. Aber so viel zeichnet sich heute bereits ab, dass auch der moderne, umher wandernde Mensch nicht bindungslos leben kann. Auch er braucht das Gefühl des Heimatbewusstseins im kleinen Umkreis. Aus dem bitteren Schicksal der Ostvertriebenen, die, wenn sie ihre Heimat jetzt noch einmal wiedersähen, plötzlich erkennen müssten, dass diese alte Heimat nicht mehr Heimat ist, schöpfen wir die tiefere Erkenntnis, dass es bei dem Gefühl des heimatlichen Geborgenseins nicht so sehr auf die Ortschaft und auf die Landschaft ankommt, vielmehr auf die Menschen, zu denen wir gehören, die wie wir denken und empfinden, die uns liebevoll umsorgen, mit denen wir uns u. U. auch auseinandersetzen. Nach dieser Geborgenheit in der Liebe des andern und in der Übereinstimmung um das letzte Wissen, dass wir nämlich auf dieser Erde nur Pilger zu einer anderen Heimat sind, sehnt sich auch der moderne Mensch, und wir schulden sie einander.

 

Seite 12   Dr. Gause neuer Bohnenkönig. Traditionelles „Bohnenmahl" der „Gesellschaft der Freunde Kants".

Zum 11. Male seit ihrer im Jahre 1947 in Göttingen erfolgten Wiederbegründung versammelte sich die „Gesellschaft der Freunde Kants" zu ihrem traditionellen „Bohnenmahl". Die Gesellschaft, die auf die Tafelrunde des Philosophen zurückgeht, bestand bis 1944 in Königsberg/Pr. und hat danach — wie eine Reihe anderer ostdeutscher Institutionen — in Göttingen ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Der amtierende „Bohnenkönig", Staatsarchivdirektor Dr. Forstreuter, gedachte zu Beginn der Jahresversammlung der im letzten Jahr verstorbenen Mitglieder: Prof. Dr. Goetz von Selle, den die Gesellschaft mit der Ernennung zu ihrem ständigen „Kanzler" geehrt hatte, Prof. Hans-Heinrich Schaeder, Prof. Dr. Bruno Schumacher, Prof. Dr. Wilhelm Starlinger und Oberlandesgerichtsrat a. D. Zippel. In seiner „Bohnenrede" befasste sich Dr. Forstreuter mit den Ansichten Kants über den National- und Volkscharakter der östlichen Nachbarn Preußens.

 

Die Gesellschaft ermittelte ihren neuen Vorsitzenden nach altem Brauch: Alle Teilnehmer der Jahresversammlung essen von einer Torte, in der sich eine Bohne befindet. Wer die Bohne erhält, ist als neuer „Bohnenkönig" der Vorsitzende für das laufende Jahr. „Bohnenkönig" für das Jahr 1957/1958 wurde Stadtarchivdirektor Dr. Fritz Gause (früher Königsberg, jetzt Essen). „Minister" — so werden die übrigen Mitglieder des Vorstandes genannt — wurden Stadtdirektor Dr. Lawin, Bad Oeynhausen, und Pastor Dr. Gerdes, Gelliehausen.

 

Seite 12   Büchersendungen in die Sowjetunion.

Wie die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mitteilt, dürfen die Russlanddeutschen, die noch in der Sowjetunion leben, nunmehr auch außer Briefen Drucksachen und Bücher religiösen und erzieherischen Inhalts erhalten. Bibeln, Gesangbücher, Fibeln, Bilder- und Märchenbücher, Lesebücher und die Werke der Klassiker können als Drucksache bis 2 Kilo (nicht als Paket oder Päckchen) versandt werden. Sie kommen unbeanstandet und unverzollt am Bestimmungsort an. Wer Bücherwünsche von Russlanddeutschen erhält und sie nicht erfüllen kann, möchte sie unter genauer Angabe der Anschrift der Lm. der Deutschen aus Russland, Stuttgart-S, Stafflenbergstraße 66, mitteilen. Die Landsmannschaft ist bemüht, die Wünsche mit Unterstützung von kirchlichen Stellen zu erfüllen.

 

Seite 12   Preußische Anekdoten.

Im Holsten-Verlag, Hamburg, ist soeben ein Buch von Herbert Blank erschienen „Unter dem schwarzen Adler — Preußische Berichte und Anekdoten" 134 Seiten, Ganzleinen DM 7,80), in dem der Verfasser versucht, noch einmal das Bild des alten Preußen deutlich werden zu lassen: „ln Berichten über preußische Charaktere — vornehmlich derjenigen der großen Könige aus dem 18. Jahrhundert in der Schilderung großer und kleiner Besonderheiten und Begebenheiten, die nur in Preußen denkbar und möglich waren, und durch Anekdoten, die das preußische Wesen, die preußische Haltung klar und unverkennbar wiedergeben“. Den Anekdoten ist ein Essay vorangestellt der in meisterhaften Strichen Ursprung und Werden Idee und Gehalt des Preußentums skizziert. Mit Genehmigung des Verlages bringen wir nachfolgend einige Anekdoten aus der friderizianischen Zeit.

 

Sarkasmus

Friedrich beobachtete oftmals mit Vergnügen alle jene Geschöpfe, die sich majestätischer gebärdeten als er und besonders auf die Unverletzlichkeit seines guten Rufs bedacht waren. Der Rat einer kleinen märkischen Stadt warf einen Bürger ins Gefängnis unter der Anschuldigung, Gott, den König und den Rat gelästert zu haben. Er gab davon Bericht und bat um königlichen Entscheid. Von Sanssouci kam ein höhnisches Brieflein: „Dass der Arrestant Gott gelästert hat, ist ein Beweis, dass er ihn nicht kennt; dass er Mich gelästert hat, vergebe ich ihm; dass er aber einen edlen Rat gelästert hat, dafür soll er exemplarisch bestraft werden und auf Kosten des Rats auf eine halbe Stunde nach Spandau kommen“.

 

Der schlechte Kerl

Friedrich war nicht frei von einer abgründigen Bosheit, und wir wissen aus den Zeugnissen bedeutender Zeitgenossen, dass sie betroffen waren über seine Verachtung gegenüber allen Spielregeln, die er zuweilen spüren ließ.

 

Als er einst die Festung Spandau inspizierte, ließ er sich in der Strafanstalt von den Häftlingen erzählen, warum sie hier seien. Natürlich beteuerte jeder seine Unschuld. Nur einer gab reumütig zu, dass er ein schlechter Kerl sei und sein Los verdiene.

 

„Was will Er denn hier unter so braven Leuten" schnauzte der König ihn an. „Scher Er sich sofort hinaus!" So wurde der schlechte Bube unverzüglich in Freiheit gesetzt.

 

Zwei Monarchen

Auf einer Besichtigungsfahrt in Pommern geriet der große König beim Einfahren in eine kleine Stadt ausgerechnet in das Schützenfest hinein. Der Schützenkönig baute sich vor der Kutsche auf und wollte eine Rede halten. Doch schon beim ersten Satz unterbrach ihn der Landesvater: „Lass Er das nur sein — ich weiß, was Er sagen will. Führe Er sich in seinem Reiche nur immer gut, dann wollen wir schon gute Freunde bleiben. Adieu, fahre zu!"

 

Um der Ehre wegen

Friedrich der Große fragte eines Tages einen Pagen: „Wo sind die Kirschen, die hier gestanden haben?" — „Ihro Majestät haben sie aufgegessen." — „Das ist nicht wahr", antwortete der König. „Ich hab's mit meinen Augen gesehen“. — „Willst du mehr wissen als ich?" Der Page zitterte: „Das wohl nicht — aber“ — Indessen hatte sich der König erinnert, aber er sagte zu ihm: „Du musst mir niemals widersprechen, das schickt sich nicht“. — „Ja, Ihro Majestät", erwiderte der Page, „ich tat's meiner Ehre wegen. Sie könnten wohl denken, ich hätte die Kirschen aufgegessen“. — „Ja, wenn du es deiner Ehre wegen getan hast", sagte Friedrich lächelnd, „dann ist es etwas anderes. Bei solchen Gelegenheiten hast du Recht, mir zu widersprechen“.

 

Materialisten

Als Voltaire bei dem König war und die Rede auf philosophische Dinge kam, fragte er eines Tages, ob es denn auch Materialisten in Seiner Majestät Staaten gäbe (Voltaire war nämlich selber Materialist). „O", entgegnete Friedrich, „hier in Berlin allein gibt es mehrere Hunderte. Ich kann sie Ihnen gedruckt zeigen", und legte dem Franzosen den Adresskalender vor, in welchem die Namen sämtlicher Materialwarenhändler verzeichnet waren, die man auch kurz mit Materialisten bezeichnete.

 

Am anderen Tage macht sich Voltaire mit der Liste auf den Weg und geht zum ersten Besten. Er fragt nach Herrn Soundso und wundert sich etwas, einen Mann hinter dem Ladentisch mit einer blauen Schürze zu finden. „Allein", denkt er, „desto besser, es wird ein natürlicher Philosoph sein", und redet ihn gleich auf sein System an. Der Mann begreift nicht, und am Ende merkt Voltaire, dass sich der König einen Spaß mit ihm gemacht hat.

 

Vergeblich zischte die Schlange

Eine Frau von Sch. führte eines Tages vor König Friedrich Klage, dass sie von ihrem Manne grob und unhöflich behandelt werde.

„Das geht mich nichts an", sagte der Monarch. „Aber er verlästert auch Ew. Majestät", erklärte die Dame gereizt. „Das geht Sie nichts an!"

 

Oh, Eitelkeit

Ein pensionierter Oberst hatte sich einen Postwagen zugelegt und dem Kutscher ein Posthorn gegeben, von dem der Schwager überreichlich Gebrauch machte. Da sich die Postbehörde hierüber beschwerte, las der Oberst bald die königliche Ermahnung: „Mein lieber Oberst! Es ist Euch vergönnt, so viele Hörner zu tragen, als Euch gefällig ist. Nur kein Posthorn, das ist wider die Verordnung!"

 

Schlagfertig

Als König Friedrich einmal die Front des Zietenschen Husaren-Regiments abritt, fiel ihm ein Husar auf, der viele und sehr auffällige Hiebnarben im Gesicht trug. Friedrich hielt vor dem Manne und fragte: „In welcher Bierschenke hat Er denn die Hiebe bekommen?" „Bei Kolin, wo Ew. Majestät die Zeche bezahlen mussten“.

 

Seite 12   Selbstschneidern – ein neues Hobby der Dame

Die Damenwelt hat ihr neues Steckenpferd. Sprach man bisher vom „Selbstschneidern", dann stellten sich viele Frauen eine nicht nur mühevolle und langwierige, sondern nicht selten auch erfolglose Arbeit vor, die zu bewältigen außerhalb ihrer Begriffe und Möglichkeiten lag. Zeit und Technik jedoch schreiten voran — das Wort „Automation", bisher nur in Verbindung mit amerikanischen Arbeitsmethoden verstanden, gewinnt im Haushalt der europäischen Frau immer mehr an Bedeutung. Es wurde in allerjüngster Zeit zur epochalen Tatsache durch die automatische Nähmaschine, die SINGER Automatik. Nähen ist keine Arbeit mehr, sondern eine interessante und vielversprechende Beschäftigung — kurz, ein beliebtes Hobby! Ob es sich um meterlange Nähte einer dekorativen Gardine, um die Herstellung einer besonders eleganten, spitzenbesetzten oder gestickten Bettgarnitur handelt, um modische Ziernähte, seidene Wäschestücke — oder die bisher nur der Haute Couture vorbehaltene unnachahmliche Ausarbeitung eines Modells — mit der SINGER Automatik sind diese von der verwöhnten Frau immer erstrebten Dinge ohne große Vorkenntnisse und persönliche Geschicklichkeit selbst herzustellen. Ja — Selbstschneidern wurde zum Hobby gerade jener Frauen, deren persönlicher Geschmack in vielen schönen auserlesenen Dingen gepflegter Häuslichkeit und der Garderobe zum Ausdruck kommt. Noch ein anderes, von mancher anspruchsvollen Frau noch nicht gelöstes Problem, verliert in diesem Zusammenhang keineswegs an Bedeutung: Die formvollendeten SINGER Versenkmöbel in jeder Stil- und Holzart sind der besonderen Beachtung wert, wenn es gilt. Schönes mit Nützlichem auf beste Weise zu vereinen.

 

Seite 12   Wichtige Neuerscheinungen

Das neue Recht In der Angestelltenversicherung von Paul Seiler, Hauptvorstandsmitglied des DHV. Einzelpreis: 1,-- DM. Verlag: Politisch-Gewerkschaftlicher Zeitungsdienst GmbH., Hamburg 1.

 

Die neuen Beiträge und Leistungen der Angestelltenversicherung von Präsident Dr. Gaber und Direktor Dr. Schmidt (B. f. A.) 1,80 DM. Erich Schmidt Verlag, Bielefeld - Berlin.

 

Die Rentenreform von Dr. Oberwinster, Dr. Gotzen, Dr. Doetsch (Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände). 4,80 DM. Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied.

 

Die Rentenversicherung in Zahlen von Dipl.-Versicherungsmathematiker Heubeck. 5,30 DM. Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg.

 

Die Rentenversicherung von Regierungsoberinspektor a. D. Rudolf Peters. 3,-- DM. Verlag Rudolf Peters, Landshut.

 

Seite 13   Präsident Dr. Ziehm 90 Jahre

Am 1. Mai 1957 feierte der frühere erste Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig, Dr. jur. Ernst Ziehm, in Detmold seinen 90. Geburtstag. Dr Ziehm, der bereits anlässlich seines 85. Geburtstages für seine Verdienste um den deutschen Osten das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband erhalten hatte, ist allen Danzigern und Westpreußen in bester Erinnerung. Der aus einer westpreußischen Familie stammende Verwaltungsbeamte und Politiker amtierte bis 1905 als Amtsrichter in verschiedenen westpreußischen Städten, arbeitete von 1905 bis 1914 als Regierungsrat in Oppeln und wurde 1920 Verwaltungsgerichtsdirektor in Danzig. Präsident des Oberverwaltungsgerichts und Staatsrat sowie später Erster Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig waren die nächsten Stufen seiner erfolgreichen kommunalen und politischen Tätigkeit. Dr. Ziehm war maßgeblich an der Ausarbeitung der Danziger Staatsverfassung und am Aufbau des Freistaates Danzig beteiligt. Anlässlich seines 90. Geburtstages, zu dem ihm der VdL die herzlichsten Glückwünsche übermittelt, erschienen die Lebenserinnerungen dieses vertriebenen Politikers im Druck.

 

Luise Halbe, die Witwe des Dichters Max Halbe, ist 83-jährig in München verstorben. Sie verwaltete zusammen mit ihrer Tochter Anneliese, und unterstützt von der Max-Halbe-Gesellschaft, den Nachlass des westpreußischen Dramatikers.

 

Seite 13  Oberstudiendirektor D. Dr. Mentz.  Mensch, Forscher und Erzieher. Zu seinem 75. Geburtstag und Tode. (Foto)

Am 30. März 1957 verschied in Rinteln an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruches und Schlaganfalls der letzte Direktor des Königsberger humanistischen Gymnasiums Altstadt Kneiphof D. theol. h. c. et Dr. phil. Arthur Mentz. Noch am 7. März konnte der in Elbing Geborene seinen 75. Geburtstag feiern, an dem ihm von der Universität Göttingen als Hüterin Königsberger Hochschultradition das goldene Doktor-Diplom überreicht wurde; denn am 7. März 1906 promovierte er an der Albertus-Universität mit einer Dissertation „Beiträge zur Osterfestberechnung bei den Byzantinern" zum Dr. phil. und Magister der freien Künste.

 

Am 9. März versammelten sich etwa 30 ehemalige Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums in Rinteln, um mit ihrem verehrten Direktor einige Stunden herzlicher Verbundenheit zu verleben. In den beiden Festansprachen zeichneten der letzte Oberstudienrat der Königsberger Schule Dr. Martin Klein, Brake (Lippe), und der Sprecher des Freundeskreises der Stadtgymnasiasten, Pastor Werner Weigelt, Hamburg, ein plastisches Bild des Jubilars. Seine vorbildliche Haltung als Direktor und Kollege, die Toleranz in allen Fragen des Unterrichts und die beispielhafte Bescheidenheit in seinem ganzen Leben hob Dr. Klein hervor, der auch ein Abiturient des Kneiphofs gewesen ist. Pastor Weigelt feierte seinen Direktor und Ordinarius in der Prima als einen hervorragenden und gütigen Lehrer, dem die freie Entfaltung der Persönlichkeit seiner Schüler stets oberstes Gesetz war. Er überreichte D. Dr. Mentz als äußeres Zeichen des Dankes eine Nachbildung der Kanttafel am Kaiser-Wilhelm-Platz auf einem Bernsteinsockel.

 

Damals ahnte niemand, dass knapp 4 Wochen später (am 3. April 1957) die ehemaligen Kollegen und Schüler am Sarge ihres verehrten Direktors und Lehrers stehen würden. Pastor Weigelt, auch ein Bundesbruder des Verstorbenen, entwarf vor der großen Trauergemeinde noch einmal das Lebensbild des Toten. Sein tiefer christlicher Glaube, die bescheidene, aber aufopferungsbereite Tätigkeit für die Gemeinschaft, die gründliche und erfolgreiche Arbeit des Wissenschaftlers und Forschers und das segensreiche Wirken als Erzieher und Freund der Jugend bildeten die Grundakkorde der Gedenkrede. Das alte preußische „Mehr-sein-als-scheinen" und der Grundsatz des uneigennützigen Dienen-wollens hätten in jeder Lebensphase die Haltung des Entschlafenen bestimmt.

 

Der am Schluss der Trauerfeier gesungene Choral „Ach, bleib' mit Deiner Gnade“ schlug eine Brücke von dem Vertriebenenwohnort des Verstorbenen zur lieben ostpreußischen Heimat; denn der Verfasser des Liedes, das täglich vom Königsberger Schlossturm erklang, ist der Rintelner Geistliche Josua Stegmann gewesen.

 

Für die Patenschule, das Ratsgymnasium in Hannover, überbrachte letzte Grüße Oberstudienrat Dr. Zimmermann, und Oberstudienrat Dr. Klein sprach im Namen der ehemaligen Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums herzliche Dankes- und Abschiedsworte. Namens der Stadtvertretung Königsberg gedachte Pastor Weigelt der kommunalpolitischen Verdienste des Dahingegangenen, und Vertreter stenographischer Vereinigungen und der Inhaber des Heckner-Verlages dankten dem Erforscher der Kurzschrift.

 

Die Kränze der Angehörigen der Albertus-Universität, der ostpreußischen Landsmannschaft, der Stenographenverbände, des Ratsgymnasiums Hannover und der ehemaligen Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums Altstadt-Kneiphof mit den Farben der beiden Schulen seien aus der Fülle der Kranz- und Blumenspenden besonders erwähnt.

 

Pastor Kokemüller, Rinteln, sprach am Grabe den kirchlichen Segen.

 

Versuchen wir in gedrängter Kürze Lebensweg und -werk des Verstorbenen aufzuzeichnen, so müssen wir noch folgende Daten erwähnen: 1901 bestand Arthur Mentz auf dem Kneiphöfischen Gymnasium das Abitur, an dem er später nach dem Studium der Theologie, der alten Sprachen, Geschichte und Geographie als Studienrat wirkte, bis er zum Direktor des Altstädtischen Gymnasiums berufen wurde. 1923 übernahm er dann als Oberstudiendirektor die Leitung der beiden im Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof vereinigten ältesten Schulen Ostpreußens (1333 und 1304 gegründet), die er bis zum Zeitpunkt der Vertreibung 1945 inne hatte.

 

Eine Fülle wissenschaftlicher Schriften entstammt seiner unermüdlichen Feder, zuletzt erschien 1956 in Brüssel das Werk .Die sogenannten eteokyprischen Inschriften", wie überhaupt das Schwergewicht seiner auch international anerkannten Arbeiten in der Erforschung der Schrift und ihrer Entwicklung einschließlich der Stenographie lag. So wurde ihm seinerzeit für seine grundlegenden Untersuchungen auf dem Gebiete der antiken griechischen Stenographie vom König Griechenlands ein hoher Orden verliehen. Nach seinem Tode wird nun im Heckner-Verlag seine „Geschichte der Stenographie" erscheinen. Seine Verdienste auf theologischem Gebiet und sein Wirken als Mitglied der Generalsynode in Ostpreußen anerkannte die theologische Fakultät der Albertus-Universität durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde.

 

Als Stadtverordneter der Deutschen Volkspartei stand D. Dr. Mentz 17 Jahre führend im kommunalpolitischen Leben Königsbergs, zeitweilig sogar als Vorsteher des Stadtparlaments, und 1933 war der unerschrockene Verfechter einer nationalen und liberalen demokratischen Politik Spitzenkandidat dieser Partei bei der Reichstagswahl.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg ging der Verstorbene sofort daran, die ehemaligen Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums in einem Freundeskreis zu sammeln, der heute über 450 Namen umfasst. In diesem Rahmen entwickelte das Ehepaar Mentz eine hilfsbereite, segensreiche Tätigkeit, indem es aus eigenen Mitteln und Spenden in Not geratenen Stadtgymnasiasten Unterstützungen zukommen ließ, eine Aktion, die auch bis heute in rührender Weise und mit erheblichen Opfern vor allem für die in der Sowjetzone lebenden alten Schüler fortgeführt wird.

 

Im Mai 1947 gab D. Dr. Mentz die erste Nachkriegsnummer der jetzt im 29. Jahrgang erscheinenden „Mitteilungen für die Freunde des Stadtgymnasiums" heraus, die von Zeit zu Zeit durch umfangreiche Anschriftenlisten ergänzt werden. Diese „Rundbriefe" sind der sichtbare Ausdruck des festen Zusammengehörigkeitsgefühls aller ehemaligen Stadtgymnasiasten. Seit 1955 liegt die Redaktion in den Händen Pastor Weigelts.

 

Der Initiative des Toten ist es ferner zu verdanken, dass im November 1954 anlässlich der 650-jährigen Gründungsfeier des Stadtgymnasiums das altehrwürdige humanistische Ratsgymnasium in Hannover die Patenschaft über die Königsberger Schule übernahm.

 

Voller aufrichtiger Trauer und fortwirkender Verehrung werden die ehemaligen Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums ihren Arthur Mentz nie vergessen und in ihm den Menschen einer bescheidenen, wahrhaft christlichen Lebensauffassung verehren, den von edler Goethischer Humanität erfüllten Kollegen, Lehrer, Erzieher und Freund der Jugend, den Wahrer, Förderer und Erforscher antiken Geistes, deutscher Geschichte und deutschen Wesens und nicht zuletzt den von allen hochgeschätzten, lieben Direktor.

Dr. Otto Losch

 

Seite 13   Ostpreußen Buchdienst. Heute empfehlen wir besonders.

Herbert Blank.

Unter dem schwarzen Adler.

Preußische Berichte und Anekdoten. 134 Seiten Ganzleinen DM 7,80.

Die Wiederkehr des Tages, an dem das Land Preußen durch ein Gesetz des Alliierten Kontrollrates aufgelöst wurde, hat Herbert Blank zum Anlass genommen, Ursprung und Werden, Idee und Gestalt des Preußentums ins Gedächtnis zu rufen. In seinem Buche vereinigt der Autor, einer der besten Kenner der preußischen Vergangenheit, Berichte und Anekdoten zu einem lebendigen Spiegelbild des preußischen Staates und des Lebensgefühls seiner Könige, Soldaten und Beamten, seiner Bürger und Bauern. Nach einem einleitenden Essay, der in meisterhaften Strichen die Entstehung des preußischen Staates und die ihn tragende Dienst- und Pflichtauffassung skizziert, erzählt Herbert Blank vom Leben und Wirken der preußischen Könige. Vor allem die Gestalt Friedrich Wilhelms I., des eigentlichen Schöpfers Preußens, wird in vielen Einzelheiten lebendig, und mit gutem Recht widmet Blank dem großartigen Werke dieses Königs, dem „Retablissement“, der Wiederbesiedelung Ostpreußens, ein besonderes Kapitel. Die sittliche Idee, die den preußischen Staat und seine Menschen geformt hat, wird in den „Preußischen Berichten und Anekdoten“ zum aufrüttelnden Erlebnis. Für jene Deutschen, die in Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien ihre Heimat haben — ein Buch der Erinnerung, für alle Deutschen ein Buch der Besinnung.

 

Seite 14   Landwirtschaftliche Nachrichten.

Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig- Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb). Gotenstraße 33

 

Herzlichste Geburtstagsglückwünsche allen Kindern des Mai, ganz besonders gelten sie zum 30.:

 

am 16.05.1957: Helga Mix-Belitz (FrTV Danzig), 30 Jahre.

 

am 24.05.1957: Alexandra Regener-Märtens (Zoppot), 30 Jahre.

 

am 09.05.1957:  Hildegard Doerfer-Doebler (KMTV Königsberg), 40 Jahre.

 

am 05.05.1957:  Eugen Oltersdorf (KTC Königsberg), 50 Jahre.

 

am 16.05.1957: Kurt Rennack (Elbinger Tgm.), 50 Jahre.

 

am 27.05.1957: Paul Gehrmann (MTV Lyck), 50 Jahre.

 

am 30.05.1957: Ernst Schulz (KMTV Königsberg), 60 Jahre.

 

am 21.05.1957: Gerhard von Donop (Tgm. Danzig), 75 Jahre.

 

am 04.05.1957: Robert Sander (Tgm. u. TuF. Danzig), 79 Jahre.

 

am 21.05.1957:  Karl Schüleit (KMTV Königsberg), 81 Jahre.

 

am 15.05.1957: Richard Schirrmann (TV Königsberger Turnlehrer), 83 Jahre und

 

am 23.05.1957: Arthur Callwitz (Tgm. Danzig)., 83 Jahre.

 

Turnbruder Paul Batzer, Zoppot, ist, wie mir erst jetzt bekannt wurde, am 30.06.1956 nach einer 2. Magenoperation (Krebs) in Göttingen verstorben. Mit ihm ist ein allzeit getreuer und opferbereiter Turner dahingegangen, dessen Andenken wir in Ehren hochhalten wollen.

 

Zum X. Wiedersehenstreffen gelegentlich des Deutschen Turnfestes 1958 in München hoffe ich wieder auf eine starke Beteiligung unserer in der Sowjetzone wohnenden Turnschwestern und Turnbrüder. Um möglichst alle, die interessiert sind, in Kenntnis setzen zu können, bitte ich schon jetzt um Benennung von Turnern und Turnerinnen, an deren Einladung irgend Jemand besonders gelegen ist. Onkel Wilhelm.

 

Sammelaktion des Ostpreußischen Bäckerhandwerks.

Anlässlich des großen Ostpreußentreffens in Bochum am 17., 18. und 19. Mai wollen wir am Sonntag, dem 19. Mai nach der großen Kundgebung (15 Uhr) wieder unsere Bäckerkollegen mit ihren Angehörigen zu einem Sondertreffen einladen. Das Trefflokal wird bei der Kundgebung durch Lautsprecher-Durchsage bekanntgegeben. Wir hoffen, recht viele Kollegen begrüßen zu können, um zwei bis drei Stunden des Wiedersehens zu feiern. Kaffee und Kuchen wird gestiftet. Mit Heimatgruß: Richard Popp; Heinrich Berg; Arthur Tobias.

 

Obermeister Popp ist verzogen. Seine jetzige Anschrift lautet: Hannover, Ferdinand-Wallbrecht-Straße 32/II, bei Korsmeyer.

 

Seite 14   Leser-Suchdienst

Gesucht wird: Otto Petrick, früher Königsberg Pr., Alkstraße 4, geb. 30.08.1882. Beschäftigt gewesen als Werkmeister bei der Waggonfabrik L. Steinfurt in Königsberg Pr., Ratshof. Bitte auch um Angabe von Anschriften von Mitarbeitern der Fa. L. Steinfurt bzw. jetzige Anschrift der Firma, an seine Tochter Frau Eva Skorczyk, Bonn, Schmittstraße 25.

 

Seite 14   Es starben fern der Heimat:

Georg Arneman., öfftl. bestellter Vermessungs-Ing. aus Königsberg, am 26.02.1957, im Alter von 74 Jahren in Detmold, Emilienstraße 34.

 

Josef Bluhm, Reichsbahnwerkmeister i. R. aus Osterode/Ostpr., am 1. April 1957, im Alter von 86 Jahren in Cloppenburg i. O.. Bahnhofstraße 56.

 

Anna Demmer, geborene Stobbe, aus Königsberg/Pr., Gebauhrstraße 31a, am 23. April 1957, im Alter von 70 Jahren in Wiefelstede/Oldb.

 

Seite 14   Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit.

Otto Wegener, geb. in Stibb b. Deutsch-Krone, und Frau Luise Wegener, geb. Lemke, geboren in Spechtsdorf b. Arnswalde, am 29. April 1957 in Ochtersum, Kreis Hildesheim.  

 

Friedrich Karrasch und Frau Marie Karrasch, geb. Kochmann, aus Sensburg, am 14. April1957 in Dalum, Kr. Meppen/Emsland.  

 

August Pareigat und Frau Auguste Pareigat, aus Grünheide, Kreis Insterburg, zuletzt wohnhaft in Tilsit, am 1. April 1957 in Steinau/Niederelbe.

 

100. Geburtstag.

Gottfried Siedler. Fischer und Bauer aus Heydekrug, am 25. April 1957 in Bergheim, Kreis Waldeck. Der Jubilar erfreut sich bester Gesundheit, mit unverminderter Kraft schwingt er noch täglich die Axt beim Holz hacken. Selbst der Wunsch seines Lebens, einmal zu fliegen, ging jetzt, nachdem er die Hundert überschritten, in Erfüllung, als er zwei Tage nach seinem Geburtstag in Kassel die dreisitzige Sportmaschine eines Bad Wildunger Sportfliegers bestieg und sich über Nordhessen fliegen ließ.

 

92. Geburtstag.

George Schneidereit, aus Dreßlershausen, Kreis Schloßberg, heute wohnhaft in Hollern-Siebenhöfen„ Kreis Stade, wo er bei seiner Schwester Auguste Milkereit seinen Lebensabend verbringt.

 

83. Geburtstag.

Gustav Byszio, aus Ostpreußen, am 1. Mai 1957 in Wesuwe, Kreis Meppen. Der Jubilar war in seiner Heimat 20 Jahre lang Bürgermeister und bekleidete zahlreiche Ehrenämter. Wegen seiner vierzigjährigen Mitgliedschaft zum VdK wurde er mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet.

 

81. Geburtstag.

Martha Petermann. geb. Stensel, aus Elbing, am zweiten Ostertag1957 in Nienhagen, Kreis Celle, wo sie von ihrer jüngsten Tochter Eleonore liebevoll umsorgt und gepflegt wird.

 

77. Geburtstag.

Elisabeth Weituschatis aus Wartenburg/Ostpr. am 30. Mai 1957 in Seesen, Jakobsonstraße 45.

 

76. Geburtstag.

Charlotte Schmidt, aus Nosewitz, Kreis Mohrungen, am 24. Mai 1957 in Bornhausen 26, über Seesen.

 

70. Geburtstag.

Lehrer a. D. Paul Santner, aus Johannisburg/Ostpreußen,am  6. Mai 1957 in Bornhausen 84, über Seesen.

 

Hedwig Pietzker, geborene Dreher, aus Marienburg, Westpreußen, Ehefrau des ehemaligen Bankvorstandes Pietzker-Marienburg, am 2. Mai 1957, in Seesen, Dehnerstraße 31.

 

Seite 14   Mai-Geburtstagskinder in Flensburg:

Minna Sommer, aus Königsberg, am 1. Mai 1957 in Flensburg, Twedterholz 65, 76 Jahre.

 

Amalie Schulz, aus Königsberg, am 2. Mai 1957 in Flensburg, Turnierstraße 5 79 Jahre.

 

August Beyer, aus Wenkendorf/Gerdauen am 4. Mai 1957 in Flensburg, Mützelburglager B 1, 79 Jahre.

 

Friedrich Thurau, aus Hasenrode, Kr. Gumbinnen, am 8. Mai 1957, in Flensburg, Lager Weichsel II. 42/12. 70 Jahre.

 

Richard Steinke, aus Pillau am 9. Mai 1957, in Adelbylund 1, Sünderup. 70 Jahre.

 

Elisabeth Rosenkrantz, am 14. Mai 1957, in Flensburg, Falkenberg 6. 78 Jahre.

 

Rosalie Bergmann, aus Königsberg, am 15. Mai  1957, in Flensburg, Dorotheenstraße 24, 84 Jahre.

 

Gertrud Loessner, aus Königsberg, am 18. Mai 1957 in Flensburg, Ostseebadweg 13. 76 Jahre.

 

Elisabeth Maluck, aus Königsberg, am 20. Mai 1957, in Flensburg, Nordengraben 62. 78 Jahre.

 

Anna Schettler, aus Königsberg am 24. Mai 1957, in Flensburg, Ostlandstraße 3. 77 Jahre.

 

Karoline Sturm, aus Königsberg, am 25. Mai 1957, in Flensburg, DRK-Heim. 75 Jahre.

 

Ferdinand Neumann, aus Königsberg, am 28. Mai 1957, in Flensburg, Mathildenstraße 6, 91 Jahre.

 

Berta Kropeit, aus Königsberg, am 28. Mai 1957, in Flensburg, Bauerlandstr. 71. 77 Jahre.

 

Berta Hirschfelder, aus Neumünster, Kreis Pr. Holland, am 30. Mai 1957, in Flensburg, Schiffbrücke 75. 94 Jahre

 

Johann Sakuth, aus Nidden, am 30. Mai 1957, in Flensburg, Hafendamm 52. 81 Jahre.

 

Allen Jubilaren wünscht das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit.

 

Seite 14   Alberten-Träger. 20 ost- und westpreußische Abiturienten in Itzehoe.

Das Abitur bestanden an der Auguste-Viktoria-Schule, Städt. Mädchen-Gymnasium in Itzehoe:

 

Helga Fandrey, Tochter des verstorbenen Berufsoffiziers Fandrey. Familie jetzt wohnhaft in Itzehoe, Danziger Straße 9;

 

Gertrud Fanslau, aus Borzimin/Westpr., jetzt wohnhaft in Ottenbüttel bei Itzehoe;

 

Ingelore Großjohann, Tochter des Bauingenieurs Großjohann, jetzt wohnhaft in Itzehoe, Sihistraße 13;

 

Rosemarie Haase, Tochter des Hauptlehrers Haase, jetzt am Landeserziehungsheim Heiligenstedten bei Itzehoe;

 

Waltraud von Knobelsdorff, Tochter des Oberstudiendirektors Oldwig von Knobelsdorff, zuletzt in Osterode/ Ostpr., jetzt Itzehoe, Thalstr. 2;

 

Ursula Pickert, Tochter des Rechtsanwalts Pickert aus Angerburg, jetzt Itzehoe, Königsberger Allee 60;

 

Susanne Zerrath, Tochter des verst. Landwirts Zerrath. Familie jetzt in Edendorf bei Itzehoe, Holzweg 1;

 

Sabine Zorn, Tochter des verst. Hauptlehrers Fritz Zorn aus Markthausen (Popelken), Mutter ist Lehrerin in Itzehoe und wohnt Breslauer Straße 3.

 

Seite 14   Das Abitur bestanden an der Kaiser-Karl-Schule, staatl. Gymnasien f. J. in Itzehoe:

Arno Alexander, Lyck, Vater gefallen, Mutter jetzt Angestellte, wohnt in Itzehoe, Bahnhofstraße 1a;

 

Horst Brandt, Sohn des Schmiedemeisters Brandt aus Lohberg, jetzt Dägeling bei Itzehoe;

 

Bodo Finger, Sohn des Oberstabsintendanten a. D. Finger aus Königsberg/Pr, jetzt Itzehoe, Breitenburger Straße 32;

 

Ulrich Gerlach, Sohn des Studienrats Gerlach aus Könlgsberg/Pr., jetzt Itzehoe, Ochsenmarktskamp 26;

 

Christian Hube, Sohn des zuletzt in Danzig wohnhaften Dipl.-Ingenieurs Baurat Hube, jetzt Itzehoe, Thalstr. 9;

 

Eckehard Marnau, Sohn des gefallenen Landgerichtdirektors Marnau, zuletzt in Danzig, Familie jetzt in Itzehoe, Brookstr. 1;

 

Rolf Naujoks, Sohn des Oberstleutnants a. D. Naujoks, Schwalbental/Ostpr., jetzt Lägerdorf bei Itzehoe, Stiftstraße 25;

 

Siegfried Schwark, Sohn des verst. Wallmeisters Schwark aus Eibing, Familie jetzt Itzehoe, Feldschmiedekamp 36;

 

Erhard Schwesig, Sohn des gefallenen Stabsfunkmeisters Schwesig aus Königsberg/Pr., Familie jetzt Kellingshausen/Mittelholstein, Königsberger Straße 7 d;

 

Arno Stessun, Vater Beamter aus Braunsberg/Ostpr., jetzt Kellinghusen, Brauerstraße 12;

 

Martin Tischkowitz, Sohn des Zollsekretärs Tischkowitz aus Marienburg, jetzt Itzehoe, Alte Landstraße 54;

 

Karl-Heinz Ulrich, Sohn des Handelsvertreters Ulrich aus Danzig, Jetzt Itzehoe, Alte Landstraße 58a.

 

Seite 14   Ostdeutsche Filme

Nachstehend bringen wir eine Aufstellung über die zurzeit greifbaren Schmalfilmstreifen über die deutschen Ostgebiete. Diese wertvollen Dokumentarfilme können von landsmannschaftlichen Gruppen sowie Schulen entliehen werden.

 

Beim Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte in Bonn befinden sich folgende Filme (16 mm Lichttonkopien):

1. Rominter Heide*);

2. Kurenfischer*);

3. Masuren*);

4. Jagd in Trakehnen *);

5. Kopernikus *);

6. Peter Parler — Dombaumeister zu Prag *);

7. Burgenland *);

8. Aus Stifters Böhmerwaldheimat *);

9. Ostpreußen — Mensch und Scholle*);

10. Adalbert Stifter *);

11. Hochzeit in Schönwald;

12. Land in der Stille;

13. Das deutsche Danzig;

14. Das war Königsberg;

15 Mutter Ostpreußen;

16. Aus der Heimat der Bessarabiendeutschen;

17. Streifzug durchs Sudetenland;

18. Und in dem Schneegebirge . .. (Gebiete aus Schlesien) *];

19. Wie es war … Bäder und Kurorte im schlesischen Gebirge (einstweiliger Arbeitstitel);

20. Böhmen und Mähren (Streifzug) [Spieldauer rd. 28 Min.]

21. Dresden — die verschwundene Stadt (Spieldauer rd. 40 Min.);

22. Zwischen Haff und Meer (Farbfilm mit Vortrag auf Tonband für 9,5 oder 19 cm/sec. Bildgeschwindigkeit 16 sec.) [Spieldauer 45 Minuten).

Kopien nur in beschränkter Zahl vorhanden, mit Wartezeit muss gerechnet werden:

23. Ostpreußen — deutsches Ordensland - ;

24. Grenzland Ostpommern;

25. Ostpreußen — Heimat und Volkskunst;

26. Handwerkskunst in Ost- und Mitteldeutschland; 2

7. Oberschlesien — Kraftquell des Ostens.)

 

*) Diese Filme befinden sich auch in den Landesbildstellen in Düsseldorf und Münster, sowie in der Stadtbildstelle in Bielefeld, zum Teil auch in den Stadtbildstellen Köln und Aachen.

 

Seite 14   De „Möblierte"

Bei Erpeleits is eine zugezogen,

Se sagt, se is beschäftigt beis Gericht,

Die zahlt meebliert mit Wäsche ungelogen

Pro Tag zwei fuftzig exklusieve Licht.

 

Se muss bestimmt von bessre Eltern stammen,

Denn wo e andrer Haut hat, hat se „Täng",

Beim Sprechen nimmt se vornehm sich zusammen

Und aufem Sofa sagt se „Scheußeläng“.

 

Se sagt auch nich „verloren“ und „vergessen", Se sagt „passeh" und weilerweis „perdüh“,

E andrer Mensch tut mittem Löffel essen,

Die nich, die isst im Resterang „Menüh".

 

Se wickelt sich in seidene Kleidasche,

Mit Weizenmehl bestreit se sich de Fress,

Bis Mittag liegt se inne Schnarch-Garasche,

Und außerdem noch liegt se im Prozess.

 

Se hat beim Rechtsanwalt e Haufen Schulden,

Noch weiß se gar nich, was der Krempel kost,

Und alle Montag kriegt se fuffzehn Gulden,

Die bringt der Geldbriefträger vonne Post.

 

Se hat kein Mutter nich und hat kein Vater,

Erzogen hat se, sagt se, eine „Miss",

Und abends geht se häufig im Theater,

Weil ihr das Kino zu gewöhnlich is. —

 

„Die fuffzehn Gulden reichen knapp für Miete!“

So hat de Erpeleitsche sich gesagt,

Drum hat se voller Mitgefiehl und Giete

Von was se lebt, nu kirzlich ihr gefragt.

 

Da hat das Freilein ihrem „Täng" vergessen,

„Menüh" und „Miss" und was ihr sonst gequält,

Vom Sofa sprang se auf, wo se gesessen,

Und hat de Erpeleitsche was erzählt:

 

„Sei grieset Wief, von watt sull öck denn läwe?

Sei Hupe Möst, na, ös dat vleicht e Schand?

Sei ware mie doch nuscht to fräte gäwe 

Vleicht schloag öck miene Tähne önne Wand!

 

Dat kömmt mie hoch, dat deiht mie röchtig häwe,

Sei wart mie froage möt ähr schorwget Mul!

Na sie öck Enne all wat klamm gebläwe.

Sei Donstkröck, Sei Rachachel, Sei ohl Uhl?“

 

So haud se los, der Sabber spritzt im Bogen,

Indem de Stimm sich fimfmal ieberschlug.

De Erpeleitsche hat sich still verzogen

Und schmiss de Tier zu, denn se wussd genug!

Dr. Alfred Lau

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (43)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nu is auch wieder Ostern vorbei, und es waren kalte Ostern, dass einem direkt untre Zudeck hubbern tat. De Hasen waren empeert, dass se in die Kälte Eier legen sollden, und de Emma, was meine Frau is, wolld gar nich auße Hotz raus, weil es ihr wieder so innes Kreiz und inne Beine ziehen tat. Se wird ebend langsam alt. Zu Haus konnden de Mergellens gar nich dem Ostermorgen abwarten. Vore Sonn standen se all auf, Osterwasser holen, und de Jungens kamen ihnen aufe blanke Beine schmackostern. Auf die Art konnden se sich bequem an ihre Mergellens ranpirschen.

 

Aber se dirfden sich nich so dusslig anstellen wie der Role Kairies. Das war dem Schmied sein Sohn, und er war e bissche bekloppt und hield sich fier e gute Partie, weil indem dass er der einzige war und mal dem Vatche seine Schmied erben solld. Pferde beschlagen konnd er auch all, aber von die Soldaten hädden se ihm wieder zu Haus geschickt, weil er zwei linke Fieß hädd und aufem Herr Unteroffzier du sagd. Das passd dem gar nich, und deshalb schrieben se ihm „geistig unterernährt" inne Papiere. Mit die Zeit war er nu bald dreißig geworden und hädd immer noch keine Frau nich gefunden. An aller hädd er was auszusetzen. Die eine war zu dick, de andre zu dinn. Eine war zu groß, de andre zu klein. So suchd er und suchd er, weil ihm keine nich fein genug war. Da nahm de Muttche ihm beiseit und tat ihm innes Gewissen reden: „Role", sagd se, „Du bist all e reines Gespött fieres Dorf. Es is de heechste Zeit, dass Du Dir verlobst, sonst werden Dir alle Mergellens vore Nas weggenommen. Viel Auswahl is sowieso nich mehr“. Da schmiss der Role dem Spaten inne Eck und sich inne Brust: „Reg Dir man nich auf, Muttche, ich weiß all, wem ich nehmen werd! Ich nehm

Masersch Minna!" Aber nu missen Se wissen, liebe Landsleite, wer Masersch Minna war. Das war de einzige Tochter vom greeßten Bauer im Dorf, wo mal die zweihundert Morgen kriegd, fetter Weizenboden, und der Hof war gut eingebaut und eingewirtschaftet. Und de Minna war e Staatsmergell, nach die wo sich alle Bauernjungens im ganzen Kreis Insterburg de Finger lecken taten. Ganze achtzehn Jahre war se alt, und die lauerd ganz bestimmt gerad auf dem Role Kairies! Drum sagd de Muttche: „Masersch Minna wöllst friee? Dä wart di wat oppe Kopp schiefe, denn hast e scheene „Wöntermötz!" Leider hädd se das e bissche zu laut gesagt, so dass andre es mitheerden, und von Stund an hädd es dem Spitznamen „Wöntermötz", was natierlich auch de Minna zu erfahren kriegd. Nu wie er ihr mal einem Abend aufe Bleich besuchen wolld, da tat se ganz verschämt und machd ihm Hoffnung. Aber wie er ihr denn kiehn umärmeln tat, war es gar nich de Minna, sondern ihre alte Muhme von sechzig Jahre, wo sich auf ganz jung zurechtgemacht hädd. Dem andern Tag sagd de Minna denn, ihr war plötzlich schlecht geworden, dass se nich kommen konnd.

 

Nu kam Ostern ran, und der Role wussd, dass de Minna wie alle junge Mergellens Osterwasser holen ging — wegne Scheenheit. Er wussd auch, dass se dabei kein Wort nich sprechen durfd, sonst wirkd der Zauber nich. Aber e paar Jungens außem Dorf hadden dem Role eingeredt, dass er de Minna zum Sprechen bringen solld, denn missd se ihm nehmen, sonst wurd das Vieh vonne Krankheit befallen. Das stimmd natierlich nich, aber der Role glaubd es und dachd, das war nu de einzge und letzte Gelegenheit, ihr zu erobern. Der Ostermorgen kam, und de Sonnche ging auf. Da schöpfd de Minna frisches Wasser aus die Quelle in die Katnuppis und ging, dem Toppche inne Hand, still zu Haus. Mit eins sprang der Role hintrem Husch vor und brilld: „Freehliche Ostern!" De Minna verschrak sich, dass se bald dem Top fallen ließ, aber se biss sich aufe Zung, dass ihr bloß kein Wort nich iebre Lippen kam. Aber der Role ließ nich Ruh. Er tanzd um ihr rum wie e Pojatz, quackeld dummes Zeig und verzog das Gesicht, weil er ihr zum Lachen und zum Reden bringen wolld. So waren se all e ganzes End gegangen, sie vorsichtig mit ihr Toppche, dass se nischt verschitten tat, und er immer im Hoppsens. Da mit eins verstelld er ihr dem Weg und sagd: „Nömmst mi nu oder nich?" Reden wolld se nich, deshalb hob se als Zeichen von ihre Verachtung e bissche dem Rock an. Da brilld der Role: „Schiet man, schiet, obber noch dorche Böxe!" Nu konnd de Minna sich nich mehr halten und fing an, lauthals zu lachen. Denn schmiss se dem Role dem Topp am Kopp und sockd zu Haus. Mittem Scheenheitszauber war es nu natierlich vorbei, aber wenigstens war se endlich dem Role los, wo nu doch begriff, dass er ihr im Leben nie nich kriegen konnd.

 

Ja, sehn Se, dass is so e Oster-Erinnerung an zu Haus. Und da fällt mir auch gleich noch die Geschichte mit der Gigg ein. Se wissen doch noch, was e Gigg is? E hoher zweirädriger Wagen. So einem hädd der Herr Lehrer Strunskus. Aber er huckt sich nich rein in die „Himmelfahrtskutsch", wie er ihr betittelieren tat, sondern er hield ihr bloß fier seine Frau. Der machd das mächtig Spaß, und so fuhr se auch einmal Griendonnerstag inne Stadt, wo se Zucker- und Schuckladeneier zu Ostern einkaufen wolld. Aus Gefälligkeit hädd se de dicke Burblies'sche mitgenommen, de Frau vom Schneider. Der war dinn wie e Zwirnsfaden; aber was er zu wenig hadd, hadd seine Frau zuviel. Ich weiß nich, was se wog, aber wie sich reinhuckd, da kriegd de Gigg direkt Schlagseit. Und nach e paar Schritt kickd der Wallach sich um und schlackerd mitte Ohren. Er konnd sich gar nich vorstellen, dass eine einzige Frau so schwer war. De Straß, wo se lang fahren missden, hädd ein Loch am andern, und de Löcher waren voll Dreck und Modder, denn es hädd acht Tag geregnet. Deshalb missd de Frau Lehrer hibsch vorsichtig um die Modderlöcher rumkutschieren. Und de Burblies'sche missd sich immer mal nach links und immer mal nach rechts biegen, wenn wieder mal e Loch kam. Das war wegen die Bilangs. Hin ging auf die Art auch ganz gut. Se hädden nu e großem Krebsch voll sieße Sachen eingekauft und fuhren wieder zu Hause. Da fing es an zu regnen, und de Burblies'sche spannd dem Schirm auf. Nu war aber nuscht mehr mit das Biegen nach rechts und nach links, sonst hädd se de Frau Lehrer womeeglich de Augen ausgestochen. Deshalb huckd se steif wie e Bohnenstang und kimmerd sich nich mehr umme Bilangs. Dadrauf hadd der Wallach bloß gelauert. Emmend wolld er auch schneller zu Haus im Stall kommen, weil ihm im Regen hubbern tat. Jedenfalls fing er mit eins zu traben, dass de Frau Lehrer nich mehr de Modderlöcher auße Seit fahren konnd. Sehen konnd se auch nich viel, denn nu goss es allmählich wie mit Eimers.

 

Vleicht war trotzdem noch alles gut gegangen, aber ein Unglick kommt ja niemals nich allein. Wie die beide Frauens immer im Juchens mal nach links abrutschen und mal nach rechts, feift mit eins de Kleinbahn, wo gerad umme Eck biegt. Da legt mein Wallach de Ohren an, macht vor Schreck e großen Satz, und denn heiziedraht los, dass man so gestöwert hädd, wenn Sommer und trocken gewesen wär. Nu treischd der Dreck nache Seiten und de Gigg rumpeld durche Modderlöcher, dass ein Rad immer inne Luft hing. Lang konnd das nich gut gehn, und es ging auch nich gut, weil de Gigg mit eins de Bilangs verlor und umkippd. Zum Glick blieb der Wallach nu stehn. aber de Burblies'sche war koppieber in e besonders großes Modderloch gekippt und wiehld im Dreck rum und brilld. Bis iebre Ellbogen steckd se im Modder und konnd gar nich mehr hoch, weil der Frau Lehrer auf ihr hucken tat. Die hädd Glick gehabt, war auf ihr raufgekullert und bloß e bißche bespritzt. Der Krebsch mit die Ostereier und Schuckladenhaschens war natierlich auch ausgekippt, so dass alles im Dreck schwamm. Hat de Burblies'sche geschimft! Nie wieder wolld se sich in die Gigg reinhucken, sagd se. Wär se bloß zu Fuß gegangen oder mitte Kleinbahn gefahren! Zu Haus missd se drei Kessels heiß Wasser machen, bis dem greeßten Dreck weg hädd. Auch de Lehrersche schimpfd, wenn auch nich so doll. Der einzige, wo sich freid, war der Herr Lehrer, heechstens noch der Wallach, denn der hat zu Haus im Stall gewiehert, als wenn er nich recht bei Trost war. Dafier wurd er denn bald abgeschafft mitsamt die Gigg. Aber Schuld hädd doch, genau besehn, bloß der Regenschirm! Herzliche Friehlingsgrieße! Ihr alter Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   „April - April"

Heiterer Abend der Landsmannschaft Ostpreußen.

Wilhelmshaven. „Hüte Dich vor dem 1. April" hieß es in der Veranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen, die turnusmäßig diesmal genau auf den „gefährlichen“ Tag fiel.

 

Ein sehr umfangreiches und abwechslungsreiches Programm hatte der 2. Vorsitzende Schlokat in Form von Quizfragen zusammengestellt, bei dem u. a. ostpreußische Bauern eine Anzahl von Ackerunkraut, essbare Pilze usw. nennen mussten, sich Damen als Schnellmaler nach der Art von Picasso zu betätigen hatten, und auch ein Pferderennen mit echten „Trakehnern" fand statt und zahlreiche andere Belustigungen, bei denen die Preise zeigten, dass es eben der 1. April war“.

 

Zwischendurch las der 1. Vorsitzende, Obermedizinalrat Dr. Zürcher, Verse von Ringelnatz, Fred Endrikat, Wilhelm Busch und streute zahlreiche witzige Anekdoten und Späße in das reichhaltige Programm, bei dem die Erschienenen nicht merkten, dass der heitere Abend erst gegen Mitternacht zu Ende ging, — wie der 1. April ja auch erst um 24 Uhr endet.

 

Dr. Zürcher dankte besonders Landsmann Schlokat für die große Mühe, die er mit der Vorbereitung und der Durchführung seines sehr netten Programmes gehabt hat.

 

Die nächste Zusammenkunft der hiesigen Landsmannschaft findet aus technischen Gründen erst am 20. Mai bei Dekena statt.

 

Flensburg

Lm Dr. Kob konnte in der letzten Monatsversammlung der Kreisgruppe Flensburg-Stadt der LO zahlreiche Landsleute begrüßen. Im Gedenken an die Toten der letzten Wochen, die die Kreisgruppe zu beklagen hatte, gedachte er besonders der wertvollen Verdienste des verstorbenen 1. Vorsitzenden, Schulrat a. D. Babbel. Die Ehrung wurde umrahmt von Gedichtvorträgen. Großen Beifall fand der Lichtbildervortrag „Wiedersehen mit Ostpreußen", der den unter polnischer Verwaltung stehenden Teil Ostpreußens in der Gegenüberstellung von Bildern aus dem Jahre 1956 mit Aufnahmen von einst zeigte. Der Vortrag hinterließ einen tiefen Eindruck unter den Landsleuten. Auf folgende Veranstaltungen der Kreisgruppe sei noch hingewiesen:

 

Mai-Monatsversammlung: Dienstag, 14. Mai, 19.30 Uhr im Deutschen Haus, Blauer Saal. Im Rahmen dieser Versammlung findet die Jahreshauptversammlung statt. In einem Referat wird über den heutigen Stand der Lastenausgleichs- und Sozialgesetzgebung berichtet.

 

Bundestreffen in Bochum: Es ist geplant, von Flensburg aus mit einem Omnibus nach Bochum zu fahren. Abfahrt Freitag, 17. Mai, früh; Rückfahrt ab Bochum am Sonntag im Laufe des Nachmittags. Fahrtpreis DM 28--. Meldungen und Anfragen an das Büro des KvD, Große Straße 12.

 

Sommerausflug: Sonntag, 23. Juni. Das Ziel wird die Westküste Schleswig-Holsteins mit Besichtigungen der am Ausflugsort liegenden Sehenswürdigkeiten sein. Unkostenbeitrag, der Omnibusfahrt und eine Tasse Kaffee einschließt, beträgt DM 6,--. Meldungen bis spätestens Sonnabend, 15. Juni, an Büro des KvD, täglich zwischen 9 und 12 Uhr.

 

Melle

Aus dem hiesigen Kreisgebiet wird bei genügender Beteiligung ein Omnibus zum Bundestreffen nach Bochum fahren. Abfahrt vom Markt Melle am 19. Mai, morgens 6 Uhr, Ankunft Bochum 9 Uhr. Fahrpreis etwa DM 8,--. Anmeldungen umgehend an die Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisgruppe Melle, Kampstraße 13.

 

Kettwig

In Kettwig wurden an zwei aufeinander folgenden Sonnabenden, am 30. März und 6. April 1957 die Jahreshauptversammlungen der im Bund vertriebener Deutscher (BvD) vereinigten Landsmannschaftgruppen durchgeführt, der am Freitag, den 12. April die Delegiertenzusammenkunft (Jahreshauptversammlung) des BvD folgte.

 

An allen drei Abenden hielt Landsmann Dorn das Hauptreferat. Infolge parteipolitischen Intrigenspiels war im Frühjahr des Jahres 1956 der Bund vertriebener Deutscher gesprengt worden. Es gelang Ldm. Dorn und einer beherzten Schar treuer Mitarbeiter in zäher Aufbauarbeit eine neue Organisation zu schaffen. Durch intensive Werbung wächst heute die Zahl der Mitglieder ständig. Kettwig ist schon wieder dabei, seine alte Position unter den Verbänden der Nachbargemeinden zu erlangen, die es Jahre vorher besaß. So ist auch gelungen, für den Ostpreußenabend im Mai Landsmann Dr. Alfred Lau, den langjährigen Intendanten des Königsberger Senders, in Zusammenarbeit mit den Ortsverbänden der Landsmannschaft Ostpreußen in Heiligenhaus und Velbert nach Kettwig einzuladen. In dieser Gemeinschaftsarbeit ist die Durchführung populärer Heimatabende besser gewährleistet. Nicht landsmannschaftlicher Egoismus, sondern die Einheit der Vertriebenen und Flüchtlinge ist oberstes Gesetz der neugewählten Vorstände, der BvD ist der Dachverband. Eine Arbeitsgemeinschaft preußischer Kreise wurde gebildet, die nicht nur das Wiedererstehen eines Landes Preußen erstrebt, sondern auch die Tugenden Preußens im Dienst für die Gemeinschaft wieder erwecken und weiterentwickeln will.

 

Landsmann Dorn wurde an Stelle des schwer erkrankten Landsmannes Pommeranz zum 1. Vorsitzenden des BvD gewählt.

 

Seesen

Beim letzten Heimatabend hielt Landwirtschaftsoberlehrer Luczik einen Interessanten heimatpolitischen Vortrag über „Das nördliche Ostpreußen – heute -. Sozialreferent Lm. Wilbudies gab Informationen zum neuen Rentengesetz, zu den Verbesserungen im Lastenausgleichsgesetz durch die 8. Novelle und über die Zollbestimmungen für Paketsendungen nach den polnisch und sowjetisch besetzten deutschen Ostgebieten. Bei dem geselligen Beisammensein erfreute Frau Fahlke (Pillau) mit humoristischen Mundartvorträgen. Der Vorsitzende Schulrat a. D. Papendick konnte auch diesmal wieder zwei Spätaussiedler, Paul Grabowski und Irmgard Grabowski, aus Wartenberg mit einem Präsentkorb im Kreise der Landsleute begrüßen. „Masuren im Zauber der Farben und im Spiegel der Dichtung“ ist das Motto, unter den der nächste Heimatabend am 4. Mai gestellt ist.

 

Wolfenbüttel

Zu einem Fleckessen versammelten sich zahlreiche Landsleute mit Gästen im Forsthaus. Landsmann Oberstudienrat i. R. Kurt Maeder, früher Allenstein, hielt einen Vortrag über das Thema: „Werden wir Ostpreußen wiederbekommen?“ der mit großem Beifall aufgenommen wurde. Anschließend erfreute die Anwesenden Lm. Karl Schillak mit ostpreußischen Späßchen. Der nächste Treffabend findet am 03.05.1957, um 20 Uhr im Forsthaus statt.

 

DJO-Ausstellung

Im „Haus der ostdeutschen Heimat" in Berlin veranstaltete die Berliner DJO im April eine Ausstellung unter dem Motto „Der deutsche Osten – unsere Aufgabe“. Den reichen Besuchern der Ausstellung wurden außer Bildtafeln und graphischen Darstellungen der deutschen Ostgebiete Werkarbeiten der landsmannschaftlichen Jugendgruppen, Trachten und Handarbeiten ihrer Heimatgebiete und Modelle ostdeutscher Kulturdenkmäler gezeigt.

 

Seite 15   Überlebtes abtun – neue Wege gehen. „Albertus“ – Symbol fortdauernder Verbundenheit mit der Heimat.

Itzehoe. Ost- und westpreußische Abiturienten hatte die Itzehoer Landsmannschaft zu einem heimatlichen Kaffeenachmittag eingeladen.

 

In Vertretung des erkrankten 1. Vorsitzenden Schulrat i. R. Grohnert, begrüßte der 2. Vorsitzende, Medizinalrat Dr. Bahr die Erschienen. Er wies einleitend auf die verpflichtende Tradition Ptreußens hin, das bisher noch aus jedem Zusammenbruch mit eigener Kraft den Weg zu neuem Aufstieg gefunden hat, und zwar aus dem Mut heraus, Überlebtes abzutun und neue Wege zu gehen. Das erste Beispiel eines kühnen Neuanfangs gab der letzte Hochmeister des Deutschen Ritterordens. Albrecht, mit der Rundung des Herzogtums Preußen.

 

Über die geistige Ausstrahlung der von Albrecht begründeten Königsberger Universität der Albertina, sprach dann Oberstudiendirektor Dr. von Knobelsdorff. An wenigen erlesenen Beispielen erläuterte er die Bedeutung des Werks preußischer Männer, das aus der Geistesgeschichte Europas nicht mehr wegzudenken ist: Die Pflichtenlehre Kants im Gegensatz zu missverstandener Freiheitsproklamation; die einzigartige Forschungsarbeit Herders, die für manche Völker erst die Grundlage schuf, durch die Sprache ein Volk zu werden und politisch zu erwachen; die weit über Deutschlands Grenzen wirkende dichterische Kraft eines E. T. A. Hoffmann, der bis nach Frankreich hinein anerkannt und geliebt wurde.

 

Als Zeichen der fortdauernden, die materielle Zerstörung überlebenden Verbundenheit mit der Universität der Heimat überreichte der zweite Vorsitzende dann den Abiturienten den für die Königsberger Studenten traditionellen „Albertus", die Plakette mit dem Bilde Herzog Albrechts. Eine gemütliche Kaffeetafel mit heimatlichem Kuchen und Getränk bildete den Abschluss der kleinen Feier.

 

Bemerkenswert wäre noch, dass von den 76 Abiturienten der beiden Itzehoer Gymnasien 20 aus Ost- und Westpreußen stammten.

 

Ostpreußen besinnlich und heiter.

Delmenhorst. Über 300 ostpreußische Landsleute und viele Gäste waren im Saal der Grafthalle in Delmenhorst zu einer großen Kulturveranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen im BVD, Kreisverband Delmenhorst, zusammengekommen. Nach der musikalischen Einleitung begrüßte der 1. Kreisvorsitzende. Landsmann Dunz, die Schriftstellerin Frau Charlotte Keyser, den Schriftsteller Dr. Alfred Lau sowie die zahlreich erschienenen Landsleute und prominenten Gäste.

 

Nach dem Gedicht „Ostpreußen" (von Dr. Lau), gesprochen von Frl. Brigitte Schemionek, las dann die Schriftstellerin Frau Charlotte Keyser aus ihren eigenen Werken. Sie überraschte mit ihren zarten Skizzierungen des ostpreußischen Menschen und seiner Natur.

 

Dr. Alfred Lau, der ehemalige Intendant des Reichssenders Königsberg/Pr., erwies sich als ein Humorist von Format. Er eroberte sich durch seinen würzigen ostpreußischen Humor im Fluge die Herzen aller Anwesenden. Er erntete für die Proben aus seinem Schaffen endlose Beifallsstürme. Besondere Beachtung fand die Ausstellung der Frauengruppe der Landsmannschaft mit ostpreußischem Kulturgut von Bernstein, Handwebereien, Flickerdecken, Malerei sowie die Buchausstellung. Diese Kulturveranstaltung werden alle Teilnehmer noch lange in guter Erinnerung behalten.

 

Seite 15   Ostdeutsche Woche in Stade

Stade. Zum ersten Male veranstaltete der Kreisverband des BVD gemeinsam mit den Landsmannschaften in Verbindung mit allen Ober-, Mittel-und Volksschulen eine Ostdeutsche Woche. Großveranstaltungen mit namhaften ostdeutschen Persönlichkeiten, wie Prof. Steller, Prof. Hubatsch und Prof. Menzel, fanden in Stade und Buxtehude statt. Aber auch in sechzig Ortsverbänden wurden ostdeutsche Heimatabende als Dorfgemeinnschaftsabende gestaltet. Die einheimische Bevölkerung war bei allen diesen Veranstaltungen verhältnismäßig zahlreich vertreten.

 

Einen großen Erfolg konnte auch Dr. Alfred Lau für sich buchen, der an sieben Abenden im Kreisgebiet die ostpreußische Volksseele in Humor und Mundart zum Klingen brachte. Die Schulen hatten gute Arbeit geleistet. In Elternnachmittagen und -abenden sowie Ausstellungen wurde ostdeutsches Volkstum und Volksgut in eindrucksvoller Weise vor Augen geführt. Die Ostdeutsche Woche stand unter der Schirmherrschaft von Regierungspräsident Dr. Wendt.

 

Seite 15   Hauptstadt Berlin.

Kompetenzstreit um die Quadriga.

Der Kompetenzstreit um die Erneuerung der im Kriege zerstörten Quadriga auf dem Brandenburger Tor hat durch einen Briefwechsel zwischen den Behörden Ost- und Westberlins neue Nahrung erhalten. Der stellvertretende Ostberliner Oberbürgermeister Schmidt hat es abgelehnt, Vertretern Westberlins eine Besichtigung der Dachkonstruktion des an der Sektorengrenze gelegenen Brandenburger Tors zu ermöglichen. Er betonte, das Aufstellen der neuen Quadriga sei Angelegenheit seines Magistrats. Er erklärte sich „als Zeichen unseres Entgegenkommens und guten Willens" lediglich bereit, Westberlin Aufmaßzeichnungen des Toroberteils zu überlassen.

 

Der Ostberliner Magistrat hatte ursprünglich um leihweise Überlassung der einzelnen Formstücke des Gipsmodells, die in Westberlin lagern, gebeten und sich zum Neuguss der Quadriga erboten. Westberlin hatte jedoch die Herausgabe der Teile abgelehnt und erklärt, es werde die Anfertigung der neuen Quadriga selbst übernehmen. In der Zwischenzeit ist das Tor von östlicher Seite mit einem Gerüst verkleidet worden.

 

Neue Wache wird restauriert

Die in Ostberlin gelegene Neue Wache Unter den Linden, früher ein Ehrenmal für die gefallenen Soldaten, soll restauriert werden. Seit kurzem sind Bauarbeiter damit beschäftigt, an dem im Kriege stark zerstörten Gebäude Gerüste zu errichten. Ziel der Arbeiten ist es, die Neue Wache in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen. Sie soll künftig als Mahnmal für den Frieden dienen und an die Gefallenen beider Weltkriege erinnern.

 

Berlin ehrt Louise Schröder

Auf einer Festveranstaltung im Schöneberger Rathaus ist am Dienstag der früheren amtierenden Oberbürgermeisterin von Berlin, Frau Louise Schröder, der Ehrenbürgerbrief der Stadt überreicht worden. Die Auszeichnung erfolgte anlässlich des 70. Geburtstages von Frau Schröder als Anerkennung der Verdienste, die sie sich in der Nachkriegszeit um die Reichshauptstadt erworben hat. Die ehemalige Bürgermeisterin ist seit 150 Jahren die erste Frau, die in Berlin den Titel eines Ehrenbürgers erhalten hat.

 

Im Anschluss an die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes händigte der Prodekan der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, Prof. Rittershausen, Frau Schröder die Urkunde für die Verleihung der Ehrendoktorwürde seiner Fakultät aus, die ihr am 25. Februar 1957 verliehen worden war. Der Rektor der Freien Universität Berlin, Prof. Paulsen, trug Frau Schröder die Ehrenbürgerrechte der Freien Universität an.

 

„Berlin ist Hauptstadt"

Der neue US-Botschafter in der Bundesrepublik, Bruce, hat am Dienstag in Berlin die Wiedervereinigung Deutschlands als eines der Hauptziele der amerikanischen Außenpolitik bezeichnet. In einem wiedervereinigten Deutschland komme Berlin nicht nur auf Grund der traditionellen Bindungen, sondern auch wegen der mutigen Haltung seiner Bevölkerung die Stellung als Hauptstadt zu.

 

Seite 15   Berliner Impressionen

Die Atom-Warnung der achtzehn westdeutschen Wissenschaftler hatte in Berlin zunächst einen politischen Schock ausgelöst. Er wurde aber von der öffentlichen Presse wieder abgeschwächt, indem sie die Atombewaffnung als eine nun einmal nicht zu umgehende Tatsache darstellte.

 

Der starke, österliche Interzonenverkehr machte sich auch im Ost-Berliner Stadtbild bemerkbar. Zusammen mit den zahlreicher gewordenen sowjetzonalen Autos verursachten die Wagen der westdeutschen Besucher am Alexanderplatz einen echten Groß-Stadtverkehr. Vor den Theatern überwogen sogar die westdeutschen und ausländischen Wagen.

 

In beiden Hälften Groß-Berlins wird Krieg gespielt. An der Spree die „Kampfgruppen" der SED, an der Avus die Soldaten der westlichen Besatzungsmächte.

 

Dicht an der Sektorengrenze in der Charité im Ostsektor tanken immer mehr West-Wagen rumänischen Sprit für 35 Pfennig-West. Das gleiche Benzin gibt es auch an der Autobahn in der Großtankstelle Magdeburg.

 

Das Westberliner Filmprogramm sah wieder vor den DEFA-Film „Der Untertan" und den amerikanischen Streifen „Krieg und Frieden', nach dem Roman des Russen Tolstoi.

 

Seite 15   Ost- und westpreußische Heimatfamilie

Ermländertreffen

Das diesjährige Frühjahrstreffen aller Ermländer in Bielefeld findet nicht — wie in den früheren Jahren — am 1. Pfingstfeiertag, sondern am Sonntag, dem 16. Juni 1957, in üblicher Form im Lokal Lücking in Bielefeld-Schildesche (Endstation der Straßenbahn Linie 1 vom Hauptbahnhof Bielefeld aus) statt. Möge sich jetzt schon jeder Ermländer diesen Tag anmerken und alle Verwandte und Bekannte hierauf aufmerksam machen, so dass wieder recht viele Teilnehmer erscheinen. Wer persönlich eingeladen werden möchte, wird um Bekanntgabe der genauen Anschrift sowie der Heimatadresse gebeten. Al. Pohlmann, Halle in Westf., Postfach 15

 

Elbing-Treffen

Das diesjährige Elbing-Treffen findet zu Pfingsten (vom 9. - 10.06.) in der Patenstadt Bremerhaven statt. Das Programm sieht für Pfingstsonntag eine Großkundgebung, eine Vertreterversammlung sowie einen Heimatabend vor, für Pfingstmontag u. a. eine Helgolandfahrt und Stadtbesichtigungen.

 

Kreisgemeinschaft Goldap

Am 19. Mai, um 13 Uhr, findet in Essen-Altenessen in der Turnhalle der Zeche Helene, Twentmannstraße, eine Großkundgebung der Kreisgemeinschaft Goldap e. V. statt.

Das Treffen steht unter dem Motto „Ostpreußen ist und bleibt deutsch!" Kreisvertreter Johannes Mignat spricht über dieses Thema und gibt allen, die Ostpreußen den Russen und Polen überlassen wollen, eine entsprechende Antwort.

 

Staatliches Gymnasium Rößel

Achtung! Programmänderung! Die für den Herbst dieses Jahres vorgesehene Patenschaftsübernahme durch das Gymnasium in Meppen wird bereits vom 28. bis 30. Juni stattfinden. Ich bitte, schon jetzt die Urlaubspläne daraufhin einzurichten. Nähere Einzelheiten bringt das Mitteilungsblatt des Meppener Gymnasiums. Anmeldungen mit Quartierwünschen bitte ich bis zum 1. Juni 1957 an unseren Konpennäler Leo Klafki. Herne/ Westf., Kronenstraße 35, zu richten.

 

Das Ostpreußentreffen in Bochum am 19. Mai bietet Gelegenheit zu einem Schülertreffen. Das Haupttreffen wird jedoch am 29. Juni in Meppen sein. Für die nächste Nummer unseres Heimatbriefes werden gute Aufnahmen von unserem Gymnasium benötigt (Gebäude, Klassenaufnahmen, Lehrerkollegium). Einsendungen an meine Anschrift erbeten. Erwin Poschmann, Kisdorf über Ulzburg/Holstein.

 

Patenschaft für Landkreis Thorn

Lüneburg. Der Rat der Stadt Lüneburg hat einstimmig beschlossen, die Patenschaft für den westpreußischen Landkreis Thorn zu übernehmen. Die Patenschaft für die Stadt Thorn hatte die Stadt bereits 1955 übernommen. Fast die Hälfte aller Vertriebenen aus dem Landkreis und der Stadt Thorn leben im nordöstlichen Niedersachsen, vor allem im Lüneburger Gebiet. Lüneburg unterhielt bereits im Mittelalter enge Handelsbeziehungen zu Thorn.

 

Seite 16   Massengräber in den Dünen

Die Toten der „Wilhelm Gustloff“

Soldatenfriedhöfe in Ostpreußen

Nach den Berichten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge finden sich mehr und mehr polnische Dienststellen bereit, über den Zustand deutscher Soldatenfriedhöfe und Einzelgräber Auskunft zu geben. Aus Polen trafen in den vergangenen Monaten zahlreiche Briefe ein, in denen über deutsche Kriegsgräber berichtet wird. Viele in den polnisch verwalteten Gebieten liegende deutsche Friedhöfe sind verwahrlost. Auf dem Soldatenfriedhof „Silberhammer" in Danzig-Langfuhr liegen nach Angaben des Friedhofsgärtners 10 600 Tote. Die Hälfte der Grabkreuze etwa hat den Witterungseinflüssen standgehalten. In den Dünen von Neufahrwasser sollen die aus der „Wilhelm Gustloff" geborgenen Leichen in Massengräbern beigesetzt sein. Das Schiff wurde noch nicht gehoben. Auf dem Friedhof in Zoppot-Marienthal sind die Soldatengräber stark verwildert. Die Grabstätten tragen Aluminiumkreuze mit eingeprägten Nummern, vermutlich Grabnummern. In Hohenstein in Ostpreußen ruhen auf dem Friedhof zahlreiche Soldaten, deren Namen unbekannt sind. Eine Liste der dort Beerdigten gibt es nicht. In Strehlen Niederschlesien wurden deutsche Soldaten auf dem evangelischen Friedhof begraben. Ihre Gräber sind gut erhalten und mit Kreuzen versehen. Sie werden von der Bevölkerung gepflegt. Einzelgräber befinden sich auch auf dem katholischen Friedhof. Sie werden von der Schuljugend in Ordnung gehalten. In Teschen ruhen etwa 500 deutsche Gefallene auf dem Kommunalfriedhof. Der größte Teil der Gräber ist vernachlässigt und von Gras überwuchert. Sie tragen keine Kreuze und sind nicht eingefriedet. In Gumma befindet sich der Soldatenfriedhof in gutem Zustand. In Auschwitz wurden auf dem Friedhof etwa 75 deutsche Soldaten beigesetzt. Die örtlichen Stellen besitzen jedoch weder Papiere noch Erkennungsmarken, die über Namen und Herkunft Aufschluss geben könnten. In Tunkirch bei Ratibor wurden alle deutschen Soldaten, die 1945 dort gefallen sind, zunächst in einem Waldstück beerdigt. Später wurden sie in einem Sammelgrab auf dem katholischen Friedhof beigesetzt. Dieses Grab ist mit einem Birkenkreuz versehen und wird betreut. Es ist zu hoffen, dass mit Hilfe des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge viele Soldaten, die in Polen begraben sind, identifiziert werden können, zumal mit der Unterstützung der polnischen Dienststellen zu rechnen sein dürfte.

 

Zweites Heimkehrer-Bundestreffen. Der Verband der Heimkehrer hat das zweite große Deutschlandtreffen der Heimkehrer für den 15. und 16. Juni 1957 in Frankfurt/Main vorgesehen.

 

Seite 16   Mehr Hilfsbereitschaft ist notwendig!

Appell des Lagerpfarrers Friedand – Noch 400 000 Menschen leben in Lagern.

Eine größere Anteilnahme der Öffentlichkeit an der Aufnahme der Aussiedler, die aus den polnisch verwalteten deutschen Gebieten östlich von Oder und Neiße fast täglich in der Bundesrepublik eintreffen, forderte Lagerpfarrer Lippert vom Durchgangslager Friedland auf einer Arbeitstagung der freien Wohlfahrtsverbände am Donnerstag in Gifhorn. Während sich die Bevölkerung der Spätheimkehrer- und Ungarn-Transporte mit großer Hilfsbereitschaft angenommen und mit ihren Spenden ihre tatkräftige Hilfe bewiesen habe, lässt sich das gleiche bei den Aussiedlertransporten leider nicht feststellen. Es gelte aber, das Vertrauen der in die Bundesrepublik kommenden Aussiedler zu rechtfertigen. Sie haben zehn Jahre auf den Tag dieser Wiedervereinigung mit ihren Angehörigen warten müssen, und die Deutschen in der Bundesrepublik, und besonders alle Christen, seien gerufen, ihnen den Weg zu ebnen.

 

Auf der Tagung wurde vor allem auch die Unterbringung der Aussiedler besprochen. Das Bundeswohnungsbauministerium habe, so sagte Pastor Lippert, schon einmal erwogen, ein zentrales Auffanglager ausschließlich für Ausgesiedelte zu errichten. Leider sei dieser Plan nicht verwirklicht worden. Wohl gäbe es bei manchen Aussiedlern, die erführen, dass sie in der Bundesrepublik zunächst mit einem Lageraufenthalt vorlieb nehmen sollten, eine gewisse Enttäuschung. Der größte Teil jedoch nehme die Tatsache in dem Bewusstsein in Kauf, nur erst einmal aus den polnisch verwalteten Gebieten heraus zu sein. Von niedersächsischer Regierungsseite wurde die Errichtung eines Landesauffanglagers abgelehnt, um den Ausgesiedelten einen Lageraufenthalt zu ersparen. Andererseits wurde auf der Tagung festgestellt, dass nicht sofort menschenwürdige Wohnungen für alle Aussiedler bereitständen.

 

Als Vorsitzender des Hauptverbandes der freien Wohlfahrtspflege wies Pastor D. Wolff darauf hin, dass in der Bundesrepublik einschließlich Westberlin noch 397 000 Menschen in Lagern lebten und dass mit einem weiteren Zustrom von 335 000 Personen zu rechnen sei. Allein aus den polnisch verwalteten Gebieten werden in diesem Jahre noch 80 000 Deutsche erwartet. „Wir dürfen den Mut zu unserem Werk der Liebe nicht verlieren", sagte Pastor D. Wolff am Abschluss der Arbeitstagung und richtete damit zugleich die Bitte an die breiteste Öffentlichkeit, sich der Aussiedler anzunehmen.

 

Seite 16   Ostdeutsches Parlament gefordert.

Hannover. Die Pommersche Landsmannschaft betrachtet sich als die staatsrechtliche Vertretung des Landes Pommern. Dr. Brand, Bielefeld, vom Bundesvorstand der Landsmannschaft betonte bei einer Vortragsveranstaltung in der Stadthalle, es sei das Ziel der Pommern, mit den anderen Landsmannschaften ein Gesamtparlament aller Ostdeutschen zu bilden. Die Landsmannschaft sei entsprechend den hoheitsstaatlichen Institutionen gegliedert; mit dem wie ein Kabinett in Ressorts aufgeteilten Bundesvorstand und der alle zwei Jahre zu wählenden Pommerschen Abgeordneten-Versammlung, dem Parlament der Landsmannschaft.

 

Sehr entschieden wandte sich Dr. Brand gegen Äußerungen mehrerer Politiker. Deutschland müsse sich im Interesse einer endgültigen Befriedigung der Ostgrenzen unter Umständen bereitfinden, auf gewisse ehemalige deutsche Gebiete zu verzichten. Ein Verzicht auf deutsche Ostgebiete sei ein Verrat an Europa. Dr. Brand bekannte sich im Namen der Pommerschen Landsmannschaft ausdrücklich zur Schaffung eines guten nachbarlichen Verhältnisses zu Polen. Die polnische Bevölkerung glaube selbst nicht an den dauernden Verbleib der deutschen Gebiete bei Polen. Diese Meinung führe zu umfangreichen Abwanderungen polnischer Siedler; 1,5 Millionen Hektar Ackerland in den ehemals von Deutschen bewirtschafteten Landstrichen lägen gegenwärtig brach.

 

Seite 16   71 anerkannte Trakehner Hengste

Der Trakehner Verband hat soeben die Liste der für die Trakehner Zucht anerkannten Hengste für die Deckperiode 1957 bekanntgegeben. Insgesamt umfasst das Verzeichnis 45 Namen von Landbeschälern und 26 Namen von Privatbeschälern. Im Lande Niedersachsen befinden sich 11 Trakehner Hengste beim Landgestüt Celle, 2 beim Landgestüt Harzburg und 1 beim Landgestüt Osnabrück, wozu noch 4 Trakehner Privat-Landbeschäler kommen. Die hohe Zahl der in Niedersachsen als Vatertiere wirkenden Hengste Trakehner Abstammung zeugt von der Wertschätzung dieser Hengste. Übrigens weist auch in einer Aufstellung der Katalog für die Verdener Frühjahrsauktion die Namen der als Landbeschäler Trakehner Abstammung in den hannoverschen Landgestüten wirkenden 14 Trakehner auf.

 

Seite 16   Ostdeutsche Woche in Coburg

In den Prunkräumen der Coburger Ehrenburg wurde die vom VdL veranstaltete Ostdeutsche Woche durchgeführt. Neben verschiedenen Vorträgen umfasste die Woche die Vorführung zahlreicher Filme, darunter die Streifen „Von der Ostsee zum Schwarzen Meer“, „Schlesierland — Heimatland", „Deutsches Land hinter der Oder-Neiße-Linie“, „Zwischen Haff und Meer" und „Unsere neue Heimat". Außerdem unterrichtete die Ausstellung „Deutsche Leistung im Osten" über die ostdeutschen Landschaften, das geschichtliche Werden, die kulturelle Erfüllung und die wirtschaftliche Leistung von Generationen deutschen Menschen im Osten.

 

Seite 16   Humor ist Trumpf

Auch in den Sommermonaten steht Dr. Lau für fröhliche Heimatveranstaltungen der Landsmannschaften und des BvD zur Verfügung, desgleichen auch für Vorträge in Schulen und Volksbildungswerken. Bei Heimatkreistreffen und Tagungen, bei Ausflügen und „Fahrten ins Blaue", bei Traditionstreffen der Soldaten, Behörden und Firmen sorgt er dafür, dass auch der Humor zu seinem Recht kommt. Er ist einmalig in seiner Art und hält für alle Gelegenheiten Spezialprogramme mit besonderen Überraschungen bereit.

 

Zwar sind schon Vereinbarungen bis in den Herbst hinein getroffen; aber noch sind günstige Termine frei. Seine Bedingungen sind auch für kleinere Gruppen durchaus tragbar. Wenn Sie ihn einladen wollen, schreiben Sie bald, damit Ihre Veranstaltung günstig eingeplant werden kann, so dass infolge Anschlussveranstaltungen die Reisekosten möglichst niedrig gehalten werden können.

Alle Anfragen bitten wir, nur direkt an Dr. Alfred Lau, Bad Grund (Harz), Hübichweg 16, zu richten. Die Schriftleitung.

 

Seite 16   DJO-Gruppe in Leipzig

Eine hessische DJO-Kreisspielgruppe sang bei einem Besuch des Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig u. a. das Ostpreußenlied, berichtet die Zeitschrift der „Deutschen Jugend des Ostens", „Der Pfeil", in ihrer letzten Ausgabe. Die Kreisspielgruppe führte des weiteren Gespräche mit Vertretern der Bezirksleitung Leipzig der sowjetzonalen Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend", in denen von den DJO-Mitgliedern auf den deutschen Rechtsanspruch auf die Oder-Neiße-Gebiete hingewiesen wurde.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Unser verehrter Direktor und Lehrer D. Dr. Arthur Mentz, weil. Oberstudiendirektor am Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof zu Königsberg/Pr., ist am 30. März 1957 im 76. Lebensjahr heimgegangen in den Frieden der Ewigkeit. Von 1923 bis 1945 hat die Leitung unserer Schule in seinen Händen gelegen. Wir ehemaligen Lehrer und Schüler trauern gemeinsam um den verdienten und erfahrenen Kollegen, den gütigen Lehrer und väterlichen Freund, der nach der Vertreibung unsern Kreis neu sammelte und uns in unserer Patenschule, dem Ratsgymnasium zu Hannover, eine neue Heimat gab. Unsere Verehrung und Liebe zu ihm wird bleiben. Der Freundeskreis ehemaliger Lehrer und Schüler des Stadtgymnasiums  Altstadt-Kneiphof zu Königsberg/Pr. Pfarrer Werner Weigelt. Oerstudienrat Dr. Martin Klein.

 

Im Alter von 61 Jahren verstarb am 30. Juni 1956 in Göttingen Turnbruder Paul Batzer. Fast drei Jahrzehnte gehörte er dem Turnverein Zoppot an, dessen Geschäftsführer er bis 1932 gewesen ist. Weit über seinen eigenen Verein hinaus geschätzt und beliebt hat er wie in der Heimat auch nach der Vertreibung dem deutschen Turnertum bis zuletzt opferbereit die Treue gehalten. Über das Grab hinaus gilt ihm unser aller Dank. Sein Wirken soll in unseren Reihen unvergessen bleiben. Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen Wilhelm Alm

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