Ostpreußen-Warte, Folge 03 vom März 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 03 vom März 1957

 

Seite 1   Foto: Unvergessene Heimat. Die ehrwürdige Pfarrkirche von Deutsch-Eylau. Im Vordergrund die Stadtanlage. Foto: Löhrich

 

Seite 1   Sollen vollendete Tatsachen geschaffen werden? Aussiedlung problematisch – Ab März monatlich 15 000 Aussiedler

über Nacht ist die Aussiedlung Deutscher aus den polnisch verwalteten Ostgebieten problematisch geworden. Es werden berechtigte Überlegungen angestellt, ob die beschleunigten Aussiedlungsmaßnahmen der polnischen Regierung nicht darauf abzielen, in den Oder-Neiße-Gebieten hinsichtlich der deutschen Bevölkerung „restlos" vollendete Tatsachen zu schaffen, und dem deutschen Anspruch auf Selbstbestimmung die völkerrechtliche Grundlage zu entziehen. Die Aussiedlungen haben seit Januar um durchschnittlich 75 Personen mehr pro Transport zugenommen, und täglich treffen in der Bundesrepublik neue Transporte ein. Man rechnet, dass die vorerst vereinbarte Quote von 16 500 Aussiedlungen für das Jahr 1957 weit überschritten wird. Es wurden sogar schon Zahlen bis zu 80 000 genannt.

 

Sicher ist, dass die polnischen Behörden die unter dem Titel Familienzusammenführung laufende Aussiedlungsaktion nicht mehr darauf beschränken. Es treffen jetzt auch schon Facharbeiter und Angehörige aus den Intelligenzberufen hier ein, auf deren Verbleib polnischerseits bislang größter Wert gelegt worden ist. Dass sich Polen andererseits bemüht, das polnische Bevölkerungselement in den ostdeutschen Gebieten sesshaft zu machen, ist kein Geheimnis mehr. Ein Großteil der jetzt aus der UdSSR repatriierten Polen wird in den ostdeutschen Reichsprovinzen angesiedelt. Sicher rechnen die Polen damit, dass sie den Rest der verbleibenden deutschen Bevölkerung allmählich polonisieren können. Die Ankündigung Warschaus, durch eine Studienkommission für Minderheitenfragen die Voraussetzungen für eine Minderheitengesetzgebung zu schaffen, lässt bereits erkennen, dass diese Polonisierung mit weichen Mitteln gehandhabt werden soll.

 

Jeder Deutsche wird ohne Zweifel die Treue der deutschen Aussiedler zu ihrem Vaterland begrüßen, die sie hinreichend durch jahrelanges Aushalten unter fremder Herrschaft und jetzt mit dem Entschluss zur Rückkehr in die große deutsche Volksfamilie bekundet haben. Auch darf unter keinen Umständen das humane Anliegen der Familienzusammenführung auf der Grundlage der Freiwilligkeit beeinträchtigt werden. Die Bundesregierung sollte aber jetzt schon Überlegungen anstellen, inwieweit eine völlige Entblößung der ostdeutschen Gebiete vom deutschen Bevölkerungselement das Recht auf Heimat und auf Selbstbestimmung berührt. Wäre es bei einer möglichen Abstimmung der Heimatvertriebenen ähnlich wie im Falle Oberschlesiens und Ostpreußens nach dem ersten Weltkriege überhaupt realisierbar, außerhalb des angestammten Heimatgebietes ein gültiges Votum abzugeben? Die deutsche Ostpolitik sollte hier weitsichtig und bestimmt operieren, wenn sie rechtzeitig Misserfolge ausschalten will.

 

Von März an werden künftig 15 000 Ostdeutsche monatlich aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten nach den beiden Teilen Deutschlands ausgesiedelt. Die Bundesrepublik wird davon 90 Prozent aufnehmen müssen, da nur wenige Ostdeutsche sich in Mitteldeutschland wieder ansiedeln wollen.

 

Gleichzeitig werden jetzt Einzelheiten über die polnisch-sowjetischen Verhandlungen über

die Umsiedlung von in dem sowjetisch okkupierten Teil Ostpolens, vornehmlich der Ukraine, lebenden Polen in das jetzige polnische Verwaltungsgebiet bekannt. Danach sollen vom Frühsommer dieses Jahres an mehr als 250 000 Personen umgesiedelt werden. Diese Aktion soll sich auf zwei Jahre erstrecken.

 

Der größte Teil dieser ostpolnischen Umsiedler wird in den ostdeutschen Gebieten angesiedelt werden, vor allem in Pommern, Westpreußen und in Ost-Brandenburg, zu einem geringeren Teil auch in Schlesien.

 

Nach den neuesten Informationen aus den Warschauer Ministerien nehmen die Anmeldungen ausreisewilliger Ostdeutscher noch immer zu. Die Zahl der Anträge hat bereits 120 000 überschritten. Da die Polen die Aussiedlungsaktion der Ostdeutschen in jedem Falle noch Ende dieses Jahres abschließen wollen, ist damit zu rechnen, dass bis dahin noch über 100 000 Ostdeutsche in die Bundesrepublik kommen, die in den ersten Monaten dieses Jahres bereits 20 000 aufgenommen hat. In Mitteldeutschland bereitet man die Aufnahme von höchstens 15 000 vor.

 

Seite 1   Ostpreußen-Vertrag Moskau – Warschau. „Rechtliche" Bestätigung der Grenze.

In Moskau wurde am 5. März ein neuer sowjetisch-polnischer Vertrag über den Grenzverlauf in Ostpreußen unterzeichnet. Es handelt sich um Grenzmarkierungen „im Gebiet der Ostsee". Für die Sowjetunion unterschrieb Außenminister Gromyko und für Polen Außenminister Rapacki.

 

Das Abkommen sieht keine Änderungen des Grenzverlaufs vor und stellt lediglich die „rechtliche Bestätigung des derzeitigen Grenzverlaufes" dar. Dies gab die polnische Nachrichtenagentur PAP bekannt. Der Agentur zufolge beweist das Abkommen, dass die polnischen Grenzen „eine unverrückbare und historische Tatsache" sind und von der Sowjetunion voll anerkannt würden.

 

Aus der Darstellung der polnischen Nachrichtenagentur PAP geht hervor, dass in Moskau über den gesamten Verlauf der sowjetisch-polnischen Grenze in Ostpreußen verhandelt wurde. Weiter ist daraus ersichtlich, dass Polen den Bezirk Goldap der Woiwotschaft Bialystok angegliedert hat. Der übrige polnisch verwaltete Teil von Ostpreußen ist verwaltungsmäßig die Woiwodschaft Allenstein. Die Sowjetunion hatte bei der Übernahme der Verwaltung den nördlichen Teil von Ostpreußen als Gebiet „Kaliningrad“ (Königsberg) der russischen Sowjetrepublik angegliedert. Das Memelgebiet kam verwaltungsmäßig zur litauischen Sowjetrepublik.

 

Seite 1   Der Geist aber lebt! Zum10. Jahrestag der Auflösung Preußens.

„Solange wir nicht von dem Geiste der Wechselstuben zu dem Geiste des alten Preußen, der sittlichen Weltverfassung zurückkehren, so lange habet wir kein Recht auf Wiedergeburt und Wiederauferstehung“. Gustav Stresemann

 

Zehn Jahre ist es her, dass am 25. Februar der Alliierte Kontrollrat durch Gesetz Nr. 46 die Auflösung des Staates Preußen verkündete. Damals hatte diese Maßnahme bei den Betroffenen selbst nicht allzu viel Aufsehen erregt. Man hatte andere Sorgen. Man kämpfte um sein kärglich Brot, die Vertriebenen aus den preußischen Kernlanden um ein Dach über dem Kopf, und allzu viele derer, die sich noch aus preußisch-deutscher Haltung heraus an der Front bewährt hatten, schmachteten in Gefangenenlagern. Man lebte unter der Willkürherrschaft der Besatzungsmächte, man war schon an vieles gewöhnt und schließlich auch auf alles gefasst.

 

So kam es dazu, dass ohne viel Aufhebens ein Schlusspunkt gesetzt wurde unter die Entwicklung eines Staatswesens, das 700 Jahre lang in die Weltgeschichte hinein gewirkt hatte, das vom Kaiser Friedrich II. mit der Schöpfung des Ordenslandes durch die Goldene Bulle von Rimini 1226 ins Leben gerufen wurde, und im König Friedrich II., der später von Dichtern schlechthin der König genannt wurde, seine strahlendste Personifizierung erfuhr und das mit Namen wie Marienburg und Hohenfriedberg noch weithin in die fernste Geschichte leuchten wird.

 

Freilich, im Ausland hat man vor zehn Jahren vom „Tode Preußens" sehr viel mehr Notiz genommen als in Deutschland selbst. Dabei kann es kaum verwundern, dass die Kommentare meist ebenso hämisch wie triumphierend waren: hat es doch seit 150 Jahren kaum einen Begriff gegeben, der in planmäßiger Propaganda so verzerrt und karikiert worden ist wie gerade Preußen. Immerhin verdient es festgehalten zu werden, dass damals die Londoner „Times" eine rühmliche Ausnahme machten, wenn sie an Preußen doch noch einige gute Haare ließen und gewisse Qualitäten des preußischen Ethos wie Sparsamkeit, Unbestechlichkeit und Pflichterfüllung als beispielgebend hinstellten.

 

Heute, zehn Jahre nach dem staatlichen Ende Preußens, haben auch wir wieder Abstand genug von den Dingen, von den turbulenten Nachkriegsjahren, um das, was Preußen in der Geschichte dargestellt hat, in reinerem Licht zu sehen, um Wahrheit und Karikatur zu unterscheiden und die billige Identifizierung von Preußentum und „Militarismus" als zweckbedingte Propaganda zu durchschauen. Und um auch an dem, was nun nicht mehr ist, zu ermessen, was es einst war. Denn wenn etwas gewiss kein Zufall ist, dann dieses: dass mit dem staatlichen Dahinschwinden Preußens nicht, wie der Welt versprochen worden war, der ewige Friede über die Menschheit gekommen ist, sondern die mitteleuropäische Klammer, eine Brücke zwischen Ost und West zerbrach, nicht nur Deutschland, sondern die Welt in zwei Teile zerfiel und die Menschheit in den „Kalten Krieg" stürzte. Denn Preußen war nicht, wie es hieß, der Störenfried der Welt, sondern zutiefst im Geistigen wie im Politischen der Mittler zwischen Westeuropa und dem Slawentum.

 

Wie der jähe Abgrund zwischen Ost und West wieder einmal überbrückt werden kann und wird, ist heute noch nicht abzusehen. Aber der zehnte Jahrestag der Auflösung Preußens sollte Anlass sein, im Getriebe unserer Zeit einen Augenblick innezuhalten und in der Rückschau das Vergängliche staatlicher Formen vom Bleibenden ethischer Werte zu trennen. Einen preußischen Großstaat als gefürchtete oder befürchtete Vormacht innerhalb Deutschlands wird es nicht mehr geben, wohl aber wird auch und gerade ein kommendes Gesamtdeutschland der sittlichen Werte Preußens nicht entbehren können, will es zwischen Ost und West bestehen. Insofern wird man getrost sagen dürfen: Der Staat mag tot sein, der Geist aber lebt!

 

Seite 2   Gefährliche Verzichtstöne

„Endlich wird man sich klarmachen müssen, dass Polen, das ja nun seit beinahe zweihundert Jahren ständig hin- und hergezogen wird, dreimal geteilt worden ist. Seine Grenzen haben sich immer wieder verschoben, so dass die Polen nunmehr selbstverständlich ein vitales Interesse haben müssen, endlich einmal zu festen Grenzen zu kommen. In diesem Zusammenhang muss man sich klarmachen, dass, auch wenn gewisse Korrekturen sein müssten, doch die polnische Ostgrenze zu Sowjetrussland weitgehend festliegt, so dass man bei Behandlung der westlichen Grenzfragen diesem realen Tatbestand Rechnung tragen muß“.

(Dr. Sieveking in seiner denkwürdigen Rede vor der Vereinigung „Die auswärtige Presse“ in Hamburg.)

 

Zu den Politikern in der Bundesrepublik, die in einer Anwallung von Lokalpatriotismus in ihrer engeren Heimat um jeden Ziegelstein kämpfen, über andere deutsche Gebiete aber großzügig den Mantel der Verzichtspolitik ausbreiten, hat sich der Hamburger Bürgermeister Dr. Sieveking gesellt. Dabei hat er allen diesen Äußerungen die Krone aufgesetzt, indem er erklärte, Deutschland könne die deutschen Ostgebiete sehr wohl verschmerzen.

 

Diese Leichtfertigkeit ist umso bedauerlicher, als es sich bei Dr. Sieveking um den derzeitigen Präsidenten des Deutschen Bundesrats handelt und weil er diese Erklärung vor der ausländischen Presse gegeben hat. Dem anwesenden Korrespondenten der Warschauer „Tribuna Ludu" gewährte er anschließend noch so etwas wie ein Sonderinterview, das sich noch schlimmer ausnimmt, als die ursprüngliche Erklärung selbst. Denn hier wird wieder einmal mit der äußerst gefährlichen und zugleich einfältigen politischen These operiert, man brauche nur die Oder-Neiße-Linie anerkennen, um die Freundschaft Polens zu erwerben und Warschaus Losvon-Moskau-Bestrebungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

 

Selbst in England, wo die Bereitwilligkeit deutsche Gebiete abzuschreiben am stärksten war, hat man sich eines Besseren belehren lassen und ist — wie z. B. der angesehene „Economist" — zu der Ansicht gelangt, dass derartige Garantien unwirksam sein müssen. Schließlich ist es ja doch so, dass die Oder-Neiße-Frage nicht das Kernproblem ist, mit dem sich die Polen heute auseinanderzusetzen haben. Es geht ihnen darum, wie sie sich aus der politischen Einkreisung befreien, ihre wirtschaftliche Lage verbessern und schließlich ihre Selbständigkeit erringen können. Ansonsten hat man in Warschau selbst das Gefühl, dass man sich mit dem ostdeutschen „Brocken" übernommen hat.

 

Mit der Verzichtspolitik dient man also weder den sich nach Freiheit sehnenden Polen, noch fördert man damit die echten Bestrebungen nach einem deutsch-polnischen Verhältnis, das Europa dienlich wäre. Ganz zu schweigen davon, was den Heimatvertriebenen in diesem Zusammenhang alles zugemutet wird. Aber von der Waterkant, wo der Handel blüht und der Osten hinter der Elbe anfängt, nimmt sich eine deutsche Ostpolitik recht einfach aus, allzumal man nicht mit einem gesamtdeutschen Gewissen belastet ist.

 

Seite 2   Dos „polnische Recht auf Ostpreuße“. Diskussion in einer Allensteiner Zeitung und ein Fragebogen an Neusiedler.

Eine Diskussion über das „polnische Recht auf Ostpreußen" wird gegenwärtig von polnischen Publizisten in der Allensteiner polnischen Zeitung „Glos Olszthynski" geführt, wobei einerseits die Auffassung vertreten wird, es beruhe das „polnische Recht" auf dem „Recht des Siegers", während andererseits dem entgegengehalten wird, eine solche Auffassung biete dem „deutschen Revisionismus" allzu weitgehende Ansatzpunkte.

 

Auf Grund einer eingehenden Schilderung des „polnischen Standpunktes" wurde zunächst ausgeführt, Masuren und Ermland seien „auf Grund des Rechtes des Eroberers, nicht aber auf Grund des Rechtes des Befreiers" polnisch geworden. Demgegenüber wurde in einem nachfolgenden Artikel darauf hingewiesen, dass diese „Rechtsauffassung" den deutschen „Gelehrten im Göttinger Arbeitskreis deutscher Wissenschaftler eine ausgezeichnete Gelegenheit bietet, die Verneinung des Rechtes auf territoriale Annexion zu bekräftigen". Aus diesem Grunde solle man zweckmäßigerweise nicht vom „Recht des Siegers" sprechen. (Es wird aber nicht ausgeführt, kraft welchen „Rechts" dann Polen das südliche Ostpreußen beansprucht.)

 

In diesem Zusammenhang wird den nach Ostpreußen zugezogenen „Ansiedlern aus allen Teilen Polens" eine Reihe von Fragen vorgelegt, von deren Beantwortung eine Verbesserung der Lage der „autochthonen" Bevölkerung abhängt, die man nicht nach dem „Recht des Eroberers" behandeln solle. Einmal wird gefragt, ob die „Neusiedler" damit einverstanden wären, dass den „Autochthonen" ihre eigenen Landwirtschaften oder Wohnungen zurückgegeben werden sollen, sofern von staatlicher Seite den jetzt in diesem fremden Eigentum sitzenden „Neusiedlern" eine wertvolle „Kompensation" in den Oder-Neiße-Gebieten zur Verfügung gestellt wird.

 

Ferner wird zur Stellungnahme dazu aufgefordert, ob der volkspolnische Staat den ihres Eigentums beraubte „Autochthonen“ eine Entschädigung oder Rente zahlen solle. Abschließend heißt es: „Das sind die wichtigsten, aber gleichzeitig umstrittenen Forderungen der Autochthonen. Beurteilen wir gemeinsam, ob sie wirklich über das normale Maß hinausgehen, ob sie irreal oder übertrieben sind“.

 

Seite 2   Adenauer über Heimatrecht.

Bundeskanzler Adenauer wird am 24. März 1957auf einer Kundgebung des katholischen St. Hedwigs-Werkes, in Bochum zum Heimatrecht der Vertriebenen und zu Fragen der Wiedervereinigung Stellung nehmen. Das Werk, das in diesem Jahr 10 Jahr besteht, ist eine Organisation katholischer Ostvertriebener und umfasst in der Erzdiözese Paderborn über 300 Vereine mit rund 75 000 Mitgliedern. Die Kundgebung steht unter dem Motto: „Die verteidigungswürdigen Werke des Abendlandes".

 

Seite 2   Polen erleichtert Grenzverkehr.

Warschau. Polen trifft gegenwärtig Maßnahmen, um den Grenzverkehr zu seinen Nachbarländern zu erleichtern. Die Grenzformalitäten in den Zügen sollen verkürzt werden. Es wird in diesem Zusammenhang erörtert, gemeinsame Grenzstationen zu schaffen, wo die Grenzwachen beider Länder gleichzeitig kontrollieren. Auch sollen Besatzungsmitglieder ausländischer Schiffe in polnischen Häfen jetzt ungehindert an Land gehen können.

 

Neuer Botschafter Warschaus in Ost-Berlin. Zum neuen polnischen Botschafter in Ost-Berlin ernannte die Warschauer Regierung den ehemaligen Minister für Wohnungs- und Siedlungsbau, Roman Piotrowski.

 

Eisenhower für „Radio Freies Europa". In einem Brief an die amerikanische Organisation „Crusade for Freedom" (Kreuzzug für die Freiheit) sprach sich Präsident Eisenhower für die Fortsetzung der Sendetätigkeit des Senders „Free Europa" in München aus.

 

Seite 2   Wer die Treue bricht, ist ein Verräter. Vertriebene antworten Dr. Sieveking.

Dr. Gille, MdB., Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, in seinem Offenen Brief an Dr. Sieveking:

 

„Alle Ihre Fakten sprechen für Polen. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Ihnen die Warschauer Regierung offenen Beifall zollt. Einen solchen „Erfolg" konnte noch keiner der deutschen Verzichtspolitiker für sich buchen. Diese sprachen bisher verschwommen und unklar genug auch nur von „Korrekturen"; deutscher Opferbereitschaft", von „problematischen Ansprüchen" und ähnlichem. Was sollte man schon damit auf polnischer Seite ernstlich anfangen? Man konnte sich höchstens über die Erweichungstendenzen still die Hände reiben und die eigenen, durch den sowjetischen Zugriff bestärkten Argumente noch deutlicher und mit noch weniger Rücksicht auf geschichtliche Wahrheit und europäische Zukunft hinausrufen. Da lobe ich mir Ihr „Angebot". Es kommt Ihnen auf eine oder mehrere „preußische" Provinzen nicht an. Sie betrachten die Lage „kühl und ohne Illusionen" oder sagen wir treffender „nach bewährten kaufmännischen Grundsätzen". Der wirtschaftliche Strukturwandel in den geraubten deutschen Ostgebieten, das heißt die Vernichtung von siebenhundert Jahren deutscher Arbeit und deutschen Fleißes ist gewissermaßen bilanzmäßig betrachtet als Minusposten zu werten. Also weg mit ihm! Solch ein „kühner" Entschluss ist wahrlich des Beifalls wert . . .

 

Sie verlangen mit unverkennbarem Pathos „eine klare Konzeption unserer Außenpolitik" und formulieren wörtlich: „Die deutsche Außenpolitik muss einen Charakter bekommen, mit dem man kalkulieren kann“. Dieser Kernausspruch ist wert, in die deutsche Geschichte einzugehen. Hier sind Sie sicherlich originell und haben keine geistigen Vorgänger. Weshalb soll man eigentlich auch nicht mit Charakterwerten kaufmännisches Kalkül treiben? Was sind das für veraltete Vorstellungen, dass man die hohen Charakterwerte wie die Treue zu Volk und Vaterland, Recht und Gerechtigkeit, Bekenntnis zu Friede und Freiheit nicht unter geschäftlichen Aspekten betrachten darf? Schreiten Sie ruhig auf diesem Wege weiter. Sie werden sicherlich Ihr Ziel erreichen, das Sie selbst mit den Worten umreißen, wir wollen „nicht uns selbst und unserer ganzen Geschichte untreu werden“.

 

Ostpreußenblatt, Hamburg:

„Als jetzt das Saargebiet wieder zu Deutschland zurückkehrte — es war dabei, Gott sei Dank, entscheidend, was die Deutschen dort sagten, und nicht bestimmte Politiker —, da wurde an ein Wort erinnert, das der Erzbischof von Trier, Bornewasser, 1947 zu den Saarländern gesagt hatte. Nicht nur uns Millionen Heimatvertriebenen ist es aus dem Herzen gesprochen, es gilt für alle Deutschen. Der Erzbischof sagte damals: „Vaterlandsliebe bedeutet Treue. Wer die Treue bricht, ist ein Verräter. Wahre Treue bewährt sich, wenn Leid und Not über das Vaterland kommen . . .

 

Wir, Herr Sieveking, werden unserer Heimat und unserem Vaterland die Treue halten; wir werden sie nicht brechen. Wir werden nicht zu Verrätern werden!"

 

Der Westpreuße, Lübeck:

„Welch eine kümmerliche Verkennung, wenn Bundesratspräsident Sieveking kürzlich feststellen zu können glaubte, dass Preußen und die Ansichten, die zu Bismarcks Zeit galten, nicht mehr existierten!

 

Preußen, das Land von Treu und Redlichkeit, der Ordnung und Gerechtigkeit, in dem niemand nach Religion und Abstammung gefragt wurde, es lebt. Es lebt in uns, den Millionen der daraus Vertriebenen. Man unterschätze das nicht“.

 

Gesamtdeutsche Rundschau, Hannover:

„.Welche Auswirkungen die mehrfach von prominenten Politikern der Bundesrepublik vorgetragenen Verzichtstendenzen im Ausland haben, geht daraus hervor, dass wenige Tage später sich der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses, Thomas Gordon, für die Oder-Neiße-Linie als ständige Grenze zwischen Deutschland und Polen aussprach, obwohl die vier Siegermächte im Potsdamer Abkommen grundsätzlich festgelegt haben, dass das deutsche Gebiet jenseits der Oder und Neiße nur als ein Teil der sowjetischen Besatzungszone der Republik Polen zur einstweiligen Verwaltung übergeben ist und die endgültige Regelung erst durch einen Friedensvertrag erfolgen soll“.

 

Vertriebenen-Korrespondenz, Bonn:

„Der BVD reagierte scharf und bündig. Dr. Kather schrieb Sieveking, seine Auslassungen überträfen alles, was bis dahin auf dem Gebiete des Verzichts ‚geleistet' worden sei. Sie gingen an politischen, historischen, kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten vorbei. Es sei ein Irrtum zu meinen, dass deutsche Verzichtangebote in der Oder-Neiße-Frage das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Polen und der Sowjetunion beeinflussen könnten“.

 

Sudetendeutsche Zeitung, München:

„Dr. Sieveking ist schließlich nicht irgendjemand. Er ist als Präsident des Bundesrates der Vertreter des deutschen Staatsoberhauptes. Wenn Sieveking solche Töne anschlägt, wem sollte es dann noch wundern, wenn die Verzichtpropagandisten des Auslandes ihm Beifall klatschen und seine Thesen schlechthin als die deutsche offizielle Auffassung darstellen."

 

Seite 2   Pressespiegel

Weg zur Wiedervereinigung

„Weder Krieg, noch tatenlos abwartendes Schimpfen, noch Verhandlungen im Bewusstsein des Zwangs zu beiderseitigen Teilverzichten — sondern die stetige, ruhige, niemals auffallende, niemals ins bloße Deklamieren und Schelter  ausartende Betonung des Gewaltverzichts unter gleichzeitiger unbeirrbarer Wahrung des Rechtsstandpunktes: das ist es, was uns auf die Dauer zum Ziel führen kann. Wer diesen Weg einschlägt, ist durchaus kein Ideologe und kein Phantast. Er wartet durchaus nicht darauf dass sich diese Frage durch sein Schelten, von selber regelt'. Im Gegenteil: er ist tätig, er muss rastlos und ohne Unterlass bestrebt sein, das gute Recht bei jeder sich bietenden Gelegenheit in ruhiger und würdiger, aber in sachlich unbeugsamer und — vor allem — auch in juristisch schlüssiger Form zu vertreten. Die Brücke. München

 

Der „Preußische Gedanke" lebt

„Der preußische Staat in der traditionellen Form kann nicht mehr erstehen. Preußen ist keine territoriale Frage mehr. Eine neue Lage der Dinge und verwandelte Aufgaben verlangen eine andere staatliche Gestalt. Was jedoch weiterleben muss, so oder so ist der ‚preußische Gedanke', das ist der Dienst an der Gemeinschaft, jenes ‚travailler pour le roi de Prusse', mit dem die Franzosen eine selbstlose Arbeit bezeichnen. Es bedarf sodann der fortwirkenden Kraft des Glaubens an die deutsche Aufgabe im Herzen Europas. Dieser Glaube muss vom Bewusstsein unserer gewaltigen Geschichte und der im Laufe der Jahrhunderte gebrachten schweren Opfer getragen sein. Daraus muss ein Strom der Stärke schießen, der jede Grenzschranke zerbricht. Nationale Rundschau, Karlsruhe

 

Dazu ist nichts zu sagen

„... führen manche der Flüchtlingsorganisationen die ganzen Abzeichen des Nazismus und sind gleichzeitig eine mächtige Quelle des übertriebenen Nationalismus. Sie haben eine Vorliebe für schwarze Hemden, symbolische Runen. Flaggen und Trommeln, und ihr Programm ist irredentisch. — Sie erstreben nicht nur die Rückkehr der Oder-Neiße-Gebiete, sondern auch die des Sudetenlandes. Viele Flüchtlinge sind die Besitzlosen in der Bundesrepublik, und ihre Zahl und Organisationen machen sie zu einer möglichen Gefahr, ähnlich den Freikorps nach dem ersten Weltkrieg“. The Times, London

 

Polnische Nationalfrage

„Bei einem wie immer gearteten Konzept einer Bonner Polen-Politik müsste also die Oder-Neiße-Frage von vorneherein ausgeklammert bleiben. Dies umso mehr, als die Oder-Neiße-Frage auch von der ideologisch so komplexen Weltanschauung des Gomulka-Regimes getrennt werden muss, denn die sogenannte deutsch-polnische ‚Friedens-Grenze' ist — obwohl von den Sowjets als politische Tret-Mine an einem der westlichsten Punkte ihres europäischen Herrschaftsbereiches eingebaut — keineswegs nur ein ideologisch fundamentiertes Anliegen Polens geblieben, sondern zu einer nationalen Frage über alle Weltanschauungen hinweg geworden." Die Rheinlandpfalz. Ludwigshafen.

 

Seite 2   Gefährliche Verzichtstöne

„Endlich wird man sich klarmachen müssen, dass Polen, das ja nun seit beinahe zweihundert Jahren ständig hin- und hergezogen wird, dreimal geteilt worden ist. Seine Grenzen haben sich immer wieder verschoben, so dass die Polen nunmehr selbstverständlich ein vitales Interesse haben müssen, endlich einmal zu festen Grenzen zu kommen. In diesem Zusammenhang muss man sich klarmachen, dass, auch wenn gewisse Korrekturen sein müssten, doch die polnische Ostgrenze zu Sowjetrussland weitgehend festliegt, so dass man bei Behandlung der westlichen Grenzfragen diesem realen Tatbestand Rechnung tragen muß“.

(Dr. Sieveking in seiner denkwürdigen Rede vor der Vereinigung „Die auswärtige Presse“ in Hamburg.)

 

Zu den Politikern in der Bundesrepublik, die in einer Anwallung von Lokalpatriotismus in ihrer engeren Heimat um jeden Ziegelstein kämpfen, über andere deutsche Gebiete aber großzügig den Mantel der Verzichtspolitik ausbreiten, hat sich der Hamburger Bürgermeister Dr. Sieveking gesellt. Dabei hat er allen diesen Äußerungen die Krone aufgesetzt, indem er erklärte, Deutschland könne die deutschen Ostgebiete sehr wohl verschmerzen.

 

Diese Leichtfertigkeit ist umso bedauerlicher, als es sich bei Dr. Sieveking um den derzeitigen Präsidenten des Deutschen Bundesrats handelt und weil er diese Erklärung vor der ausländischen Presse gegeben hat. Dem anwesenden Korrespondenten der Warschauer „Tribuna Ludu" gewährte er anschließend noch so etwas wie ein Sonderinterview, das sich noch schlimmer ausnimmt, als die ursprüngliche Erklärung selbst. Denn hier wird wieder einmal mit der äußerst gefährlichen und zugleich einfältigen politischen These operiert, man brauche nur die Oder-Neiße-Linie anerkennen, um die Freundschaft Polens zu erwerben und Warschaus Losvon-Moskau-Bestrebungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

 

Selbst in England, wo die Bereitwilligkeit deutsche Gebiete abzuschreiben am stärksten war, hat man sich eines Besseren belehren lassen und ist — wie z. B. der angesehene „Economist" — zu der Ansicht gelangt, dass derartige Garantien unwirksam sein müssen. Schließlich ist es ja doch so, dass die Oder-Neiße-Frage nicht das Kernproblem ist, mit dem sich die Polen heute auseinanderzusetzen haben. Es geht ihnen darum, wie sie sich aus der politischen Einkreisung befreien, ihre wirtschaftliche Lage verbessern und schließlich ihre Selbständigkeit erringen können. Ansonsten hat man in Warschau selbst das Gefühl, dass man sich mit dem ostdeutschen „Brocken" übernommen hat.

 

Mit der Verzichtspolitik dient man also weder den sich nach Freiheit sehnenden Polen, noch fördert man damit die echten Bestrebungen nach einem deutsch-polnischen Verhältnis, das Europa dienlich wäre. Ganz zu schweigen davon, was den Heimatvertriebenen in diesem Zusammenhang alles zugemutet wird. Aber von der Waterkant, wo der Handel blüht und der Osten hinter der Elbe anfängt, nimmt sich eine deutsche Ostpolitik recht einfach aus, allzumal man nicht mit einem gesamtdeutschen Gewissen belastet ist.

 

Seite 2   Dos „polnische Recht auf Ostpreuße“. Diskussion in einer Allensteiner Zeitung und ein Fragebogen an Neusiedler.

Eine Diskussion über das „polnische Recht auf Ostpreußen" wird gegenwärtig von polnischen Publizisten in der Allensteiner polnischen Zeitung „Glos Olszthynski" geführt, wobei einerseits die Auffassung vertreten wird, es beruhe das „polnische Recht" auf dem „Recht des Siegers", während andererseits dem entgegengehalten wird, eine solche Auffassung biete dem „deutschen Revisionismus" allzu weitgehende Ansatzpunkte.

 

Auf Grund einer eingehenden Schilderung des „polnischen Standpunktes" wurde zunächst ausgeführt, Masuren und Ermland seien „auf Grund des Rechtes des Eroberers, nicht aber auf Grund des Rechtes des Befreiers" polnisch geworden. Demgegenüber wurde in einem nachfolgenden Artikel darauf hingewiesen, dass diese „Rechtsauffassung" den deutschen „Gelehrten im Göttinger Arbeitskreis deutscher Wissenschaftler eine ausgezeichnete Gelegenheit bietet, die Verneinung des Rechtes auf territoriale Annexion zu bekräftigen". Aus diesem Grunde solle man zweckmäßigerweise nicht vom „Recht des Siegers" sprechen. (Es wird aber nicht ausgeführt, kraft welchen „Rechts" dann Polen das südliche Ostpreußen beansprucht.)

 

In diesem Zusammenhang wird den nach Ostpreußen zugezogenen „Ansiedlern aus allen Teilen Polens" eine Reihe von Fragen vorgelegt, von deren Beantwortung eine Verbesserung der Lage der „autochthonen" Bevölkerung abhängt, die man nicht nach dem „Recht des Eroberers" behandeln solle. Einmal wird gefragt, ob die „Neusiedler" damit einverstanden wären, dass den „Autochthonen" ihre eigenen Landwirtschaften oder Wohnungen zurückgegeben werden sollen, sofern von staatlicher Seite den jetzt in diesem fremden Eigentum sitzenden „Neusiedlern" eine wertvolle „Kompensation" in den Oder-Neiße-Gebieten zur Verfügung gestellt wird.

 

Ferner wird zur Stellungnahme dazu aufgefordert, ob der volkspolnische Staat den ihres Eigentums beraubte „Autochthonen“ eine Entschädigung oder Rente zahlen solle. Abschließend heißt es: „Das sind die wichtigsten, aber gleichzeitig umstrittenen Forderungen der Autochthonen. Beurteilen wir gemeinsam, ob sie wirklich über das normale Maß hinausgehen, ob sie irreal oder übertrieben sind“.

 

Seite 2   Adenauer über Heimatrecht.

Bundeskanzler Adenauer wird am 24. März 1957auf einer Kundgebung des katholischen St. Hedwigs-Werkes, in Bochum zum Heimatrecht der Vertriebenen und zu Fragen der Wiedervereinigung Stellung nehmen. Das Werk, das in diesem Jahr 10 Jahr besteht, ist eine Organisation katholischer Ostvertriebener und umfasst in der Erzdiözese Paderborn über 300 Vereine mit rund 75 000 Mitgliedern. Die Kundgebung steht unter dem Motto: „Die verteidigungswürdigen Werke des Abendlandes".

 

Seite 2   Polen erleichtert Grenzverkehr.

Warschau. Polen trifft gegenwärtig Maßnahmen, um den Grenzverkehr zu seinen Nachbarländern zu erleichtern. Die Grenzformalitäten in den Zügen sollen verkürzt werden. Es wird in diesem Zusammenhang erörtert, gemeinsame Grenzstationen zu schaffen, wo die Grenzwachen beider Länder gleichzeitig kontrollieren. Auch sollen Besatzungsmitglieder ausländischer Schiffe in polnischen Häfen jetzt ungehindert an Land gehen können.

 

Neuer Botschafter Warschaus in Ost-Berlin. Zum neuen polnischen Botschafter in Ost-Berlin ernannte die Warschauer Regierung den ehemaligen Minister für Wohnungs- und Siedlungsbau, Roman Piotrowski.

 

Eisenhower für „Radio Freies Europa". In einem Brief an die amerikanische Organisation „Crusade for Freedom" (Kreuzzug für die Freiheit) sprach sich Präsident Eisenhower für die Fortsetzung der Sendetätigkeit des Senders „Free Europa" in München aus.

 

Seite 2   Wer die Treue bricht, ist ein Verräter. Vertriebene antworten Dr. Sieveking.

Dr. Gille, MdB., Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, in seinem Offenen Brief an Dr. Sieveking:

 

„Alle Ihre Fakten sprechen für Polen. Es ist deshalb nicht überraschend, dass Ihnen die Warschauer Regierung offenen Beifall zollt. Einen solchen „Erfolg" konnte noch keiner der deutschen Verzichtspolitiker für sich buchen. Diese sprachen bisher verschwommen und unklar genug auch nur von „Korrekturen"; deutscher Opferbereitschaft", von „problematischen Ansprüchen" und ähnlichem. Was sollte man schon damit auf polnischer Seite ernstlich anfangen? Man konnte sich höchstens über die Erweichungstendenzen still die Hände reiben und die eigenen, durch den sowjetischen Zugriff bestärkten Argumente noch deutlicher und mit noch weniger Rücksicht auf geschichtliche Wahrheit und europäische Zukunft hinausrufen. Da lobe ich mir Ihr „Angebot". Es kommt Ihnen auf eine oder mehrere „preußische" Provinzen nicht an. Sie betrachten die Lage „kühl und ohne Illusionen" oder sagen wir treffender „nach bewährten kaufmännischen Grundsätzen". Der wirtschaftliche Strukturwandel in den geraubten deutschen Ostgebieten, das heißt die Vernichtung von siebenhundert Jahren deutscher Arbeit und deutschen Fleißes ist gewissermaßen bilanzmäßig betrachtet als Minusposten zu werten. Also weg mit ihm! Solch ein „kühner" Entschluss ist wahrlich des Beifalls wert . . .

 

Sie verlangen mit unverkennbarem Pathos „eine klare Konzeption unserer Außenpolitik" und formulieren wörtlich: „Die deutsche Außenpolitik muss einen Charakter bekommen, mit dem man kalkulieren kann“. Dieser Kernausspruch ist wert, in die deutsche Geschichte einzugehen. Hier sind Sie sicherlich originell und haben keine geistigen Vorgänger. Weshalb soll man eigentlich auch nicht mit Charakterwerten kaufmännisches Kalkül treiben? Was sind das für veraltete Vorstellungen, dass man die hohen Charakterwerte wie die Treue zu Volk und Vaterland, Recht und Gerechtigkeit, Bekenntnis zu Friede und Freiheit nicht unter geschäftlichen Aspekten betrachten darf? Schreiten Sie ruhig auf diesem Wege weiter. Sie werden sicherlich Ihr Ziel erreichen, das Sie selbst mit den Worten umreißen, wir wollen „nicht uns selbst und unserer ganzen Geschichte untreu werden“.

 

Ostpreußenblatt, Hamburg:

„Als jetzt das Saargebiet wieder zu Deutschland zurückkehrte — es war dabei, Gott sei Dank, entscheidend, was die Deutschen dort sagten, und nicht bestimmte Politiker —, da wurde an ein Wort erinnert, das der Erzbischof von Trier, Bornewasser, 1947 zu den Saarländern gesagt hatte. Nicht nur uns Millionen Heimatvertriebenen ist es aus dem Herzen gesprochen, es gilt für alle Deutschen. Der Erzbischof sagte damals: „Vaterlandsliebe bedeutet Treue. Wer die Treue bricht, ist ein Verräter. Wahre Treue bewährt sich, wenn Leid und Not über das Vaterland kommen . . .

 

Wir, Herr Sieveking, werden unserer Heimat und unserem Vaterland die Treue halten; wir werden sie nicht brechen. Wir werden nicht zu Verrätern werden!"

 

Der Westpreuße, Lübeck:

„Welch eine kümmerliche Verkennung, wenn Bundesratspräsident Sieveking kürzlich feststellen zu können glaubte, dass Preußen und die Ansichten, die zu Bismarcks Zeit galten, nicht mehr existierten!

 

Preußen, das Land von Treu und Redlichkeit, der Ordnung und Gerechtigkeit, in dem niemand nach Religion und Abstammung gefragt wurde, es lebt. Es lebt in uns, den Millionen der daraus Vertriebenen. Man unterschätze das nicht“.

 

Gesamtdeutsche Rundschau, Hannover:

„.Welche Auswirkungen die mehrfach von prominenten Politikern der Bundesrepublik vorgetragenen Verzichtstendenzen im Ausland haben, geht daraus hervor, dass wenige Tage später sich der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses, Thomas Gordon, für die Oder-Neiße-Linie als ständige Grenze zwischen Deutschland und Polen aussprach, obwohl die vier Siegermächte im Potsdamer Abkommen grundsätzlich festgelegt haben, dass das deutsche Gebiet jenseits der Oder und Neiße nur als ein Teil der sowjetischen Besatzungszone der Republik Polen zur einstweiligen Verwaltung übergeben ist und die endgültige Regelung erst durch einen Friedensvertrag erfolgen soll“.

 

Vertriebenen-Korrespondenz, Bonn:

„Der BVD reagierte scharf und bündig. Dr. Kather schrieb Sieveking, seine Auslassungen überträfen alles, was bis dahin auf dem Gebiete des Verzichts ‚geleistet' worden sei. Sie gingen an politischen, historischen, kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten vorbei. Es sei ein Irrtum zu meinen, dass deutsche Verzichtangebote in der Oder-Neiße-Frage das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Polen und der Sowjetunion beeinflussen könnten“.

 

Sudetendeutsche Zeitung, München:

„Dr. Sieveking ist schließlich nicht irgendjemand. Er ist als Präsident des Bundesrates der Vertreter des deutschen Staatsoberhauptes. Wenn Sieveking solche Töne anschlägt, wem sollte es dann noch wundern, wenn die Verzichtpropagandisten des Auslandes ihm Beifall klatschen und seine Thesen schlechthin als die deutsche offizielle Auffassung darstellen."

 

Seite 2   Pressespiegel

Weg zur Wiedervereinigung

„Weder Krieg, noch tatenlos abwartendes Schimpfen, noch Verhandlungen im Bewusstsein des Zwangs zu beiderseitigen Teilverzichten — sondern die stetige, ruhige, niemals auffallende, niemals ins bloße Deklamieren und Schelter  ausartende Betonung des Gewaltverzichts unter gleichzeitiger unbeirrbarer Wahrung des Rechtsstandpunktes: das ist es, was uns auf die Dauer zum Ziel führen kann. Wer diesen Weg einschlägt, ist durchaus kein Ideologe und kein Phantast. Er wartet durchaus nicht darauf dass sich diese Frage durch sein Schelten, von selber regelt'. Im Gegenteil: er ist tätig, er muss rastlos und ohne Unterlass bestrebt sein, das gute Recht bei jeder sich bietenden Gelegenheit in ruhiger und würdiger, aber in sachlich unbeugsamer und — vor allem — auch in juristisch schlüssiger Form zu vertreten. Die Brücke. München

 

Der „Preußische Gedanke" lebt

„Der preußische Staat in der traditionellen Form kann nicht mehr erstehen. Preußen ist keine territoriale Frage mehr. Eine neue Lage der Dinge und verwandelte Aufgaben verlangen eine andere staatliche Gestalt. Was jedoch weiterleben muss, so oder so ist der ‚preußische Gedanke', das ist der Dienst an der Gemeinschaft, jenes ‚travailler pour le roi de Prusse', mit dem die Franzosen eine selbstlose Arbeit bezeichnen. Es bedarf sodann der fortwirkenden Kraft des Glaubens an die deutsche Aufgabe im Herzen Europas. Dieser Glaube muss vom Bewusstsein unserer gewaltigen Geschichte und der im Laufe der Jahrhunderte gebrachten schweren Opfer getragen sein. Daraus muss ein Strom der Stärke schießen, der jede Grenzschranke zerbricht. Nationale Rundschau, Karlsruhe

 

Dazu ist nichts zu sagen

„... führen manche der Flüchtlingsorganisationen die ganzen Abzeichen des Nazismus und sind gleichzeitig eine mächtige Quelle des übertriebenen Nationalismus. Sie haben eine Vorliebe für schwarze Hemden, symbolische Runen. Flaggen und Trommeln, und ihr Programm ist irredentisch. — Sie erstreben nicht nur die Rückkehr der Oder-Neiße-Gebiete, sondern auch die des Sudetenlandes. Viele Flüchtlinge sind die Besitzlosen in der Bundesrepublik, und ihre Zahl und Organisationen machen sie zu einer möglichen Gefahr, ähnlich den Freikorps nach dem ersten Weltkrieg“. The Times, London

 

Polnische Nationalfrage

„Bei einem wie immer gearteten Konzept einer Bonner Polen-Politik müsste also die Oder-Neiße-Frage von vorneherein ausgeklammert bleiben. Dies umso mehr, als die Oder-Neiße-Frage auch von der ideologisch so komplexen Weltanschauung des Gomulka-Regimes getrennt werden muss, denn die sogenannte deutsch-polnische ‚Friedens-Grenze' ist — obwohl von den Sowjets als politische Tret-Mine an einem der westlichsten Punkte ihres europäischen Herrschaftsbereiches eingebaut — keineswegs nur ein ideologisch fundamentiertes Anliegen Polens geblieben, sondern zu einer nationalen Frage über alle Weltanschauungen hinweg geworden." Die Rheinlandpfalz. Ludwigshafen.

 

Seite 2   Der letzte Monat

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Weitz erreichte in Moskauer Verhandlungen mit dem Leiter des Verbandes der Rot-Kreuz- und Rot-Halbmond-Gesellschaften, dass durch den Austausch der gegenseitigen Unterlagen und Namenslisten über das Schicksal Vermisster und verschollener deutscher Kriegsgefangener Klarheit geschafft werden soll.

 

Die Regierungschefs der sechs Montanunionländer einigten sich in Paris über den europäischen gemeinsamen Markt unter weitgehender Berücksichtigung der französischen Bedingungen bezüglich der Einbeziehung der Überseegebiete.

 

Die westdeutsche Landwirtschaft wird 1957 1,212 Milliarden DM aus Steuergeldern erhalten, um das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zu beseitigen.

 

Eine neue persönliche Botschaft des sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin beantwortete Bundeskanzler Dr. Adenauer dahingehend, dass Bonn keine zwei deutschen Staaten anerkennt, keine aggressiven Absichten gegen die Sowjetunion hege und statt des vorgeschlagenen Handelsvertrages nur zu einem „technischen" Handelsabkommen bereit sei.

 

Das ungarische Außenministerium beschuldigte Österreich, während des Aufstandes aktiv dazu beigetragen zu haben, dass Spione und Abenteurer nach Ungarn gelangt seien, die die staatliche Ordnung umstürzen sollten.

 

Über die Bedeutung von Eisenhowers Nahost-Programm konferierten In Kairo König Saud von Saudi-Arabien, der gerade von einer US-Reise zurückkehrte, der syrische Ministerpräsident Kuwatli. König Hussein von Jordanien und der ägyptische Staatschef Nasser.

 

Die Israelische Regierung unter Führung des Ministerpräsidenten Ben Gurion widerrief die Bereitschaft, den Gaza-Streifen am Mittelmeer und das Gebiet am Golf von Akaba zu räumen, die der israelische Außenminister, Frau Golda Meir, zuvor vor der UN-Vollversammlung angekündigt hatte. Präsident Eisenhower ersuchte Israel daraufhin erneut in einem Schreiben, den Truppenabzug schnellstens zu vollziehen. Ohne Zustimmung des Kabinetts ordnete Ben Gurion sodann den Rückzug der Truppen an.

 

Nach einstimmiger Zustimmung des Bunderates und Unterzeichnung durch Bundespräsident Heuß treten die Rentenreformgesetze in Kraft, die Leistungsrenten rückwirkend vom 1. Januar an, die Beitragsbestimmungen erst ab 1. März.

 

Bundespräsident Heuß erkrankte an einer Lungenentzündung und musste seine für den 5. März geplante Amerikareise verschieben.

 

Bis zum 16. März weilt Bundeskanzler Dr. Adenauer In Cadenabbia am Corner See im Urlaub.

 

Der SPD-Vorsitzende Ollenhauer hielt sich mehrere Wochen in den Vereinigten Staaten und in Kanada auf. Nach seiner Rückkehr äußerte er seine Zufriedenheit über den Verlauf der Reise.

 

Eine vierwöchige Weltreise unternimmt gegenwärtig Bundesaußenminister Dr. von Brentano, die ihn nach den Vereinigten Staaten, Australien und Indien führen wird.

 

Auf Anordnung von Bundesverteidigungsminister Strauß werden die ersten Wehrpflichtigen zum 1. April 1957 eingezogen. Es ist nicht beabsichtigt, für die Wehrpflichtigen besondere Einheiten zu bilden.

 

Die Bildung einer deutsch-holländischen Kommission, die über die Bereinigung der zwischen den beiden Ländern ungelösten Fragen verhandeln soll, wurde als Ergebnis der zweitägigen Besprechungen zwischen Bundesaußenminister Dr. von Brentano und dem holländischen Außenminister Luns angekündigt. Es geht dabei hauptsächlich um Grenzberichtigungen und Traktatländereien.

 

Mit großer Mehrheit lehnte der Bundestag endgültig die Gesetzentwürfe von SPD, DP und BHE ab, die eine Änderung des Bundeswahlgesetzes noch vor den Wahlen im September vorschlugen. Der SPD-Antrag, den Berlinern die Wahlteilnahme zu ermöglichen, ist den zuständigen Ausschüssen überwiesen worden.

 

Ein dreijähriger Handelsvertrag zwischen Frankreich und der Sowjetunion wurde in Paris unterzeichnet.

 

Eine polnische Handelsdelegation unter Führung des Generaldirektors des Finanzministeriums, Kotlicki, flog in die Vereinigten Staaten zu Besprechungen über die Gewährung einer Anleihe. Polen ist vor allem an Lieferungen von Bergbaumaschinen, Baumwolle, Mais und Ölsaaten interessiert.

 

Zu ungewöhnlich schweren Gefechten kam es erneut in Algerien, in deren Verlauf mehrere hundert Aufständische von den französischen Truppen getötet wurden.

 

Entschädigungszahlungen für Kriegsfolgen beantragte die griechische Regierung bei der Bundesregierung. Es sollen für bezahlte, aber nicht gelieferte Warenbestellungen während der Besatzungszeit 126 Millionen DM gezahlt werden, für entwendetes griechisches Eigentum 588 Millionen DM und für Unterhaltungskosten der deutschen Besatzungstruppen 672 Millionen DM.

 

Nach mehrtägigen Besprechungen erklärten der sowjetische Ministerpräsident Bulganin und der bulgarische Ministerpräsident Jugoff, dass der Warschauer Pakt in der gegenwärtigen Situation notwendig sei und die darin festgelegten Verpflichtungen erfüllt werden müssten.

 

Die Parlamentswahlen in Indien werden in neunzehn Tage andauernden Abstimmungen abgewickelt. Politische Beobachter rechnen mit dem erneuten Sieg der Kongresspartei des Ministerpräsidenten Nehru.

 

Neuer japanischer Ministerpräsident wurde der 60-jährige Liberaldemokrat Nobusuke Kishi als Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Regierungschefs Ishibashi. Kishi behält außerdem sein vorheriges Amt als Außenminister.

 

Die italienischen Regierungsparteien — Christliche Demokraten, Sozialdemokraten und Liberale — verfügen nur noch über genau die Hälfte aller Sitze, da die republikanische Partei ausgeschieden ist. Ministerpräsident Segni gewann mit knapper Mehrheit eine Vertrauensabstimmung über das landwirtschaftliche Pachtgesetz.

 

Der spanische Staatschef, General Franco, hat seine Regierung weitgehend umgebildet und damit den Einfluss der Partei, der Falange, zugunsten der Monarchisten zurückgedrängt Zehn Minister der alten Regierung wurden nicht wieder eingesetzt.

 

588 Millionen DM Stationierungskosten soll die Bundesrepublik freiwillig als Zuschuss an England zahlen. Auch die USA haben In einer Note an die Bundesregierung Zahlungen für den Unterhalt von Truppen gefordert. Amerika erhielt im letzten Jahre 640 Millionen DM, England 400 Milionen DM für diesen Zweck.

 

36 Übungsschiffe im Werte von 97,5 Millionen DM werden für die Bundesmarine beschafft. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages genehmigte diese Ausgabe.

 

Bundesatomminister Dr. Balke kündigte den Bau von drei Atomkraftwerken bis zum Jahre 1965 an Die Kosten werden sich auf 500 Millionen DM belaufen. Der erste westdeutsche Atomreaktor in der Nähe von München soll noch in diesem Jahre in Betrieb genommen werden.

 

Die Ausstattung der amerikanischen Luftabwehr mit Atomwaffen gab der amerikanische Verteidigungsminister Wilson bekannt. Sowohl die Bordraketen als auch die Flakraketen erhalten Atomsprengsätze.

 

Die Gesamtstärke der britischen Wehrmacht ist auf 804 000 Mann Höchststärke festgesetzt worden. Im Zusammenhang damit sollen die Truppen in Deutschland von 80 000 auf 50 000 Mann verringert werden. Gegen diesen Plan äußerten sich die Nato-Verbündeten, deren Zustimmung England bedarf, auf der Konferenz des Ministerrates der Westeuropäischen Union in London.

 

Seite 3   Foto: Die Bogenbrücke über die Angerapp mit Blick auf die Lutherkirche

 

Seite 3   Insterburg wurde Tschernjachowsk. Geringe Kriegsschäden - 34000 Russen als Einwohner.

Haben die Kämpfe vor rund zwölf Jahren Insterburg auch nicht verschont, so sind doch heute in dieser ostpreußischen Stadt die durch den Krieg und den Einzug der sowjetischen Sieger verursachten Schäden weitaus geringer als in anderen nord-ostpreußischen Städten. Insterburg ist — will man von den im Innern der Gebäude usw. angerichteten Veränderungen absehen — weitgehend intakt geblieben. Das bildete natürlich für die russische Besiedlungspolitik einen nicht geringen Anreiz.

 

Rechneten sich einerseits die zivilen Verwaltungsstellen eine gute Chance aus, hier schneller als anderswo russische Bürger anzusiedeln, so interessierten sich andererseits natürlich auch die sowjetischen Militärs für die einigermaßen erhalten gebliebene Stadt. Das ist seit Kriegsende bis auf den heutigen Tag so geblieben — immer gab und gibt es zwischen zivilen und militärischen Dienststellen der Sowjets eine Art Wettrennen, um die jeweils beste Ausnutzung von Insterburg für die eigenen Interessen.

 

Das wurde auch schon kurze Zeit nach Kriegsende sichtbar. Damals befahlen die sowjetischen Militärs, in dem unmittelbar vor den Toren Insterburg gelegenen Georgenburg (im Norden der Stadt) ein gewaltiges Kriegsgefangenenlager einzurichten. Weit über 10 000 deutsche Kriegsgefangene wurden auf dem großen Georgenburger Gutsbezirk einquartiert. Darunter befanden sich auch Gefangene aus den mit Deutschland im Krieg gegen die Sowjetunion verbündeten Staaten. Vor allem jedoch Soldaten, die in Ostpreußen gekämpft hatten und dann in die Hand der Sowjetarmee gefallen waren. Ferner wurde das Lager dazu benutzt, um hier neben den Kriegsgefangenen noch Tausende deutscher Zivilpersonen aller Altersklassen und beider Geschlechter zu internieren. Hierbei handelte es sich ausschließlich um Bewohner Ostpreußens.

 

Georgenburg wurde schließlich das Zentrallager aller Kriegsgefangenen-Lager im sowjetisch verwalteten Nord-Ostpreußen. Das schöne Schloss wurde als Hauptlazarett für deutsche Gefangene eingerichtet. Von hier aus wurden viele deutsche Soldaten — wenn sie schwer krank waren — in ihre Heimat entlassen. Viele aber fanden auch in Georgenburg ihre letzte Ruhestätte. Zeitweise, war die Sterbeziffer in Georgenburg, sehr hoch.

 

Bis heute hat das russische Militär Georgenburg nicht freigegeben. Befindet sich auch hier kein Gefangenenlager mehr, so wird dieser Vorort Insterburg doch noch als Stützpunkt verwandt. Hat man inzwischen auch etwas mit der Bestellung der großen Ländereien begonnen, so steht doch diese Arbeit auch unter dem Zeichen der Armee. Ein Heeresgut ist dafür verantwortlich. In erster Linie aber versucht dieses Gut, hier nach deutschem Vorbild ein großes Gestüt aufzubauen und Pferde für alle Zwecke für die Streitkräfte zu züchten. So unterstehen alle in Georgenburg eingesetzten Landarbeiter der Armee. Teilweise wird die Arbeit sogar von Soldaten verrichtet.

 

Ähnlich geht es auch in Insterburg selbst. Auch hier halten die Militärs an allen Gebäuden und Einrichtungen fest, die sie nach Kriegsende übernommen haben. Es gibt in der Stadt eine Unzahl militärischer Dienststellen aller Art. Lediglich in der letzten Zeit ist das Insterburger Kommando dazu übergegangen, die in vielen Straßen verstreuten militärischen Büros usw. in einigen Straßenzeilen oder Stadtvierteln etwas enger zusammenzufassen. Sonst demonstriert Insterburg aber noch immer die alte sowjetische Auffassung, die Besiedlung des nördlichen Ostpreußens Hand in Hand mit den Truppen vorzunehmen.

 

Sichtbar wird das auch auf dem Pregel. Der Strom hat zeitweise ein ausgesprochen militärisches Gepräge durch die auf ihm verkehrenden kleinen Marineboote. Es handelt sich dabei um flachgehende Schiffe, die Polizeibefugnisse ausüben, gleichzeitig aber auch militärische Interessen wahrnehmen. Die Boote überwachen den Verkehr auf dem Pregel von Insterburg nach Königsberg und werden manchmal auch zum Transport eiliger Güter eingesetzt. Innerhalb der Stadt und auf dem ebenfalls der Sowjetarmee unterstellten Gut von Lenkeningken verfügt die Fluss-Militärpolizei über zwei Landstützpunkte. Im zuletzt genannten, verbringen die in Freiwache befindlichen Mannschaften ihre freie Zeit.

 

Insterburg zählte vor einigen Jahren erst 21 000 russische Bürger, während in der Stadt,vor dem Kriege 48 700 deutsche Menschen lebten. Inzwischen aber wurde die Ansiedlung forciert, und so ergibt sich heute für Insterburg eine russische Bevölkerung von fast 34 000 Seelen. Dabei muss aber bedacht werden, dass in dieser Zahl die hier stationierten sowjetischen Armeeangehörigen mit enthalten sind. Die reine Zivilbevölkerung kann man jedoch mit rund 30 000 annehmen.

 

Die Bevölkerung der Stadt ist einfach zu klassifizieren. Jeder Einwohner gehört einer der drei Klassen an: entweder ist er Soldat oder Angestellter oder Landarbeiter. Von einem Mittelstand aus Kaufleuten oder Bauern bestehend, ist natürlich nicht das Geringste, zu finden. Nach innerrussischer Methode gibt es kein Privateigentum an Boden oder Geschäften, so dass die tragende Mittelschicht ganz fortgefallen ist. Der größte Prozentsatz der heutigen Insterburger Bewohner wird von den Angestellten der unzähligen Dienststellen und Verwaltungsorgane gestellt. Man kann sich keine Vorstellung davon machen, welch ein bürokratischer Apparat für die Verwaltung von Stadt- und Landkreis Insterburg aufgebaut worden ist. Gegenüber früher, wo die Bevölkerung viel größer war, hat sich die Zahl der Behörden vervierfacht bis verfünffacht! Und in jedem Amt findet man die staatlichen Angestellten in Scharen. Es gibt kein Lebensbereich, das nicht von mehreren Ämtern überwacht und verwaltet wird. Insterburg ist zum großen Teil eine Stadt der Bürokratie und der Bürokraten geworden.

 

Allerdings hatte das auch sein Gutes. Die Angestellten als Rückgrat der Bevölkerung hatten ein Interesse an einer Normalisierung des Lebens. Sie ließen für sich Häuser in Ordnung bringen, trugen für ein, wenn auch spärliches, Wiederaufleben des Kulturlebens Sorge und veranlassten die Abstellung der schlimmsten-hygienischen Missstände bei der Kanalisation und der Straßenreinigung. So gibt es — oh Wunder — in den wichtigsten Straßen sogar schon wieder in den Abendstunden Beleuchtung. Allerdings wird die Beleuchtung ab 22.30 Uhr wieder abgestellt — nach dieser Zeit hat jedermann zu Hause zu sein. Immerhin aber herrschen noch lange nicht in jeder nordostpreußischen Stadt solch günstige Verhältnisse.

 

Als normal kann man auch wieder das Schulleben bezeichnen. Die Armee räumte einige bis lange in die Nachkriegszeit hin beschlagnahmte Schulgebäude. Dazu gibt es mehrere Fachschulen für landwirtschaftliche, technische oder handwerkliche Spezialisten. Ferner läuft in Insterburg ein ständiger Lehrgang für Verwaltungsinteressenten. Diese Institutionen werden sehr gefördert, weil es auf dem flachen Land an Fachleuten aller Art fehlt, um das Land zu durchdringen und die kleinen Gemeinden auf einen höheren Stand zu bringen. Wie denn überhaupt seit etwa anderthalb Jahren von den Sowjets der ernsthafte Versuch gemacht wird, von Insterburg aus, den Landkreis zu russifizieren. Neusiedler aus der Sowjetunion dürfen nur dann in der Stadt bleiben, wenn sie dort dringend benötigt werden und die schwer zu erhaltende Zuzugsgenehmigung mitbringen. Sonst schickt man jetzt alle Neuankömmlinge hinaus in den Landkreis. Die Schwerpunktbildung in einer Stadt als Zentrum scheint hier also abgeschlossen zu sein — jetzt beginnt die systematische Durchdringung der näheren und weiteren Umgebung.

 

Es hat keinen Zweck, dass wir uns an dieser Stelle über die bisherigen Misserfolge der Sowjets bei solchen Projekten auslassen. Das ist unseren Lesern aus vielen Artikeln bekannt. Viel interessanter und viel wichtiger für die Zukunft, ist es zu wissen, wie weit der Stand der Russifizierung tatsächlich gediehen ist und was die Russen nun an ernstzunehmenden Maßnahmen unternehmen. Und dazu ist zu sagen, dass Insterburg heute als weitgehend russifiziert gelten muss. Die Stadt hat viele Merkmale ihres deutschen Charakters verloren. Neben der Bevölkerungsgruppe der Angestellten ist das auf die zweite größere Einwohnerschicht — die Landarbeiter — zurückzuführen. Um die Landwirtschaft ringsum von Insterburg zu aktivieren, hat man in den Außenbezirken überall Landarbeiter angesiedelt, die der russischen Mentalität nach keinen günstigen Einfluss auf das Äußere Insterburgs haben. Schmutz und Provisorien aller Art gehen von den Vierteln aus, in denen die auf den Gütern beschäftigten Landarbeiter leben. Hier ist die Russifizierung in ihren negativsten Auswirkungen verwirklicht worden.

 

Bisher fehlt es aber an Menschen, um die in Insterburg geschaffenen Verhältnisse überall auch auf den Landkreis zu übertragen. Die Russifizierung dort scheiterte daran, dass nicht genügend Sowjetbürger kommen – und bleiben. Es fehlt nämlich der Anreiz für sie, in diesem für sie fremden Land auf den Dörfern zu leben. Bietet Insterburg gegenüber vielen russischen Städten Vorteile, so erwartet auf dem flachen Land nur harte Arbeit auf den jahrelang vernachlässigten Feldern die Neuankömmlinge. In Insterburg hat man nun eingesehen, dass mit den bisherigen Zwangsmaßnahmen, wie hohe Strafen bei Fortzug und Wechseln der Arbeitsstelle usw.  das Kreisgebiet nicht zu durchdringen ist. Man sucht  jetzt nach Möglichkeiten, um den Neusiedlern aus der UdSSR das Leben in den kleineren Gemeinden und auf den Gütern schmackhafter zu machen. Das ist also das Problem, das sich nach zwölfjähriger Verwaltung den russischen Behörden in Insterburg gestellt ist. Die erste reale Maßnahme besteht darin, endlich das unsagbar verkommene Straßennetz wieder in Ordnung zu bringen. Wann jedoch nur dieses Problem gelöst sein wird, kann niemand sagen.

 

Insterburg heute ist also als ein Zentrum des Russentums anzusehen, von dem aus die umgebenden Gebiete unserer engeren Heimat durchdrungen werden sollen. Für den Stadt- und Landkreis kann man daher etwa folgenden Maßstab anlegen: den Sowjets ist es in mehr als einem Jahrzehnt nur gelungen, Insterburg bis zu einem gewissen Grade zu russifizieren – auf dem Lande aber ist man erst höchstens einen halben Schritt vorangekommen.

 

Seite 3   Mit wissenschaftlicher Kühle und Nüchternheit. „Westinstitut“ untermauert polnische Ansprüche.

Mit erhöhten finanziellen Mitteln will die Warschauer Regierung in diesem Jahr das in Posen arbeitende „Westinstitut" unterstützen, um dem „Mangel an wissenschaftlicher Literatur über die Westgebiete und die deutsch-polnische Problematik" abzuhelfen. Nach Informationen aus Posen will dieses Institut in diesem Jahre 17 Publikationstitel über diese Themen herausbringen.

 

Bisher erschien in dem Posener Institut, das mit der Posener Universität zusammenarbeitet, neben der Zeitschrift „Przeglad Zachodni" (Westgebiete), in unperiodischer Folge eine Reihe von Schriften, die den polnischen Charakter dieser Gebiete dokumentieren sollten. Im kommenden Frühjahr wird der Verlag des Instituts u. a. ein fast 400 Seiten starkes Buch über den „Wiederaufbau der Westgebiete in den Jahren 1945 bis 1955" veröffentlichen, das auch in deutscher Sprache gedruckt werden soll. Außerdem wird zur gleichen Zeit eine zweibändige „Dokumentation" mit 700 bis 800 Seiten zum Thema Oberschlesien erscheinen.

 

Auch bei anderen staatlichen Instituten und wissenschaftlichen Verlagen Polens werden in diesem Jahr zahlreiche Studien zum Thema der „deutsch - polnischen Problematik" erscheinen. Auf den Universitäten will man in Einzelvorlesungen dieses Thema ebenfalls „mit wissenschaftlicher Kühle und Nüchternheit" behandeln. Von zuständiger polnischer Seite wird dazu erklärt, dass man diese Beiträge zur Freigabe der „deutsch-polnischen Problematik" nicht als das Gegenstück zur westdeutschen Oder-Neiße-Diskussion bezeichnen könne. Vielmehr gehe es darum, das Thema aus der Alltagsdiskussion herauszunehmen und in wissenschaftlicher Arbeit die Grundlagen zu klären und herauszuarbeiten.

 

Seite 3   Sind Optanten Verräter? Scharfe Diskussion in der „Arbeiterstimme“

In den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten haben die Auseinandersetzungen zwischen der deutsch gebliebenen Bevölkerung und jenen Deutschen, die nach 1945 für Polen optierten und jetzt die polnische Staatsangehörigkeit besitzen, schärfste Formen angenommen. Ein Versuch der in Breslau erscheinenden deutschsprachigen Zeitung „Arbeiterstimme", die Auseinandersetzungen in gemäßigte Bahnen zu lenken, ist gescheitert. Die Zeitung hatte ihren Lesern Raum für eine Diskussion über das Problem der Optanten gegeben, musste jetzt jedoch diese Diskussion abbrechen, weil sie Formen angenommen hatte, „die man mit einem klaren, nüchternen und humanen Denken nicht mehr auf einen Nenner bringen kann". Auf der gleichen Linie liegen die Äußerungen des Vorsitzenden der „Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft". Er erklärte, auch die deutsche Minderheit könne während des „neuen Demokratisierungsprozesses in Polen" nunmehr von ihren „demokratischen Rechten der freien Meinungsäußerung" Gebrauch machen. Aber es sei ungesund, dass manche dabei glaubten, ihren „jahrelang zwangsweise unterdrückten Hassgefühlen nun in anarchistischer Form freien Lauf lassen zu können".

 

Seite 3   Tschechoslowakei

Vier Abschussbasen für Raketengeschosse sollen in der Tschechoslowakei von den Sowjets angelegt worden sein, die erste südwestlich von Reichenberg, die zweite nordöstliche von Olmütz, die dritte östlich von Karlsbad und die vierte in Krumau in Südböhmen.

 

Mit deutschsprachigen Sendungen für die in der Tschechoslowakei lebenden Bürger deutscher Nationalität hat der tschechoslowakische Rundfunk in diesen Tagen begonnen. Die Bezirkssender Karlsbad, Reichenberg und Budweis werden täglich außer sonntags Nachrichten, Reportagen und Kommentare in deutscher Sprache sowie Musik bringen. Später soll auch der Bezirkssender Aussig an der Elbe die deutschsprachige Sendung übernehmen.

 

Seite 3   Chronik. Kurzmeldungen aus der Heimat.

Danzig.  Das Stadttheater von Danzig soll heuer wieder aufgebaut werden. Ähnliche Baupläne bestehen auch für die Danziger Katharinenkirche.

 

Danzig, von der Danziger Werft lief jetzt, der vierte 10 000-Tonner vom Stapel. Er erhielt den Namen „Kapitän Kosko".

 

Goldap. Über Goldap berichtet „Zacie Warszawy" von einer immer schneller fortschreitenden Vernichtung, sogar das Pflaster sei herausgerissen, die Steine nach Bialystok gebracht worden. Der polnische Berichterstatter fügt hinzu: „Ich erinnere mich noch an das Goldap, wie es vor 5 Jahren aussah. Zwar war es auch damals bereits mutwillig zerstört, aber es steckte doch immer noch voller Dynamik und war durchaus zum Wiederaufbau geeignet“.

 

Johannisburg. Die Stadt sieht auch heute noch immer wie ein Schlachtfeld aus. „Johannisburg ist ein Städtchen, in welchem Trümmer, Ruinen und leere Ruinen zweifelsohne umfangreicher sind als der mit Häusern bestandene Boden“, berichtet die Warschauer Zeitung „Slowo Powszechne“.

 

Memel. Infolge Arbeitermangels konnten in Memelland im letzten Jahr nur 20 Prozent des gesamen Roggens geerntet werden

 

Posen. In Posen soll in diesem Jahr eine Kugellagerfabrik errichtet werden – die erste der Oder-Neiße-Gebiete und zugleich die erste Polens. Außerdem will man in Posen demnächst zum ersten Mal den Schiffmotorenbau aufnehmen.

 

Seite 4   Wie man zollfreie Pakete nach Polen schickt. Hilfswerk „Deutsche helfen Deutschen" übernimmt Vermittlung

Immer wieder wird darüber geklagt, dass Liebesgabenpakete an im polnischen Verwaltungsgebiet lebende Deutsche von diesen nicht eingelöst werden, weil die vom polnischen Zoll geforderten Gebühren zu hoch sind. In anderen Fällen sind die Empfänger gezwungen, mit geliehenem Geld die Päckchen einzulösen und dann sogleich einen Teil des Inhalts zu verkaufen, um die Zollgebühren wieder hereinzubekommen. Oft kamen deshalb Briefe aus dem polnischen verwalteten Ostdeutschland an, in denen die Absender um keine weiteren Sendungen baten, weil sie doch nichts davon hätten oder weil der Aufwand nicht lohne. Andererseits aber wird immer wieder davon gesprochen, dass es Möglichkeiten gebe, den bedürftigen Empfängern zollfreie Pakete zukommen zu lassen. Wir sind den Dingen nachgegangen und haben festgestellt:

 

Zurzeit besteht die Möglichkeit, Liebesgaben zollfrei in die zurzeit polnisch verwalteten deutschen Ostprovinzen zu senden. Und zwar nach Ober- und Niederschlesien, Ostpreußen, Westpreußen (Grenzmark), Ostbrandenburg und Hinterpommern sowie in das Danziger Gebiet. Solche Sendungen vermittelt das Hilfswerk „Deutsche helfen Deutschen" in Düsseldorf-Oberkassel, Schorlemerstraße 1 (Telefon 5 50 80). Die dort befindliche Hauptgeschäftsstelle teilt mit, dass bisher zirka 10 000 Geschenk- und Liebesgabensendungen zoll- und portofrei vermittelt worden sind. Das Hilfswerk stellt fest: „In Zusammenarbeit mit unserem Betreuungswerk im Ausland erreichten wir den Wegfall der hohen Einfuhrzölle, so dass bei Paketbestellungen durch uns die Möglichkeit geschaffen wurde, den Landsleuten in Polen (Ostdeutschland) zollfreie Pakete zukommen zu lassen“.

 

Das Hilfswerk hat mehrere Standardzusammenstellungen, die sich gut bewährt haben sollen. So kann man beispielsweise für 22,50 DM 2 kg Reis, 1 Olivenöldose, 1 kg Schweinebraten-Konserven, 200 g Tee, 1 Dose Nescafe und 2 kg Zucker zoll- und portofrei versenden. Der Empfänger im polnischen Gebiet braucht dafür keinerlei Gebühren mehr zu zahlen. Im Preis sind sämtliche Unkosten einbegriffen. Natürlich gibt es auch wesentlich größere Liebesgabenzusammenstellungen.

 

Ferner ist das Hilfswerk in der Lage, Geldbeträge nach Polen zu überweisen lassen, damit der Empfänger in seiner Heimat hierfür Waren auswählen kann. Der Empfänger erhält dann durch das Hilfswerk eine Warenliste, in der er seine Bestellung macht. Hierbei ist jedoch ein Mindesteinzahlbetrag von 40,-- DM notwendig, wozu noch 6,-- DM für Spesen aller Art kommen. Nach oben sind die Geldeinzahlungen unbegrenzt, wie auch die Warenmenge keinerlei Beschränkungen unterliegen. Es ist aber in jedem Fall angebracht, sich erst einmal beim Hilfswerk über die Einzelheiten zu orientieren. Es empfiehlt sich, Rückporto beizulegen.

 

Im Übrigen ist der Geschäftsgang folgender: sofort nach Aufgabe der Bestellung veranlasst das Hilfswerk beim Auslandsbetreuungswerk die Auslieferung der Liebesgaben direkt von dem in Warschau befindlichen Auslieferungslager! Diese Methode garantiert natürlich schnellste Erledigung und ist viel zuverlässiger und rascher als der sonst oft langwierige Postweg. Trotzdem muss man auch beim Hilfswerk mit einer Lieferzeit von einigen Wochen rechnen. Für eine schnelle Erledigung sind auch folgende mitzuteilende Angaben sehr wichtig: 1. Vor- und Familienname! 2. Wohnort; 3. Straße, 4. Postamt (poczta) oder Bahnstation (stacja kolejowa); 5. Landesteil (woj) und Bezirk (pow) des Empfängers. Das Hilfswerk verpflichtet sich zur zollfreien Auslieferung und zur Rückvergütung etwa nicht abgenommener Waren.

 

Natürlich kann man nicht nur Lebensmittel versenden. Als Liebesgaben sind auch Textilien aller Art, Schuhe, Leder- und Toilette-Artikel, Tabakwaren, Uhren und Wecker, Radios, Schreibmaschinen, Fahrräder, Kinderwagen und Kohlen zugelassen. Auch in diesen Fällen haben sich bisher bei der Auslieferung keine größeren Schwierigkeiten ergeben. Fahrräder kosten 165,--, Kinderwagen 125,-- oder Radioapparate 180,-- DM. Zwei Tonnen Kohle — Mindestmenge — werden je nach Qualität entweder mit 244,-- oder mit 270,-- DM berechnet.

 

Sehr wichtig ist auch die vom Hilfswerk eingerichtete Versandaktion für Arzneimittel und Medikamente, die ebenfalls zoll- und portofrei versandt werden können. Auch für diese Güter befindet sich bereits ein Auslieferungslager in Warschau! Bisher sind 16 verschiedene Heilmittel registriert. In Kürze aber wird diese Liste auf rund 150 Positionen erweitert. Die bis jetzt veröffentlichten Preislisten bieten ein durchaus günstiges Bild.

 

Seite 4   Entschädigung vertriebener Altsparer.

Das Gesetz über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener wurde 1955 ergänzt. Aus einer Tabelle, die dem Gesetz beigefügt wurde, kann nunmehr entnommen werden, mit welchem Prozentsatz eine nachgewiesene Spareinlage anzusetzen ist, wenn der Zeitpunkt der nachgewiesenen Spareinlagen zwischen dem 1. Januar 1940 und dem 31. Dezember 1944 lag. Dieser neue Berechnungsmodus führt zu wesentlichen Erweiterungen der Entschädigungen. Die Fälle sind nicht von Amts wegen zu überprüfen. Anträge auf Überrechnung, die formlos eingebracht werden können, müssen von dem Geschädigten gestellt werden. Der Überrechnungsantrag ist an jenes Geldinstitut zu richten, bei dem das Altsparguthaben angemeldet worden ist. Es scheint noch immer Fälle zu geben, bei denen eine Überarbeitung des Entschädigungsantrages noch nicht erfolgte.

 

Die Geschädigten werden darauf aufmerksam gemacht, ihre Altsparentschädigung zu überprüfen, damit nach dem Gesetz gegebene Möglichkeiten nicht ungenutzt bleiben.

 

Seite 4   Kleie Elchland-Reihe.

Band 1

Elisabeth Pfeil: Hunger, Hass und gute Hände. Erlebnisse und Begegnungen. Die Erlebnisbericht sind ein guter Anfang für diese Reihe … Ein ergreifendes Dokument der Menschlichkeit, in dem die Nächstenliebe über Hunger und Hass triumphiert. Ostd. Literatur-Anzeiger.

 

Band 2

Fritz Kudnig. Herz in der Heimat. Erzählungen. Der ganze Kudnig, ungeschminkt und ohne Retusche, Mensch mit empfindsamen Gemüt, aber auch hart und herbe im Denken um den Sinn der Welt. Walter Scheffler

 

Band 3

Tamara Ehlert. Die Dünenhexe. Erzählungen. Der Erstling einer jungen begabten, aus Königsberg/Pr. gebürtigen Autorin, der aufhorchen lassen wird. Hier ist nichts bloße Erinnerung, sondern jede dieser Erzählungen zugleich eine literarische Kostbarkeit.

Die Reihe wird laufend ergänzt. Jeder Band 2,20 DM. Elchland-Verlag, Göttingen

 

Seite 4   Arbeitsvermittlung für Spätheimkehrer. Die Eingliederung muss beschleunigt werden.

Nach einer Feststellung des Bundesarbeitsministeriums wurden in der Zeit vom September 1955 bis September 1956 bei den Arbeitsämtern über 15 000 Spätheimkehrer erfasst, von denen sich der weitaus größte Teil heute in Arbeit befindet. Am 30.09.1956 standen zwar noch 4865 Spätheimkehrer außerhalb des Arbeitsprozesses, wovon allein aus gesundheitlichen Gründen 1812 überhaupt nicht vermittelbar und 1755 zurzeit nur beschränkt vermittelbar waren.

 

Da in der letzten Zeit von verschiedenen Stellen an das Bundesarbeitsministerium der Wunsch herangetragen worden ist, die Hilfsmaßnahmen für die Spätheimkehrer zu verstärken, damit auch der jetzt noch außerhalb des Arbeitsprozesses stehende Spätheimkehrer beschleunigt einen Arbeitsplatz erhält, hat der Bundesarbeitsminister in einem Schreiben an den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und an die Arbeitsgemeinschaft der Hauptfürsorgestellen die Wiedereingliederung der Spätheimkehrer in das Arbeits- und Wirtschaftsleben erneut betont. Er hält diesen Wunsch für berechtigt und bat dabei, in immer stärkerem Maße alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Spätheimkehrern, die durch die langjährige Haft körperlich und seelisch gelitten haben und ihrer beruflichen Wettbewerbsfähigkeit durch mangelnde Aus- und Fortbildung sowie Berufsentwöhnung beeinträchtigt sind, zu helfen. Bei Anträgen auf Gleichstellung mit Schwerbeschädigten sollte deshalb großzügig und schnell entsprochen werden.

 

Um die Arbeitsvermittlung auch derjenigen Spätheimkehrer, die nicht Schwerbeschädigte sind oder denen die Voraussetzung der Gleichstellung nach dem Schwerbeschädigtengesetz nicht gegeben sind, weiter zu fördern, sieht der Bundesarbeitsminister es als durchaus vertretbar an, die Entscheidungen über die Herabsetzung und den Erlass der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbeschädigtengesetz in geeigneten Fällen davon abhängig zu machen, dass Spätheimkehrer eingestellt werden. Überlegungen dieser Art sollen insbesondere den Spätheimkehrern zu Gute kommen, die erst in den letzten drei Jahren entlassen worden sind, da die ersten Jahre nach der Rückkehr der Wiedereingewöhnung der Heimkehrer erhebliche Schwierigkeiten bereiten und sie einer wirksamen Hilfe sowohl zur Erlangung wie zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes bedürfen.

 

Weitere Bestimmung als Vertriebene.

Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat in einem grundsätzlichen Urteil eine weitere Bestimmung des Personenkreises der Vertriebenen vorgenommen. Danach gilt auch als Vertriebener, bei dem zwar keine Flucht oder Ausweisung, jedoch ein der Flucht gleichwertiger Tatbestand vorliegt. Entgegen der ablehnenden Haltung der Ausgleichsbehörde hat das Gericht mit diesem Urteil das Aktenzeichen IV C 174/55 trägt, die Lastenausgleichsforderungen eines Berliner Ingenieurs anerkannt, der im Oktober 1940 unmittelbar nach Ausbruch des italienisch-griechischen Krieges auf Grund einer Empfehlung der NS-Partei und der deutschen Gesandtschaft Existenz und Eigentum in Athen aufgab und nach Deutschland zurückkehrte. Das Gericht wies dazu in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass seinerzeit eine derartige „Empfehlung" einem Befehl gleichkam. Zudem sei ein Konflikt zwischen Deutschland und Griechenland zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen, weshalb das vorzeitige Absetzen einen Tatbestand darstelle, der der Flucht vor Kriegsereignissen gleichzusetzen sei.

 

Mehr Hilfe für Aussiedler.

Der niedersächsische Vertriebenenminister und Sprecher der Lm. Schlesien, Schellhaus, hat sich in Friedland zusammen mit den Landtagsabgeordneten des Ausschusses für Angelegenheiten der Vertriebenen über die Situation der jetzt aus den zurzeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten kommenden „Aussiedler" informiert. Schellhaus richtete an alle Kreise der Bevölkerung Niedersachsens die Bitte, sich der „Aussiedler" helfend anzunehmen und sich zu vergegenwärtigen, dass diese Menschen jahrelang unter schwierigen Verhältnissen und in bitterer Not hätten leben müssen. Der Minister kündigte an, dass er auf einer Arbeitstagung der Landesflüchtlingsverwaltung vorschlagen wolle, dass sich Bundestag und Länderparlamente in ähnlicher Weise wie bei der Ungarnhilfe mit dem Aussiedlerproblem befassen sollten.

 

Paten für „Aussiedlerkinder“

Die Jugendlichen und Kinder, die jetzt im Zuge der „Aussiedlungsaktion" aus den zurzeit unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten in der Bundesrepublik eintreffen, erhalten in den deutschen Schulen Patenlehrer und Patenschüler, die sich ihrer besonders annehmen sollen. Für diejenigen, die nur polnisch sprechen, sind in einigen Städten Förderklassen eingerichtet worden. Auf Weisung des niedersächsischen Kultusministeriums und mit Unterstützung des Evangelischen Hilfswerks und der Caritas wird in Adelheide bei Delmenhorst eine Sonderschule eingerichtet, die mit einem evangelischen und einem katholischen Internat verbunden sein wird. Abiturienten soll die Aufnahme des Studiums ermöglicht werden, Ober- und Fachschülern soll besondere Unterstützung gewährt werden, um ihren Schulbesuch fortsetzen zu können.

 

Seite 4   Friedland wird vergrößert.

Die Anlagen des Grenzdurchgangslagers Friedland sollen vergrößert werden, da die Abfertigung der fast täglich in großen Transporten eintreffenden „Aussiedler" aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten auf Schwierigkeiten stößt. In einer Erklärung des niedersächsischen Vertriebenenministeriums heißt es, auf Grund eines Abkommens mit der polnischen Regierung sei 1957 mit einer besonders großen Anzahl von „Aussiedlern" zu rechnen.

 

Seite 4   Neunte Novelle zum LAG in Vorbereitung.

Die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes befassen sich zurzeit mit dem Entwurf einer Neunten LAG-Novelle, die sich auf die Abgaben bezieht. Wie es in der Begründung zu dem Gesetzentwurf heißt, ist es das Bestreben der Bundesregierung, die gesetzlichen Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes über die Ausgleichsabgaben möglichst unverändert in der einmal beschlossenen Form durchzuführen. Inzwischen sind auch bereits die Vermögensabgabe zu 96 Prozent, die Kreditgewinnabgabe zu 98 Prozent und die Hypothekengewinnabgabe zu 97 Prozent der in Betracht kommenden Fälle nach den Vorschriften des LAG veranlagt worden. Eine beachtliche Zahl von Abgabepflichtigen hat ferner bereits von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Ausgleichsabgaben vorzeitig abzulösen; nach dem Stande vom Anfang Oktober 1956 waren nämlich die Lastenausgleichsabgaben in rund 414 000 Fällen vorzeitig abgelöst; der in diesen Fällen insgesamt aufgekommene Ablösungsbetrag beläuft sich auf 1,142 Milliarden DM. Soweit die Veranlagung noch nicht durchgeführt ist, handelt es sich im Wesentlichen um Fälle, in denen Lücken des Gesetzes vorliegen. Hauptsächlicher Zweck der Neunten LAG-Novelle ist es daher, diese Lücken zu schließen, damit die Veranlagung abgeschlossen werden kann.

 

Seite 4   Reisen in die Tschechoslowakei und nach Polen

auch Einzelreisende mit Auto und Motorrad. Abfahrtstermine: 22.03., 03.04., 13.04., 26 04., 09.05., 21.05. Visum durch uns. Fordern Sie Sonderprospekt. Reisebüro Leo Linzer, Amberg/Opf., Tel. 28 88.

 

Seite 4   Flüchtlingsbeihilfe steuerfrei.

Nach dem Bundesvertriebenengesetzt werden an Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge aus Bundesmitteln, Beihilfen nach gewissen Richtlinien gewährt. Darauf wurden zunächst nur 60 v. H. ausgezahlt. Erst seit September 1956 wurden sie endgültig auf volle 100 v. H. der Grundbeträge festgesetzt, so dass nunmehr 40 v. H. nachzuzahlen sind. Im Hinblick hierauf ergeben sich zwei finanziell sehr ins Gewicht fallende Fragen:

 

Zunächst die Frage, ob diese Beihilfe der Einkommensteuer unterliegt. Das ist zu vereinen. Erhält ein Vertriebener oder Sowjetzonenflüchtling eine solche Beihilfe, so ist dies ein Vermögenszugang, der nicht einkommensteuerpflichtig ist und daher der Einkommensteuer nicht unterliegt. Bringt er diese Beihilfe in seinen Betrieb ein, so ist sie als Einlege zu behandeln.

 

Da die Beihilfe nur dann gewährt wird, wenn der Empfänger berechtigt ist, die Rechte und Vergünstigungen nach dem Bundesvertriebenengesetz in Anspruch zu nehmen, stellt sich die weitere Frage, wie die Rechtslage dann ist, wenn der Beihilfeempfänger inzwischen „ausgesteuert" wurde, d. h. wenn die „Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen" gemäß § 13 Bundesvertriebenengesetz ausgesprochen wurde.

 

In einem solchen Fall kommt es darauf an, ob diese Voraussetzung schon 1951 oder erst später gegeben war, denn für die Beihilfen nach dem Bundesvertriebenengesetz sind die Verhältnisse des Jahres 1951 maßgebend. Ist die Aussteuerung erst nach Ablauf des Jahres 1951 erfolgt, wie das in den meisten Fällen zutreffen wird, so bleiben die Ansprüche des Vertriebenen auf die Beihilfen unberührt, d.h. einerseits kann er die bereits ausgezahlten 60 v. H. des Grundbetrages behalten, andererseits hat er Anspruch, dass ihm auch jetzt noch die restlichen 40 v. H. des Grundbetrages nachgezahlt werden.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 3, vom März 1957

 

Seite 5   Foto. Trakehner Brandzeichen. Begriff für Schönheit, Härte und Ausdauer.

Ostpreußen war nicht allein das Land der dunklen Wälder, der kristallnen Seen, der weiten wogenden Felder, der Nehrung und des Haffes, Paradies der Vögel und des sagenhaften Elches, das Land der Backsteindome und der Ordensburgen, das Schlachtfeld vieler Jahrhunderte mit seinen Kreuzen und Mahnmalen. Ein funkelnder Stein in der Krone dieses Landes würde fehlen, wenn wir nicht auch seiner Pferde gedächten. Zwischen der Inster im Norden und der Rominter Heide im Süden breitete sich das Paradies der Pferde. Bereits 1732 gründete hier Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, das Trakehner Gestüt, das durch Kreuzung des wertvollen einheimischen Pferdes mit englischem und arabischem Vollblut die weltbekannte Trakehner Pferderasse züchtete. Viele Bauern- und Gutsgestüte wetteiferten mit Trakehnen. Wenn dann auf den Remontemärkten, vor allem auf der großen Jahrespferdeschau auf den Alle-Wiesen von Wehlau viele hundert Pferde zusammenkamen (dies war der größte Pferdemarkt Europas!), dann gaben sich hier Freunde des Pferdes aus aller Welt ein Stelldichein.

 

Die durch den Brand von Trakehnen, einer siebenzackigen Elchschaufel, oder den Brand der Ostpreußischen Stutbuchgesellschaft, einer doppelten Elchschaufel, gekennzeichneten Pferde begeisterten durch ihre Schönheit und ihre schwungvollen Bewegungen und waren zugleich ein Begriff für Härte, Ausdauer und Zuverlässigkeit.

 

Insterburg, neben Trakehnen Hauptort für die Zucht des edlen ostpreußischen Pferdes, war die Turnierstadt des deutschen Ostens. Auf dem Turnierplatz an der Angerapp, der als einer der besten der Welt galt, trafen sich Pferdefreunde vieler Länder; die Turniere hatten internationale Bedeutung. Zu einem besonderen Triumph des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung wurde die Olympiade 1936.

 

Heute haben die Trakehner in Schleswig-Holstein und im Solling eine neue Heimat gefunden, nachdem ein Teil des wertvollen Pferdematerials mit dem großen Treck nach dem Westen gebracht werden konnte. Aber immer wird der Name dieses Pferdes mit dem Namen seiner ostpreußischen Heimat verbunden sein.

 

Seite 5   Joh. Wolfg. v. Goehte.

Beherzigung

Feiger Gedanken

bängliches Schwanken

weibisches Zagen,

ängstliches Klagen

wendet kein Elend,

macht dich nicht frei.

 

Allen Gewalten

zum Trotz sich erhalten,

nimmer sich beugen,

kräftig sich zeigen

rufet die Arme

der Götter herbei.

 

Türmerlied

Zum Sehen geboren,

zum Schauen bestellt,

dem Turme geschworen,

gefällt mir die Welt.

 

Ich blick' in die Ferne,

ich seh' in der Näh'

den Mond und die Sterne,

den Wald und das Reh.

 

So seh' ich in allen

die ewige Zier,

und wie mir's gefallen,

gefall' ich auch mir.

 

Ihr glücklichen Augen,

was je ihr gesehn,

es sei, wie es wolle,

es war doch so schön.

 

Zum 125. Todestag am 22. März 1957

 

Seite 5   Gedenkblatt des Monats.

Emil von Behring (Foto). Ein Wohltäter der Menschheit.

Am 31. März vor vierzig Jahren starb einer der größten Wohltäter der Menschheit: Emil von Behring.

 

Er stammt aus Hausdorf/Westpreußen, wo er am 15.03.1854 als Sohn eines Lehrers — er wurde erst später geadelt — geboren wurde. Seine medizinische Ausbildung erhielt er auf der alten militärärztlichen Akademie in Berlin, der berühmten „Pepiniere". Dann war er rund sieben Jahre in Posen und später in Bonn als Militärarzt tätig. Ein besonderes Glück führte ihn zu Robert Koch an das Hygieneinstitut in Berlin und an das Institut für Infektionskrankheiten. 1894 wurde er Professor in Halle und bereits 1895 nach Marburg berufen.

 

Behring war ein genialer Beobachter und ein streng logisch denkender Forscher. Heute lernt jeder Schüler im Biologieunterricht, dass die schädigende Wirkung der Bakterien darauf beruht, dass sie Gifte ausscheiden, die sog Toxine. Diese rufen beim befallenen Menschen oder Tier in der Summe der ausgelösten Erscheinungen das hervor, was wir als Infektionskrankheit bezeichnen. Werden sie beseitigt oder unwirksam gemacht, so gesundet der Organismus wieder. Die Gesundung ist also bei Infektionskrankheiten ein Kampf des Körpers gegen die Bakteriengifte. Wenn man mithin einem Individuum einen Teil seiner überschüssigen Gegengifte abnimmt und ihn zusätzlich einem mit einer Infektionskrankheit schwer ringenden anderen, das an der gleichen Krankheit leidet, zuführt, tut man das gleiche, was ein Feldherr tut, wenn er einer in verzweifeltem Kampf liegenden Division eine frische „aus der Etappe her" zuführt. Dieser Gedankengang muss dem Militärarzt Behring recht nahe gelegen haben, und in der Tat ging er genauso vor. Dabei wandte er sich zunächst gegen den Starrkrampf (Tetanus) und dann gegen die zu seiner Zeit am schlimmsten wütende Seuche, der Jahr für Jahr Hunderttausende von blühenden Kinderleben zum Opfer fielen, gegen die Diphtherie oder — wie man damals sagte — Rachenbräune. Beim Tier hatte Behring das Vorhandensein solcher Gegengifte gegen die Diphtherie festgestellt und auch, dass nach überstandener Diphtherie im Blut erhebliche Mengen von Antitoxinen sozusagen überflüssig und überschüssig vorhanden sind. Hierauf baute er seinen genialen Plan auf. Von wiedergesundeten Tieren nahm er Blut ab und spritzte es schwerkranken ein, und siehe da: sie genasen. Dann ging er weiter und infizierte vorher „geimpfte" Tiere mit Diphtherie. Sie blieben gesund. Damit war eine Großtat geschehen, die seither Millionen von Kindern das Leben gerettet hat. Das Diphtherieheilserum war entdeckt.

 

Natürlich gab es zunächst noch Zweifler. Dann aber begann ein Siegeszug des „Heilserums“ ohnegleichen durch die ganze Welt. Die Sterblichkeit sank von 50 v. H. aller Fälle auf 10 v. H. und noch weniger. Heute kann kaum noch ein Kind an Diphtherie sterben, d. h. wenn die Diagnose nicht zu spät gestellt wird und man die „Impfung“ nicht allzu lange verzögert.

 

1901 erhielt Behring als äußere Anerkennung den medizinischen Nobelpreis. Doch der Tag des 4. Dezember 1890, an dem er seine epochale Arbeit herausbrachte, trug ihm mehr ein als äußere Ehren: Die ewige Dankbarkeit der Menschheit, ihr als wahrer „Retter der Kinder“ ein Geschenk gegeben zu haben, das Millionen vor Leid und Trauer bewahrt hat und weiterhin bewahren wird. Erst 63-jährig starb Behring, einer der größten Wohltäter der Menschheit, im Jahre 1917 mitten im Weltkrieg. Behring hat der deutschen Medizin ein unvergängliches Denkmal gesetzt.

 

Seite 5   Deutscher Ordensstaat an der Weichsel.

Der Deutsche Ritterorden war in Palästina zum Schutze der deutschen Kreuzfahrer und zur Pflege ihrer Kranken und Verwundeten gegründet worden. Er nahm nur Ritter und Geistliche deutscher Herkunft in seine Reihen auf. In allen Teilen Deutschlands wurden ihm Dörfer, Güter und Kapellen übereignet. Ihre Erträge und Einkünfte boten dem Orden die Grundlage für seine großen Unternehmungen im deutschen Osten. Der Thüringer Hermann von Salza war nicht der erste, aber der tüchtigste aller Hochmeister. Er wies dem Orden Ziel und Weg zu weltgeschichtlicher Größe.

 

Zunächst wurde versucht, im Südosten, in Siebenbürgen, Mission zu treiben und die Siedlungen der deutschen Bauern im Burgenland gegen feindliche Angriffe zu schützen. Als die Durchführung dieses Planes an dem Widerstand des ungarischen Königs gescheitert wir, griff der Hochmeister 1226 den Vorschlag des Herzogs von Masovien auf, das Kulmer Land zwischen der Weichsel und der Drewenz gegen die Prußen zu verteidigen, denn die Polen waren nicht imstande, die Prußen, die durch häufige polnische Einfälle aufgebracht waren, von ihren Grenzen fernzuhalten. Der deutsche Kaiser Friedrich II. aus dem Geschlechte der Hohenstaufen sicherte dem Orden seinen Schutz zu, erklärte den Hochmeister zum Reichsfürsten und wies seiner Herrschaft alles Land zu, das er im Kampf für den christlichen Glauben gewinnen würde. Auch die Kurie sparte nicht mit Bezeugungen ihrer Gunst. Sie forderte die Gläubigen zur Kreuzfahrt gegen die Prußen auf.

 

Der Hochmeister verlegte in Erkenntnis der hohen Bedeutung der Weichsellinie das Haupthaus des Ordens, das zuvor kurze Zeit in Venedig gewesen war, im Jahre 1310 nach der Marienburg.

 

Während dieser Zeit war das Gebiet links der Weichsel mehrfach in den Strudel außenpolitischer Auseinandersetzungen hineingezogen worden. Das pomoranische Geschlecht der Fürsten von Danzig förderte die deutsche Einwanderung, die Begründung der deutschen Klöster Oliva 1178 und Zuckau 1209 und die Errichtung der deutschen Marktsiedlung an der Mottlau, aus der um 1240 die Stadt Danzig wurde. Sie wehrten die Angriffe Polens auf ihre Selbständigkeit ab.

 

Der Deutsche Orden brachte 1283 das Gebiet von Mewe in seine Hand. Herzog Przemislav von Großpolen gewann die Erbfolge des letzten kinderlosen Herzogs Mestwin II. Als dieser 1294 starb, begann ein dreizehnjähriger Krieg um Pommerellen. Nach diesem wurde der Orden 1308/1310 tatsächlich und rechtlich der Besitzer Pommerellens. Der deutsche Kaiser und nach langwierigen Prozessen auch der Papst erkannten seine Rechte an.

 

Der weite Raum und die Machtfülle, deren der Orden als Herrscher über das deutsche Neusiedelland sich erfreute, verschafften seiner Staatsgründung europäisches Ansehen. Es wurde verstärkt durch die Bedeutung seiner wichtigsten Handelsstädte Thorn und Kulm, Elbing und Danzig, Braunsberg und Königsberg innerhalb der Deutschen Hanse.

 

Seite 5   Wer in den Orden aufgenommen werden will, hat dem Meister oder seinem Stellvertreter zu bekennen, dass kein Gelübde oder Bindung, nicht Schulden oder Krankheit dem Wunsch entgegenstehen. Dann wird der Neuling dem Orden angelobt und vereidigt. Über den Neuaufgenommenen werden der Schwertsegen, und die Segnung des Ritters gesprochen. Sodann wird er mit dem Schwert umgürtet, indes die versammelten Brüder Psalmen singen und beten. (Aus dem Ordensritual)

 

Seite 5   Der von der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) herausgegebene „Unser Arbeitsbrief" beschäftigt sich in seiner letzten Folge (1/2 - 1947) ausführlich mit „Westpreußen, dem Deutschen Ordensland an der Weichsel". Aus der knappen Geschichtsdarstellung, die von den vorgeschichtlichen Ureinwohnern des Landes über Goten, Prußen, Pomoranen, Aufstieg und Untergang des Ritterordens, das Preußen der Hohenzollern bis zu den jüngsten geschichtlichen Ereignissen führt, haben wir den vorstehenden Abschnitt über Gründung und Ausbreitung des Deutschen Ritterordens entnommen. Die Zusammenstellung streift außerdem das Landschaftsbild Westpreußens und seine ehemalige wirtschaftliche Bedeutung. Zahlreiche Illustrationen ergänzen den Text. „Unser Arbeitsbrief" ist zu beziehen durch den Bücherdienst der DJO, Stuttgart S, Pfizerstraße 8/II.

 

Seite 5   Wappen der Heimat (2 Abbildungen der Wappen)

Allenstein und Bromberg.

 

Seite 6   Interessantes aus der alten Heimat.

III. Von Landwirtschaft und Wetter

Die fruchtbarsten Gegenden Ostpreußens sind die Tilsiter Niederung, das Pregeltal, die Gegend um Trakehnen und das untere Frischintal.

 

In der Ordensritterzeit wurde, was kaum bekannt sein dürfte, in Ostpreußen auch Wein angebaut und gekeltert, in Thorn sogar bis 1684. Wie er allerdings schmeckte, davon schweigen die Chronisten.

 

Nach der wissenschaftlichen Klimaforschung beginnt in Ostpreußen der Frühling zwischen dem 20. und 26. Mai; Ostpreußen hat damit den spätesten Frühling in Deutschland. Wenn am Rhein die Obstbäume blühen, fuhr man in Ostpreußen oft noch Schlitten.

 

Die Heizperiode dauerte bei uns bis zu sieben Monaten, öfter noch etwas länger, im übrigen Deutschland nur bis zu fünf Monaten. Napoleon sagte, als er 1807 in Ostpreußen war, geringschätzig: „Neun Monate Winter und drei Monate keinen Sommer, das nennen die Menschen Vaterland!“ Und der ostpreußische Dreck — also zur Frühjahrszeit —, sagte der große Korse weiter, sei die sechste Großmacht, die ihn im Krieg führen behindere.

 

Arys, bekannt durch seinen riesigen Truppenübungsplatz, war der kälteste Ort der Provinz, und Memel, einst die nördlichste deutsche Stadt, hatte den Ruhm, den längsten Tag in Deutschland mit 17 Stunden und 21 Minuten (um die Johanniszeit) zu haben.

 

Der Zeitunterschied zwischen Tilsit und Köln betrug über eine Stunde, d. h. in Tilsit wurde es früher hell und dafür früher dunkel.

 

Der ostpreußische Sommer ist kurz. Für die Feldarbeit bleiben kaum 153 Tage. Im übrigen Deutschland dagegen etwa 178 Tage und mehr. Aber die Ernten waren trotzdem immer reichlich! (Wird fortgesetzt.)

 

Seite 6   Für unsere Bastelfreunde (mit Abbildungen)

Liebe Bastelfreunde!

Unsere heutige Bastelei müsste man wohl richtiger mit „Spielerei" überschreiben. Aber warum nicht auch mal eine kleine Spielerei? Passt auf, es macht Euch Spaß!

 

Wenn Ihr die kleinen Fische lustig im danebenstehenden Glase schwimmen sehen wollt, so schneidet das Rechteck aus, faltet es an der gestrichelten Linie, so dass sich das linke Bildchen auf der Vorderseite und das rechte auf der Rückseite befindet. Nun zieht Ihr durch die Punkte je einen Zwirnfaden, und nun dreht Ihr die Fäden schnell mit den Fingern umeinander, wie es die Abbildung

zeigt. Ebenso schnell drehen sich dann die Bildchen mit, und plötzlich seht Ihr die Fische in ihrem Glase schwimmen.

 

Wer im Zeichnen etwas Geschick hat und ein bisschen Phantasie, kann sich selbst solche Zauberbilder zeichnen, zum Beispiel ein Vogelbauer und einen Papagei, oder ein Krokodil, das auf der einen Seite das Maul zu, auf der anderen weit offen hat; durch das Drehen entsteht dann ein ständiges Auf- und Zuklappen. Aber mehr will ich Euch nicht sagen. Ihr sollt Euch ja selber was ausdenken. Viel Spaß!

 

Seite 6   Ein König ist nicht mehr als die übrigen.

Worte Friedrich des Großen.

Ich bin mit der Zeit ein gutes Postpferd geworden, lege meine Station zurück und bekümmere mich nicht um Kläffer, die auf der Landstraße bellen.

 

Darum, dass man König ist, ist man nicht mehr wert als die übrigen.

 

Um einen Mann richtig zu beurteilen, muss man sich völlig in die Lage, in der er ist, versetzen.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. (12. Fortsetzung)

So sah es im Sudauerland aus, und darauf baute Unsatrape seinen Plan. Lebt Wolf noch, so befand er sich sicherlich in der Höhle des sudauischen Bären. Mit Heeresmacht einzufallen, um ihn zu befreien, wäre ein unsicheres Unternehmen gewesen. Die Streitkräfte der Struter und des Ordens, die für den sofortigen Angriff bereit standen, waren zu gering, um das Aufgebot der Sudaner in offener Feldschlacht zu bestehen und die Skomandburg im Sturm zu nehmen. Zudem hätte der Gefangene, selbst wenn die Befreier siegreich blieben, den Sieg gewiss nicht überlebt. Ein langes Zögern bedeutete ebenso seinen Tod. Es musste sofort gehandelt werden. So blieb denn nur ein Weg offen: den Feind von allen Seiten anzufallen und ihn zu zwingen, seine Streitmacht zu verzetteln. Dann war es wohl möglich, mit einer Handvoll tollkühner Kerle bei Nacht und Nebel vorzustoßen und Wolf aus seinem Kerker herauszuholen.

 

Lange hatte Unsatrape überlegt, wen er sich als Begleiter für die gefährliche Fahrt erwählen sollte. Jörge zurücklassen, hätte er nicht übers Herz gebracht. Außerdem wusste er, dass er sich auf ihn verlassen konnte, und als Wegkundiger war er unentbehrlich. Gern hätte er sich der Kraft Willims versichert, die es jederzeit mit einem Dutzend von Feinden aufnahm. Aber er fürchtete sein jähes Wesen. Alles konnte verdorben werden, wenn er einen Sudauer vor sich sah und nicht zu halten war. So entschied sich Unsatrape schließlich für Tönnchen, der den anschlägigsten und listenreichsten Kopf besaß, und Leichengraf, der von ihnen allen der kaltblütgiste und gewandteste Kämpfer war.

 

In der nächsten dunklen Nacht brachen die vier auf und erreichten glücklich den heiligen Wald. Dort waren sie in Sicherheit, mehr noch als zuvor Wolf und Wolfson. Denn kein Sudauer hätte es jetzt noch gewagt, das Heiligtum des erzürnten Gottes zu betreten. So ruhten sie tagsüber sorglos in ihrem Versteck. Jede Nacht aber umschlichen sie die Burg Skomands, um eine günstige Gelegenheit zu einem Handstreich zu erspähen.

 

Von allem, was da um seinetwillen geschah, merkte Wolf allein nichts. Als er aus langer Besinnungslosigkeit erwachte, zuckten seine Hände, um nach dem Kopf zu fassen. Der schmerzte gewaltig und war so bleiern schwer, dass er sich nicht heben ließ. Doch die Hände zuckten vergebens, sie waren gefesselt gleich den Füßen. Wolf gab es auf und lag wieder, ohne sich zu regen. Wo war er? Was war mit ihm geschehen? Er versuchte die Lider zu lupfen. Es ging, aber ringsum war dicke Finsternis. Umso heller flutete nun das Licht des Bewusstseins in sein Hirn, und plötzlich stand alles wieder greifbar deutlich vor ihm. Der Tod des Kriwen, der Kampf mit Skomand, die sudauischen Reiter. Dann kam der Keulenschlag, die schwarze Nacht. Und jetzt war er zwar dem Leben zurückgegeben, aber er lag gefangen in einem dunklen Verließ. Sicherlich in Skomands Burg und in seiner Gewalt. Das war nicht viel anders, eher noch schlimmer als der Tod.

 

In den nächsten Tagen öffnete sich an jedem Morgen einmal die Tür, ein, alter Sudauer betrat den Raum und mit ihm drang ein wenig Licht herein. Der Alte betrachtete wortlos den gefangenen Struter und weidete seinen Hass, der ihm aus den Augen sprühte, an dem willkommenen Anblick. Dann setzte er sich neben ihn und begann ihn aus einem Holznapf zu füttern. Brot und Fleischstücke stopfte er ihm in den Mund, dass Wolf schlucken musste, ob er wollte oder nicht. War der Napf leer, so erhob sich der seltsame Wächter und schloss die Tür sorgsam hinter sich zu. Bis zum nächsten Morgen blieb Wolf dann wieder einsam und verlassen in seinem Kerkerloch. Nichts störte ihn in seinen Gedanken, die schwer und düster waren wie die Finsternis, die ihn umgab.

 

Sechs Tage waren so vergangen. Da näherte sich der Schritt des Wächters zu ungewohnter Stunde. Die Tür öffnete sich, und die Flamme einer Kienfackel erfüllte den engen Raum mit rötlichem Schein und beißendem Qualm. Der Wächter beugte sich über den Gefangenen, ein Messer blitzte in seiner Rechten, ein Schnitt, und die Fußfessel war gelöst. Dann brummte er mürrisch vor sich hin: „Auf! Mitkommen!“

 

Wolf erhob sich mit Mühe. Seine Beine waren wie gelähmt und seine Füße ohne Gefühl. Haltlos schwankte er hinter dem Alten einher, eine zweite Tür wurde geöffnet, sie standen auf dem Hof der Burg. Der Struter atmete erlöst die köstliche, frische Nachtluft ein. Sein Blut hub an, wieder rascher zu kreisen, und die Lähmung schwand. Der erste Blick galt den Sternen, es war kurz vor Mitternacht, dann stellte er fest, dass sein Gefängnis sich in einem niederen Turm befand, der in einer Ecke des umwehrten Platzes stand. Er war aus Holz errichtet wie alle Gebäude der Burg, wie auch das Pfahlwerk der Umwallung. In der Mitte des Hofes stand schwarz verschattet unter seinem spitzen Rohrdach das Wohnhaus des Burgherrn. Ihm strebte der Wächter zu, und Wolf folgte.

 

Sie betraten eine geräumige Halle. Spärlich war sie erleuchtet durch den Schein zweier fußlanger dicker Kerzen, die auf zierlich geschnitzten Säulen standen. Doch schien sie reich und behaglich ausgestattet zu sein. An der Kurzseite, der Tür gegenüber, saß in einem hohen Lehnstuhl der Fürst der Sudauer. Aufrecht, ohne Bewegung, nur seine Augen blickten scharf und forschend dem Eintretenden entgegen. Der schritt ruhig durch den Raum und blieb in seiner Mitte stehen. Der Wächter verharrte an der Tür und zog sich lautlos zurück, als ihm sein Herr einen kurzen Befehl zurief.

 

Skomand war mit seinem Gefangenen allein in der Stille des schlafenden Hauses.

 

Er brach sie nicht so bald. Sein Blick bohrte sich in das Auge des Struter, als ob er in seine Seele dringen wollte. Endlich sprach er, freundlich fast, mit gelassener Würde:

 

„Ich freue mich, Wolf, den großen Struter, in meiner Halle zu sehen!“

 

Wolf entgegnete ihm in den gleichen Tone:

 

„Und ich, Fürst Skomand, hätte dich lieber noch einmal vor der Schärfe meines Schwertes gesehen!“

 

„Du bist ehrlich, Wolf. Drum antworte mir: Welch Wahnwitz trieb dich zu unserem Heiligtum?“

 

„Ich wollte dich erschlagen, Fürst Skomand, um die Christenheit von ihrer ärgsten Geißel zu befreien!“

 

„So bin ich dir also nicht mehr als ein Raubtier, das man beschleicht und tötet. Warum tatest du es nicht? Warum warfst du den Spieß fort, der mich so leicht von hinten durchbohren konnte?“

 

„Das tat ich nicht um dich, sondern um meinetwillen. Ich bin ein Kriegsmann und kein Meuchelmörder.“

 

„Du trachtest nach meinem Leben und wirst es mit deinem Leben bezahlen“.

 

„Ich kämpfe für meinen Gott und mein Volk. Ich weiß auch für sie zu sterben“.

 

„Die Zahl meiner Jahre ist fast doppelt so groß wie die deinige. Und doch kenne ich nichts anderes als Krieg, Tod, Jammer und Tränen. Für wen ich litt, Wolf? Für wen kämpfte ich? Antworte mir!“

 

„Auch du kämpftest für dein Volk, Fürst Skomand. Aber uns leitet der alleinige Gott, der die große, aufbauende Liebe ist. Euch hingegen verführt ein Zerrbild euer selbst, eine Spottgeburt eures dunklen Geistes. Auch ihr heißt sie Götter. Doch ermangeln sie des Himmelslichtes und lehren euch den zerstörenden Hass!“

 

Über das Antlitz Skomands zuckte es wie ein Wetterleuchten. Zum ersten Male während dieses Gesprächs verriet er, wie zutiefst es ihn erregte. Grollend klang seine Stimme, als er dem Struter erwiderte: „Ha! Da kommst auch du mit eurem Gott der Liebe! Heißet ihr das seine Botschaft verkünden, wenn ihr wie Wölfe in unser friedliches Land einbrecht, wenn Mord und Brand euren Weg blutrot zeichnen, Jammer und Wehklagen unschuldiger Menschen den Himmel erfüllen? Wer rief euch? Wir nicht. Wer gab euch das Recht, dass ihr wie Räuber über uns kommt? Gott? Ein seltsamer Gott! Und ihn nennst du die große Liebe?“

 

Wolf hatte zugehört ohne eine Bewegung des Widerspruchs. Wie oft hatte er dieses und ähnliches gehört. Wie oft hatte er sich gemüht, eine rechte Antwort zu geben. Sie war schwer, wo Falsches mit Wahrem, Schein mit Wirklichkeit so unlösbar verstrickt war. Das hatte ihn immer wieder mutlos und traurig gemacht. Darum begnügte er sich auch jetzt mit einer kurzen Antwort: „Auch wir sind unvollkommene, fehlende Menschen. Doch darfst du den Meister nicht mit seinem Werkzeug verwechseln. Es gibt nur einen Gott, Fürst Skomand! Glaube an ihn, und du und dein Volk, ihr seid des Heils gewiss!“

 

Skomand stieß ein knurrendes, verächtliches Lachen hervor: „Ich ... glauben .... an den, in dessen Namen mein Volk gemordet wird? Niemals!“

 

„Ich beklage dich, Skomand. Gedenke des Kriwen, den das himmlische Feuer erschlug. Auch du wirst dem Strafgericht Gottes nicht entgehen!“

 

„Den Priester traf der Zorn Perkunos, weil sein Heiligtum geschändet war. Geschändet durch dich! Darum wirst du, ihn zu versöhnen, den Flammentod sterben!“

 

„Der Wille des Herrn wird geschehen!“

 

Der Fürst schwieg. Er hatte die Augen gesenkt und starrte versonnen zu Boden. Fast schien es, als hätte er seinen Gefangenen vergessen. Dann hob er plötzlich seinen Blick und sprach mit leiser Stimme und doch jedes Wort betonend: „Ich will dein Leben retten, Wolf!“

 

Der Struter antwortete nicht, aber aus seinen Augen sprachen Überraschung und gespannte Erwartung.

 

Der Fürst fuhr fort: „Ich bin des Kämpfes müde. Es ist genug der Greul und des Blutes. Die preußische Erde lechzt nach Frieden, nach der stillen Arbeit des Bauern, nach Saat und Ernte. Darum wirst du dich zum Landmeister begeben und ihm in meinem Namen sagen: Skomand bietet dem Orden den Frieden! Jeder behält sein Land wie es ist, in Freiheit und nach gleichem Recht. Willst du die Botschaft übernehmen?"

 

„Gern will ich sie übernehmen", entgegnete Wolf. „Doch wisse schon jetzt, Fürst Skomand, dass der Orden deine Unterwerfung und deine wie deines Volkes Taufe fordern wird“.

 

„So wirst du den Landmeister überzeugen, dass er davon absteht“.

 

„Das werde ich nicht tun!“

„Und warum nicht?"

„Weil ich die Forderung für recht und billig halte“.

 

Skomands Blick flammte in Zorn auf. Aber er beherrschte sich noch einmal und sprach ruhig wie zuvor: „Du hast dich mir gegenüber als ehrlicher Feind erwiesen, Wolf. Das allein erklärt dir meine Langmut. So will ich noch ein Übriges für dich tun. Ich gebe dir drei Tage Bedenkzeit. Dann will ich dich noch einmal fragen, ob du mein Angebot vor dem Landmeister vertreten willst oder nicht. Bedenke, dass in deiner Antwort Leben oder Tod für dich umschlossen sein wird!“

 

Der Fürst klatschte in die Hände, und sofort erschien der alte Wächter in der Tür.

 

„Führe ihn zurück“.

 

Der Struter verneigte sich schweigend und folgte dem Wächter. Skomand saß noch lange regungslos in seinem hohen Lehnstuhl. Es schien, als ob er schliefe. Und doch arbeitete es hinter seiner Stirn rastlos und verscheuchte den Schlummer bis in den hellen Morgen hinein.

 

Wolf war auf den Hof hinausgetreten, dicht gefolgt von seinem grimmigen Wächter. Der Mond war aufgegangen und guckte gerade über die Umwehrung hinweg. Ein unsicheres, nebelhaftes Licht schwamm über den Raum des Hofes, und der Turm warf einen tiefen schwarzen Schatten. Wolf schritt auf ihn zu. Als er sich der Tür seines Kerkers näherte, glaubte er eine dunkle Gestalt zu erblicken, die sich an den starken Eckstamm des Turmes presste. Auch der Wächter hatte sie bemerkt und blieb stehen.

 

„Bist du da, Torwart?“ fragte er. „Ja!" klang es auf sudauisch zurück.

 

Der Wächter horchte der Stimme nach, als ob sie ihm irgendwie fremd vorkäme. Er schob sich neben den Gefangenen, den Kopf vorgestreckt, um mit misstrauischen Augen das Dunkel zu durchdringen. Da löste sich die Gestalt von der Wand, es sauste durch die Luft, ein dumpfer Schlag, und der Alte brach zusammen. Wolf hatte sich zur Seite geworfen, weil er wähnte, der Schlag gelte ihm. Aber sogleich fühlte er seine Arme mit hartem Griff gepackt, eine Hand tastete nach seiner Fessel. Ein Messer knirschte durch das Leder des Riemens, er war frei.

 

„Komm!“ flüsterte Leichengraf an seinem Ohr. Wolf folgte ohne Zögern seinem Befreier, der ihn geräuschlos um den Turm herum und den Wall hinaufzog, dort wo das Pfahlwerk an den Turm stieß. Unsatrape stand da in dem schwarzen Schatten. Er fasste zu, Wolf wurde hochgehoben und glitt an der anderen Seite der Umwehrung hinab. Tönnchen und Wolfson fingen ihn auf. Fortsetzung folgt

 

Seite 7   Der verlassene Garten – Heimat in Lied und Dichtung. Ostdeutscher Kulturabend von überdurchschnittlichem Niveau in Herne. (Foto: Eberhard Gieseler)

Wenn trotz einer Fülle karnevalistischer Veranstaltungen der ostdeutsche Kulturabend „Der verlassene Garten — ostdeutsche Heimat in Text und Lied“ in der Aula des Herner Pestalozzi-Gymnasiums am Sonntag, 10. Februar 1957, einen derart ausgezeichneten Besuch aufwies, so ist das immerhin bemerkenswert. Zu diesem guten Besuch trug erheblich bei, dass der Sprecher des Abends, der ehemalige Königsberger Intendant Eberhard Gieseler — jetzt Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz — vielen Hernern von früheren Veranstaltungen her als hochbegabter Rezitator in bester Erinnerung ist. Gieseler schilderte den deutschen Osten als ein Paradies, das Millionen Deutsche verlassen mussten.

 

Da wir im Eichendorff-Jahr leben, war es eine Selbstverständlichkeit, dass zunächst dieser große Romantiker aus Schlesien, der aber auch Ost- und Westpreußen und Danzig in seiner Tätigkeit als Regierungs- und Schulrat kennenlernte, zu Wort kam. Der Ostvertriebenen-Chor Herne unter Leitung von Chormeister Otto Weber gab die Einstimmung in den lyrischen Teil mit „Danzig" (Dunkle Giebel) und „Morgengebet“ (O wunderbares, tiefes Schweigen), beides Eichendorfftexte. Mit bewundernswerter Einfühlsamkeit trug Gieseler lyrische Gedichte von Eichendorff und Agnes Miegel vor, in denen der „stille, gute Klang“ so spürbar wurde, dass es eigentlich kaum der erläuternden Worte Gieselers bedurft hätte.

 

Im zweiten Teil leitete der Chor mit seinen Liedern „Gruß in die Ferne" von Hayduk im Satz von Gerh. Strecke und „Morgenlied" von Walter Scheffler im Satz von Herbert Brust über zu den Prosadichtungen und Erzählungen. Hierbei bewies Gieseler außer seiner außerordentlichen sprachlichen Ausdrucksfähigkeit noch eine gute Portion mimischen Geschicks. Nach einem kleinen Ausschnitt aus Stofters „Tal von Oberplaun“ folgte das Vorwort aus Kolbenheyers Paracelsustrilogie „Einaug und Bettler“, eine Betrachtung über das Germanen- und Christentum, bei der der faustische Mensch im Licht von Humanismus und Reformation gezeigt wird. Darauf folgten ein Ausschnitt aus Ernst Wiecherts „Jerominkindern" und die Kranicherzählung aus „Wälder und Menschen" — sprachlich und im Gehalt unendlich feinfühlig geformt. Gieseler beschloss diesen zweiten Teil des Abends mit Arnold Ulitz‘ „Rübezahls letztem Märchen“.

 

Im dritten Teil brachte Gieseler Balladen. Sie wurden eingeleitet durch den Chor mit Gutberlets „Feuerspruch“ und dem von Joh. Friedrich Reichardt vertonten Goethetext „Beherzigung“, dessen … rufet die Arme der Götter herbei!“ eine prachtvolle Überleitung zu den „Nibelungen“ von Agnes Miegel bildete. In dieser und anderen Miegelschen Balladen („über die Weichsel drüben", „Kynstudt", „Henning Schindekopf") kam Gieselers Kunst noch einmal voll zur Entfaltung. Nach Eichendorffs Sterbemonolog Heinrich von Plauens „Der letzte Held von Marienburg“ beschloss Gieseler seinen Vortrag mit dem „Aufblick“ aus Agnes Miegels „Mein Bernsteinland und meine Stadt“.

 

Die ausgezeichnete Leistung des Ostvertriebenen-Chores gab den ausgesucht guten Rezitationen Gieselers einen würdigen Rahmen ….

 

Auf ausdrücklichen Wunsch wurde während der ganzen Veranstaltung kein Beifall gegeben. So wurde der Abend zu einem seltenen Erlebnis, das in allen Besuchern lange nachhallen wird. M. J.

 

Seite 7   „Sie werden aus Allenstein verlange“. Telefonische Unterredung Allenstein-Berlin / Schickt Medikamente.

Vor etlichen Wochen war Frau W., eine Deutsche, die unbeirrt noch immer auf ihrer Scholle im heutigen „Olstzyn" verharrt, zu Besuch bei ihren Angehörigen in Westberlin. Dass sie diesen Aufenthalt benutzte, mit ihren hiesigen Landsleuten zusammenzukommen, lag auf der Hand. Damit war sie auch Gast der Landsmannschaft und der Kreisführung Allenstein, wie auch deren Vorsitzenden, Landsmann K., bei dessen Verabschiedung sie außer Grüßen auch die Telefonnummer ihres Landsmannes für sich notierte. „Vielleicht braucht man sie einmal“.

 

Und Frau W. brauchte sie tatsächlich in diesen Tagen.

 

Letzten Sonntagmorgen 8 Uhr läutete das Telefon in der Wohnung des Landsmannes K. in Westberlin. Das Postfernamt meldete: „Sie werden aus Allenstein verlangt. Das Gespräch ist im Laufe des heutigen Tages bis gegen 24 Uhr zu erwarten. Halten Sie sich bitte zur Verfügung“. — „Aus Allenstein?“ — „Ja, aus Allenstein in Ostpreußen“. — „Gibt es dorthin denn überhaupt eine telefonische Verbindung?" — „Halten Sie sich bitte zur Verfügung“.

 

Und Landsmann K. wartete; 12 Uhr — 15 Uhr — 18 Uhr — 20 Uhr. Dann monierte er und erfuhr, dass das Gespräch soeben in Frankfurt/Oder vorangemeldet worden war. Noch einmal zehn Minuten, und Landsmann K. in Westberlin sprach mit Frau W. in Allenstein.

 

„Wir brauchen dringend ein Medikament für eines unserer schwer erkrankten deutschen Kinder. Schickt es uns!"

 

Es ist kaum hinzuzufügen, dass das gewünschte Heilmittel bereits eine Stunde danach auf dem Marsch nach Allenstein war.

 

Aber darüber hinaus unterhielten sich die beiden Gesprächspartner noch volle sieben Minuten. Weder Zeit noch Inhalt des Gespräches wurden weder beanstandet noch einer besonderen Aufsicht unterzogen. Es schien dem Berliner Landsmann nur, als ob um Frau W. in Allenstein ein ganzer Kreis deutscher Frauen versammelt war, die immer wieder Grüße an die Allensteiner in Berlin ins Telefon riefen und in hellem Jubel waren, dass es die Polen ermöglichten, auf fernmündlichem Wege einen Grußaustausch miteinander zu pflegen — über 500 km hinweg, trotz Eisernem Vorhang und allem Trennendem, das Zonen und Grenzen aufwerfen können.

 

Von Ost- nach Westberlin telefonisch zu sprechen, ist unmöglich. Von der Alle zur Spree verständigten sich Brüder und Schwestern. Fassen wir das gute Omen dafür auf, dass, wo ein Wille ist, auch Wege gefunden werden können, zusammenklingen zu lassen, was zusammenklingen will und zueinander gehört. Wgr

 

Seite 7   400 Gramm Brot und ein Teller Suppe. Für zusätzliches Obst gab es fünf Jahre Zwangsarbeit.

Ein Dutzend halbreife Äpfel wurden ihr zum Verhängnis. Es war einige Jahre nach dem Kriege in Pr. Eylau, wo die ehemalige Wirtschafterin aus Königsberg, Elsa Ratuschny, wegen dieser zwölf Äpfel zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, abzubüßen in Sibirien. Als im Frühjahr 1945 die Russen nach Ostpreußen kamen, konnte Elsa Ratuschny nicht schnell genug entkommen, die Russen trieben sie mit vielen anderen zusammen vor sich her nach Pr. Eylau und brachten sie in ein Lager. Sie wurden alle in der Landwirtschaft und zu Aufräumungsarbeiten eingesetzt. Dafür erhielt jede Frau 400 Gramm Brot und einen Teller warme Suppe am Tage. Es blieb nicht aus, dass viele schwer erkrankten; Elsa Ratuschny konnte die Zeit einigermaßen überstehen. Aber dann eines Tages wollte sie dem ewigen Hunger mit den zwölf Äpfeln begegnen, die sie sich nahm. Man ertappte sie jedoch und verurteilte sie zu Zwangsarbeit. Mit anderen Frauen zusammen — es waren Deutsche und Russinnen — musste sie in einem Lager im Uralgebiet schwer arbeiten.

 

Als sie nach fünf Jahren ihre harte Strafe abgebüßt hatte, wurde sie zwar entlassen, hatte aber keine Möglichkeit, auch wieder in die Heimat zurückzufahren. In den Jahren im Ural konnte sie auch nichts darüber erfahren, wie es dort aussah und wie es den Bekannten und Verwandten erging. Sie erhielt keine Nachricht und durfte auch nicht versuchen, Kontakt mit jemand zu bekommen. Das einzige, was sie noch vor ihrer Verurteilung erfahren hatte, war, dass der Vater nicht mehr lebte. Vor drei Jahren erst kam Elsa Ratuschny in den Besitz zweier Adressen, die sie interessierten: des Roten Kreuzes und der Botschaft der Sowjetzone. Nun beantragte sie ihre Rückführung nach Deutschland, schrieb und schrieb, erhielt aber keine Antwort, bis schließlich vor gerade einem Jahre die Bestätigung kam, dass ihr Antrag vorgemerkt sei. Drei Passbilder und fünf Rubel schickte sie wunschgemäß ein und wartete weiter. Wieder schrieb sie, schrieb und hörte nicht. Eines Tages dann dauerte es ihr zu lange. Elsa Ratuschny begab sich selber im November auf die Reise nach Moskau, langte nach einer Bahnfahrt von vier Tagen dort an und bekam auch wirklich Anfang Januar einen Pass. Bald darauf konnte sie in Richtung Berlin Weiterreisen, musste dort noch zwei Wochen warten und trat dann die letzte Etappe ihrer langen Heimkehr an. Nun ist sie bei ihrer Schwester Emma in Bützfleth bei Stade.

 

Seite 7   Keine Not — aber doch ein schweres Schicksal.

Fast alle Landsleute, die jetzt aus Ostpreußen kommen, berichten traurige und erschütternde Begebenheiten, erzählen von Not und Leid, die sie erdulden mussten. Und es klingt dann sehr wundersam, wenn eine Frau mit Kindern kommt und sagt, dass sie keine große Not zu leiden brauchte. Man atmet erleichtert auf und ist mit diesen Menschen froh, dass sie die bitteren Nachkriegsjahre wenigstens einigermaßen überstehen konnten.

 

Schließlich ist Frau Milewskis Schicksal trotzdem nicht gerade angenehm gewesen: Seit dem Dezember 1944 hatte sie ihren Mann nicht mehr gesehen und ihre beiden Kinder — jetzt sind sie 15 und 13 Jahre alt — wuchsen ohne den Vater auf. Sie wohnten in Widminnen im Kreise Lötzen, zusammen mit Frau Elfriede Milewskis Eltern. Ihre Mutter ist inzwischen gestorben, der Vater gelangte mit einem Transport nach Frankfurt am Main zu einer anderen Tochter. Selbstverständlich musste Frau Milewski arbeiten, um sich und die Kinder durchzubringen, zuerst bei einem Tierarzt, dann als Amtsangestellte. Der deutsche Arbeiter, das bestätigte sie, sei bei den Polen sehr beliebt, und die Polen sagten oft zu den Deutschen, sie sollen doch ihre Angehörigen auch dorthin holen. Seit dem letzten Regierungswechsel ist für die Deutschen das religiöse Leben auch freier geworden.

 

Für die Kinder wird es noch manches zu lernen und nachzuholen geben, denn bisher konnten sie nur die polnische Schule besuchen. Aber das wird auch noch zu überwinden sein. Die Hauptsache ist doch, dass sie nun bei ihrem Vater sind, der sie aus Friedland abholen und dank der Hilfe der Gemeinde Erpen bei Osnabrück, des Wohnungsamtes und des Landesforstmeisters in ein Heim führen konnte.

 

Seite 7   Eigentumsrecht bleibt erhalten.

Ein Spätaussiedler aus Hohenstein in Ostpreußen, der Mitte Februar mit 340 Aussiedlern aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten im Grenzdurchgangslager Friedland eintraf, berichtete von einer bedeutsamen Entscheidung des Osteroder Landratsamtes. Wie er mitteilte, durfte er für sein zurückgelassenes Haus einen Verwalter einsetzen, wodurch ihm das Eigentumsrecht an dem Haus erhalten blieb.

 

Seite 7   Ein Spaziergang durch Land und Geschichte. In Berlin entsteht die Lehrschau „Deutschland in einer Hand“.

Es wird nicht mehr lange dauern, und man kann, wenn man Berlin einen Besuch abstattet, zugleich durch ganz Deutschland spazieren gehen. Mit Muße wird man von der Ostsee zu den Alpen pilgern und die Vielfältigkeit der deutschen Landschaften mit ihrem Wechsel von Höhen und Tälern, von Flüssen, Feldern und Wäldern betrachten. Und alles das, was der Mensch im Laufe der Jahrhunderte in sein Land hineingebaut hat, wird sich dem Beschauer darbieten: Dörfer, Städte, Burgen, Fabriken, Häfen und Fernsehtürme.

 

„Deutschland in einer Hand" wird diese Schau heißen, die auf einer 50 000 Quadratmeter großen Fläche in der Berliner Hasenheide entsteht. Das Gelände stellte das Bezirksparlament Neukölln zur Verfügung, und die Arbeit wird in der Hauptsache von der Jugend geleistet werden; das Vorhaben steht unter dem Motto „Jugend plant und baut". Im Maßstab 1 : 50 werden die Bauten hergestellt und so in das Deutschlandmodell eingesetzt, wie es dem wirklichen Bilde unserer Heimat entspricht. Dieser großartige Überblick über die deutschen Lande wird Zusammenhänge deutlich machen, die wir sonst nicht so ohne weiteres sehen können. Einprägsam und anschaulich wird zu verfolgen sein, wie sich die Siedlungsformen entwickelten, wie Wirtschaft und Industrie mit Lage und Bodenbeschaffenheit verbunden sind, wie Kunst und Architektur der verschiedenen Epochen Ausdruck fanden.

 

Nicht zuletzt soll diese Anlage die besondere Rolle Deutschlands verdeutlichen, die ihm auf Grund seiner geographischen Lage in Vergangenheit und Gegenwart zugeteilt wurde. Die alten Handelswege werden daher teilweise eingetragen. Das ganze Werk wird ein vielseitiger Abriss unserer Landschafts- und Erscheinungsformen sein, der sich nicht auf den gegenwärtigen Stand beschränkt, sondern die gesamte Entwicklung bis in unsere Tage wiedergibt. Daher wird es nicht nur für die Kinder, die jetzt daran arbeiten, lehrreich sein, sondern jedem Besucher Kenntnisse und Erkenntnisse vermitteln, gleich, ob er sein Vaterland in allen seinen Teilen kennt oder ob er nur mit einem Fleckchen davon vertraut ist.

 

Die Holländer haben vor einigen Jahren eine kleine Stadt gebaut, die sie Madurodam nannten. Sie spiegelt das Gesamtbild des Landes wider und erfreut sich großer Beliebtheit bei Jung und Alt. Madurodam hat die Berliner zum Bau des Modells in der Hasenheide angeregt, und es ist anzunehmen, dass „Deutschland in einer Hand" sehr schnell das Ziel vieler Besucher werden wird. Es gibt schon seit langem Karten der Länder und Städte, die den Eindruck vermitteln, man fliege über die Gegend, denn es sind richtige Häuser eingezeichnet, die berühmtesten Bauten naturgetreu abgebildet, und das Vieh läuft auf der Weide. Man betrachtete sie immer mit viel Vergnügen und liebte sie sehr. Wie schön wird es da erst sein, das Berliner Modell zu durchstreifen und die Bauten von allen Seiten betrachten zu können.

 

Und noch etwas: „Deutschland in einer Hand" heißt die Schau und niemand wird es dem Besucher verwehren, den Ostharz zu besuchen, den Breslauer Dom zu besichtigen und zur Königsberger Universität zu gehen. Kein „Eiserner Vorhang" und keine Oder-Neiße-Linie können Gesicht und Geschichte des deutschen Ostens verbergen. Die Marienburg und das Danziger Krantor zeugen vom Deutschtum wie der Kölner Dom und die Münchener Frauenkirche. Von den Leistungen deutscher Menschen sprechen die ostdeutschen Bürgerbauten gleichermaßen wie die west- und süddeutschen. Und das Abstimmungsdenkmal in Allenstein und der Annaberg künden von der Haltung der ostdeutschen Menschen und ihrem Bekenntnis zu Deutschland.

 

Seite 7   Ein Brief - der 12 Jahre lief. Mitgeteilt von Vizeadmiral a. D. Herbert Straehler, Timmendorferstrand.

Nach 12-jähriger Irrfahrt traf unlängst bei mir ein Kriegsgefangenenbericht vom 10. September 1944 aus dem P.O.D.-Camp Dehra-Dun, Britischindien, ein. Der Brief war nach Zoppot/Danzig, meinem letzten Standort im zweiten Weltkriege, gerichtet und wurde nach langen Irrfahrten mir jetzt durch die Heimatortskartei für Danzig/Westpreußen Lübeck zugeschickt.

 

Mit dem Schreiber des Briefes, meinem ehemaligen treuen Burschen in Tsingtau 1914, dem Obermatrosenartilleristen Hans Passon, hatte ich stets in brieflicher Verbindung gestanden. Nach der Einnahme Tsingtaus durch die Japaner am 7. November 1914 waren wir zusammen in das Kriegsgefangenenlager Fukuoka Kiushiu gekommen. Bei meiner Flucht aus diesem Lager, November 1915, verschleierte Passon mein Fehlen bei den nächtlichen Kontrollen, indem er sich in mein Bett legte, so lange, bis ich Japan glücklich verlassen hatte.

 

Nach Beendigung des ersten Weltkrieges blieb Passau — wie manch anderer Tsingtauer — in Niederländisch-Indien. Dort geriet er im zweiten Weltkriege in Gefangenschaft und kam nach Britisch-Indien ins Lager Dehra-Dun. Seine Frau gelangte nach Japan, wohin ich ihr über das deutsche Auswärtige Amt Nachricht über den Aufenthalt ihres Mannes übermitteln konnte. Erst jetzt konnte ich aus dem Brief vom 10.09.1944 erfahren, dass diese Übermittlung geklappt hatte. „Von meiner Frau sind inzwischen zwei Telegramme eingelaufen. Auch ihr geht es gut, soweit sie sich im Rahmen der heutigen Fernostzustände in die asiatische Mentalität einzuleben versteht", schreibt Passon unter anderem.

 

Durch die Wirren des Kriegsendes riss die Verbindung mit Passon ab, bis jetzt eine Spur nach der Insel Norderney auftauchte. Von dort erhielt ich die traurige Nachricht, dass Hans Passon Februar 1954 verstorben ist. 1953 war ich ahnungslos auf Norderney gewesen. Mit mir werden alle alten Kameraden der R 5, Matrosenartillerie-Abt. Kiautschon, Tsingtau, Syfang-Lager, Hans Passon ein treues Andenken bewahren.

(Aus „Leinen los!" Monatszeitung für den deutschen Seegedanken, München.)

 

Seite 7   Mutig und furchtlos. Ein Schwerverletzter wurde Dompteur.

Auf dem Treck aus Westpreußen gegen Ende des letzten Krieges verlor Waldemar Keppler den rechten Arm und beide Beine. Er ist jetzt 23 Jahre alt und inzwischen — man kann es kaum glauben — Dompteur geworden. Ausgerechnet Leoparden und Pumas hat er sich zur Dressur ausgesucht, und die Wildesten unter ihnen werden die Zahmsten. So wurde Banko, der sechs Monate alte Leopard, zur Hauptattraktion von Kepplers Dressur. Banko war anfangs nicht zu bändigen und brach eines Tages aus. Nita, der große Bernhardiner des Zirkus, suchte und fand Banko und trieb ihn laut bellend vor sich her, damit er festgenommen und wieder eingesperrt werden konnte. Waldemar Keppler hat in wenigen Monaten ein zahmes, liebebedürftiges Tier aus dem jungen Leoparden gemacht, das auf Kommando allerlei Kunststücke vorführt. Waldemars Vater erwarb das ganz junge Tier in Algerien von einem Eingeborenen und schickte es auf die Luftreise nach Deutschland. Bald wird es mit seinem Dompteur und einer Partnerin auf Tournee gehen, die durch die Bundesrepublik führen wird.

 

Seite 7   Aus Ost und West kamen sie wieder zusammen.

Helmut Müller gehörte zur Kriegsmarine und diente auf den Kreuzern „Emden" und „Prinz Eugen", bis er in französische Kriegsgefangenschaft geriet und so im September 1945 nach Frankreich kam. Gelernt hatte er früher das Tischlerhandwerk, seit fünf Jahren jedoch arbeitete er im Departement Allier als Malervorarbeiter bei einem sehr großen Unternehmen. Er lernte Land und Leute kennen, denn er kam viel herum. Aber seit dem Frühjahr 1944 hatte er seine Frau nicht mehr gesehen, und sein Töchterlein Angelika kannte er überhaupt noch nicht. Sie waren in Danzig geblieben, in der alten Heimat. Anfang dieses Jahres trafen sie in Jeddeloh I in Oldenburg ein. Als Helmut Müller davon erfuhr, ordnete er sogleich seine Angelegenheiten und verließ Frankreich, um zu seiner Frau und zu seiner 13-jährigen Tochter zu eilen. Die Wiedersehensfreude ließ alle drei Kummer und Not der vergangenen Jahre der Trennung vergessen und machte aus ihnen die glücklichsten Menschen der Welt.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg, Osdorf, Blomkamp 51, unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit. das Schicksal der Vermissten aufzuklären

 

Aus Allenstein, Dragoner-Kaserne, wird Karin Rogalla, geboren am 30. Januar 1943 in Allenstein, gesucht von ihrem Vater Bruno Rosalla, geboren am 2. September 1907.

 

Aus Allenstein, Hohensteinerstraße 31, werden Brigitte Grzeski, geboren am 31. August 1941 und Gertraud Grzeski, geboren am 24. August 1937, gesucht von ihrem Vater Otto Grzeski, geboren am 8. September 1910 in Allenstein. Der ältere Bruder Siegfried Grzeski wird auch nach gesucht.

 

Aus Allenstein, Ferdinand-Schulz-Straße 3, wird Ursula Schreckling, geboren am 1. März 1941 in Allenstein, gesucht von ihrem Vater Kurt Schreckling, geboren am 30. August 1915.

 

Aus Argemünde. Kreis Elchniederung, werden Veronika Conrad, geboren am 20. März 1940, sowie ihre beiden älteren Brüder Heinz Conrad und Horst Conrad, gesucht von ihrem Vater Paul Conrad, geboren am 2. Dezember 1900 in Argemünde. Die Kinder sollen nach dem Tode ihrer Mutter — im Herbst 1946 — nach Litauen gekommen sein.

 

Aus Ellernbruch, Kreis Gerdauen, wird Karl-Heinz Deske, geboren etwa 1944 in Abbarzen, gesucht von seiner Tante Auguste Müller, geborene Deske. Karl-Heinz Deske ist noch 1949 mit seinen Geschwistern: Helga Deske, Brunhilde Deske, Siegfried Deske und Ruth Deske in Litauen gesehen worden.

 

Aus Georgenfelde, Kreis Gerdauen, wird Sigmar Will, geboren etwa 1939 in Georgenfelde, gesucht von seinem Großvater August Will geboren am 18. Dezember 1879. Die Mutter Erna Will, geborene Rautenberg, die auch noch gesucht wird, war noch 1947 mit ihrem Sohn Sigmar in Gerdauen zusammen.

 

Aus Godrienen bei Königsberg wird Werner Grunenberg, geboren am 28. September 1943 in Königsberg, gesucht von seinem Vater Alois Grunenberg, geboren am 16. Januar 1915. Der Junge ging mit seiner Mutter Erna Grunenberg im Februar 1945 von Königsberg aus auf die Flucht. Ende März 1945 befanden sie sich in Zimmerbude. Die Mutter wurde hier schwer verwundet und verstarb. Eine unbekannte Frau soll von Zimmerbude aus sich des Knaben Werner Grunenberg angenommen und weiter mit auf die Flucht genommen haben. Welche Frau nahm sich des elternlosen Knaben an?

 

Aus Groß-Skirlack, Kreis Angerapp, bei Frau Gesorski, wird Fritz Johann Sunkel, geboren am 7. November 1942 in Insterburg, gesucht von Auguste Kreutzberger verwitwete Sunkel, geboren am 28. November 1888 in Mindwiese/Ostpreußen.

 

Aus Guttstadt, Kreis Heilsberg, Aller-Allee B. Straße, wird Gerhard Thiedig, geboren am 19. Oktober 1940, gesucht von seiner Großmutter Maria Gräber geborene Lobert, geboren am 17. Januar 1892 in Scharnick/Ostpreußen. Die Mutter: Martha Thiedig, geboren am 17. September 1913, und der ältere Bruder Horst Thiedig, geboren am 15. August 1933, werden auch noch gesucht.

 

Aus Insterburg, Königsberger Straße, wird Heide Jehrmann, geboren etwa 1943 in Insterburg, gesucht von Albert Schwarzkopf, geboren am 20. Mai 1888. Beim Kind befand sich die Mutter Erna Jehrmann, geborene Piepereit, geboren etwa 1918 in Insterburg, die ebenfalls noch gesucht wird.

Aus Königsberg, Tannenallee 6, wird Ingrid Ritter, geboren am 2. Februar 1941, gesucht von ihrem Vater Albert Ritter, geboren am 18. Dezember 1904. Ingrid Ritter soll im Februar 1945 mit einer alten Dame und einem Baby auf einem russischen Lastwagen fortgefahren sein. Die Mutter und der Bruder Manfred Ritter mussten seinerzeit zurückbleiben.

 

Aus Königsberg-Juditten, Juditter Allee 3, wird Wolfgang Kurkowski, geboren am 23. Januar 1941, gesucht von seinem Vater Erich Kurkowski, geboren am 13. September 1903 in Metgethen/ Ostpreußen. Die Mutter Elisabeth Kurkowski, geborene Bordiert, sowie die Geschwister Elly Kurkowski und Lothar Kurkowski, werden ebenfalls noch gesucht. Die Mutter Elisabeth Kurkowski befand sich am 13. März 1945 mit ihren Kindern an Bord des Dampfers „Andrass". Dieser wurde beim Einlaufen in Swinemünde bombardiert und soll gesunken sein. Ein Teil der Passagiere wurde gerettet.

 

Aus Königsberg-Liep, Aussigerweg 31, oder Notunterkunft im Schrebergarten „Braune Erde". Nachtigallenweg 17, wird Veronika-Elisabeth Jandt, geboren am 14. Januar 1942 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Erich Jandt, geboren 28. November 1921. Das Kind Veronika Jandt befand sich mit seiner Großmutter Helene Jandt, geborene Minnuth, im Hospital Yorckstraße in Königsberg. Die letzte Nachricht erhielt der suchende Vater von seiner Tochter und seiner Mutter im Oktober 1946.

 

Aus Mohrungen wird Heinz-Günther Bock, geboren am 19. Juli 1939 in Insterburg, gesucht von Lotte Rolfs, verwitwete Raffka, geborene Bock, geboren am 23. Mai 1914 in Insterburg.

 

Aus Schustern, Kreis Tilsit, wird Heidemarie Haltner, geboren am 31. Juli 1940 gesucht von ihrem Vater Max Haltner, geboren am 31. Oktober 1912. Die Mutter des Kindes kam am 26. März 1945 in Danzig-Heubude, Hundegasse 91, bei einem Luftangriff ums Leben, während das Kind von einem deutschen Soldaten gerettet wurde. Das Kind war bekleidet mit einem weißen Pullover mit roten Streifen auf der Brust und einer weißen Gamaschenhose aus Schafwolle.

 

Aus Wöterkeim, Kreis Bartenstein, wird Renate Holstein, geboren am 31. Juli 1940, gesucht von ihrer Schwester Waltraut Holstein. Renate Holstein kam 1945 in das Waisenhaus Schippenbeil/Ostpreußen.

 

Aus Trutenau, Kreis Königsberg, wird Horst Rex, geboren am 30. Mai 1941 in Trutenau, Kreis Königsberg, gesucht von seiner Schwester Maria König, geborene Rex, geboren am 4. Juli 1928. Die Eltern: Aloysius Rex, geboren am 21. März 1893 in Porwangen Kreis Rössel, und Cäcilie Rex, geborene Schwark, geboren am 20. November 1905 in Plausen, sowie die Geschwister: Hans Rex, geboren am 10. Dezember 1931 in Trutenau und Hildegard Rex, geboren am 30. September 1930 in Trutenau, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Seite 8   Es starben fern der Heimat ...

Rosa Block, geb. Grimm, aus Klotainen/Ostpreußen, am 14.01.1957 in Gristede/Oldb. im Alter von 77 Jahren.

 

Klara Herrmann, geb. Menzel, aus Allenstein, am 13.02.1957, Mackenzell, Kr. Hünfeld, im Alter von 81 Jahren.

 

Marie Hoffmann, geb. Kretschmann, aus Königsberg, am 14.02.1957 in Hüllstede/Oldb., 81-jährig.

 

Friedrich Milchereit, aus Insterburg, am 31.01.1957 in Matrum, Kr. Cloppenburg, im Alter von 83 Jahren.

 

Dieter Rasokat, aus Dammfelde, Kr. Tilsit, am 16.02.1957 in Bokel bei Essen i. O., infolge eines Unglücksfalles im Alter von 23 Jahren.

 

August Soltner, Gendarmeriemeister a. D., aus Ostpreußen, in Steinfeld, Kr. (hier enden die Angaben)

 

Seite 8   Kirchlicher Suchdienst weiter notwendig. Über zwölf Millionen Personen aus den Vertreibungsgebieten erfasst.

In einer Anzahl von Zeitungen fanden sich in der letzten Zeit Nachrichten, aus denen entnommen werden könnte, dass die Suche nach den Vermissten und Verschollenen demnächst zum Abschluss kommen soll, wenn die Bildsuchlistenaktion des Deutschen Roten Kreuzes beendet ist.

 

Um bei den Angehörigen von vermissten Personen keine Beunruhigung zu erwecken, weist der Kirchliche Suchdienst (Zentralstelle der Heimatortskarteien) in München, Lessingstraße 1, der vom Bundesministerium für Vertriebene mit dem Suchdienst nach Zivilvermissten beauftragt ist, ausdrücklich darauf hin, dass sich die Bildsuchlisten-Aktion lediglich auf Wehrmachtsvermisste bezieht und dass auch dann, wenn diese große Möglichkeit ausgeschöpft ist, keineswegs die Suche nach den Zivilvermissten eingestellt oder eingeschränkt werden kann. Die Notwendigkeit eines systematischen Suchdienstes nach vermissten Zivilpersonen wird aus folgenden Zahlen deutlich:

 

Im Kalenderjahr 1956 sind beim Kirchlichen Suchdienst 222 571 Suchanträge eingegangen, von denen 188 272 bis Jahresende geklärt werden konnten.

 

Die Suchdienstanfragen von Behörden und Privatpersonen in amtlichen Angelegenheiten weisen im Berichtsjahr 666 853 Vorgänge auf. Für die gesamte Nachforschungsarbeit standen 244 Arbeitskräfte zur Verfügung, die einen Gesamtschriftwechsel von 1 395 257 Ein- und Ausgängen bewältigten.

 

Bis 31.12.1956 haben die Heimatsortskarteien 12 608 284 Personen erfasst, deren früherer Wohnsitz in den Vertreibungsgebieten lag.

 

Seite 8   Kindersteckbriefe mit Fotos

Name: Quitschau;

Vorname: Peter;

geb. etwa 1940;

Augen: hellblau;

Haar: blond.

Der Junge erinnert sich, dass er mit seiner Mutter in Königsberg lebte. Die Eltern sollen dort an Typhus verstorben sein. 02370

 

Name: unbekannt;

Vorname: Erika;

geb. etwa 1942;

Augen: blau;

Haar: blond.

Erika gehörte zu dem Kindertransport, der am 11.02.1945 aus Braunsberg/Ostpreußen, über Heiligenbeil, Neutief, Neufahrwasser, Danzig-Langfuhr nach Westdeutschland kam.

 

Schwester Frieda, Schwester Helene und eine Helferin Elisabeth aus dem Krankenhaus Heiligenbeil/ Ostpreußen könnten evtl. über die Herkunft des Kindes Auskunft geben. 243

 

Name: unbekannt, vermutl. Bechelmann;

Vorname: Hannelore;

geb.: etwa 1943;

Augen: grau-blau;

Haar: mittelblond.

Hannelore kam mit einem Kindertransport am 19.04.1948 vermutlich aus Königsberg/Ostpreußen. Sie soll sich vorher in Königsberg-Kalthof in einem Heim befunden haben. 01947

 

Seite 9   Foto: Ein Wahrzeichen Königsbergs — der Wrangelturm in den Stadtanlagen. Daneben das Denkmal des Deutschen Michel. Foto: Löhrich

 

Seite 9   Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

XIV. Der Botanische Garten.

Die Laak, die Wagner- und die Sternwartstraße gehörten gewiss zu den unfreundlichsten Straßen Königsbergs, aber sie führten zu einem wundervollen Königsberger Winkel hin, der wenig besucht wurde, obwohl er dem Publikum zu gewissen Stunden offen stand: zum Botanischen Garten der Universität.

 

Ging man im Frühling in jene Ecke der Stadt, so grüßte einen von weitem der blütenübersäte, wunderschöne alte Rotdorn vor dem Zoologischen Museum. An seiner Stelle stand übrigens einst das Altstädtische Pesthaus, wovon noch lange die Namen Pesthausgasse für die untere Sternwartstraße und Pesthausquergasse für die spätere Besselstraße zeugten. Gegenüber dem Museum führte ein Gittertor in den Botanischen Garten, aus dem eine Flut tiefgelben blühenden Ginsters dem Besucher entgegenleuchtete.

 

Durch das steil abfallende Gelände, den Hügel, auf dem das Botanische Institut stand, den kleinen Teich mit den vergnügten Entchen zu seinen Füßen und dem reizenden Steingarten am Hang, wurde der stille durchsonnte Garten zu einem entzückenden Idyll. Ob man am Teich den Enten zusah, am blühenden Steingarten die huschenden oder ruhig sich sonnenden leuchtend grünen Smaragdeidechsen oder ihre mit den gewöhnlichen flinken Eidechsen gekreuzten scheckigen Nachkommen beobachtete, oder unter dem riesigen, wohltuend kühlen Blätterdach des alten mit tausenden weißer Blütenkerzen besteckten Kastanienbaumes saß; immer herrschte hier köstlicher Friede und wohlige Ruhe.

 

Die Mehrzahl der wenigen Besucher waren wohl Studenten, die hier lernend oder plaudernd ihre Freistunden zwischen den Vorlesungen zubrachten, oder Väter, die ihren kleinen Kindern liebevoll die Idylle dieses entzückenden Parkes zeigten.

 

Der Botanische Garten war früher der Garten des Kriegsrates Scheffner gewesen; sein Haus stand wahrscheinlich an der Neuen Schulstraße nach dem Butterberg zu. Der Name ist, eine Verbalhornung aus Büttelberg. Es hatte recht große Räume und wurde allgemein als schön bezeichnet. Vorzüglich aber rühmte man die Gastlichkeit des Besitzers.

 

Der alte Johann Jakob Scheffner war nach Verkauf seiner Güter Sprindlack und Ellerswalde 1796, bereits sechzig Jahre alt, in seine Geburtsstadt Königsberg zurückgezogen, hatte dieses, von Butterberg, Neuer Schulstraße, Triangel, Besselstraße, Besselplatz und Steindammer Wallstraße umgrenzte Areal gekauft und den herrlichen Garten geschaffen.

 

Er ließ es sich angelegen sein, seltene Bäume in ihm anzupflanzen, und es gab wohl noch zuletzt eine Reihe Bäume, die ihn noch gesehen hatten, wie die erwähnte Kastanie. Ob auch noch der Gingko biloba aus seiner Zeit stammte, wage ich nicht zu behaupten. Bekanntlich hatte ja Goethe dieses seltsame Zwischenglied zwischen Nadel- und Laubbäumen im West-Östlichen Diwan besungen:

 

„Dieses Baums Blatt, der von Osten

Meinem Garten anvertraut,

Gibt geheimen Sinn zu kosten,

Wie's den Wissenden erbaut“.

 

Dieser in Japan, Indien und Persien beheimatete „buddhistische Tempelbaum" war in Königsberg nur an drei Stellen vorhanden: im Botanischen Garten, zwei Bäume auf dem Neuroßgärter Kirchenplatz — angeblich Abkömmlinge des Scheffnerschen — und einer im Tiergarten. Und alle diese Gingkobäume vertrugen unser zwar raues, doch gesundes Klima gut.

 

Die Grünanlage des Neuroßgärter Kirchenplatzes befand sich übrigens auf dem Gelände eines früheren „Faulen Teiches", wie sie aus den Schmerlenteichen Herzogs Albrechts hervorgingen. Deshalb wurde auch die Kirche auf der Ostseite des Platzes erbaut.

 

Wie wurde nun Scheffners Park zum Botanischen Garten?

 

Hören wir ihn selbst. Er schreibt in seinem selten gewordenen, aber noch immer höchst lesenswerten Buch „Mein Leben" folgendes:

 

„Die mühsame Aufsicht, die das inordnunghalten eines halbländlichen Wohnsitzes erfordert, und der Verdruss, den man mit den unentbehrlichen Hilfshänden hat, bewogen mich bey der Gelegenheit der Anlegung eines Botanischen Gartens bey hiesiger Universität und den Schwierigkeiten bey Ausmittelung des Locals … zu dem Entschluss, Haus, Hof und Garten, die mir über 12 000 Rthlr. gekostet hatten, dem Könige gegen eine Leibrente von 700 Thalern auf vier Augen abzutreten. Da die reellsten Vortheile auf Seiten des Acquisenten waren, so wurde mein Anerbieten durch eine Kabinettsordre vom 20. Septemeber 1806, also kurz vor dem Auerstädtschen Schlage genehmigt und mir das Wohnen bis Ostern 1807 gestattet. Mit der wirklichen Einrichtung des Botanischen Gartens wurde aber erst im Herbst 1809 durch den Finanzminister Freiherrn von Altenstein der Anfang gemacht. Als Kenner und Liebhaber der Botanik vergrößerte er das Areal gehörig durch Ankauf anderer Grundstücke und besorgte ihm auch in der Person des Professors Schweigger.... einen schicklichen Vorsteher; so wie die dicht dabey an einer sehr schicklichen Stelle erbaute Sternwarte in Professor Bessel einen unverbesserlichen Astronomen gefunden hat.... Im August 1809 wurde dann mein Haus vom Könige gekauft und der Kronprinz bezog mit seinen Lehrern und Erziehern Delbrück und Gaudi die unteren Räume“.

 

Dass der Garten Scheffners 1811 der Universität als Botanischer Garten übergeben wurde, war übrigens mit, das Verdienst des Pharmazieprofessors und Tafelfreundes Kants, Carl Gottfried Hagen.

 

Durch den Bau des Botanischen Instituts verlor der Park ein Stück seiner Grundfläche und später wurden dem nunmehrigen Botanischen Garten leider noch weitere Stücke abgezwackt, als man das Pharmazeutische Universitätsinstitut an der Besselstraße, der Mündung der Sternwartstraße gegenüber, baute und die Granulosestation der Augenklinik in der Butterbergstraße errichtete.

 

Erwähnt sei auch das Denkmal des 1821 auf Sizilien ermordeten Professors Schweiger im Botanischen Garten, das von einer echten Vase aus der Villa des Maecenas in Tivoli gekrönt war. Ja, unser Botanischer Garten war so schön, dass mancher andere Botanische Garten größerer Universitäten längst sich mit unserm nicht messen konnte. Ich habe mich sogar in einem der berühmtesten der Welt, dem zu Padua, gefragt: Ist unser Königsberger nicht schöner?

 

Wie mag es heute innerhalb seiner Mauern aussehen?

 

XV. Der Gelehrtenfriedhof

Der Volkspark war die Grünlunge der dichtbevölkerten Laak; er lag vor den Wällen der zweiten Königsberger Befestigung von 1626 bis 1634; die 1811 bis 1813 erbaute Sternwarte stand auf einer Bastion dieser Wälle. Der im Lauf der Jahrzehnte eingelagerte Park musste kurz vor 1900 ein Stück Boden hergeben zum Bau des neuen Observatoriums der Sternwarte, noch während des ersten Weltkrieges wurde ihm ein weiteres Stück zum Bau der Kinderklinik abgezwackt und schließlich nahm ihm im Beginn der dreißiger Jahre auch noch die neue Anatomie ein Stück Grünfläche fort.

 

Was übrig blieb, bot der Jugend der Laak aber immer noch schöne Rodelbahnen in die Schlucht des Neuhausener Bimmelbähnchen hinab und den Erwachsenen einen der stillen und idyllischen Königsberger Winkel.

 

Ich meine damit nicht den kleinen Ruheplatz um die von Stadtbaurat Krüger errichtete Siegessäule von 1871, obwohl auch dieser ein „ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht“ war, sondern den „Gelehrtenfriedhof“.

 

So war er in Königsberg bekannt, offiziell hieß er natürlich anders, nämlich „Alter Neuroßgärter Friedhof“.

 

In der Tat war er reich an Gräbern Gelehrter. Er wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts angelegt, als der erste um die Kirche herum gefüllt war.

 

Viele Menschen wurden auf ihm im Laufe der Jahrzehnte begraben, mit ihm wuchs der Volkspark heran. Schließlich schloss man den Friedhof und in unseren Zeiten war nur noch ein Areal von etwa 1200 qm vorhanden. Aber die alten Grabsteine wiesen klingende Namen auf.

 

Ein schöner Empiregrabstein verkündete, dass der Landrat in Estland, Magnus von Baer, 1825 auf einer Reise in Königsberg starb und hier begraben wurde; 1846 wurde der bedeutende Königsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel hier beigesetzt; die Leichenträger hatten es nicht weit, denn er war in seiner Direktorwohnung gestorben, die sich in dem schlichten Landhaus links vom Eingang zur Sternwarte befand. Er war übrigens ein Opfer der damals grassierenden Cholera geworden.

 

Im Jahre 1871 setzte man den Königsberger Chirurgen Albrecht Wagner hier bei, der am 15 Februar, 44-jährig, als Militärchirurg im deutsch-französischen Kriege gestorben war — an Typhus oder Flecktyphus. Er ist es, dem zu Ehren man die Straße mit dem wenig verlockenden Namen „Totengasse" in Wagnerstraße umtaufte. Am Hause Nr. 38 erhielt er eine Gedenktafel: Dr. med. Karl Ernst Wagner, Professor an der Universität und berühmter Chirurg“.

 

Es war eine der Verbalhornungen der Nazis, die Straße in „Richard-Wagner-Straße" umzuändern; mit dem Musiker hatte sie nichts zu tun; der wohnte nur ganz kurze Zeit auf dem Steindamm zwischen Wagner- und Heinrichstraße (der früheren Monkengasse); an seinem Wohnhaus hing eine Marmortafel.

 

1875 begrub man auf dem Gelehrtenfriedhof den Mathematiker Julius Richelot (geboren 1808), 1878 den 1802 geborenen Altphilologen und Homerforscher Karl Lehrs, der weit über Königsberg hinaus Bedeutung und Ruf hatte, ihm, dem beredten Interpreten von Alt-Hellas gab man die Inschrift mit auf den Grabstein:

 

Griechisch: (Schriftzeichen nicht auf dem PC)

Deutsch: Sein Vortrag war von Musik beseelt.

 

Der biedere Steinmetzmeister, der diese Inschrift einmeißeln sollte, konnte freilich nicht Griechisch; er konnte also das Lambda nicht kennen. Er wollte einen offensichtlichen Schreibfehler verbessern und machte flugs aus dem (Schriftzeichen nicht auf PC) ein (Schriftzeichen nicht auf PC) was sich dann nicht mehr ändern ließ.

 

1879 fand der Nachfolger auf Kants und Herbarts Lehrstuhl, der 75 Jahre alt gewordene Hegelianer Karl Rosenkranz hier seine letzte Ruhestätte. Ihm ließ 1932 die Kantgesellschaft einen neuen Gedenkstein aus Marmor errichten mit seinem Porträtrelief von dem Bildhauer Georg Fugh.

 

1887 setzte man hier den Botaniker Caspary bei und 1895 den glänzenden Physiker Franz C. Neumann, dessen Bronzetafel in der Universitätssäulenhalle hing.

 

1914 endlich ließ die Stadt Königsberg die Gebeine des 1796 gestorbenen Geheimen Kriegsrates und Stadtpräsidenten (damals so viel wie Oberbürgermeister) Theodor Gottlieb von Hippel d. Ä. auf diesen würdigen Friedhof überführen und ihm durch Stanislaus Gauer ein Denkmal setzen. Er war s. Zt. noch auf dem Friedhof um die Neuroßgärter Kirche beerdigt worden, wo sein aus rotem Marmor verfertigter, mit seiner Empire-Urne geschmückte Grabstein später in die nordöstliche Wand der Kirche eingelassen wurde. Ich sah ihn hier noch unversehrt nach Königsberg Schicksalsnacht.

 

Hippel war der Oheim des gleichnamigen jüngeren Hippel, des Busenfreundes E. T. A. Hoffmanns, und Verfasser des Aufrufes „An mein Volk", der als Regierungspräsident in Bromberg starb und dort begraben liegt. Außerdem war der ältere Hippel einer der Genossen von Kants geistreicher Tafelrunde, ein Bildersammler, dessen kleine, aber schöne Gemälde in entzückenden Rokokorahmen als Grundstock der Königsberger Gemäldegalerie von seinem Neffen der Stadt vermacht wurden, sowie ein bedeutender Schriftsteller.

 

Sein Hauptwerk „Die Lebensläufe in aufsteigender Linie" wurden damals viel gelesen, er ließ sie anonym erscheinen und selbst Kant ahnte nicht, dass sein Freund Hippel der Verfasser war.

 

Der satirische „Mann nach der Uhr" war ein weiteres Pseudonymes Produkt des pünktlichen Beamten, und der Junggeselle schrieb ein gutes Büchlein über die Ehe. Er galt als trefflicher und geistreicher Humorist, und seine Aphorismen sind es noch heute. —

 

1927 schließlich machten Staat, Provinz, Stadt und Albertina mit Hilfe des Gartendirektors Schneider den Gelehrtenfriedhof zum Ehrenfriedhof. Auch eine botanische Merkwürdigkeit war hier zu sehen: ein blühender alter Epheustamm, der an einem Spitzahorn etwa sechs Meter hoch emporklomm. So hat auch dieser stille Königsberger Winkel seine Geschichte. Hoffen wir, dass die Brutalität der derzeitigen „Kaliningrader" Machthaber sich an ihm nicht vergriffen haben möge.

 

XVI. Der Flinsenwinkel

Es gab sogar zwei Flinsenwinkel in Königsberg. Der eine befand sich auf dem Unterhaberberg, der andere auf dem Sackheim. Natürlich hießen sie nur im Volksmund so, nicht etwa offiziell.

 

Der erste war Thomasstraße benannt und vom Unterhaberberg durch die große Sandgasse bzw. die Schafgasse zu erreichen. Der Sackheimer hieß Friedmannstraße und mündete auf die Mauer des alten Garnisonlazaretts, die ihn abriegelte. Das Lazarett war im Garten der alten Dönhoffschen Gründe angelegt. Diesen Flinsenwinkel erreichte man von der Steilen Straße, deren alter Name Mottgasse tief blicken ließ. Beide Winkel waren — und das war wichtig — Kehrwiedergassen, wie man früher die Sackgassen nannte. Beide waren öfters der Schauplatz erbitterter Schlachten zwischen den Haberberger Lümmels bzw. den Sackheimer Bowken. Der volkstümliche Name klingt zunächst ganz appetitlich, denn wem wässert nicht der Mund bei unseren schönen ostpreußischen Flinsen, sei es, dass sie aus Kartoffeln hergestellt werden oder Mehl-, Apfel-, Reis- oder Arme-Ritter-Flinsen sind. Bei der Vorstellung allein steigt einem der beißende und doch so gaumenkitzelnde Dunst aus der Pfanne süß reizend in die Nase.

 

Aber wenn wir uns überlegen, woher das echt ostpreußische Wort „Flinsen" herkommt, nimmt die Angelegenheit leider einen anderen Duft an, denn das Wort kommt aus dem Altprußischen und bedeutet Häufchen. Und suchten wir die beiden Flinsenwinkel auf, so fand man auch prompt die Flinsen — aber leider weder knusprig, noch duftend, sondern ganz anderer Art.

 

Diese Königsberger Winkel hatten also weniger eine idyllische, als praktische Bedeutung, und mit Grausen wenden wir uns von dem Fehlgriff ab, der hier dem Verfasser und Lobsinger Königsberger Winkel begegnet ist.

 

Ein weiterer, nur idealer — gänzlich unamtlicher — Winkel war der „Knospenwinkel". So hieß im Volksmunde der düstere, sackartige Teil der Voigdtstraße. Der amtliche Name stammte von dem Pfarrer Voigdt, der dort auch eine Gedenktafel hatte: „Dr. Carl Ferdinand Voigdt. 1804 - 1887. Dem Vater des ostpreußischen Gustav-Adolf-Vereins zum Gedächtnis“. Zum „Knospenwinkel" aber wurde die Straße durch die zahlreichen alten Dämchen, die hier wohnten und die sich selbst gern als die „alten Knospen" bezeichneten, so dass dieser volkstümliche Name ganz allgemein wurde.

 

Seite 9   E. Th. A. Hoffmann, in seine Träume eingesponnen, war manchmal etwas zerstreut. „Draußen ist ein Mann mit einem langen Bart", meldete die Haushälterin. „Danke", sagte der Dichter geistesabwesend. „Sagen Sie dem Mann, ich brauche keinen“.

 

Kindergeburtstag, natürlich gibt es sehr viel Kuchen und Schokolade. Überhaupt ist die Stimmung ausgezeichnet. Als verspäteter Gast erscheint eine alte Dame, und sie fragt den kleinen Jungen, der ihr die Tür öffnet, ob es ihm denn hier gut gefalle. Worauf dieser sie strahlend ansieht und sagt: „Fein is, Tante, einer kotzt all“.

 

Seite 9   Treffen der ehemaligen Schülerinnen der Staatl, Hufenoberschule

für Mädchen Königsberg/Pr. am 1. Osterfeiertag (21.04.1957) in Hildesheim, Hotel Hotopp, Bahnhofplatz 6 (nicht „Wiener Hof“, wie in der letzten Ausgabe gemeldet), um 15 Uhr zur Kaffeetafel. Unser ehemaliger Direktor hat sein Kommen bereits zugesagt. Zwecks Feststellung der Teilnehmerzahl wird um schnellste Anmeldung unter Beifügung eines Unkostenbeitrages (2 DM) gebeten. Bei Anfragen Rückporto beifügen. Oberschullehrer H. Schmidt, Soest-Westf., Wilhelm-Morgner-Weg 16. Hier kann auch die unsere Schulgeschichte bezogen werden.

 

Seite 10   Diesseits im Jenseits. Erinnerung an ein Kostümfest der Kunstakademie Königsberg.

Künstler sind vielseitige Menschen. Es gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen oder privaten Lebens, das sie nicht mit großem Erfolg zu kultivieren verständen. Feste feiern war eines der wichtigsten. Jahrelang aber lag dieses Vorhaben der Königsberger Künstlerschaft brach. Es scheiterte immer wieder an den „Inneren Konflikten" der prominenten Spitzen. Sie zögerten — und die schönen Pläne eines Akademieballes unter Maske blieben auf dem erdachten Gleis stehen.

 

Ob es noch einmal zu einem solchen Fest im Narrenkostüm kommen würde? Man glaubte bald nicht mehr daran.

 

Doch im Jahre 1925 glätteten sich die Wogen des so oft entstandenen Streites. Unter dem stellvertretenden Rektorat von Oberregierungsrat Nollau luden Professoren (Cauer, Pfeifer, Wolff — um einige zu nennen) und Schüler feierlich in ihre schönen Räume in der Werderallee ein. Mit heiterer Ironie zeigte man den Staunenden, dass es im Orkus der letzten Jahre nicht so schlimm gewesen war.

 

„Diesseits im Jenseits" sollte erlebt werden!

 

Am 7. März befand man sich daher in „Zwei-Welten". Die künstlerisch-sinnig entworfenen Einladungskarten flatterten rechtzeitig in viele Häuser Königsbergs und in die Provinz. Man wollte die Gäste fröhlich und ausgelassen machen. Sie sollten die Sonne in den Mond verwandeln; die Sterne aus dem Glase trinken — und noch mehr.

 

Auf der Innenseite der Einladung stand viel Beachtliches. Wisse! Hülle dich in das Gewand deiner Träume! Doch meide, den Fürsten des Jenseits durch ein diesseitiges Festgewand zu erzürnen! Er ist mächtig, der Fürst — und wird dich zu bestrafen wissen. Pilgere in der Zeit vom 20. Februar bis 4. März zwischen 3 und 6 Uhr zur Stätte der heiligen Kunst in das Festbüro, allwo du gewiss nicht weniger als zehn Mark Goldes opfern wirst, willst du am 7. März Lethe trinken, das Diesseits vergessen und trunken sein vor Freude! Man wird dir für dies dein Opfer zugleich die Überhüllen des Diesseits verschließen und dir die Steuern erlassen. Reiche Kunstschätze wirst du finden. Für allzu diesseitige Wesen stehen um 2 und 4 Uhr nachts Wagen mit dem Zeichen 3 und 7 bereit.

 

Eine recht verheißungsvolle Einladung!

 

Der große Tag war gekommen. Ein winterliches Bild auf den Straßen,- viel Schnee, klirrender Frost und schneidender Ostwind. Aber das heitere Herz und die große Spannung nahmen auch die Unbilden des Winterwetters auf sich. Über das leichte Kostüm kam der warme Mantel oder Pelz. Man wanderte zur Werderallee. Der Garderobenraum der Akademie füllte sich rasch mit den vermummten und maskierten Gästen. Es wurde nur leise gesprochen, keiner wollte sich vor Mitternacht zu erkennen geben. Manches Herz schlug fast hörbar unter dem „Zwei-Welten-Kostüm" vor narrender und ausgelassener Freude.

 

Die Räume der Gelehrtheit und des Lernens waren einer zauberhaften Verwandlung anheimgefallen. Was war denn das? Was bedeutete die lange Rutschbahn? Schmal, gerade so zu Sitzen — aber spiegelblank. Richtig, an der Abfahrtsstelle hing ein großes Schild und darauf stand geschrieben: Willst du schneller ins „Jenseits", so benutze den Weg vom „Diesseits" in schwebender Fahrt — für 1 Mark extra! Der Stern im hellblauen, glitzernden Gewande überlegte nicht lange. Er riskierte (oder sie — vielleicht war es die Venus). Wie verlockend, als Fixstern so schnell vom himmlischen All in die Unterwelt zu fallen. Ein sternenklares Erlebnis, auf weichem Kissen ging es abwärts in sausender Fahrt, dem Ungewissen zu.

 

Liebevoll fing ein Clown an der Anfangsstation des „Jenseits" die heranrutschenden sündigen oder neugierigen Narren und Närrinnen auf. Und es waren nicht nur Sterne, welche so fix die „andere Welt" beleuchteten. Da sah man Maharadschas, welche immer noch Trumpf waren, und reizende Bajaderen und viele andere kostümierte Gestalten. Selbst der Alte Fritz hatte die Abfahrt auf dem glatten Holz gewagt. Anscheinend studierte er auf der Fahrt zu sehr die Rückseite des lieblichen Sterns. Er vergaß seinen Krückstock, welcher an der „Venus" vorbeirollte und im „Jenseits" alleine, gänzlich „unhistorisch" ankam.

 

Die Räume des „Jenseits" oder „Diesseits" waren von der eigenen produktiven Phantasie des Künstlers geprägt. Sie brauchten sich nicht von auswärts Kabaretts oder Theater oder gar Hilfstruppen herbei zu holen, um Stimmung zu machen. Nein — das Temperament des Künstlers hatte gewirkt. Wie sprudelnder, moussierender Sekt waren Lehrer, Schüler und die herbeigeströmten Gäste. Alle Völker und alle Zeiten der Erde waren vertreten. Sogar Diogenes (Kurator Hoffmann), seine „Tonnenwohnung" nach sich ziehend, betrat das „Jenseits". Er fand keine Ruhe dort und verhüllte sich noch „schleierhafter" in sein wallendes Gewand.

 

Dort im exotischen Gewölbe — im Javasaal — trafen sich im angeregten Gespräch die Freude im buntbändrigen Phantasiekostüm mit dem unvermeidlichen Teufel.

 

Alles quirlte, flutete — und liebte — durcheinander in der neu verwandelten Akademie. Gelb und rot leuchtete der Javasaal, ein phantastisches Gebilde mit Vulkan und rauschendem Fluss. Die Aula und der Vorraum waren derart mit buntbemalten Kulissen zugehängt, dass ein Märchenraum entstand. Durch eine einzigartige Beleuchtung gewann er an Wirkung noch mehr — und das Eigenartige lockte. Im Hades thronte sogar Seine Majestät der allmächtige Pluto. Expressionistisch wirkte die Grotte, in welcher man in den Tanzpausen Ernüchterung suchte. Und so bot jedes Raumgebilde eine originelle Überraschung. Von einem gelb-weißen Zimmer wanderte man durch ein Fegefeuer mit sonderbar tanzenden Gestalten zum Mumienkabinett.

 

Man konnte sich an manch harmloser Verulkung der Professoren erheitern. Sie weilten gern im „Jenseits". Und oben unter dem Dach des großen Kunsthauses hatten Teufel und Spinne ihre Krallen nach sündigen Männlein und Weiblein ausgestreckt. Ein gruseliger Raum mit dunklen Schlupfwinkeln und heimlichen Ecken.

 

Das ganze Haus war im Bereich der Freude und Ausgelassenheit. Vom Erdgeschoß bis zum Dach strömte unentwegt das lustige Narrenvolk. Das erste Morgengrau war längst verdämmert — heilige Akademie! — als das letzte Pärchen durch den frischgefallenen Schnee den aschermittwochlichen Bußgang nach Haus antrat — nach dem fernen Königsberg (es gab damals noch keine Straßenbahn bis zur Kunstakademie) im Jahre 1925.

 

Seite 10   Wanda Wendlandt. De Ohl Gniefke

To de Tiede, wie de Herr Jesuke noch manches maol oppe Eerd keem un e bät de Mönsche ehr Dohne un Trachte studeerd, dao passeerd em dat, dat he söck vabiesterd had. Dat weer so öm Fastelaowend, wo de Daog all alle Daog länger ware, on den Herr Jesuske hat möttem heilje Peterke e langTied op een Schienedäl jestande und hat sien Vajnöje jehad bi et Tokicke, wie de Knechts de Marjelles önschwunkte bi et Schockle, da de Reck un de Schlorres man so krieselde un de Marjelles juchte, dat söck de heilje Peterke gaonich wedder wegjäwe wull.

 

„Na, nu wöll wi man aower doch noch wieder!" had de Herr Jesuske jeporrd un had dem heilje Peterke anne Scheeßke jepackd un had em awjezorrd. De Sönnke schiend all so warm, un se weere äwre Galtgarwe jewanderd, ömma Hompel op un Hompel daol, un de heilje Peterke had so väl to proatre jehad und so väl to fraoge, dat se möt eens önne groot Wold weere un de Herr Jesuske toletzt nich mehr hen und her wußd. Stockständermeed weere se jewese, wi se endlich op Alknieke to rutkeme, un de Maonke schiend all lang un wiesd enne dem Wech to dem Därp hen.

 

E bat värem Därp lej e Hof alleen, un weil so doch bold nich mehr krupe kunne, so meed se were, so kloppde se gliek dao an öm Nachtloschie. Dao leej aower all alles önne Poose, denn de Buur weer e ohl Gniefke, un dao weer gaorkein Red nich, dat dao Fastelowend jefiert wäre kunn möt Schockle önne Schienefack un möt jerökertem Schwienskopp un möt Baorefang. Et weer ook noch nich maol e Schienefack leddich, wo e Schockel had anjebunde ware kunnd, denn wie jesejt, de Buur weer e ohl Gniefke un heel sien Lied schlecht, un keiner heel dat lang ut bi em. Öm disse Tid, wo andre Buure all lang ehr ganz Aust utjekloppt un all lang dat Dresche vagäte hadde, dao weere bi em noch alle Fäker voll bät undre Staokbalkes, denn he had bloßig paor ohle Krautersch von Dreschersch oppe Hoff, wo nuscht nich mehr zwunge un anderwegens kein Aorbeit nich mehr funde. So väl de Buur dao ook porrd un morrd, de kunne möt ehre ohle Aorms nich de ganze schwaore Aust utkloppe. Dröm leej nu ook all alles önne Kooj, denn de Dag fung fröh an, so öm Seegersch twee, wenn de Haohns noch möttem Kopp wiwackde un noch to bedammelt weere tom Kreeje vär Schlaop, dao schmeet de Buer sine ohle Krautersch ute Poose un se mußde all e Laog runderjekloppd hebbe, bät de Marjell endlich mött e Moosschaol to Fröhstöck opkriezd.

 

Wie dao de Herr Jesuske ankloppd öm Harbarj, dao kickd de Buur rut un had jao am leewste se jliek mötte Hund vonne Hoff jehitzd, wie he sonst ömma möt alle Prachersch un Wenktienersch da maokd, denn fär Wenktienersch estemeerd he de Beide ook. Aower denn full em ön, dat he de Beide good bruke kunn, he wull söck de Harbarj woll good betaohle laote: De Beide sulle em e Dag dresche oope

Däl! Sien Wiew mußd opstaohne un se Moos värsette, wo vonne Aowendbrot noch önne Röhr stunn, un e Laoger trechtmaoke. Obschonst de nich vonne best Sort weer, so fulle onse Beide rein öm vär Mödigkeit un schleepe onjeweejt.

 

Aower Seejersch twee, dao klabasterd söck de Buur hoch un wull de Beide opwecke. „Ach, laot uns doch noch e Wielke, wi sön doch so möd!" pracherd de Herr Jesuske noch ganz bedammeld. „Ach wat! Meed!" Zackereerd dao de Buer. „Von wejen Meed — molsch si Ju bloßig! Nu man rut rut!" Dao jing he denn erscht sine Knechts wecke.

 

„Na de kömmt bold wedder ons rutschmiete", prophezeid de Herr Jesuske, un dao weer de Buer ook all dao mötte e groot Kabatsch und walkd dem heilje Peterke, wo väre oppe Laoger leej, orndlich dorch: „Jefräte hebb Ju, aower aorbeite wöll Ju nich, Ju fuule Kräte! Man rut anne Dreschfläjel!" Da jing he sine ohle Krauters chanporre, wo all oppe Däl kloppde.

 

„Na, de ward ons nich lang Rauh jäwe", prophezeid de Herr Jesuske un hujaohnd, de Ooges fele em wedder to vär Mauseligkeit.

 

De heilje Peterke socht dat nu so öntoröchte, dat he hinder dem Herr Jesuske anne Wand kroop un de Herr Jesuke väre to Iijje kemm, denn he docht: Alles wat recht ös, aower tweemaol Schacht krieje ös toväl: Suum quuique!

 

Dat duert denn ook nich lang un de Buer weer wedder dao motte Kabatsch: „Na, Ju fuule Lorbasse, häw Ju söck noch nich? Nu sullsd Du Dao hinde anne Wand aower Dien Deel krieje, de väre häwt all sien Deel wech!" Dao zaosterd he dem heilje Peterke nu noch emaol dem Puckel dorch.

 

Wi dat nu hell Daog wurd, dao hadde de Beide denn ook utjeschlaope un jinge oppe Däl. Aower dao hadd Ju dem Bure bloßig maol zackereere heere sulld! „Jao, nu kaome se jekraope, wi de Däl awjedrosche ös, wi de Däl blank ös, de fuule Laudons, de ohle Wenktienersch! Maokd mi bloßig, dat Ju vonne Hof kaome, Ju rungefuule Beestersch — fräte jao, aower nich aorbeide!"

 

Aower de Herr Jesuske schmusterd ganz ruhig: „Eck si noch nie nich eenem wat schuldig jebläwe un war ook Di nuscht nich schuldig bliewe, dao kannst Di jetrost valaote! Nu krupt man oppe Fack un schmiet runder, soväl oppe Däl Platz häwt!" De Ohlersch schmeete nu runder, dat et e Laog tom Dresche wäre sull, aower de Herr Jesuske verlangd ömmer mehr: „Man mehr, Lied, man mehr! Wat wi Beide utdresche, bruuk Ju nich mehr uttokloppe!"

 

Wi nu de ganz Däl voll leej bät anne Staokbalke, dao leet söck de Herr Jesuske Stenn un Zunder jäwe, schlooj Fier un stöckd dem ganze Huupe an. Dat jew e hell Fier, un wi de awjebrennt weer, leej op een Sied vonne Däl e groot Huupe leddich Stroh un op ander Sied e groot Huupe schier Korn.

 

„Dat war eck mi marke!" säd de Buer, wi de Beide wech weere. He leet de Däl wedder vollschmiete voll Garwes, wi de Stroh un Korn wechjeriemt weer, un denn nehm he Fiersteen un Zunder un paoserd dem Huupe an. De weer denn ook bold wech -— aower Schien un Huus ook!

 

Seite 10   Letztes Eis auf der Memel.

Gegen den Ausgang des Winters hin, im Monat März, wenn die erste Schneeschmelze die weiten Wiesen zu einem uferlosen See verwandelt hat, aus dem nur hier und da ein Gehöft oder eine Baumkronengruppe gleich Inseln herausragt, dann pflegt bei blauendem Frühlingshimmel ein kurzer, milder Frost noch einmal einzusetzen, der um die Mittagsstunde bei Windstille zu widersinniger Wärme wird.

 

Dann pflegen sich die Wasserflächen noch einmal mit einer leichten Eiskruste zu bedecken, die bei Tage leise abschmilzt und zur Nacht wieder stärker wird. Sie wird gerade stark genug, um einen Schlittschuhläufer zu tragen, und ist so glasklar und durchsichtig, dass man nichts von ihr gewahrt, selbst wenn man dicht über ihr dahinfährt. Im Gegenteil, man sieht nichts weiter als unter ihr das niedergebogene grüne Gras und die Fischchen, die glitzernd in den Gräben hin- und herschießen. Wäre das Klingen und Klirren nicht, mit dem die Schlittschuhe das Eis durchschneiden, man würde des Glaubens sein, erdentbunden durch die Lüfte zu schweben. Und schließlich glaubt man es wirklich.

 

Der große Strom, der sonst ein sagenhaftes Dasein führte, da er wohl eine Meile entfernt war und von Kleinjungensbeinen niemals erreicht werden konnte, lag schon nach zehn Minuten in königlicher Ruhe da — weiße Schollengebirge, an den Rändern von blauleuchtenden Spiegeln übergossen. Auf diesen Spiegeln fuhr man hinauf in die fremde Welt, und das Herz jubelte nahenden Feenländern entgegen.

 

Und eines kam — sich dehnend zu lichtüberströmter Unendlichkeit. Der Strom wurde breiter und breiter — und plötzlich war er nicht mehr da — hatte sich aufgelöst in unabsehbarem Leuchten und Glitzern. Das Auge ertrank in Fluten des veilchenfarbenen Glanzes, die über breite, kristallene Brücken daherströmten. Die Bläue rechts und links, die sich weitab in Nebeln verlor, glich nicht der Bläue des Inneneises, sie war durchmustert von Funken und Blitzen, als habe sie einen Sternenhimmel verschluckt, und dunkle, schmale Bänder zogen sich quer hindurch. Das waren die Schrecken der Schlittengespanne, die offenen Stellen, in die man hineinfuhr wie in den Rachen des Todes.

 

Umkehren oder weiter hinaus? Nein, weiter hinaus. Trotz Herzklopfen und Todesgefahr. Einen Trunk Unendlichkeit trinken, ein Staubkorn werden wie jener Schlitten, der weit, weit in der Ferne als schwarzes Pünktchen quer über das Haff kroch.

 

Das Eis erklang, die Risse donnerten, und so flog man hinein in die Lichtwelt. Bis sie anfing, sich purpurn zu färben, bis das Blau sich zu Rosa verklärte und der blasse Märzmond plötzlich am Himmel stand.

 

Dann aber zur Umkehr! Der Abendfrost kam, die Kleider dampften, und konnte man noch in leidlicher Dämmerung zurück über den Stromdamm klettern, dann war man heilfroh. Und war man am Heimatufer gelandet und stapfte mit steifen Beinen dem Elternhaus zu, dann wusste man niemals mehr, wo man recht eigentlich gewesen war. In einem Traumland? Auf einer Himmelswiese? In jenem Märchengarten, dessen goldene Pforte nur Glückskindern sich auftut? Hermann Sudermann

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

 

Seite 11   Ernst Wiechert (Gemälde von H. v. König)

 

Seite 11   Ernst Wiechert spricht zu uns.

Ein Volk kann seine Könige entthronen und stärker, ja besser werden, aber ein Volk, das die Dichter des Zwecklosen entthront und zu ihnen spricht: „Geht nun sterben, unnütz seid ihr in unsrer Welt!“, kann wohl mächtiger und reicher werden, aber es hat eine Erstgeburt verkauft, und in seinem Mark ist der Totenwurm der letzten Tage.

 

 Nur zu dem, der nicht fragt, kommen alle Geheimnisse.

 

Die Guten sind es, die das Leben fortführen und bewahren. Und auch die Resignation ist nichts anderes, als die Vielen dahinfahren zu lassen wie ein Stück Rinde im Strom und sich an die wenigen Guten halten, an drei, an zwei, ja auch nur an einen. Das wahre Leben hat niemals auf etwas anderem geruht als auf diesem Wenigen. Der Fortschritt ruht auf dem Vielen, das Bequeme des Lebens, das Laute, Glänzende, der Ruhm, der Krieg. Aber nicht das Eigentliche, das Wahre, das, um das es sich zu verzehren und zu fallen.

 

Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt.

 

Seite 11   „Und wo keine Zeit war ..." Erinnerungen an Ernst Wiechert von Rudolf Adolph.

Vier hohe Fichten am Gartenzaun leuchten entgegen aus dem Hof Gagert, dem bayerischen Sitz Ernst Wiecherts, wenn man die große Straße von Wolfratshausen nach Münsing wandert. An dem Gartentor die Warnung „Eintritt verboten" und die Schutztafel des amerikanischen Kommandierenden, im Hofe der Wolfshund des Dichters. So war es, als ich bald nach dem Zusammenbruch Wiechert besuchte. Der Dichter hatte bereits im Münchener Schauspielhaus seine berühmte „Rede an die deutsche Jugend" gehalten, die in den Akkord ausklang: „Ihr sollt Gott ausgraben unter den Trümmern des Antichrist, gleichviel, welchen Namen ihr ihm gebt. Und ihr sollt die Liebe ausgraben unter den Trümmern des Hasses“. Es ist nicht zu leugnen: Ernst Wiechert war in der Zeit nach 1945, wo die Wellen der Missgunst über Deutschland zusammenschlugen, der Dichter, der das „gute Deutschland" repräsentierte. Er saß vor mir in dem Haus, das von unten bis oben mit Büchern vollgepfropft ist, in einer kniefreien Hose, die Beine in eine Decke gehüllt, um ihn unzählige Briefe aus dem Ausland. Er milderte damals, wo er nur konnte, das strenge Urteil über Deutschland. Seine stille, melodische Stimme nahm gefangen, die Bewegungen seiner Hände waren müde: „Die wenigsten wissen oder wollen wissen, dass sich Kultur seit Beethovens und Goethes Tod in einem unaufhörlichen Abstieg befinde. Aber nicht allein unsere Kultur, das ganze Abendland ist in Gefahr“. Und später: „Wir alle sind schuld. Wer wirft den ersten Stein?" Es war ein langes Gespräch. Zum Abschied schrieb er mir in mein Gedenkbuch „seinen Lieblingsspruch" aus dem Chinesischen

 

Gib denen, die hungern, von deinem Reis.

Gib denen, die leiden, von deinem Herzen.

 

Ich besuchte den Dichter wieder. Eine tiefe Enttäuschung hatte sich in ihm aufgetürmt: er fühlte sich verkannt und verfolgt. Selbst die unfreundlichen Worte eines Boten, dem er ein Paket Lebensmittel aus der Schweiz senden ließ, steigerte er in diese Stimmung zum „Undank der Menschheit". Es prasselte um ihn. Er war von fast selbstmörderischer Offenheit, selbst zu Menschen, die er zum ersten Male sah. Seine Gesprächspartner waren nicht immer diskret. Es gab Ärger, Verstimmungen, Dementis. Es kam die Diskussion um seine private Denkschrift für einen amerikanischen Offizier „The Man and the Poor Lazarus". Es waren nicht immer freundliche Worte darin, die er über die „Sieger" sprach. Durch Missbrauch des Vertrauens wurde diese Schrift in viele Hände gebracht, „um eine unterirdische Waffe gegen den Sieger daraus zu glühen", wie Wiechert in seiner Stellungnahme „Vom Wolf und vom Lamm" feststellte. Man fand eine Kluft zwischen Wort und Leben. Es begannen massierte Angriffe gegen Wiechert, die selbst theologische Fragen in den Mittelpunkt stellten. Ja, selbst der „Klangleib“ seiner Dichtung, den Reinhold Schneider so schön „Melodie des Leids" nannte, wurde als „gefühlsträchtig von unten verdunkelt" besudelt. Dabei kam die Melodie aus den Wäldern, Seen und Herzen seiner ostpreußischen Heimat, zu der sich der Dichter immer bekannte und deren Einfluss auf ihn er nie abstritt. Es ist eine suggestive Melodie, und als mir der Dichter für Funkvorträge ein Gedicht schenkte, das da anfängt

 

Als wir einmal Kinder waren,

saßen wir wohl Hand in Hand,

hielten unsere Kinderstirnen

still dem Monde zugewandt.

 

bekam ich nach der Sendung zahlreiche Zuschriften mit der Bitte um Abschrift dieses Gedichtes.

 

Die Verbitterung in Wiechert steigerte sich, es kam zu politischen Aussagen, die selbst manchen Freund irre machten. (Wir Deutschen haben überhaupt Pech mit den politischen Stellungnahmen unserer Dichter.) Wiechert litt — und ging in die Schweiz. Als wir uns knapp vorher die Hände zum Abschied schüttelten, sagte er: „Man wirft mir vor, ich resigniere. Auch der resigniert kann tapfer sein, mehr als der „Heroische“.

 

An seinem Todestag bekam ich sein letztes Werk „Missa sine nomine". Hier strömt noch einmal in klärender Weisheit zusammen, was Wiechert gelebt und gedacht hat. Vielleicht rechnet man es einmal zu den „letzten Melodien des Abendlandes", wie das Larghetto aus dem letzten Klavierkonzert von Mozart, dem der Dichter wunderbare Worte schenkt. Auch in diesem Buch geht es ihm um die Liebe als die erhaltende und ordnende Kraft und um die „Unvergänglichkeit des Lebens".

 

Wiechert wünschte sich als Inschrift auf seinen Grabstein das Lieblingswort seines Vaters: „Es ist viel Speise in den Furchen der Armen". Die Freunde des Dichters finden aber in seinem letzten Buch das tröstende Wort: „Und es war ihnen, als gebe es um den Toten keine Zeit mehr. Und wo keine Zeit war, konnte einer auch nicht fortgehen, sondern er blieb da, und keine Jahre waren um ihn zu zählen“.

 

Seite 11   Die Sprache ~ mehr als ein Werkzeug.

Die Sprache ist mehr als ein Werkzeug: sie ist gleichsam Behältnis und Inhalt der Literatur – wie viel freies Feld geben uns diese Worte zu übersehen, zu bearbeiten, zu nützen?

 

Wenn Wörter nicht bloß Zeichen, sondern gleichsam die Hüllen sind, in welchem wir die Gedanken sehen: so betrachte ich eine ganze Sprache als einen großen Umfang von sichtbar gewordenen Gedanken, als ein unermessliches Land von Begriffen. Jahrhunderte und Reihen von Menschenaltern legten in dies große Behältnis ihre Schätze von Ideen, so gut oder schlecht geprägt sie sein mochten; neue Jahrhunderte und Zeitalter prägten sie zum Teil um, wechselten damit, und vermehrten sie: jeder denkende Kopf trug seine Mitgift dazu bei: jeder Erfinder legte seine Hauptsumme von Gedanken hinein, und ließ sich dieselbe durch Wucher vermehren: ärmere liehen davon, und schafften Nutzung – falsche Münzen lieferten schlecht Geld, entweder zur Erstattung des Geborgten, oder sich ein ewiges Andenken zu prägen – heldenmäßige Räuber wussten sich bloß durch Raub und Flammen einen Namen zu machen – und so ward nach großen Revolutionen die Sprache eine Schatzkammer, die reich und arm ist, Gutes und Schlechtes in sich fasst, gewonnen und verloren hat, Zuschub braucht, und Vorschub tun kann, die aber, sie sei und habe was sie wolle, eine ungemein sehenswürdige Merkwürdigkeit bleibt.

 

Jedes Buch ist ein Beet von Blumen und Gewächsen; jede Sprache ein unermesslicher Garten voll Pflanzen und Bäumen: giftig und heilsam, nahrhaft und dürre, für Auge, Geruch und Geschmack, hoch und niedrig, aus allen Weltteilen und mit allen Farben, aus mancherlei Geschlechtern und Arten – ein sehenswürdiger Anblick! – Wer wird hier bloß den Riss des Gartens in toten Linien sehen wollen, wo der lebendige Inhalt desselben so viel zu lehren verspricht; und wer wird bloß bei der dürren Form der Sprache stehen bleiben, da das Materielle, was sie enthält, so Kern ist? Joh. Gottfr. Herder

 

Seite 11   „Was ich pflanze wächst …“ Aus unveröffentlichten Briefen Ernst Wiecherts.

Hof Gagert, am 20. Mal 1943

Liebe Frau K.,

seien Sie herzlich bedankt für Ihre guten Wünsche und die schöne Treue, die Sie mir noch bewahren. Auch G. hat den Tag nicht vergessen, und ich habe ihm schon geantwortet.

 

So schön und still wie diesmal war es schon lange nicht, und wir saßen unter dem großen Apfelbaum unter der Altane, der noch mit Blüten bedeckt ist.

 

Ich habe mir am 18. (Geburtstag) gedacht: was ich pflanze, wächst, und was ich geschrieben habe, wirkt. Weshalb sollte ich also klagen?

 

Seien Sie tapfer und haben Sie Geduld. Es kommt alles zu seiner Zeit.

Mit herzlichen Wünschen Ihr Ernst Wiechert.

 

Hof Gagert, am 20. Juli 1943

Mein lieber G. K.,

sehr vielen Dank für Ihre Grüße, die gestern ankamen. Zwar stammen sie vom 5. Juli, doch denke ich zuversichtlich, dass Schild und Mauer um Sie gestanden haben und noch stehen werden. Was für komische Gedanken hat man sich doch von der russischen Kraft und dem russischen Leidenswillen gemacht, und nur wir, die wir nicht „man“ waren, wussten es besser.

 

Ich denke an den Juli 1917 bei Smorgon-Krewo, und es schaudert mich noch heute, wenn die versunkenen Bilder aufsteigen: die zerfetzten Wälder, die verlassenen Dorfränder, wo in den Schützenlöchern eine grüne Schnapsflasche lag, die Geländebüsche, die vielen, vielen Toten, und der leise Duft der Verwesung über den glühenden Feldern. Auch der Sommer kann ein böses Gesicht haben, und das liegt doch nicht in seinem Wesen.

 

Ja, nun ist der Vorhang im Fallen, und es wäre sehr schön, Sie bekämen Ihren Urlaub noch, ohne fürchten zu müssen, am nächsten Tag zuückgerufen zu werden.

 

Aber unsere Herzen wollen wir trotzdem fest und Zuversichtlich halten. Auch wenn ich seit gestern Fruchttee rauche, statt ihn zu trinken. Das ist bitter für mich, aber einmal musste es wohl sein, und bis meine Tabakstauden reif sind, dauert es noch einige Monate.

 

Es ist möglich, dass eins oder das andere meiner vergriffenen Bücher in der Schweiz herauskommt. Da es Devisen gibt, hat man hier nichts dagegen, und ich selbst komme vielleicht über die gröbsten Sorgen hinweg.

 

Aber alles das bleibt doch wie in wesenlosem Scheine. Der Phlox, der sich öffnet, der weiße Kaktus, der in der Nacht das ganze Haus mit herbem Dutt erfüllt, die reifenden Beeren: das sind die wirklichen Dinge, die unveränderten, die wir Menschen nicht beeinflussen. Und an sie uns zu halten, tut uns allen not.

 

Leben Sie behütet, und möchte das Bild der Ihrigen immer wie ein Stern über Ihnen sein. Bis wir uns wiedersehen.

 

Alle herzlichen Wünsche Ihr Ernst Wiechert.

 

 

Hof Gagert, 13. Dezember 1943

Mein lieber G. K.,

seien Sie sehr bedankt für Ihren Brief vom 16. November, der erst vorgestern hier ankam. Natürlich hat er mich mit Sorge erfüllt, aber doch habe ich die feste Hoffnung, dass nach der Finsternis das Licht Ihnen wieder scheinen wird. Wer wüsste wohl besser als ich, dass die Flügel der Verzweiflung uns umschatten können, und doch lebt tief in unserer Seele die ernste Mahnung, uns nicht zu beugen, sondern stärker zu sein als das andere, weil wir fühlen, dass wir eben mehr wert sind als das andere.

 

Sie wissen, dass meine schwersten Erinnerungen nicht dem Kriege angehören. Was vor fünf Jahren war (Konzentrationslager), war um das Unendlichfache schwerer als der Krieg. So krank, dass der Tod fast unvermeidlich vor mir stand, ein ganz einsamer und verlassener Tod. Aber keine liebende Hand um mich, sondern eine Atmosphäre des Grauens. Und doch habe ich mich still auf das Letzte vorbereitet und wusste, dass ich es in guter Haltung bestehen würde, weil ich eben wusste, dass die Seele dazu verpflichtet war.

 

Seien Sie getrost. Das Längste liegt hinter Ihnen. Das andere, Frau und Kind und Welt des Hauses, bleibt immer noch schwer genug, aber man darf den Stern nicht untergehen lassen.

 

Alle meine guten Gedanken werden am Heiligen Abend zu Ihnen gehen, während ich das Evangelium vorlesen werde. Mit schwerem Herzen, aber doch mit tapferem Herzen, und ein Schimmer dieser Tapferkeit soll über Berge und Täler zu Ihnen kommen und Ihnen das Herz erwärmen.

 

Leben Sie behütet, und einmal wird die Sonne wieder auf Ihre Wege scheinen und das bestandene Leid als eine süße Frucht in Ihre Hände fallen.

Immer Ihr Ernst Wiechert.

 

Hof Gagert, am 29. August 1944

Mein lieber G. K.,

sehr vielen Dank für Ihren Brief vom 15. Dass Sie nun so viel näher Ihren Lieben sind, auch wenn Sie sie im Augenblick nicht sehen können. Und dass Sie heil aus allen schweren Wochen herausgekommen sind. Es vollzieht sich nun alles, was ich gedacht habe, und Sie müssen ruhigen Herzens Ihren Teil daran erfüllen. Ich hoffe, dass die Ihrigen schon heraus sind (nachdem sie mit Ihnen noch einmal zusammen waren) und dass Sie sie ohne Bedrückung in die Fremde gehen lassen. Auch dass Sie ohne Bedrückung aufgeben, was Sie besaßen, wenn es nötig sein sollte. Es geht nun um so große Dinge, dass wir nach anderen Maßstäben rechnen müssen als bisher. Und wer jung ist, gewinnt alles Verlorene wieder, wenn auch mit Schmerzen. Seien Sie nur guten Mutes und denken Sie immer daran.

 

Ich liege nur seit dem 14. jeden Tag im Liegestuhl unter meinen Apfelbäumen und versuche, mein Magengeschwür auszuheilen, das der Röntgenarzt sofort als die Quelle aller Übel erkannt hat. Keine Arbeit, nur Stille, Diät, fünf Zigaretten täglich usw. Es tut mir leid, um meinen Garten, aber es ist wieder schön, still zu liegen, zu lesen, den Bienen zuzuhören und zu denken, dass das Schicksal ja auch ohne unser Zutun seinen Weg geht. Und um mich selbst mache ich mir die wenigsten Gedanken, habe auch fast gar keine Schmerzen.

 

Gerüchte besagen, dass Ostpreußen nun geräumt wird von der Zivilbevölkerung, aber ich weiß es nicht, und unsere Verwandten haben es auch noch nicht geschrieben. Wie es bei dieser aufs höchste gespannten Verkehrslage gemacht werden soll, ist mir nicht klar, aber ich hoffe, dass es gemacht wird, wenn es nötig ist. Nach dreißig Jahren also wieder einmal. Aber damals waren die Meinigen jung, und nun sind sie alt.

 

Hier scheint seit drei Wochen endlich die verspätete Sommersonne, vom Morgen bis zum Abend, und für mich in meinem Liegestuhl ist es gut so. Die Eichelhäher lärmen schon und sehen nach, ob unsere Walnüsse reif sind, und am Morgen liegen die Frühnebel über den Tälern. Aber es ist schön, und manchmal denke ich, mit welchen Augen ich das im nächsten Jahr betrachten werde. Aber nur manchmal. Man soll nicht neugierig sein, vor allem nicht gegen das Schicksal.

Leben Sie behütet und seien Sie in alle herzlichen Wünschen eingeschlossen.

Ihr Ernst Wiechert

 

Hof Gagert, am 18. Dezember 1945

Mein lieber G. K.,

nur dies kann ich heute sagen, dass ich unendlich glücklich für Sie alle bin und dass das traurige Weihnachtsfest mir viel leichter und schöner werden wird, seit ich weiß, dass Sie alle wieder vereinigt sind.

 

Möchte das Licht Ihre Herzen erwärmen nach so viel Kälte, Angst und Plagen, und möchte ein schönes Leben für Sie wieder beginnen.

 

Ihnen allen dreien alles Herzliche von Ihrem

Ernst Wiechert.

 

Diese Briefe Ernst Wiecherts werden hier zum ersten Male veröffentlicht. Die Originale befinden sich im Besitz unseres Mitarbeiters Gerhard Kamin; der Abdruck erfolgt mit dessen freundlicher Genehmigung.

 

Seite 12   Ernst Frank. Sie sah ihrem eigenen Begräbnis zu.

Sie tat, was bisher nur selten getan wurde: sie sah ihrem eigenen Begräbnis zu. Vorsichtig schlug sie die Vorhänge zurück und lugte hinaus auf das große Gefolge, das hinter ihrem Sarge schritt. Der Priester und die Gott dienenden Knaben; der Kammerherr und Stallmeister des Herzogs Karl August von Weimar, ihr Gatte; der Bergrat von Einsiedel, ihr Schwager; ihr eigener Bruder mit seiner Gemahlin; hinter ihnen die große Schar der übrigen Verwandten; Angehörige des Weimarer Hofes; Beamte des Gutes Leitzkau bei Zerbst, der Besitz ihres Bruders, auf dem die Beerdigung stattfand; die Beamten des Herrn von Werthern, ihres Gatten; die Angestellten und Arbeiter beider Güter; und endlich das Volk von Leitzkau und Umgebung. Es war ein langer Zug, den die Gauklerin auf die Beine gebracht hatte.

 

Als er vorüber war, ahnte niemand, dass die, die man der Erde zurückgegeben glaubte, von dem Fenster zurück und in ihr Versteck schritt, in dem sie den Abend erwartete. Mit ihm Erlösung und Freiheit. Als die Trauergäste zurückgekehrt waren, das Gastmahl vorüber war und eine Kalesche nach der anderen in die Dämmerung hinausfuhr, erklang das Zeichen. Ihre Dienerin erschien. Sie erzählte, was sich am Friedhof zugetragen hatte. Die Nacht schritt vor und noch ehe es jemanden auffiel, dass noch eine Reisekutsche am Hofe stand, wurde sie von zwei Damen bestiegen, der Kutscher wippte eine elegante Erinnerung in die Ohren seiner Rappen und fort ging's nach Westen, nach Erfurt und Eisenach, nach Fulda und Frankfurt, nach Karlsruhe und Straßburg. Außerhalb des Reiches wurde die erste, größere Rast gehalten. Bald nach dem Verlassen des Gutes hatte sich dem Wagen ein Reiter zugesellt, der, ein treuer Wächter, die Begleitung auch nicht mehr aufgab. Der Kutscher, kannte die Wege gut und der Reiter die Damen.

 

In Straßburg wurde die Gesellschaft zum ersten Male erkannt. In der Nähe des Münsters wurden sie von einem alten Freunde angesprochen. Die Dame, die dem abgesprungenen Reiter beim Verlassen des Schlages sogleich den Arm geboten hatte, war Emilie von Werthern, die man gestern beerdigt hatte. Der Reiter war ihr Schwager, der Bergrat von Einsiedel, der hinter ihrem Sarge hergeschritten war und von dem sie sich nun entführen ließ. Emilie erschrak. Sie fürchtete, der Bekannte sei ihnen aus Thüringen nachgefolgt. Das Gespräch beruhigte sie bald. Der Freund kam aus Spanien. Sein Ziel war allerdings Leitzkau. Sei's drum! Einmal musste ja ihr Gaukelspiel ans Licht kommen.

 

Und fürwahr! In Leitzkau, Zerbst und Weimar war die Aufregung groß, als der Reisende aus Straßburg berichtete, dass er Emilie von Werthern im Arme des Bruders ihres Gatten quicklebendig gesehen und gesprochen hatte. Man stob zum Grabe. Und erfuhr die Wahrheit: man hatte eine Puppe bestattet.

 

Während die Gemüter der guten Gesellschaft Thüringens erregt bebten, schwelgten die Flüchtlinge im Glück. Das Paar fuhr nach Marseille und ließ sich zu seinen Ländereien nach Tunis übersetzen, wo der Bergrat Gold gewinnen wollte. Doch verließ sie hier Fortuna. Die Bergwerke förderten nichts zu Tage. Es blieb ihnen nur die Liebe. Sie mussten nach Europa zurückfahren und tauchten, zur Überraschung der unterrichteten Badegäste, in Karlsbad auf, wo sie gar bald erkannt und umringt wurden. Goethe erfuhr die Neuigkeit von der „schönen Tina", der Gräfin Christine Brühl. Er hielt sie mit folgenden Worten in seinem Tagebuch fest: „Karlsbald, 9. Juli 1785. Wie abscheulich! Zu sterben, nach Afrika zu gehen, den sonderbarsten Roman zu beginnen, um sich am Ende auf die gemeinste Weise scheiden und kopulieren zu lassen. Ich habe es höchst lustig gefunden! Es lässt sich in dieser Werkeltagswelt nichts Außerordentliches zustande bringen!"

 

Goethe hatte richtig vorausgesehen. Nach dem Karlsbader Aufenthalte nahm der Roman festere Formen an. Man betrieb die Scheidung und als nach der Trennung die Mutter Emiliens sich herbeiließ, die Abenteuerin wieder als Tochter und sogar erbwürdig anzuerkennen, konnte — nach zwei Jahren endlich — der Standesbeamte die Namen der beiden Liebenden ins Eheregister eintragen. Dort kann man nachlesen: Bergrat von Einsiedel und dessen Gattin Emilie, geschiedene von Werthern, geborene von Münchhausen.

 

Ja dann freilich! höre ich jetzt jemanden sagen.

 

Seite 12   Bild: Johann Wolfgang von Goethe Zeichnung von Karl August Schwerdgeburth (1831).

Das kleinste Wahre ist groß.

Gedanken von J. W. von Goethe.

Alles Gescheite ist schon gedacht worden; man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken.

 

Was an uns Original ist, wird am besten erhalten und belebt, wenn wir unsere Altvorderen nicht aus den Augen verlieren.

 

Man soll zu erreichen suchen, die Gedanken der Besten nachzudenken und den Besten gleich zu empfinden. Dadurch bildet sich das, was wir Geschmack nennen.

 

Dass ein Mensch etwas ganz entschieden verstehe, vorzüglich leiste, wie nicht ein anderer in der nächsten Umgebung, darauf kommt es an.

 

Wenn mir eine Sache missfällt, so lass ich sie liegen oder mache sie besser.

 

Wer klug ist, lehnt alle zerstreuenden Anforderungen ab und beschränkt sich auf ein Fach und wird tüchtig in einem.

 

Willst du dich deines Wertes erfreuen, so musst der Welt du Wert verleihen.

 

Es ist nichts groß als das Wahre und das kleinste Wahre ist groß.

 

Die größten Menschen, die ich gekannt habe und die Himmel und Erde von ihrem Blick frei hatten, waren demütig und wussten, was sie stufenweise zu schätzen hatten.

 

Der Dichterfürst starb am 22. März vor 125 Jahren.

 

Seite 12   Eine der exzellentesten Exzellenzen. Ernst Moritz Arndt über seine Begegnung mit Goethe.

Im Sommer des Jahres 1815 kam Stein nicht lange vor seiner zweiten Fahrt nach Paris in Köln an, wo ich damals saß. Er schickte einen Bedienten, ich möge nach dem Dom kommen, wo ich ihn finden werde... Er begrüßte uns auf das allerfreundlichste — und wen erblickten wir nicht weit von ihm? Da stand der neben ihm größte deutsche des neunzehnten Jahrhunderts Wolfgang Goethe, sich das Dombild betrachtend. Und Stein zu uns: „Liebe Kinder, still! still! nur nichts Politisches! das mag er nicht; wir können ihn da freilich nicht loben, aber er ist doch zu groß“. Wunderbar gingen die beiden deutschen Großen hier nebeneinander her wie mit einer gegenseitigen Ehrfurcht; so war es auch im Gasthause am Teetisch, wo Goethe sich meistens sehr schweigsam hielt und sich früh auf sein Zimmer zurückzog.

 

Wie waren die beiden zusammengekommen? wie dann miteinander nach Köln gekommen? Goethe hatte seine Vaterstadt und einige alte Genossenschaft und Freundschaft einmal wieder besucht. Da hatte ihn sein Herz gefasst, und er hatte sich wieder das Herz gefasst, die Pfade, auf welchen seine lustige, genialische Jugend sich ergangen und getummelt hatte, die Pfade, welche bei Wetzlar an der Lahn und durch, ihre schönen Täler nach Nassau, Koblenz, Ehrenbreitstein und Valendar hinlaufen, noch einmal wieder zu durchwandeln. Da vernimmt Stein in seinem Schlosse die Nachricht, Goethe ist in Nassau im Löwen abgestiegen. Er flugs in den Löwen und holt und zwingt den Sträubigen in sein Schloss hinauf. Da nun Goethe einen Ausflug nach Köln vorhat, so lässt Stein seinen Wurstwagen vorspannen, und sie rollen zusammen den Rhein bis nach Köln hinunter. Ich kann mir denken, wie die beiden Reisegefährten jeden Zusammenstoß vermieden; es war gewiss die äsopische Reise des eisernen und irdenen Topfes. So gingen sie auch in Köln nebeneinander hin mit einem zarten Noli me tangere. Nimmer habe ich Steins Rede in Gesellschaft stiller tönen gehört.

 

Hier konnte ich mir unsern Heros Goethe ein paar Tage recht ruhig betrachten, mich seines herrlichen Angesichts erfreuen: die stolze, breite Stirn und die schönsten, braunen Augen, die immer wie in einem Betrachten und Schauen begriffen offen und sicher feststanden und auf jeden Gegenstehenden und Gegenschauenden trafen; aber doch gewahrte ich, was mir in seiner Haltung früher schon aufgefallen war, ein kleines Missverhältnis in der Gestalt des schönen Greises: wann er stand, gewahrte, wer überhaupt dergleichen sehen kann, dass sein Leib eine gewisse Steifheit und gleichsam Unbeholfenheit hatte: seine Beine waren um sechs, sieben Zoll zu kurz. Ich habe mir das Wesen der Zukurzbeinigen im Leben genug betrachtet. Sie entbehren immer einer leichten, natürlichen Beweglichkeit und Schwunghaftigkeit des Leibes, und ich glaube daher, dass der junge Goethe, von seinem achtzehnten bis fünfunddreißigsten Jahr gerechnet, als Reiter, Fechter, Tänzer, Schlittschuhläufer nimmer ein Leichtfliegender hat sein gekonnt. Es gab ihm dieser leibliche Mangel wohl etwas von einer natürlichen Steifheit; anderes mochte in Art und Gewohnheit liegen.

 

Goethe war ja Minister und Exzellenz und in Wahrheit eine der exzellentesten Exzellenzen des Vaterlandes.

 

Seite 12   Bildarchiv Foto Marburg. Einmalige Bilder aus dem Baltikum — Dokumente einer untergegangenen Welt.

Seit der Marburger Kunsthistoriker Prof. Dr. Richard Hamann schon 1913 die Fotografie in den Dienst seiner Wissenschaft stellte, entstand auf diese Initiative des Gelehrten hin eine kunsthistorische Fotothek, die in ihrer Art einmalig werden sollte.

 

Die 1400 Bildbände (meist 13 X 18) mit den 300 000 Fotos - 40 000 warten noch auf ihre Auswertung und Einordnung — genießen unter Kunsthistorikern, Verlegern und Privatpersonen Weltruhm. Ein bezeichnendes Schlaglicht ist es, dass im Krieg amerikanischen Luftwaffensoldaten neben berühmten Baudenkmälern auch die Marburger Fotothek zur Schonung anempfohlen wurde. „Einige der Fotos sind einmalig und sind nirgendwo in einer gleichen oder ähnlichen Reproduktion vorhanden", hieß es in einer amerikanischen Schrift für die US-Luftwaffe.

 

Die fotografische, natürlich in keinem Fall Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Sammlung europäischer Kunstschätze, Baudenkmäler, Miniaturen (auch die Wiedergabe einer alten französischen Handschrift, zu deren Original heute fast niemandem mehr der Zutritt gestattet ist) hat in manchen Fällen Seltenheitswert durch die Bilder etwa der noch unzerstörten Barockstädte Würzburg und Dresden, um nur zwei Beispiele zu nennen. Vor allem ist es die absolut größte Fotosammlung aus dem Baltikum, Fotos von Kunstdenkmälern, Gutshäusern, Familiendenkmälern, Städten und Dörfern — aufgenommen 1939 auf Grund eines Abkommens mit der Sowjet-Union —, die nicht nur Dokumente aus einem von uns durch drei eiserne Vorhänge getrennten Gebiet sind, sondern auch Dokumente einer untergegangenen Welt, die wir nie wieder in dieser Form zu Gesicht bekommen werden. Es ist eine Soziologie in Bildern, welche die zerstörte Kultur und Zivilisation der östlichsten deutschen Gebiete im Abbild bewahrt. Fast ein ganzer Band ist Königsberg gewidmet, einzelne Bilder aus Ostpreußen (Georgenburg etwa) sind alphabetisch in den Mappen verteilt. Zwei Bände sind Danzig gewidmet, darin zum Teil sehr seltene Aufnahmen, selten wenigstens außerhalb von Privatbesitz.

 

Völlig einmalig — das mag den Kunstliebhaber und den Leser interessieren, der heute in Schleswig-Holstein wohnt — selbst in dieser Fotothek steht die Tatsache da, dass einem einzigen Kunstwerk vier dickleibige Bande gewidmet sind: dem Bordesholmer Altar in Schleswig. Diese Bilder, vor etwa 20 Jahren von einem Kunstfotografen aufgenommen, sind nicht nur durch ihre Zahl, sondern auch durch ihre besondere künstlerische Note, durch die geniale Schau des Fotografen hervorstechend. Es sind die vielleicht besten Bilder der ganzen Fotothek. Eine bessere Wiedergabe des Bordesholmer Altars wird es auf der Welt schwerlich geben.

 

Unter den 40 000 noch nicht ausgewerteten Bildern sind auch solche von Kunstschätzen aus den verlorenen Ostgebieten. Möglicherweise werden auch noch von hier einige Archive angekauft, deren Bildmaterial aus Kunstschätzen des deutschen Ostens besteht. Wolfgang Glantz

 

Seite 12   Ostdeutsche Chöre leisten wertvolle Arbeit.

Bielefeld. Die 6. Jahreshauptversammlung des Verbandes der ostdeutschen Chöre im Reg.-Bez. Detmold fand diesmal in Bielefeld statt; sie war von sämtlichen dem Verband angeschlossenen Chören beschickt. Der bisherige Vorstand wurde einstimmig wiedergewählt. Anstelle von Ziemann übernahm den Vorsitz des Musikbeirates Alphons Kocks-Lemgo. Erweitert wurde der Musikbeirat um Düsterhöft-Mennighüffen. Die Verbandsbibliothek, die 1953 eingerichtet wurde, wird von Otto Groke-Lemgo verwaltet, so dass der Verband mit dem verdienten ostpreußischen Chorleiter, der infolge Krankheit leider alle Chorarbeit aufgeben musste, auch weiterhin in Verbindung bleibt. — Geplant sind in diesem Jahr zwei Wochenendlehrgänge für Chorleiter auf dem Jugendhof in Vlotho, und zwar Anfang Juni und im November. — Der Gemischte Chor Schloss Holte, der in diesem Jahr als erster Chor unseres Verbandes sein zehnjähriges Bestehen feiert, lud die Chöre der Umgebung zu seinem Gründungsfest. — Ein Treffen sämtlicher Verbandschöre ist für 1958 voraussichtlich in Brackwede geplant.

 

Seite 12   Brecht-Nachlass 200 000 Seiten. Viele Monate noch wird die Sichtung des schriftstellerischen Nachlasses Bert Brechts wegen seines großen Umfanges dauern. Die Witwe des Dichters, Helene Weigel, der Dramaturg Bunge und sechs Archivare sortieren die rund 200 000 ungesichteten Manuskriptseiten, machen Mikrofilme und Photokopien und fertigen Karteien an. Man fand — teils fertig und teils nur im Entwurf vorliegend — bisher ein Drama über Einstein, eines über Hitler und einen neuen „Schwejk im Zweiten Weltkrieg".

 

Seite 12   Museum für Hamsun. Fünf Jahre nach seinem Tode soll jetzt auf dem Landgut des norwegischen Dichters Knut Hamsun, Nörholmen, ein Hamsun-Museum eingerichtet werden. Hamsun selbst hat das Gut nach dem Kriege nicht mehr bewohnt, da er wegen seiner Sympathie zu Deutschland 1945 enteignet wurde und seit 1948 in einem Altersheim lebte.

 

Seite 12   Melodien, wie sie Gott erschaffen hat.

Goethe an Johann Gottfried Herder.

Frankfurt, Herbst 1771.

Dass ich Ihnen geben kann, was Sie wünschen, und mehr als Sie vielleicht hoffen, macht mir eine Freude, deren Sie mich so wenig als eines wahren Enthusiasmus fähig glauben können, nach dem Bilde, das Sie sich einmal von mir haben machen müssen. Genug, ich habe noch aus Elsaß zwölf Lieder mitgebracht, die ich auf meinen Streitereien aus den Kehlen des ältesten Mütterchens aufgehascht habe. Ein Glück! denn ihre Enkel singen alle: „Ich liebte nur Ismenen“. Sie waren Ihnen bestimmt, Ihnen allein bestimmt, so dass ich meinen besten Gesellen keine Abschrift aufs dringendste Bitten erlaubt habe. Ich will mich nicht aufhalten, etwas von ihrer Fürtrefflichkeit, noch von dem Unterschiede ihres Wertes zu sagen. Aber ich habe sie bisher als einen Schatz an meinem Herzen getragen; alle Mädchen, die Gnade vor meinen Augen finden wollen, müssen sie lernen und singen; meine Schwester soll Ihnen die Melodien, die wir haben (sind N. B. die alten Melodien, wie sie Gott erschaffen hat), sie soll sie Ihnen abschreiben. Und nun geschwind Adieu, dass ich ans Abschreiben komme.

 

Nun bin ich fertig und warte, bis die Post abgeht. Ich hoffe, die Lieder sollen Ihnen Freude machen. Und hiermit Adieu. Von keltischen, gallischen Sachen soll nächstens etwas folgen. Es fehlen mir noch gewisse Bücher, die ich aber bald kriegen muss. Einige Gravamina über Ihren Brief, mit dem ich im Ganzen sehr zufrieden zu sein Ursache hab'. Eins zum Voraus: machen Sie künftig ein Kuvert; es sind einige Stellen versiegelter als die Offenbarung Johannes.

 

Weiter nichts für diesmal. Ich bin Ihr Goethe.

 

Wie aus einem Brief Goethes hervorgeht, hat der große Dichterfürst manches für die große Volksliedersammlung Herders „Stimmen der Völker in Liedern" auf seinen ausgedehnten Reisen gesammelt und beigesteuert. Und welche Freude ihm diese Beschäftigung bereitete, lässt die Begeisterung erkennen, die aus diesen Zeilen spricht.

 

Seite 12   Kulturelle Nachrichten

Ostdeutscher Literaturpreis.

Dem Beschluss der letztjährigen Hauptversammlung entsprechend hat die Künstlergilde beschlossen, einen Literaturpreis in Höhe von 1500 DM auszuschreiben. Er soll erstmalig bei der Eßlinger Begegnung 1957 die zwischen dem 10. und dem 14. Oktober stattfindet, verkündet werden.

 

Dieser Preis soll als ganzer oder geteilt (Prosa, Lyrik, Drama oder Essay, ohne Rücksicht auf die Länge) vergeben werden, für Arbeiten, die zwischen dem 01.01.1955 und dem 31.05.1957 (nicht wie irrtümlich mitgeteilt am 01.05.) erschienen sind und in gültiger Weise den deutschen Osten oder die Begegnung zwischen Deutschen und den anderen Völkern im Osten behandeln. Über die Auswahl entscheidet gemäß Vorstandsbeschluss jedes Jahr eine Persönlichkeit, die vom Vorstand der Künstlergilde mit dieser Aufgabe betraut wird. Für 1957 hat Professor Dr. Ernst Alker, Universität Fribourg/Schweiz sich bereit erklärt, diese Arbeit des Jurors zu übernehmen.

 

Gegen die Entscheidung gibt es keinen Einspruch. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 

Eßlinger Begegnung 1957.

Die Künstlergilde des Verbandes der heimatvertriebenen Kulturschaffenden beabsichtigt, ihre „Eßlinger Begegnung in diesem Jahr zwischen dem 10. und 14. Oktober abzuhalten. In ihrem Rahmen soll auch erstmals ein Literaturpreis vergeben werden.

 

Institut für Ostkunde.

An der Universität Kiel soll ein Institut für Ostkunde errichtet werden. Von den zwei vorgesehenen Lehrstühlen hofft man einen bereits in diesem Jahr besetzen zu können.

 

Ausstellung Elbinger Künstler.

Während des großen Elbinger Heimattreffens Pfingsten in Bremerhaven wird, wie wir bereits berichteten, eine Kunstausstellung Elbinger und westpreußischer Künstler stattfinden die den Künstlern auch Gelegenheit gibt, ihre Werke zu verkaufen. Die Patenstadt bittet daher alle Elbinger Künstler, die in Bremerhaven ausstellen wollen, sich möglichst bald mit ihr in Verbindung zu setzen. Die Ausstellungsleitung liegt in Händen von Stadtarchivar Dr. Stölting, Bremerhaven, Stadthaus Lehe.

 

Danziger Erinnerungsmal

Als Patenstadt Danzigs beabsichtigt die Stadt Düsseldorf ein Erinnerungsmal für Danzig aufzustellen. Es ist beabsichtigt, das Denkmal in der Jägerhofallee zu errichten. Ein endgültiger Platz ist dafür allerdings noch nicht gefunden, weil auch die Form des Denkmals noch nicht feststeht, da der Bildhauer erst durch ein Preisausschreiben bestimmt werden soll.

 

Ostdeutsche Kulturarbeit.

Für die ostdeutsche Kulturarbeit hat das schleswig-holsteinische Vertriebenenministerium jetzt in Schleswig-Holstein lebende ostdeutsche Dichter und Schriftsteller dafür gewonnen, auf Veranstaltungen der Heimatvertriebenen aus eigenen Werken zu lesen. Außerdem werden auch schleswig-holsteinische Künstler aus dem Schrifttum ostdeutscher Dichter vortragen oder über die Dichtung des deutschen Ostens sprechen.

 

Anschriftenänderung.

Das „Hilfskomitee der Evangelischen“ aus Danzig-Westpreußen, der „Danzig-westpreußische Kirchenbrief“ das Grabsteinbuch zu St. Marien in Lübeck und die Heimatortskartei für Danzig-Westpreußen, sind am 1. März nach Lübeck, Parade 8, II., verlegt worden. Bisherige Anschrift: Lübeck, Lindenplatz 7.

 

Sondermarken der Post.

Unter den Sondermarken, die in diesem Jahr von der Bundespost vorgesehen sind, befinden sich auch zwei Ausgaben, die an bekannte ostdeutsche Persönlichkeiten erinnern. So wird eine Marke zum 200. Todestag des Freiherrn von Stein am 26. Oktober und eine Marke zum 100. Todestag des schlesischen Dichters Joseph von Eichendorff vorbereitet.

 

Seite 13  Direktor Forstreuter 60 Jahre.

Am 8. Februar 1957 beging Staatsarchivdirektor Dr. Kurt Forstreuter, Direktor des „Staatlichen Archivlagers" in Göttingen, seinen 60. Geburtstag. Zu einer Feierstunde hatten sich in den Räumen des Archivlagers Freunde und Fachgenossen aus ganz Deutschland zusammengefunden. Zunächst würdigte der Leiter der Archivverwaltung bei der niedersächsischen Staatskanzlei, Regierungsdirektor Dr. Grieser, Hannover, die Verdienste des Jubilars um den Neuaufbau des ehemaligen Staatsarchivs in Königsberg. Dann überreichte Professor Dr. Kraus im Namen des „Göttinger Arbeitskreises" eine Festschrift mit 17 Beiträgen aus der Geschichte des Deutschen Ritterordens und des Preußenlandes und kündigte deren Drucklegung an. Prof. Dr. Kurth überbrachte die Glückwünsche der „Gesellschaft der Freunde Kants", deren „Bohnenkönig" Dr. Forstreuter in diesem Jahre ist. Professor Dr. Wittram gratulierte im Namen des durch Krankheit verhinderten Professor Dr. Keyser, Marburg, für den Herder-Forschungsrat, und der Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek, Professor Dr. Hartmann, brachte die Glückwünsche des im „Trampelklub" vereinigten Freundeskreises zum Ausdruck. Staatsarchivrat Dr. Koepper überbrachte die Glückwünsche der Mitarbeiter im Staatlichen Archivlager. Staatsarchivdirektor Dr. Forstreuter dankte mit bewegten Worten für die ihm dargebrachten Ehrungen.

 

Die dem Staatsarchivdirektor Dr. Kurt Forstreuter, Göttingen überreichte Festschrift, die der Göttinger Arbeitskreis im Druck herausgeben wird, enthält folgende Beiträge:

 

Herbert Budde, Einige unveröffentlichte Briefe der Königin Luise aus Königsberg und Memel 1807 - 1809; Heinz Buttkus, Kritisches zu einer deutsch-polnischen Kontraverse über Pomesanien mit besonderer Berücksichtigung einiger Grenzkarten des Samuel Suchodoletz; Walter Franz, Gesetzmäßigkeiten bei ost- und westpreußischen Familiennamen; Fritz Gause, Kniebelsticker und Roßköpfe. Zur Geschichte des Königsberger Weißgerberhandwerks; Emil Joh. Guttzeit, Die Besiedlung des Kreises Heiligenbeil in der Ordenszeit bis zur 1. Hälfte des 15. Jh.; Walther Hubatsch, Die Staatsbildung des Deutschen Ordens; Erich Keyser, Aus der Geschichte der Kartensammlung des Danziger Stadtarchivs; Ingeborg Klettke-Mengel, Die Korrespondenz zwischen Albrecht in Preußen und Ernst dem Bekenner von Braunschweig-Lüneburg; Hans Koeppen, Die Anfänge der Verwendung von Chiffren im diplomatischen Schriftwechsel des Deutschen Ordens; Karl H. Lampe, Zur Geschichte der DO-Ordens-Kommende Pitzenburg in Mecheln; Günther Meinhardt, Das Leben des Königsberger Münzmeisters Paul Gulden; Hans und Gertrud Mortensen, Der Streit um die Beinigkehmer „Lange Wiese" im Jahre 1526 als siedlungskundliches Dokument; Götz v. Selle, Kant und Göttingen. Die Beziehungen des Philosophen und seines Werkes zur Georgia August, vornehmlich aus zeitgenöss. Briefen dargestellt; Peter G. Thielen, Aktenkunde im akademischen Unterricht. Seminarübungen am Staatlichen Archivlager; Anneliese Triller, Der Kanonisationsprozess Dorotheas von Montau in Marienwerder 1394 - 1405 als Quelle zur altpreußischen Kulturgeschichte und Volkskunde; Erich Weise, Georg von Egloffstein (ca. 1409 - 1458) und die 1. Fortsetzung der Älteren Hochmeister-Chronik; Paul Buhl, Staatsarchivdirektor Dr. Kurt Forstreuter, Verzeichnis seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

 

Seite 13   Niedersachsen - Westpreußen Ostpreußen.

Die Landeszentrale für Heimatdienst in Niedersachsen hat soeben in ihrer Schriftenreihe B eine neue interessante Veröffentlichung erscheinen lassen; in ihr werden die vielfältigen Verbindungen und Beziehungen Niedersachsens zu Preußen beleuchtet. Karten und Abbildungen ergänzen die Abhandlung. Der Verfasser der Schrift ist der bekannte, aus Danzig stammende Museumsdirektor Dr. Erwin Nadolny. Interessenten können sie kostenlos bei der Landeszentrale anfordern.

 

Seite 13   Bücher - die uns angehen.

Hans Friedrich Blunck: Wolter von Plettenberg, Deutschordensmeister von Livland. Roman Verlagshaus Christian Wolff, Flensburg. 293 S. Ganzl. DM 9,80.

Es Ist erfreulich, dass nun auch dieser Roman Hans Friedrich Bruncks wieder in einer Neuauflage vorliegt. Er stellt eine der markantesten Gestalten des deutschen Ritterordens in seinen Mittelpunkt: den Deutschordensmeister von Livland Wolter von Plettenberg. Ein Stück Ordensgeschichte wird durch die Feder des Dichters zu blutvollem Leben erweckt. Zar Iwan, genannt der Schreckliche, ist der große Gegenspieler des Ordensmeisters. Er schickt sich an, mit großer Heeresmacht in Livland einzufallen. Wolter von Plettenberg wirft sich ihm mit einer kleinen tapferen Schar entgegen, und es gelingt ihm, den Sturm aus dem Osten abzufangen und weit vor den Toren der abendländischen Welt zum Stehen zu bringen. Der Dichter drängt diesen Stoff zu einer Mannenden Handlung und einem Zeitgemälde von überzeugender Eindringlichkeit.

 

August Winnig: Der Deutsche Ritterorden und seine Burgen. Ein Bildband in der Reihe der „Blauen Bücher". Karl Robert Langewiesche Verlag, Königstein i. T. (84. - 98. Tsd.). 112 Kunstdruckseiten, DM 4,80.

Unter den Neuauflagen in der Reihe der „Blauen Bücher" finden wir erfreulicherweise auch diesen kostbaren Bildband über die Burgen des Deutschen Ritterordens zwischen Weichsel und Narwa wieder. Die hier wiedergegebenen steinernen Zeugen der Baukunst des Ordens sprechen in eindrucksvoller Weise von der Leistung des Deutschtums im Osten. Selbst noch die Ruinen lassen die Großartigkeit und Schönheit der einstigen Burgen und Schlösser erkennen. August Winnig, der kürzlich verstorbene frühere Oberpräsident von Ostpreußen schrieb zu diesem Bildwerk die Geschichte des Deutschen Ritterordens, die der einmaligen und erhabenen Kulturleistung des Ordens eine vollgültige Würdigung widerfahren lässt. Ein wertvolles Buch.  

 

Heimatland. Musenalmanach. Herausgegeben von Wilhelm Wirbitzky. Musenalmanach-Verlag, Marburg a. d. Lahn. Band 1956 und 1957. Je 62 Seiten. DM 4,80.

Der von Wilhelm Wirbitzky herausgegebene Musenalmanach erscheint — mit kurzen Unterbrechungen — seit 1914. Zunächst als „Schlesischer Musenalmanach" auf Nieder- und Oberschlesien beschränkt, tritt er bald nach dem 1. Weltkrieg als „Ostdeutscher Musenalmanach" auf breitere Basis, indem er alle Dichter deutscher Zunge vom Baltikum bis in den südosteuropäischen Raum in sich vereinigen kann. Nach 1945 hat er sich als neue Aufgabe die Brückenbildung zwischen West und Ost gestellt. So finden wir heute in ihm Schaffensproben in Lyrik und Prosa vieler heimatvertriebener und westdeutscher Autoren, ergänzt durch eine große Zahl von Lebens- und Schaffensberichten deutscher Schriftsteller, die den Almanach auch zu einem wertvollen Nachschlagebuch machen.  

 

Hanna Stephan: Engel, Menschen und Dämonen. Roman. Rufer-Verlag, Gütersloh. 376 Seiten, Ganzleinen, DM 10,80.

„Eine mütterliche Anklage gegen den Krieg", nennt Max Tau, Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, dieses Buch. Es gestaltet nicht allein das ergreifende Schicksal des kleinen Michel Masur vor dem Hintergrund der Kriegswirren und des großen Trecks, sondern zugleich die Tragödie der ostdeutschen Vertreibung, wie sie in Romanform bisher kaum gültigeren Niederschlag fand. Hanna Stephan hat fast in allen ihrer jüngsten Werke dieses brennende Thema in den Mittelpunkt gestellt; sie trägt daran wie kaum ein anderer unter den Autoren der Gegenwart. Sie will mahnen. Und überall in das Chaos streut sie die Lichter aus, aus denen allein die Menschheit lebt: Menschlichkeit und Liebe, Güte und Glauben an Gott. Diese Zeichen des Allmächtigen kenntlich zu machen, dient auch diesem Werk, dem sie ein Wort aus dem Korinther-Brief voransetzt: „Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden“.

 

Die Zisterzienser, Karte 4 des Bildkartenwerkes „Der deutsche Osten und Europa“, herausgegeben und bearbeitet von Dr. Erwin Nadolny. Paul Lippa Verlag, Berlin-Charlottenburg 9, Kaiserdamm 87. Größe 122 x 86 cm, 8,--DM, mit Erläuterungsheft auf Leinwand gezogen mit Stäben 18,-- DM.

Der volle Titel dieser Karte lautet: „Die Zister zienser verpflanzen durch ihre Klöster Europas Kultur in den Osten". Sie ist jetzt als Abschlusskarte der ersten Serie des Bildkartenwerkes „Der deutsche Osten und Europa“ erschienen, die sich bisher mit der Hanse, dem Deutschen Ritterorden und dem deutschen Recht als Bindeglied zwischen dem deutschen Osten und Europa beschäftigte. Das Erläuterungsheft gibt einen klaren Überblick über die Entstehung und den Aufbau des Ordens und seiner Klostergemeinschaft sowie die durch die Missionsaufgabe bedingte Ausbreitung nach Osten und den Bau der Tochterklöster bis zum Weichselbogen und nach Westpreußen. Die Verpflichtung der Mönche zu harter Arbeit brachte eine intensive Siedlungstätigkeit mit sich. Mit Schrifttumshinweisen schließt das Heft ab. Die Karte selbst ist einfach und übersichtlich gestaltet und in angenehmen Farben gehalten.

 

William von Simpson: Das Erbe der Barrings. Roman. Hans-Dulk-Verlag, Hamburg. 628 Seiten. Ganzl. DM 14,80.

Mit den beiden Romanen „Die Barrings" und „Der Enkel" hat William Simpson ein großes, in Millionen von Exemplaren auf der ganzen Welt verbreitetes Romanwerk um die Familie Barrings geschaffen: ein Stück deutscher Zeit- und Familiengeschichte. Der Tod nahm dem Schriftsteller die Feder aus der Hand, so dass sein Plan, die Geschichte der Barrings bis in unsere Tage fortzusetzen, nicht mehr zur Ausführung gelangte. Aus nachgelassenen Aufzeichnungen und Gesprächen mit dem Vater hat nun der Sohn H. W. von Simpson das Werk mit dem Abschlussband „Das Erbe der Barrings" vollendet. In Anlage und Gestaltung wächst er mit den beiden vorangegangenen Bänden zu einem großen Gemälde zusammen. In fotografischer Genauigkeit steht hinter der Handlung die Kulisse der Zeit, dass Deutschland der letzten vierzig Jahre, einsetzend in den Nachkriegs- und Inflationsjahren, über NS-Deutschland, Kriegszeit, Vertreibung bis in die Gegenwart des Lesers hinein. Um Archibald Barring, Gutsherr auf Bladupönen und Reinfelde, reiht sich eine Vielzahl lebensechter Gestalten. Da ist der Sohn Archi, der erst spät am Sterbebette des Vaters erkennt, wo das Leben ihm seine Aufgabe gestellt, nämlich das Erbe des Vaters zu übernehmen und weiterzuführen. Da ist Gisa, die Tochter, der geschäftstüchtige Bruder Malte, und da ist der treue Inspektor Jurleit, der dem Barring von Bladupönen in Ostpreußen nach der neuen Besitzung im Holsteinischen folgt. Worum es geht, wird vielleicht am deutlichsten in einem Wort Archibald Barrings gekennzeichnet, das er an den Sohn richtet, der aus den Banden des Überkommenen, dem Zwang des Erbes zu entfliehen sucht: „Auf uns liegt die Verpflichtung, ein bewahrendes Element zu sein gegenüber der Unstetheit und Wurzellosigkeit der rapide wachsenden Industrialisierung, die Boden und Menschen frisst. Nicht bloß die Arbeitskraft der Menschen, auch ihr Fühlen und Denken, nenn es meinetwegen ihre Seelen. Wir können unser Teil dazu beitragen, dass der gesunde Untergrund des Lebens für unser Volk nicht ins Wanken gerät oder eines Tages einstürzt“. Das Buch versucht damit gleichzeitig, auf seine Art eine Antwort auf die Zeit zu geben.

 

Jochen Hoffbauer: Winterliche Signatur. Gedichte. Verlag Eremiten-Presse, Stierstadt im Taunus. DM 2,40.

Jochen Hoffbauer ist vielen Freunden junger Dichtung längst kein Unbekannter mehr. Immer wieder begegnet man einer seiner volksliedhaften Strophen in Zeitschriften. Hoffbauer ist Schlesier, 1923 geboren. Was ihn selbst am tiefsten formte, gibt der Spiegel seiner Lyrik wieder: das Erlebnis Heimat und das Ringen mit der Zeit. Spürbar darin die tastende, oft auch verzweifelte Frage nach dem Sinn Mensch. Die Erkenntnis

 

„Seit dem babylonischen Turm

hat sich wenig bei uns verändert"

und in einem Atemzuge der Trost

 

„Immer noch sind die Wolken umrändert,

wenn der Tag ins Nachtbett geht“.

 

Bei aller Schärfe des Blicks für die Wunden der Zeit ist Hoffbauer Optimist, durch und durch. Fremd sind ihm nie Formeln dunkler Untergangsprophetie. Auf die Scherben und Trümmer menschlicher Verirrungen und des Hasses reagiert er

 

„Doch die Jahre heilen mit Blumen

und mit Bäumen, Tag um Tag“.

 

Und in seinem Gedicht „Jahrhundert" rafft er das Thema noch straffer zusammen, zeichnet mit wenigen Strichen die Lag

 

… doch unsere Leiden sind ungezählt.

Jahrhundert der Technik,

Jahrhundert der Feindschaft.

Jahrhundert der Grenze.

 

Und als Antwort darauf:

„Immer am Anfang: der Mensch“.

Wir dürfen uns seiner Stimme getrost anvertrauen. Es ist eine gute Stimme in unserer Zeit.

 

Deutsche in aller Welt. VDA-Kalender 1957. Format 15 X 21 cm. VDA-Verlags- und Vertriebs-GmbH., Wiesbaden. DM 4,50.

Mit der Herausgabe dieses Kalenders nimmt der VDA im 75. Jahr seines Bestehens eine schöne Tradition wieder auf, die sich vor dem Kriege insbesondere bei der Schuljugend einer großen Beliebtheit erfreute. In 53 schönen und sorgfältig ausgewählten Fotos (davon 32 als Postkarten verwendbar) berichtet er vom Leben der Auslandsdeutschen und erfasst in einigen künstlerischen Aufnahmen die Schönheiten der deutschen Heimat. Gedichte und Spruchhaftes ergänzen die Blätter. Der Kalender wird sich sicher zu den alten viele neue Freunde erobern; dies ist ihm umso mehr zu wünschen, da der Ertrag einem so förderungswürdigen Werk wie dem des Vereins für das Deutschtum im Ausland zu Gute kommt.

 

Seite 13   Heute empfehlen wir besonders Ernst Wiechert, 1887 – 1928.

Ernst Wiechert, der viel zu früh von uns schied, wäre 1957, 70 Jahre alt geworden.

 

Gerhard Kamin:

Gerhard Kamin:

Ernst Wiecherts Geburtshaus lag in den großen, stillen Wäldern Masurens, und vielleicht vermag nur der, der diese Wälder und dieses Land kannte. Begreifen, was sie für die Seele eines Kindes bedeuten. Wer im Frühling mit dem Lied der Drossel einschläft, wer in den Nächten die Bilder der Gestirne in feierlicher Schönheit am Fensterkreuz vorbeigleiten sieht, wer an Sturmtagen das Brausen des Waldes ebenso in sein Blut aufnimmt, wie sein sanftes Rauschen im sommerlichen Abendwind, wer das Röhren der Hirsche und den Schrei des Adlers an manchen Tagen häufiger hört, als ein Menschenwort, der weiß wenig noch von der zu erringenden Klarheit dieser Erde, aber er weiß mitunter eines tiefer und unerschütterlicher als mancher Erwachsene: dass hinter dem Schleier des Sichtbaren ein Unsichtbares verborgen ist und dass unter dem Moos das „bucklicht Männlein" vielleicht lauert, ein hilfloser und scheuer Name für etwas wunderbar Gütiges, Reines, Hohes, Verlässliches. Dass Gott und alle seine Engel vielleicht sprechen, wenn der Wald rauscht und dass die Pforte zum Paradiese dort sein könnte, wo der Waldsaum am Rande einer Schonung rotglühend in einem Meer von Wipfeln ertrinkt. Lieferbare Werke:

 

Wälder und Menschen. Eine Jugend. 320 S. / Ln. DM 9,50

Die Jeromin-Kinder. Roman. 980 S. / Ln. DM 13,80

Hirtennovelle. 112 S. / Ln. DM 4,80

Die Majorin. Roman. 224 S. / Ln. DM 8,50

Die Magd des Jürgen Doskocil. Roman. 272 S. / Ln. DM 8,50

Der Vater. Erzählungen. 68 S. / Geb. DM 2,80

Sämtliche Werke in zehn Bänden, siehe Beilage.

 

Seite 14   Ost- und westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

Eiserne Hochzeit.

Das seltene Fest der eisernen Hochzeit feierten Julius Plicht und Frau Marianne geb. Mozewski, am 14.02.1957 in Osnabrück, Gevaweg 2. Aus der Umgebung von Danzig gebürtig, lebte das Jubelpaar zuletzt in Christburg, von wo sie 1945 nach Mecklenburg flüchteten.

 

Diamantene Hochzeit

Eheleute Philipp Berg und Frau Marie geb. Schöpp, aus Summe Kr. Straßburg/Westpr., am 16.02.1957 in Wasbüttel, Kr. Gifhorn, wo sie auf dem Hofe ihres Schwiegersohnes Hermann Hoffmann ihren Lebensabend verbringen.

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Otto Günther und Frau Lina geb. Ruck, beide aus Wehlau in Ostpreußen gebürtig, am 15.02.1957 in Steinkirchen Nr. 36.

 

Eheleute Hermann Mittmann und Frau Alwine geb. Hirschfeld, aus Westpreußen am 16.02.1957 in Luttum. Kr. Verden/Aller.

 

90. Geburtstag

Theodor Godau, aus Cobjeiten/Samland am 17.02.1957 im Kreisaltersheim Westerstede/Oldb.

Witwe Emma Abraham geb. Sieg aus Butzig/ Ostpr. am 06.02.1957 in Ubbendorf, Kreis Grafschaft Hoya. Die Jubilarin erfreut sich einer seltenen Rüstigkeit, sie reist noch gern, und beim jährlichen Erntefest sieht man sie noch stets auf der Tanzfläche. Das ganze Geheimnis verriet sie uns im Vertrauen: täglich eine Tasse Bohnenkaffee und ab und zu ein Gläschen Weinbrand.

 

Gustav Sager, Landwirt aus Romeyken an der litauischen Grenze, Kreis Ebenrode, am 11.02.1957 in Jever, Slosserstraße 28.

 

Malermeister Julius Schläfereit, aus Tilsit (gebürtig aus Labiau) am 16.01.1957 in Rastede/Oldb.

 

85. Geburtstag

Lehrer i. R. Ernst Herrmann, aus Allenstein am 27.03.1957 in Machenzell, Kr. Hünfeld.

 

Gustav Kenzler, aus Königsberg, zuletzt im Samland wohnend, am 07.02.1957 in Husbäke/Oldb., wo er bei seinem Schwiegersohn Georg Fischer am Königsberger Weg seinen Lebensabend verbringt.

 

82. Geburtstag

August Saemann, aus Königsberg/Pr. am 07.02.1957 in Oberndorf/Niederelbe.

 

80. Geburtstag

Landwirt Peter Schaklewske aus Osiek-Wstpr., lebt heute mit seiner Lebensgefährtin in Sulingen Lindenstraße 12. Seinen Geburtstag feierte er bei der Tochter in Bremen, wo er die Glückwünsche von acht Kindern, 20 Enkeln und eines Urenkels entgegennehmen konnte.

 

79. Geburtstag

Witwe Theodora Schellhammer, aus Allenstein am 20.03.1957 in Seesen, Lange Straße 16, wo sie bei ihrem Schwiegersohn Wilhelm Dziersk wohnt.

 

77. Geburtstag

Marie Peterreit, aus Tilsit am 10.02.1957 in Wulfsen, Lüneburger Heide.

 

75. Geburtstag

Bauer Julius Schmidt, aus Nosewitz. Kr. Mohrungen, am 21.03.1957 in Bornhausen 26 über Seesen a. H. Der Jubilar konnte bereits im November 1955 mit seiner Gattin Charlotte Schmidt, geborene Böhnke, das Fest der goldenen Hochzeit begehen.

 

Geburtstagskinder aus Flensburg.

Marie Scheffel, aus Königsberg in Flensburg, Kloster zum Hlg. Geist am 01.02.1957, 82 Jahre.

 

Julie Ignat, im Lager Kielseng 12/7 am 22.02.1957, 79 Jahre.

 

Maria Graf, Blücherlager 7, aus Krickhausen bei Wormditt, am 10.02.1957, 81 Jahre.

 

Ida Broszeit, Lager Zur Echse, aus Insterburg, am 10.02.1957, 77 Jahre.

 

Max Zmodzin, Adolf-Menzel-Weg 26, aus Tapiau am 11.02.1957, 85 Jahre.

 

Wilhelmine Grahl, Rote Straße 24. aus Königsberg/Pr., am 12.02.1957, 85 Jahre.

 

Elise Liebe, Mathildenstraße 22, aus Pillau am 16.02.1957, 76 Jahre.

 

Marie Schillack, Glücksburger Straße 76, aus Lötzen am 14.02.1957, 71 Jahre.

 

Christine Doering, Mühlenholz 25, aus Elbing, am 19.02.1957, 84 Jahre.

 

Emilie Hildebrandt, Ulmenallee 11, aus Königsberg, am 20.02.1957, 82 Jahre.

 

Klara Braun, Marienhölzungsweg 34, aus Eydtkau, am 23.02.1957, 75 Jahre.

 

Maria Mill, Lager Kielseng, aus Pietsaschen, Kr. Lyck, am 25.02.1957, 71 Jahre.

 

Meta Bachler, Mommsenstraße 5, aus Königsberg, am 26.01.1957, wahrsch. 26.02.1957, 71 Jahre.

 

Marie Kriesch, Ostseebadweg 45 aus Allenstein, am 25.02.1957, 76 Jahre.

 

Gertrud Schulz, Am Lachsbach 10, aus Königsberg, am 28.02.1957, 82 Jahre.

 

Luise Oesterheld, Südergraben 13, aus Wormditt, am 28.02.1957, 74 Jahre.

 

Helene Feders, Friesische Straße 88, aus Lötzen, am 29.02.1957, 77 Jahre.

 

Marta Schönfeld, Munketoft 3, am 02.02.1957, 70 Jahre.

 

Berta Schleg, Junkerholzweg 15, aus Labiau, am 05.02.1957, 71 Jahre.

 

William Böje, in Apenrade/Dänemark, am 14.02.1957, 84 Jahre.

 

Friedrich Ragnit, Friedheim 90, aus Gansleden, Kr. Wehlau, am 22.02.1957, 77 Jahre.

 

Anna Skibba, Adelbylund, Angelsunder Weg 4, aus Darkehnen am 02.02.1957, 74 Jahre.

 

Allen Jubilaren wünscht das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Glückwunsch zum Doktorhut

Günther Aßmus, Sohn des Gutsverwalters Otto Aßmus, aus Heteberg in Masuren, jetzt Kirchlinteln, Krs. Verden/Aller, wurde am 1. Februar 1957an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover zum Dr. med. vet. promoviert.

 

50 Jahre Sportclub „Preußen" Insterburg.

Der in der Heimat unter den Sporttreibenden Vereinen und darüber hinaus wohlbekannte Sportclub Preußen-Insterburg (zwei deutsche Meister sind aus ihm hervorgegangen) begeht in diesem Jahre sein 50-jähriges Bestehen. Um an dem Jubiläumstage möglichst viele alte Clubkameraden und Freunde zu vereinen, ist von dem Unterzeichneten, der des S. C. P. seit der Gründung 1907 angehörte, ein Treffen geplant. Ort und Termin werden noch bekanntgegeben. Um Mitteilung der Anschriften und Unterbreitung von Vorschlägen wird gebeten. Kurt Padubrins, Stade, Pulverweg 30.

 

Bund ehem. Tilsiter Prinz-Albrecht-Dragoner 1.

Allen Kameraden des ehemaligen Dragoner-Regiments Prinz Albrecht von Preußen Lille Nr. 1 Tilsit gebe ich zur Kenntnis, dass unser diesjähriges Treffen am 29. und 30. Juni in Hameln (Weser), Bahnhofshotel, stattfindet. Anmeldungen erbeten an Bruno Masurath, Hofgeismar, Marktstraße 13.

 

Ostpreußische RAD-Gliederungen.

Mit Rundschreiben 2/56 hatte ich ein Wiedersehenstreffen im Frühjahr 1957 angeregt, das nun am 18./19. Mai in Gießen stattfinden soll. Der späte Termin wurde mit Rücksicht auf die Anregungen der weiter entfernt wohnenden Kameraden gewählt, die berechtigt forderten, dass ihnen jahreszeitlich die Möglichkeit gegeben sein müsse, die weite Reise gleichzeitig zu Urlaubszwecken auszunutzen. Für die Vorbereitung des Treffens hat sich, Kamerad Petzold zur Verfügung gestellt.

Ober-Generalarbeitsführer a. D. Eisenbeck.

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig – Westpreußen.

Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen. Anschrift: Wilhelm Alm, (23) Oldenburg (Oldbg.), Gotenstraße 33.

 

Herzlichste Geburtstagsglückwünsche den Märzgeborenen, besonders den runden „Zehnern",

am 10. März 1957: Rudi Bullien, Tilsit (30 Jahre);

 

am 2. März 1957: Lina Epstein, Tgm. Danzig (50 Jahre);

 

am 7. März 1957: Hildegard Frowerk-Klatt, TuFV Danzig, (60 Jahre) und

 

am 9. März 1957: Klemens Kross, Marienwerder und Marienburg (60 Jahre).

 

Einen besonderen Turnertusch senden wir zu unserm hochverehrten Senior Paul Werner, KTC Königsberg, der am 13. März 1957, das 94. Lebensjahr vollendet.

 

Dem verdienstvollen Turnerführer Wilhelm Deckner (Foto) gratulieren wir zwar verspätet aber aus tiefstem Herzen zur Vollendung des 70. Lebensjahres am 24. Januar 1957. Seit 1905 im Elbinger Turnverein aktiv, hat er dort Jahrzehnte als Vorturner, Schriftwart und Oberturnwart gewirkt. 1925 gründete er am gleichen Ort, gestützt auf eine große Gruppe begeisterter Jugendlicher, die Turn- und Fechtvereinigung Friesen, in der er bis zu seiner Übersiedlung nach Königsberg (1934) als Vereinswart, Oberturnwart und Fechtwart wirkte. Bereits 1919 war er in den Kreisturnrat des Kreises I NO der DT berufen, wo er sich als Kassenwart, als Schriftleiter des Kreisblattes — von ihm zur Ostdeutschen Turnzeitung ausgebaut — und als Kreisjugendwart hohe Verdienste erworben hat. Enge Freundschaft verband ihn mit Edmund Neuendorff (DT-Jugendwart), Ludwig Stassen (DT-Fechtwart), Major Breithaupt (DT-Geschäftsführer) und vielen anderen Führerpersönlichkeiten der DT. Auch der KMTV 1842, dem Wilhelm Deckner seit 1934 angehörte, wurde Nutznießer seiner turnerischen Einsatzfreudigkeit. An seinem jetzigen Wohnsitz Uelzen (Hann.) gehört er selbstverständlich auch dem TV an und hat dort bis 1955 aktiv besonders in der Fechtabteilung gewirkt. Mögen ihm in Gesundheit noch viele Jahre voller turnerischer Fröhlichkeit beschert sein.

 

Alle über 80 Jahre alten Sieger von früheren Deutschen Turnfesten wollen sich bitte mit genauer Anschrift, ihrem Alter und der Turnfeststadt, in der sie ihren Sieg errungen haben, bei der Geschäftsstelle des „Verein Deutsches Turnfest 1958 München e. V." in München 2, Brienner Straße 31/32, schriftlich melden. Diese Aufforderung der Geschäftsstelle bitte ich von Mund zu Mund und auch brieflich zu verbreiten, um sie möglichst allen in Frage kommenden unserer Turnerfamilie zur Kenntnis zu bringen.

 

Für das X. Wiedersehenstreffen gelegentlich des Deutschen Turnfestes 1958 München erwarte ich noch recht viele Anregungen und Vorschläge. Außerdem bitte ich um Unterstützung bei den Vorarbeiten, die nicht früh genug in Angriff genommen werden können. Wer ist bereit, mitzuarbeiten und mir zu helfen? Onkel Wilhelm

 

Seite 14   Friehlingsahnen

Wenn nach lange Hubberwochen

Endlich kommt der Friehling ran

Und de Sonn kommt rausgekrochen,

Fängt e großes Ahnen an.

Alles spiert inne Kaldaunen

E Gefiehl, wo sich bewegt,

Wo sich buggert, stubst und kullert,

Bis es aufes Herz sich legt.

Keiner kann es nich beschreiben,

Keiner kennt sich richtig aus,

Jeder ahnt bloß innem Busen,

Es ist drin und will nu raus.

Manchem juckt der Nasenfliegel,

Und denn ahnt er, ach, herrjeh,

Morgen werd ich Schnupfen kriegen,

Und besorgt sich Fliedertee.

Einer ahnt im Friehlingsmantel,

Und er boßt sich schief und krumm,

So, nu zerg ich mir von frischems

Mittem Reismantismus rum.

Jedes Frauche butscht ihr Mannche.

Plötzlich mang die Zärtlichkeit

Ahnt er, nur geht los mit Pranzeln

Wegnes neie Friehlingskleid.

So hat jeder seine Ahnung

Inne scheene Friehlingszeit,

Schiffelnd ahnen selbst de Hundchens

Friehlingslust und Seligkeit.

Einsam bücken drei Mergellens

Aulgedonnert aufe Bank,

Links e dinne, rechts e dinne,

Und e dicke mittenmang.

Jede bufft das Herz vom Friehling,

Jede treimt von Glick und Kuß,

Jede ahnet einem Jingling,

Wo nu endlich kommen muss.

Eine kullert mitte Augen,

Eine stöhnt und eine zuckt,

Jede ahnt, das is de Liebe,

Wo ihr mang dem Busen huckt.

Ahnen tun se, aber keine

Ahnt mang Freid und Kimmernis,

Dass de Bank, wodrauf se hucken,

Gradzig frisch gestrichen is. Dr. Alfred Lau.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (42)

Liebe ostpreißische Landsleite!

So manches Mal muss ich an die alte Frau Gramattke denken, besonders immer, wenn es Friehling wird. Noch is es ja nich ganz so weit, aber wenn zu Haus soweit war, denn kroch se raus auße Hotz und ging im Wald, de ersten Blumchens suchen. Und mir nahm se immer mit. Und denn machd se hibsche Straußchens und verkaufd die in Insterburg aufem Buttermarkt. Se wohnd in e kleines Hausche, wo der alte Herr Lehrer sich fier seine alte Tage gekauft hädd, wenn er in Pängsjohn gehen missd. Winterieber kriegd einer se kaum zu sehen, heechstens dass se helfen ging, wenn der Adebar irgendwo e Pupp brachd. Se war e gute Seele und wussd mit ihrem schweren Leben fertigzuwerden. Wie alt se eigentlich war, konnd keiner nich rauskriegen, aber mir als kleinem Gnubbel kam se immer vor wie ieber hundert. Die älteren Jungens hädden mir erzählt, dass se de alte Hex war, wo dem Hansel und de Gretel einsperren tat und schlachten wolld. Deshalb hädd ich erst Angst vor ihr und ging ihr immer im großen Bogen auße Seite. Aber wie ich denn e bissche lesen konnd, ieberfiehrd ich mir innes Märchenbuch, dass de Hex tot war, und denn haben wir sich langsam angefreindet. Se hadd viel erlebt, und wenn wir uns im Wald beim Blumchen- und Pilzesuchen e halbes Stundche verpusten taten, denn fing se an zu erzählen. Viele von ihre scheene Geschichten hab ich vergessen, aber e paar sind mir doch innes Gedächtnis hängen geblieben, und die will ich Sie nu erzählen. In ihre junge Jahre war se Wirtschafterin bei einem großen Besitzer, wo de Frau gestorben war. Dass se schwer ran mussd, war ihr eingal, aber se hädd immer Ärger mittem Großknecht, der war kiesfressrig und bemäkeld immer das Essen. Nichts war ihm gut genug, und wenn se ihm das Beste vorsetzd. Da wolld se ihm mal e geheerigem Denkzettel verpassen. Einem Sonnabend gab Kartoffelsupp mit Speck. Aber seine Supp kochd se innem Extratopp. Se zerschnippseld de Speckschwarten, wo da reingeheeren, aber außerdem noch e Stick von e alte speckige Lederbix, vermengd de Schnippsels und tat se inne Supp reinschitten. Zuerst ging auch alles gut. Er huckd am Tisch und schob immer einem Löffel nachem andern innes Maul. Die Sticker vonne Lederbix waren natierlich besonders hart, deshalb kaud er immer e ganze Weil drauf rum und verrenkd sich de Backen nach allen Seiten. Das amesierd ihr ganz aasig. Mit eins knacksd es, und er spuckd einem Zahn aus. Und denn wurd er ganz blass und sagd: „Wo gäfft hier Kuigels möt Kneep?" Dabei langd er mitte Hand inne linke Backentasch und hold e scheenem, rundem Bixenknopp raus, wo se iebersehen hädd abzuschneiden. Erst wolld er ihr verklagen wegen Körperverletzung, aber denn beruhigd er sich, und von die Zeit an war er kuriert. Bloß ein einziges Mal muckd er noch auf, und das war, wie es mal Schwarzauer mit Keilchen gab. Da hädd se de Supp zum Abkiehlen vore Tier gestellt, und unversehens war e dicker Pogg reingehoppst. Das hädd keiner nich bemorken. Und wie nu alles am Tisch huckd und se anfing aufzuschöpfen, da sagd der Großknecht empeert: „Dä Sopp ät ök nicht, een Kielke plinkert!" — De Instleite fitterden sich aller e Schweinche hoch, und wie einer morgens am Stall rankommt, is de Tier aufgebrochen. Aber der Pochel war nich geklaut, bloß e Zettel war anne Bucht angemacht: „Is noch zu mager! Ich komme wieder, wenn er fetter is". — Später hat se denn ihre Stelle aufgegeben und dem Großknecht geheirat. Wie se nu junge Frau war, kam e Wenktiener bei ihr betteln. Ob se nich e alten Hut fier ihm iebrig hädd, fragd er. Nu lag aufe Lucht einer, wo ihr all immer geärgert hädd. Er war verbeilt und verbogen, speckig und dreckig, aber ihr Mann wolld sich nich von ihm trennen, weil er so e anhänqliches Gemiet hädd. Er war geradzig aufes Feld, und da dachd se, so e Gelegenheit, dem Museums-Debbie loszuwerden, kommt sobald nich wieder. Er lag doch bloß unnitz rum, also weg mit ihm! Der Wenktiener passd ihm auf, bedankt sich heeflichst und zockeld weiter auf seine Prachertur. Abends kam ihr Mann zu Haus, ging aufe Lüchte und suchd seinem Hut. Er war weg, und wie er auch rumkrasseln tat mang das Gerimpel, er konnd ihm nich finden. Und nu kam die große Ieberraschung, wo ihr das Kinn runterfiel und der Mund offenstehen blieb. Ihr Mann hädd sich mit die Jahre hundertachtzig Gulden abgespart und unterm Schweißrand von seinem alten Hut versteckt. Er hädd nich geraucht und nich getrunken, bloß immer gespart. Und nu war alles im Eimer! Aufe Stell rannd er durches Dorf und fragd, wo der Pracher geblieben war. Er war gegen Abend aufe Darkehmer Schosseeh außes Dorf rausgegangen. Also ihm nach! Bloß er fand ihm nich mehr, der war all längst ieber alle Berge. Aber zum Glick fand er dem Hut, wo der Pracher im Schosseehgraben weggeschmissen hädd, weil er ihm doch nich elegant genug gewesen war. Ihr Mann streicheld seinem wiedergefundenen Hut, hold tief Luft und krepeld sachtche dem Schweißrand um. Und da kam de zweite Ieberraschung: Das Bankkonto war bis aufem letzten Pfennig abgehoben! Er hat geschimpft und getobt, aber das Geld war weg. E Jahr später traf er dem Pracher in Darkehmen wieder und schleppd ihm bei e Pollezei. Aber er schwor Stein und Bein, dass er das Geld nich genommen, sondern dem plätrigen Hut gleich hinters Dorf weggeschmissen hädd. Wer wolld ihm das Gegenteil beweisen! Zuletzt, wie er merkd, dass ihm keiner nich am Wagen fahren konnd, wurd er noch frech und meind: „Es is ieberhaupt e Unverschämtheit, e armen Pracher so e Hut anzubieten, mit dem wo er sich nich unter anständige Menschen sehen lassen kann. Aber die Leite sind heitzutage so roh und denken, mit e armen, alten Mann können se sich alles erlauben“. Eingebucht wurd er trotzdem, und der Kalusenhirt hold ihm gleich ab, aber nich wegen Diebstahl, sondern wegen Betteln und Landstreicherei. Davon kamen die hundertachtzig Gulden aber auch nich wieder. So konnd de Frau Gramattke stundenlang erzählen, und ich wurd nich mied zuzuheeren. Gute, alte Frau, Du lebst weiter in meine Erinnerung! — Iebrigens war ich vor a paar Tage innes Nachbardorf wegen Kartoffel und da traf ich dem Bauer Urbschat, wo außem Stallupöner Kreis kommt. Er fiehrd seinem Dackel spazieren, wo er sich geradzig gekauft hädd. „Er is echt", sagd er stolz, „und hat fuffzig Mark gekostet!" „Na, ob se Dir da nich behumst haben", fragd ich, „er hat doch viel zu kurze Ohren". „Ja, e bissche kurz sind se ja, aber er hat doch so treie Augen". „De Schnauz is fier e echtem Dackel auch e bissche stumpf geraten". „Gewiss, se könnd spitzer und länger sein, aber sieh man, was er fier scheene krumme Fieße hat". „Weißt", meind ich, „scheen krumm sind ja de Fieße, aber fier fuffzig Mark doch viel zu kurz". „Ach was, de Hauptsach se reichen bis aufe Erd!" Damit gab er mir de Hand und zog mit seinem Dackel weiter. Was willst machen? Da kannst nuscht nich gegen sagen. Ich hädd auch mal e Dackel, der hädd auch kurze Ohren, e stumpfe Schnauz und kurze Fieße, aber dem hädd ich geschonken gekriegt, und bei alle seine Fehler hädd ich ihm auch fier hundert Mark niemals nich weggegeben. Jetz such ich einem kleinem Aff, weil ich Sonnabend als Leiermann aufem Fasloawend bei die Landsmannschaft gehen will. Eigentlich is einer ja all e bissche zu alt fier sone Sperenzchens, aber de Emma hat mir wochenlang geporrt, dass wir doch emal wieder untre Menschen gehen sollen. Und denn hat se mir auch wirklich rumgekriegt. Sie zieht sich als Auguste an, de Figur hat se ja dazu, und alles andere, was noch fehlt, muss se aus die alte Plossen inne Kommod rauskramen oder sich zusammenborgen. Vor Freid hat se gleich Waffeln gebacken, weil ich die so gern essen tu. Es geht wirklich nuscht ieber scheene, frische, knusprige Waffeln! Heechstens noch Räderkuchen, aber die kosten soviel Fett, sagt se. Waren Se auch aufem Fasloawend? Es is ja bestimmt nich so wie zu Haus, aber die Einheimische reden immer von unsere „kalte" Heimat. Die sollen mal sehen, wie warm wir Ostpreißen werden können, wenn wir mal aus uns rauskommen. In diesem Sinne grieße ich Sie aller herzlich! Ihr alter Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Foto: Riesige Elch- und Hirschgeweihe sind die Symbole der großen Ostpreußen-Schau im Marshall-Haus. Foto: Kindermann

 

Seite 15   Erfolgreiche Ostpreußen-Woche in Berlin. Ostpreußenschau auf der „Grünen Woche“ – Steglitz übernahm Patenschaft.

Zum 30. Male seit ihrem Bestehen beging Berlin im ersten Februardrittel im Gelände am Funkturm die „Grüne Woche“, jene Landwirtschaft- und Gartenschau, die sonderlich zur jetzigen Zeit bewährtes Bindeglied wird zwischen den Menschen des Ostens und des Westens. Mehr als eine halbe Million Besucher zählte diese Veranstaltung diesmal, und wenn man nur annähernd schätzen will, so beteiligte sich der Osten an diesem Besuch mit 50 und mehr Prozent.

 

Erstmalig seit ihrem Bestehen zeigte die „Grüne Woche" im bekannten Marshall-Haus im Freigelände des Funkturms eine „Ostpreußenschau". Sie war sozusagen die sichtbarste Spitze einer Ostpreußenwoche, die die Landsmannschaft Ostpreußen e. V. Berlin veranstaltete. Immer wieder zu Hunderten strömten die Besucher der „Grünen Woche" ins Marshall-Haus. Hier nahm man die Heimat so richtig mit vollen Zügen wieder einmal in sich auf. Naturgemäß auch mit wehem Herzen; denn was man den Ausstellungsstücken und Landschaftsbildern von damals und heute entnehmen konnte und musste, das war der geschlossene und untrügliche Eindruck, dass „unser Ostpreußen" dem Verfall preisgegeben ist. Bis auf ein paar Flecken auf der Landkarte, die eine spärliche Ausnahme machen. Mag es Allenstein sein oder Lyck; aber auch da fehlt es noch viel an dem, was einst Heimat und Herdstelle war.

 

Im Mittelpunkt der Schau im Marshall-Haus stand ein naturgetreues Modell der Marienburg im Maßstab 1:100. Sodann wurde an zahlreichen Bildtafeln gezeigt und erläutert, was den heutigen Gang der Geschichte erkennen lässt. Insbesondere wurde das an dem Beispiel des Dorfes Wiese im Kreise Mohrungen veranschaulicht. Von den Einwohnern dieses Dorfes gelangten 31 v. H. westlich des Eisernen Vorhanges, 25 v. H. kamen in die Sowjetzone, 9 v. H. in die UdSSR, 7 v. H. sind verschollen und 28 v. H. wurden ein Opfer der Flucht.

 

Einst stand Ostpreußen mit seiner Milcherzeugung noch vor der Schweiz. Auch das wurde auf der Ausstellung rechtschaffen registriert, und da es sich in der „Grünen Woche" im Wesentlichen um eine Landwirtschaftsschau handelte, gab es auch für das Kapitel Milchwirtschaft mancherlei in Zahl und Statistik, was immer noch viel zu wenig bekannt ist, um vollgültig zu veranschaulichen, was wir mit unserer Heimat verloren haben. Das Land verfügte einst über ein Drittel des gesamtostdeutschen Rinderbestandes. Auf jeden Einwohner kamen 1935 jährlich 833 kg Milch. Die ostpreußische Pferdezucht galt als eine der besten in der Welt. Der ostpreußische Wald ... Viele neigten vor Demut ihr Haupt und gedachten der heimatlichen Seen und Wälder.

 

Es war indes nicht allein die Ausstellung im Marshall-Haus, die die „Ostpreußenwoche" ausgestalten half. Anderes trat hinzu, und es war nicht unwichtiger, indem es sich dahin zusammenfassen lässt, dass ein ebenso umfangreiches wie inhaltsvolles Kulturprogramm das Veranschaulichungsmaterial begründen und illustrieren half. Eine Berliner Schule führt beispielsweise die offizielle Bezeichnung „Ostpreußenschule". In ihrer Aula vermittelte nach einführenden Worten Professor Zastraus eine eigene landsmännische Gruppe Erinnerungen an den Dichterkreis um Simon Dach und Heinrich Albert, indes man im Rahmen eines Kammermusikabends am gleichen Platz Lieder und Musik aus Königsberg pflegte. Jensen, Nikolai, Goetz und andere standen auf dem Programm dieser genussvollen Stunden.

 

Dass dieser „Abend" in der Aula einer Steglitzer Gymnasialschule von statten ging, muss umso mehr mit Nachdruck betont werden, als sich der Bezirk Steglitz auch noch zu einem weiteren Schritt erbötig gezeigt hatte, sich in die Veranstaltungen der „Ostpreußenwoche" einzuschalten: Als siebente Landsmannschaft hat nunmehr auch Ostpreußen im Bezirk Steglitz seinen Patenschaftsbezirk gefunden, und Bürgermeister von Hansemann übernahm die Patenschaft in treue Hände. In einer machtvollen Kundgebung sah man unter den mehr als 400 Teilnehmern auch den ehemaligen Oberbürgermeister von Königsberg, Dr. Dr. Lohmeyer, Dr. Rojek, den Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes der Heimatvertriebenen, und Dr. Matthee (MdA) sowie zahlreiche Behördenvertreter. Dr. Matthee prägte während seiner Ansprache die Worte, dass das Vertriebenenproblem nicht nur ein Anliegen der Heimatvertriebenen oder der Ostdeutschen allein sei, sondern als ein gesamtdeutsches Problem behandelt werden müsse, und Dr. v. Hansemann vertiefte dieses Bestreben noch dahin, dass es in diesem Zusammenhang den Deutschen auch darum gehen müsse, „die Heimat auch geistig wieder in Besitz zu nehmen. Niemand wird sich damit abfinden, dass Königsberg, Stettin und Breslau nicht mehr deutsch sind und dass man das Land vergessen könnte, in dem man gelebt und gearbeitet hat, in dem man geboren wurde“.

 

Sonderlich in den Schulen diese Tradition zu pflegen, ist Aufgabe aller ihre Heimat mit vollem Herzen Liebenden. Das kam auch zum Ausdruck in einer Großveranstaltung im Auditorium maximum, wo u. a. der Bundesvorsitzende der LO, Dr. Alfred Gille, im gleichen Sinn zu den Ostpreußen sprach, und wo man mit großer Befriedigung feststellen konnte, dass die Belange der Ostpreußen nicht mehr allein eine Sache der Heimatvertriebenen, sondern dass sich darüber hinaus „ganz Berlin" an dieser Kundgebung beteiligte. W. Gr.

 

Seite 15   Bi Fasteldanz un Fastelbeer. Ostpreußen-Abende an der Volkshochschule Berlin-Steglitz.

Die im Rahmen der Patenschaft für Ostpreußen des Bezirks Berlin-Steglitz an der dortigen Volkshochschule veranstalteten Vortragsabende bringen seit Anfang November v. Js. eine sehr beifällig aufgenommene Vortragsreihe des Ehrenvorsitzenden im Bund heimattreuer Ost- und Westpreußen e. V., Erich Schattkowsky. Der Vortragende behandelt in seinen Referaten allgemein interessierende Fragen der ostpreußischen Landschafts- und Volkskunde, der Literatur- und Geistesgeschichte. Die Vorträge werden jedes Mal sinnvoll umrahmt von Gesangsdarbietungen der Konzertsängerin Alrun Bürkner, die mit ihrem weichen, klangvollen Sopran alte und neue Weisen der ostpreußischen Heimat eindrucksstark zum Vortrag bringt; am Flügel begleitet von Erich Schattkowsky, dessen eigene Liedkompositionen, darunter die „Lieder der Heimatvertriebenen“, besonders dankbar aufgenommen werden.

 

So hatte sich auch am 14. Februar in der Aula der Wirtschaftsschule Steglitz eine interessierte Hörerschar versammelt, die erfreulicherweise auch eine ansehnliche Zahl Nicht-Ostpreußen umfasste. Den Auftakt zu dem Thema des Abends

 

Bi Fasteldanz un Fastelbeer

bildete der Gesang des von dem Vortragenden vertonten Liedes „De Fasteldanz" von Erminia v. Olfers-Batocki. In umfassenden Ausführungen beantwortete der Vortragende alsdann drei Fragen:

 

1.     Wann feiert man Fastnacht?

2.     Wie feierte man Fastnacht in Ostpreußen?

3.     Warum feierte man dort gerade auf solche Weise?

 

Ganz anders als das westdeutsche Karnevalstreiben und der süddeutsche Faschingstrubel, bei denen der ursprüngliche Sinn des Festes mehr und mehr verloren gegangen ist, verliefen die Fastnachtstage in Ostpreußen vom fetten oder Weiber-Donnerstag an über den russigen Freitag, den Sonntag Estomihi mit seinen bunten lärmenden Umzügen und sinnigen Heischegängen und den rasenden Montag bis zum übermütigen Ausklang am Fastnachtsdienstag. Hier waren alle brauchtümlichen Begehungen wie auch sämtliche Fastnachtsgestalten unveränderte Überlieferungen aus den ältesten Tagen des deutschen Volkstums, so dass uns weder der westdeutsche Karneval noch der süddeutsche Fasching, sondern allein das ostdeutsche Fastnachtstreiben die Frage nach Ursprung und Sinn der deutschen Fastnacht klar und eindeutig beantworten kann: Alle fastnachtlichen Gebräuche wie auch die Gestalten der fastnachtlichen Maskerade deuten Fastnacht als Vorfrühlingsfeier, als Fest der neu erwachenden, frühlingsverkündenden Natur. Und nur so sollte dieses Fest gesehen und gefeiert werden, und zwar jetzt auch fern der alten, verlassenen Heimat nur im althergebrachten, ursprünglichen Sinne in ehrfürchtiger Rückschau auf das überkommene Erbe der Väter.

 

In diesem Zusammenhang verwies der Vortragende auf die von ihm verfasste und im Mitte-Verlag Königsberg/Pr. 1939 erschienene Szenenfolge „Hopsa in die Fasnacht!"

 

Im Verlauf des Vortrags sang Alrun Bürkner ostpreußische Fastnachtsweisen, Tanz- und Frühlingslieder, darunter das Einzugslied der Bügeltänzer, die Polka .Gröttketeller“ („Flödatee, Flödatee, Mutta, mi deiht de Buuck so weh …“), den Ländler „De leewe Mond" und den Fastnachtstanz „Seht mal an mein rosa Kleid!". Die Sängerin, die in der vollendeten Beherrschung des ostpreußischen Plattdeutsch durch eine neue Seite ihres künstlerischen Könnens angenehm überraschte, erntete mit dem Vortragenden lang anhaltenden Beifall. Sy.

 

Seite 15   Ostdeutsche Woche in Soltau ein großer Erfolg. Dr. Lau sprach über das Thema „Der ostpreußische Mensch".

Die Schulen der Stadt Soltau veranstalteten vom 20. bis 27. Januar eine „Ostdeutsche Woche". In den Lehrplänen, in Vorträgen und Filmvorführungen und durch eine wohlgelungene, sehr stark besuchte Ausstellung wurde der verlorenen Heimatgebiete im Osten gedacht. Sorgfältig vorbereitet und vorbildlich durchgeführt, waren diese Veranstaltungen ein wertvoller Beitrag zum Kampf um unser Recht, der unseren Dank und unsere vorbehaltlose Anerkennung verdient. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn dieses Beispiel in allen deutschen Landen Nachahmung fände und von Jahr zu Jahr wiederholt würde.

 

Über den fröhlichen Ostpreußenabend, das „Bergfest" der „Ostdeutschen Woche", zitieren wir wörtlich den Berichterstatter der „Böhme-Zeitung/Soltauer Kreiszeitung": „Ostpreußen wird im Veranstaltungsrahmen der „Ostdeutschen Woche" ganz groß geschrieben. Nach dem (nicht in allen Teilen befriedigenden) Filmstreifen über das herrliche Land der Seen und Wälder war der dem ostpreußischen Humor gewidmete Mittwochabend in dem die Fülle der Besucher kaum fassenden „Stadt Bremen"-Saal ein wahrhaft durchschlagender Erfolg. Dr. Lau, durch seine langjährige Intendantentätigkeit am Königsberger Rundfunk ebenso bekannt wie durch seine schriftstellerischen Arbeiten, war der Erfolg dieses schönen Abends in erster Linie zu danken. Und wir möchten dem mit großer Herzlichkeit aufgenommenen Gast unseren ganz persönlichen Dank dafür aussprechen, dass er die auf den saftigen ostpreußischen Humor ausgerichtete Veranstaltung nicht auf billigen „Klamauk" abstellte, sondern in diesen fröhlichen Stunden den ostpreußischen Menschen in seiner ganzen Vielgestaltigkeit erstehen ließ. Ohne den mit vielen der selbstverfassten humorgeladenen und heiteren mundartlichen Gedichten köstlich ausgefüllten zweiten Teil des Abends auch nur im geringsten herabmindern zu wollen, erschien gerade den anwesenden Nicht-Ostpreußen (zu denen sich auch der Berichterstatter zählt) der einleitende Vortrag besonders aufschlussreich. Wie Dr. Lau den von der Sprache und Geschichte, vom Boden und der Landschaft, von den vielfältigen Blutströmungen und nicht zuletzt von der Arbeit geformten Ostpreußen in durchdachten, mit prächtigen anekdotischen Beispielen („Nuscht Neies in Insterburch!") gewürzte Darstellungen lebendig werden ließ, war schon eine rechte Freude für die aufgeschlossenen Zuhörer. Dass der Vortragende, scheinbar „so ganz nebenbei", eines seiner Hauptanliegen, über den festen Zusammenhalt seiner Landsleute hinaus die Notwendigkeit einer echten Gemeinschaft aller Vertriebenen und Einheimischen zu bewirken, mit Nachdruck hervorzuheben wusste, darf in unserer Betrachtung nicht unerwähnt bleiben. Angesichts solcher schönen Einleitung war es kein Wunder, dass neben der schallenden Heiterkeit und dem verdienten lauten Applaus auch etwas von den älteren Zuhörern ihre Anerkennung durch beifälliges Kopfnicken kundgaben. So, wenn Dr. Lau, der in seinen Vorträgen erfreulicherweise auf das stimmverfälschende Mikrofon verzichtete, von dem ostpreußischen Charakter als einem Abbild der besten Tugenden aller Stämme sprach oder in ganz wenigen Strichen die Schönheit der ostpreußischen Landschaft zeichnete.

 

Rektor Glatz, der die Leitung dieses Abends innehatte, gab in seinen herzlichen und launigen Begrüßungsworten der Freude über den guten Besuch Ausdruck. Dass er dem Kemlein-Quartett (an dessen zweiten Geigenpult der musische Schulleiter mitspielt) besonderen Dank für seine Mitwirkung sagte, war sicherlich allen Besuchern aus der Seele gesprochen. Mit etlichen fröhlichen Quartettsätzen des Jungen Mozart trugen die vier Musikanten wesentlich zum Gelingen des heiteren „Bergfestes" der Ostdeutschen Woche bei“.

 

Leer.

Auf der ersten diesjährigen Zusammenkunft der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen wurde berichtet, in welchem Zustande sich der unter russischer Verwaltung stehende nördliche Teil Ostpreußens befindet. Danach ist das Land eine starke russische Militärbasis geworden, die stellenweise ohne Zivilbevölkerung ist. Aus Feldern wurde durch Selbstbesamung Buschland, die Weiden versumpfen, Viehbestände und Bodenertrag sind sehr zurückgegangen. — Die Jahreshauptversammlung wählte folgenden Vorstand: 1. Sprecher Reinhardt, Stellvertreter Grenz, Kassenführer Wendt, Schriftführer König, Kulturreferenten Wormeck und Völker.

 

Bremerhaven.

 Studienrat Dr. Walter Petter, der 1. Vorsitzende des Bundes der Danziger in Bremerhaven, verstarb an den Folgen einer schweren Krankheit. Walter Petter ist am 15. April 1893 in Danzig geboren, wo er auch später als Pädagoge wirkte. In Bremerhaven gründete er nach dem Kriege die Ortsstelle der Danziger und regte an, einen Danziger Platz als Weihestätte zu schaffen. Die Einweihung am 16. Juni kann er nun nicht mehr miterleben.

 

Peine.

„Jeder Junge Deutsche muss wissen, dass das Land jenseits von Oder und Neiße urdeutsches Land ist!" Mit diesen Worten eröffnete Schulrat Handelmann in der Aula der Gunzelin-Mittelschule die „Ostdeutsche Woche", in der die Kinder mit Fleiß und Interesse vieles zusammengetragen haben, was vom deutschen Osten kündet. Aufsätze, Zeichnungen, Trachtengruppen, plastische Bildkarten, Schaubilder, Kurenkähne und ein Model des Oberländischen Kanals haben die Kinder verschiedener Schulen hergestellt und durch andere Modelle, Gegenstände und Bilder ergänzt, die von der Geschichte und Kultur des Landes zeugen.

 

Breloh.

Die Ostpreußen, Westpreußen und Danziger verschönten ihre diesjährige Jahreshauptversammlung mit dem traditionellen Fleckessen. — Einstimmig wurde der Vorstand wiedergewählt: 1. Vorsitzender Otto Drewke, 2. Dabginski, Schriftführerin Frau Erna Lietz, Hauptkassiererin Frau Erna Böhnke.

 

Bremen.

 Als Begegnungsstätte für Besucher und Flüchtlinge aus Mitteldeutschland und für die Landsmannschaften errichtete die Deutsche Bruderschaft ein „Deutsches Haus“ in Bremen mit Räumen für Vorträge und Geselligkeiten. Mitteldeutsche Besucher erhalten dort verbilligte Karten für Theater, Kino und Museen.

 

Bienenbüttel.

Volksschule und Vertriebenenverbände luden zu einer kulturellen Veranstaltung ein, die innerhalb der „Ostdeutschen Woche“ abgehalten wurde. Es kamen mehr Gäste, als die Räume in Kruskops Gasthaus fassen konnten. Vertriebenensprecher Hugo Niedrich gedachte der Toten beider Kriege und all derer, die noch in Unfreiheit leben. Konrektor Bornschein betonte, dass die Schulen mithelfen wollen, die Erinnerung an die Heimat wachzuhalten. Es wurden Tonfilme „Berlin und der 17. Juni „ und „Jenseits der Weichsel“ gezeigt, und die Kinder umrahmten das Programm mit Liedern und Gedichten.

 

Steinfeld.

Die evangelische Schule veranstaltete eine Ostdeutsche Stunde“, die von Fräulein Stacheit vorbereitet wurde. Die Kinder sangen ostpreußische und pommersche Lieder und erläuterten die vorgeführten Lichtbilder und erzählten Sagen aus Pommern und Ostpreußen. Ein weiterer „Ostdeutscher Abend ist für den 10. März geplant, an dem auch Farbaufnahmen gezeigt werden.

 

Schortens.

Die Landsmannschaften und die Lehrer in Schortens veranstalteten gemeinsam einen „Ostdeutschen Abend". In dem wappen- und fahnengeschmückten Raum trafen auch viele Einheimische mit den Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien zusammen. Als Leiter des Abends mahnte Rektor Karl Kunst, dass der deutsche Osten nicht nur die Menschen angehe, die dort zuhause waren, sondern er sei die brennende Lebensfrage unseres ganzen Volkes. Menschen aus allen Teilen Westdeutschlands besiedelten und kultivierten von 700 Jahren den Osten. Die Grenzbeziehungen nach den beiden Weltkriegen erläuterte Lehrer Schanze anhand einer Wandkarte. Lichtbilder, Mundartvorträge und Lieder verschönten den Abend. Der NDR nahm diese Darbietungen für eine Sendung auf und trug selbst mit dem Hörspiel „Treck aus Ostpreußen" zum Programm des „Ostdeutschen Abends" bei.

 

Sulingen.

Der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen und Danzig, Dr. Matthee, weilte als Gast bei seinen Landsleuten in Sulingen. In seinem heimatpolitischen Vortrag betonte er den Idealismus und die Opferbereitschaft unserer Schwestern und Brüder jenseits der Zonengrenze und erklärte: „Wir dürfen niemals auf irgendwelche Gebiete des deutschen Ostens verzichten, denn auch wir haben ein Recht auf die Heimat". Oberkreisdirektor Dr. Brunow sprach über die gemeinsame Heimat aller Deutschen, das deutsche Vaterland. Die Königsbergerin Ingeborg Poßberg bot ernste und heitere Darbietungen in Vers und Prosa. Die Töpferin Renate Hohrath-Vesper, die jetzt in Hagen i. W. lebt, zeigte Kacheln mit ostpreußischen Wappen und Tiermotiven, Krüge und Tierplastiken. Eine weitere Ausstellung zeigte Bilder aus West- und Ostpreußen.

 

Lübbecke.

Der Faschingszeit Rechnung tragend, wurde die letzte Monatsversammlung als heimatliches Fastnachtsfest vorbereitet und durchgeführt. Ein Bäcker aus Ostpreußen lieferte die nötigen Pfannkuchen. Die Räume waren schnell gefüllt, und nach lustigen, frohen Stunden trennte man sich nur ungern zu „früher" Stunde.

 

Wolfenbüttel.

In der sehr gut besuchten Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen konnte auf eine rege landsmannschaftliche Arbeit im Berichtsjahr zurückgeblickt werden. Anlässlich des Landeshuter Bundestreffens in Wolfenbüttel konnte der Ortsverband General a. D. Hoßbach zu einem Vortrag über die „Letzte Verteidigung von Ostpreußen und Schlesien" verpflichten. Der Vortrag wurde auf Band aufgenommen und steht auf Wunsch anderen landsmannschaftlichen Gruppen leihweise zur Verfügung. Einen weiteren Höhepunkt bildete neben den monatlichen Treffen die Weihnachtsfeier, bei der eine Reihe bedürftiger Landsleute mit einem Geschenkpaket bedacht wurden. Zum ersten Vorsitzenden wurde Lm. Oberstleutnant a. D. Woltag, zum zweiten Vorsitzenden Lm. Dr. Feller gewählt. — Es wurde beschlossen, im Vereinslokal des Ortsverbandes das ostpreußische Wappen in künstlerischer Ausführung anzubringen.

 

Göttingen.

Wegen der Veranstaltungen am Rosenmontag ist eine Verschiebung der Monatsversammlung auf Montag, 11. März, erforderlich. An diesem Tage findet um 20 Uhr im großen Saal des Deutschen Gartens eine Filmveranstaltung statt, in welcher in Zusammenarbeit mit dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge der Tonfilm „Tobruk" und das Tonbild in Farbe „Gräber an den Straßen Europas" gezeigt werden.

 

Seite 16   Paul Hundertmarck 80 Jahre alt.

Fregattenkapitän a. D. Paul Hundertmarck vollendete am 1. März 1957 sein 80. Lebensjahr.

 

Hundertmarck entstammt einer alten ostpreußischen Familie, die schon in den ersten Gründungsjahren des Deutschen Ritterordens erwähnt wird. Geboren wurde er in Insterburg (Ostpreußen). Er besuchte dort das humanistische Gymnasium. Nach dem Abitur trat er in die kaiserliche Marine ein. Im 1. Weltkrieg diente er bei der Torpedowaffe und war zuletzt Chef einer Flottille. Nach 1918 nahm er seinen Abschied und bewirtschaftete das Gut Wittgirren bei Insterburg. Dort galt sein besonderes Interesse der ostpreußischen Pferdezucht. Lebhaft betätigte er sich in der Zeit zwischen den beiden Kriegen in der Landwirtschaft und den Bauernverbänden seiner engeren Heimat.

 

In sein Familienleben griff der 2. Weltkrieg hart ein. Sein ältester Sohn fiel als Oberst in Italien. Seine einzige Tochter starb auf der Flucht. Wie alle seine Landsleute wurde auch er von Haus und Hof vertrieben.

 

Kaum aber hatte er eine notdürftige Bleibe in Kummerfels (Holst.) gefunden, so begann er für die Rechte der Vertriebenen zu kämpfen. Schon vor der Gründung der Landsmannschaft fing er an, seine Landsleute nach Kreisen zu sammeln, ermahnte sie, der Heimat treu zu bleiben, an die Rückkehr zu glauben und dafür zu kämpfen. Somit wurde er der eigentliche Gründer der ostpreußischen Landsmannschaft. Darüber hinaus nahm er Verbindung mit den Vertriebenen aus andern Provinzen auf, korrespondierte mit den Führern der einzelnen politischen Parteien und verhandelte mit den Besatzungsbehörden. Dies alles zu einer Zeit, als der Zusammenschluss der Vertriebenen noch nicht erlaubt war. In seinem Besitz finden sich Briefe und Dokumente, deren Wert man erst erkennen wird, wenn einst die Geschichte dieser furchtbaren Vertreibung geschrieben wird.

 

Gewiss hat auch er bei seinem rastlosen Bemühen manche Enttäuschung erlebt. Manches, was er erhofft hatte, ging nicht in Erfüllung, manches wurde ihm nicht mit Dank gelohnt. Aber trotz Rückschlägen bleibt er der Aufgabe, die er sich selber gestellt hat, treu.

 

Seite 16   Kulturelles Erbe muss lebendig bleiben. Chorleitertagung im Funkhaus Köln — Espelkamp gibt Beispiel.

Zum dritten Mal seit seinem Bestehen hatte der Verband der Ostdeutschen Chöre im VdL Nordrhein-Westfalen zu einer Dirigententagung im Funkhaus Köln eingeladen, die von 40 Chorleitern besucht wurde. Der Zusammenschluss der Ostdeutschen Chöre hat sich schon in der kurzen Zeit als sehr fruchtbar erwiesen. Abgesehen von dem kameradschaftlich, menschlichen Zusammenhalt, erhält der Einzelne viele Anregungen für seine Arbeit durch die Empfehlungen geeigneter Chorwerke und die gemeinsamen Chorkonzerte. Der erste Vorsitzende Dr. Schnabel, Viersen, betonte, dass in den letzten Jahren das Bedürfnis, das heimatliche Lied zu pflegen, sehr stark geworden sei, und dass daher die Zahl der Vertriebenen-Chöre stetig zunehme. In Nordrhein-Westfalen sind es mehr als 120 Chöre, die sehr aktiv sind. Erfreulich waren die Berichte der Bezirksvorsitzenden der Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Düsseldorf. In den Bezirken Aachen und Köln ist es allerdings noch sehr still, während im Bezirk Münster nun auch die ersten Arbeiten für einen Zusammenschluss der Chöre beginnen.

 

Im Anschluss an die Vollversammlung, in welcher beschlossen wurde, diese Tagung nur alle zwei Jahre stattfinden zu lassen und dafür öfter Bezirkstagungen einzurichten, hielt Dr. Speer einen sehr anregenden Vortrag über die Eichendorff-Chöre, die zur Zeit zugänglich sind. Dr. Speer ist der Leiter der Sammlung ostdeutscher Chorwerke. Er besprach in eindringlicher Form die Werke, die Eichendorffsche Texte vertonen, angefangen von den großen Kantaten eines Reger, Pfitzner, Kurt Thomas und Rich. Strauß und den kleineren Liedcyklen von W. Burghardt, Karl Kraft usw. bis zu den volksliedhaften a-capella-Kompositionen eines Lahusen, Gneist, Rein usw.

 

Am Sonntagmorgen erläuterte Prof. Strecke seine künstlerische Entwicklung, soweit sie sich auf die Chorkomposition bezieht. Prof. Strecke ist eine ausgeprägte Künstlernatur, in der sich modernes Musikertum mit traditionsgebundenem Schlesiertum verbindet. Prof. Strecke konnte auch einige Tonbänder mit seinen Chören vorführen, die von dem Aachener Kammerchor und dem Ostvertriebenen-Chor Herne besungen sind. Seine Kritik daran gab den Chorleitern wertvolle Hinweise zur Aus- und Aufführung seiner Musik. Für das Eichendorff-Gedenkjahr sind

vor allem seine Eichendorff-Chöre, die der Wortmelodie des Textes so ebenbürtig nachempfunden sind, hervorzuheben.

 

Am Nachmittag sprach Wolfgang Stumme, Espelkamp, über das Thema „Gedanken zur Jugendarbeit in den Chören und zur Lied- und Chorliedpflege". Er ging zunächst seiner eigenen Entwicklung nach, die von Anfang an dem Volkslied eng verhaftet war. Nach zehn Jahren Krieg und Gefangenschaft fand er in Espelkamp ein reiches Wirkungsfeld unter Menschen, die gleich ihm durch den Tiefpunkt des Lebens gegangen waren und dabei den Wert ihres inneren Besitzes erkannt hatten. Am Anfang der Arbeit in der Vertriebenen-Siedlung stand das Lied, und es steht auch heute noch im Mittelpunkt. Es bildeten sich bald Singkreise und Chöre, deren Liedpflege auch in die Umgebung ausstrahlte. Aus der Chorarbeit wanderte das Lied auch in die Schulen, die bewusst die musische Erziehung pflegen, um das aktive Musizieren in unserer Welt der technischen Apparate zu erhalten. Noch ist das Lied da und kann gelebt werden! Die Welt des Jazz ist heute die Welt der Jugend, wenigstens zum größten Teil. Stumme bezeichnete diese Welt nur als eine Durchgangszeit, nach der die Jugend wieder zu der Welt der Vergangenheit, der Heimat und ihrer Kultur zurückfinden wird. Deshalb ist es so wichtig, dass die Jugend erfasst wird. Das häusliche Singen muss wieder zum Zentralpunkt für das chorische Singen werden. Die Atmosphäre des Probenabends muss so sein, dass der Jugendliche sich angezogen fühlt und zum Bleiben bewogen wird.

 

Die Tagung schloss mit Worten von Dr. Strecke, dem Landeskulturwart: „Die Pflege des ostdeutschen Kulturgutes ist darum so wichtig, weil wir dadurch das Deutschtum der verlorenen Gebiete beweisen. Darum ist die Choraufgabe so dringend — sie soll nicht nur ein künstlerisches Anliegen sein. Wir wollen einst zurückkommen mit dem, womit wir fortgegangen sind“.

 

In einer Aussprache wurden dann noch die wertvollen Anregungen durchgesprochen, die jeder der Teilnehmer für seine Arbeit mit nach Hause nehmen konnte. Für die Gestaltung der Eichendorff-Feiern wurde Ilse-Gred Schotten, Ibbenbüren, als Sängerin und Rezitatorin empfohlen. M. J.

 

Seite 16   Hoffnungsvoller Neubeginn in Kettwig.

Die Gruppe in Kettwig war Jahre hindurch das Versuchsfeld sich gegenseitig befehdender „Funktionäre". Im letzten Jahr konnte nun aus kleinsten Anfängen in zäher Kleinarbeit eine Ortsgruppe geschaffen werden, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, hinter der organisatorischen Mauer, in deren engen Begrenzung leider viel zu viel Kräfte verzettelt werden, das größere Ziel nicht aus dem Auge zu lassen, die Arbeit für Heimat und Recht.

 

Erfreulich, dass es hier auch gelungen ist, die Jugend für diese Ziele zu gewinnen. Das zeigte kürzlich erst wieder der erstaunlich hohe Prozentsatz der jugendlichen Besucher bei dem monatlichen Heimatabend der Ost- und Westpreußen.

 

Lm. Pommeranz, der Leiter des BVD-Ortsverbandes, begrüßte die Landsleute und vor allem die auswärtigen Gäste, die bis von Velbert und Breitscheid der Einladung gefolgt waren. Lm. Dorn, in dessen bewährten Händen die Gestaltung des Abends lag, sprach über die preußische Heimat. Die Preußen müssten sich endlich wieder sammeln, wobei er Preußen weniger der Geburt nach als aus Haltung und Gesinnung verstanden haben will. Scharnhorst und Freiherr vom Stein seien ein Beispiel dafür.

 

Seesen.

Frohsinn und Stimmung herrschten wieder bei der Fastnachtsfeier der großen Heimatfamilie der Ost- und Westpreußen am 2. Februar lm vollbesetzten Festsaal des Ratskellers. In pausenlosem Wechsel, begleitet von der Ansage des Lm. Scharnach rollte das Programm ab: Gemeinschafts- und Sologesänge, Duette, Sketche und heitere, teils mundartliche Vorträge.

 

Zu Beginn des Abends konnte der Kreisobmann den 72-jährigen Spätaussiedler Gustav Nitsch, der kürzlich aus Kraukeln, Kreis Lötzen bei seinem Sohne in Herrhausen eintraf, herzlich in der Mitte der Landsleute willkommen heißen und ihm einen Geschenkkorb überreichen.

 

Bayreuth.

Im Zuge seiner Vortragsreise konnte die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen Dr. Lau in ihren Reihen begrüßen. Was man von ihm als Mundartdichter und über seine Veranstaltungen an anderen Orten gehört hatte, hielt er in vollem Maße. Die Zuhörer kamen zwei Stunden lang nicht aus dem Lachen heraus. Gestalten und Begebenheiten aus Ostpreußen wurden durch seinen Vortrag lebendig, wie die Königsberger Fischfrauen etwa. Alles in allem: ein gelungener Abend. Man darf sich freuen, einen Vortragenden wie Dr. Lau, der in ostpreußischer Mundart selbst meisterhaft und unnachahmlich der heiteren Muse dient, in unseren Reihen zu wissen. Mit dem Dank und der Hoffnung, Dr. Lau bald wieder in Bayreuth zu sehen, schloss der Vorsitzende Dr. Dullek die wirklich gelungene Veranstaltung.

 

Gut eine Woche später versammelte sich die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen zu ihrem Faschingsvergnügen „Bowkes und Mariellkes" im Maiselbräu. Auch dies war ein gelungener Abend, bei dem Fröhlichkeit und Ausgelassenheit bis zur Polizeistunde regierten.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Ihre Verlobung zeigen an, Sigrid Keim, Hannover Bothfeld, Osterforth 14. Rolf Altmann, Isernhagen-Süd, Große Heide 10, früher: Königsberg/Pr.  2. März 1957

 

Unser lieber Turnbruder Fritz Wiechmann, ist nach schwerem Leiden am 5. Februar 1957 im 76. Lebensjahr zu Berlin verstorben. Eine Abordnung der dort lebenden Vereinsbrüder hat ihm das letzte Geleit gegeben. In Liebe und Treue zur Heimat war er Mitbegründer der Berliner Gruppe des KMTV und eine ihrer stärksten Stützen. Bis zuletzt hat er der Heimat und dem Turnertum die Treue gehalten. Über das Grab hinaus werden wir ihm ein treues Gedenken bewahren. Königsberger Männer-Turnverein von 1842.  Wilhelm Alm. Eduard Grigoleit.

 

Nach langem und schwerem, tapfer ertragenem Leiden verstarb am 26. Februar 1957 im 78. Lebensjahr zu Flensburg unser Erster Sprecher, der letzte Kreisvertreter des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft, Schulrat a.D. Fritz Babbel. Von Jugend an dem deutschen Turnen verschworen, hat er bis zum letzten Atemzuge in unverbrüchlicher Liebe und Treue zur Heimat mit der ihm ans Herz gewachsenen Turnerschar des deutschen Ostens Leid und Freud geteilt und noch vom Krankenlager aus sich für die Vorarbeiten zum nächsten Wiedersehenstreffen beim Deutschen Turnfest in München 1958 interessiert. Seinem Ruf folgend hat sich unsere Turnerfamilie nach der Vertreibung aus der Heimat 1947 zu einer turnerischen Gesinnungsgemeinschaft zusammengefunden, die sich neben der Pflege heimatlichen Brauchtums vor allem auch die Mitarbeit in ihrer neuen turnerischen Heimat als Aufgabe gestellt hat. In Liebe und Verehrung des teuren Entschlafenen teilen wir das Leid mit den schwer getroffenen Angehörigen. Unauslöschlich ist sein Andenken in die Annalen der deutschen Turngeschichte und in unsere Herzen eingetragen. In seinem Geiste wollen wir weiterhin arbeiten und zusammenstehen. Für die Turnerfamilie Ostpreußen Danzig-Westpreußen. Wilhelm Alm

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