Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1958

Ostpreußen-Warte

Folge 02 vom Februar 1958

 Seite 1   Im Namen der Menschheit. 9000 Wissenschaftler aus 44 Ländern fordern Einstellung der Atombombenversuche.

„Wir, die unterzeichneten Wissenschaftler fordern", so heißt es in einer Petition von über 9000 Wissenschaftlern aus 44 Ländern, „dass ein internationales Abkommen über die Einstellung der Versuche mit Kernbomben jetzt geschlossen wird. Jeder Kernbombenversuch verbreitet eine zusätzliche Last von radioaktiven Elementen über alle Teile der Welt. Jede Steigerung der Strahlungsmenge verursacht Schäden an der Gesamtheit des menschlichen Keimplasmas, die zu einer Steigerung der Zahl der Geburten von ernstlich geschädigten Kindern in kommenden Generationen führen. Solange diese Waffen nur in der Hand von drei Mächten sind, ist ein Abkommen über ihre Kontrolle möglich. Wenn die Versuche weitergehen und diese Waffen auch in den Besitz anderer Staaten gelangen, wird die Gefahr, dass durch die leichtfertige Tat eines unverantwortlichen nationalen Führers ein alles vernichtender nuklearer Krieg begonnen wird, beträchtlich verstärkt".

 

Unter den 9235 Unterzeichnern der Petition, die der amerikanische Nobelpreisträger Dr. Linus Pauling am vergangenen Montag dem Generalsekretär der Vereinten Nationen überreichte, befinden sich die Namen von 37 Nobelpreisträgern, darunter die der Deutschen Max Born (Nobelpreis Physik 1954), Werner Heisenberg (Physik 1932), Kurt Adler (Chemie 1950), Adolf Butenandt (Chemie 1939), Otto Hahn (Chemie 1944), Richard Kuhn (Chemie 1938), Adolf Windaus (Chemie 1928) und Gerhard Domagk (Medizin 1939). Auch Albert Schweitzer hat diese neue Petition gegen die Atombombenversuche mit unterschrieben.

 

Die Petition wurde ferner von 101 Mitgliedern der amerikanischen Akademie der Wissenschaften, von 35 Mitgliedern der Londoner Königlichen Wissenschaftlichen Gesellschaft und von 216 Mitgliedern der sowjetischen Akademie der Wissenschaften unterzeichnet. Pauling, der Initiator dieser Aktion, sagte vor der Presse, „die Wissenschaftler könnten diese Probleme nicht lösen, auf Grund ihrer Kenntnisse hätten sie jedoch die Pflicht, ihre Meinung zu Gehör zu bringen.

 

Die Hoffnung, dass diese dringende Warnung der wissenschaftlichen Elite der Welt von den Staatsmännern beachtet werden könnte, ist allerdings nicht groß. Obwohl kaum zu einer Zeit mehr Briefe zwischen den Regierungsoberhäuptern gewechselt worden sind als in diesen Tagen, war der Gegensatz zwischen der klaren Erkenntnis des drohenden Verderbens und der Automatik des Weiterrüstens nie erschreckender als gegenwärtig. Der Präsident der Bundesrepublik hatte in seiner Neujahrsansprache die Rückkehr zur Geheimdiplomatie vergangener Tage gefordert, weil er sich von sachlichen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen eher einen Fortschritt versprach; was wir in diesen Tagen erleben ist jedoch eine Konjunktur der Scheindiplomatie.

 

Das schlimme ist, dass sich die Völker an ihre propagandatreibenden Regierungschefs gewöhnen und selbst so eine ernste Warnung, wie die der führenden Wissenschaftler der Welt, nicht in ihrer Bedeutung voll erfassen. Dabei sollte allein schon die Tatsache, dass sich mehr als neuntausend Männer der Wissenschaft aus 44 Ländern zu diesem außergewöhnlichen Schritt verpflichtet fühlten, den Menschen begreiflich machen, in welcher Lage sich die Welt befindet.

 

Seite 1   Foto: Königsberger Schloss, Wahrzeichen deutscher Kulturleistung im Osten

Foto: Fischer.

 

Seite 1   Elbing: Das „polnische Herculaneum"

Berlin. Unter der Überschrift „Eine unbeliebte Stadt" schildert der Danziger Korrespondent der Warschauer Zeitung „Glos Pracy" einen Besuch in Elbing, das einen „überaus trostlosen Eindruck" mache, und für das offenbar „auf der Wirtschaftskarte von Polen kein Platz" sei. Obwohl im Jahre 1956, 2000 Geburten in Elbing registriert wurden, sinke die Zahl der Einwohner ständig. Der Vorsitzende des Elbinger Stadtrates erklärte dem Berichterstatter der Warschauer Zeitung, zu viele Einwohner hätten sich „noch nicht eingelebt" und warteten auf „die Erlösung, die sie aus Elbing wieder fortbringen soll". Überhaupt sei „ein ständiges Kommen und Gehen in der Stadt", die der polnische Journalist „merkwürdig unbeliebt, vergessen und von allen vernachlässigt" nennt. Die Stadtmitte werde allgemein das "polnische Herculaneum" genannt, weil sie immer noch ein einziger Trümmerhaufen sei.

 

Seite 1   Hauptquartier „Wolfs-Schanze" gegen Eintrittsgeld zu besichtigen

„Die Wolfsschanze", das ehemalige Hauptquartier Hitlers in Ostpreußen, kann von Schaulustigen jetzt gegen 1 Zloty Eintrittsgebühr besichtigt werden. Die Behörden ließen vor der Freigabe umfangreiche Aufräumungsarbeiten durchführen und Minenfelder in der Umgebung beseitigen. Der Andrang der Besucher ist so groß, dass an Sonntagen Milizbeamte eingesetzt werden müssen, um den Strom der Menschen zu regeln. Auch Fotografieren wurde von den Behörden gestattet. Außer den nackten Bunkeranlagen ist nicht mehr viel vorhanden, was an das Hauptquartier erinnern könnte. Elektrisches Installationsmaterial, das in überreichem Maße dort vorhanden war, ist von der Bevölkerung der näheren Umgebung völlig entfernt worden.

 

Seite 1   900 000 leben in Nord-Ostpreußen

Hamburg. Im nördlichen Teil Ostpreußens, dem unter sowjetischer Verwaltung stehenden sogenannten „Kaliningrader Gebiet", leben gegenwärtig rund 900 000 Einwohner. Dies geht aus den in der Sowjetpresse veröffentlichten Wahlkreisen für die bevorstehenden Wahlen zum Obersten Sowjet hervor. Für dieses Gebiet wurden drei Wahlkreise und damit drei Kandidaten für die Sitze im Unionssowjet aufgestellt in den ein Abgeordneter für je 300 000 Einwohner gewählt wird. Auch im letzten Obersten Sowjet, dessen Wahl Anfang 1954 stattfand, waren für das nördliche Ostpreußen drei Delegierte gewählt worden. Die Wahlkreise sind Königsberg I (Kaliningrad-Stadt), Königsberg II (Kaliningrad-Land), und Insterburg, das sowjetische Tschernjachowsk.

 

Seite 1   Die Türen offenhalten. Von Fritz Erler, MdB

Es wird zwar nahezu überall verkündet, dass man die politischen Probleme unserer Zeit nicht mehr mit militärischen Mitteln meistern könne, von dieser Erkenntnis bis zu ihrer praktischen Verwirklichung scheint aber ein sehr weiter Weg zu sein; denn in Ost und West geht die Erprobung neuer Vernichtung bringender Waffen weiter, wird das Atomwettrüsten nunmehr auch auf das Wettrüsten mit Fernraketen ausgedehnt.

 

Beide Seiten betonen ihre Verhandlungsbereitschaft — und erhöhen inzwischen ihre militärische Schlagkraft. Zu welchen Zielen eigentlich? Der Vorrat an Vernichtungswaffen auf beiden Seiten ist so groß, und die Mittel, mit ihnen den Gegner tödlich zu treffen, sind so entwickelt, dass man die gesamte Menschheit in wenigen Stunden völlig auslöschen kann.

 

Wenn überhaupt ein Ausweg aus dem Atomwettrüsten, das nur zur Katastrophe führen kann, gefunden werden soll, dann darf man es jetzt nicht verschärfen. Jede Hoffnung auf ein vernünftiges Abkommen unter den jetzigen Atommächten wird zunichte, wenn das Atomwettrüsten auch auf diejenigen Staaten ausgedehnt wird, die heute noch nicht an ihm teilnehmen. Diese Erkenntnis und wohl auch die von der Gefährlichkeit ihrer Lage in der Nähe der Sowjetunion hat Dänemark und Norwegen veranlasst, die Ausstattung ihrer Arme mit Atomwaffen und Mittelstreckenraketen und die Anlage entsprechender Basen auf ihrem Boden zu verweigern. Es ist bedauerlich, dass sich die Bundesregierung nicht zu einer gleichen klaren Haltung für die Bundesrepublik Deutschland entschließen konnte.

 

Sie hat es vorgezogen, einfach dem Grundsatzbeschluss der Atlantikorganisation über die Einführung von Mittelstreckenraketen und die Anlage entsprechender Basen zuzustimmen und die Anwendung dieses Beschlusses den künftigen Erörterungen der Militärs vorzubehalten.

 

Dabei ist es offensichtlich, dass die Verwandlung der Bundesrepublik in eine Abschussrampe für Raketen mit einer Reichweite bis in das Herz der Sowjetunion hinein im Konfliktfall die Bundesrepublik nicht schützt, sondern furchtbaren neuen Gefahren aussetzt. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass diese Politik das Wettrüsten der beiden Machtblöcke auf deutschem Boden verstärkt und infolgedessen die sowjetischen Truppen ganz gewiss in Deutschland und auch in den von ihnen besetzten außer-russischen osteuropäischen Staaten festhält.

 

Die Bundesregierung hat sich noch nicht dazu entschließen können, an jener weltweiten Diskussion teilzunehmen, die jetzt um die Möglichkeit einer elastischeren und beweglicheren westlichen Politik geführt wird. „Erkundungsvorstöße“, mit denen der Bundeskanzler die Absichten des Bulganin-Briefes angeblich zu ergründen hofft, sind wertlos, wenn sie nur ein Alibi zur Fortsetzung des Atomwettrüstens sind. Ernsthafte Gespräche mit der Sowjetunion haben nur Sinn, wenn man bereit ist, die Kernfrage auf europäischem Boden, die Frage des militärischen Status des wiedervereinigten Deutschlands zu erörtern. Solange diese Bereitschaft nicht besteht und man lediglich an die Sowjetunion Appelle richtet, in die Abrüstung und die Wiedervereinigung einzuwilligen, kann aus den Verhandlungen kaum etwas herauskommen.

 

Man sollte endlich einsehen, dass die Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Knechtschaft viel mehr ist als ein rein militärisches Problem. Das Zeitalter der Kolonialherrschaft in der Welt geht zu Ende — und zwar zeigt sich die Brüchigkeit eines aufgezwungenen Kolonialregimes im Machtbereich der alten europäischen Kolonialstaaten genauso wie im Machtbereich der neuen Kolonialmacht, der Sowjetunion.

 

Es ist nötig, dass wir mit größter Wachsamkeit die kommende Entwicklung verfolgen, damit nicht die blinde Fortsetzung der Politik des Wettrüstens der Katastrophe zutreibt oder zumindest die Aussichten für die Lösung der politischen Probleme, darunter auch unseres nationalen Problems der Wiedervereinigung Deutschlands, völlig zerschlägt. Die Türen offenhalten — das ist das wichtigste, was es zu tun gilt. (DIE BRÜCKE, München)

 

Seite 2   Schwerpunkte der Vertriebenenpolitik. Auszahlung der Hauptentschädigungsauszahlung an vorderster Stelle — Neues Siedlungsgesetz.

Bonn. Im „Deutschland-Union-Dienst", dem offiziellen Pressedienst der CDU/CSU, stellte der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte unter den vielfältigen Aufgaben der künftigen Vertriebenenpolitik sechs Schwerpunkte in den Vordergrund:

 

1.     Die Beschleunigung der Auszahlung der Hauptentschädigung aus dem Lastenausgleich mit dem Ziel, besonders die alten Menschen, die keine Möglichkeit haben, sich eine neue Existenz zu gründen, bald in den Genuss der Entschädigungsleistungen kommen zu lassen. Nach den Erklärungen Prof. Oberländers hat das Vertriebenenministerium bereits in den ersten Wochen nach der Neubildung der Regierung Schritte eingeleitet, um eine Vorfinanzierung zu erreichen.

2.     Weitere Ansiedlung vertriebener und geflüchteter Bauern. Der Minister weist dabei auf die Vorbereitung eines neuen Siedlungsgesetzes hin, das noch im Frühjahr den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden soll.

3.     Beschleunigung des Wohnungsbaues. Nach Ansicht des Ministers muss insbesondere die Lagerzeit der Altvertriebenen, der Aussiedler und der Flüchtlinge aus der Sowjetzone abgekürzt werden.

4.     Stabilisierung des neuen Mittelstandes der Vertriebenen. Wie Prof. Oberländer betont, müssen sich die Förderungsmaßnahmen auf jene Betriebe konzentrieren, die ihrer wirklich bedürfen. Dazu sei erforderlich, dass diejenigen, die bereits zu einer gesicherten Existenz gekommen sind, die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln nicht mehr in Anspruch nehmen. Nur so könnten die Kräfte und Mittel gewonnen werden, um denen zu helfen, deren Existenz nicht gesichert ist.

5.     Zusammenfassung der kulturpolitischen Arbeit. Hierzu ist es nach Auffassung des Ministers erforderlich, die Tätigkeit der verschiedenen Organisationen zu koordinieren. Der Zusammenschluss der Vertriebenenverbände werde dazu beitragen, dass Hilfen aus öffentlichen Mitteln zu einer breiteren Aktivierung der Kulturarbeit führen.

6.     Sicherung der schulischen und beruflichen Ausbildung der Jugend. Wie Prof. Oberländer betont, solle insbesondere den jugendlichen Aussiedlern durch weitere Förderschulen hinreichend die Möglichkeit zur Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse und zur Unterrichtung über die geistige Welt des Westens gegeben werden. Minister Oberländer gibt der Hoffnung Ausdruck, dass die großen Aufgaben in Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit den Verbänden der Geschädigten gelöst werden können. „Diese Aufgabe geht das ganze deutsche Volk an, und ihre Lösung dient zugleich der Wiedervereinigung“.

 

Seite 2   Polnische Ortsbezeichnungen aus Postgründen?

Vatikan. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa verbreitet am Mittwochabend eine Stellungnahme aus dem Vatikan, in der die deutschen Befürchtungen wegen der im neuen amtlichen päpstlichen Jahrbuch getilgter ostdeutschen Städtenamen als „völlig unbegründet“ zurückgewiesen werden. Im päpstlichen Jahrbuch 1958 sind mit Ausnahme von Schneidemühl alle deutschen Ortsnamen der unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiete durch polnische Ortsbezeichnungen ersetzt. Für Breslau wählte man die italienische Bezeichnung „Breslavia". Erklärt wird die Änderung mit einer offiziellen Anmerkung, dass lediglich „postalische Erfordernisse" dafür ausschlaggebend gewesen seien.

 

Seite 2   Deutsche Wahlkandidaten in Polen

Wie die deutschsprachige Breslauer „Arbeiterstimme" meldet, wurden für die Wahlen der örtlichen Verwaltungsorgane, die am 2. Februar stattfinden, zahlreiche deutsche Kandidaten aufgestellt. In Schlesien wurden für die Deutschen besondere Wahlversammlungen abgehalten, wo sich die deutschen Kandidaten vorstellen. Sie befinden sich selbstverständlich alle auf der einzigen Liste der Nationalen Einheitsfront. Wie bei den Parlamentswahlen, können allerdings Streichungen vorgenommen werden.

 

Seite 2   Deutsche Schulen in Ungarn

Budapest. Die Deutschen in Ungarn hoffen, dass noch in diesem Jahr neue Schulen mit deutscher Unterrichtssprache eröffnet werden. Sie möchten vor allem, dass die Zahl ihrer Grundschulen erhöht wird und dass mit Beginn des neuen Schuljahres im September ein zweites deutsches Gymnasium den Lehrbetrieb aufnehmen kann. Außerdem denken sie daran, in Budapest ein zentrales Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache ins Leben zu rufen. Wie der Generalsekretär des „Demokratischen Verbandes der deutschen Werktätigen in Ungarn", Dr. Wild, erklärte, bietet die gegenwärtige ungarische Regierung alles auf, um deutsche Schulen ins Leben zu rufen. Der Verband, der die Interessen der rund 250 000 bis 300 000 Menschen umfassenden deutschen Volksgruppe in Ungarn wahrnehmen soll, wurde 1955 ins Leben gerufen. Er ist eine Gründung von oben.

 

Seite 2   Polen kritisiert Adenauer

Das polnische Regierungsorgan „Trybuna Ludu" beantwortet die ablehnende Haltung der deutschen Bundesregierung gegenüber dem Rapacki-Plan mit einem Artikel, in dem es u. a. heißt:

 

„Zweifellos wäre eine universelle Entspannung und Abrüstung besser als eine atomwaffenfreie Zone. Unserer Ansicht nach wäre aber die 'Ent-Atomisierung' von 800 000 Quadratkilometern Land in Europa nicht gegen eine universelle Abrüstung gerichtet, sondern im Gegenteil ein wertvoller Beitrag dazu. Und zahlreiche westliche Politiker sind der Ansicht, dass der Rapacki-Plan ein wichtiger, notwendiger und nützlicher Beitrag zur Entspannung ist. Es ist schwer, dem Eindruck zu entgehen, dass die offensichtliche Schwäche des vom westdeutschen Regierungschef Adenauer vorgebrachten Arguments aus nichts anderem als der Tatsache resultiert, dass die deutsche Regierung ihre Armee mit Kernwaffen ausgerüstet sehen möchte. Deshalb schenkt die westdeutsche Regierung der Logik wenig Aufmerksamkeit, wenn sie den polnischen Plan angreift, der gerade dies verhindern will“.

 

Seite 2    Polnische Pässe teuer

Die Kosten für polnische Auslandspässe sind aufgrund einer im Januar in Kraft getretenen Verordnung des Ministerrates bedeutend gestiegen. Ein Auslandspass für europäische Länder z. B. kostet jetzt 3000 und für außereuropäische Länder 5000 Zloty. Für eine Passverlängerung wird zudem ein Aufschlag von 50% berechnet. Außerdem muss bei einem einmaligen Grenzübertritt zusätzlich ein Betrag von 2000 Zloty gezahlt werden.

 

Seite 2   Wieder Westpreußen-Bundestreffen in Bochum

Wie die Landsmannschaft Ostpreußen will auch die Landsmannschaft Westpreußen in diesem Jahre wieder ein Bundestreffen in Bochum veranstalten, und zwar am 28. und 29. Juni. Dieses wurde auf einer Bundesvorstandssitzung und Arbeitstagung beschlossen, die in der Zeit vom 10. bis 12. Januar unter Vorsitz von Dr. Kohnert, dem Sprecher der Lm. in Lübeck stattfanden. Nach einem sehr aufschlussreichen Bericht des Sprechers über die politische Lage berichtete Dr. Lippky über den Stand der Gesamterhebung der Heimatvertriebenen und ihre große Bedeutung für die Lm. Daran anschließend wurde die Heimatortskartei der Lm. besichtigt. Kamberg, der Leiter dieser Kartei, erläuterte die fast 500 000 Karten umfassende Sammlung mit Anschriften nach dem neuesten Stand, einschließlich von allein 78 000 Ummeldungen innerhalb des letzten Jahres.

 

Über das Deutschtum in Westpreußen referierte der Historiker Dr. Neumeyer, und Frau Froese berichtete über eine kürzlich unternommene Reise durch einige westpreußische Städte. Einen breiten Raum innerhalb der zahlreichen Diskussionen nahmen die Aufgaben der Landesgruppen nach der Einigung von VdL und BvD zu dem neuen Gesamtverband ein.

 

Vom 14. bis 16. März findet in der Ostdeutschen Akademie in Lüneburg eine zweite Heimatpolitische Arbeitstagung statt, die von zahlreichen Nachwuchskräften aus den westpreußischen Heimatkreisen beschickt werden soll. In der Durchführung solcher Tagungen erblickt der Bundesvorstand der Lm. Westpreußen eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft.

 

Seite 2   Wegweiser Richtung Heimat

Bremen. Wegweiser nach ostdeutschen Städten werden an den östlichen Ausfallstraßen von Bremen und Bremerhaven aufgestellt, beschloss die Bremer Bürgerschaft einstimmig. Dadurch sollen alle Verkehrsteilnehmer an die noch immer bestehende Teilung Deutschlands erinnert werden. Auf den Straßenschildern, welche an den amtlichen Wegweiser-Säulen angebracht werden, sollen die Namen von Königsberg. Stettin, Breslau und anderen ostdeutschen Städten, zusammen mit den jeweiligen Entfernungen in Kilometern verzeichnet sein. Bremen folgt damit dem Beispiel von Berlin, wo schon seit mehreren Jahren derartige Wegweiser nach Ostdeutschlands Städten stehen.

 

Seite 2   „Ostdeutsche Heimatstube" in Heidelberg

Der Stadtrat von Heidelberg wird sich demnächst mit einem Vorschlag befassen, im Rahmen der Stadtbücherei, deren Neubau bevorsteht, eine „Ostdeutsche Heimatstube" mit einzurichten. Die Vorschläge, die sich auf eine Anregung des Bezirksvorsitzenden von Nordbaden der Landsmannschaft Schlesien, Gerhard Fischer, stützen, wurden hierzu von einem in Heidelberg lebenden Schlesier ausgearbeitet. Sie gehen auf ein Schreiben des Bezirksvorsitzenden zurück, das dieser an den Heidelberger Oberbürgermeister mit der Bitte gerichtet hat, in der Stadt Heidelberg eine „Ostdeutsche Heimatstube“ einzurichten.

 

Seite 2   Gründung eines „Allgemeinen Deutschen Kulturverbandes"

Die Gründung eines „Allgemeinen Deutschen Kulturverbandes" mit Sitz in Wien, dessen Tätigkeit sich auf das ganze Gebiet der Republik Österreich sowie auf das Ausland erstrecken soll und dem Vertreter aller deutschen Kulturbereiche sowie aller deutschen Siedlungsgebiete angehören sollen, ist jetzt in Wien vorbereitet worden. Der Verband, für dessen Gründungsausschuss Dr. Mirko Jelusich, P. Bernhard Tonko und Dr. Friedrich Nelböck zeichnen, gründet seine Tätigkeit auf das Bewusstsein der kulturellen Verbundenheit aller deutschen Volkszugehörigen in der Welt und auf ihren Willen, diese Verbundenheit zu pflegen und so das reiche Erbe deutscher Kultur zu bewahren und zu mehren. Er bezweckt daher die Erhaltung und Förderung der deutschen Kultur daheim und in aller Welt den Schutz des deutschen Volksrums, wo immer es gefährdet ist sowie die Pflege des Kulturaustausches mit anderen Völkern.

 

Seite 2   Aktivierung der deutschen Ostpolitik. Ein Vorschlag aus dem osteuropäischen Exil.

München. Eine Begegnung deutscher und polnischer Wissenschaftler als erster Schritt und gangbarer Weg dazu, dass Deutschland und die Länder des sog. Ostblocks zumindest in ein Gespräch miteinander kommen, regt die von dem ungarischen Emigranten István Jákli herausgegebene „Donau-Presse" (Köln, München) als Vorschlag zur Aktivierung der deutschen Ostpolitik an.

 

„Wir sind uns darüber im klaren", so bemerkte Jákli in seiner Korrespondenz einleitend dazu, „dass wir uns als Gäste des deutschen Volkes in die Diskussion um Fragen deutscher Ostpolitik nicht einmischen dürften. Für uns ist es eine Frage des Anstandes und des Geschmacks, bei den innerpolitischen deutschen Auseinandersetzungen neutral zu bleiben, selbst dann noch, wenn es in diesen Auseinandersetzungen um eine für uns so lebenswichtige Frage geht, wie die Ostpolitik der deutschen Bundesrepublik. Andererseits dürfen wir aber nicht still bleiben und betrachten es sogar als unsere Pflicht, unsere Gedanken und Vorschläge vorzulegen, um andererseits dazu beizutragen,, das deutsche Gewicht in der internationalen Politik zu mobilisieren“.

 

Zu der so angeregten Begegnung selbst heißt es dann, dass ein solches Gespräch natürlich nicht Politiker führen könnten und dürften, sondern Sachverständige und Wissenschaftler, ähnlich der Begegnungen, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zwischen deutschen und französischen Geschichtswissenschaftlern stattfanden, um eine möglichst objektive Darstellung der geschichtlichen Entwicklung beider Staaten und ihrer Beziehungen zueinander zu erreichen. Es wäre ratsam, klug und hoffnungsvoll, so betont die Korrespondenz, diese Begegnungen auszudehnen und in der nächsten Zukunft deutsche und polnische Wissenschaftler zusammenzubringen, um einmal rein wissenschaftlich die zwischen Deutschland und Polen bestehenden Probleme durchzuarbeiten. Und weil Deutschland größer, reicher und mächtiger sei, sollten deutsche Geschichtswissenschaftler die Initiative ergreifen und ihre polnischen Kollegen zu einem Gespräch einladen.

 

Seite 2   Verstärkte polnische Propaganda in den USA.

Chicago. Die Organisation der Amerikaner polnischer Herkunft entfalten in letzter Zeit eine verstärkte Propaganda für die polnischen Ansprüche auf die ostdeutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße. In Chicago ist ein „Polnischer Verband für die Westgebiete" gegründet worden, der ein eigenes Presse-Bulletin herausgibt. Die Landesgruppe Arizona des „Kongresses der Amerika-Polen" bestellte einen Ausschuss für Angelegenheiten der Oder-Neiße-Gebiete, der ebenfalls ein Bulletin in englischer Sprache verbreitet. Außerdem will man Karten und „Dokumente" herausgeben, die den „urpolnischen Chrakter" Ostdeutschlands „beweisen" sollen.

 

Seite 2   Pressespiegel.

Einen Anfang machen

Die weltpolitische Lage ist in den letzten Jahren düsterer und düsterer geworden. Die Phantasie der Völker und ihren Regierungen erschöpft sich immer mehr in dem einen Ziel, nämlich rüsten. In dieser Lage bot der Plan Rapackis einen ersten Ausweg dar, keine endgültige Lösung, aber den Beginn dazu. Endgültige Lösungen wird es noch lange nicht geben. Aber irgendwo und irgendwie muss ein Anfang gemacht werden. Wohl weisen alle deutschen, schweizerischen und amerikanischen MacCarthys mit gutgespieltem Grausen darauf hin, dass es sich um einen bolschewistischen Vorschlag handelt. Als wenn der Satz, dass zwei mal zwei, vier ist, dadurch Gültigkeit verlöre, dass er auch an bolschewistischen Schulen gelehrt wird. Der Rapacki-Plan war ein Anfang dafür, die weltpolitischen Spannungen zu mildern. Er schlug breite Löcher in den Eisernen Vorhang. Er brachte das westliche und das östliche Mitteleuropa einander näher. Da der Westen so viele konservative, liberale, sozialdemokratische, katholische, protestantische Vorschläge verworfen hat, blieb der des Nationalkommunisten Rapacki als einzige Möglichkeit dafür übrig, in absehbarer Zeit einen ersten Schritt zur Beendigung des Kalten Krieges und zur deutschen Wiedervereinigung zu finden“. DIE WELT, Hamburg.

 

Atombasen ziehen an

Das meiste, was öffentlich — etwa von Sprechern der Bundesregierung — an Kritik gegen den Rapacki-Plan geäußert worden ist, wirkt nicht sehr überzeugend. Dem Einwand des Herrn von Eckhardt zum Beispiel, dass ja ein Gebiet ohne Atomwaffen jederzeit dem atomaren Beschuss von außerhalb preisgegeben sei, ist Bulganin bereits in seinem jüngsten Begleitschreiben zu einem Memorandum zuvorgekommen. Sein Argument, es bestünde in einem solchen Falle ja auch keine militärische Notwendigkeit, ein solches Land anzugreifen, und außerdem könne die Atomneutralität auch durch entsprechende internationale Garantien geschützt werden — dieses Argument ist auch dann nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn man nicht glaubt, dass die vom sowjetischen Ministerpräsidenten mit herangezogenen „Erwägungen moralischer und humaner Natur" gerade für Moskau im Ernstfall sonderlich schwer ins Gewicht fielen. — Auf der anderen Seite hat Bulganin aber das Exempel auch umgekehrt durchgerechnet. Dabei gelangt er zur Doktrin, „dass ein Staat, der sich verteidigt, sich vor die objektive militärische Notwendigkeit gestellt sehen kann, zwecks Verteidigung seines Volkes alle gegen ihn gerichteten Atombasen unschädlich zu machen, unabhängig davon, von wo die erste Salve des Angreifers abgefeuert wird“. Anders ausgedrückt: Atombasen ziehen Atomwaffen an, und wer eine solche Anziehung vermelden will, lasse die Hände davon." DIE ZEIT, Hamburg.

 

Als Hälften leben und leiden

„Das macht die Menschen östlich der Elbe still und besonnen — Hast würde ihnen nichts nützen, weil sie zu nichts führt. Besitzstreben würde sie nur verbittern, weil sie erfolglos bliebe. Sie sind „verinnerlicht", und aus dieser Haltung kommt die bittere Formel von der „Verflachung" der Bürger auf der Sonnenseite des „materiellen Wunders". In Leipzig schenkte man sich zu Weihnachten vielleicht einen kleinen geschnitzten Engel mit einer Kerze, wenn man in Essen eine Waschmaschine wählte. In Rostock geht man vielleicht einige Stunden spazieren, wenn man in Düsseldorf eine Autofahrt mit achtzig PS und im Hundertvierzig-Kilometer-Tempo absolviert. Aus dem äußeren Unterschied kommt die innere Distanz. — Dabei ist keine Seite gesund. Weder ist die Verklärung der Menschen in der Zone, deren Schlüssel der unverschuldeten Armut ist, natürlich, noch zeugt die Hypertrophie des verchromten Lebens der Bundesbürger von befreiender Balance. Man hat einen lebendigen Organismus durchgeschlagen wie einen Wurm mit dem Spaten — beide Hälften leben weiter — aber sie leben als Hälften und leiden daran. Ein Dutzend Jahre dauert schon diele Trennung“. CHRIST UND WELT, Stuttgart

 

Westmächte können nur gewinnen

„In der Diskussion um eine atomfreie Zone in Mitteleuropa wird oft das Argument vorgebracht, dass nur die Westmächte bei der Durchführung eines solchen Planes verlieren würden. Die USA könnten ihren westeuropäischen Verbündeten beruhigt Atomwaffen und Atomraketen in die Hände geben, während die Sowjets solches bei ihren osteuropäischen Verbündeten, z. B. Polen, niemals wagen würden. Nun umschließt die Raketenbewaffnung auf beiden Seiten aber nicht nur die Ausrüstung der Landesstreitkräfte, sondern die in der in den einzelnen Ländern stehenden Sowjets bzw. Amerikaner. Nach dem Rapacki-Vorschlag müssten auch die sowjetischen und amerikanischen Truppen in Polen, der CSR und in beiden Teilen Deutschlands auf diese Bewaffnung verzichten. — Es ist bekannt, dass in der Tschechoslowakei, und zwar ganz nahe an der Grenze der Bundesrepublik im früheren sudetendeutschen Gebiet, bereits sowjetische Raketenstützpunkte bestehen. Zwei schwere Raketenbatterien sind in der Umgebung von Troppau, andere nördlich von Olmütz in der Nähe des Dorfes Mesto Libava untergebracht. Bei Reichenberg soll sich ein unterirdisches Raketenzentrum befinden. Wer würde also bei Durchführung des Rapacki-Planes etwas zu verlieren haben, die Amerikaner, die ihre Raketenbasen hier erst einrichten wollen, oder die Sowjets, die ihre in der CSR eingerichteten wieder demontieren müssten“. NEUE POLITIK, Hamburg.

 

Über was will man verhandeln?

„Wie sollen die Verhandlungen aussehen, die nach Meinung dieser Europäer mit den Sowjets geführt werden sollen, wenn ein Tellabkommen über Verminderung des Rüstungsdrucks in Mitteleuropa dem deutschen Kanzler unerwünscht ist; wenn die H-Bomben-Tests weltergehen sollen, damit England sich das Ansehen einer Weltmacht geben kann; wenn das Sechser-Europa Atombomben produzieren soll, damit Frankreich sich als Großmacht fühlt und Franz-Josef Strauß der in Bonn beliebten These „europäischer Macht-Akkumulation“ huldigen kann? Wie sollen die Amerikaner mit den Sowjets verhandeln, wenn jedes Tète-à-tète zwischen Stassen und dem russischen Unterhändler die europäischen Alliierten auf die Barrikaden treibt? – was, zumal, soll der Botschafter der Bundesrepublik in Moskau erfahren, wenn er sondieren geht? Dass die Bundesrepublik sich mit Pankow ins Benehmen setzen müsse. Damit ist das Gespräch dann wieder zu Ende, da der Kanzler mit Pankow nicht spricht. – Er hat die einander ähnelnden Pläne Gaitskells Kennans und Rapackis barsch abgefertigt. Selber weiß er keinen Deutschlandplan, gibt auch nicht vor, einen zu suchen. Worüber also soll verhandelt werden. Die Sowjets behaupten heute schon, dass eine atomfreie Zone als solche Gewinn genug für die Bundesrepublik mit sich bringe, die Bonner Regierung könne für die Annahme solch eines Projekts nicht noch einen Preis fordern. Der Bundeskanzler will es aber ohne und mit Preis auch gar nicht diskutieren. Von einem teilweisen oder totalen Abzug der nichtdeutschen Truppen will er ebenfalls nichts wissen, obwohl hier der einzige Hebel sichtbar ist, das Ulbricht-Regime aus den Angeln zu heben“. DER SPIEGEL, Hamburg.

 

Mangel an Wagemut und Glauben

„Warum erweckt der Westen durch sein Verhalten den Eindruck, als ob er Angst hätte vor dem Ost-West-Gespräch? Warum soll man nicht den Rapacki-Gedanken von einer neutralatomfreien Zone aufgreifen, von wem immer er lanciert werden mag? Zumal man weiß, dass es in der Sowjetunion politische Kräfte gibt, die das Konzept von einem freien Bündnissystem nach dem Vorbild der NATO, des Commonwealth oder des Verhältnisses Moskau-Belgrad für tauglicher halten als die Form einer despotischen Unterjochung? Wer riskante Gespräche meidet, dem ermangelt es an schöpferischem Selbstvertrauen, an Wagemut, am Glauben an der Wirkkraft der Wahrheit, der Freiheit und des Rechts“. SALZBURGER NACHRICHTEN.

 

Seite 3   Graudenz - verstümmeltes Kleinod. Was heute in der westpreußischen Weichselstadt vorgeht.

Am 8. März des Jahres 1945 meldete der Wehrmachtsbericht: „In Westpreußen wurden die mit Schwerpunkt auf Stolp und Preußisch-Stargard vorgedrungenen starken bolschewistischen Panzerverbände nach erbitterten Kämpfen aufgefangen. Die Besatzung der Festung Graudenz unter ihrem Kommandanten Generalmajor Fricke ist nach fast dreiwöchiger Sperrung des wichtigen Weichselüberganges in heldenhaftem Kampf dem übermächtigen feindlichen Ansturm erlegen“.

 

Damit war Graudenz in diesem Jahrhundert zum zweiten Mal für Deutschland verlorengegangen, nachdem es schon nach dem 1. Weltkrieg mit der alten Provinz Westpreußen an Polen gefallen war. Dieser zweite Verlust traf die Stadt ungleich schwerer als der erste. Ging Graudenz 1918 unversehrt in den Besitz der Polen über, so wurde von den Rotarmisten und Polen 1945 eine schwerzerstörte Stadt eingenommen. Die strategisch wichtige Lage hatte es für die deutsche Führung notwendig erscheinen lassen, Graudenz so lange wie möglich zu verteidigen. Aus demselben Grund berannten die Sowjets diese Festung und eroberten sie schließlich. Auf beiden Seiten hatte es große Verluste gegeben. Die Stadt selbst trug in vielen Teilen und Vierteln umfangreiche Zerstörungen davon.

 

Nach der Inbesitznahme von Graudenz durch die polnische Verwaltung im Frühjahr 1945 wurden mehrere verhängnisvolle Entscheidungen getroffen, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind. Die Polen entschlossen sich nämlich nicht, Graudenz wie andere ostdeutsche Städte in das Neubesiedelungs-Programm einzubeziehen. Zu Beginn entschloss man sich, der Stadt nicht mehr wie zu deutscher Zeit eine Bevölkerung von 56 000 zu geben. Vielmehr begnügte man sich damit, die Einwohnerzahl gering zu halten und dem Zufall zu überlassen. Es siedelten sich daher nur Menschen an, die zufällig nach hier verschlagen wurden. Diese und die wenigen früheren polnischen Einwohner führten zu der geringen Einwohnerzahl von rund 14 000 Personen. Erst vor vier Jahren besann man sich anders und stellte für Graudenz einen ganz neuen Plan auf, der eine Einwohnerzahl wie zu deutscher Zeit vorsieht. Jetzt aber rächte sich, dass man seit Kriegsende dazu nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen hatte.

 

Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit

Es gab weder genügend Wohnraum noch genügend viele Arbeitsstätten, um so viele Menschen unterzubringen und zu beschäftigen. Während neun langer Jahre hatte man sich in allem nur auf die Unterbringung von höchstens 15 000 Einwohner eingerichtet. Hunderte leicht beschädigter Häuser waren abgebrochen worden, weil man sie nicht mehr zu benötigen glaubte — jetzt aber fehlten sie. Ähnlich war es mit der einstmals blühenden Maschinen-, Tabak- und Schuhindustrie und den vielen Kleinbetrieben. Die meisten dieser Unternehmen waren ausgeschlachtet und stillgelegt worden — nun fehlten auch sie, um den Menschen Arbeit und Brot zu geben.

 

Die Tragik Graudenz besteht in diesem widersprüchlichen polnischen Verhältnis in der Nachkriegszeit. Von 1945 bis 1954 sank das für ostdeutsche Verhältnisse als Großstadt anzusprechende Graudenz auf den Stand einer größeren Ackerbürgerstadt herab. Dann plötzlich kamen andere Direktiven, und Graudenz sollte wieder seine ehemalige Bedeutung erhalten. Bis dahin aber war bereits so viel vernichtet und abgebrochen worden, dass es nun zu großen Schwierigkeiten kommen musste. Selbst die polnische Statistik verdeutlicht das. Im letzten polnischen Jahrbuch wird angegeben, dass die Stadt Graudenz wieder 56 000 Einwohner hat, — das gesamte Kreisgebiet verfügt aber nur über 35 000 Menschen. Während in der Stadt 1289 Menschen jetzt auf dem Quadratkilometer wohnen, leben im Kreisgebiet nur 48 Personen auf jedem qkm. Als man vor vier Jahren mit der Vergrößerung der Stadt begann, hat man vor allem ländliche Bewohner nach Graudenz geholt. Außerdem sind in letzter Zeit viele polnische Russlandheimkehrer nach hierher gelangt.

 

Die heutige Situation in dieser Stadt ist durch eine große Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. In verschiedenen Sitzungen hat der Volksrat resignierend auf die großen Fehler von 1945 hingewiesen. Unter anderem scheute man sich nicht, die Verschleppung und Ausweisung der deutschen Bewohner zu verurteilen; heute fehlen diese Menschen mit ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen. Ohne Zögern hat die Stadtverwaltung einigen Landsleuten, die bei Kriegsende deportiert oder verhaftet und später entlassen wurden, die sofortige Ansiedlung in ihrer Heimatstadt ermöglicht. Heute gehen alle Bemühungen dahin, Graudenz auf den wirtschaftlichen Stand zu bringen, wie er hier vor und während des Krieges herrschte.

 

Der wichtigste Industriebetrieb in der Stadt ist heute die weithin bekannte frühere deutsche landwirtschaftliche Maschinenfabrik von August Ventzki, die jetzt den polnischen Namen „UNIA"-Werke trägt. Der Betrieb, der von 1939 bis 1945 Kriegsmaterial produzieren musste, war der einzige in Graudenz, der weitgehend von Zerstörungen und Demontagen verschont blieb. Die Polen stellten das Werk gleich wieder auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Geräte um. Die Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen stieg inzwischen wieder auf 750 Personen. Da jedoch dringend weitere Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, wird der Betrieb laufend erweitert. In naher Zukunft will man mindestens 1000 Menschen beschäftigen, vor vier Jahren fehlte es der Fabrik an Arbeitern.

 

Die Ventzki-Werke in Graudenz gehören heute zu den führenden Fabriken dieser Branche in Polen. Hauptsächlich werden Pflüge, Eggen, Düngerstreuer usw. hergestellt. In einer neu geschaffenen Abteilung produziert man neue Pflüge für Traktoren. Diese Pflüge werden sogar exportiert, da sie sich gut bewährt haben. In jedem Jahr geht die Produktion einiger Monate in die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete. „Unia" hat eine sogenannte Patenschaft über mehrere ostdeutsche Landkreise übernommen, um sie vordringlich mit landwirtschaftlichem Gerät zu versorgen. Alles in allem kann man sagen, dass diese Fabrik das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt darstellt und für polnische Verhältnisse gut arbeitet.

 

Mit den anderen Betrieben und den handwerklichen Werkstätten sieht es dagegen schlecht aus. Die tabakverarbeitende Industrie wie die Schuhfabrik liegen darnieder und haben die Produktion nur in beschränktem Umfang wieder aufgenommen. Im Übrigen ist es bei ihnen zu einer großen Qualitätsverschlechterung gekommen, so dass Vergleiche mit früher sehr zu Ungunsten der jetzigen Verhältnisse ausfallen. Auch der ehemals bedeutende landwirtschaftliche Handel hat weitgreifende Veränderungen erfahren. Was von den Bauern in den Dörfern über die Ablieferungsnorm erzeugt wird, wird von ihnen auf dem Graudenzer freien Markt angeboten. Der private Zwischenhandel mit seinem gut eingespielten Verteilerapparat konnte auch in der Gomulka-Zeit nicht wieder zum Leben erweckt werden. Die Konsumenten sind nur auf den staatlichen Handel und den Markt angewiesen.

 

Da darauf nur bedingt Verlass ist, haben viele der vor vier Jahren aus dem Kreisgebiet zugezogenen Einwohner größere Gärten und Viehställe. Die Tendenz zu einer Ackerbürgerstadt im großen Maßstab ist also beibehalten worden, obwohl Graudenz durch die Zuwanderungsbewegung seit vier Jahren wieder Stadt werden sollte. Ein gutes Beispiel dafür, wie selbst in Westpreußen, das zwischen den beiden Weltkriegen schon zwanzig Jahre in polnischer Hand war, die Struktur der Städte durch die Fehler nach 1945 entscheidend zu ihren Ungunsten verändert wurde. Graudenz ist noch weit davon entfernt, in absehbarer Zeit den Stand von 1939 wieder zu erreichen.

 

Das kommt auch in dem neuen Wiederaufbauprogramm zum Ausdruck. Durch die mannigfachen Abbrucharbeiten ist man nun auf Neubauten angewiesen, will man die Menschen alle unterbringen. Doch der Neubau eines Wohnhauses in Graudenz ist hier genau so selten wie anderswo im polnischen Machtbereich. Die Folge davon ist, dass sich über das ganze Stadtgebiet seit vier Jahren unzählige Notwohnungen hinziehen. Polnischen Presseangaben zufolge sind in Graudenz allein mehrere hundert Keller bewohnt, obwohl die darüber gelegenen Häuser längst abgerissen sind. Ferner findet man die zum polnischen Alltag gehörenden Baracken, Wellblechbuden und Gartenlauben als „Wohnungen".

 

Uniformen bestimmen das Straßenbild.

Lediglich die Graudenzer Garnison lebt besser. Sie hat Gebäude aus der Kriegs- und Vorkriegszeit zur Verfügung und erhielt sogar Neubauten. Die Stadt gehört zum sogenannten Dirschauer Militärbezirk und hat wichtige Funktion bei der Rekrutenausbildung. Unter anderem erhalten nicht wenige junge Deutsche aus dem südlichen Ostpreußen hier ihre militärische Ausbildung. Auch aus Danzig kommt jedes Jahr einmal ein Schub von Rekruten. Außerdem kommen zu der Garnison in jedem Jahr viele Reservisten aus Westpreußen, die von Zeit zu Zeit zu vierteljährlichen Übungen einberufen werden. Insgesamt befinden sich heute mehr Soldaten in der Stadt als in den Jahren 1939 bis 1945. Die polnische Bevölkerungsstatistik hat im Übrigen die durchschnittliche Kopfstärke der Garnison der zivilen Einwohnerzahl hinzugefügt, wie das meistens geschieht. Uniformen bestimmen weitgehend das Bild in den Graudenzer Straßen. Im Tivoli besteht eine größere Kasinoanlage für die Soldaten, in der auch Garnisonsfeste abgehalten werden.

 

In letzter Zeit wurden von Graudenz aus Versuche unternommen, die Weichsel zu regulieren. Ein Teil der Einwohner wurde südlich des Glimmecks in Barackenvierteln untergebracht, um für diese Arbeiten rascher verfügbar zu sein. Hier befindet sich auch ein Wohngebiet für die Fluss-Schiffer. Etwas weiter weichselabwärts — in der Nähe von Neuenburg— wurde die Graudenzer Zentralstelle für die Weichselregulierung eingerichtet. Man hat vor allem viel Sorge mit den Sandbänken, die seit Kriegsende nicht beseitigt worden sind und nun immer weiter anwachsen und die Schifffahrt behindern. Bisher konnte trotz großer Anstrengungen nur ein kleiner Teil dieser Sandbänke beseitigt werden. Schließlich ist auch noch die alte Ordensburg Mewe für Graudenz von Bedeutung. Dort befindet sich eine Ausbildungsstätte für polnische Offiziere und andere militärische Einrichtungen. Die Graudenzer Offiziersanwärter werden in Mewe ausgebildet und erhalten dort ihre Patente.

 

Re-Kultivierung der Weichselniederung

Die landwirtschaftlichen Kreisbehörden in Graudenz haben in der Grabenstraße eine besondere Abteilung eingerichtet, die sich ausschließlich mit der Re-Kultivierung der fruchtbaren Landstriche in der Weichselniederung von Kulm bis Neuenburg befassen. Neuerdings erwägt man sogar, aus der Stadtbevölkerung „fliegende landwirtschaftliche Arbeitskolonnen" zu bilden, die man in den Krisengebieten einsetzen will. Heute ist es so, dass je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche nur neun Menschen zur Verfügung stehen, während man eigentlich 21 benötigte. Hier erhebt sich natürlich die Frage, warum man vor vier Jahren den Kreis entvölkert hat, nur um Graudenz mit Gewalt wieder zu einer hohen Bevölkerungszahl zu verhelfen. Die Polen müssen immer wieder Lehrgeld dafür zahlen, dass sie einer organischen Entwicklung in die Arme fallen und wirklichkeitsfremden Plänen nachjagen.

 

Was ist ans Graudenz sonst noch zu berichten? Natürlich bemühen sich die Polen darum, die deutsche Geschichte der Stadt in polnischem Licht erscheinen zu lassen. In der Rhedenerstraße zeigen sie eine Ausstellung über die angeblich „rein polnische" Tradition von Graudenz. Die vielen festungsähnlichen Bauten wie die uralten Wehrspeicher, das Rathaus, die mächtige St. Nikolaikirche oder die auf der Weichselhöhe gelegene Festung des preußischen Generals de Courbière sind plötzlich alle wieder „geschichtliche Zeugen des kraftvollen Polentums", wie den Besuchern an einer Schautafel eingeredet werden soll. Dennoch fällt es schwer, die Wahrheit über die Geschichte dieser Stadt zu verschweigen. So hat man Graudenz kürzlich auch aus der Reiseroute von „Orbis" genommen, die Polen besuchende Ausländer von Warschau nach Ostpreußen und Danzig führte. Graudenz machte nur schlechte Reklame für Polen — und überdies trägt die Silhouette seiner erhalten gebliebenen Bauwerke alles andere als polnische Merkmale!

 

Seite 3   Was wurde aus Ostpreußens Schlössern?

Eine Reihe ostpreußischer Burgen und Schlösser ist in der Kriegs- und Nachkriegszeit zerstört worden.

 

Das berühmte Königsberger Schloss gleicht einer Ruine. Im Keller unter den umfangreichen Kunstsammlungen war im Krieg Munition gelagert, die vor der Übergabe gesprengt wurde. Von den Ordensräumen blieben nur die besonders festgefügten erhalten, der Turm ist gesprengt worden, vom Südflügel stehen nur noch die Umfassungsmauern.

 

Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Schloss von Preußisch-Holland ist im Innern völlig ausgebrannt, Turm und Mauern stehen noch. Völlig ausgeplündert wurde das 1589 erbaute Schloss Gallingen im Kreise Bartenstein. Zerstörungen erlitt die Deutschordensburg in Marienburg, von der Burg in Osterode blieb nur noch eine Ruine. Ausgebrannt und verfallen ist das Schloss Mohrungen. Brand vernichtete das Innere des Schlosses Finckenstein im Kreise Rosenberg in Westpreußen, auch das Napoleonzimmer wurde ein Raub der Flammen.

 

Erhalten geblieben sind Schloss Groß-Steinort im Kreise Angerburg, das man als „Gemeinschaftshaus" eingerichtet hat, und Schloss Dönhofstädt im Landkreis Rastenburg. In dem gleichfalls unversehrten Schloss in Allenstein hat man ein Museum eingerichtet. Im Großen Saal des Bischofsschlosses in Heilsberg, das keine bedeutenden Schäden erlitten hat, konnten alte Wandmalereien freigelegt werden. Bestehen blieben auch Schloss Schmolainen im Kreise Heilsberg und das Schloss des Domkapitels in Marienwerder, das von polnischen geistlichen Orden benutzt wird, sowie die Bischofsburg Rössel und die Ordensschlösser in Barten, Kreis Rastenburg, Gilgenburg im Kreis Osterode und Ortelsburg. In letzterem wurde ein „Masurisches Museum" eingerichtet, in dem sich auch das Arnauer Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert befindet.

 

Kaserne Nordostpreußen

Ein schwedischer Kaufmann, der kürzlich Gelegenheit hatte, Königsberg und einigen anderen Orten im nördlichen, sowjetisch verwalteten Ostpreußen einen Besuch abzustatten, berichtete in einem Rundfunkinterview, das auszugsweise auch vom Hessischen Rundfunk übernommen wurde, über seine Reise-Eindrücke u. a.: „Jenseits der Linie, die Ostpreußen heute in zwei Teile zerschneidet, herrscht die Atmosphäre einer großen Kaserne. Es kann wohl nicht gut anders sein, wo die Hälfte der Bevölkerung aus Soldaten besteht. Es gibt Orte an der Küste, in denen man Zivilisten sogar vergeblich sucht. In den einstigen Pensionen und Kurhäusern liegen Truppen. Ehemalige Hotels und Gasthäuser dienen als Kantinen. In den Schulen residieren Militärkommandos und Intendanturen. Sogar in den Industriebetrieben des Landes findet man Verbindungsstäbe zum Heer, zur Marine, zur Luftwaffe. Um die geforderten Planziffern zu erreichen, werden verschiedentlich Militäreinheiten eingesetzt“.

 

Seite 3   Unsere Heimat heute

Wickerau bei Elbing

Das Staatsgut Klein-Wickerau bei Elbing soll im Herbst dieses Jahres parzelliert werden, wenn im Sommer und Herbst 1958 die Ernten nicht besser sind als in den Vorjahren. 1957 hat das Gut „mit dem gewaltigsten Defizit im Elbinger Gebiet abgeschlossen", wie polnische Zeitungen feststellten. In Klein-Wickerau erntete man vergangenes Jahr auf einem Hektar nicht einmal fünf Doppelzentner Weizen oder Gerste! Die Hackfruchternte war so schlecht, dass das Gut nicht einmal seinen Eigenbedarf decken und Deputate ausgeben konnte. Die Hälfte der Landarbeiter ist jetzt, nachdem sie das Gut auf Zahlung verklagt haben, abgewandert.

 

Bartenstein

In Bartenstein hat eine innerpolnische staatliche Textilfirma Heimarbeiter angeworben, die an alte Volkstrachten erinnernde Blusen nähen sollen. Es wurden vor allem Frauen verpflichtet, denen man bei durchschnittlich sechsstündiger täglicher Arbeitszeit monatlich 500 Zloty gibt. Die Blusen sollen zu einem guten Exportgeschäft werden, da man sie an im Ausland lebende Polen verkaufen will. Auch in anderen Orten Süd-Ostpreußens will die Bekleidungsindustrie auf Volkstrachten zurückgreifen.

 

Groß-Hermenau

In Groß-Hermenau nordöstlich von Mohrungen haben Deutsche und Polen mit dem Aufbau einer kleinen Schilf-Industrie begonnen. Aus dem Marien-See und anderen örtlichen Gewässern wird Schilf geholt und zu Matten oder anderen Gebrauchsgütern verarbeitet. Auch kleine Schmuckkörbe sollen angefertigt werden. In Scherlingswalde soll in naher Zukunft ein Zweigbetrieb eingerichtet werden.

 

Reimannsfelde

Die polnischen Fischer in Reimannsfelde am Frischen Haff haben eine Notgemeinschaft gebildet, weil ihre Existenz durch den abnehmenden Fischbestand im Haff bedroht ist. Es ist bisher unter anderem vorgeschlagen worden, gemeinsam in ein Fischerdorf in der Danziger Bucht oder an der ostpommerschen Ostseeküste abzuwandern. Die Behörden haben noch keine Hilfsmaßnahmen angekündigt, weil die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, warum es im Haff keine Fische mehr gibt.

 

Guttstadt

Ein Landsmann aus Guttstadt hat jetzt sein Wohnhaus von den polnischen Behörden zurückerhalten, das bis vor kurzem als Konsumladen diente. Der Deutsche war vor Jahren unter Zurücklassung seines Eigentums als Arbeiter nach Elbing verpflichtet worden. Nach einem Unfall und Eintritt der Invalidität stellte er einen Antrag auf Eigentumsrückgabe, der auch genehmigt wurde.

 

Drausensee

Wie von Radio Danzig bekanntgegeben wurde, erwägen die Polen, auf dem Drausen-See und Teilen des Frischen Haffs wieder das Eissegeln aufzunehmen. Wie es heißt, soll es in Ostpreußen noch 34 Eissegelschlitten von früher geben.

 

Bestendorf bei Mohrungen

Ein staatliches Bauunternehmen ist in Klein-Bestendorf, Landkreis Mohrungen, gegründet worden. Der neue Betrieb verfügt jedoch bis jetzt über mehr Angestellte als über Arbeiter. Unter anderem fehlt es an einem Polier und ausgebildeten Maurern. Nur Hilfspersonal steht bis jetzt zur Verfügung. In Mohrungen bemüht man sich jetzt um die Zuweisung von Repatrianten aus diesem Berufszweig. Klein-Bestendorf will mit der neuen Firma alle Gehöfte und Häuser reparieren und Neubauten aufführen.

 

Elbing

Banditen überfielen in nächtlicher Stunde auf dem Elbinger Friedrik-Wilhelm-Platz einen Straßenbahnzug und plünderten alle Fahrgäste aus. Die Schaffnerin wurde ihre ganzen Tageseinnahmen los, während der Führer absprang und laut schreiend um Hilfe rief. Da jedoch keine Milizstreife in der Nähe war, konnten die Verbrecher unbehelligt verschwinden. In Zukunft sollen die nachts fahrenden Straßenbahnwagen nach diesem Vorfall nur noch an solchen Haltestellen halten, die belebt sind oder unter Polizeischutz stehen.

 

Endlich Aktivität

Die Dörfer im Ermland erhalten zurzeit eine Reihe von Bäckereien, da die Versorgung mit Brot und anderen Backwaren völlig unzureichend war. Über die Errichtung von Bäckereien wird aus folgenden Orten berichtet: Mehlsack (bereits in Betrieb), Göttchendorf im Kreis Pr.-Holland (wird in diesem Jahr eingerichtet), Guttstadt (vor der Betriebsaufnahme) und Wormditt (wird in diesem Jahr eingerichtet). In verschiedenen Fällen übernehmen die Gemeindegenossenschaften die Bäckereien. Auch in benachbarten Kreisen wie Hahnberg, Kreis Sensburg und Arys, Kreis Johannisburg, kommt es zur Wiedereröffnung solcher Geschäfte.

 

Braunsberg

Der polnische Gaststättenverband wird in Frauenburg zwei und in Braunsberg einen Verkaufspavillon für die Zeit der Sommersaison einrichten. Diese Kioske sollen Waren aller Art verkaufen und so den erwarteten Touristenstrom zusätzlich zu den anderen Läden bedienen. In den Pavillons wird die einheimische Bevölkerung nur wenig kaufen können, da die Waren vor allem den Feriengästen zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Maßnahme war notwendig, weil die vorhandenen Geschäfte in den Feriengebieten für zusätzliche Käufer nicht ausreichen.

 

Albrechtsdorf

In der Ortschaft Albrechtsdorf im Stablack soll mit Hilfe von Repatrianten aus der UdSSR eine neue Kolchose eingerichtet werden, obwohl die übrige polnische Bevölkerung dagegen ist. Die Gemeinde wurde anscheinend für dieses Experiment ausgesucht, weil sie verhältnismäßig unzerstört ist und gute Existenzmöglichkeiten bietet. Grundstock der neuen Kolchose sollen sechs bisher unbewirtschaftete Gehöfte bilden, die mit Heimkehrern besetzt werden. Die Landbevölkerung Iist wegen dieser Vorhaben sehr beunruhigt.

 

Seite 4   Anhebung des Standesniveaus in der Landwirtschaft. Begrüßenswerte Maßnahmen der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer / Ostlandwirte meldet euch!

Ostlandwirte wird es interessieren, dass im Bereich der Landwirtschaftskammer Hannover der Berufsstand des landwirtschaftlichen Arbeiters dem Stand der anderen Facharbeiter (in Handwerk und Industrie) angeglichen wird. Für alle diese von der Kammer geleiteten Bestrebungen ist vor allem der gute Wille des betreffenden Arbeiters Voraussetzung. Ferner die charakterliche Eignung, ein von dem Arbeitgeber zu bestätigendes Interesse am Beruf sowie dessen Einwilligung zur fachberuflichen Förderung. Hauptziele dieser Initiative sind neben der allgemeinen Hebung des Standesniveaus, die berufliche Ausbildung des Nachwuchses bei den landwirtschaftlichen Arbeiterfamilien und die Bindung der in der Landwirtschaft arbeitenden Kräfte an die Scholle.

 

Auch der frei in der Landwirtschaft tätige Arbeiter soll nach Möglichkeit sesshaft gemacht werden. Die Kammer hat als die gesetzliche Vertretung aller in der Landwirtschaft schaffenden Menschen durch die Erweiterung ihres Arbeitsgebietes auf die berufliche und soziale Betreuung des einfachen Landarbeiters zum Ausdruck gebracht, dass sie wertvolle Arbeitskräfte der Landwirtschaft erhalten und der Landflucht Einhalt gebieten will. Durch die Hebung des Standesbewusstseins will sie vor allem das Absinken des ländlichen Arbeiters zum Industrieproletariat womöglich ohne rechte Aussicht auf ein Weiterkommen mit dem verdienten Lohn eines gesicherten Alters unterbinden.

 

Für unsere Ostlandwirte, die zum überwiegenden Teil heute immer noch als landwirtschaftliche Arbeiter ihr Brot verdienen müssen oder von der Industrie als ungelernte Hilfsarbeiter oder in sonst untergeordneten Stellen aufgesogen werden, ergeben sich in der neuen Zielsetzung der Landwirtschaftskammer Hannover begrüßenswerte Aussichten. Sie beruhen in der eigenen Arterhaltung einer herkömmlichen Lebensweise, in der Siedlungsmöglichkeit mit eigenem landwirtschaftlichen Kleinbetrieb, Erhaltung seiner selbst und seiner Kinder für die Landwirtschaft und damit, im Falle einer Rückkehrmöglichkeit in die Heimatgebiete, Erhaltung der „Rückkehrfähigkeit". Über allem steht die Sicherung der eigenen Persönlichkeit als freier Mensch auf eigenem Grund und Boden.

 

Die Kammer hat u. W. zunächst einmal die in ihrem Arbeitsbereich eingesetzten Landwirtschaftsschulen und Wirtschaftsberatungsstellen mit der Auswahl der für die berufliche Förderung in Betracht kommenden landwirtschaftlichen Arbeiter, ihrer Familien und Kinder beauftragt. Soweit wir informiert sind, ist der Erfolg vielversprechend. Beispielsweise lassen die Anmeldungen für einen vom Niedersächsischen Ministerium für Landwirtschaft und Forsten veranlassten und im Februar vorgesehenen Lehrgang unter Einsatz des A. I. D.-Filmdienste schon jetzt keine Erweiterung des Teilnehmerkreises mehr zu. Die Kammer selbst hat einen motorisierten Lehrzug mit Film- und Beratungsdienst auf die Reise geschickt. Der Siedlerberater der Landwirtschaftskammer ist dabei und erteilt Sprechstunden. Die Themen hierbei sind Kleinsiedlungen, Land- und Gartenkultur bei kleinen Hofbetrieben sowie Hühner- und Schweinehaltung und die Kardinalfrage nach der Möglichkeit einer derartigen Niederlassung überhaupt. Nicht mehr der Landarbeiter als untergeordnete Arbeitskraft auf einem Guts- oder Bauernhof steht bei dem ganzen Beginnen zur Debatte, sondern der in einem landwirtschaftlichen Betrieb schaffende Mensch als Vertrauensperson und Partner des Betriebsleiters. Das Ministerium für Landwirtschaft und Forsten im Land Niedersachsen stellt nach Überprüfung der betreffenden Personen durch die Kammer und deren Organe auf menschliche und berufliche Qualität landwirtschaftliche Facharbeiterbriefe aus. Baulustigen Landarbeiterfamilien werden Mittel und Wege zur Erfüllung ihres Wunsches gewiesen. Für den landwirtschaftlichen Jungarbeiter spielt die Beratung und Förderung bei seiner fachlichen Ausbildung eine wesentliche Rolle.

 

Das Werk insgesamt kann sicherlich sehr viel Segen stiften. Man fragt sich nur, warum man nicht schon früher auf derartige Gedanken gekommen ist und, falls sie doch schon älteren Datums sein sollten, warum sie erst jetzt verwirklicht werden. — Westdeutschen Ländern ohne solche Bildungs- und Förderungsmöglichkeiten für den kleinen Mann auf dem Lande mögen sie Vorbild sein. F. R.

 

Seite 4   Übergang von der Schule in das Berufsleben. Vorbildliche Arbeit des Ländlichen Jugendwohnheims Oesterweg.

Die Klage über mangelnde Leistungsfähigkeit und Reife der 14-jährigen Schulabgänger nimmt ständig zu. Die Ursachen dieser besorgniserregenden Entwicklung sind vielschichtig. Sie wurzeln ebenso in häuslichen, wie in öffentlichen Umwelteinflüssen und sind zudem wesentlich darin begründet, dass bei einer wachsenden Zahl von Jugendlichen dieses Alters eine Verschiebung des körperlichen und geistigen Entwicklungs- und Reifeprozesses stattfindet.

 

Diese heute unbestrittenen Tatsachen enthalten eine sozialpädagogische Aufgabenstellung ersten Ranges. Bei allen Überlegungen, die sich mit dem Problem der Übergangshilfen von der Schule in den Beruf befassen, sollte im Vordergrund die Frage nach der Persönlichkeitsbildung stehen, die Aufgabe also, die jungen Menschen charakterlich zu fördern, sowie ihnen lebens- und berufspraktische Fähigkeiten und Werte zu vermitteln. Dazu erscheint im Zeitalter der beginnenden „zweiten industriellen Revolution" besonders wichtig zu sein, dass die moderne Arbeitswelt, in der das handwerkliche Berufs- und Standesbewusstsein schwindet, nicht mehr über die sozialen Formkräfte verfügt, die früher die geeigneten Lebensbedingungen für die Entwicklung der Persönlichkeit waren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Familie mehr und mehr in ihren Erziehungsaufgaben versagt. Man denke nur an die rund 3,6 Millionen „Schlüsselkinder" berufstätiger Mütter.

 

Aus diesen, zur Verdeutlichung dargestellten Einsichten werden Maßnahmen und Einrichtungen verschiedenster Art notwendig, die der augenblicklichen Entwicklung Rechnung tragen. Eine Einrichtung im ländlich-bäuerlichen Bereich, die allem in dieser Hinsicht Erforderlichen mehr als nahe kommt, unterhält seit fünf Jahren der Verein Ländliches Jugendwohnheim Oesterweg E. V. in Oesterweg im Kreise Halle in Westfalen.

 

In seinem, den Erfordernissen der heutigen Zeit eingerichteten Jugendwohnheim finden alljährlich etwa 20 schulentlassene Jungen ostvertriebener Familien Aufnahme, die sich entweder entschlossen haben, den Beruf des Landwirts zu erlernen, oder die sich über ihren zukünftigen Beruf noch nicht ganz im Klaren sind. Im ersteren Fall wird gleich bei der Aufnahme in das Heim ein Lehrvertrag mit einem der in unmittelbarer Nähe des Heimes gelegenen Lehrbetriebe abgeschlossen. Im zweiten Falle wird die Aufenthaltszeit im Heim vorerst auf ein Jahr beschränkt. Man könnte dieses Jahr das Jahr der Berufsfindung nennen, denn nach Ablauf desselben kann sich der Junge, bzw. dessen Eltern über den wirklichen Lebensberuf entscheiden.

 

Die Betreuung und Förderung der Jungen erfolgt durch Heimeltern. Vom Heim aus arbeiten die Jungen gegen eine angemessene Lehrvergütung bei geregelter Arbeitszeit in umliegenden bäuerlichen Familienbetrieben. Dort erhalten sie auch ihre Verpflegung, soweit dies nicht an arbeitsfreien Tagen oder abends im Heim geschieht.

 

Die Jungen wohnen in gemütlichen 3-Bettzimmern. Lese- und Aufenthaltsräume stehen für die Freizeit zu ihrer Verfügung. Das Heim kann bis zu 40 Jungen aufnehmen. In dieser kleinen Heimfamilie, in der neben den täglichen Pflichten die musische Betätigung, Wandern, Spiel und Sport gepflegt werden, finden die Jungen auch die Geborgenheit und Fürsorge des Elternhauses. Da das Heim ausschließlich mit Söhnen ostvertriebener Familien belegt ist, ist die Pflege ostdeutschen Kulturgutes und in diesem Zusammenhang das Wachhalten um den Gedanken an die wirkliche Heimat vorstehendste Aufgabe.

 

Während der arbeitsstilleren Zeit, insbesondere in den Wintermonaten, werden im Heim wöchentlich an einem arbeitsfreien Tag, zum Teil auch in geschlossenen Kursen, Förderlehrgänge durchgeführt, die darauf abgestellt sind, bei den jungen Menschen in Ergänzung zu den praktischen Erfahrungen der Arbeit das Selbstvertrauen zu stärken, sie lebenspraktisch und lebenstüchtig zu machen. Mit der Berufsschule, die ebenfalls im Heim stattfindet, erfolgt dabei eine sinnvolle Abstimmung und Zusammenarbeit.

 

Die Aufgabenstellung dieser Kurse ist:

1. Beseitigung von Lücken im Elementarwissen, abgestellt auf die Erfordernisse des täglichen Lebens.

2. Die Förderung der Allgemeinbildung.

3. Vermittlung von Grundfertigkeiten in der Holz-, Eisen- und Lederverarbeitung, Maschinen- und Motorenbedienung, Behandlung und Pflege des Viehes usw.

 

Die Tätigkeit in der Landwirtschaft bietet den Jungen wie kein anderer Berufszweig Möglichkeiten vielseitiger Grundausbildung und Vorbereitung für ihr späteres Berufsleben. In der Überschaubarkeit des dörflichen Lebens in einem Raum, in dem die Arbeitswelt der Menschen noch weitgehend in einem organischen Zusammenhang mit der Familie und den übrigen Lebensbereichen steht, werden hier vor allem dem Großstadtkind (ganz besonders aber den Kindern der Eltern, denen zu helfen der Verein Ländl. Jugendwohnheim Oesterweg e. V. sich zur Aufgabe gemacht hat, nämlich den Vertriebenen), das in zerrissenen und hastenden Verhältnissen aufgewachsen ist, korrigierende und auch heilende Eindrücke vermittelt, die in Verbindung mit der sozialpädagogischen Arbeit in den Heimen besonders wirksam und nachhaltig sind. Diese Einflüsse im labilsten und bildsamsten Alter des heranwachsenden Jungen wirken in gleichem Maße auf die Stärkung der körperlichen Kräfte, wie auf die Entwicklung der psychischen Reife und damit allgemein auf eine Förderung der sogenannten Berufsreife.

 

Die Jungen, die bisher durch das Heim in Oesterweg gegangen sind, haben sich in ihrer weiteren Lehr- und Arbeitsstellen in der Regel sehr gut bewährt, teilweise durch Zuverlässigkeit, Fleiß, Arbeitsfreudigkeit und Anstelligkeit besonders ausgezeichnet. Ihre Eltern sind dankbar, dass sie von dem Bestehen dieses Heimes hörten und ihre Söhne dort in einem, bzw. zwei Jahren einen sinnvollen Übergang von der Schule in den Beruf fanden.

 

Eltern, die ihren Söhnen den Berufsstart so wünschen, dass er eine feste Grundlage fürs Leben ist, richten ihre Anfragen zweckmäßig an das Ländliche Jugendwohnheim in Oesterweg 132, Kreis Halle/Westf. über Bielefeld 2.

 

Seite 4   Facharbeitermangel im Raum Allenstein

Mitteilungen des Allensteiner Wojewodschaftsamtes zufolge, die kürzlich auch in Warschauer Zeitungen veröffentlicht wurden, besteht im polnisch verwalteten Ostpreußen ein vordringlicher Bedarf an qualifizierten Handwerkern, insbesondere an Schustern, Schneidern, Schmieden, Drechslern, Schlossern und Dachdeckern. Auch der Facharbeitermangel ist sowohl in den Städten als auch in den Landgemeinden Südostpreußens groß. Der Gesamtbedarf wird von polnischer Seite auf mindestens 50 000 qualifizierte Kräfte geschätzt. Allerdings stoße die Werbung und Ansiedlung von Handwerkern in Ostpreußen — so bemerkt die Zeitung „Zycie Warszawy" offen — auf Schwierigkeiten.

 

Seite 4   Schilf anstelle Ziegeln

Polnische, in Allenstein erscheinende Blätter propagieren neuerdings die Aufnahme einer Schilfmatten-Produktion großen Stils in allen Tischlereien Südostpreußens. Das Schilf soll den chronischen Mangel an Baumaterial — an Holz, Ziegeln und Zement — überbrücken helfen und gleichzeitig Bauern und Tischlern neue Verdienstmöglichkeiten vermitteln. Auch die Breslauer deutschsprachige „Arbeiterstimme" schließt sich in einer ihrer letzten Ausgaben dieser Schilf-Propaganda in einem längeren Artikel an und bemerkt abschließend wörtlich: „Die Produktion dieses Baumaterials (!) ist von außergewöhnlicher Wichtigkeit für unsere Wirtschaft. Deshalb müsste die Einführung dieser heimarbeitsmäßigen Produktionsform bei den entsprechenden Behörden Verständnis und großen Anklang finden. Leider ist dem nicht so“.

 

Seite 4   Siedlerschule Katlenburg

In der Siedlerschule in Katlenburg/Harz beginnt der diesjährige Aufbaulehrgang (das Sommersemester des Jahreslehrgangs) am 9. April und dauert bis 27.09.1958. Aufgenommen werden ehemalige Landwirtschaftsschüler, die die Landwirtschaftsgehilfenprüfung abgelegt oder ihre Lehrzeit beendet haben. Das Unterrichtsprogramm sieht vor: Betriebswirtschaft einschl. landwirtschaftliche Buchhaltung, Pflanzenbau einschl. Pflanzenschutz, Tierhaltung und Tiergesundheit, Obstbau, Siedlungskunde und Siedlungswesen, Gemeinschafts- und Ostkunde, praktischen Handwerksunterricht. Der Landmaschinenunterricht wird in einem Voll-Lehrgang an der Deutschen Landmaschinenschule in Hildesheim erteilt, der in das Sommerhalbjahr eingebaut ist. Die Abschlussprüfung (Siedlerreifeprüfung) findet Ende September d. Js. statt. Die Schüler wohnen in einem gefälligen Heim mit schöner Aussicht zum Hohen Harz. Vertriebene, Flüchtlinge und andere bedürftige Schüler können Ausbildungshilfen erhalten, aus der die meisten Unkosten des Besuchs der Schule und des Wohnheims gedeckt werden können. Aufnahmeanträge und Prospekte sind bei der Verwaltung der Siedlerschule Katlenburg/Harz Northeim anzufordern. Anmeldeschluss: 20. März 1958.

 

Seite 4   Die Ländlich - hauswirtschaftliche Frauenschule in Katlenburg/Harz beginnt am 9. April d. Js. ihr neues Schuljahr.

 

Die Schule will Töchtern sowohl von Vertriebenen und Flüchtlingen, als auch von einheimischen Bauern eine abgeschlossene ländlich-hauswirtschaftliche Ausbildung vermitteln, um sie zu befähigen, als Siedler- und Bauersfrauen ihre Aufgaben in fortschrittlicher Weise zu erfüllen. Die Schule gibt der zukünftigen Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft die erforderliche Fachausbildung. Sie vermittelt den Lehrstoff der Unterklasse einer Landfrauenschule. Aufgenommen werden Mädchen im Alter von mindestens 17 Jahren, mit abgeschlossener Volks- und Berufsschulbildung und 3-jähriger ländlich-hauswirtschaftlicher Lehrzeit.

 

Der Lehrplan sieht vor: Kochen, Ernährungs- und Naturlehre, Haushaltsführung, Nadelarbeit, Gestaltendes Werken und Weben, Gartenbau und praktische Kleintierhaltung; gärtnerische Praxis, Gesundheits- und Kinderpfleger außerdem Gemeinschafts- und Heimatkunde, Singen, Sport und Laienspiel. Die Mädchen sind in einem sehr gefälligen Wohnheim mit Zimmern zu 2 Betten untergebracht, die zum Eichsfeld hin einen schönen Ausblick bieten.

 

Wanderungen und Fahrten erschließen die herrliche Umgebung. Lieder, Spiele und Gemeinschaftstanz verbinden die jungen Mädchen zu einer frohen Runde.

 

Weitere Auskünfte erteilt die Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule der Siedlerschule Katlenburg/Harz, Kreis Northeim, wo auch Prospekte und Anmeldevordrucke anzufordern sind.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 2. Februar 1958

 

Durch den tiefen Schnee zu wandern,

immer einer hinterm andern,

ist für diese zwei zurzeit

Inbegriff der Herrlichkeit ..

 

Alle Mahnungen der Großen,

Schuhe schonen und die Hosen,

sind vergessen. Hei, wie schön!

Kann’s denn nicht so weiter gehen …

 

Foto: Zwei kleine Jungs stapfen durch den Schnee.

 

Seite 5   Das Kind sei dein Maß. Gedanken von Johann Georg Hamann

Der Glaube ist kein Werk der

Vernunft und kann daher auch

keinem Angriff derselben unterliegen;

weil Glauben so wenig durch Gründe geschieht

als Schmecken und Sehen.

 

Die Natur ist herrlich; wer

kann sie übersehen? Wer versteht

ihre Sprache? Sie ist

stumm, sie ist leblos für den

natürlichen Menschen. Die

Schrift, Gottes Wort, ist

herrlicher, ist vollkommener, ist die

Amme, die uns die erste Speise

gibt und uns stark macht,

allmählich auf unsern eigenen

Füßen zu gehen.

 

Je geselliger die Menschen

leben, desto mehr genießen sie

von dem Boden, an dem sie

gemeinschaftlich arbeiten. Je

genauer sie die Pflichten der

Gesellschaft untereinander erfüllen,

desto leichter wird es ihnen,

ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Uneinigkeit macht ein fruchtbares

Land zur Wüste, arme

Einwohner, Flüchtlinge.

 

Selbsterkenntnis ist und bleibt

das Geheimnis echter Autorschaft.

Sie ist der tiefe Brunnen

der Wahrheit, die im Herzen,

im Geiste liegt, von da in die

Höhe steigt und sich wie ein

dankbarer Bach durch Mund

und Feder ergießt, wohltätig,

ohne Geräusch und Überschwemmung.

 

Das Herz schlägt früher,

als unser Kopf denkt — ein guter

Wille ist brauchbarer als eine

noch so reine Vernunft.

 

Wenn du eine Rede zu halten hast,

so rede so, dass dich

die Kinder verstehen können

und sieh mehr auf den Eindruck,

den du ihnen mitteilen kannst,

als auf den Beifall gelehrter

und witziger Maulaffen.

 

Bücher sind kein Spielzeug

für mich, sondern Handwerksgeräte,

gehören zu meines Lebens

Nahrung und Notdurft.

 

Seite 5   Krefelder Leinweber wandern aus. Die Deutsche „Mayflower“ hieß „Concord“ – Gründung von Germantown.

Im Sommer des Vorjahres fuhr von Plymouth eine genaue Nachbildung der „Mayflower“, jenes Schiffes, das 1620 die sogenannten Pilgerväter als erste planmäßige Kolonisten nach Nordamerika brachte, über den Atlantischen Ozean, um die Erinnerung an dieses so wesentliche Ereignis bei den Amerikanern von heute wachzuhalten. Diese Pilgerväter waren Puritaner, die um ihres Glaubens willen ihre angelsächsische Heimat verließen, um in den noch kaum erschlossenen überseeischen Ländern, die ihrem Heimatstaate gehörten, ein Leben zu gewinnen, das nicht durch intolerante religiöse Vorschriften gehemmt wurde. Sie waren fleißige Leute, die nach dem Grundsatz „bete und arbeite“ lebten. Die Siedlungen der Pilgerväter hatten es anfänglich nicht leicht, aber sie blühten bald auf und entwickelten sich zu richtigen Provinzen des englischen Weltreichs, waren aber 150 Jahre später auch die ersten, die sich gegen die Unterdrückung wehrten.

 

Wir haben auch so ein Schiff in unserer Geschichte! Es ist die „Concord“, die mit 13 Krefelder Leineweberfamilien am 24.07.1683 Europa verließ und am 6. Oktober endlich Philadelphia erreichten. Die Krefelder waren Mennoniten, gehörten also jener evangelischen Glaubensgemeinschaft an, die der Friese Menno Simon gegründet hatte und die neben der Pflege der Sittlichkeit, Herzensmilde und Reinheit, sich der Verfolgung Andersgläubiger, aber auch des Tragens und Gebrauchs von Waffen, ja jeder Gegenwehr enthielten, ebenso wie jegliche Teilnahme an einer weltlichen Regierung. In den Niederlanden marterten die Spanier Zehntausende dieser Sektierer und auch in Süddeutschland und in der Schweiz wurden sie blutig verfolgt. William Penn, der Gründer der Heimstätte für alle ihres Glaubens Verfolgten Pennsylvanien, lud die Mennoniten ein, nach Amerika auszuwandern. Der junge Rechtsgelehrte Franz Daniel Pastorius aus Sommerhausen, der auch dieser Glaubensgemeinschaft angehörte, wurde von William Penn mit der Organisierung der Auswanderung betraut.

 

Penns amerikanisches Waldrevier war von einigen Hundert Quäkern bewohnt, die mit den Indianern in Frieden und Freundschaft lebten und den „Ort der Brüderlichkeit – Philadelphia“ erbaut hatten.

 

Die 13 Krefelder Leineweberfamilien, insgesamt 33 Köpfe, waren zwar nicht die ersten Deutschen, die an dieser Küste landeten, aber sie brachten nicht nur eine eigene Ordnung, sondern auch ihr Handwerkszeug mit und gründeten einige tausend Schritte von Philadelphia entfernt den Ort Germantown, also Deutschenstadt, der sich bald zu einem blühenden Gemeinwesen entwickelte. Die rheinischen Leineweber waren auch tüchtige Landwirte und Obstzüchter, ja sie bauten auch Wein. Auf dem Ortssiegel ist zu lesen „Vinum, Linum et Textrinum" (Wein, Lein und Webeschrein) — wahrlich ein Symbol für die vielen Deutschen, die später nach Nordamerika auswanderten und als Landwirte und Gewerbetreibende dem neuen Erdteil so viel genützt haben. Germantown trieb bald einen schwunghaften Leinenhandel mit den Indianern und den Engländern auf Barbados und wurde wohlhabend. Schon 1691 erhielt Germantown Stadtrecht und Pastorius wurde erster Bürgermeister von Germantown.

 

Seite 5   Bastel-Ecke. Wir basteln ein Bilderbuch (mit Abbildung)

Zum Schenken findet sich immer eine Gelegenheit. Also nimmt auch in der Bastelstube die Arbeit nie ein Ende. Und die letzten matschigen Wochen vor Einzug des Frühlings wollen wir schnell noch nutzen. Hat nicht der kleine Bruder oder das Schwesterchen bald Geburtstag? Wenn nicht, macht's auch nichts, ohne besonderen Grund zu schenken, ist vielleicht ebenso schön, wenn nicht noch schöner.

 

Heute basteln wir also ein lustiges Ausziehbilderbuch. Beliebig viele Papptafeln, etwa 14 X 20 cm groß, werden durch 2 cm breite und 41 cm lange Stoffstreifen verbunden. Ihr lasst dabei, wie die Abbildung zeigt, zwischen je zwei Tafeln einige Millimeter- Zwischenraum, so dass sich der Tafelstreifen später zum Buch zusammenlegen lässt Den fertigen Streifen bezieht ihr mit weißem Papier und beklebt ihn dann beiderseits mit allerlei bunten Bildern, die ihr aus Zeitschriften ausschneidet oder bunten Postkarten, die ihr zum Geburtstag bekommen habt. Auf den Buchdeckel schreibt ihr mit bunten Buchstaben „Heinis Bilderbuch" (oder „Hänschen" oder „Bärbels" oder „Gretels"), dazu malt ihr noch ein Herz und drei Blümchen. Das wird eine Freude geben!

 

Seite 5   Gumbinner Jugend aktiv

Die jungen Gumbinner begannen das Jahr 1958 mit einer Freizeit in Osterode am Harz. Zum siebentenmal innerhalb von zwei Jahren trafen sich junge Menschen aus Stadt und Land Gumbinnen, um sich kennenzulernen und um zu zeigen, dass sie auch im dreizehnten Jahr der Vertreibung ihre Heimat und die Heimat von Eltern und Voreltern nicht vergessen.

 

Die Tage waren angefüllt mit Wanderungen, Lichtbildervortragen über die Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone, Vorträgen und Gottesdiensten. Die jungen Gumbinner konnten erfahren, dass im Anfang der Besiedlung Ostpreußens die Entschlossenheit, der Mut und die Tatkraft niedersächsischer Bauern, Bürger, Geistlicher und Adeliger standen. Weitere Gumbinner Freizeiten in diesem Jahr sind für Jugendliche von 16 bis 25 Jahren vom 28.03. bis 01.04. in Hamburg, vom 13.06. bis 17.06. in Bielefeld (Haupttreffen der Gumbinner Jugend), vom 20.07. bis 04.08. in einem Nord- oder Ostseebad, vom 23.08. bis 01.09. in Berlin und vom 01.10. bis 08.10. in Bielefeld/Oerlinghausen geplant.

 

Seite 5   Bernsteinfischerlied (Königsberg 1808). Max von Schenkendorf.

Preis dem heil'gen Küstenhüter,

der die wunderbaren Güter

uns gereicht aus tiefer Flut!

Bei dem ersten Morgenstrahle

füllen wir mit Gold die Schale,

schöpfen wir das Sonnengut.

 

Welch ein Reichtum! Welche Fülle!

Bist uns nah in Geisterhülle,

heil'ger Vater Adalbert!

 

In das weite Meer versunken,

von den Wellen eingetrunken, i

st ein sel'ges altes Land.

Fischer schaun es noch in Träumen,

Tropfen von den Lebensbäumen

sammeln wir mit reiner Hand.

Alle treibt ein gläubig Sehnen,

und in schwachen Fischerkähnen

wagen wir die heil'ge Fahrt.

 

Mutig selbst auf Todeswegen

schiffen wir dem Licht entgegen,

dürstend nach so hohem Preis.

Werden wir hinabgezogen,

kühlet im Gezeit der Wogen

unsre Gluten goldnes Eis.

 

In der heil'gen Frühe kommen

unsre Güter angeschwommen,

Licht und Wasser sind uns hold.

 

Seite 6   Erfindungen die aus Ostpreußen stammen. Aus Robert Budzinski's heiterer Ostpreußen-Fibel „Entdeckung Ostpreußens“.

A.    Der Skat oder das Skatspiel

Es ist erfunden worden von einem Handlungsreisenden, einem Rittergutsbesitzer und einem Lehrer. Es kann von zweien gespielt werden, dann heißt der dritte Strohmann und ist nicht da, sonst wird es von dreien oder vieren gespielt. Es kann auch von fünfen und mehr gespielt werden, dann heißen die übrigen drei Wanzen. Es gehören dazu Karten, Bier- und Schnapsgläser. Der erste Spieler legt eine Karte auf den Tisch, die anderen machen es nach. Dann nimmt einer von ihnen alle drei Karten zu sich. Das lassen die anderen sich nicht gefallen und schimpfen. Der Gesichtsausdruck ist geistreich, geheimnisvoll, gespannt. Am Schluss des Spiels bezahle man sein Geld mit heiterer Miene. Die ganze Zeremonie verlangt viel Geduld und Ausdauer, einen scharfen Blick, besonders um die Ecke, harte Fingerknöchel, tiefgründige Kenntnis der Fachworte und Sprichwörter. Beherrscht man das alles aber wirklich ganz, so wird man auch belohnt. Alles übrige, was sonst Menschen zu plagen geeignet ist, z. B. Kunst, Wissenschaft, Politik, alles verliert an Bedeutung. Der gediegene und ausdauernde Skatspieler zieht beseligt ins heilige Nirvanaphilisterium ein.

 

B.    Schmand und Glumse

Diese sehr wertvolle Erfindung gehört der Nahrungsmittelbranche an. Ein Produkt der ostpreußischen Kuh. Die Milch wird so verarbeitet, dass sie einmal dick wird und Glumse heißt, dann wiederum dünnflüssig und in diesem Zustand Schmand genannt wird. Beides wird in einen Teller getan und mit dem Löffel gegessen.

 

C.    Der Kumst

Gleichfalls zum Essen. Blätter des Sauerkrauts oder des Kohls. Sie werden fadenförmig zerschnitten und in ein altes Petroleumfass getan. Dann steigt man in dieses Fass hinein und übt Stampfschritt an Ort. Man kann die Schuhe und Strümpfe ausziehen. Dann geht man hinaus, legt wieder Blätter hinein und lässt seine Frau stampfen, dann geschieht dasselbe mit dem Großvater, dem Onkel und dem Dienstmädchen. Zuletzt bedeckt man das Fass mit einem alten Unterrock und stellt es in die gute Stube. Will man wissen, ob der Kumst schon fertig ist, so führe man einen Gast in die Stube. Geht er bald wieder hinaus, mit dem Finger an der Nase, dann ist der Kumst gut.

 

D.    Der Bärenfang

Dieses ist ein wohlschmeckendes und gut bekömmliches Getränk, in der Wirkung etwa ähnlich dem Zyankali. Man nehme einen Liter reinsten Fusels und ein Pfund reinsten Lindenblütenhonigs und schüttle beides in einer Flasche um. Man trinke aber nicht selber davon, sondern gebe es guten Freunden und Besuchern, auch sei man vorsichtig den Haustieren gegenüber. Die Wirkung äußert sich vorzüglich durch Betäubung der im Allgemeinen überflüssigen Fortbewegungs- und der nur schädlichen Denkorgane.

 

Ähnlich in der Wirkung ist

 

E.    Der Grog

Diese Erfindung hat sich — leider sehr verwässert — auch anderweitig durchgesetzt, daher ihre Beschreibung überflüssig.

 

Seite 6   Und die Trompete? Eine Fastnachtsgeschichte von Ernst Wiechert.

Aber dann, wenn Tante Veronika den Punsch in die Gläser goss und die Pfannkuchen auf den Tisch trug, musste sie von den Fastnachtsfesten ihrer Jugend erzählen. Sie strickte an einem langen grauen Strumpf, der von Jahr zu Jahr länger wurde, und von dem ich heimlich glaubte, dass er für den toten Bürgermeister bei siebzehn Grad Frost bestimmt sei. Selbst ihre Stricknadeln hatten etwas Geheimnisvolles, und plötzlich konnte sie eine von ihnen aus der grauen Wolle ziehen, sie hochhalten, den Kopf lauschend zur Seite wenden und leise, aber ohne Angst sagen: „Hast du gehört? Der Mann in der Wand hat geklopft ... er klopft immer um diese Zeit. Aber ich habe ein Kreuz in den Vorhang gestickt, und er kann nicht heraus ... ich glaube, es ist Nebukadnezar ..." Ich sah das Kreuz, eine halbe Spanne hoch, mit roter Wolle gestickt, und Tante Veronika erschien mir wie Gott, der Tote auferwecken und den Teufel bändigen kann.

 

„Ja, die Fastnacht ...“ sagte sie. „Da ist so viel unterwegs, siehst du, wovon sie heute nichts wissen. Deine Eltern, nun gut, da fahren sie nun drei Meilen im Schlitten und binden sich eine Maske vor und verkleiden sich als Jäger und Rotkäppchen und tanzen und reden viel und wickeln sich wieder in ihre Pelzdecke und fahren nach Hause. Als ich jung war, vor vierzig Jahren, da gab es keinen Schlitten und keine Pelzdecke für uns. Meine Schwester und ich, wir mussten die Wirtschaft beschicken, die Kühe melken, die Kälber tränken, bis zur Dämmerung. Und dann durften wir gehen. Die Kostüme kamen in einen Wäschekorb, Schuhe, Strümpfe, ein Taschentuch, und was wir brauchten. „Habt ihr auch die Trompete?" fragte mein Vater. Ja, die Trompete hatten wir. Und dann gingen wir los. Zwei Meilen, kleiner Andreas, und der Schnee trieb, dass keine Spur hinter uns blieb. Wir sangen zweistimmig, und nach jedem Lied wechselten wir die Seiten, damit die Hände uns nicht erfroren. Bei langen Liedern ließen wir eine Strophe aus. Drei Stunden gingen wir, kleiner Andreas, und dann tanzten wir die ganze Nacht. Ich war Zigeunerin, und alle jungen Förster ließen sich von mir wahrsagen. Und zurück ging es wieder zu Fuß. Und bevor die Sonne aufgegangen war, musste schon Feuer im Herd sein, und wir sangen noch, während wir die Kühe molken, nur nicht „Nun ruhen aller Wälder...“ Das passte nicht für den Kuhstall“.

 

„Und die Trompete?" fragte ich nach einer Weile. „Spielst du in der Kapelle, Tante Veronika?"

 

Sie ließ die Nadeln ruhen und sah mich an. „Eine Kapelle? Ach, Andreas, in manchen Dingen bist du schon so früh verdorben. Eine Kapelle sagt er! Wir hatten Musik, aber keine Kapelle. Eine Geige, eine Klarinette und einen Kontrabass. Mehr werden sie im Himmelssaal auch nicht haben ... nein, die Trompete war für die Wölfe“.

 

„Für ... Tante Veronika!"

Ja, für die Wölfe. Sie heulten damals in den Wäldern, denn die Winter waren streng, und wenn sie zu nahe kamen, setzten wir den Korb hin, und ich nahm die Trompete und blies. Es muss wohl schlimm geklungen haben, denn sie wagten sich nicht heran. Aber man musste das Mundstück anwärmen, sonst bekam man die Lippen nicht wieder los... du glaubst es nicht? Komm her ... siehst du es nun?" Und ich hielt sie in den Händen, ein erblindetes, verbeultes Instrument, aber der Zauberhauch verschollener Zeiten drang kühl aus dem dunklen Metall in meine Hände, und ich glaubte, dunkle Flecken zu erkennen, das Blut von Wölfen vielleicht oder den Rost von Tränen, die im Wintersturm auf das tröstende Erz gefallen sein mochten.

Aus Ernst Wiechert „Wälder und Menschen", Kurt Desch Verlag, München.

 

Seite 6   Fasteloawend, Bügeltanz, Flachszauber. Ein alter ostpreußischer Brauch.

Der Bügeltanz, der am Fasteloawend in Ostpreußen in ermländischen und samländischen Dörfern häufig getanzt wurde, hängt mit den ehemaligen Bräuchen der Flachsernte eng zusammen. Nach dem Volksglauben musste das Flachsspinnen, das in den „Zwölften" zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag ruhte, zu Fastnacht überall beendet sein. Je mehr man sich am Fasteloawend im Tanze drehte, desto besser sollte der Flachs im nächsten Jahre wachsen. Und der Bügeltanz verhalf dazu. Deshalb umwickelte man den runden Reifen, über den der Bügelmeister nachher die Mädchen springen ließ, zu unterst mit einem Streifen ungebleichter Leinwand. Erst darauf flocht man Tannen und brachte die selbstgemachten Papierblumen an. Wurde um Mitternacht dann der Bügeltanz von der Jugend des Dorfes getanzt, galt es für die Mädchen, über die der Bügelmeister den Bügel schwang, hoch zu springen. Denn es bedeutete Unehre für die Tänzerin, mit dem Fuß im Bügel haken zu bleiben. Das Lied, das man dazu sang, deutete darauf:

 

„Fasteloawend ös jekoame, /

Loop an de Linge, /

Wie wolle bäjle goahne, /

Loop an de Linge, /

Zucht on Ehr wolle wir /

bi de Jungfre finde".

 

Je höher das Mädchen sprang, wenn ihr Bursche sie aus dem Bügel hob, umso höher sollte im nächsten Jahr der Flachs wachsen. Daneben wurde der Bügeltanz noch zu einer Ehrprobe für das junge Mädchen, von der man sagte, sie sei nicht fertig geworden mit dem Flachsspinnen, weil sie im Bügel hängen blieb, was wohl dem losen Lebenswandel zuzuschreiben sei, durch den es von der Arbeit, vom Spinnen und Weben, abgehalten worden sei.

 

Seite 6   Von Adalbert Stifter.

Bas Beste |steht nicht immer in den Büchern, sondern in der Natur; nur haben die Menschen meist nicht die Augen, es zu sehen.

 

Seite 6   Warum das Schneeglöckchen so früh blüht. Ein Märchen aus Westpreußen – Aufgezeichnet von Carl Stanitzke.

Der liebe Gott hatte Himmel und Erde geschaffen und sie bevölkert und jedem Geschöpf Form, Farbe und Aufgabe gegeben. Zuletzt schuf er noch zwei lustige Gesellen, den Wind und den Schnee.

 

Kaum hatte der Wind Leben, so wartete er nicht ab, sondern fuhr singend und pfeifend in die Welt hinaus. Das gefiel ihm so sehr, dass er immer um die Erde herumfuhr; denn es gab so viel Schönes und immer Neues zu sehen. So erscheint er bald hier, bald da und treibt sein lustiges Wesen und seinen Übermut; denn niemand kann ihn ja sehen. Deshalb sind auch viele Geschöpfe auf ihn böse.

 

Der Schnee wartete, bis Gott ihm seine Aufgaben gegeben hatte. „Und eine Farbe kannst du dir wählen, wie du willst", sprach Gott gütig lächelnd.

Voller Dankbarkeit, aber auch voller Freude und Hoffnung, wie alle Jungen, zog der Schnee in die Welt hinaus und besah sich die Farben.

Am schönsten dünkte ihn das leuchtende Rot. Deshalb ging er zur Rose und bat sie um ihre Farbe. Aber die sah hochmütig auf ihn herab und wies ihn weg. Darum steht sie heute noch so steif und stolz da. Ihre herrliche Farbe weggeben? Nein, das wollte sie nicht, dann wäre sie ja nicht mehr die Schönste.

Der Schnee grämte sich darüber nicht. Es gab ja noch mehr schöne Farben. Sehr hübsch ist doch auch das sonnige Gelb.

Schnell eilte er zur Sonnenblume und fragte sie: „Möchtest du mir nicht deine schöne Farbe zum Kleide geben?" Aber sie war hochmütig: „Was denkst du dir!" rief sie unwillig aus und drehte den Kopf zur Seite. Das tut sie bis heute.

 

Der Schnee war wohl über diese Hartherzigkeit enttäuscht, aber nicht entmutigt. Da war ja noch das hübsche Blau. So ging er zu dem bescheidenen, versteckt blühenden Veilchen und brachte sein Anliegen vor. Bei den Kleinen konnte er eher mit der Erfüllung seines Wunsches rechnen. Traurig sagte ihm das gute Veilchen ab. „Ich bin so klein und blühe so versteckt. Wenn ich meine Farbe weggebe, so sieht mich ja niemand, und ich kann Keinem Freude machen“.

 

Das sah der Schnee ein, wenn er auch wieder eine Hoffnung begraben musste.

 

Nun, das lebhafte Grün ist doch auch hübsch! Also eilte er zum Grase und bat es um seine Farbe. Doch das sprach betrübt: „Das darf ich nicht! Wenn du grün wärst, dann würden die Tiere dich für Gras halten und fressen, aber davon würden sie krank und müssten sterben. Das willst du doch nicht?"

Nein, das wollte der Schnee gewiss nicht, so sehr ihn die Ablehnung auch betrübte. Was nun?

 

Er war ja noch so jung und kannte die Welt nicht. Ach, er war entmutigt und verzweifelt. Er setzte sich wieder und weinte bitterlich. Mit einmal hörte er ein feines Stimmchen fragen: „Warum weinst du? Fehlt dir etwas?" Da erzählte der Schnee unter Tränen, dass ihm der liebe Gott erlaubt habe, sich eine Farbe auszuwählen, und wie es ihm ergangen sei. Schluchzend schloss er: „Wenn ich keine Farbe habe, dann wird es mir gehen wie dem Winde, den keiner sehen kann. Darum liebt man ihn nicht“.

 

Die Kleine war das lieblich, gutherzige Schneeglöckchen. Voll Mitleid sprach es zum Schnee: „Nein, ohne Farbe sollst du nicht bleiben! Ich gebe dir gern mein weißes Mäntelchen, wenn es dir gefällt“.

Mit Tränen der Freude nahm der Schnee die Farbe an, und deshalb ist er weiß.

Lustig lässt er sich von seinem andern Gesellen durch die Luft wirbeln, ehe er sich schützend über die Erde breitet.

Dem Schneeglöckchen ist er dankbar und lässt es als erstes, ja, schon unter seiner Decke blühen. Aber wenn er beim Herabfallen Rose und Sonnenblume erblickt, dann setzt er sich auf sie, und von der Kälte müssen sie sterben. Traurig lassen sie bald die Köpfe hängen, die sie zuvor so stolz erhoben.

Aus Carl Stanitzke „Märchen aus Westpreußen", Verlag Elbinger Nachrichten, Oldenstadt/Uelzen i. Hann.

 

Seite 6   Ostseebad und Moorbad

CRANZ

Den nachstehenden Text entnahmen wir einem Werbeprospekt der Badeverwaltung Cranz, der Anfang der dreißiger Jahre herausgegeben wurde.

 

Am Eingang der Kurischen Nehrung liegt das Ostseebad Cranz, das in einer halben Stunde Bahnfahrt von Königsberg in direkter Verbindung zu erreichen ist.

 

Sein Hauptvorzug ist seine Lage an der weiten nach Nordwesten offenen Meeresbucht, die durch die Kurische Nehrung und die nördliche Küste des Samlandes gebildet wird. Dieser Lage verdankt der Badeort in erster Linie seine Beliebtheit. Keine gegenüberliegende Küste behindert die Entwicklung des stets kräftigen Seeganges. Außerdem hat Cranz den Vorzug an einen mehrere Tausend Morgen großen Laub- und Nadelwald zu stoßen, der weite Wanderungen nach der Kurischen Nehrung begünstigt. Von allen ostpreußischen Seebädern ist Cranz die älteste. Vor mehr als hundert Jahren ist dieser Badeort entstanden und ist in stets wachsendem Aufschwung geblieben. Cranz hat 4700 Einwohner, wird alljährlich von mehr als 12 000 Kurgästen besucht und ist das vielbesuchteste Bad Ostpreußens. An Blutarmut, Erschöpfungszuständen jeder Art, Englische Krankheit, Skrofulöse, Rheumatismus, Gicht, Frauenleiden. Leidende können hier Heilung in den kalten und warmen Seebädern, in den medizinischen und Moorbädern finden.

 

Das buntbewegte Badeleben bietet Kurkonzerte, Seefeuerwerke, Kinderfeste, Freilichtaufführungen, Tanzabende, gesellige Veranstaltungen, ostpreußische Heimat- und Volksfeste. Sportbegeisterte finden einen großen, allen neuzeitlichen Anforderungen entsprechenden Sportplatz, 6 Tennisplätze in der Nähe der See, Tennisturniere, Gymnastikkurse, Fischerregatta, Kanuheim des D. K. V.

 

Selbst im Winter bildet Cranz einen gewaltigen Anziehungspunkt. Das Haff, dreimal so groß wie der Bodensee, friert Winter für Winter mit seiner ungeheuren Weite zu und wird zum gewaltigen Erlebnis für den Eissegler und Schlittschuhläufer. Auch dem Skilauf Huldigenden steht hügeliges Gelände zur Verfügung.

Gute Unterkünfte in Hotels, Pensionen und Privatwohnungen.

 

Seite 6   Bauernregeln.

Februar mit Sonnenschein und Vogelsang, macht dem Bauern Angst und Bang.

 

Gibts an Lichtmess (2. 2.) Sonnenschein, wird ein spätes Frühjahr sein.

 

Wenns der Hornung gnädig macht; bringt der Lenz den Frost zur Nacht.

 

Tummeln die Krähen sich noch, bleibt bei uns des Winters Joch.

 

So viele Nebel im Februar, so viele Platzregen im Sommer.

 

Singt die Lerche jetzt schon hell, geht's dem Landmann an das Fell.

 

Wie sich's am Aschermittwoch hält, die ganze Fastenzeit sich stellt.

 

Mattheis bricht's Eis. Hat er keins, dann macht er eins.

 

Singt die Amsel im Februar, bekommen wir ein teures Jahr.

 

Romanus (28.2.) hell und klar, bedeutet ein gutes Jahr.

 

Seite 7   Baltenland - Eckpfeiler des Abendlandes. Was wissen wir voneinander? Folge 5 / Deutschbalten.

Als im Spätherbst des Jahres 1939 die Volksgruppe der Deutsch-Balten umgesiedelt wurde und vornehmlich im Raum von Posen und Westpreußen eine neue Heimat finden sollte, wurde an die Kinder einer Schule eines Kreisstädtchens im Gebiet um Posen die Aufforderung gerichtet, einen Aufsatz über die Balten, ihre Geschichte und ihre Bedeutung zu schreiben. Im Heft eines kleinen Mädchens fand sich bei der Durchsicht der Arbeiten dabei folgende Aufzeichnung:

 

„Vor siebenhundert Jahren sind die Balten ausgezogen, um das Gebiet an der nördlichen Ostsee zu kolonisieren. Gestern Nachmittag um ½ 4 Uhr sind sie unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt“.

 

Soweit das kleine Mädchen und ihr in lapidarer Kürze wiedergegebenes Wissen um die Balten. Wir sind weit davon entfernt, dem kleinen Mädchen wegen seiner Unkenntnis einen Vorwurf zu machen, denn uns will scheinen, dass diese Unkenntnis viel weiter verbreitet ist, auch in klugen Köpfen, und sich nicht auf die kleinen Mädchen einer Volksschule im Posenschen beschränkt.

 

Der berühmt gewordene Satz in einem inländischen Flugblatt aus der Zeit der großen Russennot und den Tagen der Kämpfe gegen den Moskowiter am Ausgang des 16. Jahrhunderts, „es möchte kein verlassener Volks auf dieser Welt erfunden werden, als wir armen Livländer" kennzeichnet die baltische Situation zu allen Zeiten auf charakteristische Weise.

 

Denn so war es, als am Ausgang des 12. Jahrhunderts die ersten Deutschen das Land an der Dünamündung aufsegelten. Ob es Bremer Kaufleute waren, wie eine Legende zu berichten weiß, ob es Männer aus Lübeck, aus Westfaeln oder Niedersachsen waren, die als erste ihren Fuß auf jenes Land setzten, das durch sie in den abendländischen Kulturkreis einbezogen ward, das ist von nur untergeordneter Bedeutung.

 

Von der Aufsegelung des Baltenlandes und der Gründung der Stadt Riga durch Bischof Albert, einen Bremer Domherrn, im Jahre 1201, bis hin zum Untergang des altlivländischen Ordensstaates im Jahre 1561, von den Raubkriegen Iwans des Schrecklichen über die Zerstörungen und Verwüstungen des Landes unter Peter I. bis hin zur Gewaltherrschaft der Sowjets in unseren Tagen hat der baltische Raum stets im Brennpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen seiner Nachbarmächte gestanden, deren Ziel die Herrschaft in diesem Räume gewesen ist, um ihn als Sprungbrett gegen den jeweiligen Rivalen zu benutzen.

 

„Sie können", hat Anfang des vorigen Jahrhunderts ein hoher russischer Würdenträger einem Vertreter der livländischen Ritterschaft gegenüber erklärt, „den historischen Ruhm Ihrer Provinzen konservieren, in Fragen der höchsten Politik das Schlachtfeld gewesen zu sein“.

 

Man hat das Baltikum mit einer „vielumtanzten Braut" verglichen, und wenn es einen roten Faden gibt, der sich durch die gesamte Geschichte des Landes zieht, so ist es der Behauptungskampf gegen den östlichen Erbfeind, die stetige Verteidigungs- und Abwehrbereitschaft der Völker dieses Raumes gegen das Ausdehnungsbestreben des großen Nachbarn im Osten.

 

So war es, als um das Jahr 1500 unter Führung des großen Ordensmeisters Wolter von Plettenberg Ritter Schulter an Schulter mit Esten und Letten gegen den Moskowiter fochten, so war es, als sich die Besatzung der Ordensburg Wenden in die Luft sprengte, um nicht lebend den Russen in die Hände zu fallen. So war es, als zweihundert Jahre nach dem Siege Plettenbergs Scheremetjew, der Feldherr Peters I., das Baltikum verwüstete und seinem Herrn melden konnte: „Alles ist verwüstet. Alle Schlösser sind niedergelegt. Nichts steht aufrecht außer Pernau und Reval und hin und wieder ein Hof am Meere; sonst ist von Reval bis Riga alles mit Stumpf und Stiel ausgerottet; die Orte stehen nur noch auf der Karte verzeichnet . . .

 

„Kein verlassener Volk möchte auf dieser Welt erfunden werden, als wir armen Livländer“.

 

Es fehlte den Deutschen im baltischen Raum, dem nachmalgien Staatsgebiet der Republiken Estland und Lettland, die Landverbindung zum Mutterland. Als mächtige Barriere lag Litauen zwischen dem Reich und seiner Kolonie. Dem deutschen Bauern aber erschien der Seeweg als Wagnis. So blieb das Baltentum bis in unsere Tage hinein das, was es durch die Jahrhunderte gewesen war: eine dünne Oberschicht über andersnationalen Völkern, oder, um es mit Siegfried Vegesack zu sagen: Herren ohne Heer. Diese Isolierung hat mehr als nur einmal zu kritischen Situationen geführt, und die Unkenntnis über Leben, Leistung und Leiden der Deutschen im baltischen Raum hat im deutschen Mutterland noch in gar nicht so ferner Vergangenheit so weit geführt, dass man von Deutschrussen sprach, wenn man die Balten meinte, und sich wunderte, wenn man sie ein fehlerfreies Deutsch sprechen hörte. Noch Manfred Kyber, der große baltische Dichter und Denker, vor fünfundzwanzig Jahren verstorben, hat es erleben müssen, dass man ihn, während des ersten Weltkrieges, in Berlin als russischen Staatsangehörigen einem Zivilinternierten gleich behandelte und ihn zwang sich regelmäßig auf dem Polizeirevier zu melden.

 

Trotz aller Leiden und aller Unterdrückung durch den Panslawismus und die Russifizierungstendenzen des Zarenreiches, dem der baltische Raum angehörte, seit Schweden, das mit Polen nach dem Niedergang des Deutschen Ordens das Land innegehabt hatte, im Nordischen Kriege Peter I. unterlegen war, hat das baltische Deutschtum seine Position zu wahren gewusst. Carl Schirren, ein baltischer Historiker, der im Jahre 1869 dem Panslawismus seine berühmte „Livländische Antwort" entgegengeschleudert hat, bringt dies in eben dieser Schrift zum Ausdruck, wenn er sagt:

 

„Feststehen, das wird unsere Aktion; ausharren, das soll die Summe unserer Politik sein. Verlieren wir dabei das rechtmäßige Erbe, welches unsere Väter uns hinterlassen, so haben wir es wenigstens nicht feige verraten, und die Ehre gerettet, ist alles gerettet“.

„Wir fangen dann wieder von vorne an und machen es unter veränderten Verhältnissen und mit veränderten Aufgaben im Wesentlichen doch wieder so wie die Väter, als sie vor mehr denn siebenhundert Jahren inmitten der Schweden, der Dänen, der Litauer und Russen Fuß fassten und der abendländischen Christenheit eine Vormauer bildeten unter Bedrängnissen und Leiden, welche sie alle überstanden, wie die Geschichte meldet“.

 

Die Zahl großer Söhne, die das Baltentum hervorgebracht hat, ist bei einer Gesamtzahl, die der Bevölkerung einer mittleren Großstadt entspricht, erstaunlich. Balten stellten nicht nur dem russischen Zarenreich in großer Zahl Gelehrte, Forschungsreisende, Entdecker und Heerführer, ihr Anteil an der Erforschung und Europäisierung Russlands war so beachtlich, dass selbst die Sowjetunion immer wieder auch heute noch auf die Leistungen dieser Männer sich beruft, wobei sie jedoch nicht verfehlt, den Weltumsegler Adam von Krusenstern, den Anatomen Carl Ernst von Baer, den Südpolforscher Baron Fabian Bellinghausen als Russen, den Befehlshaber der Befreiungsarmee gegen Napoleon, Feldmarschall Fürst Michael Barclay de Tolly, der übrigens im Jahre 1818 auf der Reise in die böhmischen Bäder im Forsthaus Stieleitschen bei Insterburg gestorben ist, als „russischen" General zu bezeichnen.

 

In zunehmendem Maße vor allem seit der Russifizierung des Baltenlandes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Balten auch im deutschen Mutterlande sichtbar, wo sich zunächst baltische Professoren die Universitäten zu erobern begannen, um in jüngster Zeit durch die baltischen Dichter und Schriftsteller abgelöst zu werden. Die Namen von Adolf von Harnack, des Begründers der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, und von Reinhold Seeberg, der beiden großen Theologen, sind nicht weniger bekannt als die der Philosophen Graf Hermann Keyserling und Nicolai Hartmann, des Mediziners Ernst von Bergmann, des Chemikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, des Indologen Leopold von Schroeder, des Afrikaforschers Georg Schweinfurth, des Malers Eduard von Gebhardt, der Historiker Johannes Haller und Theodor Schiemann, des Biologen Jacob Baron Uexküll oder der Margarethe von Wrangells, die als Botanikerin als erste deutsche Frau eine ordentliche Professur bekleidet hat.

 

Die Reihe der Dichter und Schriftsteller, als deren Vorläufer Goethes Jugendfreund Jacob Michael Reinhold Lenz genannt sei, beginnt recht eigentlich erst mit dem vor vierzig Jahren verstorbenen Grafen Eduard Keyserling, der als Vorläufer aller jener Balten anzusehen ist, die in zunehmendem Maße seit dem Ende des ersten Weltkrieges sich in Deutschland einen guten Namen gemacht haben. Monika Hunnius und Mia Munier-Wroblewski gehören ebenso hierher wie Manfred Kyber und Werner Bergengruen, Sigismund von Radecki und Frank Thiess, Otto von Taube und Siegfried von Vegesack. Selbst Ina Seidel, deren Mutter Baltin war, und Hermann Hesse, Sohn eines baltischen Vaters, dürfen in diesem Zusammenhang genannt werden.

 

Wer als Balte in einem ostpreußischen Blatt schreibt, darf natürlich auch an den Beziehungen zwischen Ostpreußen und dem Baltenland nicht vorübergehen. Dass diese Beziehungen sehr eng waren, dürfte nicht unbekannt sein, wobei insbesondere Königsberg mit seiner Universität einen wichtigen Anziehungspunkt für die Balten bildete. Kein Geringerer als Immanuel Kant hat mit zahlreichen Balten in Verbindung gestanden, sei es, dass man ihn bat, Hauslehrer für baltische Herrenhöfe zu vermitteln, sei es, sich studierender Balten in Königsberg anzunehmen. Allein in den Jahren 1710 - 1765 haben nicht weniger als rund 180 Balten in Königsberg studiert, und erst mit der Gründung der baltischen Landesuniversität Dorpat im Jahre 1802 ist ihre Zahl naturgemäß zurückgegangen. Dass ein Bruder Kants Pastor in Kurland und „Balte" wurde, sei nur am Ende vermerkt, ebenso die Tatsache, dass Johann Gottfried Herder von 1764 - 1769 als Lehrer und Pastor in Riga gewirkt hat, wo auch andere Königsberger von Rang und Namen eine Stätte des Wirkens gefunden hatten.

 

Aus jüngster Zeit aber stammt die Äußerung eines Mannes über die Balten, mit der wir unsere Betrachtung abschließen wollen. Die Stimme, die wir hier zu Wort kommen lassen wollen, ist am 9. Januar 1958 verstummt, als mit dem Tode von Paul Fechter das deutsche Geistesleben unserer Tage ein herber Verlust traf. Wenige Monate nur ist es her, seit Paul Fechter für den Schreiber dieser Zeilen einen Aufsatz unter dem Titel „Balten" schrieb. Hier heißt es: „

 

Im Grunde genommen muss man aus dem deutschen Osten stammen, um wenigstens ein bisschen über die Balten mitsprechen zu können. Die Menschen der preußischen Landschaft empfanden, was do oben ‚in Kurland', die Ostseeküste entlang bis beinahe nach Petersburg oder mindestens bis zum Peipussee hauste, als Nachbarn, und zwar als nähere Nachbarn fast, als die Menschen im Reich. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren ja die letzten Zeiten eines noch natürlichen Verbindungsgefühls, für die das Land das Trennende, verbindend nur das Wasser war. Die Nachbarstädte von Danzig, Elbing, Königsberg hießen Kopenhagen, Stockholm, Riga, Dorpat, Reval: Kant verlegte seine erste große Kritik bei Hartknoch in Riga, Herder tat später das gleiche. Das Baltikum lag dem deutschen Osten darum so nahe, weil man zur See nach Dorpat, nach Mitau, nach Riga konnte — Berlin war darum so weit, weil kein Dampfer dorthin fuhr. Die baltische Welt war für den deutschen Osten eine Nachbarwelt. Wir empfanden schon in jungen Jahren die Balten als Nachbarn, sogar als Verwandte. Sie waren im Grunde aus demselben Holz wie unsere Dönhoffs und Dohnas, Fahrenscheidts und Etzdorfs und wie sie sonst noch hießen: sie saßen auf ihrem eignen Grund und Boden; ihnen war aufgegeben die Sorge für den kleinen Mann — sie waren Herren. Herren ohne Heer — das war der Kern der baltischen Tragödie...“

 

„Man hat schon früh festgestellt, dass das Baltikum darum so wichtig für das Reich und seine Menschen war, weil dort im Umkreis der deutschen Adelsfamilien und ebenso im deutschen Bürgertum der Städte die eigentliche geistige Tradition des alten Deutschland der Goethe- und Humboldt- und Hegelzeit ungetrübt durch liberalistische und technische und Gründerzeiten fortgelebt hatte. Wenn man einmal zusammenträgt, was die Welt des Reichs bis in die letzten Jahrzehnte von den Männern und Frauen des Baltikums empfangen hat, es ist schon ein erstaunlicher und beinahe ein bisschen beschämender Reichtum, der sich dort ausgewirkt und dem Reich das einst vom Westen her Mitgenommene wieder zurückerstattet hat“.

 

„Es ist wichtig, dass dieser zweite östliche Kraftquell des deutschen Lebens auch im Westen ebenso wenig vergessen wird, wie der erste noch auf deutschem Boden gelegene — der des deutschen, des preußischen Ostens. Beide, Kurland, das Baltikum wie die Ordenswelt Preußens stammen aus der gleichen großen Zeit des alten Reichs, aus der Zeit der Stauffer: kaum fünfundzwanzig Jahre trennen den Zug der Schwertbrüder und den des Deutschen Ordens. Es gilt beider Erbe den Jüngeren ungeschwächt weiterzureichen; dabei aber sind die Balten selber seit je die besten Helfer gewesen und werden es bleiben“. Erik Thomson

 

Seite 7   Baltische Anekdoten

Feuerwehrbälle in den Ostseeprovinzen verliefen bisweilen nicht ohne Tätlichkeiten. In den siebziger Jahren ließ sich ein alter Herr in Mitau rasieren und erkundigte sich beim Friseur, wie der Feuerwehrball am Tage vorher gewesen sei. „Sehr anständig", erwiderte der Friseur, „Schlag auf Schlag und kein Schimpfwort“.

 

Herzog Peter von Kurland war sehr hässlich. Eines Tages wandte er sich an den sogenannten Reisemarschall Fircks und sagte: „Fircks, ich höre, er imitiert gut, imitiere er mir“. Darauf Fircks: „Durchlaucht, ich kann nicht“. „Sage er mir den Grund“. „Nur wenn Durchlaucht befehlen“. „Nun, ich befehle“. „Gott könnte mir strafen, und ich könnte so bleiben“.

 

Seite 7   Einsam verschneites Haus. Von Manfred Kyber.

Ein einsam verschneites Haus

und über ihm die Sterne —

es geht meine Sehnsucht so gerne

noch heute drin ein und aus.

 

Nur meine Gedanken und Träume

im erloschenen Herde glühn

und schmücken die alten Räume

mit irischem Tannengrün.

 

Das alles ist ferne, ferne.

 

Nur meine Sehnsucht geht gerne

noch heute drin ein und aus.

Ein einsam verschneites Haus —

und über ihm die Sterne...

 

Seite 7   Bild: Riga, St. Petri und Schwarzhäupterhaus.

„Schwarzhäupter" — dieses eigenartige Wort mag geheimes Gruseln dort erzeugen, wo man den europäischen Osten und mit ihm Riga, 1201 von Deutschen an der Düna gegründete Stadt, weniger kennt. Es klingt beinahe nach düsterer Geheimorganisation. Aber nichts von solchen Gedanken träfe zu!

„Schwarzhäupter" nannte sich eine Vereinigung von Junggesellen, die als Kaufleute und Handelsherren mit Fleiß und Fähigkeit zum Wohl und Wachstum ihrer Heimat, der Stadt Riga, beitrugen. Und ihr „Schwarzhäupterhaus" war eigentlich weiter nichts als das, was man heute ein Clubhaus nennen würde. Hier kam man zusammen zur ernsten Beratung wie zu frohem Tun.

Das im 14. Jahrhundert entstandene, im 17. Jahrhundert baulich veränderte „Schwarzhäupterhaus" zu Riga ist ein steinerner Zeuge mittelalterlicher deutscher Baukunst, der nicht nur in Osteuropa Ansehen genoss. Die Fassade wurde gegen Ende des 2. Weltkrieges total zerstört.

 

Seite 8   Drei Geschwister in der gleichen Stadt. Aus Königsberg nach Duisburg verschlagen / Der Krieg trennte sie.

Duisburg. In Sachen Familienzusammenführung ist man allerlei Ungewöhnliches gewöhnt. Was sich kürzlich aber in Duisburg abspielte, ist dennoch erwähnenswert: Drei Geschwister, die jahrelang in der gleichen Stadt wohnten, wussten nichts voneinander. Bis jetzt der Zufall sie wieder zusammenführte.

 

Am 8. Januar feierten die Geschwister Margarete Danzer, Ella Danzer und Ernst Danzer, die bis 1944 in Königsberg wohnten, frohes Wiedersehen nach 13 Jahren. Damals, in den letzten Kriegswochen, flüchteten die Schwestern Danzer aus der ostpreußischen Hauptstadt. Bruder Ernst war Soldat. Nach dem Kriege verlor man sich aus den Augen. Die Schwestern waren im Lager getrennt worden und glaubten sich gegenseitig verschollen, vom Bruder wusste man gar nichts. Margarete Danzer lernte in Bayern einen Mann aus Duisburg kennen und heiratete ihn. Seit fast fünf Jahren wohnt Margarete in Duisburg. Schwester Ella ging es ähnlich, auch sie zog vor vier Jahren in die Stadt an Rhein und Ruhr. Beide wohnten knapp vier Kilometer voneinander entfernt in verschiedenen Stadtteilen, aber sie sahen sich nie und glaubten voneinander, dass sie tot oder vermisst seien.

 

Auch Bruder Ernst war vor knapp einem Jahr nach Duisburg gekommen. Er fand Arbeit in der Schwerindustrie. Seit einem Jahr wohnt er in der gleichen Stadt wie seine Schwestern. Aber sie wussten nichts voneinander. Bis zum 8. Januar. Da ging Schwester Ella „eben mal“ in das Patenschaftsbüro der Stadt Duisburg. Mal sehen, ob man in der Königsberger Kartei etwas von meinen Geschwistern weiß, sagte sie sich. Duisburg ist Patenstadt Königsbergs und hat schon zahlreiche Familien wieder zusammenführen können. Die Freudentränen standen Schwester Ella in den Augen, als sie hörte, dass Schwester Margarete und Bruder Ernst ganz in ihrer Nähe wohnen.

 

Die Königsberger Kartei in Duisburg hat schon drei Zusammenführungen im neuen Jahr zustande gebracht. Außer den drei Danzers wurde einem Königsberger die Anschrift seiner totgeglaubten Schwester gegeben, und ein junger Königsberger erhielt die Adresse seines vermisst geglaubten Vaters. Die Kartei hat auch schon erfolgreiche Auskünfte nach Südamerika, die Vereinigten Staaten, Iran, Israel, Kanada, Frankreich und Großbritannien erteilt. So ist diese Kartei zu einer Brücke zwischen den Königsbergern geworden, die sich jederzeit Auskünfte einholen können.

 

Seite 8   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm, (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

Allen Geburtstagskindern des Faschingsmonats Februar 1958 die herzlichsten Glückwünsche für das neue Lebensjahr, unter ihnen

mit vollendeten 20 Jahren

am 16.02.1958: Marlen Gorontzi (KMTV Königsberg);

 

40 Jahren

am 06.02.1958: Georg Wolf (TuF Danzig),

am 15.02.1958: Lotte Rohlfs-Wiechmann (KMTV Königsb.),

am 23.02.1958: Hildegard Schädler (Pillau);

 

50 Jahren

am 12.02.1958: Agnes Tomscheit-Volkmann (Allenstein),

am 23.02.1958: Hilde Dietz-Schulzki (Lyck),

am 25.02.1958: Marie Hoffmann (Danzig-Langfuhr),

am 28.02.1958: Hans Kramps (KMTV Königsb.);

 

60 Jahren

am 25.02.1958: Herbert Sander (TuF Danzig);

 

75 Jahren

am 19.02.1958: Willy Ventzlaff (Zoppot),

am 21.02.1958: Dr. Alfred Schurig (KTC Königsb.) und

 

mit 80 Jahren

am 01.02.1958: Adolf Saßermann (Marienwerder und Marienburg).

 

Der Weihnachtsbrief 1957 mit der Einladung Wiedersehenstreffen beim Deutschen Turnfest 1958 in München ist wiederum in einigen Fällen beim Versand in die Sowjetzone „verloren gegangen". Wer von solchen Fällen Kenntnis erhält, den bitte ich um Mitteilung, damit ich die Einladung wiederholen kann.

 

Unbekannt verzogen sind nach Postvermerk auf zurückgekommenen Briefen

von der Tgm. Danzig:

Christel Meier,

Egon Müller,

Edith Neumann-Hannmann,

Edith Zielke-Schwede;

 

vom TuF Danzig:

Gottfried Fehlauer,

Horst Klatt,

Hans Krüger,

Eugen Schütt;

 

vom Frauen-TV Danzig:

Clara Gottke,

Traute Heimberg-Böhnke;

 

vom TV Dt.-Eylau:

Hulda Wachner-Lutz;

 

vom ETG Elbing:

Eva Bluhm-Bachler,

Erich Milbrodt,

Käte Werner;

 

von TuS Heinrichswalde:

Alfred Priedigkeit;

 

vom KMTV Königsberg:

Ursula König,

Irene Meiffert-Keibel,

Dr. Adalbert Perrey,

Bruno Schermutzki;

 

vom KTC Königsberg:

Frau Beuche,

Paul Heincke,

Editha Juschka-Meyer,

Erika Neumann,

Annelore Neumann,

Familie Stahlschuß,

Clara Turowski-Liedtke;

 

vom VfL Königsberg:

Ingeborg Hennig-Letzsch;

 

von Prussia-Samland Königsberg:

Waldemar Remuß;

 

vom Frauen-TV Labiau:

Dora Wellnetz;

 

vom TV Landsberg/Ostpr.:

Lotte Grünheid-Strebel,

Lotte Wiegner-Pfahl;

 

vom TV Lichtenfeld/Ostpr.:

Aenne Müller-Grohnert;

 

vom MTV Lyck:

Franz Hellwich,

Frieda Stroetzel-Mex;

 

vom MTV Marienburg/Westpr.:

Paul Grendler,

Käte LaasnerLebbe,

Walter Penner;

 

vom TV Marienwerder:

Ernst Dickau,

Hans Putzenius,

Ursel Wilde-Funk;

 

vom MTV Memel:

Hans Kibelka,

Herta Ribbat,

Grete Schwarz-Gailowik,

Gerda Stigge-Makschin;

 

vom MTV Tilsit:

Günther Kniest;

 

vom TV Zoppot:

Gisela Berger-Peter,

Heinrich Brauer,

Karla Fahl,

Fritz Hoffmann,

Robert Morgenstern,

Erich Schulz,

Erhard Wohlert.

Ich bitte um Mitteilung der heutigen Anschriften.

 

Deutsches Turnfest München und X. Wiedersehenstreffen. Wer sich für die Teilnahme vorangemeldet hat, erhält — soweit die Anmeldung nicht über seinen heutigen örtlichen Turnverein geht — von mir im Laufe dieses Monats die Aufforderung zur endgültigen Meldung und Einzahlung von Festbeitrag, Quartiergeld usw. bis spätestens Ende März 1958. Auch wer keine Voranmeldung abgegeben hat, kann die endgültigen Meldeunterlagen anfordern.

 

Jetzt wird's ernst! Wer sich erst am 1. April oder noch später zur Teilnahme entschließt, hat mit einem erhöhten Festbeitrag für das Turnfest und Schwierigkeiten in der Quartierfrage zu rechnen. Wer zuerst kommt, malt zuerst! Beeilt Euch! Gut Heil! Onkel Wilhelm.

 

Seite 8   Wir gratulieren!

Goldene Hochzeit

Eheleute Johann Tolksdorf und Frau Olga Tolksdorf, geborene Kolberg, aus Reimerswald, Kreis Heilsberg, am 20. Januar 1958 in Lastrup.

 

Eheleute Max Jakomeit und Frau Eva Jakomeit, geborene Maskeit, aus Wendenburg, Kreis Heydekrug, am 9. Januar 1958 in Meppen, Bodelschwinghstraße 28.

 

85. Geburtstag

Photograph Ernst Gebhardi, aus Insterburg am 14. Februar 1958 in Engelade über Seesen am Harz, wo er heute bei Bauer Wacker wohnt.

 

84. Geburtstag

Rektor a. D. Walther Hardt am 22. Januar 1958 in Lübbecke i. W., Andreasstraße 30. Rektor Hardt erfreut sich voller geistiger und körperlicher Rüstigkeit, steht noch aktiv als Vorsitzender der LO in Lübbecke in der landsmannschaftlichen Arbeit. Der Jubilar ist gleichzeitig Vorsitzender des amtlichen Vertriebenenbeirats der Stadt und Mitglied verschiedener Ausschüsse der Kreisverwaltung. Als Redner ist er viel unterwegs.

 

82. Geburtstag

Josef Lange, aus Allenstein am 28. Februar 1958 in Straußberg bei Berlin, Ernst-Thälmann-Str. 20, wo er bei seiner Tochter Lydia lebt. Der Jubilar erfreut sich geistiger Frische und körperlicher Rüstigkeit.

 

81. Geburtstag

Kreiswegemeisterwitwe Minna Grunwald, aus Königberg am 12. Februar 1958 bei vorzüglicher Gesundheit und geistiger Regsamkeit in Seesen, Talstraße 57.

 

80. Geburtstag

Verwaltungsgerichtsdirektor a. D. Dr. Gustav Simon, aus Königsberg am 6. Februar 1958 in Bonn, Marienstraße 37. Nach Tätigkeit als Landrat in Karthaus/Westpr., später Heiligenbeil, wurde der Jubilar 1926 Verwaltungsgerichtsdirektor in Königsberg.

 

Frau Elly Kohlbach geborene Wicke, aus Königsberg, Nikolaistraße 2, am 4. Februar 1958 in Langenhagen bei Hannover, Masurenweg 9, wo die Jubilarin bei ihrem einzigen Sohn Dr. Walther Kohlbach lebt. Ihr Mann Max Kohlbach starb im Februar 1952 in der Mittelzone.

 

78. Geburtstag

Bäuerin Charlotte Schmilewski, geborene Pöhl, aus Paterschobensee, Kreis Ortelsburg, am 5. Februar 1958 in Seesen, Baderstraße 16. Die Jubilarin kam erst vor einigen Monaten als Spätaussiedlerin aus Ostpreußen.

 

77. Geburtstag

Luise Kalweit, die sich als Schriftstellerin vor allem kurzer humoristischer Prosa unter der ostpreußischen Leserschaft einen Namen machen konnte, am 21. Januar 1958 in Flensburg, Friesische Straße 29, I.

 

87. Geburtstag

Landwirtschaftsrat i. R. Johannes Kantelberg, aus Königsberg, Augustastraße 11, am 12. Februar 1958 in Preetz/Holst., Kührener Straße 28.

 

Februar-Geburtstagskinder in Flensburg

Marie Scheffel, aus Königsberg am 1. Februar 1958: 83 Jahre;

 

Anna Skibba, aus Darkehmen am 2. Februar 1958, 75 Jahre;

 

Otto Volkmann, aus Elbing am 5. Februar 1958: 80 Jahre;

 

Marie Graw, aus Krickhausen Wormditt am 10. Februar 1958: 82 Jahre;

 

Ida Broszeit, aus Insterburg am 10. Februar 1958: 78 Jahre;

 

Max Zmodzin, aus Tapiau am 11. Februar 1958: 86 Jahre;

 

Wilhelmine Grahl, aus Königsberg am 12. Februar 1958: 86 Jahre;

 

William Böje aus Memel am 14. Februar 1958: 85 Jahre:

 

Christine Doering, aus Elbing am 19. Februar 1958: 85 Jahre;

 

Emilie Hildebrandt, aus Königsberg am 20. Februar 1958: 83 Jahre:

 

Friedrich Ragnit, aus Frauledin/Wehlau am 22. Februar 1958: 78 Jahre;

 

Klara Braun, aus Eydtkau am 23 Februar 1958: 76 Jahre;

 

Gertrud Schulz, aus Königsberg am 28. Februar 1958: 83 Jahre;

 

Luise Oesterheld, aus Wormditt am 28. Februar 1958: 75 Jahre.

 

Das Heimatblatt der Ost- und Westpreußen, die „Ostpreußen-Warte" gratuliert allen Jubilaren von Herzen. Recht viel Glück und auch weiterhin beste Gesundheit!

 

Seite 8   Freiherr v. Braun 80 Jahre

Am 7. Februar 1958 begeht der frühere Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Magnus Frhr. v. Braun, in Oberaudorf/ Obb. seinen 80. Geburtstag. Magnus Frhr. v. Braun wurde 1878 in Neucken im Kreise Pr.-Eylau/Ostpreußen geboren. Nach einem Jurastudium in Göttingen und Königsberg trat er in die preußische Verwaltung ein, in der er nach anfänglicher Tätigkeit in den rheinischen Provinzen Preußens und in Schlesien, im preußischen Handelsministerium und als Landrat in Wirsitz schließlich während des 1. Weltkrieges in das Reichsamt des Innern und dann in das Reichskanzleramt berufen wurde. Nach dem Kriege war Magnus Frhr. v. Braun Polizeipräsident in Stettin, Personalienrat für die preußische Verwaltung und in den Jahren 1919/1920 Regierungspräsident in Gumbinnen. Anschließend stand er als Generaldirektor dem Verband der Raiffeisen-Genossenschaften vor, den er in mühevoller Arbeit zu neuer Blüte und Wirksamkeit emporführte; insbesondere galten seine Bemühungen der Behebung der allgemeinen Agrarkrise, einer Aufgabe, der er sich als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in den Kabinetten Papen und Schleicher wirksam annahm. Mit dem Jahre 1933 endete sein öffentliches Wirken. — 1946 musste Magnus Frhr. v. Braun seine ostdeutsche Heimat, wo er zuletzt im Kreise Löwenberg/Niederschlesien gelebt hatte, verlassen. Einen Bericht über sein Leben und Wirken gab Magnus Frhr v. Braun in dem Buche „Von Ostpreußen bis Texas".

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg, Osdorf, Blomkamp 51, unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Altendorf, Kreis Gerdauen, wird Herbert Wassel, geboren am 30. März 1937 in Nubertshöfen, gesucht von seiner Mutter Helene Wassel, geborene Staar, geboren am 6. November 1912 in Nubertshöfen. Herbert Wassel ist 1948 in Tauroggen/Litauen gesehen worden.

 

Aus Amalienwalde, Kreis Heiligenbeil, wird Horst Klang, geboren am 17. Dezember 1937, gesucht von seinem Vater Fritz Klang, geboren am 13. Dezember 1908 in Lebehnen. Auch der ältere Bruder, Siegfried Klang, geboren am 1. Juni 1933 in Amalienwalde, wird noch gesucht. Die letzte Nachricht von Horst Klang und Siegfried Klang war vom Februar 1945 aus Stolp/Pomm.

 

Aus Arnstein, Kreis Heiligenbeil, werden: Irmgard Pohling, geboren am 16. Mai 1937, und Elisabeth Pohling, geboren am 29. September 1934, gesucht von ihrem Vater Otto Pohling, geboren am 17. Februar 1884.

 

Aus Bombitten, bei Zinten, Kreis Heiligenbeil, wird Christel Komke, geboren am 21. September 1937, gesucht von ihrem Vater Ernst Komke, geboren am 11. November 1893, von Hertha Komke, geboren am 9. Oktober 1928, und von Hermann Ruhnau. Die Mutter, Auguste Komke, geborene Ruhnau, geboren am 25. August 1897, wird ebenfalls noch gesucht. Die letzte Nachricht war vom 30. März 1945 aus Danzig-Langfuhr.

 

Aus Brandenburg, Kreis Heiligenbeil, Langgasse 12 wird Ruth Kutschka, geboren am 7. April 1940 gesucht von ihrem Vater Walter Kutschka, geboren am 23. Januar 1907 in Brandenburg/Ostpreußen Ruth Kutschka kam am 28. Oktober 1947 in das russische Waisenhaus in Ludwigsort, Kreis Heiligenbeil und soll in November 1947 nach der Insel Rügen transportiert sein.

 

Aus Gumbinnen wird Wolfgang Bree oder Scholl, geboren am 28. Oktober 1937 in Gumbinnen, gesucht von seiner Mutter Luise Bree, geborene Scholl und seiner Tante Charlotte Tepper, geborene Scholl.

 

Aus Heiligenbeil, Schmiedestraße wird Inge Blank, geboren am 21. März 1941 in Königsberg/Preußen, gesucht von Elise Möwert, geborene Schirmacher, geboren am 1. Juli 1906 in Mükühnen. Inge Blank ist auf der Flucht in Mükühnen, Kreis Heiligenbeil verlorengegangen.

 

Aus Heilsberg, Heimstättenweg 28 wird Harry Werner, geboren am 1. Januar 1938 in Heilsberg, gesucht von Franz Werner.

 

Aus Heilsberg, Neustadtstr. 7 wird Josef Hermann Preuß, geboren am 24. Juli 1936, gesucht von seinem Vater Josef Hermann Preuß, geboren am 15. Juni 1900 in Essen-Kupferdreh. Zuletzt befand sich Josef Hermann Preuß im Kinderheim in Heilsberg/Ostpreußen.

 

Aus Königsberg, Hermann-Allee 14 wird Peter Browarzick, geboren am 8. Februar 1936, gesucht von seinem Bruder Dieter Browarzick. Peter Bowarzick (wahrsch. Schreibfehler) soll im Herbst 1947 nach Litauen gegangen sein.

 

Aus Königsberg, Yorckstr 86 werden die Geschwister: Rudi Prill, geboren am 13. März 1938 und Helga Prill, geboren am 26. November 1935 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Kurt Prill, geboren am 15. November 1905 und von Paula Ellendt, geborene Ulanska, geboren am 8. März 1883 in Bromberg/Westpreußen.

 

Aus Königsberg - Kohlhof, Straße 1050, Nummer 52 wird Doris Kecker, geboren am 30. Mai 1937 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Ernst Kecker, geboren am 16. März 1901 in Goldschmiede, Kreis Fischhausen/Ostpreußen. Die Mutter Gertrud Kecker, geborene Saager, geboren am 21. Februar 1908, sowie die älteren Geschwister, Siegfried Kecker, geboren am 14. Oktober 1930 und Harry Kecker, geboren am 21. Februar 1927, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Open, Kreis Braunsberg wird Johann Tolksdorf, geboren am 27. Oktober 1937 in Open, gesucht von seinem Vater Anton Tolksdorf, geboren am 22. April 1882 in Open.

 

Aus Pageldienen, Kreis Heydekrug wird Renate Rudat, geboren 1939 in Pageldienen, gesucht von Max Rudat, geboren am 5. Juni 1913.

 

Aus Pothainen, Kreis Mohrungen wird Horst Keuchel, geboren am 10. März 1939 in Pothainen, gesucht von seiner Mutter Anna Wist, geborene Krause verwitwete Keuchel, geboren am 5. März 1919 in Nasewitt, Kreis Mohrungen. Horst Keuchel wird seit dem 22. Januar 1945 in Spittehnen, Kreis Bartenstein/Ostpreußen, vermisst.

 

Aus Rostheim, Gemeinde Siemental, Kreis Sichelberg, werden die Geschwister Irene Erdmann, geboren am 9. Juni 1938 und Erika Erdmann, geboren am 24. Juli 1941, gesucht von ihrer Mutter Josefine Erdmann, geboren am 24. August 1906. Irene und Erika Erdmann wurden in Sichelberg/Südostpreußen von ihrer Mutter getrennt. Sie befanden sich auf dem Wagen der Frau Margarethe Erdmann, aus Siemensheim, welche selbst 3 Kinder, Albert Erdmann, geboren am 8. Juli 1934, Elisabeth Erdmann, geboren am 11. November 1937 und Irma Erdmann, geboren am 9. August 1938, hatte. Wer treckte in Sichelberg mit Frau Margarethe Erdmann und den fünf Kindern und kann über den weiteren Verbleib derselben Auskunft geben?

 

Aus Rothfliess, Kreis Rössel, werden die Geschwister: Dora Oswald, geboren im Mai 1940/1941 und Edith Oswald, geboren am 23. Januar 1937 in Bischofsburg/ Ostpreußen, gesucht von ihrer Tante Liesbeth Bogdahn, geboren am 11. Januar 1907 in Bischofstein/Ostpreußen.

 

Aus Sudauen wird Erika Bartuschat, geboren am 2. November 1943 in Sudauen, gesucht von ihrem Onkel Heinz Bartuschat. Die Mutter, Hedwig Bartuschst geborene Reif, geboren am 21. Oktober 1920, wird ebenfalls noch gesucht.

       

Aus Sudauen, ehemal. Adolf-Hitler-Straße 89, wird Ilona Geppert, geboren am 30. Juli 1940, gesucht von ihrer Mutter Hildegard Adami, verwitwete Geppert, geboren am 2. September 1911. Das Kind befand sich mit seiner Mutter in Königsberg-Maraunenhof, Kranichweg 45. Es ging der Mutter auf der Flucht von Königsberg nach Pillau verloren.

 

Kindersteckbriefe mit Foto.

Name: Käsler

Vorname: Paul

geb.: 18.11.1941

Augen: blau

Haare: schwarz

Der Knabe sucht seine Mutter Maria Käsler, geboren 2. März 1921 in Schlitt, Kreis Heilsberg, welche 1945 in Heiligenthal, Kreis Heilsberg wohnte. Bild Nr. 02559

 

Name: Nieth

Vorname: Manfred

geb.: 16.07.1940

Augen: blau

Haar: blond

Manfred Nieth stammt aus Schillfelde, Kreis Schloßberg. November 1944 lebte er in Bartenhof, Kreis Wehlau. Januar 1945 ging er mit seiner Mutter Helene Nieth und seinen Großeltern Hermann und Charlotte Nieth auf die Flucht. Er trug eine blaue Trainingshose mit Bluse eine Ski-Mütze und hohe Schuhe. Während der Flucht saß er mit seinen Angehörigen zuerst auf einem Pferdewagen. Man fuhr in Richtung Königsberg. Unterwegs jedoch wurde bei einem Bauern Halt gemacht, da es der Mutter und den Großeltern nicht gut ging. Frau Helene Nieth erwartete ein Kind. Es ist möglich, dass die gesuchten Personen bis Bartenhof mit den anderen Leuten aus Schillfelde zusammen gewesen sind.  Bild Nr. 7892

 

Name: unbekannt

Vorname: unbekannt

geb.: etwa 1941

Augen: graublau

Haar: blond

Der Knabe wurde im März 1945 wegen einer Darmerkrankung in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert. Es wäre möglich, dass es sich um ein Kind aus Ostpreußen handelt. Bild Nr. 2493

 

Aus Willims, Kreis Rössel, wird Dieter Kurowski, geboren am 18. November 1942 in Königsberg, gesucht von August Kostrzewa, geboren am 13. Oktober 1888 in Stockhausen, Kreis Rössel. Dieter Kurowski soll Anfang März 1945 mit dem Schiff „Kurland" nach Swinemünde gekommen sein.

 

Aus Worleinen, Kreis Osterode, wird Eckehard Glomp, geboren am 15. Dezember 1941, gesucht von seinem Onkel Paul Lindner, geboren am 5. Februar 1905. Beim Kind befand sich die Mutter, Gertrud Glomp, geboren am 15. März 1922, die ebenfalls noch vermisst wird.

 

Aus dem Krankenhaus in Mohrungen wird Klaus Rekittke, geboren am 16. Oktober 1944, gesucht von seiner Großmutter Anna Steckert, geboren am 5. Oktober 1883. Klaus Rekittke wurde Anfang Januar 1945 in das Krankenhaus in Mohrungen eingewiesen.

 

Aus Norwieden, Kreis Ebenrode, wird Hans-Joachim Jung, geboren am 22. März 1937 in Tollmingkehmen, Kreis Goldap, gesucht von seiner Mutter Elfriede Wendel geborene Jung, geboren am 22. Dezember 1907.

 

Aus Peterswalde, Kreis Wehlau, wird Günter Prengel, geboren am 8. April 1942 in Peterswalde, gesucht von seiner Mutter Martha Prengel geborene Grützahn, geboren am 8. November 1901. Günther Prengel ging auf der Flucht in Saßnitz bei einem Bombenangriff verloren. Er soll angeblich von Sanitätern in Sicherheit gebracht worden sein.

 

Aus Podlechen bei Korschen, Kreis Rastenburg, wird Margret Wesse, geboren am 17. Januar 1942 in Hamburg, gesucht von ihrer Tante Annaliese Rath geborene Höpfner, geboren am 5. Oktober 1925 in Korschen. Das Kind befand sich zuletzt in Begleitung ihrer Mutter Erna Wesse, geborene Höpfner, geboren am 28. September 1921 in Landkeim (Ostpreußen), ihrer Großeltern Hermann Höpfner und Hertha Höpfner geborene Tarrach und ihrer Tante Helene Baldig geborene Höpfner, geboren am 25. April 1923, die ebenfalls noch vermisst werden.

 

Aus Sorbehnen, Kreis Mohrungen, wird Ursula Kull, geboren am 1. Juli 1942, gesucht von ihrer Mutter Erna Kull, geboren am 14. September 1917 in Kemmen. Ursula Kull befand sich zuletzt in der Kinderklinik in Frauenburg bei Allenstein (Ostpreußen). Sie war lungenkrank.

 

 Aus Steffenswalde, Kreis Osterode, wird Grete Wisotzki, geboren am 8. Februar 1941, gesucht von ihrer Mutter Anna Wisotzki, geboren am 19. März 1915. Das Kind ging der Mutter am 22. Januar 1945 auf dem Bahnhof in Marienburg (Westpreußen) verloren. Wer nahm sich des Kindes Grete Wisotzki auf dem Bahnhof Marienburg an und kann über den weiteren Verbleib desselben Auskunft geben?

 

Aus Wellendeich, Post Wippenheide, Kreis Labiau, werden Heidrun Samel, geboren im Oktober 1941 und Dieter Samel, geboren im Juli 1939 in Neuheidlauken, gesucht von ihrem Großvater Adolf Samel, geboren am 20. März 1887. Die Kinder Samel sind zuletzt im Samland (Ostpreußen) gesehen worden.

 

Seite 9  Ein Tag im Leben der Königsberger Börse.

Jeden Vormittag um 11 Uhr versammelten sich die Börsenmakler auf der Börse mit ihren Auftraggebern — den sogenannten inländischen und russischen Kommissionären —, um die aus Russland und Ostpreußen am selben Morgen per Bahn oder Kahn angekommenen Getreide-, Saaten-, Hülsenfrucht- oder Futtermittelmengen als Muster in Holzschalen vorzubereiten. Hiermit waren dann während des eigentlichen Börsenbetriebs alle Tische in verwirrender Fülle bestellt, die jeder Börsenmakler zu diesem Zweck von der Korporation der Kaufmannschaft gemietet hatte. Die Ausstellung dieser Proben selbst geschah in der sogenannten Sommerbörse, einem von Säulen getragenen langgestreckten Raum, der zur besseren Besichtigung der Proben vollkommen mit Glas gedeckt war und parallel zum großen Börsensaal lief. Hierbei war es nun die Aufgabe der Kommissionäre, mit Hilfe und unter Aufsicht der vereidigten Börsenmakler die Ware an die Königsberger Exporteure zu verkaufen, die dafür die besten Preise zu zahlen bereit waren.

 

Die Exporteure hatten sich während dieser Vorbereitungen in dem großen Börsensaal versammelt, der einstweilen noch von der Sommerbörse durch ein starkes rotes Seil getrennt war. Pünktlich um 11.30 Uhr zogen die Börsendiener das rote Seil ein, und nun stürzte jeder der Exporteure zu dem Maklertisch, auf dem er die Ware, die er gerade brauchte, vermutete. Es war Vorschrift, dass kein Konkurrent sich dem Tisch nähern durfte, an dem ein anderer Exporteur mit dem Makler verhandelte. Erst wenn das Geschäft nicht zustande kam und der Tisch freigegeben wurde, durfte eine neue Verhandlung mit dem wartenden Konkurrenten aufgenommen werden. Sechs- bis siebenhundert Menschen besuchten täglich die Börse. In etwa einer Stunde waren die Hauptkäufe getätigt, und um 12.30 Uhr ertönten die alten Messingglocken der Börsendiener, welche die Börsenmakler in das Notierungszimmer riefen, wo sie die erzielten Preise dem von der Korporation der Kaufmannschaft bestimmten Notierungskommissar zur Veröffentlichung mitteilten.

 

Danach spielte sich das weitere Getriebe in dem großen Börsensaal ab, wo sich inzwischen die Schiffsreeder und Schiffsmakler sowie die Getreideagenten — d. h. die Beauftragten der in England, Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und nord- und westdeutschen Einfuhrplätzen sitzenden Importeure — eingefunden hatten, um Frachtraum anzubieten oder die inzwischen eingelaufenen telegraphischen Orders der auswärtigen Importeure den Königsberger Exporteuren vorzulegen. Diese erteilten auf Grund der vorher in der Sommerbörse getätigten Käufe ihre neuen Offerten an die Getreideagenten zum kabeln in alle Welt oder ließen sich von diesen die eingelaufenen Orders zum Akzept oder zur Gegenofferte vorlegen. Sie unterhandelten darauf mit den Schiffsmaklern, um den benötigten Schiffsraum zur billigsten Frachtrate zu chartern, und wandten sich dann den Versicherungs-Agenten zu, um für die zu beladenden Schiffe das Risiko während der Seereise zum günstigsten Satze zu decken.

 

Bei diesen Unterhandlungen schweifte wohl des öfteren der Blick nach der 19 Meter hohen Kuppel des Börsensaales, wo ein großer goldener Zeiger hin- und herhuschte und die jeweilige Windrichtung anzeigte. Dieser Zeiger war mit einer Wetterfahne fest verbunden, die sich auf dem Dache der Börse drehte. Denn bei diesen Verhandlungen spielte die Wetterlage und besonders die Windrichtung eine nicht unerhebliche Rolle, da sich danach die Höhe der Seeversicherungsprämie richtete und es auch öfters davon abhing, ob ein nach Königsberg unterwegs befindliches Schiff noch so rechtzeitig den Hafen erreichen würde, um einen bestimmten kontrahierten Termin einzuhalten.

 

Um 1 Uhr versammelten sich auch die Kolonialwarengroßhändler in einer Ecke dieses Saales, um die Offerten der Kolonialwarenagenten entgegenzunehmen. Zur gleichen Zeit erschienen auch die Vertreter der Königsberger Banken, um durch den einzigen vereidigten Königsberger Kursmakler die Notierungen der Wertpapiere vorzunehmen, die sie am Vormittag von Bank zu Bank gehandelt hatten. Eine eigene Effektenbörse, wie sie an fast allen anderen Börsen einen Hauptzweig bildete, hat es in diesem Sinne an der Königsberger Börse nie gegeben. So wurden auch Anträge, die die Banken von ihrer Kundschaft zum An- und Verkauf von Wertpapieren erhielten, fast ausnahmslos an die Berliner Effektenbörse weitergegeben.

 

Während der Börse wurden auch die sich an allen vier Ecken des großen Saales anschließenden Nebenräume stark benutzt. In dem einen befand sich das Börsen-Telegraphenamt

mit den Telefonzellen für die Börsenbesucher. Mittels Lautsprecher konnten dann bestimmte Personen aus dem großen Saal heraus ans Telefon gerufen werden. Ein anderer Nebenraum beherbergte das Börsen-Zollamt, das gleich dort Anträge auf Überführung von gekauften Waggons sowie Zolldeklaration von den Exporteuren entgegennahm. Ein dritter Raum endlich enthielt das Notierungs- und Arbitragenzimmer, wo Schiedsrichter bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Käufer und Verkäufer zu entscheiden hatten. Im vierten Nebenraum befand sich die Garderobenablage.

 

Von 12.30 Uhr ab begann sich die Börse allmählich zu leeren. Die meisten Besucher pflegten im Anschluss daran noch ihre Stammtische in den Wein- und Bierstuben der Kneiphöfischen Langgasse aufzusuchen, um miteinander bei einem Schoppen noch engere persönliche Fühlung zu nehmen oder um noch ein Geschäft „zu begießen". Pünktlich 13.30 Uhr schwangen die Börsendiener wieder ihre alten Messingglocken und mahnten dadurch jeden Nachzügler, die Börse zu verlassen. Sie wurde abgeschlossen und versank in einen Dornröschenschlaf, aus dem, sie erst wieder zum Leben erwachte, wenn am anderen Tage um 11.30 Uhr die alten Glocken von neuem erklangen. Dr. R. Pawel

 

Seite 9   Schlittenfahrt auf dem Pregel 1840

Einer der Nachfolger auf dem Lehrstuhl Kants an der Albertina, der Philosoph Karl Rosenkranz, berichtet in seinen 1842 erschienenen „Königsberger Skizzen" über die winterlichen Vergnügungen in Königsberg (Pr.) vor mehr als hundert Jahren:

 

„Ist der Winter nicht ein unausstehliches Schlackerwetter, worin man durch steten Wechsel von Frost und Auftauen, von Schnee und Regen in endlosem Nebel lebt, mindestens bei bezogenem Himmel, der das Bild der Sonne oft monatelang verschleiert, ist er vielmehr ein guter Winter, so bietet sich ein großer Genuss. Der Pregel friert dann zu; der Schnee fällt schuhhoch und macht gute Schlittenbahn; die Sonne aber scheint so hell und freudig und der Rauch quillt aus den Schornsteinen so gerade und kraftvoll in den hellblauen Himmel; die Tritte der Menschen und Tiere knirren so vernehmlich auf dem festen Schneeboden; die Raben und Krähen schreien so munter, dass man ganz aufgeräumt wird.

 

Zuweilen hält dies klare Winterwetter acht bis neun Wochen, nur von einzelnen Sturm- und Schneetagen unterbrochen, an. Dann ist für die Königsberger die Fahrt auf dem Pregel eine Hauptlust. Zwar läuft man auch, besonders auf dem Schlossteich, viel Schlittschuh, aber doch nicht so viel und nicht so schön als im nordwestlichen Deutschland. Dagegen stehen unten am Kai, da, wo die Fähre zu gehen pflegt, Hunderte von Schlitten, mit Pferden bespannt. Von hier fährt man gewöhnlich nach Holstein, Kaffee zu trinken. Der ganze Strom erklingt dann von den Hufen der Pferde, die mit Pfeilesschnelle getrieben werden, es einander zuvor zu tun, von dem Geläut der Schellen und dem Geknall der Peitschen.

 

Neben den Fahrenden schiebt sich die Masse der schaulustigen Spaziergänger hin und her, die gewöhnlich bis zur Cosse, einem Kaffeehause an dem nach Holstein führenden Damm, wallfahrten. Der Anblick der vielen hin und her eilenden Schlitten, der flinken Spaziergänger in ihren dunklen Mänteln und Pelzen auf dem weißen Grunde, von dem sich die Gestalten höchst malerisch abheben, hat viel Eigentümliches. Dazu kommen große Frachtwagen, die von Pillau und landeinwärts von anderen Orten kommen und gehen. Denn der anhaltende Frost befördert den Verkehr des Nordens außerordentlich und Königsberg seufzt daher oft über das Stiemwetter, worunter man ein Durcheinander von Schnee, Regen und Wind versteht, und über den so häufigen Schmutz, weil derselbe die Wege unbefahrbar macht und die Zufuhr an Lebensmitteln abschneidet. Ein Frost von 8 bis 10 Grad ist uns daher das angenehmste Winterwetter“.

 

Seite 9   625-Jahrfeier eines Königsberger Gymnasiums

Ehemalige Lehrer und Schüler des Königsberger Stadtgymnasiums Altstadt-Kneiphof begingen am vergangenen Wochenende in Hannover die 625-Jahrfeier ihrer altehrwürdigen Schule. Die Feier fand in der Aula des Ratsgymnasiums statt, welches vor vier Jahren die Patenschaft über die Königsberger Anstalt übernommen hatte. Die Festansprache hielt Oberarchivrat Dr. Erich Weise, früher Königsberg, jetzt Hannover, über das Thema „Reichsgedanken im Ordensland Preußen". Die Tradition des Königsberger Altstadt-Gymnasiums wird am hannoverschen Ratsgymnasium u. a. durch die Verleihung der „Königsberger Alberte", einem früher von Studienanfängern an der Albertus-Universität in Königsberg getragenen Abzeichen, an die Abiturienten fortgeführt

 

Seite 9   Königl. Preuß. Staats-Kriegs- und Friedens-Zeitung.  (Abgebildet ist das Wappen)Verlag der Hartungschen Hofbuchdruckerei. Verantwortl. Redaktuer: Hartung.

Vor 150 Jahren in Königsberg

Wir lesen im Jahrgang 1808 der „Kgl. Preußisdien Staats-, Kriegs- und Friedenszeitungen" im

 

10. Stück Donnerstag den 4. Februar 1808: Der regierenden Königin Majestät ¹) sind von einer Prinzessin glücklich entbunden worden, weshalb in den Kirchen die herkömmlichen Danksagungsgebete angeordnet worden sind.

 

11. Stück Montag den 8. Februar 1808:

Kant, der Unvergessliche, starb am 12. Februar 1804. Ihm folgten mehrere der würdigsten Lehrer: Schultz der Mathematiker, Metzger, Schulz der Theolog, Hasse, Reusch, Kraus, Genschen. Ihr Andenken zu feiern werde ich den 12. Februar vormittags 11 Uhr in dem großen akamemischen Hörsaale einen öffentlichen Actus veranstalten und eine Rede über die Pflichten des Staatsbürgers halten. Hochachtungsvoll lade ich hierzu alle Freunde des Guten ein.

D. A. W. Heidemann ² ) Ostpreuß. Regirungsrath und Professor der Rechte.

 

14. Stück Donerstag den 18. Februar 1808:

Friedrich Nicolovius ³) zeigt ap: „Der Freymüthige oder Berliner Unterhaltungsblatt für gebildete und unbefangene Leser. Herausgeg. von A v. Kotzebue und Aug. Kuhn“.

Max v. Schenkendorf ) bietet dem Publico eine kleine Sammlung wissenschaftlicher Abhandlungen, Gedichte und Musikalien unter dem Titel Studien an. Ertrag für das abgebrannte Heiligenbeil. 4 fl.

 

16. Stück. Donnerstag den 25 Februar 1808:

Rede über die Pflichten des Staatsbürgers zur Gedächtnisfeier Kants und der nach ihm verstorbenen Professoren gehalten am 12. Februar von D. A. W. Heidemann, Professor der Rechte und Ostpr. Regirungsrath ist geheftet für 24 gr. preuß. zu haben in der Buchhandlung Goebbels und Unzer. )

 

Das „17. Stück Montag den 29 Februar 1808" bringt als ausführlichen Leitartikel „Die Briten vor Copenhagen“. Unter den Anzeigen: „Kupferstich: Porträt des Herrn Gen. Lieutenant v. L‘Estocg ), gestochen von Arnold, 2 fl 15 gr. Goebbels und Unzer“.

H. M. Mühlenpfordt

 

¹) Königin Luise; 1776 - 1810. Die Königl. Familie residierte v. 11.01. - 15.12.1808 in Königsberg.

²) Dr. jur. August Wilhelm Heidemann, geb. 1773 zu Stargard, 1802 Professor an der Albertina, wurde 1810 Oberbürgermeister von Königsberg, hochverdient um die Erhebung, starb er 1813 am „Lazarettfieber".

³) Damals erste Buchhandlung Königsbergs. Er war der Bruder des um die Steinschen Reformen hochverdienten Ministerialdirektors Georg Heinrich Ludwig Nicolovius.

) Geboren 1783 in Tilsit: lebte damals In Königsberg, Kalthöfsche Straße 113.

) Später Gräfe und Unzer.

) Anton Wilhelm v. L'Estocq, eigentlicher Sieger von Preuß. Eylau.

 

Seite 9   Staatliche Hufenoberschule für Mädchen Königsberg!

Am 1. Osterfeiertag findet bei genügender Beteiligung ein Schultreffen in Hann in Westfalen, Hotel „Kaiserhof“. Hohe Straße 66, um 14 Uhr statt. Wegen fester Bestellung des Lokals bitte ich um Anmeldung bis 1. März 1958. Unkostenbeitrag 1,-- DM. Oberschullehrerin H. Schmidt, Soest in Westf., Wilhelm-Morgner-Weg 16.

 

Seite 9   Erinnerungen an das kirchliche Leben

Im Auftrage der Fuldaer Bischofskonferenz sollen alle Erinnerungen in Wort und Bild an das kirchliche Leben der Vertriebenen in ihrer Heimat erfasst werden. Alle Heimatvertriebenen werden daher aufgerufen. Photographien von Kirchen und kirchlichen Gebäuden, von kirchlichen Kunstwerken und Baudenkmälern, Schriftgut und Literatur hierüber sowie Pfarr- und Ostchroniken dem katholischen Kirchenbuchamt in München, Preysingstraße 21, zur Verfügung zu stellen.

 

Seite 9   Winterliches Ostpreußen.

Bild 1: Dom zu Königsberg Pr./O. Winterabend

Bild 2: Eissegeln auf dem Schwenzait-See

Bild 3: Rominten, Jagdschloss

 

Seite 10   LOVIS CORINTH.

Modern sind alle Bilder, welche für alle Zeiten kraft ihres hohen künstlerischen Wertes über alle Strömungen hinaus eine fortwährende lebendige Wirkung auf uns Menschen ausüben und deshalb in der Mode bleiben werden.

 

Seite 10   „Ein Neues habe ich gefunden“. Zur Berliner großen Corinth-Gedächtnisausstellung.

„Ein Neues habe ich gefunden: die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben. Das Höchste!" Diese Sätze aus Corinths Selbstbiographie, nicht lange vor seinem Tod geschrieben, sprechen von seinem Bewusstsein, in der Kunst dieses Jahrhunderts das, was Herbert Eulenberg in seiner Schrift nannte, zu sein: „Ein Maler unserer Zeit". Das Gedenken an seinen hundertsten Geburtstag wird so manches wiedergutzumachen haben, was man diesem Werk bisher schuldig geblieben ist. Den Auftakt der Ausstellungen, veranstaltet von der Nationalgalerie der ehemals Staatlichen Museen im Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg unter der neuen Ära Reidemeister, mit Förderung des Bundesministers für Gesamtdeutsche Fragen, kann man in diesem Zusammenhang herzlichst begrüßen, bieten doch die 75 Ölbilder dieser Auswahl eine Vorstellung von seiner epochalen Bedeutung.

 

Unter den Leihgebern findet man neben fast allen wichtigen deutschen öffentlichen Sammlungen auch Antwerpen, Basel, Winiterthur und Zürich und eine Reihe genannter und ungenannter Privatsammler, unter ihnen den Deutschen Botschafter in Moskau Dr. Wilhelm Haas (Selbstbildnis am Walchensee von 1921).

 

Von dem Porträt des Vaters auf dem Krankenlager, 1888, noch mit Louis Corinth gezeichnet, bis zum letzten Selbstbildnis mit Spiegel (1925), das ihn ganz nahe an die erschütternde Wirkung der Altersbildnisse eines Rembrandt führt, begegnen wir Immer wieder dem Tod, immer wieder der Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens. In den Schicksalsverknotungen seines Lebens hat Corinth auch die ausdruckstärksten seiner Bilder geschaffen.

 

Da sind frühe Proben des Realismus (Landschaften, Akte und lebensfreudige Interieurs, die berühmten Bildnisse von Gerhart Hauptmann und Eduard Graf Keyserling, von Peter Hille und aus seinen farbig-realistischen mythologischen Szenen z. B. „Die Kindheit des Zeus"). Das Schwergewicht liegt aber auf dem reifen und dem immer metaphysischer werdenden Spätwerk.

 

Das 1906 entstandene saftige Bild „Vor dem Bade", dessen Fleischlichkeit sich von dem besonnten Grün und dem roten Tuch abhebt, kann neben Höhepunkten des französischen Expressionismus bestehen. Es hängt sonst in der Hamburger Kunsthalle. Die Faszination gehört aber den immer erregter werdenden, expressionistischer Gestaltung immer näher kommenden Arbeiten, die zwei Drittel dieser Auswahl bestimmen. Hier besitzt Berlin selbst einige Gipfelwerke, andere wurden sorgsam zusammengetragen in die Stadt, die mit Corinths Entfaltung am engsten verbunden ist. Da ist die visionäre Tiefe des Inntals, bereits 1910, während etwa der im Jahr darauf entstandene „Kaisertag in Hamburg" viel unbeschwerter und vordergründiger erscheint. Seine Selbst-Porträts wirken wie Jahresringe der inneren Entwicklung und heute wie Marksteine der Wirkung in der Welt, deren Höhepunkt noch nicht erreicht ist.

 

Es ist das von 1918 (Wallraf-Richartz-Museum) da, in dem sich manifestiert, wie sehr dieser „Naturalist" und „Realist" einer der edelsten Vertreter der deutschen (und wir dürfen unterstreichen — nur ganz aus ostdeutschem Wesen und ostdeutscher Landschaft zu verstehenden), im Westen nicht immer begriffenen „metaphysischen" Malerei ist. Unter den erregt leuchtenden und wie von einem Sturmhauch angefahrenen Stillleben bewegt uns am meisten das von 1921 (Düren), unter dem sich der Totenkopf halb verbirgt und aus dem es blüht wie aus einer Vase. Nicht alles ist so dämonisch. Auch in den Walchenseelandschaften, in die immer wieder die Ruhe einkehrt, gibt es aber solche, die in ein Jenseitiges zu drängen scheinen. Es sind hier die von Saarbrücken, aus Kölner Privatbesitz, Bern, dem Frankfurter Städel (mit ihrer Winter-Erregtheit), die Wiesbadener, Züricher und zwei aus Hannover, darunter die sehr südlich wirkende der Landesgalerie zu sehen.

 

Historisch ist bereits das 1924 gemalte Porträt des Reichspräsidenten zu nennen, von makabrer Aktualität die schräggestellte Wucht der „Schlossfreiheit in Berlin" (Galerie des 20. Jh.) und „Das trojanische Pferd", das in seiner Rückkehr zur Mythologie doch von einer ganz anderen Tiefe und Symbolkraft ist als die frühen sinnlich-prallen Bilder. Im Porträt Bernt Grönvolds, das mit flammendem Rot am oberen Rand signiert ist, brennen geradezu Züge der Psychoanalyse. Das Blumenstillleben aus dem letzten Jahr ist wie ein farbenes Meer von Lebewesen einer anderen Welt, das Porträt Georg Brandes zeigt noch einmal, wie sehr der Vitalist Corinth nach seiner Krankheit immer mehr ins Geistige und Sensitive hineingewachsen ist.

 

Was Waldmann schon 1927 erkannte, bestätigt sich hier: die zunehmende Nachbarschaft zu Nolde und Kokoschka. Weitab von allem „Formalismus" und allem „Realismus" bewährt sich eine Kunst, die weder Sache des „Gefälligen" noch des „Intellektuellen" ist, die aber dem wirklichen und wesentlichen Leben in Erfüllung des Leitsatzes „Die Kunst des Unwirklichen üben" umso näher kommt, weil sie immer um den Tod wusste. Emst Schremmer

 

Seite 10   Lovis-Corinth-Gedächtnisausstellung. In der Volkswagenstadt Wolfsburg.

Aus Anlass des 100. Geburtstages des großen deutschen Impressionisten Lovis Corinth, der am 21. Juli in Tapiau in Ostpreußen geboren wurde, veranstaltet das Volkswagenwerk in Wolfsburg eine große Ausstellung mit Werken dieses bedeutendsten Meisters der deutschen Malerei.

 

Die Ausstellung wird am 4. Mai 1958 in der neugebauten Stadthalle in Wolfsburg feierlich durch den Generaldirektor des Werkes, Professor Dr.-Ing. E. h. Heinz Nordhoff, eröffnet werden. Sorgfältige Vorarbeiten, die sich über ein Jahr erstreckten, gingen voraus, so dass diese Ausstellung die umfangreichste Schau von Gemälden des Meisters sein wird, seit der Ausstellung der National-Galerie in Berlin im Jahre 1926, ein Jahr nach dem Tode Corinths.

 

Über 45 in- und ausländische Museen und eine bedeutende Anzahl von Privatsammlern aus Amerika, Deutschland, England Frankreich, aus Israel und der Schweiz haben ihre Schätze zur Verfügung gestellt. Insgesamt werden etwa 250 Gemälde, dazu 75 Aquarelle und Zeichnungen aus allen Schaffensperioden zur Ausstellung gelangen. Davon stammen allein 60 Gemälde aus Amerika, 12 aus England. Auch der Bundespräsident, Professor Heuss, hat ein in seinem Besitz befindliches Bild zur Verfügung gestellt. Das Spätwerk des Meisters ist mit 120 Gemälden vertreten. Die Ausstellung gewinnt noch dadurch besonderes Gewicht, dass sämtliche Hauptwerke Corinths zu sehen sein werden, von denen eine beträchtliche Zahl seit drei Jahrzehnten der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich war.

 

Zugleich mit der Ausstellung wird der Verlag Bruckmann, München, einen großen Katalog der Werke von Lovis Corinth herausbringen, in dem sämtliche Gemälde des Meisters verzeichnet und abgebildet sind. Die Verfasserin dieses Kataloges ist Frau Charlotte Berend-Corinth..

 

Seite 10   Agnes Miegel verabschiedet sich

Die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel, die in Bad Nenndorf ihren Lebensabend verbringt, will sich am 21. Februar im Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Oeynhausen von der Öffentlichkeit verabschieden.

Die 79-jährige Dichterin hat zu diesem letzten Leseabend Vertreter des kulturellen Lebens, der Wirtschaft und ihren großen Freundeskreis eingeladen. Der Niedersächsische Kultusminister Richard Langeheine und der Kultusminister Nordrhein-Westfalens, Prof. Luchtenberg, werden diesen letzten Leseabend gemeinsam mit der Ostpreußischen Landsmannschaft Oeynhausen veranstalten.

 

Seite 10   Agnes Miegel besprach Ostpreußen-Platte

Agnes Miegel hat kürzlich bei einem Besuch in Hamburg bei einer großen Schallplatten-Firma eine Ostpreußen-Heimat-Platte mit ausgewählten Proben aus ihrer Lyrik und Prosa besprochen.

 

Seite 10   Stammbuch der ostpreußischen Salzburger

Über 2000 Salzburger Familien, die während des Glaubenskampfes in den Jahren 1731/1732 Österreich verließen und sich in Ostpreußen ansiedelten, sind in dem „Stammbuch der ostpreußischen Salzburger" aufgeführt, das jetzt nach zweijähriger Vorbereitung vom „Salzburger Verein" in Bielefeld herausgegeben worden ist. Dieses Stammbuch soll den heute in der Bundesrepublik verstreut lebenden Ostpreußen helfen, ihre Familiengeschichte zu erforschen.

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat.

Carl Lange, Dichter und Publizist. Mit Foto.

Es ist ein merkwürdiges Gefühl einen fast 25 Jahre zurückliegenden Augenblick im Leben herauszugreifen und das bedeutsame Ereignis einer menschlichen Begegnung wachzurufen, die nicht alltäglich war. Damals trat ich zum ersten Mal, mit einem dicken Manuskript unter dem Arm, vor den einflussreichen Herausgeber und Chefredakteur der „Ostdeutschen Monatshefte", den Lyriker Carl Lange, der in seinem beneidenswert schönen Heim in Danzig-Oliva lebte und wirkte. Ehe ich ihn persönlich kennenlernte, hatte ich schon starke Eindrücke von seiner im deutschen Osten weit bekannten und hoch, geschätzten Zeitschrift gewonnen, an der eigentlich alle damals namhaften Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler, besonders Ost- und Westpreußens, mitarbeiteten. Die geistige Substanz dieser reich bebilderten Zeitschrift blieb von Jahrgang zu Jahrgang, zwanzig Jahre lang, gleich gediegen, das Niveau immer beachtlich. Aber was lieferte die 700-jährige Kulturgeschichte des deutschen Ostens auch für ein schier unerschöpfliches Geistesgut! Überall, wo Deutsche lebten und deutsche Kultur schufen, Carl Lange spürte sie auf. Aus immer neuen Quellen floss ihm das lebendig pulsierende Volkstum der Deutschen in den Baltenländern, in Ungarn und Rumänien, ja sogar von den Wolgadeutschen her zu. Die Sonderhefte, die er über sie herausgab, waren damals einzigartig, das Beste, was es auf diesem Gebiet gab. Carl Langes Monatshefte waren in den zwanzig Jahren zwischen den beiden Weltkriegen der geistige Ruhepol einer politisch schon gefährlich gärenden Zeit, das klare Sammelbecken aller starken, schöpferischen Kräfte kurz vor dem gewaltigen Vernichtungssturm der gar zu bald über sie hinwegbrausen sollte.

 

Die erste Begegnung mit diesem außerordentlichen Manne war für mich, für uns beide schicksalhaft, der Beginn einer großen lebenslangen Freundschaft und Verbundenheit auf Gedeih und Verderb. Es waren nicht nur die gemeinsamen literarischen Interessen, die uns verbanden, es war weit mehr: wir spürten vom ersten Augenblick an eine rein menschliche, im Seelischen wurzelnde Übereinstimmung. Und bis zum heutigen Tage hat uns dieses unbeirrbare Gefühl geistiger und seelischer Verwandtschaft nicht getäuscht.

 

Ich sehe ihn noch heute vor mir stehen, wie er mir zum ersten Mal begegnete, diesen großen, stattlichen Mann mit der straffen Haltung des ehemaligen Offiziere, den Edelmann, nicht der Herkunft nach, aber der vornehmen Gesinnung, mit dem immer gleichbleibenden liebenswürdigen Entgegenkommen, dem menschlichen Verständnis und der rührenden Hilfsbereitschaft, Treue war auch das Mark seiner Ehre. Er ist sich selber immer treu geblieben, vor allem auch in den schweren Zeiten der Bewährung, als die Nationalsozialisten ihn für ihre Zwecke zu gewinnen suchten. Er blieb standhaft. Er ließ sie wissen, dass er niemals der ihrige sein konnte, und sie rächten sich, als sie ihm sein Lebenswerk, die „Ostdeutschen Monatshefte", zerschlugen. Aber sie haben es nicht vernichten können, es ist vor vier Jahren wiederauferstanden, geistig und wirtschaftlich gut fundiert wie ehedem, mit neuen erweiterten Aufgaben und hochgesteckten Zielen.

 

Erstaunlich, wie das Gesicht dieses Mannes Spiegel seines Inneren ist. Geistgeprägt und beseelt ist dieses ausdrucksvolle Gesicht, und der sonore Klang seiner Stimme verrät immer bei aller Festigkeit und Bestimmtheit seine innere Weichheit und seine reiche Gefühlswelt, aus der dem Lyriker seine unerschöpflichen, liedhaften Verse so reich emporquellen. Nicht zuletzt beruht der Zauber seiner Persönlichkeit, dem sich die wenigsten in so vielen Jahren entziehen konnten, auf dieser inneren Wärme und reinen Menschlichkeit. Wohin Carl Lange auch kam, er verbreitete eine Atmosphäre des Vertrauens und der Herzensgüte. Wie oft habe ich sie in den Jahren unseres Zusammenseins in seinem schönen Dichterheim in Danzig zu spüren bekommen!

 

Jeder Besuch — und wie viele Menschen, bedeutende, große Dichter und Künstler, und einfache Erdenbürger kamen in sein Haus, ihn zu sehen, mit ihm zu plaudern, auch mit ihm mitzuarbeiten und um seine Hilfe und Förderung zu bitten — jeder wurde in dem großen Raum mit den zahllosen Büchern, in hohen Regalen empfangen. Der Blick fiel sogleich auf die funkelnden Silberpokale und Schalen, alles Siegestrophäen des Tennismeisters des deutschen Ostens, der Carl Lange auch jahrelang war. Aber wenn Lange arbeiten wollte, wenn er oftmals bis in die späten Nächte hinein seine Geschichte schrieb, dann zog er sich in sein Dichterstübchen in der Mansarde zurück, das wie das Allerheiligste den gewöhnlichen Sterblichen verschlossen war. Es sollte etwas heißen, dass er mir den Zutritt zu jeder Zeit frei ließ. Ich konnte kommen, wann ich wollte, er empfing mich immer mit ausgestreckten Armen. Ich gehörte zur Familie, ich störte ihn nie.

 

Unvergesslich werden mir diese unvergleichlichen Stunden des Gedankenaustausches der abendlichen Stille und feierlichen Stimmung bleiben, die mich in diesem kleinen, mit Büchern und Manuskripten angefüllten Raum so friedlich umfing. Ja, es war eine zauberhafte Insel der Stille und Geborgenheit, zu der die laute Welt mit ihrer Unrast und ihrer Feindseligkeit nicht eindrang. Carl Lange trug die Ruhe immer in sich selbst, auch noch in den schweren Jahren der Prüfung in den sowjetischen Gefängnissen und sein unerschütterlicher Glaube an den Sieg des Guten. Wahren und Schönen hat ihn nicht betrogen. Das Schicksal hat ihm nicht nur die Wiedergeburt seiner Monatshefte geschenkt, es hat ihm auch wieder ein Dichterheim, noch schöner, romantischer, zauberhafter als des frühere, gegeben, ein „Paradies", wie er es selber nennt, inmitten eines großen Parks mit herrlichen alten Bäumen, einer bunten Blumenpracht. Im Sommer und zutraulichen Schwänen auf einem kleinen Teich, die der alternde Dichter jeden Tag füttert. Dort treffen sich nun wieder die beiden alten Freunde und tauschen Erinnerungen aus, und manchmal scheint es ihnen, als sei alles Schwere der Vergangenheit nur ein bedrückender Traum. Franz Erdmann.

 

Seite 10   Crispin Herrant. Ein Schüler Dürers am Hofe zu Königsberg.

Crispin Herrant, ein Schüler Dürers, bewarb sich nach dessen Tode beim Herzog Albrecht von Preußen um eine Anstellung, die dieser ihm durch einen Brief vom 28. Februar 1529 gewährte. Da seine Leistungen befriedigend ausfielen, wurde er zum Hofmaler ernannt, jedoch erst 1544 mit festem Gehalt angestellt. Im Jahre 1534 überbrachte er im Auftrage des Herzogs ein Bildnis von diesem dem Johannes Dantiscus, Bischof von Kulm, der ihm auch Kopien nach Bildern seiner Porträtsammlung auftrug und zu diesem Zwecke nach Löbau sandte. Da dem Bischof die von Herrant gemalten Kopien gefielen, erteilte er ihm mehrere Aufträge, z. B. 1535 den, ein Bildnis des Bischofs Moritz von Ermland zu malen.

 

Die Haupttätigkeit des Künstlers bestand jedoch darin, Bildnisse der herzoglichen Familie zu malen, die als Geschenke nach auswärts gesandt wurden. Außerdem erteilte man ihm vom Hofe kunstgewerbliche Aufträge, z. B. 1545 ein kostbares Rennzeug zu verzieren. Ähnliche Arbeiten führte er auch für Privatleute aus und lieferte unter anderen für den Krugwirt zum Einsiedel bei Braunsberg Schild und Wappen.

 

Seine Beziehungen zu Nürnberg blieben weiter bestehen; von dort bezog er seine Farben, und 1543 lieferte er dem Rat Porträts vom Herzog und seiner Gemahlin, für die er zwölf Taler erhielt. In Königsberg fasste er jedoch immer festeren Fuß, nachdem er sich dort verheiratet hatte und in glücklicher Ehe lebte. Zur besseren Unterbringung seiner zahlreichen Kinderschar erbaute er sich ein eigenes Haus.

 

Zu den für den Herzog ausgeführten Arbeiten gehörte auch ein gemaltes „Verzeichnis“ mit den Grenzen der verschiedenen Gebiete, d. h. eine Art Landkarte des Herzogtums. Im Jahre 1549 malte er in der Königsberger Universitätsbibliothek hinter einer hohen, schweren Balustrade die Brustbilder von Luther und Melanchthon und zwischen beiden einen Ausblick auf Wittenberg. Beischriften in lateinischen Distichen auf schwarzen Tafeln in der Brüstung besagen, dass der Künstler Luthers vom Alter verzehrtes Antlitz und das von Melanchthon nach dem Leben gemalt habe. Der obere Teil des Bildes, der leider abhandenkam, bildete wahrscheinlich einen Teil einer größeren Dekoration. Besser als dieses Bild des Reformators und seines Mitarbeiters ist ihm die ihm zugeschriebene Predella mit dem heiligen Abendmahl in der Pfarrkirche von St. Lorenz im Samland. Wenn auch die schwierigen Verkürzungen ihm nicht ganz gelungen sind, so hat er doch die einzelnen Apostel gut charakterisiert. Eine große Wirkung übte auch das von ihm gemalte Bildnis des Mathematikers und Astrologen Johann Cario aus, der 1522 Hofmathematiker des Kurfürsten Joachim I. in Berlin wurde, wo er 1538 starb. Links oben am Bildrand befindet sich ein Distichon mit Angabe von Namen und Alter des Dargestellten und hinter dem Brustbild der Kopf eines jungen Mannes, durch den das Massige in der Erscheinung des Gelehrten noch mehr betont wurde. Zugeschrieben werden Herrant auch die ältesten Wappenmalereien in der Königsberger Matrikel und zwei im Königsberger Staatsarchiv erhaltene Entwürfe für Goldschmiedearbeiten, die der Herzog 1544 in Nürnberg ausführen ließ.

 

Nach dem Tode Herrants 1549 bot der Herzog dessen Stelle als Hofmaler dem Schwager des Künstlers, Hans Heffner, an, der die Stelle eines bischöflich ermländischen Hofmalers in Heilsberg bekleidete. Er erhielt in Königsberg viele Aufträge, wurde jedoch bereits 1550 auf Drängen seines Bischofs in Königsberg wieder entlassen, und an seine Stelle Georg Pencz aus Nürnberg berufen. Charlotte Steinbrucker

 

Seite 10   Die Königsberger „Lange Wurst" kritisch betrachtet.

Seit dem 16. Jahrhundert erfahren wir von verschiedenen Städten Deutschlands (Lüneburg, Braunschweig, Zittau, Nürnberg), der Schweiz (Zürich) und Österreichs (Wien), dass die dortigen Metzgerinnungen Umzüge mit einer überlangen Wurst veranstalten. Auch Königsberg/ Pr. fehlte nicht in der Reihe (s. „Ostpreußen-Warte", Folge 1, 1958).

 

Die kritische Frage ist berechtigt, ob die Überlieferung, wie sie in Schrift und Bild vorliegt, glaubhaft ist. d. h. ob Würste der angegebenen Länge in Wirklichkeit existiert haben (die Königsberger „Lange Wurst" von 1601 soll 1005 Ellen gemessen haben!). Schon das in dem angezogenen Aufsatz beigebrachte Bild führt dazu, es in die Kategorie der aus dem 17. Jahrhundert bekannten Lügenbilder zu zählen, deren Darstellung „Aufschneiderei" zugrunde liegt. Wer wollte im Ernst an die Wirklichkeit des Dargestellten glauben? Das Bild besitzt — wie alle anderen dieser Art — nur kulturhistorische Bedeutung, aber keinen Realitätswert der Darstellung nach. Auch dass „Simplizissimus" als handelnde Person im Text eingeführt wird, unterstreicht eine solche Vermutung. Ferner sei bemerkt, dass auch Fischart in seinem Prosawerk „Gargantua" auf die Aufschneiderei von der großen Bratwurst („von 493 Ellen lang") anspielt, deren Anfertigung bereits ein Meisterstück der Schildbürger bildet. Vollends beweist der um 1661 aufgezeichnete Schwank „Von einer wunderseltsamen Bratwurst“ (gemeint ist die Königsberger von 1601), dass hinter den kolossalen Würsten überall eine Aufschneiderei steckt.

 

Dasselbe gilt für die Backwaren von übergroßen Ausmaßen; auch sie gehören mitsamt den zugehörigen Bilddarstellungen in das Gebiet der Aufschneiderei und Lügenproduktion, wie sie gerade im 17. Jahrhundert gang und gebe war. Dir. Dr. Wilhelm Gaerte

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Pfarrer Krause und seine Gemeinde. Jugenderinnerungen von Paul Fechter.

Sie stammten beide aus dem gleichen Dorf im Oberland, der Bauernsohn Krause und sein Freund Melzer. Krause hatte Theologie studiert, Melzer das Lehrerseminar besucht: Jahre später führte das Schicksal sie wieder zusammen, in das gleiche Dorf an der Thiene, Krause als Pfarrer, Melzer als Lehrer. Sie freuten sich, duzten sich wie einst; um aber für die Gemeinde nach außen hin den Abstand zu wahren, sagte der Pfarrer Krause nur „du, Otto" zu seinem Kantor, der Kantor aber „du, Herr Pfarrer" zu seinem geistlichen Freunde: Es ging ausgezeichnet, und die Gemeinde war es zufrieden.

 

Sie konnte mit ihrem geistlichen Hirten auch zufrieden sein. Der alte Burschenschafter, er war Königsberger Germane gewesen, wusste ganz genau um seine Leute Bescheid, er war selbst nicht bloß ein halber Landwirt, sondern ein ganzer, und er kannte die menschliche und die bäuerliche Seele. Sonntags in der Kirche machte er ihnen vormittags die Hölle heiß, dass sie zerknirscht und beinahe reuig das Gotteshaus verließen; am Nachmittag saß er mit ihnen im Krug und nahm ihnen im Skat das Geld ab. Er spielte nicht aus Leidenschaft, sondern aus erzieherischen Gründen. Er wusste ganz genau, dass er mit Reden der Spielleidenschaft seiner Bauern nicht beikam; die Niederung, vor allem das Werder mit seinen reichen Besitzern war seit Jahrzehnten berüchtigt und berühmt, um des Jeuens willen, bei dem manchmal in einer Nacht Haus und Hof draufgingen, während man abwechselnd die beiden Leibgetränke des Werders, Machandel, den berühmten Stobbeschen Wacholderschnaps mit Streuzucker darin, und Sekt mit Porter oder, in milderen Fällen, mit Burgunder trank. Die Thiensdorfer Bauern waren bescheidener, der Pfarrer Krause aber spielte seinen Skat nie unter einem Pfennig, und da er, schon von Königsberg her, ein berühmt guter Spieler war, so wurde die nachmittägliche Lehre, die er seinen Leuten erteilte, für ihn und seinen Opferstock einträglich, für sie aber erheblich fühlbarer, als irgendeine Predigt es sein konnte. Ob diese Methode auf die Dauer geholfen hat, war freilich für uns nicht feststellbar.

 

Am lebendigsten haben wir den Pfarrer Krause erlebt, wenn wir gelegentlich über Sonntag bei Melzers im Schulhaus zu Gast waren, über Nacht blieben und am Morgen natürlich zum Gottesdienst in die Kirche mussten. Krause hatte es durchgesetzt, dass er für sein Dorf eine neue Kirche bekam. Mein Onkel Bruno hatte sie gebaut, Vater war mit dem Holz beteiligt. Nun kam schon im Herbst die feierliche Einweihung des neuen Gotteshauses. Bruno Doehring und ich waren am Sonnabendnachmittag hinausgewandert, am Abend gab es im Krug an der Thiene ein großes Fest mit entsprechendem Zechen und Gelage. Die großen Bauern des Dorfes und der Umgegend waren erschienen, die Pfarrer der Nachbargemeinden auch — es war eine solenne und ausgiebige Angelegenheit.

 

Für mich brachte sie einen lächerlichen Zwischenfall, der wie so vieles in diesen Jahren zu dem gehörte, was man mit Recht bei jungen Menschen die Schauerlichkeiten des Werdens genannt hat und der wieder einmal, dank dem Schicksal, besser ablief, als man hätte erwarten können. Wir hatten mit den übrigen Gästen im  Krug gesessen und, so gut wir's konnten, mitgehalten, im Rauchen und Trinken. Ergebnis: Wir verspürten schließlich ein menschliches Rühren, das nach gutem ländlichen Brauche unmittelbar im Freien erledigt werden musste.

 

Vor dem großen Thiensdorfer Krug zog sich die breite Landstraße auf dem Damm dahin; die Böschung der Straße war zugleich Böschung des Dammes und führte unmittelbar schräg ab ins Wasser der Thiene. Wir waren diskrete junge Leute und nicht gewillt, dicht vor den Fenstern des Gasthauses uns aufzubauen. Wir strebten nach Distanz von menschlicher Nähe und suchten sie, obwohl der Abend stockdunkel und völlig lichtlos war. Die Fensterläden des Kruges waren ebenfalls geschlossen.

 

Wir tappten uns auf die Straße und über die Straße; bevor wir aber halt machten, spürte ich plötzlich unter mir nicht mehr horizontalen Boden, sondern die Mutter Erde nahm auf einmal die Haltung einer stark geneigten schiefen Ebene an. Ich war im Dunkel auf die Böschung geraten, konnte keinen Halt mehr finden und sauste glatt und widerstandslos auf den Hacken im Grase abwärts ins Wasser der Thiene hinein. Kalt und schwarz schlug es um mich zusammen — als meine Füße mit dumpfem Aufschlag gegen etwas Festes, Hartes stießen, das ihnen im letzten Augenblick, als ich gerade noch mit dem Kopf über den Wasserspiegel ragte Halt gab. Vor dem Krug war ein oberländischer Kahn zur Nacht vor Anker gegangen, und ich hatte das Glück gehabt, nicht in die offene Thiene, sondern in den schmalen Wasserstreif zwischen Dammböschung und Schiffsrumpf zu rutschen.

 

Da stand ich nun im nassen, schwarzen, Dunkeln. Ich rief. Nach einigem Rumpeln im Bauch des Kahns klang von oben eine männliche Stimme: „Was is' denn los?"

 

Es war offenbar der Schiffer, den mein Aufprall gegen sein Schiff heraufgerufen hatte. Ich gab Bescheid, er holte eine Stange mit einem Rettungshaken, tastete im Dunkeln so lange, bis er die Stelle fand wo ich zu finden war. Dann packte ich den eisernen Bügel, und half mir, mich rückwärts wieder auf die Dammböschung hinauf zu tasten, auf deren Höhe halb erschrocken, halb lachend Arthur Melzer und Bruno Doehring standen und mich in Empfang nahmen.

 

Ich habe dann, da nichts anderes übrigblieb, einen Anzug von Arthur Melzer und ein Hemd von ihm angezogen. Er war etwas kleiner als ich, ich kam mir sehr komisch vor; aber der Abend war gerettet, und im Trubel des Festes im Krug, in den wir, nachdem wir meinen eigenen äußeren Menschen in der Küche auf die Leine gehängt hatten, zurückkehrten, hat kaum einer etwas gemerkt. Nur Arthur Melzers Vater, ein kluger, freundlicher Mann, erkannte die Hülle seines Sohnes an der fremden Leiblichkeit wieder und erfuhr den Sachverhalt.

 

Am nächsten Morgen hätte er ihn sowieso erfahren; da kam, kurz vor dem Gottesdienst, der Kahnschiffer gemächlich ins Schulhaus und brachte — meinen Klemmer. Auf Sekunda hatte sich bei mir, erzeugt durch vieles Lesen bis in die Dämmerung vor dem Anzünden der Petroleumlampe, ein wenig Kurzsichtigkeit eingestellt. Nach vielem Sträuben willigte Vater in den Ankauf eines Glases, und ich, da ich das sehr schön fand, musste natürlich einen interessanten Klemmer mit Nickelfassung haben. Den hatte ich bei dem Sturz ins Wasser verloren; er war aber unten an der Dammböschung liegen geblieben. Der Schiffer hatte ihn, als er am Morgen die Stätte seiner abendlichen Lebensrettung besichtigte, auf dem Grund des Wassers liegen sehen, hatte ihn heraufgeholt und brachte ihn nun ordentlich und bedächtig seinem Besitzer zurück.

 

An diesem Morgen aber haben wir den Pfarrer Krause in seiner ganzen, großartigen Lebensnähe, in seiner Richtigkeit für das Land und für seine Leute erlebt wie nie zuvor. Wir gingen alle in die Kirche, ich wieder in meinem leicht zerknitterten Anzug, der über Nacht am Herd in der Küche getrocknet war. Der Pfarrer Krause, groß, breit, wuchtig, betrat den Altar zur feierlichen Liturgie; die neue Orgel erklang, die Gemeinde sang — dann wanderte der Geistliche langsam hinauf zur Kanzel und versank dort von neuem in ein stummes Gebet.

 

Inzwischen war auch die Frau Pfarrerin, die, zu Beginn des Gottesdienstes durch die Vorbereitungen für die zu erwartenden Amtsbrüder als Mittagsgäste behindert, der Liturgie nicht beigewohnt hatte, in der Kirche erschienen. Sie saß vorn in der ersten Reihe, dicht bei der Kanzel, und während ihr Mann in sich versunken meditierte, hob sie ihr Antlitz und betrachtete eindringlich und aufmerksam die Gewölbe und Malereien der neuen Kirche. Darüber vergaß sie, auf den geistlichen Eheherrn zu achten, sah nicht, dass er sich aus seiner Versunkenheit aufgerichtet hatte und nun streng und sachlich die einzelnen Mitglieder der Gemeinde Revue passieren ließ. Plötzlich aber klang ein lauter Faustschlag auf die Kanzelbrüstung an ihr Ohr, und als sie den Blick erschrocken zu dem Gatten wandte, hielt er diesen Blick strafend fest und sagte laut und für alle Insassen der Kirche weithin vernehmbar: „Hier steh' ich; hierher wird gesehen! Die Kirch' läuft euch nich wech — die könnt ihr euch nachher besehn, wenn ich fertig bin“. Die Frau Pfarrer wurde rot und versuchte, in die Erde zu versinken. Es half ihr aber nichts, sie musste standhalten.

 

Dann begann der Pfarrer Krause seine Predigt, und die eben zeigte ihn nun in der Kraft seiner unimittelbaren Lebensnähe. Er sprach über das Wort des Evangeliums: „Christus ist die Tür zum ewigen Leben", und führte des längeren und breiteren aus, dass diese Türe für jedermann offen und zugänglich wäre. „Eine Türe ist dazu da, dass die Menschen hindurchgehen; sie muss offen sein, immer offen, damit jeder eintreten kann, und es ist gut und richtig, dass sie Tag und Nacht offen steht. Aber trotzdem", und er erhob die Stimme, „trotzdem danke ich dem Gemeindeglied von Herzen, das vorhin während der Liturgie die Kirchentüre geschlossen hat. Denn es zog vorn am Altar ganz abscheulich“.

 

Keiner der Leute, die damals in der Kirche waren, wird diese Predigt jemals vergessen haben — und das war ja schließlich der Zweck, um den es ihm ging.

Aus Paul Fechter, „Zwischen Haff und Weichsel", Jahre der Jugend. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

 

Seite 11   Lovis Corinth.

Bild:  Selbstbildnis mit Modell (1901)

Charlotte Berend-Corinth in ihrem Buch „Mein Leben mit Lovis Corinth":

 

Heute beim Ordnen der Photographien seiner Selbstbildnisse bekomme ich eines in die Hand, das besonders ausgesprochen Corinths Ähnlichkeit mit Bismarck aufweist. Tatsächlich war die Ähnlichkeit mit Bismarck in den mittleren Jahren sehr auffallend gewesen und freute Corinth, der Bismarck hoch verehrte. Einstmals hatte im Theater der alte Menzel es übernommen, bei einer Einstudierung von „Minna von Barnhelm“ sowohl das Bühnenbild, als auch die Kostüme zu begutachten. Corinth saß unten im Parkett im Halbdunkel. Menzel tappte auf der Bühne herum, schimpfte über einen falschen Rockaufschlag, dort über einen zu hoch angesetzten Knopf und nahm die Sache streng historisch. Schließlich ging er knurrig von der Bühne herunter, durchs Parkett. Da sieht er Corinth sitzen und zieht plötzlich tief seinen Hut. Offenbar hatte der damals schon uralte Mann, der eben aus der Sphäre des Großen Friedrich kam, die Zeiten verschoben und Corinth für Bismarck gehalten, denn Corinth kannte er gar nicht. Eine geisterhafte Szene, in der ein Seher die Zeiten vergisst, den Falschen grüßt und dabei auf einen zweiten Seher trifft.

 

Seite 11   Emil Merker. Die Zwillinge Luise und Resa.

Man sprach, versonnen rückblickend, von Zeiten, die man erlebt, lieben Menschen, die man gekannt.

 

„Ich muss da an das letzte Semester meiner Studienjahre denken", begann, in sich hineinlächelnd, der Herr Landesgerichtsrat, „an die Monate vor dem Schlussexamen, die sonst nicht die behaglichsten zu sein pflegen. Dass sie es bei mir waren, danke ich meinem Quartier und seinen Wirtinnen.

 

Ich entdeckte es an einem zeitig dämmernden Spätwinterabend auf einem meiner Spaziergänge, wie ich sie zwischen Tag- und Dunkelwerden gern unternahm, um den von Paragraphenweisheit rauchenden Kopf ein wenig auszulüften. Eine stille Vorstadtstraße, ein Haus mit so etwas wie einem Vorgarten, an der Haustür ein Zettel: Zimmer zu vermieten, kam mir gelegen; meine ‚Schachtel' hatte mir gekündigt, sie verzog nach außerhalb.

 

Ich läutete. Eine schon weißhaarige, aber noch quicklebendige Dame lachte mich aus braunen Augen an. Wir wurden im Handumdrehen einig und ich sprang an der nächsten verkehrsreichen Ecke auf eine Elektrische, im Kopf schon den Umzug, der, keine große Sache — ein Koffer mit Büchern, ein anderer mit Wäsche und Kleidern —, schon übermorgen vor sich gehen sollte. Schade, dass nicht gleich morgen.

 

Aber da horchte ich auf. Die Stimme, die an mein Ohr drang, war doch die meiner zukünftigen Wirtin. Ich musste mich täuschen. Doch nein. Als ich, den Hals reckend, die Sprechende gewahrte, sah ich, dass sie es wirklich war: die lachenden Augen unter dem noch vollen weißen Haar. So konnte ich ja gleich fragen, ob es nicht schon morgen sein dürfte.

 

Ich pirschte mich heran und begann in eine Gesprächspause der plaudernden Damen: „Verzeihung, ‚Fräulein Gebhardt . . .'

Sie ließ mich, wachsenden Schalk in den Augenwinkeln, ausreden und wandte sich dann, statt mir zu antworten, an ihre Nachbarin: ,Ist das nicht stark, Frau Direktor, da spricht mich ein unbekannter junger Mann an, ob er morgen auf die Nacht zu mir kommen könne“.

Ich war verblüfft und stammelte ein ‚Pardon . . .', aber sie beruhigte mich: ich sei wahrscheinlich ein neuer Mieter, und statt ihrer sei ihre Schwester gemeint.

Ich hatte also nicht eine, sondern zwei Zimmerwirtinnen. Oder vielleicht doch nur eine, bloß in doppelter, nicht zu unterscheidender Ausführung: auch nicht zu unterscheiden in der heiteren Liebenswürdigkeit und mütterlichen Güte, mit der sie mich umsorgten; lachend über meine Verlegenheit, wenn ich, was immer wieder geschah, nicht wusste, wen ich gerade vor mir hatte. ‚Luise, links', oder ‚Resa, rechts' stellte sich jede gewöhnlich bei einem Gespräch erst vor und hielt mir ihr Ohrläppchen hin. Luise trug nämlich im linken, Resa im rechten Ohr eine kleine Koralle, das Merkmal, mit dem schon die verzweifelte Mutter eine Unterscheidung versucht hatte. Aber es war ja doch genant, immer erst nach diesem Kernzeichen auslugen zu müssen; und so verwechselte ich sie trotzdem oft. Sie trösteten: sie seien ja ein und dieselbe ... Was der einen gelte, gelte auch der anderen. Bloß einmal, in einem wichtigen Abschnitt ihres Lebens, hätte es freilich nur einer gelten können ... Und sie erzählten, wie eine von ihnen, ich weiß nicht mehr welche, aber sagen wir Luise, einmal beinahe geheiratet hätte.

 

Nicht mehr ganz jung, vielmehr schon knapp vor Torschluss, hatten sie sich, halb im Ernst, halb im Scherz, zu einem letzten Versuch entschlossen; zu dem ‚nicht mehr ganz ungewöhnlichen Weg'. Sie hatten die Briefe, die auf das Inserat hin gekommen waren, gemeinsam mit viel Spaß und gleichzeitig leiser Befangenheit durchgesehen: denn womit spielten sie? Mit der Möglichkeit, sich trennen zu müssen. Und Resa, die eine halbe Stunde Jüngere und bei aller Gleichheit etwas Feigere, war zurückgetreten: wenn es sein sollte und Luisen das Glück noch lächelte, könnte ja sie, Resa, doch noch im Hause bleiben; natürlich mit eigenem Zimmer und, wenn erwünscht, auch eigenem Haushalt.

 

Nun, das Glück lächelte auch Luisen nicht, obwohl es anfangs danach aussah. Sie kam vom ersten Treffen (Kennzeichen: sie eine Nelke angesteckt, er eine Zeitung in der Hand) mit rosig angehauchten Wangen und schimmernden Augen zurück: es scheine, man sei einander nicht unsympathisch. Er käme am Sonntag in einer Woche.

 

Der Sonntag rückte heran, aber, Verhängnis, Luise, vielleicht bei dem rauen Herbstwetter etwas allzu geschäftig unterwegs, um für den Besuch zu rüsten, erklärte sich, wurde heiser, musste ins Bett. „Absagen? Ich denke nicht daran. Du vertrittst mich. Bitte, abgemacht, kein Wort weiter“.

 

Er kam und war scharmant. Nur betrachtete er, was der verwirrten Resa — verwirrt, weil der zukünftige Schwager auch ihr gefiel — vorerst entging, befremdet das Ohrläppchen der Erwählten: es war das rechte, das den Korallenknopf trug, das linke hatte gar keine Bohrung. Bei dem Rendezvous war es doch umgekehrt gewesen! Er irrte sich doch nicht, er war in seiner Beamtenlaufbahn auf pedantische Genauigkeit dressiert.

 

Ja, und dann kam die Katastrophe. Der Freiersmann hatte einmal hinausmüssen und beim Zurückkommen auf dem Korridor die Tür verfehlt; war in das Zimmer der wahren Braut geraten, die die Koralle links trug. Und hatte Krach geschlagen: er lasse sich nicht düpieren, unter solchen Umständen sei es wohl angezeigt ...

Und war erbost abgereist.

„Aber tut nichts!" Die Schwestern reichten einander zur Bekräftigung die Hand: „Besser, dass als kleine Komödie abbrach, was sonst vielleicht ein Tragödlein hätte werden können“.

 

Seite 12   Gute Nacht. Von Manfred Streubel

Morgen ist wieder ein Tag.

Wenn nichts dazwischenkommt,

will ich das Fenster ihm öffnen,

freundlich, erwartungsvoll.

Und ich will sagen:

willkommen.

 

Warum?

Weil in den Bäckerläden

frische Semmeln reifen.

Weil in der Sonne sich die Äpfel röten

und die Lippen, die ich heute

vielleicht küssen werde.

Weil mein Nachbar heut

vielleicht ein gutes Wort braucht.

Weil heut vielleicht

mein Zorn vonnöten ist,

heiß und metallen.

 

Wenn das Tagewerk getan ist,

will meinem Kind ich

erzählen

zur guten Nacht:

 

Morgen ist wieder ein Tag.

Du wirst das Fenster ihm öffnen,

freundlich, erwartungsvoll.

Und du wirst sagen:

willkommen.

 

Warum?

Weil du so viele Wege

noch nicht gegangen bist.

Weil du so vielen Menschen

noch nicht begegnen konntest.

Weil Stein und Wolke,

Gras und Welle warten.

 

Und wenn mein Kind fragt,

ob immer wieder ein Tag kommt,

werde ich sagen:

gewiss.

Aus Manfred Streubel „Laut und leise", Gedichte. Verlag Volk und Welt, Berlin. 1956.

 

 

Seite 12   Der Schleier / Eine Erzählung von Heinz Panka

Die Frau war dicklich. Sie trug einen schwarzen, auf Pelz gearbeiteten Mohairmantel, wie ihn die Mode erforderte. Sie stand in dem Hutladen vor dem Spiegel. Es war ein vornehmes Geschäft, das in seiner lichten Weite einem Empfangssalon glich. Die Hüte waren darin ausgelegt, sorgfältig verteilt und auf Ständer gesetzt. Jeder für sich seinen Raum beanspruchend wie in einem Blumenladen die Blumen. Eine Fülle von Licht umfloss sie aus an Decke und Wänden angebrachten Lampen, aus Röhren und Glocken.

 

Der Boden des Geschäfts war mit unregelmäßig geformten, schwachgelben Steinplatten ausgelegt, deren dunkle Fugen die Fläche auflockerten. Sie ähnelten den Fäden eines Spinngewebes, das sich zum Spiegel hin verdichtete.

 

Die Empfangsdame im langärmeligen, anliegenden Kleid winkte unauffällig mit schmaler, beringter Hand einem jungen Mädchen, das hochbeinig und schlank in der Nähe stand. Es brachte einen zerbrechlichen Rokokostuhl, auf den sich die dickliche Frau fallen ließ. Dann zog es sich wieder zurück, stellte sich an eine der Vitrinen, in der die Hüte in aufeinander abgestimmten Farben und Formen träumten, und verharrte regungslos, in abwartender Haltung ein Bein leicht vor das andere gesetzt. Es hätte wohl für eine Schaufensterpuppe gehalten werden können, wenn nicht die kohlschwarzen Augen unter den geschwungenen Brauen im ständigen Wechsel zwischen Empfangsdame, Kundin und deren abseits wartendem Manne gewandert wären.

 

Die Empfangsdame sah auf das Profil der Kundin, die stumpfe Nase, die steile Stirn und das Doppelkinn, bei dem das oberste in dem unteren zu versinken drohte.

 

Die Kundin sah in den Spiegel, einen länglichen Kristallspiegel mit geschnitztem, vergoldetem Rahmen, zu dessen Seiten zwei kerzenförmige Milchglasröhren matten Schimmer verbreiteten. Sie zog die Augenbrauen hoch und musterte ihr glattes Gesicht, dessen Farblosigkeit kein Griffel tieferer Empfindungen geritzt hatte, noch zu ritzen vermochte. Einen kurzen Blick warf sie auch ihrem Mann zu, der vorgebeugt dasaß, die Augen am Boden, und anscheinend ergeben wartete, was kommen würde. Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und drückte die Finger zusammen, dass sich die Handballen nach innen bogen. Seine hellbraunen, randgenähten Handschuhe ragten ein Stück aus der Manteltasche. Mit den Augen folgte er einer der Fugen von Steinplatte zu Steinplatte — wobei er möglichst eine gerade Linie beizubehalten suchte — bis er rein zufällig auf die Schuhspitzen des jungen Mädchens stieß.

 

Die Empfangsdame hatte sich in ihrer Überlegung, was wohl für das gewellte, aber kraus gebliebene, dichte Haar der Kundin in Frage käme, zu einem Entschluss durchgerungen. Sie wählte aus einer bereitliegenden Kollektion einen schwarzen Hut, der, in der Farbe dem Mantel der Kundin ähnlich, ein Netz und einen Samtbesatz hatte. Vorsichtig hob sie das Gebilde, dessen Form jedem Beschreibungsversuch spottete, und setzte es ihr auf den Kopf. Diese Bewegung führte sie mit beiden Händen aus, langsam, als höbe sie ein Zentnergewicht, und gleichzeitig so leicht, als hielte sie nichts, als hätte sie Luft unter den Händen, die durch Spiegelfechterei Gestalt gewonnen hatte.

Die Kundin erstarrte jetzt ebenfalls zur Regungslosigkeit, angespanntes Opfer eines schöpferischen Aktes, dem neue Form gegeben werden sollte.

Ihr Mann aber empfand nicht die Feierlichkeit dieses Augenblicks. Er gönnte ihr nicht einen Augenblick, als wüsste er — geschäftlich denkend —, dass eine neue Verpackung noch lange keinen neuen Inhalt ergibt. Während bei dem jungen Mädchen der Fall völlig anders lag. Freilich war er auch nicht an den Schuhspitzen, zu denen ihn der krumme Weg geführt hatte, hängengeblieben, sondern — sozusagen über Berg und Tal wandernd — bei ihrem Gesicht gelandet, bei den kohlschwarzen Augen unter den bogenförmigen Brauen, die sich mit seinen trafen.

 

Die Empfangsdame zog mit gespreizten Fingern, als beschwöre sie magische Gewalten, das Netz, das engmaschig am Hutrand angebracht war, der Kundin über das Haar zum Nacken und nach vorne über die Stirn, dass es mit den unteren Augenrändern abschloss. Allein, es gelang ihr nicht, dem Gesicht die hintergründige, rätselhafte Verlockung abzugewinnen, die der Schleier bezwecken sollte. Es blieb ausdruckslos und inhaltsarm wie zuvor, ja, hatte noch ein wenig von der Torheit angenommen, die der Versuch, interessant zu machen, an einem ungeeigneten Objekt hervorruft.

 

War also dem Bemühen der äußere Erfolg versagt, und erschien der Welt die Frau nicht im Reize neuen mystischen Seins, so erschien doch der Frau die Welt darin. Da sie sich aber der Verkehrung nicht bewusst wurde, bezog sie den Wandel auf sich und erlag nur zu willig der Täuschung, ein Vorgang, den man wahrhaft diabolisch nennen konnte.

 

Das junge Mädchen, dessen Augen sich — wenn auch nur für Sekunden — in die des wartenden Herrn verhakt hatten, schaute eilends wieder weg, hier- und dorthin, zur Kundin, ob sie den Blick gemerkt hatte, zur Empfangsdame, hoffend, dass sie nichts sähe, und schließlich wieder in errötender Befangenheit zu dem Herrn, der sie gelassen und selbstsicher ansah. Er hatte die Erfahrung eines gereiften Mannes, der diesen Vorteil geschickt ausnutzte, ausspielte und — eine gefüllte Brieftasche im Hintergrund — den ideellen Wert des Geldes stets mit in Rechnung setzte. Über sein Gesicht huschte ein Lächeln und blieb in seinen Mundwinkeln hängen. Darin steckte Angriffslust, Siegeszuversicht und jene Art von Melancholie, die das Wissen um verborgene Dinge offenbarte. Ach ja, das Lächeln! In ihm kam der große Junge zum Vorschein, der in der Enttäuschung geläutert — und dies war eine Spitze gegen seine Frau — nur darauf wartete, von zarter Hand geleitet und getröstet zu werden.

 

Die Empfangsdame gab dem Hut, den man allerdings nicht mehr mit „behüten" in Verbindung bringen durfte, eine geringe Schrägstellung zum Ohr, um dem Gesicht mehr Kühnheit zu verleihen — ein nutzloses Unterfangen —, und zog sich dann geräuschlos, mit angehobenen Armen, einige Schritte zurück, um den Eindruck nicht zu beeinflussen, die Kundin ihrem Schicksal und dem Spiegel überlassend. Sie war jetzt nicht mehr da. Alles an ihr bewies, ich habe getan, was ich konnte. Die Kreierung ist vollendet. Über den Preis wollen wir nicht sprechen. Bei erhabenen Anlässen ziemt es sich nicht, niedere Dinge zu berühren. Im Grunde ist der Hut, diese geniale Fixierung einer schöpferischen Idee, die vor dir niemand getragen hat und nach dir niemand tragen wird, einmalig, im Grunde ist er unbezahlbar. Zwar das Material kostet nur fünfzig Pfennige, und der Hut, wenn du schon mit roher Gewalt heilige Stimmung entweihen willst, zweiundvierzig Mark fünfzig, aber ein Dichter verschreibt noch nicht einmal für einen Bruchteil von fünfzig Pfennigen Tinte, und was kommt heraus, hier wie dort — ein Gedicht. Mit dem einzigen Unterschied, und das ist gewisslich wahr, gnädige Frau, dass unsere heutigen Dichter alle nichts taugen — wir sind bei Goethe stehengeblieben - und dass sie sich so ein Gedicht nicht auf den Kopf setzen können.

 

Die Kundin sah sich zunächst einmal im Sitzen an. Das tat sie ausgiebig, als sei dies gar nicht mehr ihr Gesicht, sondern ein ganz neues, dem sie zum ersten Male begegnete. Dann erhob sie sich. Ihre Person bekam Bewegung. Sie beobachtete im Stehen das Verhältnis des Hutes zu ihrer übrigen Figur. Sie neigte den Kopf und schaute neckisch von unten nach oben darauf von oben nach unten. Sie hielt den Kopf rechts schräg und hielt ihn links schräg. Sie suchte ein Bild ihres Profils zu erhaschen. Jeden Grad Schrägstellung, soweit ihn ihr Hals zuließ, nahm sie ein, verharrte, änderte die Kopfhaltung und verharrte wieder. Dann ergriff sie einen bereitliegenden Handspiegel, der einen Lichtkegel warf, und hielt ihn nahe vor sich und weit von sich, hielt ihn hinter den Nacken und über ihren Kopf. Sie war wie ein Friseur, der dem Kunden mit dem Spiegel den fertigen Haarschnitt zeigt. Wenn der Vergleich nicht profan wäre, noch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Friseur auch mit der leeren Hand um den Kopf des Kunden fahren konnte, da noch nie einer seiner Arbeit widersprochen hatte. Besser schon war sie wie der Bildschnitzer, der, um seine Holzplastik unter jeder Sicht harmonisch zu gestalten, sie drehend und wendend mit dem ihr vorschwebenden Schönheitsideal verglich. Nur einen gleichgültigen Blick warf sie dabei auf ihren eigenen Hut, dieses hässliche Stück, das bereits ein Alter von zwölf Wochen hatte, und in dem sie — sie konnte es selbst nicht verstehen — bedenkenlos herumgelaufen war. Er, lag da, zusammengefallen, mit dem Staub der Straße behaftet, ihr schon völlig fremd und ohne Schleier, man bedenke, ohne Schleier. Wie konnte sie!

 

Mit spitzem Finger schob sie das Gespinst über die Stirn und brachte ihr Gesicht ganz nahe an den Spiegel, als wolle sie in ihr Ebenbild hineinkriechen. Dann zog sie den Schleier wieder herunter. Ihre Nase berührte fast das Glas, so dass sie sich unmöglich sehen konnte. Aber sie sah doch etwas, zwar nicht ihr Bild, so doch ihren Mann, der den Kopf angehoben hatte. Und sie sah den melancholisch verliebten Zug um seine Lippen, die angespannte, wache Erwartung in seinen Zügen, die sie bei ihm, der Himmel weiß wann, zum letzten Male gemerkt hatte, und ihr Herz pochte schneller in warmer Erregung.

 

Den nehme ich, sagte sie zu der Verkaufsdame.

Die Verkaufsdame sagte nichts. Sie nickte nur. Aber später, wenn sie davon sprach, versicherte sie immer wieder, dass die Kundin wahrlich und wahrhaftig den ersten Hut, den sie sich aufsetzte, genommen hatte.

Die vorstehende Erzählung entnahmen wir dem neuen Buch des ostpreußischen Schriftstellers Heinz Panka, einer Sammlung von siebzehn Erzählungen unter dem Titel „Auf der Brücke" (Georg Westermann Verlag, Braunschweig. 324 Selten, Ganzl. 14,80 DM). Nach seinen beiden Erfolgsromanen „An Liebe ist nicht zu denken" und „Ein Windhund" ein ebenso beachtenswertes wie begrüßenswertes Debüt in der kleinen Form. Gerade in diesen kurzen Prosastücken, in denen er scheinbar alltägliche Begebenheiten gestaltet, erweist sich Panka als ein starkes erzählerisches Talent, das man getrost in der vordersten Reihe der deutschen Gegenwartsliteratur nennen darf. Ein Schuss Humor, eine Spitze Ironie machen die Erzählungen zu einer herzerfrischenden Lektüre. Man muss schon suchen, um etwas Gleichwertiges zu finden.

 

Seite 12   Bücher - die uns angehen

Plattdeutsche Volkserzählungen aus Ostpreußen. Gesammelt und herausgegeben von Gustav Grannas. Band, der Schriften des Volkskunde-Archivs Marburg. N. G. Elwert-Verlag, Marburg. 174 Seiten, Karte und Bildtafel, Preis 6,-- DM.

Dass dieses für uns Ostpreußen besonders wertvolle Hausbuch im heimatlichen Platt 12 Jahre nach der Vertreibung erscheinen konnte, ist zwei Männern zu verdanken: Gustav Grannas, dem unermüdlichen Sammler ostpreußischen Volksgutes, und Professor Dr. Henssen, dem Leiter des Zentralarchivs der deutschen Volkserzählung in Marburg, der es in seine Schriftenreihe aufnahm. Dass er sich dazu entschloss, zeugt angesichts des drohenden Niederganges unseres ostpreußischen Platt ebenso von seinem Mut wie von seinem hohen Verantwortungsbewusstsein. An uns ist es nun, ihm für dieses köstliche Geschenk dadurch zu danken, dass wir das Buch erwerben, in jeder Weise seine Verbreitung fördern und uns seinen Inhalt zu eigen machen.

Es ist kein Schriftbuch im eigentlichen Sinne, sein besonderer Wert für uns vertriebene Ostpreußen liegt vielmehr darin, dass es alte, mündliche Überlieferungen widergibt, „Vertellkes", die der Sohn vom Vater hörte und der Vater vom Großvater. Es ist in sauberem Plattdeutsch geschrieben, so dass jeder Ostpreuße es ohne große Mühe lesen kann, auch wenn er schon zu Hause sich — leider! — des Platt nicht mehr bediente.

Der Herausgeber Gustav Grannas, in Gr.-Strengeln im Kreise Angerburg geboren, hat auf Anregung seines Vaters, dessen Bild die Titelseite ziert, schon in jungen Jahren mit dem Sammeln und Niederschreiben ostpreußischen Volksgutes begonnen. Von Professor Ziesemer in Königsberg gefördert und unterwiesen, von dem finnischen Volkskundler Professor Kaarle Krohn weiter angeregt und unterstützt, hatte Grannas in Ostpreußen mehrere tausend Volkserzählungen aus dem Munde alter Leute zu Papier gebracht und dem Institut für Heimatforschung in Königsberg übergeben. Ein Teil davon erschien 1943 („Plattdeutsche Volksmärchen aus Ostpreußen"). Die handschriftliche Sammlung wurde im Kriege nach der Uckermark in Sicherheit gebracht, ist dort aber leider vernichtet worden, auch zwei Abschriften fielen dem Inferno des Krieges zum Opfer. Nur ein Dorfbuch aus Gr.-Strengeln, das auch einen Teil der Sammlung enthielt, blieb erhalten. Dieser Rest und die Ergebnisse der seit 1952 neu begonnenen Sammelarbeit bilden den Inhalt des vorliegenden Buches und eines zweiten, auf dessen Erscheinen wir hoffen dürfen, wenn sich schon für das erste Buch ein großer Leserkreis findet. Und das liegt, wie gesagt, an jedem Ostpreußen selbst.

Der Inhalt stützt sich auf 4 Erzählerkreise: Gr.Strengeln, Sutzken (Kr. Gerdauen), Poszritten (Kr. Labiau) und Scheppetschen (Kr. Insterburg). Nur in Stichworten sei über ihn berichtet: Sagen von Schwarzkünstlern und Schätzen, Tier- und Zaubermärchen, Räubergeschichten und Schwanke, Lügen, Schnurren und Anekdoten. Mehr sei nicht verraten. Lesen Sie selbst und freuen Sie sich an diesen Märchen für Erwachsene, an diesen blutvollen und handfesten Geschichten, die im vertrauten Platt von der unvergessenen Heimat Ostpreußen erzählen. Dr. Alfred Lau.

 

Helmut Harun: Mätti. Erzählung. Verlag Vandenhoeck St Ruprecht, Göttingen. 157 S,Ln., 4,80 DM. Helmut Harun, etwa vierzigjährig, Schauspieler, Kabarettist, Filmtexter, Holzfäller, preisgekrönter Dramatiker und eigenhändiger Erbauer eines Hauses in einem abgelegenen Eiteldorf, legt hier nach seinen dramatischen Arbeiten, nach Funktexten und etlicher, in großen Zeitungen veröffentlichter Kurzprosa zum ersten Mal eine umfangreichere Erzählung vor. Wie gesagt, der Verfasser ist Angehöriger einer Generation, deren literarische Vertreter sich mit wenigen Ausnahmen entweder in die dünne (oft sehr dünne) Höhenluft der Experimente absetzten oder aber in den Höhlen der Weltbetrübnis unter dem rußfarbenen Banner eines abgrundtiefen Pessimismus dumpfen Schrittes hintereinanderher und im Kreise herummarschieren. Vermutlich werden viele Leser darum seinem Büchlein, trotz des skurrilen Männleins auf dem Umschlag, mit einigen Vorbehalten begegnen. Wer es dennoch zur Hand nimmt, wird eine sehr angenehme Überraschung erleben. Denn Harun gehört weder zu den genannten Trübsalbläsern, noch macht er etwa den Versuch, sich vor den harten Realitäten in ein himbeerfarbenes Wolkenkuckucksheim zu flüchten.

Es hat einen sehr merkwürdigen Helden, dies Buch: Mätti, den Allerhandmann, den Schaubudenbesitzer und Viehbesprecher, Forellenfänger und Handlanger, einen Außenseiter, schmutzig, albern und demütig, weise und voll von der Torheit der Güte. Mit seiner hageren Frau haust er in einem alten Eisenbahnwaggon am Rande des Eifeldorfs, wohin das Geschick die beiden irgendwoher aus dem Osten verschlug. Es geschieht nicht sehr viel, nur von den Alltäglichkeiten solch kleinen Lebens hat Harun zu berichten; aber ich muss gestehen, dass mir solche Geschichten die liebsten sind, weil sich an ihnen am eindringlichsten beweist, was der Erzähler vermag. Und Harun kann eine Menge; seine saubere, unsentimentale und außerordentlich bildhafte Sprache macht die kleinen Freuden, die große Einsamkeit dieses Daseins am Rande lebendig. Man muss gelesen haben, wie da ein Baum gefällt, ein Kalb zur Welt gebracht wird; es stimmt alles bis in die letzte Einzelheit. Es stimmen auch die Abbilder der Menschen: die Bauern dort sind keine trutzigen und feierlichen Bewahrer heiliger Volkskraft, wie man sich einstmals vorzustellen liebte. Das Beschwören seiner Verpflichtungen überlassen sie den Verbandsrednern, indes sie selbst mehr an Versicherungssummen und Haferpreisen interessiert sind. Den Außenseitern, den Fremdlingen stehen sie abweisend und feindlich gegenüber; erst im Tod — und da auf eine sehr eindringliche, großartig erzählte Weise — bekennen sie sich zu Mätti als einem, der zu ihnen gehört. Sie tragen ihn zu Grabe und nehmen ihn in ihre Dorfgemeinschaft auf. Ist das so schlimm? Harun jammert nicht darüber; er kennt die Menschen, und von seinem Mätti sagt er: er hätte nichts dagegen.

So ist dies Büchlein ein Zeugnis von der Möglichkeit des Bestehens auch und gerade heute noch. Solche Zeugnisse aber, so will mir scheinen, tun uns bitter not.

 

Elbinger Hefte. Eine kulturelle Schriftenreihe. Herausgegeben von Dr. Fritz Pudor. Heft 21/22: Agnes Harder „Schlumski" (100 S.), 4,50 DM. — Heft 23: Robert Tourly „Elbing im Jahre 1930" (37 S.), 3,30 DM.

Die beiden neuen Hefte lassen wiederum die Vielseitigkeit der von den „Elbinger Heften" behandelten Themen erkennen. Mit dem „Schlumski", einer reizend geschriebenen Hundegeschichte für große und kleine Kinder, kommt eine vielfach in Elbing verbundene Schriftstellerin zu Worte, die vielleicht sonst vergessen worden wäre. Dr. Irmgard Leux-Henschen plaudert in einer Vorbetrachtung, in die sie auch Agnes Miegel einbezieht, sehr lebendig von ihrem Zusammensein mit Agnes Harder und über das Leben und Schaffen der ihr durch Verwandtschaftsnahe verbundenen Dichterin. Wenn auch bei der Würdigung des „Schlumski" die Zeit seiner Entstehung (1916) berücksichtigt werden muss, so ist doch die aus der Erlebniswelt der Hunde heraus gestaltete Darstellung völlig zeitlos.

Einem ganz anderen Fragenbereich wendet sich der Franzose Robert Tourly zu. Es ist gerade in heutiger Zeit wichtig, diejenigen Überlegungen, die er 1930 über die wirtschaftlichen Auswirkungen des polnischen Korridors angestellt hat, kennenzulernen. Wenn schon damals die Unerträglichkeit der Grenzziehung im deutschen Osten festgestellt werden musste, so ergeben sich heute nicht minder eindringliche Überlegungen. Tourly beschwor die verantwortlichen Staatsmänner, für eine vernünftige Lösung einzutreten. Sein und seiner Gesinnungsgenossen Warnruf ist damals ungehört verhallt. Umso mehr lastet auf der Gegenwart die Verpflichtung, auf friedlichem Wege für eine Wiederherstellung gesunder Lebensverhältnisse im deutschen Osten einzutreten.

 

Johannes Weidenheim: Seltene Stunde. Erzählungen. Kreuz-Verlag. Stuttgart, 61 S. Ln. mit Cellophanumschlag. 2,80 DM.

Unter dem Titel „Seltene Stunden" hat Weidenheim vier Erzählungen zusammengefasst. Wenngleich das schmalste Bändchen, das von dem Autor vorliegt, fühlt man schon nach wenigen Seiten, dass Weidenheim gerade in dieser Kürze ein erzählerisches Talent ausweist, das in der neueren Literatur kaum seinesgleichen hat. (Seine bereits früher in dieser Reihe erschienene Sammlung „Das späte Lied" gehört mit hierher.) Auf zehn, fünfzehn Seiten vollzieht sich das Schicksal von Menschen in einer Dichte und sprachlichen Meisterschaft, die erstaunt und beglückt zugleich. Es gelingt nicht, eine der Erzählungen gegen die andere auszuwiegen, etwa die „Stunde des Erbarmens" gegen die „Stunde der Entscheidung", eine jede für sich ist ein Kabinettstück der kleinen Form, unübertroffen und nicht zu übertreffen, einmalig.

 

Hans Lipinsky-Gottersdorf: Finsternis über den Wassern. Erzählung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. 138 S. Ln. , 5,80 DM.

Ein neues Buch von Lipinsky-Gottersdorf. Nach seinen ersten Bucherfolgen, der Erzählung „Wanderung im dunklen Wind" und dem Roman „Fremde Gräser" ist man gespannt, zumal es sich hier wie die Einbandschleife verrät (das Buch wurde mit dem Literaturpreis der deutschen Hochseefischerei 1957 ausgezeichnet), auf ein völlig neues Feld begibt. Die eigentliche Erzählung ist in eine Art Rahmen gelegt; aber schon in diesem Rahmen wird man gepackt von der Unmittelbarkeit der beschworenen Atmosphäre Man vergisst nach wenigen Seiten, dass man es hier mit einem Bekannten zu tun hat, von dem man dieses und jenes kennt und dem man schon einen gewissen Platz zugewiesen hatte. Selbst wenn man in Rechnung setzt, dass diese Erzählung unmittelbar im Anschluss an eine Fangreise in die Fischgründe des Nordatlantiks geschrieben wurde, ist man überrascht umso mehr, wenn man weiß, dass es eine erste Fahrt dieser Art für den Autor war. Hier ist alles so echt (der Rezensent war selbst einige Jahre auf dem großen Teich zu Hause), dass man hinter dem Autor einen alten Seebären wittert. Es kann heute schon gesagt werden, dass es das Buch der Hochseefischerei schlechthin ist; es hat nichts Ebenbürtiges neben sich.

Eine Schiffsbesatzung stellt die handelnden Personen, das Schiff den Schauplatz; eine kleine Welt inmitten des unendlichen Ozeans, jenseits der Grenzen der bewohnbaren Welt. Und das Thema ist der zähe, oft verzweifelte Kampf des Menschen gegen die uralte, übermächtige Gewalt des Meeres. Im Mittelpunkt der Kapitän und seine Geschichte; in zorniger Auflehnung gegen die Gesetze der Natur und seines Berufes sucht er sich Glück und Fang zu ertrotzen. Doch in dem Augenblick, als er beschließt, um keinen Preis aufzugeben, passiert er zugleich die dem Menschen gesetzte Grenze; er wird zu einer Umkehr gezwungen, bei der er weit mehr verliert als den ersehnten Fang.

Die kraftvolle, unpathetische Erzählart Lipinskiys hat hier den ihr gemäßen Stoff gefunden. In Schilderungen von großartiger Eindringlichkeit erstehen das wahrhaft unheimliche Leben des Meeres in Stille und Sturm, der Alltag der kleinen Schiffe und ihrer Menschen mitten im unbeschränkten walten der Elemente und der Einsamkeit des ewigen Schweigens jener Zonen.

Ein neuer Lipinsky! Man wird — bei solchen Überraschungen — wohl noch lange warten müssen, bis man ihm einen endgültigen Platz zuweisen kann. Sicher aber ist heute schon, dass sich dieser in der vordersten Reihe der deutschen Literatur befinden wird. Allein diese neue Erzählung sichert ihm diesen Platz zu.

 

Herbert Wessely: Mährische Gewalten. Erzählungen und Gedichte. Quellenverlag v. Diwisch, Steinheim am Main. Buchreihe: „Aus mährischer Scholle". Band 4. Mit einem Nachwort von Dr. Richard Zimprich und Zeichnungen des Verfassers. Foto: des Autors.

Seit Herbert Wessely 1941 einen repräsentativen Lyrikpreis bekam (Adalbert-Stifter-Prels), ist er kein Unbekannter mehr. Und das vorliegende Buch weist aus, dass der Autor seine menschlichen Anliegen vor allem in der Lyrik literarisch gültig gestalten kann. Es sind Gedichte darunter, denen die alte Schule eines Weinheber anhangt, aber auch solche, ein modernen Rhythmen aus härtester Zeit entsprungen sind. Von der harten Zeit blieb Herbert Wessely in keiner Weise verschont, sie formte sein Wachsen und Reifen und es nimmt nach alledem nicht Wunder, dass sich weder in Prosa noch in Poesie falsche Heldentöne oder verzückte Süßlichkeiten finden. Wer die Titelerzählung „Mährische Ballade“ liest, wird sofort eingesponnen in eine Welt von Wäldern, Burgen, Blumen, Mädchen, Flüssen und Sternenhimmel. Anklänge der Jugendbewegung „Wandervogel“ (aus der Wessely komt) sind spürbar, aber auch eine sprachliche und stimmungsmäßige Formung, die an echte deutsche Novellistik erinnert. Wie ein Märchen klingt und singt es in dieser Prosa-Ballade und der Leser bedauert, dass sie sich am Schluss, wohl unter dem Eindruck des grausamen Geschehens, aus diesen Märchenbereichen löst. Wer den Autor kennt, weiß, dass er konsequent und bescheiden zu den „Stillen im Lande“ gehört, von denen so viel geschrieben wird, die jedoch in Wahrheit immer seltener werden. Wessely ringt um seine Stoffe und um deren Gestaltung. Er schleudert keine unsauberen Rhythmen und gefällt sich nicht in modernen Manieriertheiten. Das Wollen des Autors ist immer deutlicher spürbar, ein lauteres, edles Wollen, und wer möchte es ihm versagen, dass dahinter gelegentlich die sprachliche Straffung zurücktritt? Der Standort ist klar: „Ich bin gefeit. Mir kann nichts geschehen“.  „Ringe und irre, es führen doch alle Wege zu Gott – und sicherlich der letzte“. Aus der mährischen Kindheit und dem Kriegs- und Nachkriegserleben, das ihn unablässig beschäftigt, hat Wessely seine Stoffe geholt und Verse hineingenommen, aus denen Hoffnung, Gottvertrauen, Tier- und Naturliebe, Kritik und die Liebe zur kleinen Welt sprechen. „Haus an des Berges Hang, steinerner Bau. Hebst über dunklen Drang alt dich und grau. Haus an den Hang gelehnt, steinerner Schrein. Du währst – wir gasten nur kurz bei dir ein“. Jochen Hoffbauer.

 

Seite 13   Die ganze Seite Buchvorschläge.

 

Seite 14   Lebenslauf nicht sonderlich interessant. Zum Tode Paul Fechters. (Foto aus dem Bertelsmann-Archiv.

Mit Paul Fechter starb der letzte große Kritiker aus der älteren Generation, der Generation eines Alfred Kerr und Julius Bab. Wie schwer fällt es, auf begrenztem Raum diesen bedeutenden Mann zu schildern, der als Dichter und Chronist, Kritiker und Rezensent, Gesprächspartner und Anreger aktiv, wissend und erkennend an den Ereignissen von über einem halben Jahrhundert teilgenommen hat.

 

„Lebenslauf nicht sonderlich interessant", schreibt Fechter über sich selbst in Kiesels englischem Reiseführer „Passing through Germany" mit lässiger Bescheidenheit. Um aber die wichtigsten Daten und Fakten zu nennen: am 14. September 1880 in Elbing geboren, kein besonders guter Schüler, später Dr. phil. Er wurde Feuilletonredakteur an der weltberühmten „Vossischen Zeitung", Mitherausgeber der Wochenzeitung „Deutsche Zukunft" und war seit 1918 an der „Deutschen Allgemeinen Zeitung". Bis heute hat es ihm der größte Teil der westdeutschen Presse nicht verziehen, dass er unter Hitler weiterarbeitete, obwohl die „Deutsche Allgemeine Zeitung" unter Hitler so wenig regierungstreu war, wie das damals überhaupt möglich war.

 

Seinen Ruhm begründeten seine literarischen Aufsätze und Kritiken. Die kleine Form des Essays, die literarische Kunstkritik und der gegenwartsnahe, milieuschildernde Roman sind die Gebiete seiner Meisterschaft. Er war der Prototyp des Feuilletonisten schlechthin. Sein Stil ist immer kunstvoll, nie künstlich. Seine im Sinne der deutschen Klassik umfassende Bildung hat man ihm zum Vorwurf gemacht, da es das heute nicht mehr gäbe.

 

Gerade mit seinem populärsten Buch, der seit 1932 vielfach veränderten Literaturgeschichte „Dichtung der Deutschen" stieß er in den Kreisen der Wissenschaft auf stärkste Ablehnung. Man nannte seine Literaturgeschichtsschreibung subjektiv, ohne zu berücksichtigen, dass jede Art von Geschichtsschreibung subjektiv ist, gerade auch solche, die sich den Deckmantel nüchtern-wissenschaftlicher Akribie umhängt. Schließlich wies sogar der ihm befreundete Münchener Germanist Friedrich von der Leyen auf Mängel hin und nannte seine Literaturgeschichte im guten wie im schlechten Sinne ein Volksbuch. Prof. v. d. Leyen schrieb 20 Jahre später selbst eine Literaturgeschichte, die allein schon wegen ihres geringen Umfanges nur die Oberfläche unserer Dichtung streifen kann. Für den heutigen Leser muss unbedingt gesagt werden, dass die jetzige Auflage von Fechters Literaturgeschichte tatsächlich sehr mangelhaft ist, dass die Erstausgabe von 1932, die er zum Teil unter Mithilfe des berühmten Kritikers Julius Bab schrieb, ein zum größten Teil ausgezeichnetes Werk ist. Vor allem zieht Fechter darin immer die Parallele zur Architektur, wie es außer ihm nur der ausgezeichnete Albert Soergel tat, weshalb nicht wenige auch „Die Tragödie der Architektur" als Fechters kulturgeschichtlich interessantestes und bestes Werk bezeichnen.

 

Zu Fechters besten Büchern gehört seine Abhandlung über Gerhart Hauptmann, dass aus der dürftigen Literatur über diesen Dichter weit hervorragt. Und neben Artur Kutschers dreibändiger Biographie hat er das einzige Werk über Frank Wedekind geschrieben. Seien noch ferner einige Werke erwähnt, bevor der Romanschriftsteller Fechter näher charakterisiert wird: da sind seine beiden Bände mit Begegnungen „Menschen und Zeiten" und „An der Wende der Zeit", sein Roman „Alle Macht den Frauen", die beiden kleinen Wörterbücher für literarische und musikalische Gespräche, seine kleinen Bände „Bernard Shaw" und „Große Zeit des deutschen Theaters". Kurz vor seinem Tode wurde das dreibändige Werk „Das europäische Drama" abgeschlossen. 1933 erschien sein Werk „Agnes Miegel, eine preußische Frau".

 

Als Romancier ist Paul Fechter der Nachfahre eines Theodor Fontane. Fontane war der große konservative und weitblickende Theaterkritiker seiner Zeit, Maximilian Harden schoss mit ätzender Säure um sich. Eine Generation später hießen die Namen auf der einen Seite Fechter und Bab, auf der anderen, der ironischen und bissigen Seite: Alfred Kerr. Aber gerade auch im Roman ähnelt Fechter Theodor Fontane in seiner hohen Sprachkunst, der nachsichtig lächelnden Ironie und der Zeitbezogenheit seiner Stoffe. Da ist etwa sein Roman „Die Kletterstange" — Symbol einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umschichtung. Erinnert sei auch an „Der Herr Ober".

 

Mit 60 Jahren trat er als Dramatiker hervor. Sein „Zauberer Gottes" (unerreicht Vasa Hochmann in der Hauptrolle!) war im Dritten Reich verboten und wurde 1948 in Hamburg uraufgeführt. Es entspricht ganz Fechters Wesen, dass er sich in diesem Drama nicht auf die Seite der orthodoxen, blutleeren Buchstabengläubigkeit stellt, sondern die Wissenschaft (hier die Theologie) dem Menschen und der Persönlichkeit unterordnet.

 

Aus seinem ersten Ostpreußen-Roman „Das wartende Land" (1931) tönt schon ganz die Stimme des Schicksalslandes. Die Landschaft lebt. Wirklichkeit, Gesundheit, Fülle und Farbe atmet das Buch. Die Heimat ist hier ein Mysterium, dem sich der wesenhafte Mensch nicht ohne Schaden der Seele entziehen kann. Es ist einfaches, phrasenloses Leben, das den Kreis der Menschen schicksalhaft an seinen Lebensraum kettet. 1937 erschien in Königsberg sein reich illustriertes Büchlein „Das Frische Haff". 1952 schrieb er den ostpreußischen Teil des von Franz Burda herausgegebenen Buches „Nie vergessene Heimat". 1954 erschien die romanhafte Autobiographie „Zwischen Haff und Weichsel", eine schöne, behagliche Schilderung für alle Kenner Ostpreußens.

 

Niemand wird es verübeln, wenn ich meine Ausführungen mit einer jetzt zum Symbol gewordenen Anekdote schließe. Bei Goethe verlangt in einem Gedicht der Dichter Einlass in den Himmel. Der „Huri", der Wächter verlangt erst einmal zu wissen, was der Mensch auf Erden geleistet habe. Und der Dichter antwortet mit den Worten die so enden: „...denn ich bin ein Mensch gewesen, und das heißt: ein Kämpfer sein". Auf einer Tagung auf dem Lippoldsberg mit Paul Fechter wandelte der geistvolle Rudolf Alexander Schröder Goethes Zitat aus dem „west-östlichen Divan" in einem Wort um: „Nicht so vieles Federlesen! Lasst mich immer nur herein, denn ich bin ein Mensch gewesen, und das heißt: ein Fechter sein!" Wolf gang Glantz

 

Seite 14   Elbing trauert um seinen großen Sohn

In einem Beileidsschreiben des Heimatkreisvertreters Elbing-Stadt an die Witwe des verstorbenen Landsmannes Dr. Paul Fechter wurden u. a. die nachstehenden Empfindungen zum Ausdruck gebracht:

 

… Nachdem uns im vorigen Jahr durch den Tod von Edwald Carstenn ein Geschichtsforscher von Rang und Namen genommen wurde, bringt uns das neue Jahr schon zu seinem Beginn einen erneuten und daher für uns wie für die gesamte deutsche Öffentlichkeit doppelt schweren Verlust. Es kann nicht meine Aufgabe sein, das jahrzehntelange Schaffen Paul Fechters als Kunstschriftsteller und Feuilletonredakteur, als Theaterkritiker und Literaturhistoriker, als Verfasser viel gelesener Romane, Lebensbetrachtungen und Plaudereien, als Dichter und Dramatiker an dieser Stelle zu würdigen. Das ist bereits in der Presse verschiedentlich geschehen und wird nicht nur in diesen Tagen, sondern auch späterhin noch so manches Mal erfolgen; denn aus der Geschichte des Schrifttums und der Publizistik seiner Zeit, ist der Name Paul Fechter umso weniger hinwegzudenken, als er auch über seine Generation hinaus geistig gestaltend und befruchtend gewirkt hat.

 

Mag die Mitwelt und Nachwelt ihn (und mit vollem Recht) auch noch so sehr rühmen: für uns Ostdeutsche, für uns Elbinger war er mehr. Für uns verkörperte Paul Fechter in seinem Wollen und Wirken die westpreußische Heimat, zu der er sich während seines ganzen Lebens in unzähligen Betrachtungen, Veröffentlichungen und Vorträgen bekannt hat. Das danken wir ihm über das Grab hinaus in dem Gefühl jener echten Verbundenheit, die nur auf der Grundlage einer lebendig empfundenen Treue erwachsen kann. Daraus entsteht für uns gleichzeitig aber auch die Verpflichtung, an dem Vielen und Vielfältigen, was von seinem Werk bleibend sein wird, und an der Persönlichkeit dessen, der es schuf, festzuhalten; denn in seinem Falle lässt sich ganz bestimmt nicht beides voneinander trennen. Wie Agnes Miegel ihn in ihrer humorvollen Betrachtung zu seinem 75. Geburtstag als echten Elbinger erkannt und anerkannt hat, so soll uns Paul Fechter immerdar ein Leitstern für Wesen und Wert unserer Elbinger, unserer westpreußischen Heimat sein. Der im Jahre 1931 veröffentlichte, aber in seiner Gestaltung völlig zeitlose, wenn auch heute fast beängstigend zeitnah erscheinende Roman „Das wartende Land" — um nur dieses eine, von ganz besonderer Heimatverbundenheit erfüllte Werk zu erwähnen — wird uns ein bleibendes Vermächtnis sein. Die alte Ordens- und Hansestadt am Elbingfluss mit ihrem Markttor, ihrer Marienkirche und dem Klange der schaffenden Arbeit wartet schon viel zu lange darauf, dass dort Geist von seinem Geiste wieder lebendig wird. Dem großen Gestalter und Verkünder ostdeutscher Eigenart, dem echten Vertreter unserer heimatlichen „Stadt der Zivilcourage", die eine von Paul Fechter oft im Leben bewiesene Gesinnung und Haltung verkörperte, gilt bei seinem Heimgang ein sehr lebhaft empfundener Abschiedsgruß aller ehemaligen Bewohner von Elbing-Stadt und Elbing-Land . . .

gez. Dr. Fritz Pudor

 

Seite 14   Das Werk Paul Fechters

Wir bringen nachstehend eine Aufstellung der zurzeit lieferbaren Werke Paul Fechters:

MENSCHEN AUF MEINEN WEGEN. Begegnungen gestern und heute. 330 Seiten. 11,50 DM. MENSCHEN UND ZEITEN. Begegnungen aus fünf Jahrzehnten. 65. Tsd. 427 Seiten. 11,50 DM.

AN DER WENDE DER ZEIT. Menschen und Begegnungen. 32. Tsd. 496 Seiten. 11,50 DM. DEUTSCHER OSTEN. Bilder aus West- und Ostpreußen, mit 31 Seiten einführendem Text. 24. Tsd. 2,20 DM.

ZWISCHEN HAFF UND WEICHSEL. Jahre der Jugend. 24. Tsd. 386 Seiten. 11,-- DM. GESCHICHTE DER DEUTSCHEN LITERATUR. 37. Tsd. 783 Seiten. 183 Bilder. 19,80 DM.

KLEINES WÖRTERBUCH FÜR LITERARISCHE GESPRÄCHE. 34. Tsd. 348 Seiten. 11,-- DM.

KLEINES WÖRTERBUCH FÜR KUNSTGESPRÄCHE. 20. Tsd. 311 Seiten. 9,-- DM.

KLEINES WÖRTERBUCH FÜR MUSIKGESPRÄCHE.

15. Tsd. 368 Seiten. 11,-- DM.

DER ZAUBERER GOTTES. Eine Komödie. 32. Tsd. 96 Seiten, 2,20 DM.

Sämtliche Titel erschienen im C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (54)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Wir haben Familienzuwachs gekriegt, wir sind nämlich sozusagen aufem Hund gekommen, nämlich aufem Dobermann. Gekauft haben wir ihm nich, dazu haut es bei em Dittche-Rentjeh nich aus, sondern wir haben ihm bloß in Pängsjohn genommen, gewissermaßen als Kurgast, und das kam so. Ich schnippseld gerad am Tisch meinem geschenkt gekriegten Eigenbau und ärgerd mir, dass der Poggenritzer nich schneiden tat. De Emma hadd sich de Seh-Maschien aufe Nas geklemmt und las innes Kreisblatt.

 

Mit eins sagd se: „Huch, das wär doch was!" Huch sagt se immer, wenn ihr was Besonderes einfällt. Erst dachd ich, se hat e passendes Heiratsangebot gefunden, aber es war nich. „Leg deinem Knief weg und heer zu", sagd se, „sonst kriegst es nich orndlich mit, und es is sehr wichtig“. Und se las: „Wir suchen ein älteres, tierliebendes Ehepaar, das für ein paar Wochen gegen angemessene Vergütung unseren Hund in Pflege nimmt. Er ist ein gutmütiger und stubenreiner Hausgenosse“. E älteres Ehepaar sind wir ja und tierliebend sind wir auch. Das wissen Se sicher noch von unserm Pochel und von dem Kater Schnurrkolies, wo inne Sirupstonn reingefallen war. Gutmietig und stubenrein gefiel mir auch, bloß mit die angemessene Veigietung war ich nich ganz einverstanden. Was heiß all angemessen? Das kann viel und das kann wenig sein. Aber de Emma war gleich Feier und Flamme und sagd das zweite Mal Huch.

 

Nu wussd ich all, es kommt wieder was Besonderes. Und es kam auch, indem dass se einfach zwei Mark pro Tag Pängsjohn verlangen wolld. „Fier drei Dittche frisst er auf, und eins siebzig haben wir verdient", meind se. Nu gab ich ihr aber zu bedenken, dass so e Tier doch allerhand Arbeit macht, und viel Platz haben wir auch nich in unser Stubche. Wo soll er schlafen und sich auslaufen? „Schlafen?“ meind de Emma, „inne Eck aufem alten Sack! Und auslaufen? Du fiehrst ihm jeden Tag e paar Stunden am Bindfaden im Wald spazieren. Du brauchst doch Bewegung, und schließlich musst du fier eins siebzig auch e bissche was tun. Geschenkt giebt nuscht aufe Welt!" Nu bin ich, wie Se wissen, auch gutmietig und stubenrein, und deshalb haben wir uns beworben.

 

Dauerd nich lang, vleicht drei, vier Tage, da kamen se mittem Straßenkreizer vorgefahren, e Ehepaar so Mitte vierzig, er sah aus wie e Staatsanwalt, und sie war mächtig angemalen und aufgetakelt. Das war noch alles auszuhalten, aber wie ich dem Hundche zu sehen kriegd, da war ich bald auße Klumpen gekippt. Er hieß Poseidon, und so sah er auch aus. E Dobermann, bald so groß wie e neigeborenes Kalb, dem Zagel befiddelt und de Öhren beseimt. Und er kickd so glupsch, dass ich mir fest vornahm, mit ihm nich allein im Wald zu gehn. Und fier dem Schiss wolld ich fimf Dittche Zuschlag nehmen. Aber das muss der Poseidon gemerkt haben, denn wie ich gerad das Maul aufmachen wolld, da gnurrd er und taxierd meine Waden. Deshalb war ich all lieber still.

 

Na, wir wurden auf eins fuffzig einig, und er solld vier Wochen bei uns bleiben. E Lein und e Maulkorb kriegden wir auch, aber bloß sicherheitshalber wegen die Tollwut. Nich ieberfittern sollden wir ihm und viel bewegen, besonders aber ihm immer freindlich und liebevoll behandeln. „Unser Poseidon ist gut erzogen und hat ein kindliches Gemüt, nur ärgern dürfen Sie ihn nicht", sagden se noch. Aber wie ich ihm ganz sachtche streicheln wolld, da gnurrd er wieder. „Haben Sie keine Angst, er gewöhnt sich sehr schnell!" Denn gaben se mir fuffzehn Mark als Anzahlung, dem Rest sollden wir kriegen, wenn se dem Hund wieder abholen taten. Damit waren wir nu aller einig, bloß der Poseidon nich, denn der wolld mit Gewalt wieder mit. Ich konnd noch gerad so de Tier zuschmeißen, wobei ich mir an die krätsche Klink dem Daumen beklemmd. Und nu kam sein kindliches Gemiet zum Ausbruch. Er sprang immer anne Tier hoch und bekratzd ihr von oben bis unten, und ich hadd ihr gerad zu Weihnachten frisch gestrichen! Dabei jault und belld er, dass ich rein dachd, das Haus fällt ein. Und wie durche Tier nich ging, wolld er durches Fenster raus. Er war kaum zu halten. Was blieb mir iebrig, ich mussd de Schranktier aushängen und vores Fenster festmachen. Nu missden wir natierlich das läktrische Licht anknippsen, dass wir nich im Diestern saßen. Aber wenigstens hädd er uns bis jetzt noch nich gebissen, das war all viel wert.

 

De Emma hadd sich hinterm Schrank verkrochen und sagd zum dritten Mal Huch. Nu kam wieder was Besonderes: „Wir hädden doch auf zwei Mark bestehen sollt. De zerkratzte Tier und das Licht sind in die eins fuffzig doch nich drin, und wer weiß, was noch alles kommt. Denn missen wir ebend Nebengebieeren berechnen“. „Se werden dir was hu-sten mit deine Nebengebiehren, abgemacht is abgemacht. Eher werden se dir noch belangen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht", sagd ich, denn das hädd ich mal inne Zeitung gelesen, und außerdem bin ich ja e heeherer Postbeamter mit Intelligänz. Bei diese Unterhaltung hädd der Poseidon sich bissche beruhigt und kickd uns immer umschichtig an, als ob er zuheeren tat. Dabei spield er mit seine zergnubste Ohren, und das war bestimmt kein gutes Zeichen. Ich dachd, wenn er doch bloß einmal mit seinem Schwanz-Stummelche wedeln wolld, aber er tat mir nich dem Gefallen. Es half auch kein gutes Zureden, und immer, wenn de Emma ihm mit ihre hohe Stimm ansprach, fing er an zu singen, dass de Milch sauer werden konnd.

 

Allmählich traud se sich hinterm Schrank vor und wolld Mittag aufschöpfen. Es gab Kartoffelsupp und fier jedem e Stickche pommersche Wurst. Der Poseidon machd große Naslöcher und fing Gott sei Dank mit eins an zu wedeln. Wahrscheinlich roch er de Wurst, aber vleicht hadd er Angst, dass er nuscht kriegt, denn er sprang plötzlich anne Emma hoch, so dass se vor Schreck dem Topf fallen ließ. Nu lag das ganze scheene Mittag aufe Erd, und der Topp war auch zum Deiwel. Das hadd der Poseidon aber mir scheint gewollt. Zwar verbriehd er sich anne heiße Supp de Schnauz, dass er mittem Kopp schlackern mussd, aber de pommersche Wurst hädd er rietzratz verputzt. De Supp ließ er erst kalt werden, denn leckd er ihr auf bis aufes letzte Tropfche. Er war eben stubenrein.

 

Nu huckden wir ohne Mittag, bloß der Poseidon war satt. Gut erzogen, wie er war, hopsd er inne Emma ihr Bett rein, kringeld sich zusammen und fing an zu schnarchen Er muss orndlic ausgehungert gewesen sein, wahrscheinlich hädden se ihm, wel er doch in Pängsjohn kam, e ganze Woch nuscht zu fressen gegeben. Wie er ausgeschlafen hädd, hoppsd er wieder außem Bett, schniffeld ieberall rum, als wenn er was suchen tat, und hob denn anne Eck vom Schrank e Beinche.

 

„Auch das noch!" sagd de Emma, und missd nu aufwischen. Der Nachmittag verging ohne besondere Ieberraschungen, es schien so, als ob er sich mit sein Schicksal abgefunden hädd. Abends trauden wir uns nich zu essen, dass er nich wieder de Emma umrennen tat, und gingen hungrig inne Posen. Der Poseidon schlief wie nachmittags inne Emma ihr Bett, de Emma in meins, und ich aufem alten Sack inne Eck, also alles scheen nach Rang und Wirden.

 

Dem andern Tag kriegd ich Ärger mit dem Bauerochse, denn wie ich mitten Poseidon anne Lein zu einem Waldspaziergang rausging, weil er viel Bewegung brauchd, riss er sich los und wirgd dem Bauerochse seinem großen Kater, wobei er ihm das linke Ohr abriss. Aber der Kater zerkratzd ihm ganz geheerig de Schanuz, dass se aufschwoll und er zwei Tage vor Schmerzen nuscht fressen konnd. So konnden wir wenigstens e bissche was zu uns nehmen. Allmählich gewöhnd er sich denn an uns, bloß außem Blechteller wolld er nich fressen, er missd einem porzellanenen kriegen, und der alte Sack inne Eck fand auch nich seinem Beifall. Nach wie vor schläft er inne Emma ihr Bett.

 

Nu haben wir ihm all drei Wochen. In die Zeit hat er meinem alten Filzhut zerkaut, dem Maulkorb verloren, einem jungen Has aufgeschichert — der Förster kam gerad zur Zeit, und nu lauern wir aufem Strafmandat — einem Schuljung inne Waden gebissen, dem Bauerochse e große Wurst auße Kammer gestohlen, zwei Hiehner zerrissen und einem vonne Emma ihre Schlorren verschleppt, dass wir ihm nich mehr finden können. Von die Wurst kriegd er Bauchschmerzen, und de Emma mussd ihm e warmem Umschlag machen.

 

Gestern kam nu e Brief von sein Frauche an, da stand drin: „Ist er nicht ein herziges Tier? Hat er nicht ein kindliches Gemüt? Wenn er krank wird, müssen Sie einen Tierarzt holen. Grüßen Sie herzlich unsern lieben Poseidon und sagen Sie ihm, er muss noch vier Wochen länger bei Ihnen bleiben, wir kommen erst Ende Februar zurück. Hoffentlich stirbt er nicht vor Sehnsucht!" Und vom ersten Februar an können wir nur eine Mark bezahlen, eins fünfzig ist zu viel, sagen hier alle!"

Herzliche Grüße Ihr vom Schicksal schwer geprüfter Ernst Trostmann. Landibrieftrager z. A.

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Gedenkfeier für Johanna Wolff.

Berlin. Anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstages der bekannten ostpreußischen Dichterin Johanna Wolff fand im Rahmen der Patenschaft Ostpreußen des Bezirks Steglitz in der dortigen Volkshochschule der erste der vorgesehenen drei Vortragsabende statt. Der Abend stand unter dem Thema „Das Tilsiter Hanneken in der Welt seiner Heimat". Der Vortragende, Landsmann Erich Schattkowsky, konnte dabei aus seiner langjährigen Freundschaft mit der Dichterin und einen reichen persönlichen Briefwechsel schöpfen. Die häufig zitierten Briefstellen und die während der Tätigkeit des Vortragenden als Schulrat in Ragnit gewonnenen Kenntnisse von Landschaft und Volkstum von Hannekens Heimatwelt erfüllten den Abend mit jener Wärme und Eindringlichkeit, die nur ganz persönliche Bindungen und Berührungen zu geben vermögen.

Der Hörerkreis dankte Landsmann Schattkowsky mit herzlichem Beifall, der in gleichem Maße auch der Sopranistin Alrun Bürkner galt, die ostpreußische Volksweisen und von Erich Schattkowsky vertonte Dichtungen von Ruth Geede und Carl Lange zu Gehör brachte. Den feierlichen Abschluss des Abends bildete die gesangliche Uraufführung des von Alfred Lau verfassten und von Erich Schattkowsky neu vertonten Ostpreußenliedes, das vom Wort wie von der Weise her die Besucher aufs stärkste beeindruckte.

 

Ostdeutsches Kulturgut pflegen

Wilhelmshaven. Die letzte Zusammenkunft der Landsmannschaft Ostpreußen stand im Zeichen der Jahreshauptversammlung. Nach der Begrüßung übermittelte der 1 .Vorsitzende, Obermedizinalrat Dr. Zürcher, den Landsleuten den Dank der Kreisbeauftragten des Kreises Bartenstein für die im Laufe des Jahres aus Wilhelmshaven gesandten Sach- und Geldspenden für notleidende Landsleute in der Mittelzone. In seinem Jahresbericht betonte Dr. Zürcher, dass er es als Hauptaufgabe der Landsmannschaft ansehe, die Erinnerung an die Heimat wachzuhalten und ihr Kulturgut zu pflegen; er habe daher bewusst dieser Aufgabe den größten Raum im Rahmen der Veranstaltungen zugemessen.

Alterspräsident Landsmann Beckmann dankte dem Vorsitzenden und dem Vorstand für die vorbildlich geleistete Arbeit im zurückliegenden Jahr und bat die Versammlung, den gesamten Vorstand in seinen Ämtern zu bestätigen. Die Abstimmung ergab völlige Einstimmigkeit zu diesem Vorschlag.

Die nächsten Veranstaltungen: 3. März ein Agnes Miegel gewidmeter Heimatabend (anlässlich ihres 79. Geburtstages am 09.03.1958).

 

Ein volles Haus mit Dr. Lau

Mölln. Unter dem Motto „So lachten wir zu Hause" veranstaltete die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen einen fröhlichen Abend. Lange vor Beginn war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Vorsitzende Lm. Piontek begrüßte Dr. Lau, alle Gäste, Landsleute und Vorsitzenden der anderen Landsmannschaften. Dann brachte Dr. Lau ostpreußischen Humor „am laufenden Band", Verse, Anekdoten usw., die einen so begeisterten Beifall fanden, dass er um einige Zugaben in später Stunde nicht herumkam. Ein gemütliches Beisammensein und ein flottes Tänzchen beschlossen den fröhlichen Abend. Dr. Lau besuchte bei seiner Fahrt durch das Herzogtum Lauenburg, von Schleswig kommend, auch die Landsleute in Lauenburg, Schwarzenbek und Ratzeburg. Überall dasselbe Bild: Volle, zum Teil überfüllte Säle und stürmischer Beifall.

 

Mit Humor ins neue Jahr

Lübbecke. Mit einem fröhlichen Unterhaltungsabend begann die Gruppe der Landsmannschaft Ostpreußen ihre Jahresarbeit. Als Gast konnte der Vorsitzende, Rektor a. D. Hardt, Dr. Lau begrüßen, der nach einführenden Worten des Vorsitzenden über die Bedeutung des Humors die weitere Gestaltung des Abends übernahm. Die zahlreichen Landsleute waren nicht allein aus der Stadt, sondern auch aus der näheren und weiteren Umgebung zu diesem Abend gekommen. Lebhafter und herzlicher Beifall dankte dem Vortragenden.

Am Abend fand die gleiche Veranstaltung in der in unmittelbarer Nähe liegenden Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittwald statt, die zu einem ebensolchen Erfolg wurde.

 

Veranstaltungen in Hannover

Die ostpreußischen Landsleute in Hannover bitten wir folgende Termine zu notieren:

16.02., 18 Uhr, Casino-Gaststätte, großer Saal — Einjähriges Bestehen der Gruppe der Königsberger, mit Tanz und Darbietungen.

26.02., 20 Uhr, Gaststätte „Schloßwende" — ein Lichtbildervortrag von Frau Stadler, Braunschweig (fr. Königsberg) über „Deutschsüdwest-Afrika". Die Aufnahmen wurden 1957 gemacht.

10.03., 20 Uhr, Gaststätte „Schloßwende" — Generalversammlung der LO, Gruppe Hannover e. V. Im Anschluss gemütliches Beisammensein. Gäste herzlich willkommen.

 

„Fahrt in die Heimat"

Flensburg. „Die Erinnerung ist das Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können", mit diesen Worten leitete Dr. Kob seinen Farblichtbildvortrag „Fahrt in die Heimat" vor seinen ostpreußischen Landsleuten ein. Der Vortrag war für alle ein Spaziergang der Erinnerung in die alte geliebte Heimat. Ausgangspunkt der Fahrt war Zoppot; von hier ging es mit der „Tannenberg" des Seedienstes Ostpreußen nach Danzig, über das Frische Haff und die Frische Nehrung nach Pillau, Cranz, Königsberg, über die Kurische Nehrung nach Memel. Ein Abstecher führte in das Land der tausend Seen, nach Masuren, ein anderer in die Rominter Heide. — Als besonders erfreulich kann hervorgehoben werden, dass sich unter den Besuchern viele Jugendliche befanden, denen auf diese Weise, oft vielleicht erstmalig, ein lebendiger, farbiger Eindruck von ihrer Väterheimat vermittelt werden konnte.

Im Februar finden folgende Veranstaltungen statt:

11.02., 19.30 Uhr, Monatsversammlung im Deutschen Haus;

14.02., 15.30 Uhr treffen sich die ostpreußischen Frauen in der Heimatstube;

15.02., 20 Uhr großes Faschingsvergnügen unter dem Motto „Perdsmarkt in Wehlau" im Gewerkschaftshaus.

 

Seesen.

Die 100 Farbdias, die von der Bundesleitung der LO für den Heimatabend zur Verfügung gestellt wurden, vermittelten den zahlreichen Teilnehmern ein tiefes Erlebnis. Bruno Scharmach, Karl-Heinz Budzinski und Obmann Papendick waren die Führer auf dieser „Ferienreise durch die Heimat". Sozialreferent Wilbudies gab Erläuterungen zur 8. Novelle zum LAG. Eine Sammlung für die „Bruderhilfe Ostpreußen" erbrachte 75,-- DM. Die Sachspenden für die „Friedlandhilfe" werden Mitte Februar abgerufen werden. — Bei der Neuwahl des Vorstandes wurde Lm. Scharmach einstimmig zum 2. Vorsitzenden gewählt, der übrige Vorstand wurde in seinen Ämtern bestätigt.

 

Bad Gandersheim.

Besonders aktiv und erfolgreich war im vergangenen Jahr im hiesigen Kreisgebiet unsere Volkstümliche Humoristin Lina Fahlke-Pillau. Als vorzügliche Interpretin ostpreußischen Humors gestaltete sie mit Dichtungen von Dr. Lau, Robert Johannes, Wilhelm Reichermann u. a. 15 Heimabende in den landsmannschaftlichen Gruppen Langelsheim, Goslar, Lutter, Bornhausen, Gandersheim und Seesen, wofür ihr an dieser Stelle gedankt sei.

 

Frankfurt/M.

Der nächste Damenkaffee findet am 10.02., 15 Uhr, im Café Niklaus, Eschersheimer Landstraße 218 (Am Dornbusch) in Form eines Kappenfestes statt.

 

Seite 15   „Köstliche bodenständige Heiterkeit"

Beim Heimatabend in Alfeld, der einen besonders starken Besuch aufwies, so berichtet die „Hannoversche Allgemeine" am 21. Januar 1958 über eine fröhliche Veranstaltung mit Dr. Alfred Lau.

Wenn Sie Ihren Landsleuten auch einmal eine große Freude bereiten wollen, dann schreiben Sie an den bekannten Mundartdichter, den Verfasser unserer Trostmann-Briefe, nach Bad Grund/Harz, Hübichweg 16. Er teilt Ihnen gern seine Bedingungen mit, die auch für kleinere Gruppen durchaus tragbar sind.

 

Seite 15   Letzter Jahresbericht des Evang. Hilfswerks

Stuttgart. Letztmalig legte jetzt das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland über sein Zentralbüro in Stuttgart seinen Bericht über die Arbeit des Jahres 1956 und des ersten Vierteljahres 1957 vor. Es bringt einen Rückblick nicht nur auf ein Jahr seiner Tätigkeit, sondern auf fast zwölf Jahre vielfältiger Arbeit und Mühen seit dem Beginn und der Entfaltung des Hilfswerks in den dunklen, notvollen Tagen des Jahres 1945 bis zu dem am 1. April 1957 erfolgten Zusammenschluss von Hilfswerk und Innerer Mission zum neuen diakonischen Werk. Während in einem ersten Teil dieses Berichtes ein Überblick über die zentralen Aufgaben sowie über die einzelnen Hilfswerke der Landeskirchen gegeben wird, bringt ein zweiter Teil grundlegende Beiträge als Dokumente des Zusammenschlusses, die über die Gedanken der Fusion und die Ziele des neuen Werkes Aufschluss geben. In diese neue Form diakonischer Arbeit hat das Hilfswerk, wie Dr. theol. h. c. Christian Berg, Berlin, dazu in seinem Geleitwort betont, „die willige Bereitschaft, in einer sehr veränderten Welt mit ihren Millionen von Heimatlosen und Entwurzelten an den drängenden sozialpolitischen Aufgaben heute beispielhaft und verantwortlich mitzuarbeiten".

 

Seite 15   Wie erfolgt die Ausreise aus den Ostgebieten? Erfahrungsbericht des Roten Kreuzes — Umsiedlungstransporte werden 1958 fortgesetzt.

Das Deutsche Rote Kreuz und die mit ihm zusammenarbeitenden Betreuungsverbände haben in einem Bericht ihre Erfahrungen mit der Familienzusammenführung innerhalb der laufenden Umsiedlungsaktion Deutscher aus den deutschen Ostgebieten zusammengefasst. Die Transporte werden 1958 fortgesetzt. Die Vereinbarung mit dem Polnischen Roten Kreuz sieht die Wiedervereinigung getrennter Familienmitglieder ersten Grades vor: getrennte Ehepartner — mit und ohne Kinder — Kinder bis zum 18. Lebensjahr zu Eltern oder Sorgeberechtigten — hilfsbedürftige oder kranke Eltern zu ihren Kindern.

 

Über das Deutsche Rote Kreuz werden die gemeldeten Fälle vorgenannter Art dem Polnischen Roten Kreuz fortlaufend namhaft gemacht. Da Zehntausende von Gesuchen dieser Art vorliegen und die Zahl der monatlich dem Polnischen Roten Kreuz weiterzugebenden Anmeldungen begrenzt ist, kann jeweils nur ein Teil der vorliegenden Wünsche Berücksichtigung finden. Die Maßnahmen des Deutschen Roten Kreuzes bewirken nicht unbedingt eine umgehende Erteilung der Ausreisegenehmigung. Über den Zeitpunkt der Ausreise und die Reihenfolge in der Zuteilung zu den Transporten bestimmen allein die polnischen Behörden. Eigene Bemühungen der Ausreisewilligen können unter Umständen zur Beschleunigung beitragen.

 

Die Erfahrung hat gezeigt, dass es gut ist, wenn sich sowohl die Ausreisewilligen als auch ihre nächsten Angehörigen in Deutschland mit Gesuchen um Erteilung der Ausreisegenehmigung an die Kreisverwaltung, die zuständige Bezirksregierung (Wojewodschaft) und an das polnische Innenministerium, Anschrift: Ministerstwo Spraw Wewnetrznych, Warszawa, Aleje Ujazdowskn 9, wenden. Die Gesuche können in deutscher Sprache abgefasst sein und enthalten kurze Angaben darüber, wann und wie es zur Trennung der Familie kam.

 

Deutschen, welche Erlaubnis zur Teilnahme an einem Transport erhalten, entstehen Kosten für die Reise und den Gepäcktransport vom Wohnort bis Stettin. Bei Einzelausreise sind Fahrt- und Gepäckkosten vom Wohnort bis Westberlin oder Bundesrepublik zu tragen. Über die Höhe der entstehenden Kosten kann vom DRK keine Auskunft erteilt werden; sie sind gegebenenfalls bei den zuständigen polnischen Behörden am Wohnsitz der Ausreisewilligen zu erfragen. Gesuche für Einzelausreise und Gesuche für Ausreise im Rahmen der Familienzusammenführungstransporte bearbeiten die gleichen polnischen Behörden. Bei Ausreise empfiehlt sich das Gepäck sehr deutlich und haltbar zu beschriften, damit beim Transport und bei der Weiterleitung keine Schwierigkeiten entstehen.

 

Auch in die DDR werden Transporte für Familienzusammenführung durchgeführt und Einzelausreisegenehmigungen erteilt. Sofern dort nächste Familienangehörige der Ausreisewilligen leben, die gebeten werden können, sich um die Zusammenführung zu bemühen, empfiehlt sich, dass diese bei dem zuständigen Rat des  (hier bricht der Bericht ab)

 

Seite 15   Einweihung eines Jugendheims

KOBLENZ. Vertreter der Landsmannschaften und der Vertriebenenverbände in Koblenz trafen sich Anfang Januar mit der dortigen Kreisgruppe der Deutschen Jugend des Ostens zur Einweihungsfeier des neuen Jugendheims. Die Lm. der Ost-Westpreußen und Danziger, Kreisgruppe Koblenz, hat sich unter Vorsitz von Dr. Gauke um den Aufbau des Jugendheims verdient gemacht. Sie wird auch zunächst die Treuhänderschaft über das Heim behalten. Der Jugend steht je ein Raum für die Jungen- und Mädchengruppe zur Verfügung. Ein großer Gemeinschaftsraum kann von den Landsmannschaftsgruppen für ihre Zusammenkünfte benutzt werden.

Im Laufe des nächsten Jahres will Dr. Gauke veranlassen, dass Mitglieder der DJO in die ostdeutschen Gebiete fahren, damit sie aus eigenem Erleben das Land kennenlernen, aus dem ihre Eltern vertrieben wurden.

 

Seite 15   Kameradschaft Luftgau I.

Wie bereits verschiedentlich angedeutet, soll in diesem Jahre wieder ein Treffen aller ehemaligen Kameraden einschließlich des weiblichen und männlichen zivilen Gefolges des ehemaligen Luftgau I erfolgen. Ort und Zeit sind noch nicht festgelegt und von verschiedenen Umständen abhängig. Folgende Möglichkeiten sind zu erwägen:

1. Göttingen zum „Tag der Heimat" mit der Feierstunde am Ehrenmal;

2. zu einem Treffen der Stadt Königsberg/Pr.;

3. zu einem Treffen der Landsmannschaft Ostpreußen auf Bundes- oder Landesebene.

Ob die beiden letztgenannten Möglichkeiten in diesem Jahre durchgeführt werden, muss ich inzwischen feststellen. Hierüber werde ich auf diesem Wege wieder berichten.

Ich bitte aber auch aus dem Kreise der Kameraden um Vorschläge zu dieser Frage überhaupt und insbesondere auch darüber, ob wir unsere Treffen abwechselnd räumlich verlegen sollten, d. h. auch einmal nach Süddeutschland bzw. nach Nordwestdeutschland. Voraussetzung ist aber, dass dann auch in diesem Raum genügend Kameraden wohnen, die sich beteiligen. Unser Treffen zu Pfingsten 1955 in Duisburg gelegentlich der 700-Jahrfeier für die Stadt Königsberg/Pr. war mit über 250 Teilnehmern sehr stark besucht, woraus folgt, dass dort viele Kameraden wohnen, die auch dann teilnehmen.

Ich weise weiter darauf hin, dass die Kameradschaft keine Möglichkeit hat, Wehrpässe oder Bescheinigungen auszustellen, aus denen Einkommen und Dienstzeiten hervorgehen bzw. Beamteneigenschaften und Beförderungen oder gar Auszeichnungen nachzuweisen sind.

Wir sind aber gerne bereit, den Suchdienst für die Heranholung von Zeugen einzusetzen.

Ich bitte erneut darum, allen Anfragen Rückporto beizulegen.

W. Gramsch als Schriftführer der Kameradschaft Luftgau I, Celle, Waldweg 83, Telefon 47 34.

 

Seite 15   Arbeitstagung des Historischen Vereins für Ermland

Anfang Januar hielt der Historische Verein für Ermland e. V. unter Leitung seines Vorsitzenden Dr. habil. Schmauch in Göttingen eine Arbeitstagung ab, die durch einen Besuch in dem auch für die ermländische Geschichtsforschung sehr ergiebigen Staatlichen Archivlager ihre besondere Note erhielt. Auf der Tagung selbst referierten die Vereinsmitglieder Westphal über neue Funde zur Lebensgeschichte der Mystikerin Dorothea von Montau. Dr. Rohwerder über die Jesuitenresidenz in Deutsch-Krone, Dr. Triller über eine Reise in die alte Heimat, Juhnke über Eichendorff und Altpreußen und Rosenberg über das deutsche katholische Kirchenlied im Ermland. Die nächste Tagung des Vereins ist für Anfang August in Aachen in Aussicht genommen.

 

Seite 15   Ostpreußisches Musikarchiv

SALZGITTER. Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Salzgitter richtet zurzeit ein Musikarchiv für Ostpreußen ein, das die biographischen Daten von in Ostpreußen geborenen Komponisten und solchen, die dort gewirkt haben, erfassen soll. Bilder von den Komponisten und deren Wirkungsstätten sowie von dem Musikleben Ostpreußens sind zum Teil schon in Dias erfasst. Außerdem soll dem Archiv eine Sammlung von Volks- und Kunstmusiknoten, Schallplatten- und Tonbandaufnahmen angeschlossen werden. Das Archiv wird den landsmannschaftlichen Gruppen Niedersachsens für ihre Arbeit zur Verfügung stehen.

 

Seite 15   Preußenland und Deutscher Orden. Festschrift für Staatsarchivdirektor Dr. Forstreuter.

Unter dem Titel „Preußenland und Deutscher Orden" ist soeben im Holzner-Verlag Würzburg, eine Staatsarchivdirektor Dr. Kurt Forstreuter zur Vollendung seines 60. Lebensjahres gewidmete Festschrift erschienen (als Band IX der vom „Göttinger Arbeitskreis" herausgegebenen Veröffentlichungsreihe „Ostdeutsche Beiträge"). Dr. Forstreuter, ein gebürtiger Ostpreuße, ist der Leiter des „Staatlichen Archivlagers" in Göttingen, in dem die geretteten Bestände des Königsberger Ordens- und Staatsarchivs zusammengefasst sind. Die ihm zugeeignete Festschrift enthält eine Reihe wissenschaftlicher Beiträge zu historischen, kulturhistorischen, siedlungs- und namenskundlichen, biographischen und literarischen Problemen aus der preußischen und Ordensgeschichte, die zum Teil aufgrund bisher nicht veröffentlichen Materials aus dem Königsberg/Göttinger Archiv geschrieben wurden. Der Sammelband, an dem u. a. Prof. Hubatsch, Prof. Keyser, Prof. Maschke, Prof. Mortensen als Beiträger beteiligt sind, umfasst 384 Seiten und kostet 17,50 DM.

 

Seite 15   Familienanzeigen

Am 24. Dezember 1957 nahm Gott der Herr nach kurzer, schwerer Krankheit meinen lieben Mann, unsern guten Vater, Schwiegervater und Großvater Stadtinspektor a. D Willy Schlick (den letzten Standesbeamten von Königsberg) im Alter von 64 Jahren zu sich in sein Reich. Betrauert von seiner Frau: Elly Schlick, geb. Gradtke. Herbert Schlick und Frau. Günther Schlick und Frau. 3 Enkelkinder und Anverwandte. Moers a. Rhein, Dietrichstraße 33 — früher: Königsberg/Pr., Seligenfelder Straße 12 —

 

Meine liebe, herzensgute Mutter, Frieda Küssner verw: Schemionek, geb. Schettat, wurde am 14. Januar 1958 im Krankenhaus Sulingen/Hann, von Ihren vielen schweren Leiden durch einen sanften Tod erlost. Ein Mittelpunkt verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Bande besteht nun nicht mehr. In tiefer Trauer: Hans Schemionek, Sulingen (Hann.), den 15. Januar 1958, Lange Straße 75.

 

Heute um 16 Uhr entschlief sanft mein lieber, treuer Ehekamerad, unser guter Vater, Großvater, Bruder und Onkel, der Oberregierungsrat a. D. und Oberfeldapotheker im alten Reichsheer Dr. phil. Joseph Laurent, im 77. Lebensjahre nach arbeitsreichem Leben. In stiller Trauer: Dr. med. Ruth Laurent, geb. Bornemann. Hans Joachim Laurent. Gerda Traute Kleemann, geb. Laurent. Hannelore Laurent. Margarete Laurent, geb. Wulff. Reinhold Kleemann, Rechtsanwalt. Marlies Laurent, als Enkelin. Lüdenscheid (Westf.), den 13. Januar 1958 Friedrichstraße 40

 

Nach längerer Krankheit verschied am 5. Dezember 1957 unerwartet mein lieber Mann und treusorgender Vater Rechtsanwalt und Notar Alfred Smelkus. im Alter von 55 Jahren. In tiefem Schmerz: Liesbeth Smelkus. Helmut und Brigitte und alle Angehörigen. Eschwege Richard-Wagner-Straße 4.

 

Wiederum haben wir den Tod von zwei verdienten lieben Turnbrüdern zu beklagen. Am 20. Oktober 1957 verstarb in Berlin-Biesdorf der letzte Vorsitzende des TuS Heinrichswalde (Ostpr.) von 1892, Kurt Schaar und am 24. Dezember 1957 schloss im Alter von fast 78 Jahren Friedrich Meyer

vom MTV Tiegenhof (Westpr.) — vorher MTV Marienburg (Westpr.) — in Osnabrück für immer die Augen. Als Vorturner, Turnwarte und in den verschiedensten Vereinsämtern sowie als erfolgreiche Wetturner haben beide sich in ihren Vereinen und darüber hinaus große Verdienste erworben und wesentlichen Anteil an der Betreuung der Turnerjugend genommen. In dankbarer Verehrung und in herzlicher Anteilnahme an dem schweren Schicksalsschlag, der die Familien in beiden Fällen gänzlich unerwartet getroffen hat, werden wir unsern Turnbrüdern ein ehrendes Andenken bewahren.

Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen

 

Seite 16   August Schukat. Laddschohr un Ringelzoagel

„Mutter, wör hiete de Schwienekeper bie ons?" frooch öck, wie öck möddachs ute School keem.

„Choa," säd de Mutter. „Hast varkoft?“

„Choa." Un wälke?" „Döm Laddschohr unnem Ringelzoagel“.

„Ach Gott, Mutter“, jammerd öck, „groadst döm Laddschohr unnem Ringelzoagel, „un fung an to hule. „Warom nich öm Hubbernack unnem Kromschächt“.

„Dommer Jung! War käft döm Hubbernack, so spacheistrich, wie dä ös, kein bösske Fleesch oppe Robbe! De Kromschächt blöft sowieso tum Schlachte“.

„Wat weedst du?" säd se wieder. „De Kartoffel goahne to Aend, Schrot ös knapp. Wat sollöck futtre? Un denn bruuk öck e poar Fenning Jöld. Döm Voader dohne nedich e Poar lange Stewel. Far ju Undertiech. Oet jeit tum Winter. Far wat soll öck kepe? Amänd far Böxekneep?"

Oeck rennd ruut noam Stall. Doa leche se alle vier fuuul doa. De Mutter had so woll äwend jefuttert. De Laddschohr leech oppe Sied möttem Ringelzoagel Puckel an Puckel, de dicke Buuk värjespielt, de Feetkes wächjesträckt, un de klene Ogkes e bösske op.

„Laddschohr!" reep öck. „Och, och!" mäld he sich.

„Nu kömmst bool wäch“. „Och, och!" säd he wedder.

He wör so zoahm, wenn öck äm döm Puckel kratzd, lääd he sich oppe Ställ hen. Oeck kunn möt äm moake, wat öck wull.

„Nu komm!" säd de Mutter, wie öck önne Stoaw rönkeem, „äät Möddach, denn jeist noa Stall, lädst de Schwien ruut, schmöddst döm Möst ruut un streist änne fröschet Stroh ön. Wenn se moandachs jeliewert wäre, motte se scheen blank sön“.

„Mutter, weedst noch wie änne brochst? Oet wör uck eene Moandach. Oeck wör die böt noam Boahnhoff öntjäjen jekoame. Däm Dach stund önne Zeitung ön Italien wör e grotet Aerdbäben“.

„I wat Aerdbäben," säd drop de Mutter. „Oerk weet dat de Voader däm Dach Hoawer önne Asstes jeseecht hat, un dat sön drei Monat her. Se sön beide goot jewachse un hebbe mie e schenet Stück Jöld jebrocht.“.

„Mutter, wat kreechst?" „Na road?" „10 Doaler?" „Mehr". „11 Doaler?" „Mehr". „12 Doaler?" „Noch mehr". „13 Doaler?" .“13 Doaler".

„13 Doaler. Soväl kreechst joa noch keinmal, Mutter!“.

„Oeck hebb möt däm Keerl obber uck jehandelt wie möttem Jud“.

Moandach morjend jing wie noam Stall. De Mutter had e Schwiensämmer önne Hand, de Voader un öck e Rood. De Mutter leet änne beide ruut, jing möttem Aemmer ömmer vorruut un reep: „Nuckel, Nuckel!" Un dä beide Schwienkes lepe är noa. Obber denn drejee se korz om un wulle noam Stall zorick. Rietz! reet de Voader änne e poar äwer, un se schreche luut los. „Obber, Voader, hau da Deerkes doch nich so", wehrd de Mutter. Se jing möttem Aemmer ömmer vorruut un reep: „Nuckel, Nuckel". Un so kreech wie änne run vunnem Hoff.

Wie wie oppe Stroass keme, were doa all de Schwien vun Behms un Dannerts, un Seiwels, un Biegels, e ganzer Hupe Frues un Kinder möt lange Stäcker. Dat larmd un schreech dorchnander: „Heizu!" un „Heijuksch!" „Nuckel, Nuckel" und „Pochel, Pochel".

De Frues joagde hinde noa. Wie Junges rennde öm Boage vär, wenn e Aewerwäch keem un stellde ons op, dat se nich avboche. Un de Hinderschte mussde scharp oppasse, dat keint dorchbrook. Obber manche haude doch dorch un rennde los op tohus. Denn wie Junges hinde drön, wat wie utsätte kunne, hoalde se ön un brochde se wedder zorick.

O, dat wör jedet Moal e wilde Jagd!

Un wenn wie denn anne schwarte Brigg were un döm Puspersche Wäch avboche, denn had wie jewonne.

Bloss, wenn wie ant Aeschewoldke keme, denn wurd öt noch moal schlömm. Vun durt jing e Földwäch ohne Groawes, ohne Beem anne Siede. Boochst av vum Wäch weerscht foorz bönne önt hoge Föld. Na denn kunnst änne seke. Doa heet öt scharp oppasse. Wie wie ändlich ön Puspere öt Därp keme, doa wör wie froh. Doa fix de grote Där vunne Oenfoahrt opjemoakt un de Schwienkes rönjedräwe. Un wenn wie änne doa bönne hade, denn säd wie: „Gott sei Dank!" Wie hade jenooch. Obber uck de Schwienkes hade jenooch. So wie se rönkeme, läde se sich hen un leche doa wie avjeschlacht, so meed were se. Wie huckde ons denn bute fare Där hen un wachde drop, dat de Schwienskeper keem un se ons avnehm.

Oet duurd denn uck nich lang, un he keem anjefoahre möt zwei lange Lätterwoages. Dä were boawe möt Bräder avjedeckt un hinde mötte Schötz un möt Ströcker varschneert.

De Schwienskeper wör e groter, forscher Keerl, had e langem, wittem Mantel an un e stiewem Hot op. Sien Jesöcht blejd wie e Bloom un ömmer wör he frintlich.

Wie jinge önne Oenfoahrt rön, grepe een Schwienke, eener packd an een Ohr, dör andre ant andre, eener hinde am Zoagel. De Schwienskeper nehm rasch sien Scheerke ute Fupp, moakt sien Teken oppem Puckel. Denn hen noam Woage, de Schötz op un möt hauruck! rön öm Woage.

Un wie wie se aller oppem Woage hade, säd de Schwienskeper: „So, nu kann öck foahre. De Schwienkes hebb öck joa“.

„Na unt Jöld?" säd de Biegelsche.

„Ei, wenn öck ju kein Jöld jäw" säd de Schwienskeper un lachd. „Wat wöll ju mie dohne, Frues?" un stelld sich breedschragglich hen.

Nat dat wör jelacht", säd de Biegelsche, „wenn wie Frues aller tosammstoahne, krie wie änne biem Kräppschull un nehme änne döm Jöldbiebel mötsamt de Schwien wäch“.

De Schwienskeper lachd.

„Na, denn kommt all man", un jing möt ons dorche grote Kroochstoaw hinde rön önne Herrestoaw. Doa huckd he sich oppet Läddersofa hen un tooch e grotem Jöldbiedel ute Fupp, köppd äm oppem Dösch ut un fung doa drön an to scharwele. .

 

Ei doa Jöld wie Möst!" säd de Behmsche. „Wenn öck doch uck emoal so Biedel voll Jöld had!"

„Bie mie blöft öt joa uck nich", säd de Schwienskeper. He zoahld nu ut, ön kleine jäle Fuchskes, dicke Doalersch un grote fimf Markstöcker groot wie de Kullerräder.

„Ei, wie ös möt magrietsch?" frooch de Seiwelsche.

„Willem!" reep he döm Krejer to, „bring moal hier fare Frues e schenem Lakeer un fare junge Herres — dat wör wie Junges — uck eenem. Wie goto äm hindre Bind“.

„Op een Foot jeit dat schlecht", säd de Seiwelsche. Un de Schwienskeper mussd noch e Loag spendere.

Wie wie nu ons Jöld önne Fupp hade, dreew wie los op tohus. Un de Schwienskeper huckd sich rop po sien Woage un fohr möt onse Schwienkes los. Underwägens kickd wie ons noch ätzliche Moal rom und sache äm foahre de Stroass noa Gumbinn to De Behmsche säd: „Durt foahrt he möt onse Schwien, nu seh wie änne keinmaal mehr“. Un de Dannertsche: „Möddachs sön se önne Gumbinn, un denn wäre se varloade un goahne noa Töls odder noa Oensterborg, doa kepe änne de Meiereie, futtre änne noch e Rux, böt se an drei Zentner tehne und denn goahne se noa Berlin, un de Berliner äte öt Fleesch vun onse Schwienkes“.

Oeck mussd an ons Laddschohr unnem Ringelzoagel denke.

Tohus tälld öck de Mutter öt Jöld hen oppem Dösch. Denn jing se ran am Kuffert, moak döm Deckel vunne Bielod op un nehm e klenet Kastke rut, doa wör e Pungelke drön, dat pingeld se op un nehm öt Sparkossebook rut un säd: „So, dit ös to Farkel und dat ös farem Voader to Stewel, un denn lääd se noch wat turto un säd: „Un dat kömmt oppe Kass“.

De gode, lewe Mutter. Wat kunn so spoare! Un wat wör se ön Jöldsache arkroad! Wie öck all späder sölfst vardeend un är denn mengsmoal ute Stadt wat mötbringe mussd, leet se mie keinmoal bezoahle. Oeck mussd är ömmer jenau värräkne, wat öt kostd und denn bezoahld se op Heller un Fenning. „Jeder bruut öt Sienige!" wör är Woort.

Doabie wör döm Voader sien Lohn doch man knapp, un wie wiere sechs Kinder tohus. Obber de Mutter wör nie ön Varläjenheit. Jöld had se ömmer. Wie se dat fertig kreech, weet öck böt hiete nich.

Monndach fohr se noa Stallpeen oppem Schwiensmarcht un brochd wedder zwei Farkelkes annem Laddschohr unnem Ringelzoagel siene Stall.

 

Seite 16   Wer väl froagt … Von Alfred Lau

Wat weer et, ach Gottke, öm Kreeg bloß sdhlömm

Ferre Mönsche önne Städte,

Se suckelde aller am Dume rom,

Denn se hadde nich väl to äte.

Dat bätke, wat oppe Koarte gew,

Weer väl to wenig tom Läwe,

Dat drog de Katt oppem Zoagel weg

On brukd söck nich to terhäwe.

De Moage, dä knorrd, on de Schwoart, dä knackd,

Drom toge de Mönsche ön Hupe

Möt grote Pungels tom Hamstre rut.

Se wulle nich roke on supe,

Dem Schnaps on dem Tobback, dem gewe se her,

Se wulle nich preme on schnuwe,

De Hauptsach, se krege to äte wat möt

On brukde nich Koahldamp to schuwe.

Doa hadde de Bure e grote Tied

On meegde söck wäre on hinge,

Von allem, wat altoleewre weer,

E bät oppe Sied wat to bringe.

E bätke bloß! Se sullde nich

Toväl to verschuwe röskeere,


 

Drom keeme de Herres vom Wörtschaftsamt,

De Bure to rewendöre.

Se schmeete möt Löste on Zoahle rom,

Möt Pörregroaf on Artikel,

On tällde de Gissels, de Farkel, de Schwien,

De Kurre, de Keeg on de Kiekel.

Dem Keller, de Koamer, de Lucht on de Schien.

Dä deede se önspizeere,

Se steckde de Näse öm Duweschlag

On wulle de Mälk kontrolleere.

On denn de Eier! De Buer, dä sulld

Keen Koorn de Hehner nich gäwe,

Keen Weite, keen Gerscht on keen Hoawer nich.

Wat bleew ferre Hehner tom Läwe?

Denn allet weer ferre Mönsche bestömmt,

Wat vonne Földer gekoahme.

„Öck futter Soagmeh!“ säd de Lepschies,

Wie he fest önne Tang wurd genoame.

„Was, Sägemehl!? Sie meinen doch

Das weiße Holzmehl vom Sägen?

Ja, werden die Hühner denn davon satt

Und können sie Eier legen?“

Doa flölzd dem Liepschies e Spoaß durchem Kopp,

Dem kunn he söck nich verbiete:

„Nä, Herrkes, Eier legge se nich,

Obber Langholt done se schiete“.

 

Seite 16   Suchdienst

Gesucht werden die Familien Otto Hebmüller, Eydtkuhnen; Hebmüller, Osnaggern; Franz Ebner, Wabbeln (Kr. Stallupönen); Fritz Stenkat (Dentist), Königsberg, Französische Straße 5; Schattke, Königsberg. Nachrichten, die zur Auffindung der Gesuchten dienlich sein können, erbeten an O. Hebmüller, Rektor i. R., Lünen-Gahmen. Am Krähenort 25.

 

Russlandheimkehrer! Welcher Kriegsgefangene war mit Helmut Lange im Lager 7242/11 CCCP zusammen? Die letzte Nachricht stammt vom 14.05.1947. Wer weiß etwas über den jetzigen Aufenthalt des Gesuchten? Nachricht erbeten an Karl Wiechert, Cramme üb. Wolfenbüttel. Winkel 8.

 

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