Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 02 vom Februar 1957

 

Seite 1   Foto: Der Schwenzait-See. Paradies des ostpreußischen Wintersports. Hier fand alljährlich die Deutsche Eissegelwoche statt.

 

Seite 1   Was ist Preußen? Ist Preußen tot? Hat es heute noch eine Aufgabe zu erfüllen, für Deutschland, für Europa? Diese Fragen, die gerade für unseren Leserkreis von besonderem Interesse sind, hat nun die in Hamburg erscheinende „Neue Politik“ in ihrer Sonderfolge 3/1957 mit einer Reihe von glänzenden Beiträgen und Darstellungen zur Diskussion gestellt. Darunter befindet sich ein Aufsatz von Hermann Rauschning, des ehemaligen Danziger Senatspräsidenten, unter dem Titel „Preußen als Idee und Ethos“, der u. E. zum Besten gehört, was in den letzten Jahren über Preußen geschrieben worden ist. Wir geben diese Ausführungen für unsere Leser in etwas gekürzter Form hier wieder. Die Redaktion.

 

Seite 1   Preußen als Idee und Ethos. Berufener Vermittler zwischen West und Ost.

Preußen ist nicht nur ein Staat. Preußen ist eine Idee. Wenn man von Preußen als Idee und Ethos sprechen will, darf man nicht mit Geschehnissen und Ereignissen einer Spätzeit, wie es das 19. Jahrhundert war, beginnen. Man muss zu dem Ursprung zurückgehen. Preußens nährende Wurzel ruht im Mutterboden des Hochmittelalters. Als späte Blüte der großen mittelalterlichen Vision einer allumfassenden Menschen- und Gottesordnung ist Preußen entstanden. Es ist eine bewusst geplante und beschlossene Staatsgründung. Es ist eine Schöpfung aus rauer Wurzel, aus dem Nichts. Preußen entstand nicht in einem langsamen pragmatischen geschichtlichen Vorgang, nicht in dem vegetativen Wachstum eines allmählich zum geschichtlichen Bewusstsein erwachenden Stammes oder Volkes. Preußen ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika eine bewusste Schöpfung, rational geplant, weitschauend entwickelt und kraftvoll verwirklicht Das ist das erste grundlegende Charakteristikum, das Preußen als Gemeinwesen von den meisten anderen unterscheidet und viele seiner Wesenszüge unauslöschbar geprägt hat.

 

Ordenspreußen

Das Gemeinwesen des Deutschritterordens in Preußen war eine Gründung zum Schutz der Christenheit gegen die andrängenden Mächte des Heidentums, gegen eine Welt ungestalter irrationaler Kräfte. Es sollte eine Schutzwehr für das Abendland, ein Bollwerk der Kirche und des Rechtes sein. Es sollte zugleich die Mächte des Chaos bändigen und die Sphäre der Ordnung erweitern. Preußen entstand mit einem bestimmten „Auftrag". Es hatte eine Berufung; es hatte von seinem ersten Tage an einen Auftrag zugewiesen bekommen, der über sein eigenes Dasein, über seine Selbsterhaltung weit hinausreichte. Mehr als ein halbes Jahrtausend, bevor man an einen „Beruf" Preußens für Deutschland denken konnte, hatte Preußen einen Beruf für Christenheit, Kirche und Reich.

 

Die „Pilgerväter" dieses neu entstandenen Gemeinwesens kamen wohl, wie vierhundert Jahre später die des amerikanischen Gemeinwesens, auch aus Abenteuerlust, aus Freiheitsbedürfnis, aus wirtschaftlichem Erfolgsstreben; sie kamen gewiss in der Hoffnung eines neuen Lebens, einer besseren Ordnung, im Wunsch, eine „Alte Welt" hinter sich zu lassen und eine „Neue" zu gründen. Aber sie kamen zugleich in dem Gefühl einer persönlichen christlichen Aufgabe, sie kamen als Kreuzfahrer.

 

Auch ihr persönliches Leben war durch den Auftrag des Gemeinwesens mitbestimmt. Es waren Menschen, die für sich auf persönliches Glücksstreben Verzicht geleistet hatten und eigentumslos ihrer Pflicht des Dienstes an den Armen und Kranken und an der Ausbreitung des Reiches Gottes in der Welt lebten. Hier führte eine Elite, die weniger ein Adel besonderen Blutes als, ein solcher besonderer Verpflichtung war. Die Ordnung, die sie mit ihrem Gemeinwesen schufen, wuchs um den zentralen Gedanken des Dienstes auf. Eine Ordnung, in der vor allem die regierenden Herrschen als Dienen verstanden, im vollen Bewusstsein der Evangeliumworte, wonach der Größte und Mächtigste der Diener aller sein solle. Es ist die Idee und das Ethos des Dienstes, mit der Preußen eine geschichtliche Macht wurde. Das ist das dritte grundlegende Element der preußischen Idee, mit dem sich das neue Gemeinwesen für alle Zeit von anderen unterschied.

 

Dieser Zug nach dem Osten, so ähnlich und zugleich in Motiven und Impulsen so tief verschieden von dem Drang nach dem Westen, der das große inländische Empire der Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert schuf, war kein deutscher Eroberungszug, wie es so vielfältig ausgelegt wird. Wohl veränderte der Einzug deutscher Kolonisten allmählich das volkliche Gepräge des Landes. Aber es war keine geplante Expansion Deutschlands; es war nicht die Frucht eines „deutschen Imperialismus". Preußen entstand in deutsch-slawischer Zusammenarbeit. Deutsche und polnische Fürsten halfen dem Orden gemeinsam in Grenzkriegen und in der Niederschlagung der Aufstände der preußischen Urbevölkerung. Der Orden rottete nicht die heidnischen Pruzzen aus, er verdrängte sie nicht aus ihren Siedlungen und wies ihnen nicht armselige Reservationen an. Er gab ihnen bestimmte Funktionen, Rechte wie Lasten in seiner neuen Ordnung und „besserte" später ihr preußisches Recht in „kulmisches" deutsches Recht. Das neue Gemeinwesen prägte bald allen Einwohnern, alten wie neuen, einen neuen gemeinsamen Charakter auf. Ob deutschen, ob slawischen, ob baltisch-preußischen Stammes: alle wurden Preußen in einem neuen Sinn. Sie gewannen gemeinsame Züge; sie wurden ein härteres, ein nüchterneres und disziplinierteres Geschlecht als ihre Stammesgenossen außerhalb Preußens.

 

Ordenspreußen war ein Glied des Reiches unter dem Kaiser und zugleich ein Teil des Kirchenstaates unter dem Papst. Es verkörperte so in seiner Existenz eine Einheit, die in dem großen Konflikt zwischen Papst und Kaiser tatsächlich nicht mehr bestand. Ordenspreußen ging unter, als Einheit und Universalität der mittelalterlichen Ordnung völlig zerbrachen.

 

Das zweite Preußen

Was groß und klar im Ordensstaat als das „Gesetz Preußens", mit dem es in der Stunde der Geburt „antrat", aufgeklungen war, prägte sich zum zweiten Mal in der Staatsschöpfung der Hohenzollern, in Brandenburg-Preußen, aus. Mag es dem Historiker fraglich sein, ob und wie das Erbe des ersten Preußen an das zweite weitergereicht wurde. Wesen und Ethos beider Preußen sind unfraglich aufs tiefste verwandt, und in vielen Zügen identisch.

 

Idee und Ethos des Dienstes sind Rhum und Größe auch des Hohenzollernpreußen. Gewiss gehört auch das, was meist als das Preußen Auszeichnende genannt wird, zum Wesen Preußens, nämlich Staat zu sein, Staat schlechthin, ein Rechtsstaat. Aber das Recht in den Mittelpunkt des Gemeinwesens zu stellen, ist auch das Vorhaben anderer nationaler Staaten, mit seinem Prinzip und Ethos des Dienstes jedoch steht das Hohenzollernpreußen in der Geschichte allein.

 

In dem neuen Preußen erscheint dies Prinzip als persönlicher Dienst für den Monarchen und als ein dynastisches Gefolgsverhältnis. Aber diese Einkleidung kann nicht verbergen, dass dieser Dienst einem selbst Dienenden gilt. Das ist es, was der Domprobst bei der Krönung des ersten preußischen Königs in Königsberg hervorhob, als er sagte, dass die Monarchen für die Untertanen da wären, nicht umgekehrt; oder wenn Friedrich Wilhelm I. sich Gottes schlichten Amtmann nennt, Friedrich der Große sich als den ersten Diener des Staates bezeichnet und noch Bismarck sich einen treuen Diener nennen zu dürfen als das sein Leben Auszeichnende hervorhebt.

 

Der preußische Dienstbegriff hat nur mit einem feudalistischen oder rein dynastischen Treu- und Dienstverhältnis zu tun. Er ist nicht Überbleibsel einer versinkenden Zeit, sondern Prägung einer eigenständigen Ordnung. Der Begriff des Dienstes umfasst alle, vom Monarchen bis zum geringsten „Untertan". Er begreift den Staat, das Gemeinwesen mit ein. Der Staat ist nicht Selbstzweck; er ist nicht ein Instrument der Herrschaft, sondern selbst Inbegriff des Dienstes. Staat und Monarch unterstehen Gott und seinem Gericht; sie sind Diener und Organ in der Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes.

 

Das zweite Preußen ist eine Volksordnung um des Volkes willen, in der jedoch weder der Volkswille souverän und die Quelle der Autorität ist noch der Monarch. Der König ist nicht durch den Willen des Volkes legitimiert. Er ist eine eigenständige Ordnungsmacht. Der König ist aber auch nicht Herrscher kraft eigener Machtvollkommenheit und aus autonomem Recht, sondern durch Gottes Gnade, daher aber auch Gottes ständigem Gericht unterstellt. Das so tief missverstandene Gottesgnadentum, das Preußens Könige nicht aufzugeben bereit waren, ist eine tiefere Begrenzung der monarchistischen Macht als die der konstitutionellen Monarchie durch das souveräne Volk. Gottes Gebot ist das Fundament der Ordnung und die Richtschnur des Königs.

 

Das preußische Ethos erwuchs aus einem pessimistischen Grundgefühl, dem biblischen Realismus. Mit seiner harten und realistischen Erkenntnis des Menschen steht Preußen im schärfsten Gegensatz zu dem Optimismus des Aufklärungszeitalters. Aber es hält zugleich an Würde und Wert der Einzelperson fest. Die preußische Idee des Dienstes setzt Freiheit des Gewissens voraus, sie ist auf der sittlichen Freiheit der Person begründet. Preußens Ordnung ist daher eine freie Dienstordnung, nicht ein zwangsdiszipliniertes Kollektiv; es ist eine personalistische Ordnung. Preußens Landrecht, das bis 1900 in Kraft blieb, hatte geraume Zeit vor der Französischen Revolution allgemeine Rechte des Menschen anerkannt, die sich auf die natürliche Freiheit und das persönliche Wohl gründeten und ohne Kränkung der Rechte anderer befördert werden konnten.

 

Gibt es ein drittes Preußen?

Brandenburg-Preußen, das zweite Preußen, erlag bei Jena und Auerstädt den Impulsen und Kräften der großen abendländischen Revolution, die von Frankreich ausging. Kann man von einem dritten Preußen sprechen? Was im 19. und 20. Jahrhundert Preußen war und zum Rückgrat des neuen deutschen Reiches wurde, war ein solches drittes Preußen jedenfalls nicht. Es war auch nicht die Wiederherstellung und Erfüllung des zweiten Preußen. Trotz äußerer Siege und machtpolitischer Triumphe, die Preußen zu dem Rang einer europäischen Großmacht erhoben, war das 19. Jahrhundert eine Zeit innerer Widersprüche und lähmender Unsicherheit. Was sich im Kampf gegen Napoleon in den Befreiungskriegen, in den innerpolitischen Kämpfen um eine repräsentative Regierungsform, in den nationalen Bestrebungen um eine deutsche Einheit als neue Elemente im preußischen Leben abhob, zeigte wohl fruchtbare Ansätze. Stein/Hardenbergs Wiederbelebung der Selbstverwaltung; die Idee des freiwilligen Zusammenschlusses von Staaten in der fruchtbaren Arbeit des preußischen Zollvereins; der Genossenschaftsgedanke, die soziale Gesetzgebung,

mit der Deutschland-Preußen der übrigen Welt um mehr als ein halbes Jahrhundert voraufging; die Verstaatlichung von Monopolbetrieben wie der Eisenbahn. Aber das blieb Einzelheit; es war Beseitigung alter Formen, ohne das schöpferische Zentrum eines neuen Ganzen. Es war nicht aus der Vorstellung eines Ganzen gewonnen, so wie das erste Preußen als ein klares rundes Ganzes aus den Elementen des Mittelalters geschaffen an das Licht trat.

 

Preußen und ein bürgerliches Zeitalter schließen einander aus. Preußen und der Liberalismus des 19./20. Jahrhunderts sind unüberbrückbare Gegensätze. Ein liberales Preußen ist eine contradictio in adjectu. Preußen als Dienstgesellschaft ist die der freien Erwerbsgesellschaft des Westens polar entgegengesetzte Ordnung. Eine Liberalisierung Preußens ist eine Korrumpierung Preußens; sie müsste, wenn sie gelänge, Preußens Rückgrat brechen. Das haben zu allen Zeiten wirkliche Preußen verstanden. Preußen ist eine Ordnung sui generis, die, wie jede Ordnung, nur mit  systemeigenen" Ordnungselementen und aus eigenem Ethos leben kann, nicht mit aufoktroyierten artfremden.

 

Der Kampf Preußens gegen den „Zeitgeist" des 19. und 20. Jahrhunderts kann von den Soziallehren aus, die bis in die Gegenwart die Gedanken der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik beherrschen, nicht gewürdigt werden. Alle geltenden Maßstäbe und Ziele des 19. Jahrhunderts laufen dem Ethos der preußischen Idee strikt zuwider. Ein kommerzialisiertes, individualisiertes Preußen ist kein Preußen. Preußen kann nicht in einem utilitaristischen und materialistischen Klima gedeihen. Preußen und die moderne Massendemokratie mit der charismatischen Führerpersönlichkeit sind unvereinbare Gegensätze. Preußen ist nie bürgerlich und kapitalistisch gewesen, aber es kann ebenso wenig im doktrinären Sinn sozialistisch und antikapitalistisch sein. Preußen steht jenseits dieser Begriffe des 19. Jahrhunderts; nicht weil es vorkapitalistisch und feudal ist, sondern weil sie nicht das Wesentliche seiner Ordnungsimpulse und Kräfte berühren.

 

Zwischen Liberalismus und Kollektivismus einen eigenen historischen Auftrag vertretend, ist die preußische Idee des Dienstes vielmehr berufen, das Element der Korrektur und einer Synthese der beiden heute um ausschließliche Geltung ringenden Ordnungen des Westens und Ostens zu werden. Im Begriff des Dienstes, wie er von Preußen geprägt wurde, liegt wie in keiner anderen politischen und sozialen Idee die Möglichkeit des Spannungsausgleiches zwischen Freiheit und Gleichheit, zwischen Person und Gemeinschaft. Aber dies ist eine Aufgabe, die erst in den Zusammenbrüchen unserer Zeit sichtbar wurde.

 

Das „andere" Preußen

Von einem künftigen Preußen soll hier nicht gesprochen werden. Aber über ein anderes Preußen ist es notwendig, noch ein paar Worte zu sagen. Es ist das Preußen, das sein eigener Schatten und das ständige Ärgernis in den Augen der Nichtpreußen waren.

 

Niemand, auch der leidenschaftlichste Preuße nicht, wird bestreiten, dass es dieses „ändert Preußen" gab, das Preußen des Kasernenhofes, der alles bestimmenden Obrigkeit, des Polizeiwachtmeisters, des beschränkten Untertanenverstandes, das Preußen der Klassenunterschiede und der Rangordnungen, das Preußen eines Kadavergehorsams und der Rückgratlosigkeit, das Land des preußischen Leutnants und der Regierungsassessoren.

 

Welches ist das „wirkliche" Preußen? Diesel oder das Preußen der Idee des Dienstes?

 

Persönliches Schicksal und Charakter entscheiden, ob man das Positive und Fruchtbare als das Wesentliche sehen will, oder das Negative, das „Gemeine", das allem Menschlichem anhaftet, das alle „bändigt". Sub specie aeternitatis ist beides wirksam, das Gewollte und Erstrebte wie das in der Gebrechlichkeit unseres Daseins Missglückte und Gerichtete. Wie es in dem „Land der Freien" Züge größter Unfreiheit und rassischer Diffamierung und viele andere dunkle neben hellen und fruchtbaren Seiten gibt; wie es in dem Herrschaftsbereich jener Nation, die so lange die „Bürde des weißen Mannes" in der Welt getragen hat, andere Rassen und Völker gibt, die damit sehr viel schwerere Bürden aufgelastet bekamen, so ist auch Preußen (nach Conrad Ferdinand Meyers schönem Wort in Ulrich von Hutten) „kein ausgeklügelt Buch". Es ist wie jeder Mensch, ein Land „mit seinem Widerspruch".

 

Wie es immer fruchtbarer ist, das Positive einer Sache zu sehen als das Negative, so ist es für uns s, die wir die sinnlose, willkürliche Beseitigung Preußens erlebten, eine Tat der Selbsterhaltung und der Wiedergesundung, uns an das Große und Bleibende Preußens zu halten, an den „Dauerkern" in dem Flüchtigen der Geschichte, und auf eine Wiedergeburt in dem Glauben an die Berufung Preußens zu hoffen, dem am Ende des zweiten Preußens Suevenn in Königsberg 1807 den beredten Ausdruck verlieh: „Ich für mein Teil scheue mich nicht zu bekennen, dass ich der großen Hoffnung lebe, weder Deutschland noch Preußen habe seine Bestimmung in der Geschichte schon vollkommen erfüllt", und dass Deutschland, durch Preußen gekräftigt, berufen sein werde, „das wahre Vermittlungsland in Europa“ zu sein.

 

Aber Idee und Ethos Preußens könnten noch eine andere, höhere Bestimmung haben. Nachdem der Gedanke der europäischen Einigung in so unfruchtbarer Weise als politisches Aushilfsmittel statt als konstituierendes Element eines großen Gemeinwesens missbraucht und abgenutzt wurde, mag es geschehen, dass die in Preußen zweimal Gestalt gewonnene Idee des Dienstes eine Berufung in der Einigung des Raumes hat, in dem sie einst entstand, im Raum zwischen Westen und Osten. Hermann Rauschning.

 

Seite 2   Vertrauen in die Zukunft! Von Richard Kinat, MdB.

Das zu Ende gegangene Jahr 1956 hat im Hinblick auf unsere heimatlichen Belange leider nicht das gebracht, was man als einen Fortschritt bezeichnen kann. Bei der Frage der Wiedervereinigung mit dem sowjetisch besetzten Mitteldeutschland hat die in Frage kommende Diplomatie geschwiegen, weil die Blockpolitik in der Welt eine friedliche und gerechte Lösung weltpolitischer Probleme so sehr erschwert. Die von allen guten Deutschen als so notwendig angesehene Wiederherstellung der Einheit Deutschlands hat weltpolitisches Gewicht. Die Unfähigkeit der Blockdiplomatie, wenigstens auf diesem Gebiete einen Beitrag zur Befriedigung der Welt beizusteuern, nahmen Berufene und Unberufene aus dem In- und Ausland zum Anlass, den deutschen Heimatvertriebenen plausibel zu machen, wie schwierig es ist, den Rechtsanspruch auf die angestammte Heimat aufrechtzuerhalten und zu verfechten.

 

Es waren zwar nur einzelne Stimmen, denen Millionen von Stimmen zurückweisend antworteten und damit bewiesen, wie stark in der Masse des Volkes der Heimatgedanke verwurzelt ist. Wenn die deutsche Nation durch einen unbeugsamen Willen aller Welt deutlich macht, dass sie auf ihren rechtmäßigen Lebensraum nie freiwillig Verzicht leisten wird, dann kann das Vertrauen in die Zukunft nur wachsen. Wie berechtigt dieses Vertrauen ist, beweist die Regelung des Saarproblems. Auch hier imperialistische Tendenzen beim Besitzergreifer, die dann doch, alle sonstigen Lösungsversuche verwerfend, durch den überwältigenden Willen der Deutschen an der Saar nicht zum Zuge kamen. Es gab für unsere deutschen Landsleute nur eins: „Zurück zum Deutschen Vaterland!“

 

Was Einmütigkeit in nationalen Fragen wert ist, haben uns die nationalen Bewegungen in Polen und Ungarn bewiesen. Das bolschewistische Regime, das den Begriff Nation und Menschlichkeit verleugnet, hat doch einlenken müssen, weil seine Panzer wohl den physischen, nicht aber den psychischen Widerstand der entrechteten und geknechteten Menschen niederwalzen konnten. Damit hat auch eine Tyrannenmacht gespürt, dass ihre Bäume nicht in den Himmel wachsen. Mit brutaler Gewalt lassen sich auch andere recht- und freiheitliebenden Völker nicht auf die Dauer unterdrücken. Das zeigt sich im ganzen des Orients und von Nordafrika. Alle friedliebenden Menschen werden dem Präsidenten Eisenhower danken, dass er Mächte wie England und Frankreich zurückpfiff, die sich nur schwer von ihrer Kolonialherrschaft trennen können. Damit muss und wird einmal Schluss gemacht werden müssen, weil jedes Volk seine Unabhängigkeit, sein Selbstbestimmungsrecht und seine Freiheit liebt.

 

Wenn Präsident Eisenhower aus den politischen Erfahrungen, die er im Nahen Osten gemacht hat, nunmehr mit Dollars und Atom bolschewistischen Expansionsgelüsten entgegentreten will, dann kann man nur wünschen, dass er sich immer auf den weisen Solomon besinnt, bevor er handelt.

 

Die „Vereinten Nationen“ sind noch zu sehr eine divergierende Völkerfamilie, und Demokratie wird in diesem Kreise oft falsch ausgelegt. Trotzdem sind erfreuliche Ansätze zu verspüren, dass man dem Weltfrieden und der Gerechtigkeit dienen will. Das stärkt auch bei uns Deutschen das Vertrauen in die Zukunft. Es ist daher an der Zeit, alle Völker, die guten Willens sind, in die Vereinten Nationen aufzunehmen. Nicht als geteiltes, sondern als geschlossenes Volk gebührt auch uns Deutschen der Platz in dieser Organisation: denn es gibt von Rechtswegen nur ein Deutschland. Nur ein Unrecht lässt uns den heutigen Zustand leidend erleben. Wenn alle Völker an einem Tisch sitzend, weltpolitische Probleme diskutieren, dann muss eine sinnvolle Demokratie Entscheidungen treffen, denen sich auch bolschewistische und faschistische Regime beugen können. Passt diesen Regimen eine solche Art von Demokratie nicht, dann haben sie in einer demokratischen Völkerfamilie nichts zu suchen.

 

Seite 2   Gesamtberliner Sinnbild

Berlin. Der Westberliner Senat hat jetzt die 250 000 DM bewilligt, die für die Wiederherstellung der Quadriga auf dem Brandenburger Tor erforderlich sind. Mit den Arbeiten soll unverzüglich begonnen werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Brandenburger Tor zwar im Ostsektor liege, aber als künstlerisch und historisch besonders bedeutendes Bauwerk ein Sinnbild sei, das allen Berlinern gehöre.

 

Seite 2   Gewaltlösungen bringen uns den Zielen nicht näher. Bundestagsabgeordneter Dr. Mende vor den Ostpreußen in Hagen. Leitwort „Ostpreußen helfen Ungarn“

Hagen. Es dürfte verhältnismäßig selten geschehen, dass der stellvertretende Vorsitzende einer großen Partei der Bundesrepublik sich nicht nur die Zeit nimmt, sondern die Erkenntnis der Notwendigkeit besitzt, auch auf einer lokalen Vertriebenenveranstaltung zu sprechen, und zwar nicht nur Grußworte, sondern im Rahmen eines umfassenden Überblickes über die gesamte internationale und deutsche Lage. Bei den Massenkundgebungen drängen sich die Minister und Parteiführer geradezu, und keineswegs aus uneigennützigen Antrieben.

 

Bundestagsabgeordneter Dr. Erich Mende, inzwischen auf dem Bundesparteitage der FDP in Westberlin als stellvertretender Parteivorsitzender wiedergewählt, erschien nur wenige Tage vor dem Parteitag bei den Mitgliedern und Freunden der Kreisgruppe Hagen (Westf.) der Landsmannschaft Ostpreußen, um sich an sie als Schicksalsgefährte aus Oberschlesien und einer der wenigen wirklich gesamtdeutschen, dabei noch jungen Politiker der Bundesrepublik zu wenden. Ruhig, sachlich, in jeder Formulierung vernünftig, ohne billige Schlagworte, ohne leichtfertige Schönfärberei und doch getragen von festem Glauben und Willen war das, was Dr. Mende sagte. „Ostpreußen helfen Ungarn!“ - hieß das Leitwort, das über den Abend gestellt war. Im Geiste und in der Tat wollten die in Hagen lebenden Ostpreußen ihre Verbundenheit mit jenen Ungarn bekunden, die 12 Jahre nach der Vertreibung der Ostdeutschen ebenfalls das Schicksal der Heimat- und Besitzlosigkeit durchzustehen haben und bei den deutschen Heimatvertriebenen das größte Verständnis und die größte Hilfe erwarten dürfen.

 

Ausgehend von dieser Verbundenheit behandelte Dr. Mende die Kernprobleme der deutschen Gegenwart im Allgemeinen und der Vertriebenen im Besonderen. Die Ereignisse in Ungarn und Polen, sagte er, hätten die Hoffnung geweckt, dass die Sowjets unter gewissen Bedingungen bereit sind, ihre Hand von Osteuropa zu nehmen, und zwar auf der Ebene internationaler Verträge und gegen Leistung eines Preises, den der Westen mit ihnen auszuhandeln habe. Auf keinen Fall würden uns Gewaltlösungen den Zielen der Wiedervereinigung näher bringen. Politische Konflikte seien heute überhaupt nicht mehr durch Waffen und durch Kriege zu entscheiden (Dr. Mende sprach dies als Offizier und Träger hoher Tapferkeitsauszeichnungen des zweiten Weltkrieges. Red. „Ostpreußen-Warte"). Wer glaube, dass die USA, Ungarns oder Deutschlands wegen das Risiko des Atomkrieges eingingen, der irre.

 

Nüchtern stellte Dr. Mende fest, dass in der deutschen Frage in den zurückliegenden 11 Jahren keine Fortschritte erzielt worden sind. Die beiden Teilstaaten lebten sich ständig weiter auseinander, und die Deutschen zeigten sich russischer und amerikanischer, als die Russen und Amerikaner es selbst sind. Uns fehle das verbindende, echte Nationalgefühl. Er hoffe, dass durch Sport, Funk und Reisen neue Brücken über die Zonengrenze geschlagen werden. Für die Wiedervereinigung seien wir bereit, große Opfer, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, zu bringen, nicht aber das des Verzichtes auf die Freiheit und der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie. Wer die Oder-Neiße-Linie bejahe, verstoße auch gegen den Inhalt der Potsdamer Verträge, durch die Ostdeutschland nur unter vorläufige polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt worden sei.

 

Klar betonte Dr. Mende, dass die Deutschen gegenüber den Siegermächten einen Rechtsanspruch auf die Wiederherstellung der staatlichen und nationalen Einheit haben. Die Einheit würde aber nicht als bloßes Geschenk der Siegermächte, sondern letztlich nur als Ergebnis einer umfassenden Bewegung der Wiedervereinigung in beiden deutschen Teilstaaten kommen. Das „Wirtschaftswunder" habe den Blick für die höheren Werte getrübt. Dem „Wirtschaftswunder" sei kein soziales und geistiges gefolgt und der Besitz eines Mercedes 300 noch lange kein Beweis für die Zugehörigkeit der Insassen zur politischen Elite.

 

Mit seinen äußerst nüchternen Darlegungen, die dennoch der inneren Wärme nicht entbehrten, fand Dr. Mende große Aufmerksamkeit und dankbaren Beifall der Hagener Landsleute. Den zweiten Teil des Abends gestaltete dann durch mundartliche und andere heimatliche Darbietungen des frühere Intendant des Reichssenders Königsberg, Dr. Alfred Lau. Auch ihm galt die herzliche Anteilnahme der Zuhörer, unter denen Dr. Mende noch verweilte. Darbietungen des Chores der Landsmannschaft und einer Kapelle erklangen zwischen den Vorträgen.

 

Seite 2   Gauleiter Koch soll vor Gericht

Warschau. Ende Januar 1957 sollte vor dem Warschauer Wojewodschaftsgericht der Prozess gegen den ehemaligen Gauleiter von Ostpreußen, Erich Koch, aufgenommen werden. Der Termin musste jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben werden; Koch ist im Warschauer Mokatow-Gefängnis untergebracht und soll an Magenkrebs leiden. Sein Verteidiger Novakowski teilte mit, Koch sei so schwach, dass er den Prozess unmöglich durchhalten könne.

 

Die Beweisaufnahme gegen Koch sei bereits im Jahre 1952 beendet gewesen.

 

Die Anklageschrift macht Koch für die Ermordung von über 72 000 Polen — darunter 10 000 Kindern — und über 200 000 Juden verantwortlich.

 

Koch sollte ursprünglich schon in Nürnberg vor den alliierten Gerichtshof gestellt werden. Er wurde erst 1949 von den britischen Behörden in Hamburg verhaftet Auf Grund eines Sonderabkommens wurde er 1950 zur Aburteilung an Polen ausgeliefert. Seit dieser Zeit hatte man nichts mehr von ihm gehört.

 

Für den Prozess gegen Koch sind neun Tage vorgesehen. Es sind rund 100 Zeugen geladen. Die Anklageschrift wirft Koch vor, nach dem deutschen Überfall auf Polen die verschiedensten Methoden der Ausrottung der nichtdeutschen Nationalitäten organisiert zu haben. Polen und Juden sind unter haltlosen Vorwänden zum Tode verurteilt worden. Durch Sippenhaftung führten derartige Todesstrafen zu Massenmorden. Koch trage die Verantwortung dafür, dass im Juli 1943 im Gebiet von Bialystok 1800 Angehörige der Intelligenz verhaftet und ermordet wurden. Auf das Schuldkonto Kochs komme auch die Ermordung des 83-jährigen Erzbischofs von Plock, Nowowiejski, und des ehemaligen polnischen Konsuls in Allenstein, Jalowieki, der am Tage des Kriegsbeginns entgegen den völkerrechtlichen Grundsätzen verhaftet wurde.

 

Seite 2   Pressespiegel

Europa hat noch eine Zukunft.

„Europa hat noch eine Zukunft. Es kann eine Wiedergeburt erleben und sich auch wieder in die große Weltpolitik einschalten, wenn es endlich den leeren Worten von Integration und supranationalen Behörden entsagt und stattdessen aus dem Bewusstsein der jungen Gemeinschaft wirklich gemeinsame Politik betreibt. Die bisherige Geschichte der europäischen Völker ist eine Leidensgeschichte gewesen. Es wird Zeit, dass wir den unreinen Willen unter uns ausmerzen, der listig vorgibt, der Völkergemeinschaft zu dienen, und insgeheim danach strebt, sie mit seiner Machtentfaltung zu zerstören. Stein, Stahl und Beton werden von der Zeit angenagt; über diesem natürlichen Tod aber stehen die Völker, wenn sie sich untereinander geboren fühlen können“.

Hannoversche Allgemeine.

 

Eine Möglichkeit der Wiedervereinigung

„Die Wiedervereinigung Deutschlands wird unausbleiblich auf die eine oder andere Art erfolgen. Sie darf aber nicht zugunsten Ost- oder Westdeutschlands erfolgen. Weder Russland, noch die Vereinigten Staaten wollen eine Wiedervereinigung, die dem anderen die enorme Macht eines vereinigten Deutschlands zuführt. Es gibt aber eine Verständigungsmöglichkeit, wenn diese beiden Mächte sich auf die Neutralität Deutschlands und damit auf seine Entwaffnung einigen. Diese Idee ist einfach und logisch“. Le Monde, Paris

 

Wiedervereinigung in „Freiheit"

„Die Bundesregierung hat bis zur Stunde an hergebrachten Auffassungen festgehalten: Wiedervereinigung in „Freiheit“. Es bedeutet, dass die Bundesregierung nach wie vor gegen die Neutralisierung eingestellt ist und an die ‘Bündnisfreiheit' für den gesamtdeutschen Staat‘ festhält, an dem Recht nämlich, sich nach freiem Ermessen einem Bündnissystem anzuschließen. Nun ist es freilich so, dass die Bundesregierung gegenüber dem eigenen Volk in eine Isolation geraten würde, wenn sie an den alten Prinzipien auch für den Fall des Zustandekommens eines neutralen Gürtels festhalten wollte. In diesem Falle wäre es so gut wie sicher, dass die Volksmehrheit sich für die Neutralisierung als Preis für die Wiedervereinigung aussprechen würde. Man würde den Preis nicht einmal als ein Opfer, sondern ganz im Gegenteil als einen Gewinn bewerten“. Der Bund, Bern.

 

Verfälschungen der Tatsachen

„Schon versucht man allenthalben, den .Erfolg des 1. Januar 1957 als ein Ergebnis der gradlinigen und erfolgreichen Politik des Bundeskanzlers hinzustellen. So sehr ein solches Bemühen im Hinblick auf die kommenden Bundestagswahlen auch verständlich sein mag, so gefährlich muss aber diese unzutreffende Darstellung jüngsten historischen Geschehens sein. Einmal muss das eine direkte Verfälschung der wahren Gegebenheiten und Tatsachen bedeuten, die von weitesten Kreisen der deutschen Bevölkerung doch nicht geglaubt werden, zum andern vernebelt man damit das klare politische Denken und verhindert die wichtigste Aufgabe der Politiker: Aus dem Ablauf derartig wichtiger Vorgänge unseres Volkes wie dem Kampf um die Saar und ihrem Weg zurück ins deutsche Vaterland die richtigen Schlüsse und politischen Lehren zu ziehen“. Deutsche Saar, Saarbrücken

 

Eine alte Wahrheit

„Der Wegweiser aber wäre die Erkenntnis, dass die Wiedervereinigung und die Zugehörigkeit Gesamtdeutschlands zum atlantischen Bündnis einander ausschließen. Darin enthüllt sich eine so platte Wahrheit, dass die Feder sich fast sträubt, sie niederzuschreiben: dass man einen Kuchen nicht gleichzeitig essen und aufbewahren kann. Sie gehört zu den ältesten und abgebrauchtesten Wahrheiten des alltäglichen Lebens und des politischen Handelns, und doch verstoßen wir alle immer wieder gegen sie“. Die Welt, Hamburg.

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Mit großer Mehrheit verabschiedet der Bundestag die langerwartete Rentenreform, die unter anderem die Erhöhung von über sechs Millionen Renten rückwirkend ab 1. Januar um durchschnittlich 60 Prozent vorsieht. Die laufenden Renten müssen durch ein Gesetz den Löhnen und Gehältern angepasst werden. Am 8. Februar wird sich der Bundesrat damit befassen.

 

Die Brüsseler Außenministerkonferenz der sechs Montanunionländer hat über den Gemeinsamen Markt und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) kein Ergebnis erzielen können. Vor allem die Frage, wie die Überseegebiete der Mitgliedsländer einbezogen werden können, konnte nicht gelöst werden. Eine weitere Konferenz ist für den 4. Februar anberaumt.

 

Generalstreik, Attentate und Bombenangriffe der algerischen Nationalisten kurz vor der Algeriendebatte der Vereinten Nationen haben bereits mehrere hundert Todesopfer gefordert. Der Streik wird zu 40 bis 50 Prozent auch von den in Frankreich lebenden Algeriern durchgeführt.

 

Der bisherige .Schatzkanzler Harold Macmillan wurde zum Nachfolger des zurückgetretenen Premierministers Anthony Eden ernannt. Eden legte auch sein Unterhausmandat nieder. Macmillan bestätigte, dass Rüstungsausgaben und Mannschaften wesentlich vermindert und der amerikanischen atomaren Umrüstung angepasst werden sollen.

 

Drei saarländische Vertreter zogen In den Bundesrat ein, der somit über 44 Stimmen verfügt.

 

Das seit 1945 geteilte Korea kann noch nicht mit der Wiedervereinigung rechnen, da die Tagung der Vereinten Nationen, die diesen Programmpunkt erörterte, keinen Weg dazu fand.

 

Vor dem Außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses erklärte Außenminister Dulles, die Regierung wolle im Nahen Osten amerikanische Streitkräfte gegen Angriffe organisierter Freiwilliger aus der Sowjetunion oder aus China einsetzen.

 

Mit verschärften Polizeikontrollen und unter Androhung neuer drastischer Maßnahmen gegen die noch immer schwelende Widerstandsbewegung in Ungarn versuchte die Regierung Kadar, die Bevölkerung einzuschüchtern. Gegen die Entlassung von 11 000 Arbeitern protestierten Tausende von Ungarn in Schweigemärschen. Im ganzen Lande kam es wieder zu blutigen Gefechten zwischen Partisanen und Miliz. Der ungarische Journalisten- und der Schriftstellerverband, die führend am Aufstand im Oktober 1958 beteiligt waren, wurden aufgelöst, zwei Führer des Aufstandes wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Der kommunistische Parteichef Polens, Gomulka, wurde mit überwältigender Mehrheit durch die seit langer Zeit erste Wahl in Polen in seinem Kurs bestätigt. Die Wahlbeteiligung war sehr groß; die Wahl selbst verlief ohne Zwischenfälle.

 

Die Musterungen in der Bundesrepublik haben für die 100 000 Wehrpflichtigen des dritten Quartals des Jahrgangs 1937 begonnen. Die ersten 10 000 von ihnen sollen zum 1. April einberufen werden.

 

Die erste Atomreaktor-Station, deren Bau etwa viereinhalb Millionen DM kosten wird, erlebte bei München ihr Richtfest. Das Bundesverfassungsgericht entschied gegen die Anträge von SPD, DP und BHE, dass die 5 Prozent-Sperrklausen im neuen Bundeswahlgesetz nicht zu beanstanden sei. Demnach erhalten nach der Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres nur die Parteien Mandate von den Parteilisten, die mindestens fünf Prozent aller Stimmen im Bundesgebiet auf sich vereinen oder drei Direktmandate erringen.

 

Der chinesische Ministerpräsident Tschu En-lai unterbrach seine Moskaureise zu einem Besuch in Polen und Ungarn. Von Moskau aus flog er nach Afghanistan weiter. In einem gemeinsam mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin unterzeichneten Kommunique heißt es, dass „die Länder des Nahen und Mittleren Ostens gegen jede Aggression und Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten" durch die Eisenhower-Doktrin geschützt würden.

 

Tschu En-lai und polnische Staatsmänner erklärten gemeinsam zum Abschluss der Warschauer Gespräche, China garantiere praktisch die Oder-Neiße-Linie und Polen unterstütze die Regierung Kadar in Ungarn.

 

Nach Unterzeichnung des neuen Tarifvertrages, wobei sowohl die Arbeitgeber als auch die Metallarbeiter Zugeständnisse machen mussten, ist es möglich, dass der bisher längste Nachkriegsstreik in Schleswig-Holstein zum 1. Februar sein Ende findet. Die Zustimmung der Mitglieder beider Parteien ist erforderlich.

 

Zu einer Viererkonferenz in Kairo trafen König Saud von Saudiarabien, König Hussein von Jordanien und die Regierungschefs von Syrien und Ägypten zusammen. Sie unterzeichneten ein Abkommen, nach dem Jordanien 150 Millionen DM von den drei anderen Staaten erhält.

 

Die vier islamischen Mitglieder des Bagdadpaktes, die Türkei, Pakistan, Iran und der Irak, haben in Ankara die Probleme des Nahen Ostens beraten. Wegen der Weigerung des Irak, angesichts der Ereignisse in Ägypten mit britischen Vertretern zusammen zu verhandeln, wurde Großbritannien nicht eingeladen.

 

Gegen die Truppen der Zentralregierung brach in Marokko ein Berberaufstand aus, an dem 2000 bis 3000 Krieger beteiligt sind. Der neue Gouverneur, Major Ben Larbi, ist dadurch an seinem Amtsantritt verhindert.

 

Verstärkte Bemühungen zur Förderung der Wissenschaft und Forschung forderten unabhängig voneinander die Bundesregierung, die SPD und die Ständige Konferenz der Kultusminister.

 

Da England und Frankreich die Räumungskosten des Suezkanals nicht tragen wollen, empfahl der frühere US-Botschafter in Bonn, der jetzige Finanzberater des UN-Ausschusses für die Suezkanalräumung, McCloy, der Bundesrepublik, sich mit einer Million Dollar an den zehn Millionen Dollar Räumungskosten zu beteiligen. Die Bundesregierung stellt diesen Betrag zur Verfügung. Die USA selbst hat fünf Millionen Dollar gezahlt.

 

Entgegen amerikanischen Erwartungen und Einwänden beschloss die neue japanische Regierung unter Ministerpräsident Ischibaschi, den Aufbau des Heeres einzustellen und den der Marine und Luftstreitkräfte zu beschränken.

 

Eine zumindest vorübergehende Einstellung aller Atom- und Wasserstoffbombenversuche forderte Schweden in der Abrüstungsdebatte des Politischen Ausschusses der UN-Vollversammlung. Auch die Adlai Stevenson (USA) wiederholte seine Forderung in derselben Richtung. Eine Registrierung aller Versuche durch die Großmächte forderten Norwegen, Kanada und Japan.

 

Zum Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa wurde Generalleutnant Dr. Speidel ernannt, der somit als erster deutscher Offizier ein hohes Kommando in der NATO übernimmt.

 

Bundeskanzler Dr. Adenauer kündigte an, dass die Bundesregierung möglicherweise in den nächsten Monaten den Plan einer entmilitarisierten oder militärisch verdünnten Zone in Europa wieder bei anderen Mächten zur Sprache bringen wird.

 

Schwierigkeiten in der Landbeschaffung hat das Bundesverteidigungsministerium bei der Verwirklichung seines Planes in den nächsten drei Jahren mehr als 50 neue Militärflugplätze,  davon 29 für die NATO-Luftstreitkräfte, zu bauen.

 

Seite 3   Foto: Die inzwischen zum stattlichen Strom angewachsene Weichsel bei der Stadt Thorn mit der im zweiten Weltkrieg hart umkämpften Thorner Weichselbrücke. Foto Löhrich

 

Seite 3   Thorn. Arme „Königin“ an der Weichsel

Thorn als die älteste Stadt an der Weichsel trug vom Mittelalter bis in die Neuzeit den Namen „Königin der Weichsel". Und auf Jahrhunderte war die Namensgebung dieser Stadt unverrückbar mit dem Deutschtum verbunden, das Thorn zu einer der großen Metropolen des Ostens machte. Fast alle der riesenhaften Bauten an Türmen, Kirchen und Mauern sind das Werk des Deutschen Ritterordens der dem schon 1233 mit den Stadt- und Bürgerrechten ausgestatteten Thorn wirtschaftlichen und geistigen Glanz verlieh. Welche Bedeutung die Stadt hatte, geht daraus hervor, dass in ihr der weltberühmte Astronom Nikolaus Kopernikus wirkte. Dieser wohl berühmteste Sohn der Stadt ist ein Symbol für die kulturelle Kraft und die Weltoffenheit des alten Thorn.

 

Das wechselvolle politische Geschick der Stadt hat bis in die Gegenwart angehalten. Obwohl Thorn immer ein Zentrum des Deutschtums in Westpreußen war, geriet sie mehrfach unter polnische Herrschaft. In diesem Jahrhundert schon zweimal: 1920 und 1945. Schon mehr als zwölf Jahre bemühen sich nun die Polen darum, Thorn zu einer typischen polnischen Provinzstadt zu machen. Was das Äußere betrifft, so ist ihnen das auch leider weitgehend gelungen. Thorn ist heute das Beispiel der von den Polen nach Kriegsende geschaffenen provinziellen Großstädte, die zwar eine große Bevölkerung haben, dennoch aber kulturell, wirtschaftlich und kommunalpolitisch auf einem niedrigen Niveau stehen.

 

Es gab seit 1945 nur eine kurze Periode, wo man größere Anstrengungen machte, um Anschluss an die alte Tradition zu finden und Thorn seine frühere Bedeutung zurückzugeben. So versuchte man die von den Deutschen aufgebaute Industrie wieder in Gang zu bringen, Siedlungsbauten fortzuführen und ein kulturelles Zentrum aufzubauen. Man zäumte das Pferd jedoch beim Schwanze auf. Anstatt die deutschen Siedlungsprojekte zu vollenden, führte man den Plan eines eigenen „Architekten-Kollektivs" aus, das den Siedlungsbau in einer Entfernung von mehreren Kilometern von der Stadt vorsah. So entstand denn unter der üblichen freiwilligen Mithilfe der Bevölkerung eine Arbeitersiedlung außerhalb der Stadt. Zu spät stellte man fest, dass niemand an die notwendigen Verkehrseinrichtungen gedacht hatte. Nicht einmal eine Straße gab es zwischen der Siedlung und der Stadt ... Nun ist man in langwieriger Arbeit dabei, nachträglich eine Straße und eine Straßenbahnlinie zu bauen.

 

Von größerem Erfolg war der Wiederaufbau und die Renovierung der zerstörten Weichselbrücken gekrönt. Heute verfügt Thorn über zwei je 1000 Meter lange Brücken über den hier sehr breiten Strom. Dagegen verzichtete man weitgehend auf den Wiederaufbau von kriegszerstörten Gebäuden. Man schuf vielmehr zu den alten bestehenden Parks neue Grünanlagen, so dass es jetzt in Thorn die wirklich für eine Stadt beachtliche Fläche von 350 Hektar Grünanlagen aller Art gibt. Gut ist es auch, dass diese Anlagen gepflegt werden und den Einwohnern zur Erholung zur Verfügung stehen.

 

Aber selbst diese erfreuliche Seite hat ihre dunklen Züge. Auch nach Übernahme der Regierung durch Gomulka blüht der Schwarzhandel und der Thorner Schwarzmarkt spielt sich vielfach in den winterlichen Parks ebenso wie am Seglertor ab. In den Grünanlagen, das ist nun Tradition, handelt man vorwiegend mit Lebensmitteln (sogar lebendem Vieh), während man am Seglertor die etwas schwierigeren Geschäfte mit Schmuckwaren, Devisen usw. abwickelt. Der städtische National- oder Volksrat hat für 1957 ein Hauptziel: den Schwarzhandel, der die Menschen von weither aus der Provinz nach Thorn kommen lässt, endlich einzudämmen. Denn die dunklen Schieberelemente, die sich unter die aus Not handelnden Menschen mischen, sind oft Kriminelle und machen der Polizei viel zu schaffen. Von den 92 000 Einwohnern in Thorn, so hat man jetzt geschätzt, versorgt sich zumindest jeder zweimal in irgendeiner Weise auf dem Schwarzmarkt. Das charakterisiert gleichermaßen den Umfang des illegalen Handelns wie die unsagbar schlechten Lebensverhältnisse. Es blieb den Polen vorbehalten, in Thoms Geschichte die Periode des Mangels und des Hungers einzuführen — früher gab es das einfach nicht.

 

Vielfältig sind die Dinge, die heute Thom ihr Gepräge geben. In den Straßen sind viele Uniformen zu sehen, da Thorn eine große polnische Garnison hat. Seit den politischen Veränderungen vom Herbst des letzten Jahres haben die polnischen Soldaten größere Bewegungsfreiheit als bisher. Das spiegelt sich vor allem in der Genehmigung zu regelmäßigem Abendurlaub, so dass die Stadt abends voller Militär ist. Gaststätten, Unterhaltungs-Einrichtungen wie Kinos und Theater usw. sind daher hoffnungslos überfüllt. Größeres Ärgernis wird nur vermieden, weil das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Militär wesentlich gebessert ist.

 

Russen dagegen sieht man nur selten in Thorn. Bisher waren sie öfters erschienen, um den Aufbau der örtlichen Industrie und den Aufbau der polnischen Truppen zu überwachen. Diese Zeit ist aber endgültig vorbei. Die Fabriken in Thorn arbeiten jetzt ausschließlich unter polnischer Leitung. Zu dem Industriekomplex gehören mehrere große Werke: die Kessel-Fabrik, das Werk für Wassermesser und Uhren, der Betrieb für technische Einrichtungen, die „Werk-Druckerei", der Betrieb für Schwimmbagger, das Kombinat für elektrische Niederspannungs-Apparaturen, die Flusswerft und einige lebensmittelverarbeitende Betriebe.

 

Zu diesem Komplex ist zu sagen, dass kürzlich in Westdeutschland von maßgebender Seite herausgegebene Berichte nicht stimmen, die nur von „einem nennenswerten Industriebetrieb" in Thorn sprechen. Wahr ist vielmehr, dass die traditionelle Industriestruktur der Stadt geändert wurde, die zu Anfang dieses Jahrhunderts auch einige Maschinenfabriken zählte, vornehmlich aber auf die Verarbeitung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse ausgerichtet war. Berühmt waren beispielsweise in ganz Deutschland die Thorner Pfefferkuchen.

 

Heute dagegen haben die Polen die rein industriellen Betriebe in den Vordergrund gestellt. Ein wichtiger Exportbetrieb wurde z. B. die Fabrik für Uhren und Wasserstandsanzeiger, die nach Bulgarien, Rumänien, nach der Türkei, nach Island, Uruguay, Ägypten und Schweden liefert. In diesem Werk arbeiten einige wenige Deutsche als Spezialisten. Wichtig ist auch der Betrieb, in dem erstmalig überhaupt in Polen Eimerketten-Schwimmbagger hergestellt wurden, die den einzelnen Wojewodschaftsämter für Meliorationen zur Verfügung gestellt werden, um Flüsse und Kanäle auszubaggern. Auch zweischarige Pflüge für Meliorationsarbeiten stehen im Fabrikationsprogramm dieses Werkes. Für den oberschlesischen Bergbau dagegen arbeitet die Thorner elektrische Fabrik, die Steuerungsschalter für Bergbaumaschinen produziert und andere für die Automation wichtige Anlagen herstellt. Fachleute aus der Sowjetzone und Deutsche aus dem nördlichen Westpreußen sind ebenfalls in dieser Fabrik zu finden. Ein neuer Industriezweig ist im Entstehen, der sich mit der Ausbeute von kürzlich gefundenen Tonvorkommen beschäftigen und zur Gründung einer keramischen Werkstätte führen soll.

 

Deutsche schrieben uns von Thorn, dass sie in der Bibliothek sogar vergeblich nach Büchern aus der Sowjetzone suchen. In Thorn ist noch immer eine deutschfeindliche Tendenz bei allen Maßgeblichen festzustellen, wogegen die Bevölkerung längst ganz anders denkt.

 

Hat sich auch im Innern der Stadt längst das Polnische durchgesetzt, so wird Thorn doch noch immer von den Zeugen des Deutschtums überragt, wie es die Türme von der Johanniskirche, von St. Marien, vom Dom und von St. Jakobi bezeugen. Dom und St. Jakobi trugen Kriegs- und Altersschäden davon, die zurzeit noch ausgebessert werden. Völlig fertiggestellt ist das Hauptschiff von St. Jakobi, während einige andere Gewölbe noch immer gegen Einsturz abgestützt sind. Trotzdem kann man sagen, dass die in der Thorner Neustadt gelegene Jakobikirche — die zu den bedeutendsten gotischen Backsteinbauten Deutschlands gehört — ihre schlimmste Zeit und die größten Gefahren seit 1945 überstanden hat. St Jakobi ist für die trotz allem Nachkriegsgeschehen unverändert gebliebene Silhouette der Stadt wie ein Symbol: seit Jahrhunderten ragt diese Silhouette in das westpreußische Land — und sie wird es auch weiterhin als Mahnung tun!

 

Seite 3   Versammlung Deutscher in Danzig.

Berlin. Nach einem Bericht der in Danzig erscheinenden polnischen Zeitung „Dziennik Baltycki" fand kürzlich in der ehemaligen Hansestadt eine große Diskussionsversammlung der deutschen Bevölkerung statt, die vom Stadtkomitee der „Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei" einberufen worden war. Nach dem polnischen Bericht nahm diese Versammlung einen „stürmischen Verlauf". Zunächst verlangten die Versammlungsteilnehmer, dass die Diskussion in deutscher Sprache geführt werden solle, was damit begründet wurde, dass die Mehrzahl der Anwesenden die polnische Sprache nicht beherrsche. Nach heftigen Erörterungen wurde vereinbart, dass je nach Belieben polnisch oder deutsch gesprochen werden könne. Daraufhin schilderten eine Reihe von Rednern die diskriminierende Behandlung, die den Deutschen — die in dem polnischen Bericht als „Autochthone" bezeichnet werden — seit 1945 zuteil geworden ist. Insbesondere wurde über die unerträglichen Verhältnisse in den Betrieben Klage geführt und hervorgehoben, dass die „bodenständigen Danziger" nur zu den am schlechtesten bezahlten Arbeiten zugelassen werden. Die „autochthone" Jugend werde weder in die Höheren Schulen aufgenommen, noch erhalte sie die Erlaubnis zum Studium an den Hochschulen. Die Lage der Alten und Kranken sei geradezu verzweifelt. Es kamen auch die Vorgänge im Austreibungslager Stutthof zur Sprache.

 

Seite 3   Häuser auf Abzahlung

Deutschen Bestarbeitern in Niederschlesien wurde jetzt wie polnischen Aktivisten der Vorschlag unterbreitet, doch Häuser auf Abzahlung zu kaufen. Es heißt, dass die Betriebe, in denen diese Arbeiter angestellt sind, den Bau organisieren sollen, während die Käufer nach Fertigstellung monatlich 150 Zloty als Tilgungssumme bezahlen sollen. Die Gesamtkosten für ein solches Kleinhaus mit zwei Zimmern und Küche (48 qm Wohnfläche) werden auf rund 50 000 Zloty beziffert.

 

Seite 3   Nachrichten aus der Heimat

Allenstein. In Allenstein wurde kürzlich eine neue Radiostation eingerichtet. Die Geräte stammen von einem kürzlich eingestellten Störsender.

 

Danzig. Im Frühjahr 1957 soll Danzig einen eigenen Fernsehsender erhalten. Ein Großteil der dafür notwendigen Arbeiten wird durch sogenannte Selbstverpflichtungen der Einwohner durchgeführt.

 

Danzig. Die Katharinenkirche und einige andere alte Kirchen werden gegenwärtig auf Staatskosten wiederhergestellt.

 

Oliva. Der Dom zu Oliva, in dem man wertvolle Fresken entdeckt hat, wurde durch die Diözesenverwaltung des Bistums Danzig vollkommen restauriert.

 

Posen. In einem Dorf bei Posen wurde kürzlich ein 78 Kilogramm schwerer Meteor gefunden.

 

Seite 3   Kopernikus-Universität — Forschungsstätte für Westgebiete

Unter diesen Umständen ist es nicht weit her mit dem hin und wieder behaupteten wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen Thorn und Bromberg. Verfügt Bromberg auch über größere und bessere industrielle Anlagen, so kann aber nicht behauptet werden, Thorns Industrie liege darnieder und die Thorner Arbeiter führen nach Bromberg oder seien arbeitslos. Bestehen auch die üblichen Rohstoffschwierigkeiten, so kann doch von einer Arbeitslosigkeit oder deren Drohung nicht gesprochen werden. Dies sei nur bemerkt, um etwaige falsche Vorstellungen über die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Stadt zu revidieren.

 

Zutreffend sind allerdings die Nachrichten über den schlechten Zustand der Weichsel und der Flusschifffahrt bzw. der Flößerei. Die Deiche sind in einem traurigen Zustand und brechen hier und dort immer wieder, so dass es zu Wassereinbrüchen in die Umgebung kommt, wenn der Strom Hochwasser führt. Verschlammungen und Versandung sind unweit von Thorn immer wieder festzustellen. Auch die Schifffahrt ist sehr behindert, weil der Fluss nicht regelmäßig ausgebaggert wird. Sehr zurückgegangen ist auch die Holzflößerei, die früher einmal typisch für diesen Teil der Weichsel war.

 

Den Tatsachen entsprechen auch die Meldungen über das fragwürdige kulturelle Leben der Gegenwart. Auch die von der Gomulka-Regierung ausgehenden Impulse haben die Lethargie auf diesem Gebiet nicht zu überwinden vermocht. Die von den Polen vor einem Jahrzehnt gegründete Universität in Thorn ist dafür schon bekannt geworden, dass ihre Gelehrten und Dozenten weitgehend treu in stalinistischem Sinne sind und ihre Positionen zu halten vermochten. Bisher verließen mehr als 4000 Studenten, die in diesem Sinne beeinflusst worden sind, die Hochschule mit dem Abschlussexamen. Die den Namen von Kopernikus missbrauchende polnische Universität hat zudem eine sehr fragwürdige Abteilung geschaffen: die „Wissenschaftliche Forschungsstätte für die Westgebiete", in der man die bekannten Theorien von dem „urpolnischen Charakter" der unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostprovinzen „beweisen" will. Wirklich Gutes hat bisher eigentlich nur der Lehrstuhl für Maltechnik an der Hochschule erzielt, dessen Mitarbeiter eine membranartige Haut erfanden, mit der alte Kirchenfenster auf ideale Weise gegen Witterungseinflüsse usw. geschützt werden können. Auch viele deutsche kunsthistorische Bauwerke werden gegenwärtig mit diesem Mittel behandelt. Ferner erarbeiteten die Mitglieder dieses Lehrstuhles eine Methode, mit der kunsthistorische Wand- und Staffelmaterialien konserviert werden können.

 

Wie das geistige Leben an der Universität ist auch das kulturelle Geschehen weitgehend kommunistisch ausgerichtet. Im Theater und in der Freilichtbühne spielt man noch immer fast ausschließlich linientreue Autoren, während in den Kinos wenigstens im Jahre 1957 die ersten westlichen Filme anlaufen. Auch die „Stadtbibliothek ist noch nicht von ihrem weitgehenden Bestand an rein stalinistischen Büchern gesäubert worden. Übersetzungen aus der freien Welt sind sehr selten.

 

Seite 3   Blick nach Osteuropa

Russland.

Die Weltjugendfestspiele, die, wie vom sowjetischen Komsomol und dem „Weltbund der demokratischen Jugend" festgelegt wurde, 1957 in der ost-sibirischen Stadt Alma Ata stattfinden sollten, sind nun auf 1958 verschoben worden, weil, wie es in der Begründung heißt, die sowjetische Jugend in dem verbleibenden halben Jahr nicht mehr alle nötigen technischen Vorbereitungen treffen könne. Die wahren Hintergründe der Verschiebung sollen aber Zerwürfnisse zwischen KPdSU und Komsomol sein.

 

Polen

Die Bevölkerung Polens soll bis zum Jahre 1960 etwa 30 Millionen Menschen betragen, meldet die exilpolnische Zeitung „Dziennik Polski", vorausgesetzt, dass der augenblickliche Geburtenzuwachs anhält. In den Jahren 1954 und 1955 wuchs die Bevölkerung Polens jährlich um eine halbe Million. Im Jahre 1955 hatte Polen den höchsten Geburtenzuwachs in ganz Europa.

 

Die polnischen Soldaten sollen neue Uniformen und eine neue national-polnische Dienstvorschrift erhalten. Im polnischen Verteidigungsministerium wird zurzeit die Neuauflage aller in den vergangenen Jahren erlassenen Dienstvorschriften vorbereitet, die unter dem Einfluss des sowjetischen Generals Rokossowskij in enger Anlehnung an sowjetische Muster und an die in der UdSSR geltenden Ausbildungsvorschriften erlassen worden sind.

 

Für die aus der Sowjetunion zurückkehrenden Polen sind nunmehr auch in den Oster-Neiße-Gebieten „Repatrilierungsbüros" geschaffen worden, die die Ansiedlung der Rückkehrer in den Wojewodschaften Breslau, Grünberg, Stettin, Köslin und in Masuren durchführen sollen. Seit September 1956 sind insgesamt 31 000 Polen aus der Sowjetunion zurückgekehrt, die größtenteils in den Oder-Neiße-Gebieten angesiedelt wurden. Im Januar sollen weitere 13 bis 14 000 Polen zurückkehren, von denen — wie aus volkspolnischen Presseberichten hervorgeht — rund 10 000 in den „kaum oder wenig besiedelten Gegenden der polnischen Westgebiete" angesiedelt werden sollen.

 

Tschechoslowakei.

Mit dem Bau des ersten Atomkraftwerkes wird die Tschechoslowakei, wie aus Prag verlautet, noch in diesem Jahr beginnen. Das Werk, das eine Leistungskapazität von 150 Megawatt haben wird, soll bis Ende 1960 fertiggestellt sein.

 

Die Glasindustrie in der Tschechoslowakei befindet sich nach wie vor in einer starken Krise. Noch immer fehlt es an Facharbeitern; außerdem ist es den Tschechen bis heute noch nicht gelungen, Kristallglas in der früher von sudetendeutschen Glashütten gewohnten Qualität herzustellen. Die tschechischen Produkte zeigen nach wie vor einen gelben oder grauen Stich.

 

Ende Januar ist eine tschechoslowakische Regierungsdelegation unter Führung von Staatspräsident Zapotocky in Moskau eingetroffen. Die Hintergründe sollen in einer noch engeren Koordinierung beider Staaten zu suchen sein, die sich aus der Tatsache ergibt, dass die Sowjetunion nicht mehr in der Lage ist, mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land fertig zu werden und dazu noch die Verpflichtungen aus dem erweiterten Wirtschaftsabkommen mit Rot-China zu erfüllen und den Kreditgewährungen an die westlichen Satellitenstaaten nachzukommen. Die tschechoslowakische Wirtschaft gilt als die am besten fundierte und soll nun herangezogen werden, um die sowjetischen Verpflichtungen zu entlasten.

 

Ungarn.

Die Wiedereröffnung der ungarischen Schulen und Universitäten, die ursprünglich für Anfang Januar vorgesehen war, ist nach Meldungen aus Budapest bis Anfang Februar zurückgestellt worden. Es ist anzunehmen, dass die Regierung durch diese Verfügung ein Zusammentreffen der Studenten verhindern will.

 

Ab sofort besteht kein Zwang mehr, am Russischunterricht in den ungarischen Schulen teilzunehmen, teilte der ungarische Rundfunk mit. Aus den Lehrplänen der sogenannten Hauptschulen wurde der Russisch-Unterricht gestrichen. Die Schüler sollen künftig freie Wahl zwischen Russisch, Deutsch oder Französisch haben. An der Universität Budapest wurde dazu ein Überprüfungsausschuss ins Leben gerufen, der die Aufgabe hat, die Entlassung von Professoren seit 1948, sofern sie aus ideologischen bzw. politischen Gründen erfolgte, zu überprüfen und zu revidieren.

 

Der Wiederaufbau der ungarischen Wirtschaft wird nach Mitteilung der Budapester Regierung auf wenigstens drei Jahre geschätzt. Wiederaufbaupläne wurden jedoch immer noch nicht bekanntgeben. Das Kabinett Kadar beschäftigte sich lediglich mit der Ausarbeitung des Staatshaushaltes für das erste Quartal 1957, der ausnahmslos durch Kredite aus der Sowjetunion und den „Volksdemokratien" abgeglichen wird. Gleichzeitig ermächtigte laut Radio Budapest mehrere Großbetriebe, selbständig und außerhalb jeder Planung Geschäfte mit dem westlichen Ausland abzuschließen. Diese Ermächtigung ist ein Eingeständnis eigener Ohnmacht.

 

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes ist der Meinung, dass seine Hilfe in Ungarn noch auf lange Zeit aller Voraussicht nach bis zur neuen Ernte, notwendig sei. Zu den neuen Hilfsmaßnahmen gehört vor allem eine Milchversorgung für täglich 173 500 Mütter und Kinder. Außerdem ist eine Paketaktion angelaufen, die eine tägliche Verteilung von 10 000 Lebensmittelpaketen erreichen will. Vorgesehen ist außerdem eine Schülerspeisung in den Budapester Schulen für 150 000 Kinder; sobald die Schulen den Unterricht wieder aufnehmen werden.

 

Seite 4   Unglaubliche Nachlässigkeit mit der Rentenreform. Erst Aufschub bis zum spätmöglichsten Termin, dann Durchpeitschung / Von Erni Finselberger, MdB.

Die unglaubliche Nachlässigkeit, mit der die Bundesregierung die Rentenreform fast bis zum spätmöglichsten Termin aufgeschoben hat, machte eine sorgfältige Vorbereitung und gründliche Durchberatung dieser Gesetzentwürfe in den Ausschüssen unmöglich. Seit Ende August des vergangenen Jahres hat man in einem nervenaufreibenden Hetztempo die einzelnen Paragraphen des Regierungsentwurfs durch die Ausschusssitzungen durchgepeitscht. Es ist einzig und allein diesem Verhalten der Regierung und der Koalitionsparteien zuzuschreiben, dass es dem Parlament nicht möglich war, den besonderen Anliegen der Angestellten in dem von ihnen gewünschten Ausmaß gerecht zu werden. Hätte der Sozialpolitische Ausschuss sich mit den Wünschen der Angestelltenschaft beschäftigen wollen, so wären die Angestellten Gefahr gelaufen, dass das Gesetz zur Regelung der Angestelltenrenten nicht gleichzeitig mit dem Arbeiterrentengesetz verabschiedet worden wäre. Zweifellos hätte das für die Angestelltenschaft schwere Nachteile bedeutet.

 

Immerhin trägt der nun verabschiedete Gesetzentwurf wenigstens, einigen Wünschen der Angestellten Rechnung. Die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung bleibt als selbständige Körperschaft bestehen. Sie behält auch ihre eigene Finanzverwaltung. Nachteilig ist an dem verabschiedeten Gesetz, dass der Begriff der Berufsunfähigkeit für die Angestellten verschlechtert wurde. Die Mehrheit des Hauses hat sich dabei nicht entschließen können, dem vom Gesamtdeutschen Block / BHE und anderen Parteien vorgeschlagenen Weg zu folgen, die früher für die Berufsunfähigkeit der Angestellten geltenden günstigeren Voraussetzungen beizubehalten und sie auch auf den Berufsunfähigkeitsbegriff der Arbeiterschaft auszudehnen. Der Gesamtdeutsche Block/BHE bedauert weiterhin besonders, dass der von ihm gestellte Antrag, eine unbeschränkte Versicherungspflichtgrenze vorzusehen, durch die Koalitionsparteien niedergestimmt wurde.

 

Nicht weniger enttäuschend ist, dass die Koalitionsfraktionen das Prinzip der dynamischen Rente verwässert haben. Damit ist das von allen sozial fortschrittlichen Kräften erstrebte Ziel einer lohngebundenen Rente zunichte gemacht worden. Die Rentenreform hat damit sehr viel von dem verloren, was sich weite Kreise des Volkes unter ihr vorgestellt haben.

 

Der Kampf um die Rentenhöhe wird damit also auch in Zukunft nicht aus der Tagespolitik verschwinden. Dabei ist bemerkenswert, dass das Altersruhegeld in Zukunft nur noch auf Beitragszahlungen aufbauen wird und jeder Zuschuss aus Bundesmitteln entfällt.

 

Das Gesetz birgt auch noch eine Fülle von Unklarheiten in sich. So bleiben Zweifel offen über die Durchschnittshöhe der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer. Die Ausdehnung der Bemessungsgrundlage auf den Vergleich mit dem Durchschnittseinkommen der letzten drei Arbeitsjahre vor dem Übergang in den Stand eines Altersrentners lässt bereits jetzt eine Kluft zwischen der Rentenhöhe und dem Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer ahnen.

 

Trotzdem sollte man nicht verkennen, dass das Rentenreformgesetz Leistungsverbesserungen und zahlreiche Vermehrungen der Leistungsarten enthalten. Die finanzpolitischen Auswirkungen des Gesetzes sind auch in der zweiten und dritten Lesung hart umstritten gewesen. Letzte Erkenntnisse werden sich erst bei der Anwendung der Gesetze ergeben. Zusammenfassend kann festgestellt werden:

 

Das Gesetz hat zwar manche Fortschritte über die ersten Anfänge der Sozialpolitik im 19. Jahrhundert hinaus mit sich gebracht. Eine Rentenreform, wie wir sie uns allerdings vorgestellt haben, ist dieses Gesetz nicht.

 

Seite 4   Betreuung für Jungsiedler

Für die Betreuung jugendlicher Siedlungsbewerber, die als geschlossene Gruppe bei einer Siedlungsmaßnahme eines vom Landwirtschaftsministerium des Landes anerkannten Siedlungsträgers mitarbeiten, kann ein Zuschuss bis zur Höhe von 50 Prozent der entstehenden Personal- und Sachkosten gewährt werden. Die Maßnahme hat sich bereits in der Praxis bewährt. Die Kosten für die Betreuer (Jugendleiter oder ähnliche, geeignete Personen) werden aus Bundesmitteln bestritten, während die reinen Siedlungskosten vom Siedlungsträger getragen werden. Anträge können durch die Träger der Betreuungsmaßnahmen dem Bundesministerium des Innern vorgelegt werden.

 

Seite 4   Fahrpreisermäßigung für Heimkehrer

Die bisher von der Deutschen Bundesbahn gewährte 75-prozentige Fahrpreisermäßigung für Heimkehrer und ihnen gleichgestellte Personen wird nach einem Kabinettsbeschluss vom 19. Dezember 1956 in der bisherigen Weise fortgeführt.

 

Seite 4   Tag der Danziger

Der „Tag der Danziger" findet in diesem Jahr in Hannover am 15/16. und 17. Juni statt. Der Bund der Danziger hat diesen Termin gewählt, um gleichzeitig feierlich den „Tag der deutschen Einheit" am 17. Juni zu begehen.

 

Seite 4   Siedlerschule Katlenburg

Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule. Wer kann aufgenommen werden.

Die neue Ländlich-hauswirtschaftliche Frauenschule auf der Katlenburg (Harz) eröffnet am 1. April ihren ersten 10-Monate-Lehrgang.

 

Der Lehrplan sieht u. a. vor: Kochen, Ernährungslehre, Nadelarbeit, gestaltendes Werken, Gartenbau, Kleintierhaltung (auch praktisch) gärtnerische Praxis, Gesundheits- und Kinderpflege, außerdem Heimat- und Ostkunde, Singen, Sport. Im Rahmen des Heimlebens wird auch auf allgemeine Bildung Wert gelegt.

 

Als Aufnahmebedingungen gelten: Mindestalter 17 Jahre, dreijährige Praxis oder Lehre im ländlichen Haushalt und Erfüllung der Volks- und Berufsschulpflicht. Weitere Einzelheiten sind in dem Prospekt enthalten, der bei der Verwaltung der Schule in Katlenburg, Harz, Kreis Northeim/Hann. angefordert werden kann. Aufnahmetermin bis 15. Februar.

 

Seite 4   Das Polnische Rote Kreuz gibt neuerdings ein Informationsblatt heraus, in dem die Namen von Vermissten des 2. Weltkrieges und der sie suchenden Angehörigen veröffentlicht werden. Auch Suchanträge von Einwohnern anderer Länder können in diese Listen aufgenommen werden.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 2. Februar 1957. Im Winter geerntet – im Sommer verbraucht.

Foto: Eisernte aut der Angerapp.

Eisernte — wer kann sich darunter etwas vorstellen? Wie eine Kornernte eine Kornernte ist und eine Weinernte eine Weinernte, so ist eine Eisernte eben eine Eisernte: Wenn die Natur das Eis bildet, wird es geerntet und aufbewahrt bis zu dem Zeitpunkt, an dem es nicht geerntet werden kann, aber doch benötigt wird. In Ostpreußen, verdiente sich während der kalten Jahreszeit, so mancher Mann, sein täglich Brot mit dieser Arbeit.

 

Die ostpreußischen Winter sind hart und streng, die Sommer dagegen heiß. Wenn die kalte Jahreszeit gekommen ist, dauert es nicht lange, und die zahlreichen Seen sind zugefroren. Die Eisschicht wird dicker und dicker; wenn sie 20 Zentimeter und mehr misst schlagen die Männer ein rechteckiges Loch mit der Eisaxt hinein und hacken parallel dazu eine Rille in das Eis. Mit einer grobgezahnten Säge werden dann die Blöcke von der großen weiten Fläche gelöst, die zum Ufer hingeschoben werden. Noch schwimmt der Eisblock auf dem Wasser. Er würde sich dort aber nicht bis zum Hochsommer halten, darum muss er an Land geholt und in besonderer Weise gelagert werden. Mit langen Ketten ziehen die Männer das abgesägte Eisstück zunächst auf das noch feste Eis und weiter zum Stapelplatz am Ufer. Aber auch hier kann es noch nicht bleiben, weiter geht es zum Eiskeller. Es ist für alle eine mühselige Arbeit, die da zu vollbringen ist, denn die Eisblöcke sind sehr schwer, und die dicke Kleidung, die man bei so starkem Frost tragen muss, ist nicht gerade bequem. Am Stapelplatz laden die Männer die Eisblöcke auf Wagen, und dann geht die Fahrt los.

 

Ein Eiskeller muss so angelegt werden, dass das eingelagerte Eis vor Wärme geschützt bleibt, wenn die Sonne auch noch so brennt und der Mensch sich kaum vor Hochsommerhitze zu retten weiß. Ein Betrieb, der Eis lagern will, ummauert eine Stelle des Hofes von drei Seiten, ohne ein Dach darüber zu legen. Der Boden wird mit dünnen Rundhölzern ausgelegt. Dadurch gefriert die Erde darunter nicht, und im Sommer kann das Schmelzwasser abtropfen. Die Eisblöcke werden möglichst fest auf dieser Holzschicht gestapelt. Wo zwischen den Blöcken noch Lücken sind, werden sie mit losem Eis fest verkittet, so dass aus dem gesamten Kellerinhalt ein großes Eisstück wird, ein riesiger Block. Sehr wichtig ist es, dass die Oberfläche glatt ist und keine Luftlöcher aufweist. Wenn das Krümeleis nicht alle Lücken erfasst hat, werden die Löcher mit Wasser ausgegossen. Im Sommer wird natürlich immer etwas von dem Block abschmelzen, aber der Verlust ist nicht so groß, wenn die Oberfläche glatt ist und nicht auch im Inneren des Blockes Schmelzwasser entstehen kann.

 

Mit einer dicken Lage Stroh oder Torfmull wird der Eiskeller gegen die Außenwärme isoliert. Zum Schluss wird eine mächtige Schicht Erde aufgepackt, die die Sonnenwärme aufnehmen und die Niederschläge ableiten muss.

 

Und im Sommer, wenn die Hausfrauen, die Brauereien, die Gastwirte und so manches andere Unternehmen Eis brauchen, wird der Eiskeller geöffnet, und die Ernte findet ihre Verwendung. Auch als bereits die Kühlschränke und Kühlanlagen verbreitet waren, wusste man das Natureis zu schätzen, denn es war nicht teuer.

 

Seite 5   Kant

Tue das, wodurch du würdig bist, glücklich zu sein. —

Freiheit ist das Fundament unserer Persönlichkeit. —

Alle Macht des Himmels steht auf der Seite des Rechtes. —

Jeder ist verbunden, die Würde der Menschheit an jedem anderen Menschen anzuerkennen. —

Es kommt nicht auf das an, was die Natur aus dem Menschen, sondern was dieser aus sich selber macht. —

Den Tod fürchten die am wenigsten, deren Leben den meisten Wert hat. —

Beides, die Menschenliebe und die Achtung fürs Recht, ist Pflicht.

 

Seite 5   Für unsere Leseratten

Liebe Leseratten!

Immer etwas Neues, besonders Lesenswertes, eben rechte Jugendbücher an dieser Stelle unserer „Kogge" vorzulegen, das haben wir uns mit der Bücherkiste zur Aufgabe gestellt. Natürlich können wir nicht in jeder Ausgabe für jedes Lesealter etwas bringen; das werdet ihr sicher verstehen.

 

Heute wollen wir mit einem Buch beginnen, das vor allem den jüngeren Kogge-Fahrern so recht nach ihren Herzen sein wird, eines der schönsten Märchenbücher der deutschen Literatur:

 

E. T. A. Hoffmann: Nussknacker und Mausekönig. Wilhelm Andermann Verlag, München. 112 Seiten mit vielen Zeichnungen. Glanzeinband 3,20 DM

 

Bei Medizinalrat Stahlbaum geschehen Wunderdinge, Fritz und Marie, die beiden Kinder, glauben sich in das Märchenreich versetzt. Alles Spielzeug ist plötzlich lebendig geworden, die Puppen, die Zinnsoldaten, der Kaspar und unser Held, der Nussknacker. Alles rankt sich um das Märchen von der harten Nuss, das der Pate Drosselmeier erzählt, ein rechter Tausendsassa, der im Märchenland Bescheid weiß wie in seiner Westentasche. Eine phantastische und spannende Geschichte, die alte und junge Leser in ihrem Bann hält, und wie sie nur ein E. T. A. Hoffmann (unser ostpreußischer „Gespenster-Hoffmann") schreiben konnte. Wir können das Buch unseren Lesern nicht warm genug empfehlen.

 

Und da unsere Mädchen immer etwas zu kurz kommen, hier zwei Bücher, die Euch Spaß und Freude machen werden:

 

Rudolf Sikel: Zopf in den Wolken. 80 Seiten.

 

Rudolf Sikel: Der Zopf ist ab. 64 Seiten.

In der Reihe der Göttinger Jugendbände, jeder Band DM --,95 (W. Fischer-Verlag, Göttingen).

 

Dass es auch spannende Mädchenbücher gibt, wird mit diesen beiden Bänden bewiesen. Mittelpunkt dieser packenden Geschichte ist das bezopfte Mädchen Christine, und es geht um nichts weniger als um diese beiden braunen Zöpfe. „Ewige" Feindschaft und zünftige Prügeleien unter den Jungen — alles wegen der Zöpfe — gehören mit dazu. Mitspielt auch ein Kaninchen, sozusagen als FriedensengeL Nichts ist verkrampft und gekünstelt an dieser Erzählung, alles ist natürlich und echt, erlebt. Gert und Ute

 

Seite 5   Briefmarkenecke

Unser Uwe aus Flensburg wird schon ungeduldig. „Die Kogge hat doch versprochen — usw“. Natürlich hat das die Kogge, und sie wird das Versprechen auch halten.

 

Wir nehmen daher — gewissermaßen als Trostpflaster — eine der schönsten Marken aus unserer Sammlung „Deutscher Osten". (Foto) Sie zeigt Herzog Albert von Preußen, den letzten Hochmeister des Deutschen Ritterordens und Gründer der Albertus-Universität zu Königsberg (Preußen). Sie erschien 1944 aus Anlass der Gründung dieser Universität vor 400 Jahren (als Zuschlagmarke in einem Wert 6 + 4 Pfg. grün). Über Herzog Albert und die Tradition des „Albertentragens" in Ostpreußen könnt ihr näheres im allgemeinen Teil dieser Ausgabe lesen. Es wird euch sicherlich interessieren.

 

Die Briefmarken-Ecke soll aber nun eine ständige Einrichtung werden; sie erscheint künftig immer ein über das andere Mal, also wieder in der April-Ausgabe.

 

Seite 5   Für unsere Bastelfreunde

Liebe Bastelfreunde!

Ich seh schon, dass wir mit unseren Basteleien mal einen sehr guten Gedanken hatten. „Bring auch weiter Bastelvorschläge", heißt es in einem Brief. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen.

 

Heute geht es um eine ebenso schöne wie praktische Bastelarbeit: ein Wandbrett für Bücher und Schulsachen. In etwas vergrößertem Maßstab gibt es auch ein schönes Bücherbrett für Euer Heim.

 

Es ist schnell und einfach gebastelt. Ihr braucht zwei Holzbrettchen, etwa 20 X 36 cm groß, die ihr mit Glaspapier glättet, an den Ecken 1 ½ cm innerhalb der Ränder durchbohrt und leuchtend

rot lackiert. Mit goldgelber, dicker Seidenschnur werden die Brettchen in etwa 21 cm Entfernung

übereinander gebunden und mit festen Knoten auf den Ober- und Unterseiten gesichert. Ihr nehmt für jede Seite eine etwa 85 cm lange Schnur, legt sie doppelt, so dass das eine Ende 10 cm länger ist als das andere, knüpft die Schlaufe zum Aufhängen, führt die rückwärtigen Knoten aus und sodann die Vorderen, wobei ihr darauf achten müsst, dass die Brettchen in genau waagerechte Lage kommen. Unten schneidet ihr die Schnüre etwa 5 cm von den letzten Knoten entfernt ab und franst die Enden zu Quasten aus.

 

Bundesführung jetzt in Stuttgart

Die Bundesführung der Deutschen Jugend des Ostens (DJO) hat ihre Geschäftsstelle nach Stuttgart, Pfizerstraße 8, verlegt (Tel. 2 27 37). Die Landesgeschäftsstelle des DJO von Baden-Württemberg ist gleichfalls dorthin umgezogen.

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats. Immanuel Kant (mit Abbildung)

Im Jahre 1781 brachte ein Rigaer Verlag ein kleines Buch heraus, betitelt „Critik der reinen Vernunft". Als Verfasser zeichnete Immanuel Kant, Professor in Königsberg. Mit diesem Werk stieß der damals 57-jährige Philosoph die Tore zu den Hallen der Unsterblichkeit endgültig auf. „Gäbe es keinen Kant in der abendländischen Geistesgeschichte — man müsste ihn erfinden!" Diese etwas kühn gewählte Formulierung sagt eigentlich schon alles über die Bedeutung dieses Mannes und Geistes für das gesamte Abendland. Als der Pinsel des Malers ihn (unser Bild) der Nachwelt überlieferte, war Kant 64 Jahre alt und stand auf der Höhe seines Schaffens.

 

1788 folgte der ersten Veröffentlichung die „Kritik der praktischen Vernunft", 1790 erschien die „Kritik der Urteilskraft" und außer anderen 1797 Kants Beitrag „Zum ewigen Frieden". Worin das für die damalige Zeit eher ungeheuerliche Vorausdenken über den ewigen Frieden gipfelte, sei — da es auch unsere Zeit zutiefst bewegt — kurz angedeutet: „Kein Staat", forderte Kant, „soll sich in Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen. Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören".

 

Am 22. April 1724 als Sohn einer Handwerkerfamilie in Königsberg geboren, starb Kant in Königsberg am 12. Februar 1804, ohne je aus Königsberg herausgekommen zu sein.

 

Seite 6   Anekdoten um Kant. „Ist heute Schlachttag?

Kant verteidigte seinen zarten Körper tapfer und mutig. Als eines Tages ein wahnsinnig gewordener Metzger in einem Laubengang mit einem Messer auf ihn zu stürzte, floh der Philosoph nicht, sondern fragte ihn ganz ruhig, ob denn heute Schlachttag sei, soviel er wisse, sei der erst morgen. Der Wahnsinnige war darob verdutzt, dass er sich vor den Kopf schlug und davon rannte.

 

Bildung ohne Kant

Ein Berliner unterhielt sich auf einer Reise nach Ostpreußen mit einem ostpreußischen Landwirt und fragt ihn, was der gebildete Mensch von Ostpreußen wissen müsse. Er erhielt folgende Antwort: „Wenn Sie nach Ostpreußen kommen, müssen Sie unbedingt etwas vom Bullen „Winter" wissen. Vielleicht auch etwas von Kant. Wenn Sie aber außer „Winter" auch noch die Bullen „Anton" und „Prinz" kennen, dann können Sie Kant ruhig weglassen“.

 

Grundsätze und Blickpunkte

Kant lebte sein Leben nach Grundsätzen, die er sich selbst erarbeitet hatte. Beim Gehen sprach er nicht, um nur durch die Nase atmen zu können. Er hütete sich, je ins Schwitzen zu geraten. Ein anderer seiner Grundsätze war, nie in einem anderen Wagen zu fahren als in einem, den er sich selbst gemietet hatte. An seinem Arbeitstisch und in der Dämmerzeit musste er immer den Löbenichtschen Turm vor sich haben. Beim Denken und öffentlichen Vortrag richtete er seinen Blick immer auf einen bestimmten Punkt, so dass er einmal in einem Kolleg außer Fassung geriet, als ein Hörer, dem seit Beginn des Semesters ein Knopf fehlte, plötzlich mit angenähtem Knopf erschien. Kants „Blickpunkt" war verschwunden. Trotz der Beschränkungen, die sich Kant mit seinen Grundsätzen auferlegte, kannte er die ganze Welt und konnte die Westminsterbrücke in allen Einzelheiten beschreiben, obwohl er nie — über Pillau hinausgekommen ist.

 

Viel Wind

In einer Gesellschaft, an der auch Kant teilnahm, erzählte man von einem berühmten Manne zahlreiche Anekdoten. In einer Pause bemerkte Kant: „Ich erinnere mich, ähnliche Anekdoten schon von anderen berühmten Männern gehört zu haben, aber das wundert mich gar nicht, große Männer sind wie hohe Kirchtürme, um beide ist gewöhnlich „Viel Wind“.

 

Immer daneben

Ein junger Gelehrter fragte Kant in höherem Alter, warum er unverheiratet geblieben sei.

 

„Damit", sagte Kant, „ist es mir ergangen, wie es sich so recht für einen Philosophen schickt: In jungen Jahren, da ich eine Frau hätte brauchen können, konnte ich keine ernähren, und jetzt, da ich eine ernähren könnte, kann ich keine brauchen“.

 

Aus: • Ostdeutsches Anekdoten- und Historienbuch. Verlag Volk und Heimat, München.

 

Seite 6   Interessantes aus der alten Heimat

II. Von Wild und Wald unserer Heimat

Zur Ordensritterzeit musste von jedem erlegten Wild — mit Ausnahme von Bären, Wildschweinen und Rehböcken — der Vorderbug an das nächstgelegene Ordensheit abgeliefert werden. Bei Nichtbefolgung stand Strafe.

 

Auf den Tafeln der Ordensritter waren schmackhaft zubereitete Eichhörnchen durchaus keine Seltenheit. So hat z. B. nach einer alten Rechnung der Küchenmeister des Ordenshauses Ragnit auf einmal sieben Schock Eichhörnchen für die Beköstigung der Kreuzritter eingekauft. Probatum est!

 

1712 sagte der damalige König Friedrich Wilhelm I., dass in Ostpreußen mehr Wölfe als Schafe seien, so groß war damals die Wolfsplage. Sie hielt noch bis etwa zur Hälfte des vorigen Jahrhunderts an.

 

Der letzte Wisent (wurde 1789 bei Labiau erlegt und der letzte Bär 1804 im Puppenschen Forst. 1885 wurden im Trappöner Forst die letzten Wildkatzen geschossen, 1901 der letzte Luchs im Schoreller Forst bei Ragnit. (Und die letzten Elche 1945!?)

 

Apropos Elchjagd! 1861 war der derzeitige britische Botschafter in Berlin, Lord Dudley, zur Elchjagd nach Ibenhorst (am Kurischen Haff) geladen. Jedoch seine Lordschaft tat den Elchen nichts, sondern beobachtete sie nur stundenlang. Gefragt, warum er denn nicht schieße, erwiderte Lord Dudley: „Ebenso gut könnte ich auf meinem Gut in Schottland zwischen meine Viehherde gehen und eine Kuh erschießen!"

 

Die Johannisburger Heide mit etwa 100 000 Hektar (zu unseren Zeiten) war das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands. Sie hat eine Ausdehnung von 98 km in der Länge und 46 km in der Breite.

 

In Ostpreußen gibt es dreißig einheimische Baumarten und über zweitausend verschiedene Sträucher und Kräuter. Fortsetzung folgt

 

Seite 6   Weißt du …

. . . dass die Marienburg an der Nogat im 18. Jahrhundert als Unterkunft und Betriebsstätte für Weberfamilien diente und sogar von Amts wegen als Steinbruch dienen sollte — was aber in letzter Minute verhindert werden konnte.

 

. . . dass die westpreußische Marienburg einen Vorläufer in Siebenbürgen besitzt. Die Siebenbürger Marienburg wurde ebenfalls vom Deutschritterorden gegründet, bevor er nach Westpreußen gerufen wurde.

 

Seite 6   Wappen der Heimat (Mit Abbildungen) Ostpreußen. Danzig. Westpreußen.

Mit den Wappen von Ostpreußen, Westpreußen und Danzig beginnen wir heute

eine Serie „Wappen der Heimat", die Euch mit den heraldischen Zeichen unserer Heimat bekannt machen will.

 

Seite 6   Wolf der Struter. Erzählung aus der Zeit des Deutschritterordens in Ostpreußen. Von Max Worgitzki. Copyright by Holzner-Verlag, Würzburg. 11. Fortsetzung

Der Sudauerfürst war aufgesprungen und betrachtete forschend das Gewölk. Auch der Kriwe hatte sich erhoben. Er blickte zum Himmel und wies mit der Rechten hinauf. Immer eindringlicher, beschwörender sprach er auf den Fürsten ein. Es war deutlich erkennbar, wie ihn das Gewitter zu wilder Begeisterung erregte. Und immer rascher flammten die Blitze auf, immer rascher folgte ihnen der krachende Donner.

 

Wolf, der das Gebaren des Kriwen mit steigender Spannung verfolgt hatte und selbst mitgerissen war von der unerhörten Stimmung des Augenblicks, flüsterte vor sich hin: „Er hört die Stimme Perkunos, des Donnergottes“. Dann sah er, wie der Kriwe sich plötzlich von dem Fürsten abwandte und mit langen und seltsam beschwingten Schritten, die seines Alters spotteten, der heiligen Eiche zustrebte. Dicht an ihrem Stamm hielt er, wandte sein Gesicht und die hoch erhobenen Handflächen dem Himmel zu und hub zu beten an. Ein wildes Gebet. Mit laut schallender, singender Stimme schrie er in das Toben des Wetters hinauf, umflutet von dem unaufhörlich flammenden Schein,  der Blitze: „Höre mich, o Götterkönig!" Trotz dem Lärmen des Donners hatte der Struter diese Worte vernommen. Doch plötzlich war alles rundum von einer grellen Lohe verschlungen, Wald, Lichtung, Himmel und Erde, ein Krachen sauste wie ein Keulenschlag auf sein Haupt nieder, dass er geblendet und betäubt einen Augenblick seiner Sinne nicht mächtig war. Als er wieder zu sich kam, suchte sein erster Blick den Kriwe. Der lag vom Blitz gefällt am Fuße der Eiche. Und auch der heilige Baum war schwer getroffen. Seine Krone war zerrissen und zerschmettert, und ihre gewaltigen Äste deckten in wirrer Verwüstung rundum den Boden. Nur der Stamm stand noch. Aber entrindet von der Kraft des Strahles und, von oben bis unten gespalten, stand er da in weißer Nacktheit, eine Totensäule von ergreifender Klage. So leistete der Baum noch im Vergehen seinem Priester den letzten Dienst.

 

Der Hauch der Ewigkeit, der ihn gestreift, hatte den Struter bis ins Innere erschüttert. Aber die Stimme der Pflicht, die in diesem Kämpfer zu keiner Stunde schwieg, schlug auch jetzt rücksichtslos in das Erschauern seiner Seele. Er sprang auf. Wo ist Jörge?

 

Der lag noch da, ein wenig hinter ihm, das Gesicht weiß, die Augen weit aufgerissen und sein Mund stammelte immer nur das eine Wort: „Erschlagen!" Das war ein wenig viel gewesen für so junge Nerven.

 

Wolf dachte es voll herzlichen Mitleidens, aber er wusste auch ein gutes Heilmittel. Mit hartem Griff fasste er den Knaben bei der Schulter und riss ihn hoch: „Auf, Wolfson! Jetzt beginnt der Kampf der Wölfe!"

 

Das Wort wirkte Wunder. Jörge war sofort bereit. Keine Spur der Erregung mehr. Seine Rechte umschloss den Schaft des Speeres sicher und wurfgerecht, und seine Augen blickten in ruhiger Spannung zu dem Gefährten auf. Wolf nickte ihm ermunternd zu und schritt voran. Als sie den Rand der Lichtung erreicht hatten, sahen sie den Fürsten der Sudauer vor sich. An der Leiche des Kriwen war er in die Knie gesunken, hielt das Haupt tief auf die Brust geneigt und verharrte regungslos, erstarrt.

 

Der Struter gab flüsternd seinem Gesellen die letzte Weisung: „Ich gehe ihn mit dem Schwert an. Du gibst auf den Weg acht, hältst dich aber in meiner Nähe. Falle ich, so jagst du ihm den Spieß durch die Brust. Und dann fort zu Unsatrape!"

 

Das Gewitter schien seine Kraft mit dem vernichtenden Schlag erschöpft zu haben. Noch zuckten die Blitze und zerrissen grell aufleuchtend die Dämmerung des Waldes, aber der Donner rollte und murrte nur noch aus weiter Ferne. Da traten die beiden Wölfe auf die Lichtung hinaus.

 

Skomand regte sich nicht. Er hielt ihnen den Rücken zugewandt und schien ihr Kommen nicht zu bemerken. Wolf näherte sich ihm bis auf wenige Schritte. Er warf seinen Spieß Jörge zu, riss das kurze Schwert aus der Scheide und rief den Fürsten an: „Fürst Skomand! Der Wolf der Wildnis ist über dir. Wehre dich!"

 

Skomand erhob langsam das Haupt, als ob er aus einem schweren Traum erwachte. Dann schnellte er hoch, sein Schwert funkelte in der erhobenen Rechten, und ehe der Struter sich dessen versah, war aus dem Angreifer ein Angegriffener geworden. So rasch schwirrte die Klinge des Sudauers um sein Haupt, dass er sich kaum ihrer erwehren konnte. Mit der Linken aber hatte der Fürst an die Brust gegriffen, eine Pfeife aus Hirschgeweih an den Mund gerissen, und gellend, den Schwertlärm mühelos übertönend, drang der Hilferuf in die Weite.

 

Wolf hörte ihn mit Beunruhigung. Er dachte an die Begleiter des Fürsten, die am Waldrand auf ihren Herrn warteten. Ob sie den Pfiff vernommen hatten? Auf jeden Fall musste so schnell wie möglich ein Ende gemacht werden.

 

Das gab einen gewaltigen Kampf. Wolf jagte alle Kraft des Willens in den sausenden Stahl. Aber sein Gegner war ihm ebenbürtig an Stärke und Gewandtheit“. Hieb folgte auf Hieb, immer rascher klirrten die Klingen gegeneinander, dass es prasselte wie Hagelschlag.

 

Und doch war der Kampf ungleich. Skomand spürte die Last des Alters. Seine Brust hob und senkte sich in kurzen, harten Stößen, und sein Arm begann zu ermüden. Wolf bemerkte es mit stillem Frohlocken, und darüber schoss ihm plötzlich ein tollkühner Gedanke durch den Kopf. Wenn er Skomand lebendig finge! Das wäre ein sichereres Unterpfand als der Tote. Kaum gedacht, war es ausgeführt.

 

Ein gewaltiger Schlag, dicht an den Griff gezielt, riss das Schwert des Fürsten so hart zur Seite, dass es fast der matten Hand entglitt. Ein Sprung, und Wolf hatte den Gegner zu Boden gerissen.

 

Von dem schweren und unerwarteten Sturz halb betäubt, versuchte Skomand vergeblich, sich aus der eisernen Umklammerung zu befreien. Völlig erschöpft ergab er sich endlich in sein Schicksal und lag wie leblos da. Im Nu hatte ihm Wolf den Gürtel gelöst und seine Hände gefesselt.

 

Mühsam nach Atem ringend, richtete er sich auf, freudig erregt. Das war ein Sieg. Ha, Jörge! Das haben wir geschafft. Doch kein Jörge war zu sehen. Dafür ließ sich ein Pferdegetrappel hören. Erschreckt fuhr der Struter herum und lachte sogleich auf. Da kam Jörge angetrabt und zerrte das Ross des Fürsten am Zügel hinter sich her.

 

„Ein Prachtjunge bist du, Wolfson. Du denkst an alles. Und recht hast du. Jetzt heißt es ausreißen“.

 

Er packte Skomand, der immer noch ohnmächig schien, um den Leib, legte ihn auf die Achsel und schob ihn in den Sattel. Jetzt noch die Füße unter dem Bauch des Pferdes zusammenbinden ... Da schrie Jörge auf: „Die Sudauer!"

 

Was nun geschah, ging mit solcher Schnelle vor sich, dass Wolf und Wolfson gar nicht zur Besinnung kamen. Der Struter hatte sich umgewandt, als er den Schrei vernahm. In demselben Augenblick fühlte er die gefesselten Arme seines nun gar nicht mehr ohnmächtigen Gefangenen um seinen Hals gestreift. Verzweifelt suchte er sich zu befreien, er riss den Fürsten aus dem Sattel, so dass beide stürzten, aber die Fessel hielt. Noch einmal vermochte er sich Luft zu schaffen, um Jörge zuzuschreien: „Flieh!" Dann traf ein harter Schlag seinen Schädel und um ihn war schwarze Nacht.

 

Wie wilde Teufel waren die sudauischen Reiter auf ihren kleinen, struppigen Pferden herangerast. Jörge hatte unerschrocken seinen Spieß erhoben und sich ihnen entgegengestellt, da hörte er den Ruf des Struters. War's ein Befehl? Ein Blick zeigte ihm, wie es stand, und doch zögerte er für eines Herzschlags Länge. Dann schleuderte er mit grimmiger Wut seinen Spieß und traf so gut, dass der erste Reiter zu Boden krachte. Ein paar gehetzte Sprünge, und das schützende Dickicht des Waldes nahm ihn auf.

 

Jörge rannte durch den dunkelnden Wald. Die Zweige des Gebüsches peitschten ihm Hände und Gesicht, dass sie bluteten. Aber er achtete dessen nicht. Ihn trieb nur ein Gedanke: Vorwärts, zu Unsatrape!

 

Als er glaubte, dass er dem See nahe sein müsste, blieb er stehen, rang mit aller Kraft den keuchenden Atem nieder, um zu lauschen. Nichts war zu hören als das wilde Hämmern seines Herzens und das Rauschen des Blutes. Aber auch, als er sich ein wenig erholt hatte, war nichts anderes zu erhorchen. Der Wald schlief friedlich und still. Ob sie seine Spur verloren hatten? Oder waren sie ihm gar nicht gefolgt? Scheuten sie den Zorn des Gottes, der seinen eigenen Priester erschlagen hatte? Wie dem auch sein mochte, es blieb still, und Jörge setzte seinen Weg langsam fort. Am Ufer des Sees machte er halt und ruhte, bis die Nacht vollends herniedergesunken war.

 

Herrlich ist solch eine Nacht der Ruhe nach dem Gewitter. Der Vollmond ging am Himmel auf und schlug eine silberne Brücke über die schwarze Flut des Sees. Die Wellen rauschten ganz, ganz leise, und flüsternd antwortete ihnen das geschwätzige Schilf. Nur dann und wann krächzte ein Vogel im Schlaf auf.

 

Aber Jörg hätte sich viel lieber einen sausenden Sturm gewünscht und eine pechrabenschwarze Finsternis. Bei solch hellem Mondlicht war der Rückweg äußerst gefährlich. Er hielt sich darum immer unmittelbar am Wasser, um beim geringsten Warnzeichen sich im Schilf bergen zu können. Vorsichtig schritt er aus und durfte doch nicht säumen, damit der Morgen ihn nicht überraschte, ehe er das andere Ufer und die schützende Wildnis erreicht hatte.

 

Der nächtliche, einsame Marsch durch Feindesland stellte unerhörte Anforderungen an Körper und Geist. Aber Jörge hielt tapfer durch. Gerade als die Sonne über dem offenen Lande aufging, nahm ihn die Wildnis auf, und um die Mittagszeit langte er in dem Versteck Unsatrapes und seiner Bande an.

 

Als Unsatrape den leisen Ruf des Wächters: „Wolfson!" vernommen hatte, war er aufgesprungen und dem Knaben entgegengeeilt. Der taumelte ihm in die Arme. Nur drei Worte stieß er mit versagender Stimme hervor: „Wolf ist gefangen!" Dann war seine Kraft erschöpft. Unsatrape bettete ihn fürsorglich in das Moos.

 

Der Struter hatte genug gehört. Darum ließ er den Knaben zunächst einmal richtig schlafen. Er setzte sich still neben ihn und schaute lange voll innigen Mitgefühls in das bleiche Gesicht, das hart, verhärmt, um Jahre gealtert schien. Was mochte der arme Junge erlebt haben! Dann begannen seine Gedanken um Wolf zu kreisen.

 

Stunden gingen darüber hin. Da regte sich Jörge, er schlug die Augen auf und blickte wild, ohne Verständnis, um sich. Als Unsatrape sich über ihn beugte, kam er zu sich und saß mit einem Ruck aufrecht: „Unsatrape, wir müssen Wolf befreien!“

 

Der Struter lächelte ihm freundlich zu: „Gewiss, mein Junge. Aber zuerst werden wir noch einmal schlafen und gründlich ausschlafen, damit wir wieder frische Kraft bekommen“.

 

Jörge widersprach voller Eifer. Doch als er sich erheben wollte, um seinen Worten Nachdruck zu geben, sank er noch einmal in Unsatrapes hilfsbereite Arme. Der setzte ihn sanft wieder nieder. Nur eines ließ Jörge sich trotz allem nicht versagen. Er musste berichten, was ihm auf dem Herzen brannte. So saß denn die Bande im Kreise um ihn herum und lauschte in atemloser Spannung der abenteuerlichen Erzählung.

 

Am nächsten Morgen sandte Unsatrape Boten aus an alle Banden der Struter und auch an Herrn Henke, den Wartsmann an der Roduppe. Kurz war die Botschaft, die sie überbrachten. Nur ein Wort: „Losschlagen!" Denn jeder wusste ja genau, was er zu tun hatte.

 

Die Sudauer spürten sehr bald, wie die Wildnis lebendig wurde. Kein Tag verging, an dem nicht eine Unglücksnachricht auf dem Skomandberg eintraf. Bald hier, bald da wurde ein Dorf überfallen und in Brand gesteckt, wer sich wehrte, erschlagen, die übrigen fortgeschleppt. Kaum wusste der Fürst noch, wohin er zuerst seine Krieger zu Hilfe schicken sollte. Auch drang das Gerücht durch, dass eine Streitmacht des Ordens sich an der Roduppe sammelte.

 

Da legte sich ein großes Bangen schwer über das Land. Denn der Tod des Kriwen war ruchbar geworden, von Mund zu Mund flog die grausige Kunde und senkte lähmendes Entsetzen in alle Herzen. Die Götter haben uns verlassen schrie es in ihnen auf und selbst den Tapfersten schwand der Mut.

 

Herr Skomand aber saß einsam in seiner Burg. Fast alle seine Mannen hatte er hinausgesandt, die Grenze zu bewachen und das Land zu schützen. Nur wenige Knechte waren als Wächter zurückgeblieben. Tag um Tag saß er in der großen dämmerigen Halle seines Hauses, schweigend, in schweres Sinnen verloren. Mit ängstlicher Scheu schlich das Gesinde umher, denn die Stirn des Herrn war umwölkt, und in seinen tiefliegenden Augen lauerte eine düstere Glut. Fortsetzung folgt.

 

Seite 7   Sieben Jahre Ural für zwei Salzfische. Bitteres Schicksal einer ostpreußischen Familie.

Kurz bevor der Krieg zu Ende ging, wurde noch mancher eingezogen. So auch Robert Sagemann, Inhaber eines Baugeschäftes und eines Fuhrunternehmens in Rossitten. Und damit begann der zwölfjährige Leidensweg einer Familie. Der Vater zog mit dem Zollgrenzschutz Richtung Westen, wurde an der Elbe von den Amerikanern gefangengenommen und schließlich an die Franzosen ausgeliefert. Währenddessen erlebten Frau Sagemann und die sechs Kinder das Vordringen der Russen. Entkommen konnten sie nicht, sie wurden überrollt. Siegfried, der Älteste, wurde gleich verschleppt und verstarb in einem russischen Lager an Hungertyphus — sechzehn Jahre war er alt.

 

Nicht nur die fünf Kinder, sondern auch ihre alten Eltern hatte Frau Sagermann nun zu ernähren. Eine einzige Lebensmittelkarte erhielt sie für sich, acht Menschen mussten damit satt werden. Eines Tages bekam sie von einem Aufseher zwei Salzfische, fiel bei der Kontrolle auf und wurde wegen Diebstahls zu sieben Jahren Straflager verurteilt, nachdem sie ein halbes Jahr lang eingekerkert war und misshandelt wurde. Im Herbst 1945 brachte man sie in den Ural zur Schwerarbeit in Steinbrüchen und im Walde. Schreiben aber durfte sie erst, nachdem sie ihre Strafe verbüßt hatte. So erhielt ihr Bruder in Sachsen ein Lebenszeichen, das er sofort weiterleiten konnte, denn ihm waren Schicksal und Aufenthalt von Herrn Sagermann und den Kindern bekannt. Als nämlich Robert Sagemann im Oktober 1945 aus französischer Gefangenschaft kam, ging er zu seinem Schwager in Großenhain/Sachsen, bei dem sich tags zuvor eine Nachricht eingefunden hatte, der zufolge die fünf Kinder in einem mecklenburgischen Flüchtlingslager lebten. Bekannte hatten sie dorthin mitgenommen. Nun holte sie ihr Vater und zog mit ihnen nach Schönbeck an der Elbe. Aber dort konnte er nicht genug verdienen, um alle satt zu machen. In Hannover fand er Arbeit in einem Steinbarackenlager und mühte sich abends ab, die Unterkunft zu verbessern. Seine Kinder hat er selbst aufgezogen und rechtschaffene Menschen aus ihnen gemacht.

 

Vor drei Jahren nun — Robert Sagermann hatte nie die Hoffnung aufgegeben, von seiner Frau zu hören — kam auf dem Umwege über den Schwager das so langersehnte Lebenszeichen. Frau Minna — die Russen nannten sie Minka — hatte in einer ukrainischen Sowjose 2500 Hühner zu versorgen. Der Briefwechsel, der nun wenigstens in Gang kam, war alles andere als regelmäßig, es kam auch nicht alles an, aber zuweilen erhielt sie über das Deutsche Rote Kreuz Geld, das sie für die Rückreise sparte. Vor zwei Jahren leiteten ihre Angehörigen ihr wiederholt Bescheinigungen zu, dass sie die deutsche Staatszugehörigkeit besitzt, aber auch diese Urkunden bekam sie nicht. Erst als das DRK ihr persönlich das Schriftstück zuleitete, fand es seinen Bestimmungsort.

 

Noch immer lag der Tag des Wiedersehens mit Mann und Kindern in der Ferne. Schließlich, eine Woche vor Weihnachten, konnte sie die Reise von Winiza aus antreten. 415 Rubel betrug der Fahrpreis. In die Bundesrepublik zu ihrer Familie zu reisen, wurde ihr nicht gestattet. In Fürstenwalde musste sie ihre eigene Wattejacke und die Stiefel gegen Rock, Strickjacke, Mantel und Schuhe umtauschen und konnte dann nach Berlin weiterreisen. Nun wollte sie wenigstens zu ihrem Bruder nach Sachsen fahren, wenn sie schon nicht nach Westdeutschland durfte. In Ostberlin fand sie aber eine junge Frau, die sie in die S-Bahn setzte, mit der Frau Sagermann unbehelligt in den Westen kam.

 

Aber noch immer musste sie sich gedulden, denn das Lager Marienfelde nahm sie zwar auf, aber die zuständigen Leute machten Weihnachtsferien und konnten den Abflug nicht genehmigen. Weitere zwei Wochen hieß es warten — aber dann konnte sie endlich, endlich im geschmückten Heim Einzug halten, in dem Roswitha, Helmut und Joachim vor zwei Jahren schon ein Schild anfertigten „Herzlich willkommen!" 14, 15 und 16 Jahre sind die Kinder alt. Die beiden ältesten waren bei dem Wiedersehen nicht dabei, denn die Tochter hatte einen Monat zuvor die Reise nach Amerika angetreten und der Sohn arbeitet in Süddeutschland und konnte nicht fort

 

Seite 7   Zweimal heimatvertrieben. Ehepaar Müller feiert die „Goldene".

Im niedersächsischen Rotenburg konnte das westpreußische Ehepaar Müller aus Neuenburg an der Weichsel das Fest der goldenen Hochzeit feiern. Erich Müller ist heute 75 Jahre alt und blickt auf ein arbeitsreiches Leben als Lehrer zurück. Nachdem er mit seiner Tätigkeit in den Kreisen Konitz und Kulm begann, musste er nach dem ersten Weltkrieg die Heimat verlassen und kam nach Mitteldeutschland. 1939 ging Konrektor Müller, einem Wunsche der Regierung folgend, wieder in die Heimat, um dort die deutsche Schule aufzubauen, leitete dann die Volksschule in Neuenburg als Rektor, die mit 22 Klassen besonders groß war.

 

Zu Beginn des Jahres 1945 musste er mit seiner Familie abermals fort, diesmal unter noch beschwerlicheren Umständen: Sieben Monate zogen sie durch den bitterkalten Winter, bis sie ein neues Zuhause fanden. Nun feierten Herr Müller und Frau Wanda Müller, geborene Paetsch, ihr Ehejubiläum.

 

Seite 7   Das gerettete Kochbuch. Ein tatkräftiger Gutsbesitzer wird Wurstfabrikant.

Die Hamburger Verwandten und Bekannten des Freiherrn von Paleske wussten dessen vorzügliche Wurst wohl zu schätzen, die er ihnen von seinem ersten Nachkriegsschweine anbot. Und da sie gerne noch mehr davon gehabt hätten, kam er auf die Idee, die Sache im Großen zu betreiben. Es war allerdings nicht ganz einfach, einen Kundenkreis zu erobern, da mussten die Baronin und der Baron schon mit einem Korb voller Ware die Geschäfte in Hamburg ablaufen. Aber die Qualität sprach schließlich doch für sich, und mittlerweile ist aus dem bescheidenen Anfang ein beachtlicher Betrieb mit stattlicher Belegschaft geworden. Die „Swaroschiner Wurst, Freiherr von Paleske, Lamstedt/Niederelbe“ — Banderole mit dem Storch ist vielen Feinschmeckern bekannt.

 

Es sind alte Familienrezepte, nach denen die prachtvolle Teewurst, die Geflügelleberpasteten und die getrüffelte westpreußische Gutsleberwurst hergestellt werden. Nichts kommt hinein, was nicht in eine gute Wurst gehört. Der Eingang zur Fabrik und zum Hamburger Verkaufsbüro ziert ein Schild: „Es ist zwecklos, mir chemische Zusätze und andere künstliche Hilfsmittel anzubieten, da ich solche grundsätzlich nicht verarbeite“.

 

Diese Familienrezepte waren so ziemlich das einzige, was die Baronin mit auf die Flucht nehmen konnte. Nach diesen Handschriften wurde seit Generationen auf dem Gute Swaroschin im Kreise Dirschau gekocht, zur besonderen Freude aller Gäste. Die Baronin erhielt am Ziel ihrer Fahrt, in Lamstedt, ein Stückchen Land, fünf mal acht Meter groß. Dort ließ sie sich eine Baracke aufstellen und richtete sich ein, so gut es ging. Und dort fand sie und die Kinder, auch der aus Gefangenschaft kommende Baron, eine Unterkunft. Als leidenschaftlicher Jäger sorgte er für das leibliche Wohl, indem er wilde Kaninchen jagte. Auch sonst verschmähte er keine Arbeit. Auf seinem 10 000 Morgen großen Gut in Westpreußen hatte er oft genug beim Schlachten mit zugefasst und reichlich Erfahrungen gesammelt. So schaffte er sich in Lamstedt ein Schwein an, mästete es und ging, als so weit war, ans Schlachten.

 

In der Baracke wohnt die Familie auch heute noch, inmitten der Fabrikgebäude und von Pflanzen umgeben. Der Baron leitet nach wie vor den Betrieb selbst und ist unermüdlich tätig. Seine Leute kommen größtenteils aus den Dörfern der Umgebung. Die Ware wird im ganzen Bundesgebiet verlangt, geht auch sogar ins Ausland.

 

Vierhundert Jahre lang saßen die Freiherrn von Paleske auf dem Gut Swaroschin, und es hätte sich wohl niemand träumen lassen, dass das alte Kochbuch einmal die Grundlage zu einem neuen Unternehmen werden sollte.

 

Seite 7   Kunstschätze zurückgegeben

Den Kirchengemeinden von Bromberg und Posen sollen nach einem Beschluss polnischer Behörden ihre wertvollen Kirchenschätze zurückgegeben werden. Sie waren seit Kriegsende in staatlichen Museen aufbewahrt worden

 

Seite 7   Der „rote Zar von Preußen'' Gedenkblatt für Otto Braun.

Den „roten Zaren von Preußen" nannten Freunde und Feinde den Mann, der in diesen Tagen, am 28. Januar 1957, 85 Jahre alt geworden wäre, wenn ihn nicht ein unbarmherziges Schicksal vor der Zeit zermürbt hätte. Wir sprechen von dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun, der mit nur geringen Unterbrechungen von 1920 bis 1933 die Geschicke des größten deutschen Bundeslandes geleitet hat, der einer der wenigen, allzu wenigen staatsmännisch angelegten Köpfe der alten deutschen Sozialdemokratie war und der in seinen Memoiren schrieb, er sei stolz, ein Preuße und ein Deutscher zu sein.

 

Otto Braun, geboren 1872 zu Königsberg in Ostpreußen als Sohn eines Kasernenwächters, ist den typischen Weg des deutschen Arbeiterführers der Wilhelminischen Ära gegangen. Er erlernte das Stein- und Buchdruckergewerbe, wurde Druckereibesitzer, Redakteur, Landtags- und Reichstagsabgeordneter und 1918 als Organisator des ersten sozialistischen Landarbeiterverbandes preußischer Landwirtschaftsminister. Aber selbst in den Kreisen seiner Gegner aus dem ostelbischen Grundbesitz erkannte man an, dass der so wuchtig und kraftvoll erscheinende, nüchtern und oftmals undoktrinär denkende Mann ein redlicher Treuhänder des preußischen Erbes wurde.

 

1925 schien Otto Brauns größte Stunde gekommen. Nach dem Tod Friedrich Eberts wurde er von der SPD als Kandidat für die Reichspräsidentenwahlen aufgestellt.

 

Sieben Jahre später, im Frühjahr 1932, nahte seine schwärzeste Stunde. Der überwältigende Wahlsieg der Nationalsozialisten bei den preußischen Landtagswahlen beseitigte die parlamentarische Basis für das Braunsche Koalitionskabinett aus Vertretern der SPD, des Zentrums und der Demokraten. Otto Braun glaubte an den demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Es lag ihm nicht, revolutionären Entwicklungen Gewalt entgegenzusetzen. Sein Plan, Preußen und das Reich enger zu verbinden, indem sich der amtierende Reichskanzler Brüning zum preußischen Ministerpräsidenten wählen ließ, während er selbst Vizekanzler wurde, war an Brünings Scheu gescheitert, innenpolitische Entscheidungen vor der Lösung der außenpolitischen Probleme, vor allem der Reparationsfrage, zu treffen.

 

Otto Braun resignierte und ging in Urlaub, Er hielt die Sache der deutschen Demokratie bereits für verloren. Was dann am 20. Juli 1932 in Preußen geschah, die Absetzung der geschäftsführenden Landesregierung durch Reichskanzler v. Papen, war auch in seinen Augen im Grunde unausweichliche Lösung, wollte man Preußen nicht Hitler überantworten, wenn auch Zeitpunkt und Methoden ihm unglücklich erschienen.

 

Zum letzten Male versuchte er, noch immer legitimer preußischer Ministerpräsident, im Januar 1933, den Reichskanzler General Schleicher zu einer gemeinsamen Politik der starken Hand gegen die NSDAP zu bewegen. Den Warnungen des ihm ähnlich gearteten Gustav Noske zum Trotz, versagte ihm hier indes die eigene alte Partei die Gefolgschaft.

 

Es war der greise Feldmarschall-Präsident von Hindenburg, der ihm Anfang März 1933 eine Warnung zukommen ließ, seine Sicherheit sei gefährdet. Otto Braun ging ins Exil, ein Mann, dessen ursprünglich so robuste Kraft in zwölf bitterschweren Amtsjahren verbraucht war. Im Exil in der Südschweiz ist er auch, nahezu 84-jährig, im Dezember 1955 gestorben

 

Seite 7   Geburtstagsgruß für „Tante Martha"

Liebe Tante Martha! Wären wir jetzt noch alle zusammen im schönen Mühlhausen, wäre zu Deinem Ehrentage am 4. Februar ein Fest fällig gewesen, größer als Kaisers Geburtstag und schöner noch als unsere Sommer- und Winterfeste, die wir einst unter Deiner Leitung feiern konnten und die uns unvergesslich in Erinnerung bleiben werden. So aber, verstreut in alle vier Winde, bleibt uns nur. Dir zu Deinem 85. Geburtstag alles Gute und einen sonnigen Lebensabend zu wünschen.

 

Gerne denken wir an die Zeit vor fünfzig Jahren zurück. Wer erinnert sich da nicht unserer einstigen Klavierlehrerin, unserer Tante Martha, die in dem alten Ordensstädtchen für die Jugend einfach die Persönlichkeit war. Jeden Sommer versammelten wir uns einmal vor ihrem Haus, und dann ging es, nach einem Rundgang durch die Stadt in unseren schönen Stadtwald, wo wir bei Spiel und Tanz fröhlich den Tag verbrachten. Wenn es dunkel wurde, zogen wir mit Lampionbeleuchtung wieder in die Stadt. Im Winter gab es dann ein Saalfest, bei dem die besten Schüler ihr Können beweisen konnten. Diese Feste zählen zu den schönsten Erinnerungen an die Heimat.

 

Wir Schüler danken auf diesem Wege Tante Martha Koch für ihr unermüdliches Wirken in unserer Stadt auf kulturellem Gebiet, und wir würden uns freuen, wenn wir auf unserem diesjährigen in der Patenstadt Kellinghusen ein fröhliches Wiedersehen mit ihr feiern könnten.

 

Inzwischen einen herzlichen Geburtstagsgruß von ihren ehemaligen dankbaren Klavierschülern.

 

Fräulein Martha Koch verbringt ihren Lebensabend im Altershelm Gleschendorf, Post Pönitz

 

 

Seite 7   Aus der alten Zeit, die wirklich gut war!

Das war Damals , als wir in Ostpreußen noch Gesangvereine und andere Vereine hatten. Der Winter verging nicht nur deshalb so schnell, weil der Alltag bei Bürger und Bauer mit Arbeit und Schlittenfahrten und bei den Kindern mit Rodeln und Schlittschuhlaufen angefüllt war, und weil man die langen Abende in Stadt und Land bei nachbarlichen Besuchen, verbunden mit „Spoaßkes" Grog trinken verbrachte. Nein, die winterliche Atmosphäre war noch mit anderen Spannungen geladen, weil fast alle vierzehn Tage ein bereicherndes, schönes „Vereinsfest" stattfand, angefangen beim Feuerwehr- und Ziegenzüchterverein und endend mit dem Hausfrauen- und Gesangverein.

 

Der ostpreußisch redende, sangesfrohe Leiter des Gesangvereins in R. hatte sogar im Karneval aktive und passive Mitglieder zu einem Kostümfest eingeladen. Ich konnte nur als passives Mitglied hingehen, weil meine, beinahe männlich gefärbte Stimme nicht in den Frauenchor hineinpasste.

 

Daher erschien ich als Steiermärker „Sepp" in „Krachledernen", grauer Joppe und mit dem Gamsbart (siehe: Rasierpinsel) geschmückten Hut und sang als Eingangslied: „I bin a Steirerbua und hoab‘ a Kernnatur! I mach gewiss koa Schand' meim lieben Steirerland! Denn in der Steiermark, doa soan d' Leut' groß und stark, soan wie de Tanneboam bei uns doahoam“. Ein lange geübter zünftiger Schuhplattler, den ich mit meiner Schwester, der „Vroni" tanzte, schloss sich an und erregte das Wohlwollen besonders des weiblichen Teils der Gäste. Vor allem der „Königin Luise" im hochgegürteten Empirekleid hatte ich es angetan. Da sie mir ebenso wie die andern den „Steirerbua" glaubte und gar nicht auf den Gedanken kam, eine Frau könne in den „Krachledernen" stecken, errötete sie jedes Mal lieblich und geschmeichelt, wenn ich sie zum Tanze holte; und bei der Damenwahl holte sie mich.

 

Meine Schwester hatte in ihr blaukariertes Schnupftuch ein Stück Käse eingebunden, ich in mein rotkariertes ein halbes Brot. Davon säbelten wir von Zeit zu Zeit beachtliche Happen ab und vertilgten sie mit bäuerlichem Appetit. Wir saßen neben Herrn und Frau Neureich, die die Finger mit „edelsteinbesetzten" Ringen überzogen und die Brust mit mehreren Ketten bedeckt hatten. Sie trug vier Ketten, er zwei Uhrketten; die eine Uhr hatte er in der Westentasche, die andere baumete auf dem dicken Bauch. Mitleidig sagte Frau Neureich zu ihrem Mann: „Eugen, gib den Leuten doch etwas!" Und Eugen blinzelte der Vroni herablassend über die Schulter zu und reichte ihr großmütig ein in Stanniol gewickeltes Fünfmarkstück aus Schokolade.

 

Der Leiter des Gesangvereins — übrigens in seinem Privatleben der Rektor der Schule — war als samländischer Bauer ausstaffiert und sorgte für die leichtbeschwingte Unterhaltung der Gäste. Seine Frau hatte das Kleid angezogen, das sie vor fünfundzwanzig Jahren in ihrer Verlobungszeit geschmückt hatte: den Faltenrock mit enger Schnibbentaille, Tunika und „cul de Paris", dazu den radförmigen Hut mit Pleurosen und einem Blumengarten darauf. Doch gegen Mitternacht legte sie dieses Gewand ab und kam Arm in Arm mit ihren beiden Söhnen, einem Primaner in roter Mütze und einem blaubemützten Obertertianer. Sie selbst trug Jacke, Hose und Mütze wie ihre Söhne und sah bezaubernd jung aus.

 

Als das Dreigespann an dem Gatten und Vater vorbeidifilierte, stand dieser bewundernd still, klatschte in die Hände und rief beifällig: „Wie von eene Su gefarkelt!" L. K.

 

Seite 7   Domnauer-Streich

Die Domnauer hatten einen großen Bau vor, und weil in der Stadt nicht ein genügender Platz war, so behielten sie die Balken vor dem Tore. Nun war es aber schwer, die behauenen Balken ins Tor zu bringen, denn seine Öffnung war nicht so breit, als die Balken lang waren, und wenn die Domnauer nun mit einem Balken die Quere gegen das Tor liefen, so kamen sie immer nicht durch. Sie berieten lange hin und her, woran das liegen möge und kamen endlich überein, dass das Tor zu klein sei und abgebrochen werden müsse. Da gerade flog ein Vögelchen mit einem sehr langen Strohhalm durch das Tor, und die Domnauer wunderten sich höchlich, wie leicht es durchkam, das Vögelchen aber schrie ihnen zu: „Spötz nao vär! Spötz nao vär!"

 

Die Domnauer verachteten den guten Rat nicht, kam er auch nur von einem dummen Vogel her; sie drehten den Balken um, und trugen ihn der Länge nach ohne Anstoß durch das Tor und freuten sich sehr, dass sie es nicht abzubrechen brauchten.

 

Seite 7   Herr Kiehl huckt aufm Riemen

Es ist Nacht. Wir alle liegen in tiefem Schlummer. Da plötzlich klingelt das Telefon. Wir warten und schon bald ertönt auf der Treppe das von uns mit Spannung erwartete Gezeter der treuen Maria, die „Telefondienst" hat. Immer wieder entzückte uns die Klagelitanei. „Ach Jottche nein, das Gebimmel macht einem janz meschugge, nich mal die Nacht hat man Ruhe“. Dabei schlurft sie auf großen Filzpantoffeln die Treppe hinunter.

 

„Ja, hier bei Kiehl. Was meinen Sie? Das Licht brennt nicht? Na, zu was brauchen Sie die Nacht Licht? Das jeht mich nuscht an?" Die Stimme ist jetzt so laut, dass wir oben unsere Ohren nicht mehr zu spitzen brauchen. „Sie wollen mir sagen, wo Sie wohnen? Das will ich ja gar nich wissen. Was sagen Sie, ob der Herr Kiehl wieder aufm Riemen huckt?" Da mein Vater wusste, dass die treue Seele auf diese Frage recht blumige Antworten zu geben pflegte, ging er selbst an den Apparat und Maria hierauf unter lauten Verwünschungen auf das „damliche Telefon" ins Bett.

 

Mein Vater belehrte den Anrufer, dass er nicht auf dem Riemen sitze, sondern seine wohlverdiente Nachtruhe halte. Ja, Ja — er würde im Werk nachhören und, wenn nötig, jemanden hinüberschicken. Damit war das nächtliche Intermezzo beendet. Der Besitz des Elektrizitätswerkes im unvergesslichen Heilsberg hatte also auch seine Schattenseiten. Die stereotype Frage aber bei Lichtstörungen, ob mein Vater wieder auf dem Riemen sitze, erheiterte uns jedes Mal und entlockt uns auch heute in der Erinnerung noch manches — freilich etwas wehmütige — Schmunzeln. Gisela Gembicki, geb. Kiehl

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Alleinen bei Neukuhren, Kreis Samland, bei der Großmutter Maria Scheffler wird Karl-Heinz Scheffler, geb. am 13. Februar 1940, gesucht von seiner Mutter Erika Scheffler, geborene Schiermann, geboren am 3. Dezember 1916 in Königsberg.

 

Aus Bartenstein, Pulverstr. 3, werden Heinz-Klaus Papajewski, geb. am 21. September 1937/1938 in Bartenstein, und Elfriede Papajewski, geboren am 29. November 1934/1936 in Bartenstein, gesucht von ihrem Vater Emil Papajewski, geboren am 22. September 1905. Heinz-Klaus Papaj ewski war zuletzt in einem Kinderheim im Schwarzwald. Die letzte Nachricht von dort war vom 6. Dezember 1944 an seine Großmutter Anna Hüttig, Bartenstein. Elfriede Papajewski war zuletzt im Kindererziehungslager in Rastenburg/Ostpreußen. Die letzte Nachricht von dort war vom Herbst 1944.

 

Aus Goltzhausen, Kreis Labdaiu, werden die Geschwister Gerhard Schlegge, geboren am 31. Mai 1942, Friedrich Schlegge, geboren am 19. Juli 1935, Eva Schlegge, geboren am 28. Juli 1934 in Pillau, und Erika Schlegge, geboren am 19. Mai 1933 in Pillau, gesucht von ihrem Vater Hermann Schlegge, geboren am 28. September 1897 in Bärwalde, Kreis Labiau.

 

Aus Grünau bei Grieslienen, Kreis Allenstein, wird Gerhard Klaukien, geb. am 18. Juni 1944, gesucht von seiner Mutter Emma Klaukien, geborene Slopinski, geboren am 11. März 1911 in Klein-Maransen, Kreis Osterode/Ostpreußen. Das Kind wurde der Mutter im Januar 1945 auf dem Transport in Schneidemühl von Schwestern des Deutschen Roten Kreuzes abgenommen.

 

Aus dem Kinderheim „Josef-Stift" in Heilsberg wird Georg Hohrnann, geb. am 23. November 1934, gesucht von seiner Mutter Helene Schulz, geschiedene Plaumann, geborene Hohmann, geboren am 29. Mai 1914. Der ältere Bruder, Bruno Hohmann, wird auch noch gesucht.

 

Aus Julienhöfen, Kreis Sensburg, wird Bernhard Sielke, geboren am 4. September 1933 in Julienhöfen, gesucht von seinen Eltern Marie Sielke und Leonhard Sielke, geboren am 8. Januar 1911 in Gutzkow.

 

Aus Königsberg, Hans-Sagan-Straße 132, wird Hans-Jürgen Jordan, geboren am 17. Februar 1940 in Königsberg, gesucht von seinem Vater Walter Jordan, geboren am 3. November 1914. Die Mutter, Edeltraut Jordan, soll nach Mai 1945 mit dem gesuchten Knaben und einer Frau Bierfreund in einem Lager gewesen sein. In diesem Lager ist die Mutter verstorben. Frau Bierfreund, die früher ebenfalls in Königsberg. Hans-Sagan-Straße wohnhaft war, soll eventuelle Auskunft über das Schicksal des Kindes geben können.

 

Aus Königsberg, Oberhaberberg 6, wird Ewald Mai, geboren 1938 in Königsberg, gesucht von Margarete Rupp, geborene Mai, geboren am 4. August 1912. Die ältere Schwester Helga Mai wird ebenfalls noch gesucht. Die letzte Nachricht war vom April 1945 aus Königsberg.

 

Aus Königsberg, Ostendorfstraße 3, werden Waltraut Konietzko, geboren am 19. Februar 1940, und Siegfried Konietzko, geboren am 19. Februar 1938 in Königsberg, gesucht von ihrer Mutter Margarete Konietzko, geborene Gromball, geboren am 16. Februar 1915 in Pobethen. Die Kinder befanden sich am 30. Januar 1845 auf dem Dampfer „Memel".

 

Aus Königsberg, Sackheimer Mittelstraße 50, werden Harry Krompholz, geb. am 18. Man 1938, und Christel-Lieselotte Krompholz, geboren am 13. März 1933 in Königsberg, gesucht von ihrer Schwester Ingeborg Krompholz und ihrer Tante Elisabeth Migge. Die Mutter, Gertrud Krompholz, geboren am 26. Juli 1900, und die älteren Geschwister Ursula Krompholz, geboren am 15. Juni 1929, und Erwin Krompholz, geboren am 30. April 1927, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Königsberg, Schnürlingstraße 20, wird Hans Specht, geboren am 2. Januar 1936 in Königsberg, gesucht von Franziska Radtke, geborene Specht, geboren am 1. November 1888 in Ziessau, und von Erika Tomuschat.

 

Aus Königsberg-Kalgen, Bachweg 7, wird Edeltraut Wenk, geboren am 18. November 1942, gesucht von ihrem Vater Karl Wenk, geboren am 14. Juli 1908. Edeltraut Wenk wurde am 24. Februar 1945 mit Erna Rautenberg, geboren 1935, aus Osterode/Ostpreußen, durch Frau Erna Müller in das NSV-Kinderheim Heiligenbeil eingeliefert und wird seitdem vermisst. Wo befindet sich Erna Rautenberg, die eventuell Auskunft geben kann?

 

Aus Köslienen, Kreis Allenstein, werden Benno Schlegel, geboren am 10. April 1940, und Heinrich Schlegel, geboren am 25. April 1935 in Köslienen, gesucht von ihrem Großvater Anton Schlegel, geboren am 1. September 1891 in Knopen.

 

Aus Kosnehnen bei Medenau, Kreis Samland, wird Helmut Röttcher, geboren am 4. Mai 1935, gesucht von seiner Tante Helene Christoph, geborene Schäfer, geboren am 13. Mai 1904 in Fuchsberg.

 

Aus Neubartelsdorf, Kreis Allenstein, wird Gert-Heinz Kambert, geboren am 9. Mai 1938 gesucht von seiner Mutter Ottilie Kambert, geborene Jewan, geboren am 17. September 1908 in Layhs. Das Kind ist im Januar/Februar 1946 beim Treck in Landsberg/Ostpreußen von der Mutter abgekommen.

 

Aus Osterode, Jakobstraße 35, wird Manfred Ehrhard Ritter, geboren am 11. Juni 1942 in Osterode, gesucht von seinem Vater Bruno Ritter, geboren am 15. Januar 1912. Manfred Ritter befand sich seit Mai 1943 bei Frau Erna Ruhr, geborene Meier, in Osterode, Burgstraße, in Pflege.

 

Aus Pirk, Kreis Allenstein werden Ernst Gromnitza, geboren 1942. Benno Gromnitza, geboren 1940, und Bruno Gromnitza, geboren 1938, gesucht von ihrem Bruder Eduard Gromnitza. Die Mutter Johanna Gromnitza, geborene Hermanski, und die älteren Geschwister Hildegard Gromnitza, Adelbert Gromnitza, Helene Gromnitza und Bernhard Gromnitza, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Spiegelberg, Kreis Allenstein, werden Erika Schulz, geboren am 10. Januar 1939, und Christel Schulz, geboren am 26. Dezember 1936, gesucht von Viktor Schulz, geboren am 20. September 1908 in Spiegelberg.

 

Seite 8   Sparguthaben bei ländl. Kreditgenossenschaften in Ostpreußen und Westpreußen

Dem Deutschen Raiffeisenverband e. V., Bonn, Koblenzer Straße 12, liegen Geschäftsunterlagen über Sparkonten der nachstehend aufgeführten ländlichen Kreditgenossenschaften vor. Wer beim Ausgleichsamt oder einem Kreditinstitut einen Entschädigungsantrag gestellt hat, kann diese Stellen veranlassen, die erforderlichen Unterlagen beim Raiffeisenverband anzufordern. Bescheinigungen über Sparguthaben können nur auf diesem Wege erteilt werden.

 

Angerburg, Raiffeisenbank

Aulenbach, Kreis Insterburg, Raiffeisenkasse

Barenhütte, Kreis Danzig, Raiffeisenkasse

Basien, Kreis Braunsberg, Raiffeisenkasse

Borschimmen, Kreis Lyck, Reiffeisenkasse

Cranz, Kreis Samland, Raiffeisenkasse

Damerau, P. Köllm.-Damerau, Kreis Wehlau, Raiffeneisenkasse

Deutschendorf, über Mühlhausen, Kr. Pr.-Holland, Raiffeisenkasse

Deutsch-Eylau, Kreis Rosenberg, Raiffeisenbank

Dietrichswalde, Kr. Allenstein, Raiffeisenkasse

Ebenfelde, Kreis Lyck, Raiffeisenkasse

Ebenrode, Raiffeisenbank

Elbing, Raiffeisenbank

Fydtkau, Kreis Ebenrode, Raiffeisenbank

Fließdorf, Kreis Lyck, Raiffeisenkasse

Fordon, Kreis Bromberg, Raiffeisenkasse

Frauenburg, Kreis Braunsberg, Raiffeisenbank

Friedensberg, Kreis Gerdauen, Raiffeisenkasse

Friedland, Kreis Bartenstein, Raiffeisenbank

Fuchsberg, Kreis Samland, Raiffeisenkasse

Fürstenau, Kreis Gr.-Werder, Raiffeisenkasse  

Garnsee, Kreis Marienwerder, Raiffeisen Spar- und Darlehnskasse

Gerwen, Kreis Gumbinnen, Raiffeisenkasse

Goldap, Kreis Goldap, Raiffeisenkasse

Goldap , Kreis Wehlau, Raiffeisenkasse

Golmkau, Kreis Danzig-Land, Raiffeisenkasse

Goßlerhausen, Kreis Strasburg, Raiffeisenkasse

Grabowitz, Kreis Thorn, Raiffeisenkasse

Groß-Engelau, Kreis Wehlau. Raiffeisenkasse

Großgarten, Kreis Angerburg, Raiffeisenkasse

Groß-Leistenau, Kreis Graudenz, Raiffeisenkasse

Groß-Lemkendorf, Kreis Allenstein, Raiffeisenkasse

Groß-Nessau, Kreis Thorn, Raiffeisenkasse

Großwaltersdorf, Kreis Gumbinnen, Raiffeisenkasse

Grützen, Kreis Schwetz, Raiffeisenkasse


 

Güntersruhm, Kreis Plönen, Raiffeisenkasse

Guhringen, Kreis Rosenberg, Raiffeisenkasse

Gulbien, Kreis Rosenberg, Raiffeisenkasse

Gumbinnen, Raiffeisenbank

Heiligenthal, Kreis Heilsberg, Raiffeisenkasse

Heydekrug, Raiffeisenkasse

Immenheim, Kreis Wirsitz, Raiffeisenkasse

Johannisburg, Raiffeisenbank

Kinen, Kreis Heydekrug, Raifeisenkasse

Köllm.-Damerau, Kreis Wehlau, Raiffeisenkasse

Damerau Königsberg / Pr., Ostpreußische Raiffeisenbank

Kumehnen, Kreis Samland, Raiffeisenkasse

Landsberg, Kreis Pr. Eylau, Raiffeisenbank

Langenau, Kreis Bromberg, Raiffeisenkasse

Lessen, Kreis Graudenz, Raiffeisenkasse

Lichtenfeld, Kreis Heiligenbeil, Raiffeisenkasse

Liebemühl, Kreis Osterode, Raiffeisenkasse

Lüben, Kreis Thorn, Raiffeisenkasse

Lubichau, Kreis Pr. Stargard, Raiffeisenkasse

Mallwen, Kreis Schloßberg, Raiffeisenkasse

Mehlsack, Kreis Braunsberg, Raiffeisenbank

Migehnen, Kreis Braunsberg, Raiffeisenkasse

Momehnen, Kreis Gerdauen, Momehner Spar- und Darlehnskassenverein

Nemmersdorf, Kreis Gumbinnen, Raiffeisenkasse Neuenburg,

Kreis Schwetz, Raiffeisenbank

Neukirch, Kreis Elchniederung, Raiffeisenkasse

Niederzehren, Kreis Marienwerder, Raiffeisenkasse

Norkitten, Kreis Insterburg, Raiffeisenkasse

Osterode, Raiffeisenkasse

Pappeln, Kreis Schwetz, Raiffeisenkasse

Plibischken, Kreis Wehlau, Raiffeisenkasse

PöIschen, Kreis Karthaus, Raiffeisenkasse

Prökuls, Kreis Memel, Raiffeisenkasse

Prostken, Kreis Lyck, Raiffeisenkasse

Prust, Kreis Schwetz, Raiffeisenkasse

Rehden, Kreis Graudenz, Raiffeisenkasse

Rehhor, Kreis Stuhm, Raiffeisenkasse

Rossitten, Kreis Samland, Raiffeisenkasse

Rucken, Kreis Heydekrug, Raiffeisenkasse

Rückfort, Kreis Marienburg, Raiffeisenkasse

Russ, Kreis Heydekrug, Raiffeisenkasse

Saalfeld, Kreis Mohrungen, Raiffeisenbank

Santoppen, Kreis Rössel, Raiffeisenkasse

Sedlinen, Kreis Marienwerder, Raiffeisenkasse

Seeburg, Kreis Rössel, Raiffeisenbank

Schalmey, Kreis Braunsberg, Raiffeisenkasse

Schulen, Kreis Tilsit-Ragnit, Raiffeisenkasse

Schillfelde, Kreis Schloßberg, Raiffeisenkasse

Schirrau, Kreis Wehlau, Raiffeisenkasse

Schirwindt, Kreis Schloßberg, Raiffeisenkasse

Schloßberg, Raiffeisenbank

Schröttersburg, Reg.-Bez. Zichenau, Raiffeisenbank

Strigengrund, Kreis Insterburg, Raiffeisenkasse

Stucken, Kreis Elchniederung, Raiffeisenkasse

Sturmhübel, Kreis Rössel, Raiffeisenkasse. Sturmhübel-Plausen zu Sturmhübel

Stutthof, Kreis Gr.-Werder. Raiffeisenkasse

Tegnerskrug, Kreis Schloßberg, Raiffeisenkasse.

Trunz, Kreis Elbing, Raiffeisenkasse

Vogelsang, Kreis Heiligenbeil, Raiffeisenkasse.

Wargen, Kreis Samland, Raiffeisenkasse

Wartenburg, Kreis Allenstein, Raiffeisenbank.

Weidenau, Kreis Tilsit-Ragnit, Raiffeisenkasse .

Willkischken, Kreis Tilsit-Ragnit, Raiffeisenkasse.

Wischwill, Kreis Tilsit-Ragnit, Raiffeisenkasse

Wormditt, Kreis, Kreis Braunsberg, Ermländische Zentralkasse

 

Seite 9  Königsberger Winkel / Von Herbert Meinhard Mühlpfordt

XIII. Der Altgroßgärter Friedhof

Wie der Name schon sagt, weideten auf dem Roßgarten die Pferde, der Löbenichter nämlich. Später wurde diese Straße, die vom Kreuztor am Blauen Krug vorbei durchs Samland und über die Kurische Nehrung nach Riga führte, bebaut. Besonders setzte hier Herzog Albrecht um ihres Glaubens willen vertriebene Holländer an. So wuchs auch diese Vorstadt des stillen Löbenicht allmählich, und man ging daran, den „Roßgärtnern" ein Kirchlein zu bauen. Der Löbenicht war aber nicht reich, und deshalb musste lange Zeit ein Kapellchen aus Holz den frommen Kirchgängern genügen.

 

Aber 1651 war es endlich so weit, dass man an den Bau einer Kirche gehen konnte. Um den Gottesdienst nicht zu unterbrechen, baute man sie um die Holzkapelle herum, die man erst 1683 abriss, als nach 32-jähriger Bauzeit der dreischiffige, auf 18 Pfeilern ruhende Neubau mit flachem Holzgewölbe überspannt war. Der Turm blieb unvollendet und wurde vorläufig mit einem Zeltdach gedeckt. Bei diesem Provisorium ist es dann geblieben.

 

Neben dem zweiten östlichen Fenster der Südfront, also an der Altroßgärter Kirchstraße neben dem hinteren Eingang, waren drei Ziegel säuberlich an die Wand gemauert. Von ihnen erzählt die Sage, dass der Voranschlag so gut und genau berechnet worden war, dass diese drei Ziegel als einzige Unrichtigkeit — und zwar auf der Habenseite — übrig blieben. Wir dürfen diese Musterrechnung schon glauben, denn die Roßgärter Gemeinde war zwar groß, aber arm wie eine Kirchenmaus Was Wunder, wenn ihre tüchtigen Pfarrherren den Baumeistern auf die Finger guckten!

 

Noch um 1900 sah sich die bitterarme Gemeinde genötigt, in ihren beiden barocken Beichtstühlen von den Abendmahlsgästen die Abendmahlsgroschen in Empfang zu nehmen, um Wein und Oblaten bezahlen zu können!

 

Mancher wird sich schon gefragt haben, wie in evangelische Kirchen, besonders solche, die, wie die Altgroßgärter, erst in evangelischer Zeit gebaut wurden, Beichtstühle hineinkamen. Das erklärt sich daraus, dass auch die evangelische Kirche noch lange Zeit, bis ins 18. Jahrhundert hinein, die Beichte abnahm.

 

Im Innern enthielt die Kirche eine schöne Barockausstattung: die Kanzel von 1666, von einem Engel getragen, mit schöner Kanzeltür und Deckel; der Altar von 1672; die Orgel, an deren Brüstung sich ein Kranz entzückender Engelsputten durch den Raum schwang, und die Taufkapelle von 1692 mit prächtiger Schnitzerei.

 

Der Gottesacker mit seinen schönen alten Bäumen war zu einem schattigen Spielplatz für Kinder und Ruheplatz für alte Leute geworden — ein rechter stiller Königsberger Winkel. Hier konnte man stundenlang sitzen und von alten Zeiten träumen: von den beiden Liebenden, denen auf dem gemeinsamen Grabe zwei Bäume gepflanzt wurden, die sich so ineinander verschlungen, wie es nur Liebende tun. Der Humorist Theodor Gottlieb von Hippel, von Beruf Königsbergs Stadtpräsident, erzählte diese Geschichte. Aber schon in meiner Jugend waren diese Bäume längst nicht mehr da, jede Liebe vergeht eben einmal.

 

Oder man konnte in Gedanken dem Plätschern und Murmeln des Brunnens zuhorchen, der an der Ostseite der Kirche am Ende der Kirchenstraße, im Pfarrgarten in alter Zeit — die Sage sagt nicht wann — einer Witwe Dorothea Gnadcowius gehörte Er besaß eine ans Wunderbare grenzende Heilwirkung und schützte auch Frauen vor Unfruchtbarkeit. Kranke kamen aus allen Himmelsrichtungen und verließen den Wunderbrunnen geheilt. Da legte der Teufel des Geizes der Witwe den Entschluss ins Herz, Geld für die Abgabe des heilkräftigen Wassers zu verlangen, und von Stund an versiegte der wundertätige Brunnen.

 

Auch die Gräber erzählen alte Geschichten: Da war das Grab des Apothekers Carl Gottfried Hagen, der die schöne barocke Hofapotheke in der Junkerstraße besaß, die 1913 so leichtfertig abgerissen wurde. Er lebte 1749 bis 1829 und war der berühmteste der Apothekerfamilie der Hagen. Er war Dr. med. et phil. Professor der Chemie und Physik an der Albertina und der Begründer der wissenschaftlichen Pharmazie. Seinen Bemühungen verdankte die Universität 1811 den Botanischen Garten. Sein Sandsteinmedaillon blickte vom Obergeschoß der Universität auf den Königsgarten herab. Ein mächtiger Granitwürfel, an den unteren Ecken vier klassizistische Urnen, schmückten sein Grab. Auch sein Sohn Ernst August von Hagen, Kunstkritiker und Begründer der „Prussia" (1797 - 1880) lag hier. Ferner befanden sich hier die Gräber des Historikers Johannes Voigt (1786 - 1863), des Altphilologen und Altertumsforschers Christian August Lobeck (1781 - 1860) und des Direktors des Friedrichskollegiums Friedrich August Gotthold (1778 - 1850).

 

An der Nordseite der Kirche lag das Erbbegräbnis der Familie des Stadtrates Johann Gottfried Beckenstein. Es war mit einer 1784 von dem weiland Königsberger Schlossermeister Johann Michael Sommer hergestellten Rokokotür verschlossen, die mit ihren Rosen, Blätterranken, Trauben nicht nur hervorragendes Können, sondern auch feinsten Gedankenreichtum bezeugte. Was leisteten doch die einfachen Handwerksmeister früherer Zeiten! Sommer war sich seines überragenden Könnens wohl bewusst. Hätte er sonst in diese Tür sein Signum eingegraben: Fecit J. M. Sommer, den 2. März 1785?

 

Dieser geruhsame Königsberger Winkel ist dahin. Schon während des zweiten Weltkrieges entstand dort ein Bunker und bereits in der ersten Bombennacht vom 26./27. August 1944 legten die Engländer den Roßgarten und mit ihm als erstes Opfer Königsberger Kunstschätze die Altroßgärter Kirche in Trümmer. Noch nicht die entsetzliche Zerstörung ahnend, die Königsberg drei Tage später bieten sollte, sah ich voller Trauer im Kirchenschiff die zierlichen Barockengelein, die so lange die Orgel umflattert hatten, zerschlagen unter Glasscherben, Balken und Holztrümmern am Boden liegen.

 

Seite 9   Foto: Elch in der winterlichen Landschalt des Nehrungswaldes Letzte Begegnung /

Foto: Rosner

 

Seite 9   Letzte Begegnung / Willy Rosner

Der alte Fischer Pettkus hatte mich an schönen Sommertagen gelegentlich schon zum Fischfang mitgenommen. Doch als ich ihn fragte, ob er mich jetzt im Winter nicht auch einmal in seinem Pferdeschlitten an die ihm bekannten Lieblingsplätze der Elche bringen wolle, lehnte er ab. Er habe keine Lust, für Großstädter den Fremdenverkehr zu spielen, und im Übrigen sei er in der nächsten Zeit mit der Eisfischerei auf dem Haff vollauf beschäftigt. So machte ich mich tags darauf allein auf den Weg.

 

Auf meinen sommerlichen Wanderungen hatte ich schon Elche gesehen, dort im Norden Ostpreußens, wo in den weiträumigen Wald-, Moor- und Dünengebieten diese einsamen Tiere bei ganz besonderem Glück sogar wieder rudelweise angetroffen werden konnten, wie sie mit ihren langen Läufen weitausgreifend dahintrabten, und sich zur Zeit der lodernden Herbstfarben nach tagelangen Beobachtungen wohl auch einmal der prächtige Anblick eines Elchkampfes bot — bis zum Schluss ein Schaufler siegreich mit der Elin im Dickicht verschwand.

 

Nach anhaltendem Schneefall zeigte sich wieder ein klarer Himmel, und die strahlende Sonne verzauberte den Wald in eine Märchenlandschaft. Die Äste neigten sich tief unter der weißen Last. Weit und breit feierliche Stille. Selbst das Rauschen des nahen Meeres war verstummt, seitdem das Thermometer 20 bis 30 Grad Kälte anzeigte und die Ostsee wie das Kurische Haff bis zum fernen Horizont zur Eisfläche erstarrt war, nur in der Ufergegend zeitweilig unterbrochen durch hochaufgetürmte, eigenartige Formen bildende Eismassen.

 

In der Nähe des Forsthauses Schwendlund entdeckte ich die ersten Spuren, einige hundert Meter weiter am Rande einer Lichtung fünf oder sechs Tiere, die karge Wintermahlzeit einnehmend: Kiefernrinde und Schnee. Vorsichtig wagte ich, im knirschenden Frost heranzukommen. Aber bevor ich die Kamera geöffnet hatte, war das Bild der Elche auf der winterlichen Nehrung verschwunden.

 

Doch nein! Dort abseits war eins der Tiere äsend stehengeblieben. Es sah misstrauisch herüber und schien verärgert, dass ich mich durch das Gestrüpp immer näher heranpirschte. Sonst stets von einer besonderen Freude über solch seltenen Anblick erfüllt, verwandelte sie sich hier in Furcht und Schrecken, als der Elch unerwartet und bösartig mich annahm, so dass ich den Ort in schnellen Sätzen verließ und erst später aus dem sicheren Versteck eines Holzstapels in die nun wieder vereinsamt daliegende Landschaft zurückschaute. Damals ahnte ich nicht, dass das meine letzte Begegnung mit Elchen in der Heimat gewesen war.

 

Der deutsche Bestand dieser nordländischen Urweltriesen war im 19. Jahrhundert auf eine bescheidene Zahl in den ostpreußischen Forsten zurückgegangen. Deshalb wurden die Tiere hier sorgsam geschont und gehegt. Heute gibt es keinen Elch mehr im deutschen Osten. Aber wir sehen ihn immer noch, den größten Hirsch der Erde, das massige Haupt mit dem gewaltigen, waagerecht liegenden Schaufelgeweih hoch erhoben, wie einst stolz durch unsere Wälder ziehen — eines der schönsten Bilder in unserer reichen und unvergesslichen Erinnerung.

 

Seite 9   500-Jahr-Feier des Verrats der Marienburg

Die volkspolnischen Verwaltungsstellen der Stadt Marienburg haben die neu angesetzte polnische Bevölkerung aufgerufen, den „500. Jahrestag der Rückkehr des Marienburger Landes zu Polen mit großen Feierlichkeiten zu begehen“. Ein Komitee soll die Feiern vorbereiten und gleichzeitig den Wiederaufbau der Marienburg leiten. Bei diesen Feierlichkeiten wird in Wirklichkeit einer der größten Verrätereien der europäischen Geschichte gedacht; denn die Übergabe der Marienburg an die mit dem Deutschen Orden im Kriege befindlichen Bündner und den Polenkönig erfolgte durch meuternde hussitische Söldner, deren Hauptmann Czrwenk von den Feinden des Ordens bestochen wurde. (In unserer Ausgabe 4/1956 wurde dieses Kapitel in der Geschichte der Marienburg ausführlich behandelt). Die Söldner nahmen Forderungen auf rückständigen Sold zum Vorwand, um die Marienburg in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai 1457 einer bündnerisch-polnischen Besatzung zu übergeben, wogegen die „Verkäufer" — wie sie sich in den „Verträgen" selbst nannten — etwa 50 v. H. der geforderten Summe erhielten. Als Czrwenk 1460 nach Böhmen zurückkehrte, machte ihm König Georg Podiebrad wegen des unerhörten Verrats der Marienburg den Prozess, ließ ihm die Rittersporen abschlagen und ihn in den Kerker werfen. Die Söldner wurden bei ihrer Rückkehr dort, wo man sie erkannte, ihres unredlichen Gewinns entledigt und als „friedlos" erklärt.

 

Seite 9   Königsberger Nachrichten

Achtung Königsberger in Hannover!

Es ist beabsichtigt, in der Niedersächsischen Landeshauptstadt eine Ortsgruppe der Königstiger ins Leben zu rufen. Etwa 100 Anschriften konnten der Kartei der LO entnommen werden. Eine erste Zusammenkunft ist für Ende Februar geplant. Wir bitten alle Königsberger in Hannover, sich bei der Kreisgruppe Hannover der Landsmannschaft Ostpreußen, Bäckerstraße 2 A, zu melden, damit eine regelmäßige Benachrichtigung erfolgen kann.

 

Schülertreffen

Die Vereinigung ehem. Sackheimer Mittelschüler Königsberg/Pr. hält ihr diesjähriges Jahreshaupttreffen zu Pfingsten in Hamburg ab. Anlässlich dieses Treffens findet von Düsseldorf ab eine Gemeinschaftsfahrt mit Omnibus statt. Alle ehem. Lehrer, Schülerinnen und Schüler, die sich an dieser Fahrt beteiligen wollen, melden sich bis zum 15. März bei dem ersten Vorsitzenden der Vereinigung, Schulk. Herbert Minuth, Düsseldorf, Suitbertusstraße 34. Dort sind alle Einzelheiten zu erfahren.

 

Treffen der ehem. Schülerinnen der Staatl. Hufenoberschule für Mädchen Königsberg/Pr. am 1. Osterfeiertag (21.04.1957) in Hildesheim, Hotel „Wiener Hof“, Bahnhofplatz 12, um 14 Uhr zur Kaffeetafel. Unser ehemaliger Direktor wird voraussichtlich nach dort kommen. Zwecks Feststellung der Teilnehmerzahl wird um schnellste Anmeldung unter Beifügung eines Unkostenbeitrages (2,-- DM) gebeten. Bei Anfragen Rückporto beilegen. Oberschullehrerin H. Schmidt, Soest/Westf., Wilhelm-Morgner-Weg 16.

 

Seite 9   Schnelle Kufen über den Schwenzait-See. Eissegeln — Ostpreußens Wintersport.

(Zu unserem Bild auf Seite 1)

Der von niedrigen Höhen umgebene Schwenzait-See bei Angerburg war das ideale Revier der Eissegler des masurischen Seengebietes. Von den Küsten des Kurischen und Frischen Haffes, aus ganz Deutschland sah man hier die Männer der schnellen Kufen in sportlicher Kameradschaft vereint mit der Elite der europäischen Eissegler aus Estland, Lettland, Schweden, wenn die Europa-Meisterschaften ausgetragen wurden. Das Kurhaus Jägerhöhe, diese großzügige, moderne Gaststätte mit ihren bequemen Gästehäusern war zum Anfang fast jeden Jahres das eisseglerische Hauptquartier.

 

Mit dem hier stetig wehenden Wind jagten die dreikufigen Eisjachten in toller Fahrt dahin auf ihren Trainingsfahrten oder auf dem 10-km-Dreieckskurs der Regatten. Ein schneller, ein mutvoller, ein männlicher Sport, der an seine, den Bronzekufen fanatisch verfallenen Aktiven höchste sportliche Anforderungen stellte. Denn nicht selten waren Geschwindigkeiten über 100 Stundenkilometer, ja von 120 und mehr Stundenkilometern. Muskeln und Geist hatten auf der Strecke ebenso das Letzte herzugeben, wie die verschiedenen Konstruktionen der Yachten, die unter den stets auf neue überraschenden Tücken der Witterung und des Geländes wahrhaften Zerreißproben unterzogen wurden. Drang auch der klirrende Frost messerscharf durch die Kombinationen, den Eisseglern wurde oft warm bis zu Schwitzbädern darunter, wenn gefährliche Korkzieher Schlitten und Mannschaften gefährdeten, wenn nur der klarste Kopf, die schnellste Reaktion, die erbitterten Kämpfe auf der Bahn meistern konnte.

 

Herrlich die sportlichen und buntbewegten Bilder, die sich den Zuschauern von den Terrassen Jägerhöhes, von den Höhen boten. Ganz Masuren strömte hier an den Haupttagen der Wettkämpfe zusammen, denn Eissegeln war ja ein Volkssport im breitesten Sinne auf seinen Seen. Da waren die „Piraten", die halbwüchsigen Jungen aus Angerburg, Lötzen und den kleinen Seedörfern, die sich mit primitiven Materialien, aber mit echter Passion ihre eigenen Schlitten konstruiert hatten und „wie die Teufel" eissegelten. Die Wettfahrten der „Piraten" wurden darum auch regelmäßig in das Rahmenprogramm der Eissegelmeisterschaften aufgenommen. Und die Jungen kannten alle ihre „Helden der sausenden Kufen", kannten die Klassen und Yachten die in nur fünfzehn Jahren eine steile technische Entwicklung durchgemacht hatten. Was gab es nicht alles zu erzählen, als die erste „drehbare Läuferplanke" auftauchte, die Hohlmaste entwickelt wurden, die Stromlinienformen der zerbrechlich leichten Schlitten. Eissegeln war höchstes winterliches Glück der ostdeutschen Segler, aber ebenso seiner Jugend.

 

Wer einmal die Felder der 20, 30 und selbst 40 Klasse-Yachten über die knisternde, stiebende Eisfläche jagen, nein, fliegen sah, wer die vorbildliche Kameradschaft, den prächtigen Sportgeist und den frohgemuten Übermut der Segler bei abendlichen Feiern erlebte, der war der Atmosphäre des Eissegelns auf dem Schwenzaitsee verfallen.

 

Zum letzten Male hatten sich im Februar 1939 die besten Eissegler Europas zu den Deutschen Meisterschaften eingefunden. Es waren die größten, vielleicht die mitreißendsten Rennen, die diese 10. Deutsche Eissegelwoche bot. Es war vorerst die Letzte.

 

Die krummen Fische

Auf dem Königsberger Fischmarkt. Es ist Winter, und die Fische auf den Tischen sind gefroren. Einer jungen Frau will das nicht gefallen: „Was ist mit den Fischen? Die sind ja alle schief und krumm!" Worauf die Fischfrau sie aufklärt. „Na, Freileinche. legen Sie sich man in den Frost so nackicht auf den Tisch, dann werden Sie sich auch krimmen und nicht lang ausstrecken“.

 

In der Eile

Am Sonntagmorgen auf dem Weg zur Kirche: „Guten Morgen, Frau Kalweit, wollen Sie denn nich inne Kirch gehn?" — „Na, was denn, das gehört sich doch so!" — „Was wollen Sie denn mit dem Stick Speck?" „Hab ich Speck im Schnupftuch? Herrjeeß, dann hab ich dem Gesangbuch inne Erbsensupp geschmissen!"

 

Seite 10 Seltene Kunstwerke des deutschen Ostens. Sonderauktion des Stuttgarter Kunstkabinetts.

Zwischen den Großauktionen moderner Kunst hat das Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer an die 400 Arbeiten des 18. und vornehmlich des 19. Jahrhunderts, zumeist stille, beschauliche Werke mittleren Ranges, darunter aber auch erstrangige und sehr seltene Werke, zum Verkauf angeboten. Die Beteiligung war außerordentlich groß, hauptsächlich von Kunsthändlern und Privatsammlern; man muss es aber sehr bedauern, dass sich auch bei diesem Anlass keine Bieter an der Auktion beteiligen konnten die — von offizieller oder Privatseite mit den nötigen Mitteln versehen — gewissermaßen als Treuhänder der ostdeutschen Kulturtradition und gewissermaßen als bevollmächtigte Vertreter einer Richtung wie der geplanten Ostdeutschen Galerie hätten Stücke erwerben können, die für die im Osten heimische Kunstentwicklung von Bedeutung sind. Wir heben einige Beispiele heraus. Ein köstliches Blatt, die farbig getönte Bleistiftzeichnung Ludwig Richters (etwa 1835 – 1837 entstanden) „Überfahrt über die Elbe am Schreckenstein bei Aussig", (es stammt mit einem großen Teil des Angebots aus dem Besitz des sächsischen Königshauses, viele andere aus dem Besitz des Fürsten von Liechtenstein, Vaduz) erzielte bei einem Taxwert von 9500 DM erstaunlicherweise nur 6000 DM. Das mag immer noch viel sein für eine Bleistiftzeichnung von 23 X 37 cm, aber diese zauberhafte Zeichnung hat bereits den ganzen poetischen Reiz des dann 1837 ausgeführten Hauptwerks, des berühmten Ölbilds der Dresdener Gemäldegalerie. Es erscheint in seiner klassischen Sparsamkeit, deren Intimität doch nicht die Großartigkeit der böhmischen Elblandschaft ausschließt, fast noch schöner und liebenswerter als die Hauptarbeit, die doch etwas zu sehr ins Literarische geht.

 

Fast eine Generation vor Richter hat Caspar David Friedrich, der König unter den Malern der deutschen Romantik, die meisten seiner Motive aus dem böhmischen und schlesischen Bereich bezogen. In Stuttgart gehörte zu den meistgefragten Werken seine Sepiazeichnung (1805/1806) „Untergehende Sonne am Meeresstrand bei Rügen, im Vordergrund Felsblöcke“. Dieses schöne Blatt, nur wenige Quadratzentimeter größer als das Richters, doch gleichfalls ein zauberhaftes, geradezu klassisches Werk, war schließlich mit 12 000 DM (statt 9800 DM geschätzten) zugeschlagen worden.

 

Angeboten und günstig verkauft wurden einige Bleistift- und Rötelzeichnungen und etliche Kupferstiche des großen Danziger Kupferstechers Daniel Chodowiecki, darunter Porträtstudien, meist junger Mädchen, ein Selbstbildnis und Illustrationen, Auch sein Sohn Wilhelm Chodowiecki war mit Zeichnungen vertreten.

 

Aus der schlesischen Kunstlandschaft fiel von Adolf von Menzel am meisten neben einem netten Studienblatt mit zwei friderizianischen Offizieren und Uniformteilen das Brustbild einer nach halbrechts gewandten Dame auf, eine lavierte Kreidezeichnung von 1889. Diese kultivierte Arbeit, bedeutender als das, was man bei früheren Auktionen vom gleichen Künstler zu sehen bekam, wurde mit 1400 DM zugeschlagen (Schätzwert 1600 DM) und erreichte nicht den erwarteten Preis, vielleicht weil das Motiv nicht so anziehend und für Menzel typisch war.

 

Auf einen zu Unrecht heute wenig beachteten Künstler, den 1808 in Breslau geborenen Karl Friedrik Lessing, gestorben in Karlsruhe, der nicht ohne Bedeutung auf die westdeutsche Kunstentwicklung im 19. Jahrhundert war, fiel die Aufmerksamkeit, da seine „Waldlandschaft mit Turmruine vor Weiher", ein Ölgemälde mittlerer Größe und stiller Qualität, hier auf dem Markt erschien. Eine kleine Sensation war der hohe Preis, den Walter Leistikows (geboren 1865 in Bromberg, gestorben 1908 in Berlin) allerdings sehr stimmungsvolles und feingemaltes Gemälde „Haus am Schlachtensee" mit 3000 DM errang und noch den Taxwert um einiges übersprang. Hier dürfte lokales Interesse mit eine Rolle gespielt haben.

 

Unter den deutschböhmischen Künstlern war es vornehmlich Joseph von Führich aus Kratzau (1800 - 1876) mit zwölf Zeichnungen zum Alten und Neuen Testament und aus dem Leben des heiligen Franziskus, die zumeist aus liechtensteinischem Besitz preiswert zu haben waren. Wir registrieren ferner noch das nicht sehr hoch bewertete kleine Ölbild des Pragers Gabriel von Max (Kopf eines jungen Mädchens) und die „Madonna mit Kind und zwei anbetenden Engeln“ des viel weniger bekannten Schwambergers Franz Melnitzky (1822 - 1876).

 

Von sehr ansprechender Eigenart sind die beiden Aquarelle des 1775 in Prag geborenen Malers Georg Emanuel Opitz aus seiner Wiener Arbeitszeit in den ersten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Die „Vanitas" und „Avaritia" bezeichneten Blätter haben in ihrer Charakterisierung der Eitelkeit und des Geizes (beide aus dem Besitz des Fürsten von Liechtenstein) die gut und dicht gemalte Qualität von Interieurs gemeinsam, in denen einmal ein Mann, das andere Mal eine Frau — besessen von der Enge ihrer „Tugend" — dasitzen, weltverloren. Das ist ohne Überspitzung mit einer Sachlichkeit gemalt, bei der die neue Sachlichkeit in ihrer ersten und zweiten Welle wieder ansetzte.

 

Insgesamt kann man nochmals nur nachdrücklich bedauern, dass solche heute selten gewordene Dokumente des künstlerischen Beitrages unserer Heimatlandschaften nicht erworben werden können für eine örtliche oder zentrale Sammlung ostdeutscher und sudetendeutscher künstlerischer Dokumentation. E. S.

 

Seite 10   Alte Tradition mit neuem Sinn. Der Brauch des Alberten-Tragens neu belebt.

Es war ein alter Brauch an den ost- und westpreußischen Schulen, dass die Abiturienten jeden Jahres nach bestandener Prüfung einen „Albertus" überreicht erhielten, eine kleine goldene Anstecknadel für den Rockaufschlag mit dem Bildnis des Herzogs Albrecht von Preußen, dem letzten Hochmeister des Deutschen Ritterordens. Dieser hatte 1544 die Universität Königsberg gegründet, die nach ihm den Namen „Albertina" führte. Für die Träger dieser Alberten waren sie ein Zeichen dafür, dass sie nun das akademische Recht erworben hatten, an der „Albertina" zu studieren, ein Recht, auf das sie besonders stolz waren. Nach der Vertreibung aus der ostdeutschen Heimat war diese Tradition einige Zeit unterbrochen und es mag die Erinnerung an die  Alberten, besonders bei denen, die sie einst selbst getragen haben, ein Gefühl der Wehmut hervorgerufen haben. Bald aber lebte diese Tradition in der Bundesrepublik wieder auf und es kann heute sogar von einer erfreulich starken Neubelebung der Alberten-Tradition gesprochen werden, wobei ihr auch eine besondere heimatpolitische Bedeutung zukommt. Denn für die Träger der Alberten heute, sind sie nicht nur ein Zeichen eines akademischen Rechts, sondern zugleich auch Symbol des politischen Anspruchs auf das Studium an der deutschen Universität zu Königsberg/Pr. So haben die Alberten-Tradition außer den ost- und westpreußischen Familien, den Korporationen und den örtlichen Gruppen der ostdeutschen Landsmannschaften auch alle Patengymnasien aufgenommen, ebenso bereits einige westdeutsche Städte, die damit bekunden wollen, dass sich nicht nur die Vertriebenen, sondern alle Deutschen zum deutschen Osten bekennen.

 

Bei den Patengymnasien werden sämtliche Abiturienten durch eine Abordnung ihrer ostpreußischen Traditionsschule mit den Alberten dekoriert, so z. B. die Abiturienten des Landfermann-Gymnasiums Duisburg durch die Königsberger Friderizianer, die Abiturienten des Ratsgymnasiums Hannover durch die Königsberger Stadtgymnasiasten usw. Den Abiturienten des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Bad Oeynhausen aber steckt der Stadtdirektor bereits seit Jahren persönlich die Alberten an, und zwar allen Abiturienten, nicht nur den ostpreußischen.

 

Mit der Wiederaufnahme dieser alten Tradition hat das Alberten-Tragen zugleich auch einen neuen Sinn bekommen: Die Abiturienten nehmen bei der feierlichen Überreichung der Alberten erstens das Recht entgegen, an der freien deutschen Universität Königsberg studieren zu dürfen, und zweitens verpflichten sie sich zugleich, dieses Recht niemals zu vergessen oder aufzugeben.

 

Abbildung: Der „Albertus", wie ihn die Abiturienten der ostpreußischen Städte früher auf ihren Rockaufschlägen trugen, ein stolzer Brauch, der in allen Teilen der Bundesrepublik wieder zu neuem Leben erwacht.

 

Hersteller der Alberten ist der Königsberger Juwelier Walter Bistrick, Stuttgart.

 

Seite 10  Die große Mitleidende

Zu den bedeutendsten ostpreußischen Künstlern gehört Käthe Kollwitz. Sie ist, das darf man ohne falsches Pathos sagen, Deutschlands bedeutendste Graphikerin überhaupt. Vor 90 Jahren wurde sie in Königsberg geboren. Ihre Kunst war symbolisch für ihr Leben. An der Seite ihres Mannes, des Armenarztes Karl Kollwitz in Berlin-Ost, setzte sie sich rückhaltlos für die Armen ein. Sie war das soziale Gewissen ihrer Zeit, sie war eine zutiefst Betroffene und Mitleidende. Als 72-jährige sagte sie: „Ich glaube, dass mein Werk nicht umsonst gewesen ist". Kurz vor der Katastrophe von 1945 starb sie in Sachsen.

 

Die in Marburg gezeigten Bilder stammen aus dem Besitz des amerikanischen Mediziners Robert J. Fanning, der über die Künstlerin eine umfassende Monographie geschrieben hat. Die Bilder stammen aus den Jahren 1897 bis 1924.

 

Man sieht zunächst den durch Gerhart Hauptmann angeregten Zyklus „Ein Weberaufstand". Es schließt sich der zum Teil über 20 Jahre ältere Zyklus „Bauernkrieg" an. Die Künstlerin stand hier auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Es ist anzunehmen, dass ein so bedeutender Graphiker wie A. Paul Weber sich manche ihrer Bilder („Der Pflüger“) zum formalen Vorbild genommen hat.

 

Überall die dumpfe Unerlöstheit der Kreatur. Bauern bewaffnen sich in dem rembrandtschen Hell-Dunkel eines Gewölbes. Hagere Arme recken sich empor zur Freiheit. Keine blutjunge und schöne Jean d'Arc führt die Revolutionäre an, sondern ein verhärmtes Bauernweib. Leichenfledderer geistern über das Schlachtfeld.

 

In dem Bild „Überfahren" ist eine gewisse Ähnlichkeit mit Heinrich Zilles Zeichnungen vorhanden, wenigstens mit den Bildern, wo selbst dieser gütige Künstler keinen Humor mehr bringen konnte. Zilles Anliegen war im Grunde nicht weniger ernst, aber seine Bilder verleiteten manchen oberflächlichen Betrachter zum Lachen oder Lächeln. Wo Käthe Kollwitz zeichnet, sterben Witz und Ironie. Nur ganz selten ein seliges Mutterlächeln bei ihr. Auf der Lithographie „Brot" sieht man zwar auch die vitalen Zille-Kinder, aber die wegwendende, verneinende Gebärde der Mutter hat etwas von der tränenlosen Tragik der Hauptmannschen „Weber".

 

In manchen Holzschnitten und Lithographien („Denkende Frau") ist Käthe Kollwitz eine Verwandte Barlachs. Aber alle diese Züge schmelzen sie zu ihrem höchst eigenen und unverwechselbaren Ausdruck, dem Stil der kompromisslosen Anklage. Die elementaren Gebärden ihrer Figuren drücken hier etwas wie einen Urzustand des Gefühls aus, wie es ja auch das Urleid ist, das sie gestaltet, oder, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das Leid an sich.

 

Zuckend schwingt der Hunger seine Geißel über dem Proletariat. Überall erscheint der Tod: als Hunger, als Krankheit, als Mord und Vergewaltigung. So ist auch das vielleicht Erschütterndste dieser Ausstellung ihr Zyklus „Der Tod" (Lithographien). Für manche Frauen kommt er als Vertrauter, für manche als Feind, den sie mit tierischem Erschrecken begrüßen. Furienhaft greift er mit knöchernen Armen in eine Kinderschar.

 

Großartig ihr Selbstbildnis im Angesicht des Todes. Fragend und wissend, zweifelnd, aber bereit erkennt sie die Hand des unausweichlichen Boten. Die sonst nur extremen Gefühle ihrer Bilder sind hier dem gelassenen Wissen der Künstlerin um das eigene Ende gewichen. Wolfgang Glantz

 

Seite 10   Bücher - die uns angehen

Paul Schroeder … leuchtet’s lange noch zurück. Vom guten alten Hausarzt in Ostpreußen. Verlag Gerh. Rautenberg, Leer. 112 S. Farbig kart. DM 4,80

 

Mit diesem Buche wird ein Ruhmeskapitel im Leben unserer Heimat aufgeschlagen. Es erzählt – der Untertitel sagt es – vom guten alten Hausarzt in Ostpreußen. Es ist kein lautes glanzvolles Kapitel, wie das großzügiger prunkliebender Fürsten, sondern ein mehr stilles, nicht weniger bedeutungsvolles und von innen her durchleuchtetes. Der Verfasser nimmt seine Gestalten aus Vergangenheit und Gegenwart, greift sie willkürlich aus allen Teilen unserer Heimat. Wir finden unter ihnen Franz Meyerhoeffer aus Goldap, der ein ebenso guter Musiker wie Arzt ist, und der bei der großen Hungersnot Ende der sechziger Jahre die erste Volksküche in Ostpreußen einrichtet, ein Selbsthilfswerk, zu dem er selbst die größten Opfer zu tragen bereit ist. Und da ist Richard Gutzeit aus Neidenburg der Hans Sachs unter den Medizinern, und das Original eines Landarztes: Dr. Parschau aus Rössel. Viele, viele Namen und Schicksale werden in diesem Buche lebendig, genannt sei hier nur noch die Königsberger Ärztin Dr. Hildegard Haslinger, die auf dem Deutschen Ärztetag 1955 in Baden-Baden als erste Frau mit der Paracelsusmedaille ausgezeichnet wurde, da sie, wie es in der Urkunde heißt, „während der schwersten Zeit der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten ungeachtet eigener Gefahr und Bedrängnis sich für Leben und Gesundheit ihrer Schicksalsgenossen selbstlos und treu eingesetzt hat". Ein Buch, dem man recht viele Leser wünschen möchte. ejk

 

Hermann Sudermann: Jugendjahre in Elbing. Auswahl aus dem „Bilderbuch meiner Jugend". Mit einer Vorbetrachtung von Dr. Irmgard Leux-Henschen. Elbinger Hefte, Bd. 18. West-Verlag Essen. 59 S., DM 3,30.

 

Anlässlich des 100. Geburtstages Hermann Sudermanns, den wir in diesem Jahre feiern, erschien soeben als ein erster Beitrag des Gedenkens diese von Frau Dr. Irmgard Leux-Henschen liebevoll besorgte Auswahl. Hier erzählt der Dichter von den für seinen weiteren Lebensweg recht entscheidenden und formenden Jugendjahren, die er bei seiner „guten Tante in Elbing" verbrachte. Die Erinnerungen des „Bilderbuches" zählen zu den schönsten Dichtungen Sudermanns, und nur wenige Selbstbiographen dürften einen Vergleich mit dieser an Offenheit sowohl als an Gestaltungskraft aushalten.

 

Kantschule zu Goldap. Gedenkschrift zur Erinnerung an die Einweihung ihres Schulgebäudes im Jahre 1906 und an ihr fünfzigjähriges Jubiläum, das im Jahre 1954 gefeiert wäre. Verlag „Die Heimatbrücke", Neustadt a. d. Weinstraße. 62 Seiten, 11 Bildtafeln und einem Grundriss der Schule. DM 3,75.

 

Nicht allein für alle „Ehemaligen" der Kantschule zu Goldap ist diese von Hans Pauckstadt verfasste Schulgeschichte ein wertvolles Erinnerungswert, sondern in gleicher Weise für jeden Goldaper Bürger; denn die Kantschule ist engstens mit dem Leben der Stadt und ihrer Bürger verknüpft. Ein kurzer Überblick über die Geschichte Goldaps, erstmals 1551 genannt, geht der Schulgeschichte voraus und schildert die wechselvollen Schicksale der Stadt: Tatareneinfall 1675, die Schreckensjahre 1914/1915 und 1945. Und schildert das Aufblühen des ursprünglich nur für 100 Bürger berechneten Städtchens bis zur Kreisstadt (1818), die 1944 an die 13 001 Einwohner in ihren Mauern beherbergte. Seit Erhebung Goldaps zur Stadt (1570) ist schulisches Leben nachweisbar und bereits 1613 kann die Stadt ihren Söhnen in der von Adrian de Wendt eingerichteten Lateinschule eine höhere Schulbildung angedeihen lassen. Die Krönung aber bildet die 1904 eröffnete Kantschule, deren Geschichte hier eine eingehende Würdigung findet. Die flüssige Darstellung des Verfassers macht diese Erinnerungen zu einer angenehmen Lektüre. Zahlreiche Bilder ergänzen die einzelnen Abschnitte. — Alles in allem ein wertvoller Beitrag über das Unterrichtswesen in Ostpreußen.

 

Sepp Frisch: Die Saar blieb Deutsch. Ein Rückblick 1680 - 1955. Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See. 200 S., 8 Bildtafeln. Ganzl. DM 9,80.

 

Die Saarfrage war ein politisches Problem vor allem des 20. Jahrhunderts, der Saarkampf aber ist beträchtlich älter: bereits 1680 ließ Ludwig XIV die Gräfin Eleonora Klara von Saarbrücken vor eine „Reunionskammer" vorladen und gliederte dann das Saarland in seinen Herrschaftsbereich ein. Dieses Zwischenspiel dauerte fast zwei Jahrzehnte, dann wurde Saarbrücken wieder für hundert Jahre deutsch — bis die Französische Revolution und Napoleon erneut fremde Herrschaft brachten. Später im Jahre 1866 — Saarbrücken war inzwischen bereits ein halbes Jahrhundert lang preußische Stadt gewesen — war es Napoleons III. brennender, wenn auch vergeblicher Wunsch, „le petit rhin", wie er das Saarbecken nannte, durch Verhandlungen zu gewinnen; zu Beginn des Krieges 1870 besetzte er es sogar einige Tage. Alle diese Vorspiele der Saar-„Frage" und die Rolle, die sie dann überraschend und dramatisch in Versailles spielte, die folgende „Völkerbundzeit", die Entscheidung von 1935 und schließlich den nach 1945 unternommenen „vierten Versuch" einer „kalten Annexion" durch das Regime Grandval-Hoffmann schildert Sepp Frisch in seinem lebendig geschriebenen Buch unter Heranziehung aller verfügbaren historischen Quellen. Dem jungen saardeutschen Publizisten, der selbst im Volksabstimmungskampf 1955 mitgewirkt hat und darüber interessante Einzelheiten berichtet, ist es gelungen, sowohl das Bild der großen Zusammenhänge zu entwerfen, wie alle bemerkenswerten Szenen des dreihundertjährigen Ringens spannend darzustellen. So ist ein fesselndes Buch entstanden, das jedem politisch interessierten Wichtiges zu sagen hat, weil es ein nun endlich gelöstes Problem unserer Zeit treffend schildert und beleuchtet. Dass Frisch es versteht, die wechselvolle Geschichte der mehrfachen Pariser Zugriffe auf das deutsche Saarland ohne antifranzösische Ressentiments zu zeichnen, ist ein besonderer Vorzug des thematisch wie literarisch gleich bemerkenswerten Buches.

 

Heinrich Eisen: Der Schienenwolf. Roman. Carl Röhrig Verlag, Darmstadt. 434 S. Ganzl. mit Goldprägung, DM 13,80.

 

Heinrich Eisen, der Autor von „Bahnhof Rutskinaja meldet sich nicht", legt den zweiten großen Roman über das Kriegserlebnis der Eisenbahner vor.

Eisens Roman ist ein Buch der Tatsachen. Er beginnt mit der Einschließung der Armee im Raume von Stalingrad. Die Durchbrüche der Russen mit ihren vernichtenden Folgen für die Eisenbahnstrecken und die Eisenbahner schließen sich an. Weiter und weiter wird die deutsche Front nach Westen gedrängt. Die Partisanen führen Krieg gegen die Nachschubstrecken. Was die Eisenbahner in diesem Kampfe wagen und leisten, ist fast unglaubhaft und doch verbürgte Wahrheit. Räumung der Bahnhöfe und Strecken, Zerstörung und Flucht reißen nicht mehr ab, bis unter dramatischen Umständen die letzten Züge rolIen, unter Führung von Männern der Eisenbahn, die man bewundern muss. Auch in diesem Roman von Heinrich Eisen steht neben der Härte des Krieges das menschliche Gemüt, neben dem gehetzt sein vom Tode der Humor, neben der Furcht aller Kreatur vor Qual und Sterben die Tapferkeit. Und sind wir auch bis ins tiefste erschüttert über den Weg der Zerstörung, des Grauens und des Todes, zu dem alle Schienenwege geworden waren, so mündet doch unsere Erschütterung, die Zeugnis ablebt für die Darstellungsgabe des Autors in den Trost, den die Wunden heilende Zeit uns inzwischen geschenkt hat.

 

Seite 10   Nachlass ostdeutscher Künstler

Wer kann Auskunft geben, wo sich Nachlasswerke des Grafikers Charles Girod — Königsberg und des Malers und Grafikers Gerhard Stein, Breslau befinden? Zweckdienliche Angaben erbeten an Willy Heier, Goslar, Bismarckstraße 2.

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Die Februargeschichte. Von Wolfgang Altendorf.

„Und wonach haben Sie in diesem Augenblick Sehnsucht?" fragte Frau Sylvia.

 

Honegger drehte an seinem Weinglas. „Sehnsucht —?" fragte er. Er blickte zum Fenster hin. An der Scheibe rannten die Tropfen in schmalen, vorgewölbten, bizarren Bächen. Dann lächelte er etwas. „Nach einer Schlittenfahrt, nach einer Fahrt über weite Fläche, endlose Weite. Der Blick wird nur da und dort vom dunklen Schatten einer Waldparzelle begrenzt. Der Schnee ist so kalt und trocken, dass er nicht an den Ästen haften geblieben ist --- ".

 

„Ja", bestätigte Frau Sylvia, „es müsste schön sein. Und das war einmal alles möglich, selbst im Februar. Da war ja bei uns noch tiefster Winter“. Auch sie blickte jetzt zur Fensterscheibe hin. Ein Wind hatte sich erhoben. Der ! Regen peitschte gegen das Glas. „Ich hörte einmal jemanden sagen: Die Zungenspitze Sibiriens — Es war ein Fremder. Vielleicht war er aus dieser milden Gegend hier. Aber wenn der Schnee vom Frost her knirschte und sang, wenn der Wind ums Haus heulte, da ahnte man den weiten, fast grenzenlosen Raum, Russland war nahe -- ".

 

Honegger schien zu träumen. „Die Schellen übertönen das Knirschen der Kufen. Die Nacht ist nicht dunkel, nicht völlig dunkel. Die Sterne am Himmel — klar. Der Mond mit halber Sichel vielleicht. Vom Schnee zurückgestrahlt -- ". Er schwieg. Dann sagte er: „Das ist uns genommen“. Es klang nicht bitter, nicht vorwurfsvoll, war ohne Hass. Es war reine Sehnsucht. „Davon kann man natürlich Geschichten erzählen", fuhr er fort. „Und eine davon hat mich nie losgelassen. Manchmal wird einem der Schleier, der über dem Letzten liegt, zu einem kleinen Spalt aufgerissen. Dann müht man sich um die Deutung, zerquält sich in Vorahnungen, — und wenn man es fast vergessen hat, da wird es offenbar. Es ist klar. Einfach. Gewaltig ---. Er begann. „Es war 1939 — im Februar — am achtzehnten Februar neunzehnhundertneununddreißig. Es war der Tag unserer Verlobung. Charlottes Vater besaß ein Versuchsgut. Er züchtete unter anderem einen Weizen, den man heute in Norwegen anbaut bis hoch in den Norden. Es gab größere, bedeutendere Güter. Aber auch die kleinen sind nicht unbedeutend — nach hiesigen Maßstäben. Der alte Herr war noch rüstig, aber sein Herz machte ihm zu schaffen. Trotzdem kam er von seiner Arbeit nicht los. Am Verlobungstag seiner Tochter aber beschloss er zu feiern. Es sollte eine großartige Feier werden; und da in der Nacht frischer Schnee gefallen war, war die Schlittenfahrt am Abend mit Fackeln eine ausgemachte Sache. Die Schlitten standen bereit. Er nahm den ersten Schlitten, kutschierte selbst. Wir waren seine Fahrgäste. Hinter uns in der Spur klingelten die übrigen. Die Fahrt dauerte zwei Stunden. Man kennt hier immer zwei oder drei Strecken, die man fährt. Die eine umkreist das Gut in seiner ganzen Ausdehnung. Die wurde genommen. Es war, als wollte der alte Herr Abschied nehmen von seinem Besitztum. Wir ahnten es nicht. Er blickte sich oft zu uns um, neckte uns, war fast ausgelassen.

 

Dann auf der Heimfahrt — der dunkle Waldrand bog sich zurück, die Pferde galoppierten frei über die Felder hinweg; vor uns lag die Parzelle, die uns den Hof verbarg; wir bogen um den Schnabel des Waldstückes, das hier spitz zulief; weit vor uns hob sich, im Zwielicht noch sehr unbestimmbar, der Schatten des Gutshofes ab — da sprang der alte Herr plötzlich auf, deutete mit ausgestrecktem Arm nach vorn, packte mich an der Schulter, keuchte: „Da sieh — der Hof —! Der Hof brennt! Mein Gott, der Hof brennt!" Er bäumte sich hoch. „Charlotte —!" schrie er. „Charlotte!" Dann sank er auf seinem Sitz zusammen. Die Pferde standen zitternd. „Vater —?" fragte Charlotte. Und dann: „Was ist denn mit ihm?" Er war einem Herzschlag erlegen.

 

Was hatte er nur gesehen in diesem letzten Augenblick? Der Hof stand unversehrt. Wir dachten lange darüber nach, verhörten das Personal — vielleicht war irgendjemand mit der Lampe draußen gewesen. Aber das Personal wusste von nichts. Kurz vor Ausbruch des Krieges heirateten Charlotte und ich. Als der Krieg losbrach, glaubten wir die Deutung seines Gesichtes gefunden zu haben: Nicht der Hof — die Heimat, die Welt hatte vor seinen Augen gebrannt. War es das?

 

Ich kam zur Panzertruppe. Zweimal noch war ich mit Charlotte zusammen. Die Stunden zerrannen, niemand vermochte sie zu halten. Im Februar 1945 kam ich zum letzten Male zurück. Ich hatte nur den einen Gedanken, nach Hause zu kommen, mit Charlotte zusammen zu sein, wenn der Zusammenbruch erfolgte. Ein russischer Vorstoß zersprengte unsere Gruppe. Unterwegs nahm mich ein Bauer in seinem Schlitten mit. Er musste an unserem Hof vorbeikommen. In der Nacht war Neuschnee gefallen. Fast alles wie damals — — der klare Himmel, die dunklen Waldstücke — — aber es tönte kein Schellen, und es zog ein müdes, sehr mageres Pferd den Schlitten. Wir bogen um den Schnabel der Waldparzelle. Vor mir lag der Hof. O ich hatte so etwas schon öfters gesehen: Flammen, die ein Haus umzuckten. Das sieht so aus, als tanzten Riesengestalten um ein Riesenfeuer, als wärmten sich Ungetüme die Hände an den Flammen. Ich sah's mit brennenden Augen und wusste gleichzeitig, dass nun alles verloren war, alles, auch Charlotte.

 

Der Bauer machte einen sehr weiten, ängstlichen Bogen um den Hof. Ich sprang vom Schlitten ab, stapfte hin zum Feuer. Der Hof war niedergebrannt. Frische Spuren, Nagelstiefel, Panzerketten, Radspuren. Ja, ja, sie waren dagewesen, vor mir dagewesen. Und nun waren sie wieder weitergezogen. Das Feuer brannte, knisterte, fraß. Niemals habe ich eine einsamere Stelle gefunden. Ich schrie ihren Namen, suchte und schrie, aber ich wusste zugleich, dass ich niemals Antwort erhalten würde — — —".

 

Honegger schwieg.

 

„Es war am achtzehnten Februar?" fragte Frau Sylvia.

 

„Am achtzehnten Februar neunzehnhundertfünfundvierzig." Honegger nickte.

 

Seite 11   Der Weg / Von Tamara Ehlert

Die Treppe war dunkel. Der alte Gutzeit nahm vorsichtig Stufe um Stufe. Das Holz knackte. Unten gähnte der Flur, ein schwarzer Schacht in der Schwärze des verlassenen Hauses.

 

Eine Tür ging auf, dünner Lichtschein fiel heraus und bestrich die Geweihe an den Wänden. Das Küchenmädchen stand auf der Schwelle, klein, breit und verängstigt. Der Alte hatte sie, ganz vergessen. Sie war als einzige hier geblieben, die anderen waren längst fort. „Das Essen ist fertig", sagte sie.

 

Er schleppt sich an ihr vorbei in die Stube. Es dämmerte schon, alles sah grau und verschwommen aus, auch der Schnee vor dem Fenster hatte graue Schatten. Auf dem Tisch stand die Suppe. Das Mädchen füllte zwei Teller.

 

Der Alte tastete nach dem Löffel. Da kam das Geräusch wieder, dieses Mal war es ganz nah. Es fegte jaulend über sie hinweg und endete in einem ohrenbetäubenden Krach. Die Fensterscheibe zersprang und klirrte auf die Dielenbretter. Der Luftdruck riss den Mann vom Stuhl und schleuderte das Mädchen in eine Ecke. Dann war alles still.

 

Der Alte rappelte sich mühsam am Tisch hoch und sah sich nach dem Mädchen um. Es hockte mit eingezogenem Kopf in der Ecke und betete leise vor sich hin. „Nu lass man die Suppe nicht kalt werden", sagte er. Sie stand langsam auf. Ihr dunkles Gesicht weiß vor Entsetzen. Sie wischte die verschüttete Suppe vom Tisch, ihre Hände zitterten.

 

Es war nicht mehr dämmerig in der Stube, auch der Schnee draußen hatte keine Schatten. Eine leise rote Helligkeit breitete sich aus, wie vor Sonnenaufgang. Das Mädchen presste das Gesicht ans Fensterkreuz und jammerte: „Nawottkis Hof, ach Gottchen, Nawottkis Hof“.

 

Der Alte sah ihr über die Schulter. Er sah zwei riesige Fackeln. Nawottkis Wohnhaus und die große Scheune. Sie waren nur wenige hundert Meter vom Forsthaus entfernt. Die große Schneefläche dazwischen sah aus wie mit Wein begossen. Der Himmel war scharlachrot, und auch der Wald schien zu brennen.

 

„Nu wird Zeit, dass du gehst", sagte der Alte. „Hättest schon lange gehn müssen. Meinetwegen brauchst nich zu bleiben“. Er sah zum Wald hin. „Ich brauch keinen mehr. Hier bin ich am besten aufgehoben“.

 

Das Mädchen rannte heulend aus der Stube. Als es wiederkam, hatte es ein Bündel unterm Arm und Stiefel an den Füßen.

 

„Weisst auch deinen Weg?"

„Ja, ja", heulte das Mädchen.

 

 „Dann is ,gut. Und schönen Dank auch“. Er drehte sich ab. Die Stiefel stapften davon, die Haustür schlug dröhnend zu. Sie war fort. Der Alte stand eine Weile bewegungslos. Dann schlurfte er in den Flur und holte seinen Stock. Er pfiff nach den Hunden und wartete auf das Tappen ihrer Pfoten. Die Hunde kamen nicht. Er schüttelte den Kopf. Heute Morgen hatte er sie ja erschossen und im Garten vergraben.

 

Er ging langsam hinaus. Der Wind warf ihm Flocken und Asche ins Gesicht. Er sah nicht zu Nawottkis Gehöft hin, er wandte sich nicht um. Er ging in den Wald hinein, den gleichen »Weg, den er immer gegangen war. Hier kannte er alle Bäume, viele hatte er selbst gepflanzt. Der Wind stieß die Zweige an und schüttete Schnee über ihn aus. Bald sah er selbst wie ein Baum aus, weiß und gebückt.

 

Die Dunkelheit kroch heran und füllte die Lücken zwischen den Stämmen. Der Schnee hatte den Weg verschluckt, aber der Alte fand ihn auch so. Ein Rudel Rotwild zog vorüber. Der Wind trug den Tieren keine Witterung zu. Sie zogen vorüber, eine Herde hungriger, sanftäugiger Schatten, und die Nacht löschte sie aus.

 

Der Alte sah jetzt fast nichts mehr. Er stolperte keuchend weiter und sank immer tiefer ein. Er war sehr müde.

 

Die Wolkendecke riss auf und gab den Mond frei. In seinem grünen Licht wurde der Wald leuchtend und lebendig. Noch einmal zeigte er dem alten Mann seine Schönheit und seine Geheimnisse.

 

Der alte Gutzeit fühlte die Kälte nicht mehr, und sein Herz war leicht. Hier bin ich am besten aufgehoben, dachte er. Er fiel vornüber, und seine Hände gruben sich in den Schnee Eine Wolke nahm den Mond fort.

 

Diese Erzählung entnahmen wir dem in Kürze erscheinenden dritten Band der „Kleinen Elchland-Reihe", der eine Auswahl der schönsten Erzählungen der jungen ostpreußischen Dichterin bringt (Tamara Ehlert: Die Dunenhexe).

 

Seite 11   Ernst Moritz Arndt. Ostpreußische Heimatsliebe

Ich hatte mich unter den Preußen ein paar Monate sehr angenehm festgelebt und eingelebt. Ich fand sie sehr anders als ihre westlichen und östlichen Nachbarn, die Pommern und die Kurländer; von den südlichen Nachbarn, den Polen, schienen sie gottlob! wenig angenommen zu haben.

 

Die Kurländer sind größtenteils mit ihnen aus demselben Stoffe, aber in ein paar Jahrhunderten doch sehr von der leichten, dünnen Luft des benachbarten Polens durchweht. Die Preußen sind gottlob! unter deutscher Herrschaft geblieben, sie waren von Anfang an der größere Stammleib des deutschen Ritterstaats in diesem deutschen Osten, mit der von Ottokar von Böhmen gegründeten Hauptstadt und mit den größten und glänzendsten Residenzen, Burgen und Schlössern des Ordens. Sie sind offenbar sich selbst und dem ursprünglichen Wesen viel gleicher geblieben als die Kurländer und Livländer, haben auch von den großen Heldenfürsten und Königen hohenzollerischen Stammes nichts Gemeines und Niedriges leiden und erben gekonnt.

 

Sie machten mir, als ich einige Wochen unter ihnen gelebt hatte, einen gar eigentümlichen Eindruck; in manchen Köpfen alter Edelleute und ehrenwerter Bürger, in einer gewissen, ruhigen, sicheren Haltung der Köpfe, in einigen über die Gesichter hinschwebenden, wie in stiller Betrachtung und Schauung begriffenen, halb lächelnden, halb ironischen Zügen glaubte ich manche bekannte Köpfe Stockholms und Schwedens wieder zu sehen: ein zugleich sehr ruhiger und stiller und doch sehr fester und scharfer Ausdruck. Dies mochte in den Gesichtern zum Teil wohl der Ausdruck des Nordens sein, welcher hier doch schon mehr ein Norden ist, als er bei den Leuten in Lübeck, Rostock und Stralsund heißen kann. Dies mag zum Teil allerdings wohl klimatisch sein, aber größtenteils verdanken sie diesen Ausdruck einer fest und gerad vor sich hinschauenden und stillen Männlichkeit, der mir hier so sehr auffiel und gefiel, wohl der großen Geschichte ihres Ordens. Sie geben gleichsam den Anblick eines Mannes, der mit dem Bewusstsein vieler tüchtig bestandener Kämpfe auftritt. Das Gepräge großer Taten und Leiden dieses Ordens hat viel Ritterliches, Festes und Selbstbewusstes den Enkeln und Urenkeln als einen schönen Nachlass hinterlassen müssen.

 

Sie haben eine große, herrliche Geschichte gehabt, Bürger und Edelmann ist mit dem Gefühl dieser Geschichte aufgewachsen, der Enkel hat von einem Stolz und einer Ritterlichkeit der Gesinnung als Erbschaft der Ahnen noch ein hübsches Stück übrig. Es hatte sich nun in dem letzten Halbjahrhundert so gefügt, dass diese Preußen, diese echten, rechten Preußen, bei den meisten westlichen Deutschen fast wie vergessen dazuliegen schienen, auch deswegen wohl, weil der große König Friedrich II  sie wenig gerechnet und hervorgehoben zu haben schien. Während seines letzten großen Kampfes gegen Maria Theresia und die halbe europäische Welt, während des Siebenjährigen Krieges, lag Preußen dem großen Kriegsschauplatz fern und war fast immer von den Russen durchzogen und überzogen; es schien daher für die Rettung des Staates weniger gewagt und getan zu haben als andre Landschaften und ward deswegen mit einer gewissen Gleichgültigkeit von ihm angesehen und behandelt, obgleich er in seinem schlechten Latein das alte Pruscia in Borussia verwandelt und ausgestempelt hatte.

 

Jetzt nun sollten diese Preußen Gelegenheit bekommen, zu zeigen, wes Geistes und welcher Art sie sind. Dass sie hoher geistiger Art sind, haben sie durch Herder, Hamann, Kant, Simon Dach und andere genug gezeigt. Friedrich hat durch Worte und Taten in seinem Testament und in Vermächtnissen ihnen die Pommern und Brandenburger weit vorgezogen. Hätte er dazu ein Recht gehabt, sie haben in allen Schlachten, mit Dennewitz und Leipzig anzufangen und mit Laon und Waterloo aufzuhören, sich als die Treuesten und Tapfersten erwiesen. Ja ein gewisser Stolz der Männlichkeit und Geradheit, eine eigentümliche Freisinnigkeit, in Antlitz und Rede und in Schritt und Tritt ausgeprägt, tritt einem hier fest entgegen. Auch in unserer jüngsten Zeit, in Frankfurt und in der Volkskammer in Berlin, treten uns die eigentlich preußischen Namen als Männer entgegen, welche die Zeit begriffen haben, während es in manchen pommerschen und brandenburgischen Köpfen noch von so dicken Nebeln dunkelt, als wolle ein bisschen mittelalterliche Finsternis wieder in unser neunzehntes Jahrhundert hereinbrechen Ich will keine Namen nennen, weil ich durch Gegeneinanderstellung von Namen keinen Sonderneid erregen will.

 

Ja die Deutschheit hat in diesen sumpfreichen und waldreichen Nordrevieren zwischen Weichsel und Niemen recht feste, tiefe Wurzeln getrieben, und die Stämme, welche von ihnen gehalten und genährt werden, stehen stolz und gerad in den Stürmen des Tages. Das kann man in Wahrheit sagen, dass diese Wurzeln so fest stehen, dass der Mensch und das Land in Liebe und Treue so ineinander verwachsen sind, dass der in Preußen geborene Mensch sein Land, sein raues und in mancher Hinsicht unschönes und unromantisches Land mit unendlicher Liebe festhält und lobt und preist. Sein edles, durch und durch deutsches Blut, wie ist es in dem langen Kämpfen der tapferen Väter hier geflossen! Wie teuer ist dieses Land durch das Schwert gewonnen und behauptet worden!

 

Wirklich ist Preußen seiner Liebe eine Art Paradies geworden, in welchem alles fast in der ersten Unschuld der Liebe erblickt wird. Was auf diesem Boden wächst und blüht, der Mensch und das Tier, das Ross und der Ochs, der Weizen und der Apfel — alles wird von ihm schöner, stärker, voller, süßer gesehen und gepriesen, als was andre deutsche Länder tragen und erziehen. In der Tat, seine Heimat ist, ihm das Land des Paradieses. Glücklich, wenn in allen Landen deutscher Zunge die Heimat von solchen Herzen geliebt, von solchen Köpfen und Fäusten verteidigt und verherrlicht würde!

 

(Aus: Ernst Moritz Arndt, Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein. 1858)

 

Seite 11   Zeichnung von Klaus Seelenmeyer: Flucht über das Haff (Feder und Pinsel)

 

Seite 11   Treck. Von Dagmar Nick

Nächtliches Feld. Wo sind wir?

Weiß nicht. Lass mich in Ruh.

Ich kann nicht schlafen. — Du?

Nein. Sieh den Himmel: rinnt hier

Wahn nicht dem Lichte zu?

 

Kreischende Räder. Plauen

wackeln dahin. Grün grellt

Mondlicht darauf und fällt

über das Grauen. Frauen

weinen. Ein Wachhund bellt.

 

Halte den Kopf hoch! Bange

ist uns ja allen doch.

Zukunft — ein schwarzes Loch -

gähnt uns an. Sag, wie lange,

glaubst du, fahren wir noch?

 

Seite 12   Foto von einer Fischverkäuferin. „Flundern, frische Flundern!“ Bei dieser Jahreszeit glauben wir es ihr gern. Und wer möchte da nicht zugreifen?

 

Seite 12   Abenteuer auf dem Eise. Von Ludwig Passarge

Die Bewohner der Haffküste wissen mancherlei Abenteuer zu erzählen von Reisenden zur Winterzeit auf dem im Sommer so harmlosen Haff, wenn eine mehr als fuß-dicke Eiskruste den ungehinderten Verkehr in Schlitten nach allen Richtungen gestattet. Benutzte doch auch einst der Große Kurfürst die Eisbahn, als er die flüchtigen Schweden einholen wollte, indem er bei Karben mit seinen Soldaten in die Schlitten stieg und sechs Meilen weiter in Königsberg landete.

 

Aber im Winter sind die Tage kurz, die Gefahren groß; namentlich verirrt man sich leicht in der Dunkelheit, wenn kein „Schneelicht" die ungeheure Weite erhellt. Die breiten, offenen Risse im Eise verschlingen in einem Nu das ganze Gefährt. Das trügerische Leuchtfeuer von Pillau lockt den Reisenden in das stets offene Tief, die Verbindung von Haff und See. Das Haff ist im Winter nicht tot wie sonst ein Landsee, es besitzt vielmehr ein eigentümliches Leben, hervorgerufen durch die See, von der es abhängt. Die salzige Flut dringt in das Haff bald ein, bald fließt sie ab. Im ersten Falle hebt und zerreißt sie die Eisdecke, und wäre sie noch so stark, im andern Falle senkt sich diese und zersplittert. Jenes geschieht bei starkem West-, dieses bei anhaltendem Ostwinde. Steigt das Wasser, so schlagen oft meilenlange Risse mit donnerähnlichem Knall und bilden offene, bis drei Meter breite Kanäle, welche kaum ihr Dasein verraten, am wenigsten in der Dunkelheit. Fällt dagegen das Wasser, so türmen sich längs einem, ebenfalls stundenlangen Risse die zerbrochenen Ränder in großen Eisschollen dachartig auf und bilden einen Wall, über den man nur schwer gelangen kann. Doch gibt es hier und da eine natürliche Überfahrt, während jene offenen Risse künstlich überbrückt werden müssen, wie auf dem Lande ein Fluss. Auch wird die Bahn für Schlitten meilenweit durch Tannenbäumchen bezeichnet, welche durch eigens dazu verpflichtete Beamte in das Eis gesteckt werden und einfrieren.

 

Trotz alledem verirren die Reisenden leicht und verleben viele Stunden, ja zuweilen die ganze Nacht, auf dem unwirtlichen Eise. Ja, es kann vorkommen, dass sie ihren eigenen Spuren im Kreise folgen, wie jener Reiter in der Jacinto-Prärie Sealsfields.

 

An einem Tage — es war gerade Fastnacht — waren unsere Eltern und noch einige Nachbarn nach Pillau gefahren. Wir Kinder vergnügten uns — wie es damals zu jenem Tage gehörte — bei Tageslicht in einer Schaukel, die darin bestand, dass die Stränge eines Pferdesielens durch die Balken unserer Wohnstube gezogen wurden; am Abend, indem mit den Mägden eine Art Kontretanz aufgeführt wurde, gebildet durch zwei Reihen, die sich bald näherten, bald voneinander entfernten, wobei mit lauter Stimme gesungen wurde: Freut euch des Lebens! — ein Tanz, wie er einst bei allen germanischen Völkern, selbst in Island, Sitte war. (Aus dieser gesungenen Ballata entwickelte sich später die deutsche Ballade.)

 

Es wurde spät, die Eltern kamen nicht. Voller Unruh blieben wir bis Mitternacht auf; da langten sie endlich an, erschöpft und ganz verschneit. Sie hatten in dem am Abend entstandenen Schneegestöber die Richtung verloren, die Balgaer Berge für die Brandenburger gehalten, und waren weit westlich nach Leysuhnen verschlagen, wo die freundliche Wirtin nichts so sehr bedauert hatte, als die schönen Mäntel.

 

Schlimmer erging es einem Riemermeister Lossau aus Heiligenbeil, als er in seinem Einspänner aus Pillau nach Hause zurückkehrte. Die Bahn läuft dort im weiten Bogen nach Osten, um die stets sehr zweifelhafte Stelle zu vermeiden, wo das Haff durch das Tief sich mit der See verbindet. Plötzlich bricht das Pferd ein. Er springt mit einem Satz aus dem Schlitten und erreicht glücklich eine Eisscholle, die ihn trägt, aber Pferd und Schlitten versinken vor seinen Augen. Es war bereits dunkel, von Pillau erblickte man nichts als das Licht des Leuchtturms, doch, vermochten Leute seine Hilferufe zu hören. Heutzutage würde ein Dampfboot Rettung bringen, damals war es in der Dunkelheit unmöglich, sich der Unglücksstelle zu nähern. So brachte er die ganze Winternacht auf der Eisscholle zu, wobei er von Zeit zu Zeit noch seine Pelzmütze abnehmen musste, um darin den einen Fuß zu erwärmen, oder doch vor dem Erfrieren zu bewahren, von dem er beim Hinausspringen den Stiefel verloren hatte. Erst am frühen Morgen arbeitete sich ein Boot durch die Eisschollen und brachte den Halberstarrten nach Pillau.

 

Bricht der Weststurm die Eisdecke plötzlich auf, so werden die Schollen zuweilen weit auf das Ufer geschoben und bedrohten die nahen Häuser der Fischer in Kahlholz. Im Winter 1854 auf 1855, während des Krimkrieges, zerstörten sie sogar eine ganze Flotte von Kauffahrteischiffen, welche, mit russischen Rohprodukten beladen, von Königsberg nach Pillau sich einen künstlichen Weg durch das Eis bahnten. Nur noch einen Tag und sie hätten offenes Wasser gehabt und Pillau erreicht. Aber der Weststurm zerbrach die Eisdecke und die Schollen warfen die großen Dreimaster um oder zerschnitten sie. Der Verlust betrug Millionen.

 

Wir konnten von Wolittnick die Katastrophe gut beobachten. Wie bekannt, waren in jenem Winter die russischen Häfen von der englisch-französischen Flotte blockiert; der ganze Verkehr ging also über die preußischen Häfen, namentlich Königsberg und Memel. Auch unser stilles Sandkrug erhielt mit einem Male Bedeutung, indem die russischen Produkte dorthin mit der Eisenbahn und sodann über das Haff nach Pillau befördert wurden. Das schlechteste Geschäft machte in jenem Winter aber Memel, indem es zum größten Teil durch Feuer zerstört wurde.

 

Spielte das Haff in unserem Leben stets eine große Rolle, teils wegen der Schau über die weite Fläche bis zu dem Berge Galtgarben im Samlande, teils wegen der Kahnfahrten und der prachtvollen Mummeln, welche dort mit zehn Fuß langen Stengeln und großen Blättern aus der geheimnisvollen Tiefe auftauchen und den Badenden verstricken; teils wegen der Vogelscharen, die zu tausenden die fast undurchdringlichen Rohrkampen beleben; teils wegen der Binsen, die wir zu Schiffchen verarbeiteten: so übertraf doch alles die Ankunft der Schwäne, welche stets anlangten, wenn im Frühjahr gerade das Haff aufging und sich in ein Chaos von Eisschollen und Blanken auflöste. Immer erschienen sie zu vielen hunderten, auf ihrer Sommerwanderung nach Norden hier eine Rast machend und die Luft mit ihrem weitberühmten Gesänge erfüllend. In Wahrheit ist er gellend und weder melodisch noch schön; aber sie haben nun einmal den Ruf des poetischen Tönens für sich, und es wäre verwegen, ihn schmälern zu wollen.

 

Unser Vater lag, ihnen gegenüber, einer eigentümlichen Jagd ob, indem er, möglichst unbemerkt, sich ihnen zu nähern und schließlich, auf dem Bauche kriechend, wie ein Seehund, ihnen in Schussweite zu kommen suchte. Die Jagd auf Schwäne ist nicht bloß an sich schwierig, da sie angeblich Wachen ausstellen und sehr scheu sind, sie hat auch das Eigentümliche, dass selbst ein von einer Kugel getroffenes Tier oft ruhig auffliegt. Die berühmte Schwanenbrust und das ganze Federkleid bilden nämlich einen kugelfesten Panzer, von welchem die Kugel abprallt. Der Schwan wird bestimmt nur erlegt, wenn die Kugel ihm durch den Hals geht. Der Schütze muss also sehr sicher sein oder Glück haben. Da die Schwäne meist in großer Schar nebeneinander auf den Blanken schwimmen, erblickt der auf dem Bauch liegende Jäger nur ihre hochragenden Hälse; das Zielen wird ihm aber durch seine Lage sehr erschwert. Er schießt meist, sozusagen, aufs Geratewohl in diese Hälse hinein.

 

Mein Vater erlegte jedes Jahr mindestens einen Schwan, meist mehrere. Es wurde auch der Versuch gemacht, sie zu braten, doch wollte das etwas tranige Fleisch nicht schmecken. Besser, wenn man es vorher in Essig legte. Der altenglische Dichter Chancer sagt dagegen von einem forschen Mönch, er habe gebratene Schwäne zumeist geliebt.

 

Erstaunlich war die Größe mancher Schwäne. An den Füßen aufgehängt, maßen sie bis zu dem Kopf unten oft zwei Meter. Herrlich war stets der Flaum ihrer Brust, aber es gab bei uns niemand, der es verstanden hätte, ihn herzurichten.

 

Ich habe die Schwäne in den sechziger Jahren noch einmal von Ludwigsort aus besucht und denke mir eine Jagd auf dieselben als ganz besonders vergnüglich, wenn auch noch so schwierig. Angeschossene etwa flügellahme Schwäne waren stets sehr schwer zu fangen, da sie nur in einem Boot verfolgt werden konnten. Während man das Boot zwischen den Eisschollen weiter schob, waren sie schon auf und davon. Auf allen Jagden war mein Vater stets von der Dido begleitet, welche das Wild aufspürte und die erlegten Schwimmvögel aus dem Wasser holte. Uns Kindern war sie eine ganz besondere Freundin. Leider vergalten wir ihre Zuneigung sehr schlecht, denn wenn sie drei bis vier Junge geworfen hatte, was jedes Jahr geschah, so ertränkten wir diese in dem tiefen, kalten Tümpel an der Schleuse. Ich sehe sie noch, die armen blinden Dinger, wie sie langsam in der Tiefe versanken, während die Mutter ängstlich hin und her lief und den traurigen Vorgang offenbar gar nicht begriff. Mitleid ist nichts Angeborenes, es muss, wie jede Tugend, gelernt werden.

 

Ein Hauptvergnügen für uns war der Fang der Neunaugen, welche im Fließ unterhalb der Schleuse zu finden waren, und meist, in Nestern vereinigt, im Sonnenschein über dem kiesigen Grunde spielten. Der Fang bestand einfach darin, dass man mit beiden Händen plötzlich in ein solches Nest griff. Aber auch die ergriffenen wussten sich oft noch zu retten, indem sie sich der Hand entwanden; denn ihre Haut ist glatt und schleimig. Die Gefangenen wurden, nach Art des heiligen Laurentius, von uns auf einem Rost gebraten und kaum mit Appetit verspeist. Aber was wird nicht alles von Kindern gegessen! In der Provinz Ostpreußen, namentlich in Litauen, spielten die Neunaugen keine kleine Rolle; anderswo sind sie kaum bekannt und noch weniger beliebt. Es gibt noch eine kleinere Sorte, die aber nicht gefangen wird und sich äußerst schnell in den Sand bohrt.

 

Wenn das Fließ im Frühjahr hie und da aufgeräumt wurde, entdeckte man oft ganz versteckte Nester von Neunaugen und fing sie leicht. Sie hatten dort wohl überwintert. Unser Fang fand nur im Sommer statt.

 

Im ersten Frühling, wenn das Eis des Haffs aufging, ergötzte uns oft das Anzünden des trocknen Schilfes und der Binsen, welche die Wellen in langen Reihen auf den Strand geworfen hatten, wobei es galt, munter durch Rauch und Flammen zu springen. Dann war auch der Strand mit zahllosen Muscheln bedeckt, die wir gern auflasen. Auch fanden sich kleine Bernsteinstücke vor, welche die Flut aus der See hier angeschwemmt hatte.

 

So viel von unseren Vergnügungen, den Jagden und dem Winterhaff, welchem der Frühling die ersehnte Erlösung brachte, nämlich die Eröffnung der Schifffahrt und zahllose Segler, die nun — andre Schwäne — die blaue Wasserfläche belebten.

 

Seite 12   Die Kleider hängte ich an einen Baum

Mit meinem Bruder Otto, der anderthalb Jahre jünger als ich war, trieb ich mich auf dem Fluss umher, und das lindere Lüftchen fegte das Eis vor uns blank, als sei es dazu gemietet. Nun gibt es jedoch in jedem strömenden Gewässer faule Stellen, die niemals recht zufrieren wollen. Sie sind den Ortskundigen meistens bekannt, und auch ich wusste mit ihnen Bescheid. Aber ich lief, jeder Vorsicht bar, glatt in eine Blänke hinein und kam erst wieder zu mir, all ich im Wasser paddelnd die Kante des festeren Eises umklammert hielt. Mein Bruder half mir heraus ... Was nun beginnen? Mit nassen Kleidern nach Hause zu kommen, war unmöglich. Noch jüngst hatte es ein Donnerwetter gegeben, und die Wegnahme der Schlittschuhe stand vor der Tür. In solchen Fällen gibt es nur ein Mittel: man zieht sich aus, hängt die Kleider an einen Baum und lässt sie trocknen.

 

Und so geschah es. Die Stiefel behielt ich der Sicherheit wegen an, aber Mantel, Jacke und Hosen schaukelten sich alsbald programmmäßig am nächsthängenden Aste. Das Hemd hörte nach wenigen Augenblicken zu triefen auf. Das war ein schöner Erfolg — und das lindere Lüftchen wehte mir wollüstig um die klappernden Beine. Die Hosen fühlten sich nicht mehr im Mindesten feucht an; doch wenn die Beinlinge einander berührten, dann gaben sie ein Geräusch von sich, als ob man Steine gegeneinander reibt. Das kam mir unheimlich vor.

 

„Ich werde sie doch lieber anziehen", sagte ich zu meinem Bruder. Aber als ich den Wunsch in die Tat umsetzen wollte, ergab es sich zu unserem Schrecken, dass die beiden Seiten so fest zusammengefroren waren, als wären sie zu einem Stück verwachsen. Mit dem Schlittschuh waren sie rasch auseinandergeschlagen, bis sie zwei Röhren bildeten, die ohne jeden Freistand auf dem Eise standen wie Männer. In diese Röhren kroch ich wieder hinein, desgleichen in die gewaltsam geweiteten Ärmel, und dann kam der Heimweg. Dass er im Laufschritt von statten ging, wird jeder mir glauben, auch ohne dass ich's beteure“. Hermann Sudermann

 

Seite 12   Eine kalte Sache / Von Alfred Lau

Ich lernd ihr kennen ans Biefeh

Mang Wurscht und MaJonäse,

Da huckd se plastrig auFem Stuhl

Und sagd, se heiß Therese.

 

Bloß weiter sagd se nuscht nich mehr,

Ich konnd mir drehn und biegen,

Aus die Mergell, warraftgen Gott,

War nuscht nich rauszukriegen.

 

Kiehl kickd se mir von oben an

Und stolz wie e Komteßche,

Und mich erschien zu Haus im Traum

Ihr blankes, plauzges Freßche.

 

Ich war verrickt, verrickt im Traum,

Ich brisseld, braschd und blubberd,

Umsonst, se blieb so kiehl, dass mir

Rein untre Zudeck hubberd.

 

Kiehl blieb se auch das zweite Mal,

Und ich verkiehld mir richtig,

Knapp kam dem Abend ich zu Haus,

Hädd ich dem Reißmandichtig.

 

So blieb se kiehl an ihr Biefeh

Mang ihr kalte Sachen,

De Kälte war ihr Lebenszweck,

Da war foorts nuscht zu machen.

 

Ich dachd bei mir, ich hab ja Zeit,

Es muss mich doch gelingen,

Die kalte Krät mang Käs und Aal

E Butschche beizubringen.

 

Und richtig, endlich war so weit,

Bloß — da war ich verloren,

Wie ich zerick wolld, denken sich,

Da war ich angefroren!

 

Seite 12   Im Winkler-Stübchen. Eine feuchtfröhliche Königsberger Erinnerung von Gerhardt Seiffert.

Wenn der Winter uns spitzbübisch in die Ohren biss und kniff, die Füße frierend durch den knirschenden Schnee stampften und uns auf der Schlossteichbrücke ein eisig pfeifender Wind mit ungestümer Gewalt den Hut vom Kopf zu zerren suchte, dann sehnte man sich verständlicherweise nach einem echten ostpreußischen „Grogche", einem recht steifen womöglichst. Und da ich gerade die Schlossteichbrücke passiert habe — fix rum um die Eck und rin ins Winkler-Stübchen. — Gleich das erste Schlubberchen Grog war wie ein warmes Latzche auf de Brust. Prösterchen!

 

Die Winklerschen Likörstuben, wohlbedacht in alle Stadtteile verteilt, genossen einen hervorragenden gastronomischen Ruf. Am beliebtesten von ihnen aber war wohl das Winkler-Stübchen Burgstraße-Ecke Theaterstraße. Hier in dem kleinen winkligen, wie winklerschen Räumen weilte man gern, weil sie eine so gemütliche, heimische, geruhsame Stimmung ausstrahlten, die man genau so schätzte und genoss, wie die Speisen und Getränke, die hier flink, freundlich und in vorzüglicher Qualität serviert wurden.

 

Und von den Getränken will ich plaudern. Dass es ein würziges, schäumendes Königsberger Bier — Ponarther oder Schönbuscher — gab, steht wohl ganz außer Frage; sie schmeckten beide vortrefflich, und ein Tulpchen oder zwei wär'n mir jederzeit willkommen. Grog, Pillkaller, Bärenfang, Machandel — oft probiert und stets gelobt — kann ich heut' wohl übergehen. Von den Likören aber will ich sprechen, von den Likören, Freunde, die den Winkler-Stuben Ruf und Namen gaben, von den echten Winkler-Mix-Likören.

 

Ich sehe sie noch heute vor mir stehen, die Getränkekarte, auf dem kleinen runden Tischchen am Fenster, an dem ich so gerne saß. Zelluloidumhüllt steckte sie in einem blanken Nickelständer und kündete Name und Herrlichkeit. O, ich seh sie noch vor mir, die lange Reihe der Spezialitäten! Es waren köstliche Namen darunter: Schneegestöber, Blutgeschwür, Elefantendups mit Setzei, Negus-Nestesti, und wie sie alle hießen. Köstlich auch der Inhalt: Schneegestöber zum Beispiel war weißer Likör in dem — ich glaube Zitronenmark — wie Schneeflocken schwammen, Blutgeschwür bestand aus dickflüssigem Kirschlikör mit einem Schuss Eierkognak obenauf.

 

Sie ließen sich alle trinken, die Winkler-Mix-Liköre, und wir haben nicht selten die lange Reihe der Spezialitäten kostend heruntergeprobt. Wollt' es das Schicksal, so kam gerade in dem Moment, da wir unten angelangt waren, ein Freund in unsre Runde und wir mussten die Reihe nochmals aufwärts kosten — wir taten es nicht ungern — Prösterchen!

 

Doch eines werd' ich mein Lebtag nicht vergessen. Ich war eine geraume Zeit von Königsberg abwesend. Als mich bei meiner Rückkehr zwei Freunde am Nordbahnhof empfingen, sagten sie: „Lass uns erst einmal einen Tullas trinken gehen!" Einen Tullas? Ich wusste nicht, was das war, eine neue Kneipart, ein neuer studentischer Brauch? Nur nichts merken lassen, dachte ich und sagte: „Gut, gehen wir!"

 

Und wo landeten wir? Natürlich im Winkler-Stübchen in der Burgstraße! „Drei Tullas" bestellten meine Freunde, und nun wusste ich es, „Tullas" war der neueste Winklersche-Mix-Likör. Nur nichts merken lassen! Prösterchen! Zu diesem Likör bekam man auf Wunsch kostenlos eine bunte Postkarte mit einer lustigen Zeichnung und dem Spruch:

 

„Tullas" ruft in Danzig man,

einen Gassenjungen an.

In Königsberg ruft man noch mehr

und meint den echten Winkler-Mix-Likör.

Er schmeckt sehr gut und stimmt sehr heiter,

wer ihn probiert, der trinkt ihn weiter..."

 

Oftmals noch, wenn Freunde von auswärts mich besuchten, lud ich sie zum „Tullas“ ein, sie jedoch fragten stets, was das sei, ich aber antwortete nur: „Tullas ruft in Danzig man..."

 

In Köln soll's wieder eine Winkler-Stube geben — wie wär's mit einem Tullas dort?

 

 

Seite 13   „Stadt der reinen Vernunft“

Von dem größten Sohn Königsbergs, dem Philosophen Immanuel Kant, wird erzählt, dass er seinen Tageslauf genau bis auf die Minute einteilte. Das galt auch für seinen täglichen Spaziergang, der immer die gleichen Straßen und Plätze entlang führte. Kant war stadtbekannt. So wurde er den Königsbergern zur wandelnden Uhr, denn sie wussten bei der Begegnung mit ihm an einer bestimmten Stelle, wie spät es sein müsse.

 

Königsberg, das oft nach dem ersten Hauptwerk Kants die „Stadt der reinen Vernunft" genannt wurde, blieb die einzige Universität, an der Kant lehrte. Bis auf einige Ausflüge und Besuche im Samland und ans Haff hat er in seiner Vaterstadt sein ganzes Leben verbracht und alle Berufungen an auswärtigen Universitäten ausgeschlagen. Kant bezeichnete es selbst als Schwäche seines Charakters, aber die geliebte Heimat und sein Freundeskreis waren für seine Entschlüsse entscheidend. So schrieb er einmal über Königsberg, „eine solche Stadt kann schon für einen schicklichen Platz zur Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis gewonnen werden, ohne zu reisen“. Dabei war Kant ein weltgewandter Mann mit höfischen Manieren und ein Freund der Geselligkeit. Seine berühmte Tafelrunde legt Zeugnis davon ab. In seinem Leben verfolgte Kant immer feste Prinzipien. Als er einmal einer seiner näheren Bekannten an einem herrlichen Frühlingstage im Wagen auf seinem Spaziergang begegnete, hielt dieser an und lud ihn herzlich zur Mitfahrt in die schöne Umgebung ein. Kant schlug zunächst das freundliche Angebot aus. Nach vielem Zureden, den sonnigen Tag einige Stunden gemeinsam draußen zu verleben, willigte Kant unter der Bedingung ein, dass er in 3 Stunden, also mittags um 1 Uhr auf die Minute wieder daheim sein müsse. Nachdem ihm dieses Versprechen gegeben war, stieg er ein. Die Wagenfahrt führte in anregendem Gespräch durch die Grünanlagen der Vorstadt zu einem besonders stimmungsvollen Ausflugsort, der dem Philosophen unbekannt war. Nach kurzer Zeit kehrten die Beiden wieder heim. Als sie den Stadtbezirk erreicht hatten, war die festgesetzte Zeit um wenige Minuten überschritten. Kant, so wird berichtet, hat niemals wieder eine Wagenfahrt unternommen.

 

Wie Goethe hatte Kant einen Diener, der ihn betreute. Bei seinen vielen Gästen gab es reichlich zu tun. Auch hier achtete der Gelehrte auf genaueste Einhaltung aller gegebenen Vorschriften. Sein Diener Lampe zeichnete sich durch Eifer und Pflichterfüllung aus, so dass er sich die volle Zufriedenheit seines Herrn erwarb. Umso erstaunlicher und rätselvoller bleibt es uns, dass Lampe, der unverehelicht blieb, seine Heirat verheimlichte. Es ist daher kein Wunder, dass Kant diese Handlungsweise, als er davon erfuhr, verärgerte. Nach der Entlassung des bewährten Dieners stellte er nach reiflicher Überlegung ein Schild mit folgenden Worten auf seinen Schreibtisch: „Ich will Lampe vergessen"! Nun stand diese Mahnung täglich vor seinen Augen. Nach Kants Tod war Lampe dennoch mit einem Legat bedacht.

 

So erzählt man sich mancherlei Geschichten über Königsbergs größten Sohn. Sie dienen dazu, den Weltweisen uns menschlich näher zu bringen, denn seine Werke, die den Namen Königsberg in alle Welt getragen haben, werden immer bleiben. Carl Lange

 

Seite 13  Die neue Sorge

Die jetzige Königsstraße in Königsberg hieß zuerst „Die Neue Sorge". Dieser Name hatte folgenden Ursprung:

 

Als man diesen Teil der Stadt erbaut hatte, schickte man zu dem Statthalter des Markgrafen, dem Fürsten Radziwill, und fragte ihn, wie die Straße heißen solle. Der war ein gar bequemer Herr und gab zur Antwort: „Ach, wieder eine neue Sorge!" Da nannte man die Straße „Neue Sorge".

 

Seite 13  

Wir sind zivilisiert bis zum Überlästigen zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht bloß die Zivilisierung aus. Solange aber Staaten alle ihre Kräfte auf ihre eitlen und gewaltsamen Erweiterungsabsichten verwenden und so die langsame Bemühung der inneren Bildung der Denkungsart ihrer Bürger unaufhörlich hemmen, ihnen selbst auch alle Unterstützung in dieser Absicht entziehen, ist nichts von dieser Art zu erwarten; weil dazu eine lange innere Bearbeitung jedes gemeinen Wesens zur Bildung seiner Bürger erfordert wird. Alles Gute aber, das nicht auf moralisch gute Gesinnung gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend. In diesem Zustand wird wohl das menschliche Geschlecht verbleiben, bis es sich auf die Art, wie ich gesagt habe, aus dem chaotischen Zustand seiner Staatsverhältnisse herausgearbeitet haben wird.

 

Kant: „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“.

 

Seite 13   Ostdeutsches Klangarchiv in Kiel. Liedgut und Mundarten der Zukunft erhalten.

Um das ostdeutsche Liedergut zu erhalten, wird im Auftrage des schleswig-holsteinischen Sozialministers ein „Ostdeutsches Klangarchiv" in Kiel errichtet. Etwa fünfhundert wenig bekannte Lieder aus den ostdeutschen Vertreibungsgebieten aus Mitteldeutschland und aus den deutschen Sprachinseln im Ausland sollen auf Magnetophonbändern festgehalten werden, damit sie nicht ganz in Vergessenheit geraten und verloren gehen. Das Klangarchiv will durch Verleihen der Tonbänder auch für eine Verbreitung des Liedergutes sorgen.

 

Dieses Kieler „Klang-Archiv" wird praktisch das „deutsche Volksliederarchiv" in Freiburg i. Breisgau, ergänzen. Dort sind Musikforscher dabei, 300 000 deutsche Volkslieder und Gesänge in einem Tonbandarchiv zusammenzufassen. Die meisten Melodien sind von den Forschem und ihren freiwilligen Helfern bereits zu Papier gebracht und in Karteikästen nach Melodie, Fundort und dem Inhalt geordnet worden. Neuerdings werden die Forscher mit Magnetophongeräten ausgestattet, um dieses wertvolle und lebendige Kulturgut im Original — das heißt, von alten Schäfern, Heidebauern und anderen „Kindern des Volkes" gesungen — auf Tonbändern zu konservieren.

 

Neben diesen „tönenden Liederarchiven" existiert in Braunschweig bereits ein Spracharchiv, in dem alle deutschen Mundarten für die Nachwelt gesammelt werden. Zurzeit bereisen Mitarbeiter des Spracharchivs das Gebiet um Cuxhaven und lassen Alteingesessene und auch Vertriebene je zehn Minuten lang frei von der Leber weg in ihrer „Muttersprache" irgendeinen beliebigen Text auf Magnetophonband sprechen. Diese Bänder sollen auch die letzten Nuancen der Mundarten festhalten, die durch Buchstaben und Schriftzeichen allein unmöglich vollkommen präzise wiedergegeben werden können.

 

Seite 13   Kulturelle Nachrichten

Kirchliches Ostinstitut

An der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster wird ein kirchliches Ostinstitut errichtet. Es soll sich mit kirchen-kundlichen Fragen im Ostraum beschäftigen und mit je einem Theologen, Historiker und Soziologen besetzt werden.

 

Margarete Hauptmann gestorben

Margarete Hauptmann, die Witwe des 1946 verstorbenen schlesischen Dichters Gerhart Hauptmann, ist am 17. Januar 1957 in Ebenhausen bei München einem Herzanfall erlegen. Margarete Hauptmann beging wenige Tage zuvor ihren 82. Geburtstag.

 

Der „Deutsche Orden" als Filmthema

Die Geschichte und das weltumspannende Wirken des „Deutschen Ordens" wird ein Film zum Inhalt haben, der derzeit von der „Stephanus-Filmproduktion" der Katholischen Filmgilde vorbereitet wird. Die Katholische Filmgilde hat bereits eine Reihe wertvoller Kulturfilme wie „Einer ist mächtiger" (Kaisergruft), „Schatz des Abendlandes" (Reichskleinodien), „Schicksalsstunden Europas" (heeresgeschichtlicher Museum) und einen Film über die schönsten Mariendarstellungen „ ... ich sehe dich in tausend Bildern", produziert.

 

„Unverlierbare Heimat“ ist der Titel einer mehrbändigen Liedersammlung aus den deutschen Ostgebieten, den deutschen Sprachinseln im Ausland und Mitteldeutschland, die der Leiter des Jungenchors Schleswig-Holstein, Hermann Wagner, mit Unterstützung des Kieler Sozialministeriums herausgibt.

 

Erich Weise: DAS Widerstandsrecht im Ordensland Preußen und das mittelalterliche Europa. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 327 Seiten und 5 Bildtafeln, broscn. DM 15,--, Ln. DM 18,--.

 

In den Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung erschien als Band 6 ein beachtliches Werk des namhaften ostpreußischen Oberarchivrats Dr. Weise über Entwicklung und Geschichte des Widerstandsrechtes im Ordensland Preußen und dessen gesamteuropäische Bedeutung und Bezogenheit. Der Verfasser kann dabei auf zahlreiche bisher unbekannte Nachrichten aus Urkunden, Briefen, Verhandlungsniederschriften und Abhandlungen zurückgreifen, die das größtenteils gerettete Deutschordensarchiv aus Königsberg bietet, und das der Forschung noch immer neue Quellen erschließt. Die Untersuchung bemüht sich, die Auseinandersetzung zwischen Orden und Ständen, eben den Streit um das Widerstandsrecht, in die große europäische Entwicklung des neuzeitlichen Staatsgedankens hineinzustellen, die damals in ihren ersten Ansätzen sichtbar wird, die Herausbildung einer an den Volkswillen gebundenen Staatsgewalt. Mit einem einführenden Kapitel über die fest im mittelalterlichen Europa wurzelnden Anfänge des preußischen Ordensstaates und seine Blütezeit im 14. Jahrhundert bietet das Buch in neuer zeitgemäßer Sicht die Grundzüge der gesamten politischen Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Wer sich heute mit der europäischen, der deutschen und preußischen Geschichte im Besonderen beschäftigt, wird gut daran tun, sich dieses Werkes und seiner Fülle an neuer geschichtlicher Erkenntnis zu bedienen.

 

Seite 13   Unsere Leser bedienen sich bei ihren Buchbestellungen der Versandabteilung unseres Verlages Ostpreußen-Buchdienst. Postanschrift: Braunschweig, Donnerburgweg 50

 

Heute empfehlen wir besonders

Hermann Sudermann 1857 – 1928. Der 100. Geburtstag Hermann Sudermanns in diesem Jahre wird das Werk des Dichters erneut in den Blickpunkt der literarisch Interessierten rücken.

 

Paul Fechter:

Wenn man an ihn denkt, so sieht man das weite, grüne Land zwischen Memel und Kurischem Haff vor sich, riecht den herben Geruch ostpreußischer Kartoffelfelder und ostpreußischen Schnapses, sieht die harten, prachtvoll klaren Farben des östlichen Herbstes und die klirrende Kälte des östlichen Winters. Wenn man aber schon an Städte denkt, so denkt man an Königsberg und die Langgasse, an Königsgarten und die alten Lokale im Blutgericht und bei Kempka, denkt an Elbing und das alte Realgymnasium, das einst auch diesen Autor beherbergt hat, an seine engen Gassen und die nahrhafte Luft seiner Kneipen. Man denkt an ostpreußische Gutshöfe mit den hochmütig schlichten Herrenhäusern, den breit hingelagerten Ställen und Insthäusern, atmet Luft der Pferde und des Viehes, diese ganze Russland schon benachbarte Atmosphäre von breitem Leben, Härte, saftigen Trieben und Romantik. Sudermann ist nicht, wie man oft gesagt hat, ein berlinischer Dichter; er ist trotz allem und allem im Guten wie im Bösen Mensch des Ostens, Ostpreuße in seiner Nüchternheit wie in seinem Rausch, in seiner diesseitigen Kraft wie in seiner ihn immer wieder umwerfenden Romantik.

 

Lieferbare Werke: Der Katzensteg. Roman Gesamtauflage über eine halbe Million 305 S. / Ln. DM 7,80

 

Bilderbuch meiner Jugend. Roman einer Zeit, 381 S. / Hln. DM 6,80

 

Litauische Geschichten. 446 S. / Hln. DM 6,80

 

Jugendjahre in Elbing. Eine Auswahl aus dem „Bilderbuch" Eingeleitet von Dr. Irmgard Leux-Henschen 37 S. DM 3,30

 

Unsere Lieferbedingungen Alle Preise verstehen sich ausschl. Porto. Zahlbar per Nachnahme. Bei Vorauszahlung auf Postscheckkonto Hannover 12 67 25 Joh. Guttenberger, Braunschweig, portofreie Zusendung.

 

Dr. Wilhelm Gaerte. Volksglaube und Brauchtum Ostpreußens.

Gegenwärtiges und vergangenes Brauchtum zu lebensvoller Übersicht vereinigt. Mit 16 Bildtafeln. 160 S. DM 13,80

 

Charlotte Keyser. Und immer neue Tage.

Roman um eine memelländische Familie zwischen zwei Jahrhunderten. 11. Aufl., 76. Tsd. 452 S./Ln. DM 10,80

 

Charlotte Keyser. Schritte über die Schwelle.

Dieser Roman spielt zur Zeit der großen Pest in Tilsit im Beginn des 18. Jahrhunderts. 480 S./Ln. DM 11,80

 

Susanne von Baibus. Paradies an der Memel.

Ein echtes ostpreußisches Familienbuch, zugleich ein schönes Gedenkbuch an die Heimat. Mit 6 ganzseitigen Zeichnungen von A. W. Sauter. 192 S./Ln. DM 7,80

 

Paul Fechter. Zwischen Haff und Weichsel.

Die Jugenderinnerungen des Dichters zählen zu den schönsten Denkmälern, die der Heimat gesetzt wurden. 378 S./Ln. DM 11,--

 

Gerda von Kries. Die Kronacker.

Westpr. Familien-Roman. Vier Generationen im wechselvollen Schicksal der Heimat. 432 S./Ln. DM 8,80

 

Ermlnla von Olfers-Batocki. Ostpreußische Dorfgeschichten.

Die Verbundenheit von Haus, Hof, Tier und Mensch spiegelt sich in diesen Geschichten. 128 S. DM 3,90

 

Watter von Sanden-Guja. Das gute Land.

Der Lebensbericht des Dichters, in dem er von seiner Jugend auf den Gütern seiner Eltern in Ostpreußen erzählt. 8. Aufl. 208 S./Ln. DM 8,75

 

Sieofried Lenz. So zärtlich war Suleyken.

Masurlsche Geschichten. Mit über 50 Zeichnungen von Erich Behrendt. Großformat. 172 S./Ln. DM 14,80

 

Heinz Panka. Der Windhund, Roman.

Ein herrliches Buch, in dem sich ein großes Talent offenbart. 317 S./Ln. DM 12,80

 

Hans Friedrich Blunck. Wolter von Plettenberg.

Der Roman des Deutschordensmeisters von Livland. 294 S./Ln. DM 9,80

 

Agnes Miegel. Die Fahrt der sieben Ordensbrüder.

Eine Erzählung aus der Zeit des Deutschen Ritterordens in Preußen. 80 S. DM 2,80

 

Magnus Frhr. von Braun. Von Ostpreußen bis Texas.

Erlebnisse und zeitgeschichtliche Betrachtungen eines Ostdeutschen. 2. Aufl. 444 S./Ln. DM 14,80

 

Aber das Herz hängt daran.

Anthologie. Das dichterische Gemeinschaftswerk der deutschen Heimatvertriebenen. 360 S./Ln. DM 10,80

 

Wilhelm Matult. Liebes altes Königsberg.

Ein Buch der Erinnerung mit zahlreichen Bildern. 190 S./Hln. DM 5,80

 

William von Simpson. Die Barrings.

Der große ostpreußische Familien-Roman. 816 S./Ln. DM 9,80

 

Die Enkel.

Der Barrings II. Teil. 550 S./Ln. DM 9,80

 

Das Erbe der Barrings.

Mit diesem dritten Band reicht die Geschichte der Barrings bis in unsere Tage. 640 S./Ln. DM 14,80

 

Merian-Heft.

Königsberg.

Die alte Krönungsstadt wie sie war und heute ist, mit zahlreichen, teils mehrfarbigen Bildern. 104 S. DM 3,20

 

333 Ostpreußische Späßchen.

Echter urwüchsig. Volkshumor. 148 S. DM 4,80

 

Humor aus Ostpreußen.

Anekdoten u. lustige Geschichten, wie sie in der Heimat von Mund zu Mund gingen.. 128 S./kart. DM 4,25. Ln. DM 5,50

 

Hier lacht Ostpreußen.

Ein neuer Band ostpreußischen Humors. Reich illustriert. 26 S./kart. DM 3,25. Ln. DM 4,40

 

Die lustigen Lau-Bücher.

Schwabbelbohnen. Plidder-Pladder. Kriemelchens. Auguste in der Großstade.

Humoristische Gedichte und Prosa in ostpr. Mundart. Zum Vortragen und Vorlesen besonders geeignet. Jeder Band 44 S. DM 2,--

 

Rudolf G. Binding

Das Heiligtum der Pferde.

Das „hohe Lied von Trakehnen" mit vielen Pferdeaufnahmen. 69. Tsd. 108 S./Ln. DM 9,80

 

Robert Budzinski. Entdeckung Ostpreußens.

Ein Buch zum Schmunzeln, in dem der originelle Autor seine Heimat kritisch unter die Lupe nimmt, mit zahlr. Holzschnitten und Federzeichnungen des Verfassers. 80 S./Ln. DM 5,50

 

Fritz Kudnig. Land der tausend Seen.

Gedichte von Masurens Seen und Wäldern. Mit 8 Kunstdruckbildern. 48 S./kart. DM 2,80 Ln. DM 4,23

 

Fritz Kudnig. Das Wunder am Meer.

Das Lied einer Landschaft. Gedichte von Haff, Meer und Dünenland. Mit 8 Bildern von der Nehrung. 48 S./kart. DM 2,80 Ln. DM 4,25

 

Walter Scheffler. Mein Königsberg.

Spaziergänge in Sonetten und Liedern. Mit 8 Kunstdruckbildern. 48 S./kart. DM 2,80 Ln. DM 4,25

 

Das heutige Ostpreußen.

Ein Bild- und Reisebericht aus dem poln. besetzten Teil Ostpreußens. 80 S., davon 68 S. Kunstdruck. DM 5,80

 

Das heutige Danzig.

Ein Reise- und Bildbericht mit 75 Fotos auf Kunstdruckpapier. Zusammengestellt von Dr. H. K. Gspann. DM 5,80

 

Prächtige Erinnerungsbände

Wind, Sand und Meer.

Die Kurische Nehrung in 52 Bildern. Ein Buch der Erinnerung mit ergänzenden Textbeiträgen namhafter ostpreußisch. Autoren. Großformat. 108 S./Ln. DM 11,50 Hleder DM 15,--

 

Stille Seen — Dunkle Wälder

Masuren und Oberland in Bildern. Spiegelt den Zauber der alten Grenzlandschaft, begleitet von ausgewählten Texten ostpr. Autoren. Großformat. 100 S./Ln. DM 11,80 Hleder DM 15,50

 

Königsberg in 144 Bildern.

Ein Bildwerk von der einstigen Größe und Schönheit der Hauptstadt Ostpreußens. Kart. DM 7,50 Ln. DM 9,80

 

Masuren in 144 Bildern.

Das Land der dunklen Wälder in all seiner Schönheit. Kart. DM 7,50 Ln. DM 9,80

 

Danzig in 144 Bildern.

Die alte Hansestadt, die Perle der Ostsee in ihrer einstigen unversehrten Schönheit. Kart. DM 7,50 Ln. DM 9,80

 

Quer durch Ostpreußen.

100 Aufnahmen aus Ostpreußen mit Begleittext. Eine Wanderung quer durch die Heimat. 60 S./kart. DM 3,85. Ln. 6,--

 

Seite 14   Ost- und westpreußische Heimatfamilie.

Wir gratulieren!

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Arthur Meermann und Frau Selma Meermann, geb. Jochim aus dem Kreis Elbing am 22.01.1957 in Osterholz-Scharmbeck, Koppelstraße.

 

Eheleute Franz Federmann und Frau Karoline Federmann, geb. Gronwald aus Pillau am 18.01.1957 in Soltau, Breslauer Straße 15.

 

95. Geburtstag

Auguste Hollstein feierte als älteste Einwohnerin von Nienburg Anfang Januar 1957 ihren 95. Geburtstag. Sie wurde in Klein-Jägersdorf in Ostpr. geboren und wohnte zuletzt in Königsberg. Sie wohnt seit 1947 bei ihrer einzigen Tochter in Nienburg, Ludwig-Keyser-Straße.

 

90. Geburtstag

Malermeister Julius Schäfereit aus Tilsit in Rastedt/Oldenb.

 

89. Geburtstag

Witwe Caroline Neiß aus Branden, Kr. Gumbinnen, zuletzt wohnhaft in Insterburg am 21.01.1957, in Walle, Ostfrsld., Siedlung Lützow-Allee.

 

86. Geburtstag

Landwirtschaftsrat i. R. Johannes Kantelberg aus Königsberg/Pr. am 12.02.1957 in Preetz/ Holst., Kührninerstraße 40. In Schlakalken/ Ostpreußen geboren war er bis zu seiner Pensionierung Leiter des Tierzuchtamtes in Stralsund. Nach Rückkehr in seine Heimat bearbeitete er bis zur Flucht bei der Landwirtschaftskammer Königsberg/Pr. (Herbuchgesellschaft) Vererbungsfragen.

 

84. Geburtstag

Photograph Ernst Gebhardi aus Insterburg am 14.02.1957 in Engelade über Seesen/Harz (bei Bauer Wacker).

 

83. Geburtstag

Rentner Max Kirschner aus Münsterwalde, Kr. Marienwerder am 14.01.1957 in Lastrup, Bauernschaft Schnelten.

 

Gustav Kinnigkeit, Malermeister und Fachlehrer der früheren Malerinnung in Gumbinnen, am 22.01.1957 in Nindorf, Kr. Winsen, Altersheim. Der Jubilar war langjähriger Prüfungsmeister bei der Handwerkskammer in Gumbinnen-Insterburg, die später nach Königsberg verlegt worden ist. Er hat sich in über 40 Jahren um die Ausbildung des handwerklichen Nachwuchses verdient gemacht.

 

81. Geburtstag

Friedrich Ehmke aus Gumbinnen am 21.01.1957 in Nordenham, Wesermarsch.

 

80. Geburtstag

Adolf Jendroschewski, Stellmachermeister, aus Königsberg/Pr., Sackheim 130, am 05.02.1957 in Barförde Nr. 14, Kr. Lüneburg, wo er mit seiner Ehefrau Lina Jendroschewski, geb. Feyerabend seit Februar 1945 wohnt.

 

Leopold Eisenblätter aus Elbing, gebürtig aus Schönfeld, Kreis Pr.-Holland, am 08.01.1957 in Langförden, Kr. Vechta/Old. Der Jubilar arbeitete über 40 Jahre als Schlosser bei der Firma Schichau.

 

75. Geburtstag

August Brauer, Schreinermeister, aus Heilsberg/Ermland, am 06.01.1957 in Köln, Jakobstraße 27/31, Augustiner-Krankenhaus.

 

Allen Jubilaren wünscht das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte" recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Es starben fern der Heimat

Emil Berger,Landjägermeister i. R. aus Passenheim/Ostpreußen, 89-jährig am 03.01.1957 in Verden/Aller.

 

Auguste Gawehns, aus dem Memelland, 70-jährig am 15.01.1957 in Lemgo/Lippe.

 

Anna Kasper, aus Königskirch/Ostpr., 79-jährig am 03.01.1957 in Holzminden.

 

Erich Klitsch, Oberzugschöffner, aus Insterburg, 44-jährig am 02.01.1957 in Soltau.

Dr. Ernst Krause, Frauenarzt aus Memel durch Autounfall am 02.01.1957 in Espelkamp.

 

Julius Kujehl,  Bauer aus Gr.-Friedrichsdorf, Elchniederung, 77-jährig am 19.01.1957 in Melle.

 

Ernst Sesse, Revierförster i. R.( Försterei Maransen/Ostpr., 67-jährig am 12.01.1957 in Sittensen.

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig – Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm, (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

 

Herzliche Geburtstagsglückwünsche allen Februargeborenen, unter ihnen besonders denen, die in ein neues Lebensjahrzehnt eintreten

 

am 11.02.1957:  Hartmut Lüneberg (Lyck) 20 Jahre;

 

am 07.02.1957: Ernst Grego (Lyck) 40 Jahre;

 

am 01.02.1957: Ilse Waaga-Neumann (Zoppot) 50 Jahre;

 

am 18.02.1957: Charlotte Kunellis (Memel) 50 Jahre und

 

am 28.02.1957: Lucie-Marie Alter (TuF Danzig) 50 Jahre;

 

am 22.02.1957: Herbert Ogrzewalla (KMTV Kbg.) 60 Jahre und

 

den Ältesten des Februar mit 77 Jahren am 6. Februar 1957, Walter Gaedtke (KTC Kbg. u. a.) und

 

mit 79 Jahren, am 01.02.1957, Adolf Saßermann (Marienwerder und Marienburg/Westpr.).

 

Der Weihnachtsbrief 1956 ist unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen an alle in der Kartei geführten Turner und Turnerinnen aus der Heimat abgesandt worden. Einige sind mit dem Vermerk: „Unbekannt verzogen" zurückgekommen. Wer den 20 Druckseiten Din A 4 umfassenden, mit Berichten und Bildern aus zahlreichen Vereinen ausgestatteten Brief nicht erhalten hat, fordere ihn bitte bei mir an. Auch der ausführliche Bericht über das Treffen in Espelkamp-Mittwald mit Bildern ist in dem Weihnachtsbrief enthalten. Zusendung völlig kostenlos. Außerordentlich erfreulich ist vor allem das vielfältige Echo auf den Brief aus der Sowjetzone. Darin sehe ich einen Beweis für die Richtigkeit der Zielsetzung, in unserer Gemeinschaft vor allem die Turnerfreundschaft über die Zonengrenze hinweg hinüber und herüber zu pflegen und damit einen Beitrag für das Überbrücken alles Trennenden und die Förderung alles Verbindenden zu leisten und einem Auseinanderleben der unter verschiedenen Vorzeichen „regierten" beiden großen deutschen Volksteile vorbeugen zu helfen. Der Tag der Wiedervereinigung muss und wird kommen.

 

Aus Übersee sandten allen Turnfreunden herzliche Neujahrsgrüße Irene Besel-Doege (Marienwerder) und Dr. Lothar Winter (KMTV Kbg.).

 

Das X. Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie ist für das Jahr 1958 in Verbindung mit dem Deutschen Turnfest 1958 München geplant. Wer auch nur mit dem Gedanken spielt, sollte schon jetzt — auf Verdacht — sparen, um sich unabhängig von Geldsorgen entscheiden zu können, wenn die endgültige Einladung kommt. Außerdem ist es wichtig, alle Nachrichten über das Deutsche Turnfest zu lesen, um die Möglichkeiten der Fahrkostenverbilligung, die Ausschreibung der Wettkämpfe, die Rahmen Veranstaltungen und die gebotenen Turnfahrten zu erfahren. Alles dieses veröffentlicht der Deutsche Turnerbund durch die als Beilage zur Zeitschrift „Deutsches Turnen" seit Dezember 1956 erscheinenden „Festblätter Deutsches Turnfest 1958 München". Ich empfehle daher den Bezug der Zeitschrift „Deutsches Turnen", Verlagsort Frankfurt (Main) durch die Post Onkel Wilhelm.

 

Seite 14   Lisa Löffler gestorben.

Am 9. Januar 1957starb im Alter von 70 Jahren Frau Lisa Löffler aus Goldap. Die Nachricht von ihrem plötzlichen Hinscheiden erschütterte alle Angehörigen von Stadt und Kreis Goldap aufs Tiefste. Frau Löffler kam im Jahre 1910 mit ihrem Gatten, dem Oberschullehrer Matthes Löffler (Kantschule) nach Goldap. Auf Grund ihrer vielseitigen Begabungen und organisatorischen Fähigkeiten entfaltete sie bald eine segensreiche Tätigkeit in verschiedenen Organisationen, so im Goldaper Hausfrauenverein, in dem sie mehr als zwanzig Jahre als Geschäftsführerin wirkte, und in dem unter Leitung ihres Gatten stehenden gemischten Chor „Blaue Schleife", dessen Seele sie war. Dichterisch begabt, war sie auch an der Lokalpresse gerngesehene Mitarbeiterin. Aber auch schweres Leid blieb dieser außerordentlichen Frau nicht erspart: Verlust beider Söhne und ihrer drei Brüder, die Flucht aus der Heimat, der Tod des Lebensgefährten. Dennoch stellte sie sich sofort wieder in den Dienst der Heimatfamilie. Auf allen Goldaper Treffen war sie zugegen, und ihre von ihr selbst, vorgetragenen Prologe werden noch vielen Goldapern in der Erinnerung nachklingen.

 

Seite 14   Danziger Bischof freigelassen

Dr. Splett, der Bischof von Danzig, ist jetzt von Warschau kommend in Neuß/Rheinland eingetroffen. Dr. Splett war im August 1945 von den Kommunisten wegen angeblicher „Zusammenarbeit mit dem Feind" verhaftet und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wurde im Zuge der Befriedungsaktion zwischen Kirche und Staat in Polen vor einigen Wochen — wie bereits berichtet — freigelassen.

 

Im Namen der Evangelischen Kirche von Danzig und Westpreußen richtete Oberkonsistorialrat Gülzow an den katholischen Bischof von Danzig, Dr. Splett ein Grußschreiben.

 

Seite 14   Lesersuchdienst

Gesucht werden:

 

Erich Kleipendshus, Bauer aus Altenb. Seckenburg, Elchniederung, und dessen Ehefrau Emilie Kleipedshus, geb. Kleschies.

 

Frau Helene Heyda, Kaufmannswitwe aus Kreuzingen.

 

Frau Betty Petereit, geb. Schippereit aus Rautenkirch.

 

Frau Helene Kiack, aus Tilsit, Siedlung, Danziger Weg 18.

 

Zweckdienliche Zuschriften an Frau Martha Kirsch (früher Tilsit, Splittererstraße 2, Mühle Bruder), Leipzig N 23, Kirschbergstraße 10, 2. Aufg./II.

 

Seite 14   Ehrung für Baronin v. Schutzbar

Baronin Margot v. Schutzbar auf Schloss Wommen erhielt durch Staatssekretär Dr. Nahm das Bundesverdienstkreuz I. Klasse überreicht. Frau v. Schutzbar wurde diese hohe Auszeichnung als Anerkennung für ihre Verdienste bei der Linderung des Vertriebenenelends in der Nachkriegszeit verliehen. Sie hat in ihrem Schloss vielen Vertriebenen Unterkunft gewährt und übergab im Frühjahr 1946 das Rittergut Wommen an den Diakonie-Verband Marburg.

 

Seite 14   In Memoriam Dr. Gerhard Warnke. Zu seinem 50. Geburtstag.

Gerhard Warnke, mein lieber Freund aus gemeinsamer Studienzeit an der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. ist vom russischen Feldzug nicht mehr zurückgekehrt. Zu all den schweren Erlebnissen der letzten Jahre — ich bin selbst erst im Vorjahre nach achteinhalbjähriger Haft aus einem ostzonalen KZ entlassen worden, kam diese Nachricht von seiner Frau, unserer gemeinsamen ehemaligen Studienkollegin.

 

Die Nachricht erschütterte mich umso tiefer, als ich mit Gerhard Warnke ja nicht nur einen getreuen Arbeitskollegen, sondern vor allem einen lieben Freund verloren habe.

 

Am Zoologischen Institut der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. verbrachten wir gemeinsam unsere Assistentenjahre, leiteten im Auftrage der Stadt Königsberg Ausflüge für die Bevölkerung zur Bestimmung einheimischer Vögel, hielten gemeinsame Kurse in Zoologie und Botanik für Physikumskandidaten ab, nahmen auch gemeinsam teil an den wissenschaftlichen Excursionen des zoologischen Instituts, wie z. B. an die Adria 1928.

 

Im Besonderen verband uns während unserer Assistentenzeit die gemeinsame Arbeit über die Fauna der Frischen Nehrung. Diese Arbeit ist als ein Beitrag zur Fauna der Frischen Nehrung in den Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg/Pr. erschienen.

 

Im Jahre 1937 ging mein Freund als Studienrat nach Pillau, wo er sich in seiner Freizeit im speziellen der ornithologischen Forschung widmete. Die fachmännische Beurteilung seiner ornithologischen Arbeiten möge dem ehemaligen Leiter der Vogelwarte Rossitten vorbehalten bleiben.

 

An dieser Stelle will ich nur noch des letzten Zusammentreffens mit meinem Freunde gedenken. Nach Beendigung seiner Fähnrichausbildung besuchte er mich in Posen während meines Lazarettaufenthaltes, unmittelbar vor seinem eignen Fronteinsatz.

 

Er gedachte der gemeinsam verbrachten Jahre, vor allem aber immer wieder seiner Frau und seines Kindes. Ohne zu klagen, gab er seiner Überzeugung Ausdruck, dass ihm kein Wiedersehen vergönnt sein werde. So stand dieses Zusammentreffen im Zeichen herber Trauer.

 

Am Vorabend seines 50. Geburtstages (13.02.1957) kommt es mir besonders zum Bewusstsein, wie tief mich die Nachricht traf, dass es meinem Freunde Gerhard Warnke nicht beschieden gewesen ist, zu Frau und Kind zurückzukehren. Seine Vorahnung hatte ihn nicht getäuscht.

 

Sit tibi terra levis! Dr Alfred Sehl

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (42)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Ein Laster muss der Mensch doch haben! Deshalb hab ich innes neie Jahr mit Priemen angefangen. Das is wenigstens standesgemäß und auch viel säuberlicher wie der Schniefke, wo immer inne Gegend rumfliegt, dass der Böffke wie gepudert aussieht. Und denn die viele Taschentiecher, wo einer mit veraasen tut! Deshalb ging ich vorgester im Krug, e Rollche Schiemannsgarn holen. Und da stand e Kerdel annes Biefeeh, dass ich rein von hinten dachd, das könnd der Paulche Schallnies aus Dumsdalken sein, wissen Se, der Nachschrabsel vom Ede Schallnies und seine verflossene Berta, wo der alte Differt noch emal aufgegrabbelt hädd, wie seine Frau abgekratzt war. Und denken Se diesem leibhaftigem Zufall! Er war es wirklich! Bloß er wussd es nich mehr. Er hädd es, mir scheint, auch vergessen, dass er zu Haus e nichtsnutziger Lodschak gewesen war, so e richtger Luntrus, dem wo keiner nich ieberm Weg traud. Arbeiten hat dem keiner nie nich gesehn, zu Mittag hat er inne Kastroll gespuckt und zu Ambrot fier zwei Dittchens Pferdswurscht gekauft. Aber nu gab er an wie e Tutche voll Micken. Aufgeblasen wie e Pomskeilche, gibbeld er, dass ihm das Maul schäumd, und wussd gar nich, dass ich hinter ihm stand. Jetz missd er als Flichtling mit Pinsel und Birsten und Wischkodders hausieren gehn, sagd er, und zu Haus huckd er aufes Väterliche von vierhundert Morgen. Da hädd er e Haushalt wie e First. Was liefen da bloß fier Leite aufem Hof und inne Stubens rum, einer konnd se bald gar nich mehr zählen! Da war e Stuben- und e Kichenmädchen, e Schweizer und e herrschaftlicher Kutscher. Einer kam sich wie e Sultan vor, ieberall, wo hinspuckds, trafst einem, wo irgendwas innes Haus zu bepaslacken hädd. Und wenn Ambrot gab denn huckden ummem Tisch bald mehr Menschen rum wie in manches kleine Kirchdorf. Und er beschwor sich hundert Klafter untre Erd, dass alles stimmd, was er sagd.

 

Da kam es mir hoch, und ich haud ihm von hinten eins aufe Schulter, dass er inne Knie ging. Dann drehd er sich um und erkannd mir und wolld mir umärmeln. Aber ich ließ nich. „Weisst, Paulche", sagd ich, „ich hab vor e paar Jahre mal zwei Hundchens belauscht, einem großen und einem kleinem. Der große schimpfd, weil er dem kleinen an seinem Stammbaum bedrickt hadd. Der war bloß fier die großen Kollegen bestimmt, und schon gar nich fier die Flichtlingshunde. Da pusd der kleine sich auf und gab ihm ganz geheerig Bescheid: „Ich bin e Flichtling, aber ich bin bloß aufe Flucht zusammengeschrumpelt. Zu Haus war ich e wietender Bernhardiner!"

 

Der Paulche sagd gar nuschd mehr, packd seinem Kraassel zusammen und verschwand, indem dass ich ihm noch gute Verrichtung in sämtliche Hinsichten winschen tat. Sehn Se, das is doch nich richtig, dass einer sich so sprössig auffiehrt und die Leite de Huck vollschwindelt. Mir is zu Haus bestimmt nicht schlecht gegangen, aber ich wer mir doch nich ohne Grund von eine Ursache greeßer machen wie ich bin! Nu bin ich Dittche-Rentjeeh und muss ieberall e paar Löchers zurickschrauben. Alles muss ich allein machen, ich bin mein eigner Schlosser und Glaser, mein Tischler und Stellmacher, ich rasier mir selbst und wasch mir allein de Fieße! Was willst machen, musst dir zufrieden geben! Die paar Plautzpfennige reichen nich hin und nich her, und wenn es nu noch schlimmer wird mit die

aasige Teierung, denn kommt einer inne Padunis rein und findt gar nich mehr raus! Deshalb hab ich ja auch dem Ziehgarr abgeschworen und begnieg mir mittem Prehmke. Und weil wir nich immer beim Dokter fahren wollen, weil das auch jedesmal einsvirzig mitte Kleinbahn kost, hab ich mir auße Buchhandlung dem „Arzt im Hause" fier zwei Gulden gekauft, nu bin ich auch noch mein eigner Dokter! Da hadd uns nämlich das Schicksal direkt mittem Knippel gewinkt, wo wir was besparen konnden, indem dass de Emma es mittem Rickstrang kriegd. Dadraufhin huckd ich mir dem Debbie aufem Deetz, fuhr inne Stadt und kam, de medizinische Litteratuhr unterm Arm geklemmt, siegesbewussd wieder zu Haus. Nu suchd ich unter R verzweifelt dem Rickstrang, aber er war nich drin. Dem hädden se vergessen, oder er stand in die „wesentlich erweiterte Luxusausgabe" fier fimf Mark fuffzig, wo se aufe letzte Seit angepriesen hädden. So missd ich statt dem Rickstrang was anders nehmen (unter Kammstick war es auch nich aufgefiehrt), deshalb entschloss ich mir fier „Magen". Der liegt zwar inne entgegengesetzte Himmelsrichtung, aber es war doch immer noch besser, als wenn ich gar nuscht nahm. De Magenbeschwerden waren aller hibsch versammelt wie de Verwandschaft bei e Hochzeit und einzeln nummeriert. Am besten gefiel mir „nerwiös-reumatische Magenschmerzen", und als bestes Mittel dagegen war Semfpflaster verschrieben. Ich ging los beim Kaufmann fragen, ob er Sempfpflaster hädd, aber de Emma sagd, ich soll Mostrichpflaster lodern, dass er mir nich fier ieberkandiedelt hält. Semf haben bloß die vornehme Leite, de Pläters haben Mostrich! Ich kriegd trotzdem Semfpflaster — wodraus dass se sehen können, dass einer doch fier voll genommen wird — und praktizierd es de Emma mit Wucht aufem Rickstrang. Se verspierd auch gleich e Linderung, aber inne Nacht kam das dicke End nach. So um Uhre drei weckd se mir: „Emil, es brennt wie Feier!" „Soll ich emmend de Feierwehr allamieren?"' „Brissel nich so dammlich, sondern pul mir schnell das krätsche Pflaster vom Puckel runter, sonst brennt es mir vorne bis aufem Bauch durch“. Ich raus auße Posen, Licht angestochen und Pflaster abgepult. Das war vleicht e Stick Arbeit, aber ich schaffd es. Nu war aufe Emma ihr Ricken e großer, roter Plack, und se brilld: „Huhu, jetz brennt es noch viel doller“. Nu hab ich gepust wie auf heiße Klunkersupp. Solang wie ich pusten tat, ging es ja, aber wenn ich aufheerd, fing se foorts wieder mit Brillen an. Ich konnd doch nich vier Wochen hucken und pusten! Da kam mir eins der richtige Tippel in diese bewusste Angelegenheit: „Wir wollen ihm kiehlen!" Ich hold mir e Eimer Wasser und e Blumenspritz, de Emma stelld sich aufe Fieße, und ich gab ihm Saures! Se hat zwar e starke Abneigung gegen kaltes Wasser, aber se missd aushalten. Denn hab ich noch e Pfund Kartoffelmehl verquast und aufes Kreizstick raufgestreit, und so gegen Uhre sechse fanden wir denn endlich wieder Schlaf. Inzwischen is es wieder ganz geheilt, und de Hauptsach: Das Reißen is weg! Sehn Se, so schnell hab ich das mit die Dokterei begriffen, aber de Emma sagt, ich bin ricksichtslos und könnd heechstens Tierarzt werden, fiere Menschen fehlt mir de leichte Hand. Aber ich lass mir de Freid an meine neie wissenschaftliche Beschäftigung nich nehmen, und zwischendurch verborg ich dem „Arzt im Hause" reihum innes Dorf fier fimf Dittchens, dass es sich wieder einbringt. Und de ganze Gebiehrens kommen inne Prehmke-Kass. Das Geschäft geht gut, und ich ieberleg direkt, ob ich mir nich auch noch de „wesentlich erweiterte Luxusausgabe" besorgen soll. Da könnd ich fieres Verborgen e Gulden nehmen. Bloß fimf Mark fuffzig is viel Geld, und wenn ich diese Anschaffung auße Prehmke-Kass finanzieren tu, denn komm ich wieder mittem Schiemannsgarn zu kurz. Deshalb wer ich man vorleifig meinem Fortbildungsdrang bezähmen und mir mit die billige Ausgabe begniegen.

 

Wenn Se diesem Brief lesen, Anfang Februar, wird emmend Steiner auße Erd frieren, aber jetz, wo ich ihm schreib, hubbert einem zwar e bissche, aber draußen friehlingt es, als wenn der Kalender falsch geht. Es geht doch nirgends so verrickt zu wie aufe Welt! Nun grieß ich Ihnen herzlich in treie Verbundenheit bis aufes nächste Mal! Ihr Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Walter Fritjof Richau - ein Achtziger.

Am 8. Februar 1957 begeht Walter Fritjof Richau seinen achtzigsten Geburtstag. Der Jubilar, der sich bester Gesundheit erfreut, darf als eine der profiliertesten Persönlichkeiten des Königsberger Sport- und Vereinslebens angesehen werden, als aktives und passives Mitglied in gleicher Weise. U.a. war er in den Jahren 1904 bis 1907 ehrenamtlicher Leiter der Geschäftsstelle des Schwimmvereins Prussia (SVP) in Königsberg. Seine sportlichen Erfolge spiegelten sich in einer Reihe von Ehrenpokalen und Auszeichnungen. Mit Leib und Seele dem .Sport verschworen, stellte er auch seine schriftstellerischen Talente in den Dienst der Sache: so sehen wir ihn als Verfasser des Bühnenstückes zur Gründung des Prussia Dankordens und vieler Prologe und Festlieder. Richau entstammt einer der ältesten ostpreußischen Familien, deren Name schon in den ältesten Urkunden des Preußischen Staatsarchives genannt wird. Bis 1945 war er Inhaber der fünfzig Jahre alten Firma Georg Karpowsky (Schnürlingstraße). Er blieb auch in den späteren Jahren dem Sport verbunden und stiftete den ersten Wanderpreis des SVP, eine große Weinbowle aus Kupfer, sowie für jeden Teilnehmer am ersten Reigenschwimmen im Oberteich einen Kristallpokal mit Vereinswappen und Inschrift. 1945 verließ er mit Tausenden von Schicksalsgenossen von Pillau aus mit der „Monte Rosa" die Heimat, lebte zunächst durch zehn Jahre in dem kleinen holsteinischen Dorf Brokstedt und hat sich nun in Hamburg in einem aus Trümmern neu erstandenen Stadtteil niedergelassen, wo er bereits zu einer wohlbekannten Erscheinung geworden ist — durch seinen gepflegten Bart und seinen kleinen schwarzen Dackel! Es ist ihm vergönnt, seinen Lebensabend zusammen mit seiner treuen Lebensgefährtin und seiner Tochter zu verbringen.

 

Seite 15   Recht und Wahrheit – Grundlage für den Frieden. Dr. Schlusnus bei den Aiblinger Landsleuten.

Wenn man aus der Autobahn München-Salzburg das voralpine Moränengebiet nach Süden durchfährt und auf schwindelnder Brücke das mächtige Tal der Mangfall überquert hat, den Seehamer See zur Rechten ein Stück der sagen- und liederumwobenen Leizach gefolgt ist, gelangt man alsbald an die Abzweigung nach Bad Aibling. Zum zweiten Male, jetzt in nördlicher Richtung, überquert man die Mangfall und fährt von Süden in das Städtchen ein. Die Ortsränder sind durch die wirtschaftliche Entwicklung neuerer Zeit aufgesprengt und durch lockere Siedlungsbauten unbestimmbar geworden. Aber auch im Innern des Ortes findet man nur wenige traditionelle Gebäude oberbayerischer Art. Der Ort am Fluss des Hofbergs, des alten fränkischen Königshofes, schon im 14. Jahrhundert zur Stadt erhoben, ist 1503, 1756 und 1803 fast vollständig abgebrannt. Als 1844 das Moorbad eröffnet wurde, begann ein neuer Aufstieg. Zehn Jahre lang, von 1882 bis 1892, lebte der berühmte aus Köln stammende Maler Wilhelm Leibl, einer der besten Gestalter bayerischer Volksart, in Bad Aibling.

 

Die heimatvertriebenen Ost- und Westpreußen in Bad Aibling haben hier trotz des Wirtschaftswunders keine Reichtümer erwerben können. Sie ringen seit Jahr und Tag um die Entfaltung ihrer Existenzmöglichkeiten und haben sich, so gut es ging, eingeordnet. Aber bis zur wirtschaftlichen Zufriedennett fehlt noch sehr viel in mancher Hinsicht. Ihre Kleine Gemeinschaft leitet seit Jahren ruhig und unbeirrbar Fritz Krosta. Im Frühlingsgarten haben sie sich versammelt, Männer, Frauen, junge Leute und Kinder. Es sind mehr als ein halbes und weniger als ein ganzes Hundert. Man übersieht diese Ost- und Westpreußen nicht. Warum? — Erwartet man von ihnen etwas? Und wenn, dann was? — Eine einheimische Frau Doktor von der Ortspresse ist anwesend. Sie beobachtet scharf und ist hellhörig. Was will sie? Will sie hören, ob die Ostpreußen verwehte Spreu geworden sind oder zu toten Karteikarten? — Da erhebt sich Fritz Krosta aus der Mitte seiner Gefährten vom runden Stammtisch in der Ecke des Raumes. Ein Marmorblock ruht auf dem Tisch, als Fuß für eine echte Elchschaufel. Die Stirnflächen des Steins zieren Wappen ost- und westpreußischer Städte und Symbole des Ordenslandes. Der Tilsiter Heinz Struwe hat sie kunstgerecht eingemeißelt. Die Elchschaufel, eine Jagdtrophäe aus Estland, hat ein einheimischer Lehrer der Gruppe geschenkt.

 

Man hört von den Sorgen und Nöten der Gruppe und ihrer Mitglieder, erfährt auch viel Erfreuliches aus dem persönlichen und familiären Bereich. Da sind Geburtstagskinder, dreie an der Zahl. Helene Ahlert und Justine Graap, beide treten ins 70. Lebensjahr, Walter Junker nähert sich der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Der Vorsitzende Krosta gratuliert ihnen und mahnt zu Treue und Zusammenhalt. Mit einer Handbewegung schiebt er die gleißnerischen Ausverkaufsangebote mancher Politiker des In- und Auslandes beiseite. Er hat in jungen Jahren die Volksabstimmung in Masuren erlebt und weiß besser als Churchill, Brentano, die Wiskemann oder Schmid, dass nur Recht und Wahrheit Grundlage für den Frieden sein können.

 

Und in diesem Sinne wird Dr. Schlusnus als Mitkämpfer begrüßt, der in scharfsinnigen Darlegungen, durch reichliche Detailschilderungen verlebendigt, die Kern-Zusammenhänge der ostdeutschen und deutschen Geschichte der Versammlung vor Augen führt. An einer Fülle seltener Bilder historischer Ereignisse demonstriert er die entscheidenden Tatsachen der Geschichte, wo sie dem deutschen Volk zum Schicksal wurde. Das Bild der Königin Luise bleibt am Ende des packenden Vortrages stehen, das Bild jener edlen Frau, die in böser Zeit, als leuchtendes Beispiel für die Nachwelt den Glauben an die Wiederauferstehung des Vaterlandes bis in den Tod bewahrte und den Schicksalsfaden des deutschen Volkes weiterflocht. Bewegter Beifall der Zuhörer dankt Dr. Schlusnus für seinen glänzenden Vortrag, der die oft als tot empfundene Geschichte in einer schnellen Stunde zur entscheidungsvollen Gegenwart werden ließ.

 

Seite 15   „Vier Wege“ zur Lösung der Oder-Neiße-Frage. Eine Untersuchung des Bundes der vertriebenen Deutschen.

Die Pressekorrespondenz des „Bundes der vertriebenen Deutschen“ veröffentlichte eine Darstellung über den Stand der Diskussionen über die Oder-Neiße-Gebiete unter dem Titel „Das deutsch-polnische Verhältnis“. In diesem Beitrag, der als verbandsoffizielle Studie angesehen werden darf, werden einleitend zunächst die völkerrechtlichen und dann die Ausgangspunkte der „Realpolitiker“ charakterisiert.

 

Der Verfasser stellt fest, dass, nach Lage der Dinge, grundsätzlich „vier Wege“ zur Rückgewinnung der Ostgebiete denkbar seien; zwei werden als unrealistisch ausgeschieden, der dritte komme nicht in Frage, da die Voraussetzungen nicht genügend vorbereitet seien. Der erste dieser Wege sei eine „fünfte Teilung Polens“ im Zusammengehen Deutschlands mit Russland; der zweite ein Zusammengehen Deutschlands mit Polen gegen Russland mit dem Ziel, die polnischen Ostgebiete (Westukraine) zurückzugewinnen und dafür die deutschen Ostgebiete von Polen zurückzubekommen; der vierte eine „automatische Lösung“ des Fragenkomplexes im Sinne der Europaidee, wodurch die bisherigen Staatsgrenzen langsam den Charakter von bloßen Verwaltungsgrenzen erhalten würden. Der dritte Weg aber sei ein Verzicht der Polen auf die deutschen Ostgebiete. Der Verfasser dieses Berichtes kommt jedoch zu der Feststellung, dass man in Warschau in Anbetracht der Bemühungen der Westmächte um Polen, einen derartigen Verzicht kaum für notwendig erachten wird.

 

Nach diesen Überlegungen kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass die Vertriebenen 1957 auf der Hut sein müssten, um zu verhindern, dass ihre Heimatgebiete auf dem Altar des sich anbahnenden Weltfriedens zum Opfer gebracht werden. „Die wohl überwiegende Mehrheit des Westens würde es jedenfalls am liebsten sehen, wenn Deutschland die geschaffenen Tatsachen an der Oder und Neiße anerkennt, weil sie dann die Herauslösung Polens aus dem Ostblock am leichtesten erreichen könnte. Als nicht gravierend würde diese westliche Welt es ansehen, wenn diese Anerkennung bei geringfügigen Korrekturen der faktischen Linie erfolgen würde, etwa die Herausgabe Stettins betreffend oder die Freigabe eines Streifens östlich der Neiße. Um alles Darüberhinausgehende wird 1957 im Stillen und danach sehr offen mit den westlichen Verbündeten, vor allem in Washington, ein gewaltiges Ringen zu bestreiten sein. Die Vertriebenen selbst werden hierbei in vorderer Linie zu stehen haben“.

 

Seite 15   Bonn zur Heimatrechtsproblematik

In dem diesjährigen Tätigkeitsbericht der Bundesregierung findet sich in dem Kapitel „Die Geschädigtenprobleme vor der Öffentlichkeit“ der Hinweis, dass die Problematik des Themas „Das Recht auf die Heimat“ weite Kreise der Weltöffentlichkeit auf Grund von Äußerungen namhafter Politiker und Wissenschaftler beschäftigt habe. Auslassungen namhafter Persönlichkeiten, wie Brentano, Churchill, McCloy, Bulganin, Greve, Carlo Schmid und Dehler, sowie der englische Wissenschaftlerin Wiskemann, des Vatikans und der Steuben-Gesellschaft hätten zu erheblicher publizistischer Polemik geführt.

 

Seite 15   Große Erfolgsveranstaltung in Wolfsburg. Dr. Lau vor 700 Zuhörern / Herzhafte Lachstürme.

Selten fand eine landsmannschaftliche Veranstaltung in der Lokalpresse ein so begeistertes Echo wie der „Fröhliche Heimatabend mit Dr. Lau" in der schönen Aula der Wolfsburger Oberschule, zu dem rund 700 Gäste — und nicht allein aus den Reihen der Landsleute — erschienen waren.

 

So schreibt die „Wolfsburger Allgemeine" von einem humoristischen Abend, der allen Besuchern sicherlich noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben wird“. Sie fährt dann fort: „Kein geringerer als Dr. Alfred Lau, lange Jahre Intendant des Reichssenders Königsberg, bekannter Mundartdichter seiner ostpreußischen Heimat, gestaltete ein Programm, das immer wieder herzhafte Lachstürme und donnernden Applaus hervorrief. — Wieviel warmherziger Humor, wieviel herzerfrischende Lebenslust in dem angeblich „kalten Lande“ pulsierte, davon verstand Dr. Lau mehr als nur einige köstliche Proben zu geben. Die Art und Weise, wie er in seiner heimatlichen Mundart mit Geschichten, Gedichten und Erzählungen eine echte ost- und westpreußische Atmosphäre aus glücklicheren Tagen zu schaffen vermochte, war sicherlich einmalig. Was er gab, war schlichtweg ein eindrucksvolles Bild der lachenden Heimat jener, die im Saale saßen. — Er fand auch bei den Einheimischen ein dankbares Echo“.

 

Und die „Wolfsburger Nachrichten- unterstreichen die Ausführungen, indem sie Dr. Lau bescheinigen dass er es verstanden habe, seine Landsleute in der “ostpreußischen Mundart in die alte Heimat zurückzuführen, dank seiner „ungezwungenen, heiteren Vortragsweise". „Fast vergessene Ausdrücke wurden hier wieder lebendig. Der Sprecher betonte, dass es ihm darauf ankomme, diese Besonderheiten eines deutschen Dialektes zu erhalten. Herzhaft konnte das Publikum bei den handfesten Formulierungen lachen“.

 

Landsmann Raddatz, der Vorsitzende der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, konnte bei diesem Abend unter den zahlreichen Gästen auch Oberbürgermeister Bransch mit seiner Gattin und den Leiter des Ausgleichsamtes Moschner begrüßen. Zur besonderen Freude des Vortragenden und der veranstaltenden Landsleute erklärte der Oberbürgermeister, dass er als Nicht-Ostdeutscher in seinem ganzen Leben noch niemals so gelacht habe als an diesem Abend.

 

Altena

Auf der sehr gut besuchten Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen wurde der Ereignisse des vergangenen Jahres gedacht und der Kassenbericht gegeben. Anschließend wählten die Anwesenden erneut Kurt Meyer zum Vorsitzenden. 2. Vorsitzender wurde Emil Dittkrist. 1. Kassierer Frau Poschwall, 2. Kassierer P. Buik. 1. Schriftführer Frau Kemmler, 2. Schriftführer Otto Thalhäuser, 1. Kulturwart Frau Buik, 2. Kulturwart Walter Rettich; Sprecher der Westpreußen, Danziger und Pommern wurden Bahr, Krauß und Drews.

 

Bremerhaven.

Zum achten Male wurde Erich Munk zum Vorsitzenden der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen und Weichsel-Warthe gewählt. Lehrer Bartusch blieb Stellvertreter. Schlemminger wurde Schriftführer und Fritz Klein Schatzmeister. Der Vorsitzende des Landesverbandes Bremen der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Praengel, sagte, die westliche Welt, besonders Amerika, habe das den Deutschen in Jalta und Potsdam zugefügte Unrecht erkannt. Die Aufklärungsarbeit der Vertriebenenverbände habe dort schon erfreuliche Früchte getragen.

 

Fallingvorstel.

Die Landsmannschaft Ordensland wählte in ihrer Generalversammlung einstimmig den bisherigen Vorstand wieder: Vorsitzender blieb Kurt Mroß, Hans Ameling sein Stellvertreter, Schriftführer Fritz Mroß, Kassenführer Frau Gertrud Ameling. Neu hinzugewählt wurde ein Kulturausschuss, der damit beauftragt wurde, für jede Monatsversammlung einen heimatpolitischen Vortrag vorzubereiten und von Herrn Haffke, Herrn Wilhelm Bennien  und Frau Lukas vertreten wird. – Das bereits zur Tradition gewordene Kappenfest feiert die Landsmannschaft Ordensland am 16. Februar 1957 im Bahnhofshotel. Alle ostdeutschen Landsleute sind dazu eingeladen.

 

Gebhardshagen

Auf dem Heimatabend der Ost- und Westpreußen, der unter dem Leitwort: „Mit Zuversicht ins neue Jahr" stand, sagte der Vorsitzende der Kreisgruppe, Gerhard Staff. es bestehe nicht der geringste Anlass, die deutschen Ostgebiete politisch aufzugeben. Festigkeit in der Haltung und Glaube an die gerechte Sache blieben die Grundlagen der Zukunft. Masurische Geschichten von Siegfried Lenz, plattdeutsche Mundartvorträge und Farbbilder aus Süddeutschland, der Schweiz und der Umgebung von Gebhardshagen beschlossen den Abend.

 

Hannover

Am 12. Februar spricht Dr. von Krannhals von der Ostdeutschen Akademie Lüneburg im „Haus der Jugend", Maschstraße, über das aktuelle Thema: Ostpreußen heute. Aus Tausenden von Einzelberichten, die in der Akademie gesammelt wurden, kann Dr. von Krannhals einen umfassenden Bericht über die Zustände in unserer Heimat geben. Beginn 20 Uhr. Für Mitglieder gegen Ausweisvorlage freier Eintritt. Sonst Unkostenbeitrag von 50 Pfg.

 

Tradition der „Königsberger Börsenhalle“

Wolfratshausen: „Das Gefühl der Humanität hat mich noch nicht verlassen!" Diese Worte des Königsberger Philosophen Immanuel Kant, kurz vor seinem Tode gesprochen, standen als Leitwort über der Film- und Vortragsveranstaltung, die von der kleinen Gruppe der Ost- und Westpreußen im Kreise Wolfratshausen mit dem Thema Kopernikus und Kant durchgefühlt wurde. Seit Jahren bemüht sich diese Gruppe darum, die Öffentlichkeit über die geistigen Zusammenhänge zwischen Ostpreußen und dem deutschen Lebensbereich zu unterrichten, wie sie in Geschichte und Kultur allerdings nur dem Kundigen sichtbar werden. Diese kulturelle Arbeit, beste Erfüllung des landsmannschaftlichen Auftrags aus eigenen Kräften und eigener Verantwortlichkeit, ist Wesen der Wolfratshauser Gruppe, ihre Seele ist in langen Jahren der Vorsitzende der Gemeinschaft, Dr. Walter Schlußnus, geworden. Der Rahmen der kulturellen Veranstaltungen, die im Laufe der Jahre rund 30 beachtenswerte Vorträge geboten haben, ist ein besonderer. In Anlehnung an die ostpreußischen Bürgergesellschaften der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde hier die Tradition der „Königsberger Börsenhalle" aufgenommen, zu deren Tagungen sich meist Einheimische und Heimatvertriebene in paritätischer Zahl zusammenfinden. Das letzte Mal waren sogar doppelt so viel Gäste anwesend als Landsleute. Es wurden die beiden ausgezeichneten Filme „Kopernikus" (Filmdienst Bonn) und „Kant und Königsberg" (Dr. Abramowsky) gezeigt, zu denen Dr. Schlusnus einen Einleitungsvortrag hielt und dabei die Schilderung eines Schweizer Schriftstellers zugrunde legte, der Ostpreußen recht genau kennengelernt hat und diese geistige wie territoriale Bastion für sein eigenes Land in vollem Umfang als solche erkannte.

 

München

In einer von der Gruppe West unter Leitung des ersten Vorsitzenden Lothar Polixa durchgeführten Veranstaltung sprach der Landeskulturreferent Dr. Schlusnus über die geistesgeschichtliche Bedeutung Ostpreußens und zeigte dazu 175 Lichtbilder. Insbesondere gewannen die Bilder von geschichtlichen Ereignissen und Vorgängen sowie von bedeutenden Persönlichkeiten die Aufmerksamkeit der zahlreichen Zuhörerschaft. Weder einen Nekrolog zu halten noch einen Geisterreigen aufzuführen, sei seine Absicht, so sagte Dr. Schlusnus, sondern zu zeigen, dass wesentliche Bestandteile und Elemente der deutschen Kultur und des deutschen Geisteslebens ihre Wurzeln in Ostpreußen und Königsberg haben.

 

Mit diesem außerordentlich interessanten Vortrag, der von der großen Zuhörerschaft der Münchner Landsleute und ihrer einheimischen Freunde mit sichtbarer Anteilnahme und lebhaftem Beifall aufgenommen wurde, durchbrach die Gruppe West die in München leider sich meist mit Unterhaltung begnügenden Veranstaltungsfolgen. Es bleibt zu hoffen, dass im Sinne dieses Vortrags in Zukunft der in der Landeshauptstadt lebenden ostpreußischen Intelligenz und ihren Erwartungen auch weiterhin Rechnung getragen wird. Zwei Kulturfilme, „Kopernikus" und „Kant und Königsberg" veranschaulichten in aller Deutlichkeit den geistigen Rang Ostpreußens in der wissenschaftlichen Welt. Vorsitzender Polixa dankte dem Vortragenden und fand bei der Zuhörerschaft lebhaften Widerhall zu dem Vorschlag, die Aufklärung über die kulturelle und geistige Bedeutung Ostpreußens in München durch weitere Vorträge zu intensivieren.

 

Bayreuth

Großes Faschingsvergnügen der Ost- und Westpreußen unter dem Motto „Bowkes und Mariellkes“ am Samstag, 9. Februar 1957, 20 Uhr, im „Maiselbräu“. Kostüme erwünscht.

 

Bayreuth

Die Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern führte am 13. Januar im „Stiftshotel" ihre Jahreshauptversammlung durch. Der Vorsitzende konnte in seinem Rechenschaftsbericht auf die erfreuliche Tatsache hinweisen, dass sich die Vereinigung dank ihrer Aktivität der allgemeinen Anerkennung der übrigen Landsmannschaften und der Behörden erfreue. Eine erfreuliche Mitgliederbewegung konnte im vergangenen Jahre festgestellt werden. Aus der Wahl gingen hervor: Erster Vorsitzender Landsmann Hepke, zweiter Vorsitzender Lm. Wolf, Schriftführer Frau Loeffel, Kassierer Lm. Sturmhoefel. Es wurde beschlossen, eine Reisesparkasse zu gründen.

 

Nächste Veranstaltung: Faschingssitzung am 10. Februar im „Stiftshotel".

 

Seite 15   Landsmannschaftliche Nachrichten.

Rulle/Kreis Osnabrück

Wie in jedem Jahre wallfahrten die im Landkreis Osnabrück wohnenden Ermländer zum Feste der Heiligen Familie zur Schutzpatronin ihrer Heimat nach Rulle, um zu bekunden, dass sie auch in der Ferne im Glauben ihrer Väter leben und eine Familie bilden. Nach heimatlichem Brauch wurde in der Wallfahrtskirche die Vesper gesungen.

 

Quakenbrück

Unter dem Motto „Zwischen Weichsel und Memel" begann die Kreisgemeinschaft Bersenbrück der Landsmannschaft Ostpreußen die Kulturveranstaltungen des neuen Jahres. Otto Stork, Kulturreferent in Baden-Württemberg, früher Kapellmeister des Königsberger Rundfunkorchesters, hielt einen Lichtbildervortrag über die ostpreußische Heimat, der mehrfach wiederholt und zu dem auch die einheimische Bevölkerung eingeladen wurde.

 

Seesen a. Harz

Die Jahreshauptversammlung der Ost- und Westpreußen am 5. Januar wurde mit einer Lichtbildreise durch das altpreußische Ordensland eingeleitet. Den begleitenden Vortrag hielten die Landsleute Budzinski, Scharmach und Kulturleiterin Donnermann. Der bisherige Vorstand wurde einstimmig wiedergewählt: 1. Vorsitzender Schulrat a. D. Papendick, Kassierer Lm. Scharmach, Sozialreferent Lm. Wilbudies, Kultur Frau Donnermann.

 

Der nächste Heimatabend am 2. Februar wird ein buntes Programm im Stil einer ostpreußischen Fastnachtsfeier bringen.

 

Soltau

Der Vorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen, Hamann, konnte auf der letzten Mitgliederversammlung neue Mitglieder begrüßen und die beiden ältesten, Frau Richter mit 87 Jahren und Herrn Drewke mit 86 Jahren, wegen ihrer regen Anteilnahme an der Arbeit der Landsmannschaft besonders würdigen. Vorsitzender Hamann berichtete dann ausführlich darüber, wie es jetzt in der ostpreußischen Heimat aussieht und stützte sich dabei auf die Meldungen und Aussagen von Landsleuten, die im letzten Jahre von dort gekommen sind.

 

Wilhelmshaven

Bei der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen wurde der gesamte Vorstand einstimmig wiedergewählt. Obermedizinalrat Dr. Zürcher, der erste Vorsitzende, kündigte für den Februar einen Abend mit Charlotte Keyser und für den März den Faschingsabend mit Dr. Lau an. Beide Dichter werden eigene Werke vortragen. Die Versammlung beschloss, erneut beim Rat der Stadt einen Antrag zu stellen, zur Ehrung der 78-jährigen Dichterin Agnes Miegel eine Straße nach ihr zu benennen.

 

Glückwunsch an Patenstadt

Land Hadeln. Der ostpreußische Heimatkreis Labiau entbot seinem Patenkreis Land Hadeln zum Jahreswechsel die besten Wünsche. In der Grußadresse heißt es: „Die Hadelner Bevölkerung, die treu und fest an ihrem Heimatboden festhält, wird uns in unserem Kampf um die Heimat verstehen und uns unterstützen“. Aus dem Schreiben geht hervor, dass mehr als 40 000 Menschen im Heimatkreis Labiau vereinigt sind, die „mit festem Herzen, ungebeugtem Mut und unbeirrbarer Zuversicht auch im neuen Jahre den Weg der Treue für unsere Heimat" gehen. Im abgelaufenen Jahre konnte festgestellt werden, dass unsere Jugend die Heimat fest im Herzen trägt.

 

Flüchtlingsstadt Espelkamp heute 7000 Einwohner

Über 7000 Menschen und damit nahezu ein Zehntel der gesamten Bevölkerung des ostwestfälischen Kreises Lübbecke wohnen heute in der Vertriebenenstadt Espelkamp-Mittwald, die in diesem Jahr ihren zehnjährigen Geburtstag feiert. In der im Walde auf dem Gelände einer früheren Munitionsfabrik entstandenen Flüchtlingssiedlung wurden bisher über 4000 Arbeitsplätze geschaffen und 2000 Wohnungen fertiggestellt.

 

Seite 16   Familienanzeigen

Wir betrauern tief das Ableben unserer lieben Corpsbrüder Franz Schibalski, Pfarrer i. R. aus Neuhausen bei Königsberg, aktiv SS 90, gestorben am 16. Dezember 1956 zu Bornhausen; Paul Treibe, Ministerialdirektor i. R. aktiv WS 95/96 gestorben am 31. Dezember 1956 zu Berlin; Oswald Prestig, Regierungsdirektor i. R. aktiv WS 96/97, gestorben am 1. Januar 1957 zu Darmstadt. Der Altherrenverein des Corps Masovia. Das Corps Palaiomarchia-Masovia, Kiel

 

Erben gesucht von:

Hermann Stegmann, aus Elbing, Ostpreußen, nach 1920 dort verstorben, — Sohn:

 

Friedrich A. Stegmann, geb. 1885/1890 — Elbing/Ostpreußen, ausgewandert, — Verwandte oder Bekannte bitte melden: Dr. M. Coutot-Brocker, Straßburg/Els. Allee Robertsau 77.

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