Ostpreußen-Warte, Folge 02 vom Februar 1951

Seite 2   Bernsteinmanufaktur Hamburg baut auf

 Die Hamburger Bernsteinmanufaktur, ein Betrieb, in dem nur ostpreußische Flüchtlinge arbeiten, wird zum ersten Mal nach dem Kriege wieder Pressbernstein herstellen, den es vorher nur im deutschen Osten gab.

 

Seit die Sowjets den einzigen Fundort des verharzten kostbaren Gesteins, die blaue Erde in Palmnicken an der Ostseeküste, besetzt haben, ist Bernstein in der Welt eine kostbare Rarität geworden. Wenn auch ansehnliche Vorräte rechtzeitig nach dem Westen gebracht wurden und das Lager für die nächsten 10 bis 20 Jahre ausreicht, so wurden doch schon die nahöstlichen Geschäftsleute nervös. Die Gebetsketten, die nach dem Propheten Mohammed aus Bernstein sein müssen, gab es kaum noch.

 

Nach vielen Versuchen gelang es der Hamburger Bernsteinmanufaktur und einigen anderen Unternehmen, das „deutsche Gold" zu pressen. In seiner spezifischen Beschaffenheit und seinem Aussehen ist der Pressbernstein nicht vom Naturprodukt zu unterscheiden. Gewiss hat man Bernstein auch bereits künstlich hergestellt, und es liegt manche Talmiware auf dem Markt. Sie wird sogar oft so täuschend nachgemacht, dass es dem Laien kaum möglich ist. den Unterschied festzustellen. Aber mit der Zeit verliert die Imitation doch an Aussehen, sie vergilbt, während sowohl der Naturstein wie auch der Pressbernstein nur nachdunkeln und dann erst ihre edle, tiefe Tönung erhalten.

Für die unter niedrigem Druck erfolgte Pressung wird der Bernstein vorher von Fachkräften nach Farben sortiert. Man trennt die honiggelben, weißlichen und gewölkten Couleuren, die dann zu Zigarettenspitzen und Pfeifen, zu Schmuck und Gebetsketten verarbeitet werden. Auch das Ausland versuchte, Pressbernstein maschinell herzustellen. Da ihm aber die ostpreußischen Facharbeiter fehlen, wird die Fabrikation auf lange Sicht eine deutsche Spezialität bleiben. Der Pressbernstein hat heute durch seine Rarität den fünffachen Vorkriegswert erhalten.

Ein aus Palmnicken kürzlich in Hamburg eingetroffner Obersteiger berichtete, dass die ehemalige Staatliche Bernsteinmanufaktur unter der Bezeichnung „Kaliningrader Bernsteinkombinat wieder mit Hochdruck arbeitet. In erster Linie werden die Funde zu Bernsteinsäure, Bernsteinöl und -lack verarbeitet. Als Schmuck bedeutet Bernstein in der Sowjetunion, seit Stalin seinen verdienten Generalen die schweren goldgelben Ketten persönlich um den Hals legte, nicht nur Auszeichnung, sondern eine große Kostbarkeit. Für die Herstellung von Pressbernstein hat die Regierung der Sowjetzone mehrfach versucht, westdeutsche Facharbeiter unter günstigen Bedingungen herüberzuholen, um mit ihnen eine Konkurrenzproduktion zu errichten. Bisher folgte niemand dem Lockruf.

 

 

Seite 2   Aus dem „großen Treck“

 Nach sechs Jahren konnte die Familie G. in Bantrum ihren Treckwagen mit seiner Beladung an Wäsche, Kleidern und Hausratsgut wieder unversehrt in Besitz nehmen. Im Winter 1944 hatte Frau G. den Wagen an der Weichsel stehen lassen müssen, um sich mit ihrem Kinde nach Danzig retten zu können, doch gelang es einer Leidensgenossin, den Wagen bis nach Niedersachsen zu bringen, wo sie ihn sicherstellte. Erst jetzt konnte diese Ostpreußin, Fräulein Radtke, die gegenwärtige Anschrift der Familie G. ausfindig machen und den Wagen zurückgeben.

 

 

Seite 2   Ausgrabungen in Danzig

 Im Jahre 1950 führten die Polen Ausgrabungen in der Danziger Altstadt durch, um Reste der slawischen Siedlung des 9. Jahrhunderts aufzudecken. Sie stießen dabei auf Reste des Ordensschlosses in der Ritter- und Burgstraße.

 

 

Seite 2   Rastenburg wurde Ketrzyno

 Die ostpreußische Stadt Rastenburg wurde von den Polen zu Ehren des polnischen Historikers Ketrzynski in Ketrzyno umbenannt. An dem Geburtshaus des Historikers wurde eine Tafel mit der Inschrift angebracht: „Er führte Polen die Masuren zu und den Masuren Polen.“

 

 

Seite 3   An der Küste des Frischen Haffs. Von Dr. Walther Grosse

Foto: Der Frauenburger Hafen – Im Hintergrund der Dom

Foto: Kahlberg – Strandweg vom Russenberg aus gesehen

Foto: Die Haffküste bei Narmeln auf der Frischen Nehrung

Wenn früher der von Berlin kommende Zug den Wald der Brandenburger Heide hinter Ludwigsort durcheilt hatte, dann konnte man sicher sein, dass irgendjemand im Abteil plötzlich überrascht ausrief: „Das Haff! Das Haff!" und alles blickte hinaus auf das seltsam schimmernde blau grüne Wasser, das der grün helle Strich der Nehrung so fein begrenzte. Immer war es ein schönes Bild, besonders wenn die Abendsonne mit ihrem ersten Glanz die mächtigen Wolken unseres Küstengebietes und die einsame Landschaft mit ihren Kiefern, ihren grünen Feldern und ihren Sandnecken vergoldete.

 

Ja, es war wirklich eine Gegend von einmaligem Reiz, das Ufer des frischen Haffs zwischen den Mündungen des Pregels und der Nogat. und keiner von uns hat es sich wohl jemals träumen lassen, dass gerade an diesen stillen Gestaden sich der letzte verzweifelte Kampf um Ostpreußens Boden abspielen sollte. - Manch einer ist auch achtlos vorbeigegangen an der Schönheit dieses Teils unserer ostpreußischen Heimat. Aber unsere Maler haben es sehr wohl gewusst, welche Reize an Luft und Licht gerade diese Küste umfing, und ein alljährlich größer werdender  Kreis quartierte sich in dem Fischerdörfchen Petersort bei Ludwigsort ein, um mit Pinsel und Palette dort seine Studien zu machen.

 

Wanderte man von Königsberg über Haffstrom, wo im Gewölbe an der alten Ordenskirche noch immer die alte wunderliche Gräfin aus Waldburg in ihrem Glassarge friedlich ruhte, die alte Poststraße am Haffufer entlang, so kam man an alten Gasthäusern und Krügen aus der Postkutschenzeit vorbei zu dem vom Frisching durchzogenen Marktflecken Brandenburg , dessen einst so hochragende Ordensburg in seinen letzten Resten das Wohnhaus der Domäne geworden war. Hatte man Glück, so sah man hoch in der Luft Segelflieger aus Korschenruh. das neben Rositten den Mittelpunkt unserer ostpreußischen Segelfliegerei bildete. Dicht dabei ragte am steilen Haffufer von Gestrüpp überwuchert, der alte Burgwall der Lenzenburg empor, dessen in Brand gesetztes Blockhaus einst zur Ordenszeit eine Anzahl preußischer Edelinge begrub.

 

Hier trat die Brandenburger Heide, weiter südlich den herrlich gelegenen Pörschker See umschließend, ziemlich dicht an das Haffufer heran. In dieser Gegend lag das bereits erwähnte Dorf Petersort. Der Mittelpunkt eines Kreises von Malern. Blickte man nach Westen herüber, so schob sich die Haffküste weit ins Haff hinein in den Kahlholzer oder Balgaer Haken und man sah über die Niederung hinweg den massigen roten Turm als letzten ragenden Rest der mächtigen Ruinen der Ordensburg Balga. Einen wundervollen Anblick muss nach zeitgenössischen Berichten das gewaltige Bauwerk mit der sechseckigen Hauptburg und der weiten Vorburg dereinst vom Haff aus geboten haben. Seine Mauern trotzten den Jahrhunderten, bis schließlich eine sparsame, mit wenig Verständnis für historische Überlieferungen belastete Zeit die großen festen Ordensziegel zum Erweiterungsbau der Seefestung Pilllau benutzte. Wer jemals die auf dem hohen Steilufer liegende Ruine besucht hat, der kann nie den Blick vergessen, der sich dem überraschten Auge bot: in weitem, schön geschwungenem Bogen Küste, Wälder. Nehrung, See und darüber der farbengesättigte Himmel Ostpreußens -. kein Wunder, wenn diese Küste, wo sich in ungewöhnlicher Fülle Geschichte und Natur vereinten. als eine der schönsten Punkte unserer Heimat galt.

 

Wanderte man vom Balgaer Strand, an dem sich übrigens seit einigen Jahren ein ganz reges Badeleben entwickelt hatte, weiter an der Küste entlang, so erreichte man bald den Hafen Rosenberg, der allmählich schon zu einem Ortsteil der Stadt Heiligenbeil geworden war, ein sauberes, großes Fischerdorf mit Holzindustrie und regem Verkehr. Hart westlich des Dorfes fielen wieder Steilufer zum Haff hinab, vielfach bedeckt mit großen Büschen, köstlich duftenden Wildrosen. Stille Wälder, in denen manch seltener Vogel nistete, schlossen sich an, hohe einstige Dünen, wie der Wachbudenberg gaben der Haffküste jene reizvolle schöne Bewegung, die ein Malerauge immer wieder fesselte. An der Mündung der Passarge, die hier die alte Grenze zwischen dem Bistum Ermland und Natangen bildete, lagen die schmucken Fischerdörfer Alt- und Neu-Passarge, deren Netze uns einen großen Teil jener köstlichen Fische lieferte, die eine frühere Zeit mit Lampeeten bezeichnete, die wir aber kurzerhand Neunaugen nannten. Von fernher hoben sich aus dem freundlichen Grün einer Uferhöhe die altersgrauen Mauern des Frauenburger Bischofsdoms heraus, zu dessen Füßen das stille Städtchen mit seinen oft noch so altertümlichen, behäbigen Häusern friedlich dahinträumte, vielleicht in Erinnerungen versunken an einen der größten Söhne unseres Ostens, den geistesgewaltigen Kopernikus, der einst als Domherr dem Städtchen zu seinem Baude-Kanal verholfen hatte.

 

Mit Frauenburg begann die bekannteste Strecke der Haffküste, die seit 1897 oder 1898 durch den Bau der Haffuferbahn Braunsberg - Elbing dem Verkehr erschlossen wurde Luisental-Wiek, vom Hochwald umschlossen, war ein beliebtes Ausflugsziel; an den mächtigen Findlingsstein im Haff knüpfte sich die Sage von dem bösen Riesen auf der Nehrung und auf dem Festland, dessen Spielball er einst gewesen sein soll.

 

Das Schiffer- und Fischerstädtchen Tolkemit, in dessen Nähe eine jener altpreußischen Fliehburgen lag, deren verhältnismäßig große Zahl an der Haffküste uns Kunde gibt von der dichten Besiedlung dieser Gegenden in der Zeit vor dem Erscheinen des Ritterordens, war auf dem besten Wege, durch seine zu neuem Leben erweckte bodenständige Keramik und Töpferei wieder weithin bekannt zu werden. Von Tolkemit bis zur Mündung des Eltingflusses bot dann das Haffufer ganz besondere Schönheiten. Auf hohen, mit Wald bestandenen Höhen lagen Panklau, Reimannsfelde, Succasse mit großen Obstplantagen und Karpfenteichen, zugleich aber auch eine Zone recht bedeutender Ziegeleien; es gab dort den vorzüglichen Lehm, der auch der Cadiener Majolika ihren großen Ruf verschafft hat. Auf einsamem Felde zwischen Cadienen mit seinem schlichten Schloss und seiner malerischen Klosterruine grüßte aus einer Fichtengruppe der feine Bau der Friedenskirche herüber, die der letzte Kaiser als Gutsherr von Cadienen zur Erinnerung an den Friedensschluss des ersten Weltkrieges einzuweihen gedachte.

 

An der Elbing-Mündung begann das Gebiet des Elbinger und Danziger Werders, jener von dem Mündungsarm der Weichsel und vielen Gräben durchzogenen Gegend, die vor sechs Jahrhunderten der Ritterorden erschlossen, und die ein ungemein fleißiges Bauerntum zu einer der fruchtbarsten Landschaften Deutschlands gestaltet hatte. In der Nähe des Haffufers waren gerade in den letzten Jahrzehnten große Strecken Neuland durch Eindeichungen und Entwässerungen gewonnen worden, besonders bei Neu-Terranova und Zeyersniederkampen im Mündungsgebiet der Nogat. In der Gegend von Stuthof trafen sich schließlich Haffufer und Frische Nehrung.

 

So sehen wir unsere Haffküste, wir, die wir sie von früher her kannten: ein lieblicher, abwechslungsreicher Küstenstreifen im Goldgefunkel der Sonne, mit Wäldern und Höhen und darin eingebettet freundliche Dörfer mit alten Kirchtürmen und Windmühlen, stille Städtchen und geschichtlich denkwürdige Stätten. Aber es gibt heute ungezählte unserer Landsleute, in denen Küste und Haff in ganz anderer Erinnerung fortlebt.

 

Fast ein Vierteljahr hindurch, von Januar bis zum März 1945 war gerade dies Gebiet härteste Kampfzone. Zwischen Königsberg und Elbing ist damals im letzten Ringen um Ostpreußen eine ganze Armee verblutet und die Winterkämpfe im „Heiligenbeiler Brückenkopf", der immer enger und schließlich zum Kessel wurde, gehören zu den härtesten des ganzen Weltkrieges. Fast jeder der genannten Orte vom Haff wurde zu einem Brennpunkt und ist dabei zermalmt worden. Der Raum um Heiligenbeil musste trotz aller militärischen Bedenken gehalten werden, denn hier lagen die sechs „Eisstraßen", die über das zugefrorene Haff führten und die den hunderttausenden ostpreußischer Flüchtlinge - man schätzte sie an dieser Stelle auf eine Million - den Weg nach der Nehrung öffneten. Für Unzählige dieser Vertriebenen ist die Erinnerung an diese Wintertage verknüpft mit unsäglichem Leid und Elend. Wie viele dabei ihren Tod fanden durch die Bomben und Bordwaffen der russischen Tiefflieger oder abseits von den Straßen in den Wuhnen und offenen Stellen des Haffs, wird keine Statistik jemals mehr feststellen können. Ebenso wenig wie die Zahl der kleinen Kinder, die in der Kälte durch den Mangel an warmer Milch elend zugrunde gingen. Die in Alt-Passarge und auf der Nehrung bei Narmeln in aller Eile angelegten Flüchtlingsfriedhöfe bergen ja nur zu einem kleinen Teil die Opfer jener überstürzten Räumung der Provinz, die so unverantwortlich lange hinausgezögert worden war.

 

Heute herrscht Ruhe an den Ufern des Frischen Haffs, die einst in goldenen Friedenszeiten, von geschäftigem, fleißigem Leben und dann in den letzten Wochen des Krieges von soviel Kampfgetümmel erfüllt waren. Aber es ist die Ruhe des Todes: solange noch Deutsche in Ostpreußen waren, hielt ein Verbot sie von jenen Küsten fern. An den Fluten des Haffs stellen Truppen der russischen Luftwaffe vom Wasserflugplatz Fischhausen aus allerlei, geheim gehaltene Versuche an.

 

Wann werden wieder einmal schwere Tolkemiter Lummen unser Haff durchqueren, wann werden wieder einmal die Segel unserer Fischerboote die blaugrüne Wasserfläche beleben?

 

 

Seite 5   Tilsiter erhielt Hof in England

 Eine englische Bauersfrau in Nottingham übereignete ihren Hof an zwei junge deutsche Heimatvertriebene, die bei ihr tätig waren und deren Hochzeit sie nach deutschem Brauch ausrichtete. Bei der Bäuerin war der deutsche Kriegsgefangene Franz Ehlen beschäftigt, der, aus Tilsit gebürtig, auch nach der Entlassung in England blieb und den Hof gemeinsam mit der englischen Bäuerin, deren Ehemann gestorben war, bewirtschaftete. Im Rahmen der „Aktion Nordsee" meldete sich Gisela G. aus Danzig, die im Jahre 1945, damals 19 Jahre alt, mit ihrem 12jährigen Bruder flüchtete, in einen Haushalt nach England und kam ebenfalls nach Nottingham. Hier lernte sie Franz Ehlen kennen, und sie entschlossen sich zu heiraten. Die englische Bäuerin, die selbst kinderlos ist, richtete nicht nur die Hochzeit aus, sondern übereignete ihren Hof an die beiden jungen Heimatvertriebenen. In der anglikanischen Kirche zu Nottingham vollzog ein deutscher Geistlicher in Anwesenheit einer starken deutschen Gemeinde und vieler englischer Gäste die Trauung.

 

 

Seite 6   Eisernte in Masuren. Bei gleißendem Licht auf dem Löwentinsee

Foto: Birkenchaussee im Kreise Wehlau

Foto: Das eisige Erntefeld wird gesäubert

Foto: Nicht ausrutschen! Block um Block wird mit Piekhaken aus dem Wasser gezogen. Aufn.: H. Schumacher-Oberammergau

 In diesen letzten Winterwochen wurde In Ostpreußen, dem Land der vielen Seen, die Eisernte eingebracht - ein Bild, das man in anderen Teilen Deutschlands nur selten zu sehen bekommt. Brauereien, Gastwirtschaften, Fischhandlungen und Fleischer deckten auf diese Weise ihren Jahresbedarf an Eis.

 

Komm mit, lieber Freund, an diesem sonnenhellen Februarmorgen. Zieh dir die Fausthandschuhe an und vergiss die Ohrenschützer nicht, denn der Faschingsmonat, in dem sich der Winter in Süd- und Westdeutschland zum Scheiden rüstet, bringt im Land der dunklen Wälder und kristallenen Seen noch knackenden Frost. Komm mit, an den See. an einen der ungezählten Seen Masurens, an einen der Mühlenteiche, die im Sommer das Blau eines hohen Himmels so makellos widerspiegeln. Komm und schau dir die ostpreußische Eisernte an.

 

Die weite Fläche des Löwentinsees bei Lötzen gleißt im Morgenlicht. Soweit das Auge reicht - glitzernde Schneekristalle auf der endlosen Eisfläche, die sich am Horizont im Morgendunst verliert. Geblendet schließt du sekundenlang die Augen. Du spürst, wie der Frost dir die Wangen rötet, wie er dir in die Nasenspitze beißt. Aber was tut das an einem solchen Sonnenmorgen!

 

Du hast auch gar nicht viel Zeit, an dich zu denken. Du siehst einsam auf dem Eis einen Arbeiter mit Eiströpfchen am Bart und bereiften Augenbrauen. Mit raschen Schaufelwürfen säubert er das eisige Erntefeld vom stäubenden Pulverschnee, der wie Goldstaub im Gegenlicht stiebt. Und da rücken auch schon weitere Männer an, die seltsamsten Erntegeräte der Welt geschultert: Brechstangen und Piekhaken. Denn heute soll die Frucht des Frostes, das Eis, in die Scheuer, die sägemehlgepolsterten Keller der Brauereien, eingebracht werden!

 

Mit wuchtigen Stößen Trümmern zwei der Arbeiter ein Loch in die gut einen halber Meter dicke Eisfläche. Glasklar splittern die Eisbrocken nach allen Seiten, bis aus eine Öffnung das dunkle Wasser hervorschaut. Dann geht es Hieb um Hieb! Seltsame Gesellen, welche die Fläche, die sie trägt, selbst zerbrechen! Aber sie tun es mit Geschick Brocken um Brocken, Block um Block brechen sie los Das sieht so einfach, fast spielerisch aus. Und doch - lieber Freund - versuchst du es, du würdest kläglichen Schiffbruch erleiden. Kümmerliche Eissplitter, zu nichts nütze, wären dein Ergebnis, eine entglittene Brechstange vielleicht, die lautlos in die Tiefe versinkt, wenn es gut geht - ein eisiges Bad, wenn du Pech hättest! Aber diese Männer verstehen ihr Handwerk. Nicht zu klein dürfen die Eisstücke sein, wenn sie den Sommer überdauern sollen in der Kühle des Kellers, und nicht zu groß, weil man mit ihnen hantieren muss.

 

Sieh, da kommt schon der Wagen! Silberne Dampfwolken atmen die Trakehner. Hauruck! Da werden mit den Pieken die Eisstücke - unbegreifliches Naturwunder, dass sie trotz ihrer Zentnerschwere schwimmen - aus dem Wasser gezogen: glänzende Blöcke von gläsernem Grün. Leicht lassen sie sich über das vom Schnee befreite Eis zum Wagen schieben, schwerer über das angelegte Brett hinaufbugsieren. Da packen alle an und fürchten sich nicht vor der Nässe, die die Kleider tränkt, dass sie bald hart gefroren sind. Klingend und knirschend setzt sich der Wagen in Bewegung.

 

Nicht überall in Ostpreußen wurde das Eis gebrochen. Häufig sah man auch die seltsamen

Eissägen in Tätigkeit, lange Stahlsägen, deren eines Ende, mit einem Gewicht beschwert, unter Wasser hing, während sie am doppelten Handgriff von einem Arbeiter rhythmisch auf- und abgezogen wurden. Auch elektrische Sägen gab es schon verschiedentlich an Stellen, die einen Stromanschluss in der Nähe hatten. Wie riesige Stücke Würfelzucker sahen dann die ebenmäßigen Blöcke aus.

 

Eisernte ist eine Angelegenheit für kräftige Fäuste, für richtige Männer eben, die in alten, zerkauten Stummelpfeifen selbstgebauten Tabak rauchen oder aus der Mulde, die bei abgespreiztem Daumen außen an der Daumenwurzel entsteht, Tilsiter Schniefke (Schnupftabak) schnupfen. Es ist die gesündeste Arbeit der Welt in der gesündesten Luft, die Europa zu bieten hat. Sie schafft Appetit (in Mutters Kochtopf brodeln schon die Erbsen mit Speck oder der Sauerkohl mit Schweinefuß) nicht nur auf das Mittagsmahl, sondern - viel später erst, im Hochsommer - auch auf ein eisgekühltes Ponarther oder Aktienbier. Denn darin hat die Eisernte erst ihren Sinn: In der Hitze der Sommermonate unserem Bier etwas von der klaren Frische dieses Februarmorgens mitzugeben, von der Frische des Lötzener Natureises, das wir mit keiner aalglatten Kühlhaus-Eisstange vertauschen wollten . . . Heinrich A. Kurschat

 

 

Seite 7   Die Schotten in Ostpreußen. Dr. Franz Phlipp

 Der Raub des schottischen Krönungssteines brachte vor kurzem die alten noch immer nicht begrabenen Gegensätze zwischen Schotten und Engländern wieder an das Licht der Weltöffentlichkeit. In früheren Jahrhunderten haben diese Gegensätze immer wieder in kriegerischen, religiösen und wirtschaftlichen Verwicklungen dazu beigetragen, dass ungezählte Schotten die Heimat verließen, die die Fülle ihrer Kinder ohnehin nicht ernähren konnte. Der Ruhm schottischer Krieger aus dem „Rekrutendepot Europas" ist von der Geschichtsschreibung nicht vergessen worden. Ich erinnere nur an Jakob Keith, den Feldmarschall Friedrichs II. Aber von den vielen Tausenden schottischer Emigranten, die über die Küsten des Baltischen Meeres vor allem in Ostpreußen eine neue Heimat fanden, weiß die Historie weniger laut zu melden. Dabei haben vor allem schottische Kaufleute, aber auch Geistliche und Gelehrte, Handwerker und Landwirte zweifellos einen gewichtigen Anteil am Aufstieg unseres Landes gehabt. Sie haben sicher auch zur Formung des ostpreußischen Volkscharakters beigetragen. Bearbeiter der schottischen Emigration urteilten, dass etwa die eigentümliche Verbindung von Scharfsinn und Starrsinn, die die Einwohner ostpreußischer Kleinstädte nach ihrem Eindruck kennzeichnete, ihre Wurzel in der natürlichen Veranlagung der Schotten habe. Wahrscheinlich rechnen die Nachkommen jener schottischen Einwanderer unter den heutigen Heimatvertriebenen nach Zehntausenden. Mit ihrem Einzug in die westdeutschen Länder beginnt ein neues Kapitel schottischer Emigrationsgeschichte, das freilich die wenigsten von ihnen im Kampf um die nackte Existenz bewusst erleben dürften und das man im Westen gar nicht erfasst, weil man nicht gewohnt ist, den tieferen Ursprüngen unseres ostdeutschen Volkstums nachzugehen.

 

Die schottischen Ritter, die seit dem 13. Jahrhundert .in den Ordensheeren kämpften, und die schottischen Kaufleute und Siedler, die zur Zeit des Höhepunktes der Einwanderung im 16. und 17. Jahrhundert sich sesshaft machten, wirkten unter dem bodenständigen altpreußisch-deutschen Volkstum anfänglich noch recht fremdartig und wurden in unterschiedlicher Weise aufgenommen und willkommen geheißen. Die regierenden Herren, die Hochmeister des deutschen Ordens und später die Herzöge und Kurfürsten, erkannten wohl zuerst, welche wirtschaftlichen Antriebe von den überseeischen Einwanderern für Preußen zu erwarten waren, und förderten die Ankömmlinge nach Kräften. Herzog Albrecht, der mit Mitarbeitern Luthers in seinem Herzogtum die Reformation einführte und damit anderen deutschen Landesfürsten voranging, schreibt z. B. am 9. September 1549 an Kasper Nostiz:

 

„Es ist allhier bei Uns gegenwärtig Zeiger Wilhelmus Skotus erschienen und hat vermeldet, wie ehr aus Schottland umb des Evangelii vertrieben, unns auch umb eine gnedige Steuer zu seiner Unterhaltung gebeten, als haben wir aus gnaden ein Chleydlin desgleichen 4 Gulden zur Zehrung geben zugesagt. Ist demnach unser Bevhell du wollest Ihme ein Gheydlin daneben die 4 Gulden aus der Kammer geben lassen."

 

Die einheimischen Kaufleute aber, besonders in den Seehäfen Königsberg und Danzig, sahen in den schottischen Kaufleuten ihre unbequemen Konkurrenten. Hart und rigoros sind die unzähligen Ratsbeschlüsse, die die Handelsfreiheit der Schotten einengen und Beschlagnahme der Waren, Gefängnisstrafe, ja Landesverweisung androhen.

 

1557 beklagt sich der Schotte Thomas Gebsen (Gibsen) beim Herzog. Sein Brief lautet verkürzt und frei erzählt: „Als ich vergangene Weihnachten zum Jahrmarkt in Rastenburg war, kam der Bürgermeister mit anderen vom Magistrat, um meine Maße und Gewichte zu prüfen. Er fand alles in Ordnung, fragte mich aber: „Was tust du hier?" Ich antwortete, dass ich etwas Geld machen möchte. Da fing er an: „Du weißt doch, dass dir das Herzogtum verboten ist; weil du gegen dieses Gebot gehandelt hast, wird all dein Gut beschlagnahmt." Als ich antwortete, ich wüsste wohl, dass es verboten sei, zu handeln von Dorf zu Dorf und meine Waren den Bauern zu verkaufen, aber dass es uns auch untersagt wäre, zu den freien Jahrmärkten in den Städten zu gehen, davon wüsste ich nichts, stürzte er sich in Wut auf mich, nahm mir alles, was ich besaß und warf mich in ein schlimmes Gefängnis, wo ich 14 Tage verblieb und fast verhungerte. Zuletzt musste ich meine Finger durch ein Loch in der Gefängnismauer stecken und einen Eid schwören, dass ich auf der Stelle das Land verlassen und nimmer zurückkehren würde. Der Bürgermeister behielt meine Waren und mein Geld, und ich war gezwungen, in elender Weise, um Brot bettelnd, aus dem Lande zu gehen."

 

Der lutherische Bischof Paul Speratus (bekannt als Sänger der Reformation, Ostpr. Ges. B. Nr. 278) nahm sich des Schotten an; der Herzog ließ sich berichten. Obwohl die Quelle abbricht, dürfen wir hoffen, dass Gebsen sein Recht wurde.

 

Nur der unverdrossenen Energie der schottischen Kaufleute, verbunden mit physischer Ausdauer und persönlichem Mut (viele wurden auf den Landwegen der unerschlossenen baltischen Gebiete beraubt und erschlagen) ließen sie alle Widerstände am Ende doch überwinden. Erlangten sie endlich, oft erst in der 2. oder 3. Generation, das Bürgerrecht, so fanden sie durch Heirat auch Zugang zu Besitz und Ehrenstellungen im Lande ihrer Wahlheimat. Ein Teil wurde sogar in den Adelsstand erhoben. Die preußischen Grafen Douglas stammen z. B. von dem Handelsmann Douglas aus Schippenbeil ab.

 

In den kleinen Binnenstädten und besonders beim ostpreußischen Landvolk waren die schottischen Kaufleute von vornherein lieber gesehen. Sie scheuten sich nicht, .als „Paudel- und Tabulettkrämer" zu Fuß oder mit einem Pferdekarren weit über Land zu ziehen und schottische Tuche und Kleinwaren aller Art bis ins abgelegenste Dorf zu bringen. Schon in der Ordenszeit pflegte man, dort jeden dieser fliegenden Händler mit dem Ausdruck „Schotte" zu bezeichnen, und der landläufige Anruf: ,,Warte bis der Schotte kommt!" war oft ein Ausdruck der Ermutigung, öfter aber ein Schreckmitte! für nichtsnutzige Kinder.

 

Unter den schottischen Kaufmannsfamilien Preußens, den Anderson, Marshall, Ogilvie, Abernetti, Gibson, Kolborn, Maclean, Muttray, Nelson u. v. a., sei hier die Familie Simpson, die sich von Memel aus über das ganze Herzogtum Preußen ausbreitete, besonders erwähnt. Ihr entstammt der Schriftsteller William von Simpson, der in den Romanen „Die Barrings" und „Der Enkel" schottische Familiengeschichte auf ostpreußischem Boden zeichnet.

 

Soldaten erstellten neben vielen anderen die Familien Douglas, Hamilton, Barclay, Stuart, Ramsay, Karr (Kerr), Ross, Mackensen (Mackenzie). 1390 oder 1391 kam bei einem Handgemenge zwischen englischen und schottischen Rittern auf der Langenbrücke in Danzig der schottische Edelmann William Douglas ums Leben. Das hohe Tor in Danzig hieß seit dem Jahrhunderte hindurch Douglastor und trug zur ehrenden Erinnerung das Familienwappen der Douglas. Bei der Belagerung Danzigs durch den Polenkönig Sephan Bathory im Jahre 1577 errang sich der Oberst William Stuart mit seinen 700 schottischen Söldnern die Dankbarkeit der Stadt. Wie er selbst der Gefahr, gefangengenommen zu werden, entging, berichtet der Chronist: „An dem Sonnabend ist auch der Schotten Oberster, ein feiner und stattlicher Kriegsmann von königlichem Geschlechte mit seinen Pferden, die er gekauft hatte, vor die Stadt spazieren geritten und tummelte sich bei dem Gebürge an der Bürgerschießschanze ... Wie aber der Feind solches merkte, stürzte er aus dem Gebürge heraus und wollte ihn berennen. Er rannte aber flugs mit seinem Volk nach dem Heil. Leichnamstor. Do durften sie nicht unter das Geschütz ebenteuern und zogen sich zurück."

Unter den gelehrten Berufen finden sich Namen wie Leslie, Patterson, Forster, Mitchell, Spalding (die Familie des berühmten Aufklärungstheologen) u. a. m. Der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant betonte seine schottische Abstammung entschieden: „...dass mein Großvater... aus Schottland abgestammt sey: dass er einer von den Vielen war, die am Ende des vorigen oder im Anfange dieses Jahrhunderts aus Schottland, ich weiß nicht aus welcher Ursache, in großen Haufen emigrierten. . beweisen die dort (in Preußen) noch bestehenden Familien der Simpson, (M)aclean, Douglas, Hamilton und andere mehr, unter denen auch mein Großvater gewesen... war mir längst gar wohl bekannt" (An Bishof Lindblom, den 13.10.1797)

 

Kants Großvater ist freilich schon in Ostpreußen geboren, so muß man den schottischen Stammvater weiter rückwärts suchen. Als solchen spricht man seitens der Genealogie (Ostpr. Geschlechterbuch, Band 1) den Schotten Hans Cant aus Danzig an, der seine Tochter 1635 an den Schotten Thomas Philipp verheiratete, dessen Vater ebenda am 21. 3. 1621 das große Bürgerrecht erwarb und bereits 1626 starb.

Auf Kants schottische Abstammung deutet auch die Tatsache hin. daß seine Vorfahren reformiert waren. Die presbyterianische Mutterkirche in Schottland verlor die religiöse Wohlfahrt ihrer Landsleute in Preußen nicht aus den Augen; diese schlössen sich früh, wo es in größeren Orten nur anging, zu selbständigen Gemeinden zusammen, oft in freundschaftlicher Nachbarschaft mit reformierten holländischen Siedlern und französischen Hugenotten. In der Folgezeit ging freilich der überwiegende Teil der schottischen reformierten Gemeinden im bodenständigen Luthertum Ostpreußens auf. Getragen wurden die schottischen Gemeinden in kultischer und wirtschaftlicher Hinsicht von den „Bruderschaften" der schottischen Siedler, für die 1616 Patrick Gordon in 80 Artikeln eine Verfassung zusammenstellte. Fünf Artikel derselben handeln „de Divino cultu". Unentschuldigtes Fernbleiben vom sonntäglichen Gottesdienst und der Feier des heiligen Abendmahls wird mit einer Geldbuße bestraft. Auch die Fürsorge für die alten, verarmten oder erkrankten Landsleute wird in sieben Artikeln den Brüdern nachdrücklich ans Herz gelegt. Wie großzügig die Caritas gehandhabt wurde, zeigt die Erbauung und reichliche Ausstattung besonderer „Schottenstuben" im Königsberger Löbenichtschen Hospital durch die dortige „schottische Nation".

 

Eine große Zahl schottischer Emigranten folgte dem Rufe der Kirche zum Predigtamte. In Danzig wirkten unter anderen David Grim (Graham), Jakob und Peter Buchan , Adrian Stoddart. In Elbing trat die Pastorenfamilie Achenwall hervor, der auch der berühmte Professor der Jurisprudenz Achenwall in Göttingen entsprossen war. In Königsberg wirkten im 18. Jahrhundert Schotten aus den Familien Chrichton und Thomsen als Hofprediger, Konsistorialräte und Professoren. Allgemeiner bekannt ist der Schotte Johann Duräus (Dury) geworden, der in seinem ersten geistlichen Amt während des Dreißigjährigen Krieges englische Ansiedler in Elbing betreute und dann in vielen europäischen Ländern für die Einigung von Reformierten und Lutheranern wirkte. Die letzten 20 Jahre seines Lebens verbrachte er in Hessen, wo der Landgraf Wilhelm II. von Hessen-Kassel und dessen Witwe Hedwig-Sophie sein Lebenswerk nach Kräften förderten.

Ost- und Westpreußen und die angrenzenden Gebiete sind für viele schottische, aber auch englische Kaufleute und Siedler das Australien und Kanada des 16. und 17. Jahrhunderts gewesen. Sie vermittelten ebenso zwischen Ost und West wie das Netz schottisch-stämmiger Rektoren, Pastoren und Offiziere (Barclay de Tolly), das den Ostraum bis nach Russland hinein überspannte. Altem gälischen Brauch folgend, hielten sie auch bei äußerster Armut auf ihre Familiensymbole, deren sich viele auf Siegeln und Steinen in Kirchen und Kapellen erhalten haben: das .Fallgatter der Spaldings , die ausgerissenen Wolfshäupter der Robertsons, der Eberkopf der Ross, die Schlüssel der Gibsons, die Monde der Simpsons und viele andere mehr.

 

Dem Prozess der allmählichen Eindeutschung der schottischen Siedler ging parallel die Angleichung ihrer Familien- und Rufnamen, bei der sich mitunter gälische Klänge verraten. So wurde aus Smith Schmidt, aus Cook Kock oder Koch, aus Newman Neumann, aus Morris Moritz, aus Young Jung, aus Brown Braun, aus Macmillan Machmüller, aus Hamilton Hammelthon, aus Finlayson Feinlosen, aus Somerfeld Sommerfeld. Auch Namen mit polnischen und litauischen Endungen (Rossek, Cockranek, Tailarowitz) finden sich. So ist es kein Wunder, dass viele der heutigen Heimatvertriebenen sich ihrer ursprünglichen Herkunft aus den schottischen Hoch, und Niederlanden nicht mehr bewusst sind.

 

 

 

Seite 7   Maler Arthur Kuhnau – 60 Jahre

 Als ich ihn im Frühjahr 1950 in seinem Flüchtlingsheim, in württembergischem Lande, wiedersah, um zu wissen, welche Spuren wohl die schwere Zäsur der Flucht bei diesem sensiblen Künstler hinterlassen haben könnte, war es mir Beglückung, an den Wänden und auf der Staffelei in diesem provisorischen Atelier ein neues Schaffen ausgebreitet zu sehen. Ich fand einen alten, unentwegt suchenden, um die Probleme der Malerei ringenden Gefährten einst glücklicherer Zeiten in positiver Lebenshaltung wieder, mitten im Aufbau.

 

Wem es zutiefst im Blut sitzt, wer um die Zeit und in ihr um Gott weiß, wem Künstlertum Herzenssache und Bewusstsein der Gottesgnade ist, der kann in all dem über uns gekommenen Leid nur des höchsten Führung zu neuer, verantwortlicher Aufgabe erblicken.

 

Der Verlust der Heimat, des gesamten künstlerischen Werkes, des schönen gepflegten Besitztums in Arnau am Pregel, unweit Königsbergs, reißen wohl, in der Rückschau, schmerzhafte Empfindungen auf. Geblieben ist aber der Künstler, der um seine Aufgabe weiß, die immer wieder sich neu stellt und schließlich darin beruht, dass das Leben und die Kunst zueinander finden. Kuhnau ist einer von den Vielen, die alles verloren; er ist einer von den Wenigen, die um den Urgrund und die Zusammenhänge wissen, die dem Dilemma dieser Zeit um eines besseren Zieles willen zu begegnen wissen. So fand ich ihn wieder.

 

1891 in Thorn geboren, kam Kuhnau bald nach Ostpreußen, wo er dann rund 50 Jahre lebte und wirkte. Das Friedrichs-Kolleg in Königsberg, die Akademie wurden absolviert. Es folgten Studienjahre in Berlin, als Schüler Lovis Corinths. Der Weltkrieg 1914 - 1918 gab Kuhnau der Königsberger Akademie zurück, wo er dann, als Meisterschüler, sich zu freiem Schaffen entfaltete. Die damalige Not der Zeit stellte auch an den Künstler ihre Forderung. Wir sehen Kuhnau als den Mitbegründer des „Notbundes" der Künstler, als den Mitbegründer der Sezession „Der Ring", jener Vereinigungen, die mit ihren Ausstellungen dem gesamten ostpreußischen Kunstleben Bedeutung und Geltung über die Grenzen des abgeschnürten hinaus gaben. Es folgten Reisen nach Italien und Frankreich. Der Kunstausschuss der Stadt Königsberg betraute Kuhnau mit den Ausmahlungen und Restaurierungen In den Ordensburgen und Kirchen, bis dann der letzte Krieg, der Kuhnau wieder bei der Fahne sah, den Untergang aller Arbeit, die Verwüstung des Ostpreußenlandes besiegelte.

 

Diese knappen, nüchternen Lebensdaten besagen viel. Wie viel menschliche Not, wie manch himmelstürmender Glaube formt das Werk des Malers. Wie wenig ahnt der Betrachter des ausgebreiteten Werkes die überwiegenden Kümmernisse eines ernsten Künstlerlebens, das zumeist umgeben und zerrissen wird von der Barbarei der Zeit. Nur dort, wo der Glauben, an den Sieg des Guten ist, wo eine Forderung an die Ethik gestellt wird, kann der Guss gelingen.

 

So ist das Werk Kuhnaus durch mannigfache Wandlungen gegangen, bis es heute in seinen neuesten Arbeiten, einer gottgebundenen Grundhaltung getreu den Ausdruck der Lebensbejahung gefunden hat fern aller Polemik, weitab vom „Markt".

 

Es gab da eine Zeit des grau in Grau, das Suchen nach der Farbe. Ich sehe die verträumten, sehr expressiven Kompositionen von der Kurischen Nehrung. Dann folgte die Auseinandersetzung mit Cezanne. Großformatige Aktkompositionen, Bildnisse entstehen. Munch spukt herum. Alles ist in Gärung. Eine klare eindeutige Aussage muss gefunden werden, und, sie wird gefunden. Auf der großen „Ringausstellung" in Königsberg steht die „Madonna", großlinig, überirdisch-farbig, im Mittelpunkt der Diskussionen. Eine große Zeit, die Hochzeit der Farbe, ist für Kuhnau gekommen. Farbsprudelnde, mit den Feuern der Freude gemalte Blumenbilder, wohl aus dem Arnauer Gartenparadies erwachsen, alles ganz phrasenlos wie der Mensch und Künstler selbst, zeugen von der Gebundenheit an den Schöpfer aller Dinge. Es ist keine literarische Aufsplitterung, die momentale Form wird erstrebt, gefunden, an Kirchenwänden geübt, gelöst. Und dann vernichtet der Krieg ein ganzes jahrzehntelanges Schaffen. Nichts bleibt als der neue Anfang in der Primitivität eines Flüchtlingslebens.

 

Viele sind ob der Wucht dieser Trennung von der Geborgenheit heimatlichen sich finden können,  

zerbrochen. Voller Rührung sehe ich Kuhnaus neuen Anfang im westdeutschen Refugium. Zögernd, tastend, erst der neue Versuch vor neuen Eindrücken. Doch die Gegenwärtigkeit des Geistes, des Geistigen, ist nicht gebunden an Klage und Anklage. Schon sind neue Formen gefunden, neue Form hat Gestalt angenommen. Wir sehen Kohnaus neue Werke voll herber Kraft in der Ausstellung „Ostdeutsche Kunst der Gegenwart" in der Kunsthalle in Düsseldorf.

 

Eine "ostpreußische Künstlerseele weiß von der Gültigkeit ewiger Gesetze; sie weiß von der Aufgabe, der bildenden Kunst wieder den Rang des Sittlichen zurückzuerobern.

Ernst Mollenhauer

 

 

Seite 8   Das kleine Ortslexikon. Von Kurt Kumpies

 Mannigfach wie die Natur.

War'n die Namen uns'rer Flur.

Einzig war'n sie in der Art,

Klangen oftmals sehr apart.

Eine Auswahl bringt davon

Dieses kleine Lexikon:

 

Von Königsberg zum Deimefluß

War „Po" oft vorn und nicht am Schluss:

Powangen, Powunden, Popelken, Pobethen

Powarben. Podellen, Polennen, Polepen,

Pomedien, Powayen, Postnicken, Pogauen,

Pojerstieten. Pogirmen, und Pomauden,

Popehnen, Possindern, Podewitten,

Jeder Ort hat seine Sitten.

 

Zwischen Insterburg - Gumbinnen

Tammowischken, Groß Trakinnen,

Tarpupp, Jessen, Gerwischkehmen,

Kubbeln, Judtschen, Ballupönen,

Thuren, Trakis und Pendrinnen,

Lepalothen, Lolidimmen,

Stulgen, Luschen, Medukallen,

Sackeln, Laußen und Plimballen.

 

Kaulen, Kusmen, Kallnehlischken,

Drusgen, Szuggern, Ramonischken,

Schackeln, Jockeln, Sturmen, Brußen,

Plampen, Jodßen, Grieben, Krusen,

Salten, Rucken, Bühlen. Klischen,

Spullen, Tullen und Ußballen,

Lagen all’ im Kreis Pillkallen!

 

Dicht am Städtchen Stallupönen

Lagen Drusken, Lawischkehmen,

Kugsten, Kögsten, Bilderweitschen,

Plathen, Szuggern und Jurgeitschen,

Dumbeln, Kumeln, Nickelnischken,

Mecken, Tutschen, Lauken, Kischken,

Reckeln, Kisseln, Schillupönen,

Wabbeln, Urbßen und Trakehnen

.

Tilsit - Ragnit am Memelstrande,

Sköpen, Skören, Raudßen, Bombe,

Kulken, Truschen, Juckeln, Rucken,

Swarren, Bögschen, Prökuls. Drucken,

Gudgallen, Schattern, Kukoreiten,

Petrellen, Sackeln, Baubein, Baiten,

Klischen, Waaschken, Pupuschienen,

Kindschen, Schustern und Lappienen.

 

In jedem Kreis gab's solche Namen

Wie Puspem, Plicken, und Zigahnen,

Wilpischen, Jucken, Buddelkehmen,

Aßlacken. Schucken und Parnehmen,

Jurken. Dopken, Babken. Dullen,

Czukten, Wronken und Prsytullen,

Kotzlauken, Stooßnen und Kowahlen,

Plautzkehmen, Brassen und Muldßahlen.

Und zum Schluss das Örtchen Gutsch,

Doch nun weiß ich weiter nuscht!

 

Seite 8   Eine ermländische Russland-Heimkehrerin schreibt:

 „Auf Einladung der Caritas bin ich nach Hardehausen gefahren. Ich muss sagen, so ein schönes Weihnachtsfest habe ich wo ich von Hause weg bin, noch nicht erlebt. Nicht gerade wegen der vielen Geschenke, die ich natürlich auch sehr gut gebrauchen kann und über die ich mich sehr gefreut habe, sondern mir haben es am meisten die Feierlichkeiten in der Kapelle und die Predigten und Vorträge angetan. Man konnte das alles so in Ruhe miterleben. Wo ich jetzt am Arbeiten bin. komme ich nicht dazu, so etwas mitzumachen. Wir haben vieles gehört, was wir durch die Gefangenschaft vergessen haben. Ich habe mich richtig wohlgefühlt, wenn es auch einige Stunden gab, wo es mir auch schwer ums Herz war, weil ich an frühere Zeiten dachte. Vielleicht verstehen Sie mich. Es war das erste Weihnachtsfest, da mein lieber Vater nicht mehr am Leben ist. Aber man hatte wirklich wenig Zelt, um trüben Gedanken nachzuhängen. Dafür haben all die lieben Menschen in Hardehausen gesorgt. Die Liebe und Güte dort hat uns allen wohlgetan. Ja, das Christkind hat uns in jeder Weise reich beschenkt, Denn es war auch eine richtige Erholung da draußen in der frischen Luft, die ich auch schon so nötig hatte. Ich habe wirklich all die schönen Tage meine Sorgen vergessen.“

(Aus einem Brief von Frl. Maria Kucklick.)

 

 

Seite 9   Als die Jolkemitter Lommen Steine zangten

 Das Frische Haff war die Heimat der Tolkemitter Lommen, die auf den kleinen Bootswerften des westpreußischen Städtchens am Haffufer in alt überlieferter Bauweise ihre solide Form erhielten. Der Lommenbau war von alters her ein eingesessener Gewerbezweig in Tolkemitt, dessen Ursprung noch in der Ordenszeit liegen soll. Jedenfalls haben die Lommen durch Jahrhunderte ihre Bauform und Takelung bis in die neueste Zeit beibehalten und es verdient, als Merkwürdigkeit festgehalten zu werden, dass diese schweren Segelkähne in ihrer Takelung genau mit den Küstenfischerbooten von Island übereinstimmen, eine Parallele, die bisher keine Erklärung gefunden hat.

 

Als die charakteristischen Fahrzeuge des Frischen Haffs beherrschten die Lommen als ein Ein- und Zweimaster das Haff und die vielen Wasserläufe des Weichsel-Nogat-Deltas. Sie waren keine Fischerkähne, sondern Frachtschiffe. Breit, bauchig, mit schweren Spanten und von geringem Tiefgang beförderten die Tolkemitter Lommen die Backsteine von den Ziegeleien am steilen Lehmufer zwischen Braunsberg und Cadinen. Holzlasten aus den Wäldern ragten über das Deck und wurden weit in die Kornkammer der

Weichselniederung geschafft, wo auf dem Rückweg Getreide geladen wurde, das nach Danzig, Königsberg und Elbing in die Silos gebracht wurde.

 

Die Schiffer von Tolkemitt galten als verwegene Burschen, die ihre flach gehenden Boote kühn beherrschten und durch das Pillauer Tief weit auf die See hinaus führten. Man sah die Lommen an der Küste des Sam-landes in Sichtweite von Cranz oder Rauschen die großen erratischen Steinblöcke vom seichten Seegrunde herauf „zangen", eine schwere und nicht ungefährliche Arbeit, zu der sich diese Fahrzeuge wie keine anderen eigneten. Für die Badegäste war ein solches „Steinzangen" der Tolkemitter Schiffer jedes mal ein vielbestauntes Ereignis. Wenn aber inmitten ihrer harten Arbeit die Lommen eilig ihre Segel setzten und die schützenden Häfen von Pillau oder Neukuhren zu erreichen suchten, konnte man sicher sein, dass bald Sturm aufkam, vor dem die Lommen auf der Hut sein mussten, wollten sie nicht auf die steinige, flache Küste aufgetrieben werden. - Und sie verstanden zu segeln „wi de Düwel", die dickbauchigen, schweren Lommen und bewiesen Eigenschaften und Geschwindigkeiten, die man den behäbigen Booten auf den ersten Blick nicht zutraute.

 

 

Seite 9   Michel Posingis, verstorben

 Seitdem wir von der Vogelwarte Rossitten 1929 die Windenburger Ecke „entdeckt" hatten - nämlich für die Vogelforschung -, hat dieser Platz eine von Jahr zu Jahr wachsende Bedeutung erlangt. Das verdanken wir nicht nur den wundervollen Möglichkeiten für Massenbeobachtung und Massenfang in diesem „Sackbahnhof" des herbstlichen Vogelzugs an der Ostseite des Kurischen Haffs, sondern auch dem Umstand, dass hier der richtige Mann am richtigen Platz saß.  

Michel Posingis, geboren am, 26. April 1887 in Wowerischken im Memelland, war nach Ausbildungsjahren (als Zimmermann) in Tilsit und Greifswald 1924 dorthin als Leuchtfeuerwärter versetzt worden und widmete sich mit Eifer und Geschick dem Aufbau der Fanganlagen der Vogelwarte an dieser Außenstation und dem Fang der Vögel zu Beringungszwecken. Erstaunlich, wie zart der starke, scheinbar grobhändige Mann mit den kleinen Geschöpfen umzugehen wusste und wie er mit überdurchschnittlichem Geschick sich der ihm gestellten Aufsahen annahm Wir haben ihm zur rechten Zeit jeweils auch Mithelfer schicken können, denn obwohl im Notfall auch Frau und Kinder zur Hand waren, so konnte an wirklich guten Tagen ein einzelner diese Fänge nicht bewältigen. Er stellte sich auch in den Dienst besonderer Orientierungsversuche (Versuche über den Zug des Stars durch Versendungen von der Windenburger Ecke nach Breslau und Dresden 1934).

 

Vielleicht gibt es unter uns niemand, der eine solche Zahl lebender Vögel gefangen und freigelassen hat wie Posingis mit seinem jeweiligen Helferstab: Ein Überschlag lässt schließen, dass diese Zahl seit 1929 den Betrag von 80 000 überschritten hat; allein 1935 waren es über 15 000. Kein Wunder, dass eine entsprechend große Zahl wichtiger Rückmeldungen erzielt wurde, ein kleiner Anteil übrigens auch mit Ringen Kaunas, dem Posingis bis 1938 als Leuchtfeuerwärter unmittelbar unterstellt war; die weitaus meisten aber mit Rossittenringen. wie wir aus Friedrich Tischlers großem Lebenswerk „Die Vögel der Provinz Ostpreußen und seiner Nachbargebiete (1941)“. aus den Veröffentlichungen der Vogelwarte und aus einigen eigenen Arbeiten entnehmen können.

 

Zahlreiche Ornithologen aus Deutschland haben nicht versäumt, von Rossitten aus das Haff zu überqueren und diesen seltsamen Platz und diesen seltsamen Mann kennenzulernen - um stets reich an tiefen Eindrücken zurückzukehren, wozu die Persönlichkeit des nunmehr Entschlafenen das ihre beitrug. Er wurde von der Albertus-Universität in Königsberg als würdig zur Aufnahme in den Preußischen Forschungskreis befunden. - Auch ihm blieben die Tage großer Not nicht erspart. Er musste fliehen, im Herzen die Sorge um den einzigen Sohn, von dem er nie mehr Kunde erhalten sollte, und kam mit Frau und Tochter in das dänische Lager Oxböl. Dort war ihm seine Zimmermannskunst nützlich und er leitete die Werkstatt im Scheibenhof. Es gelang uns, ihn 1947 an den neuen Dienstsitz der Vogelwarte zu bringen und als technische Kraft für Tischler- und Zimmermannsarbeiten einzusetzen. Die Vogelwarte hatte solche Hilfe zur Neueinrichtung in Schloss Möggingen dringend nötig.

 

Nun, in dem Monat, da sich die Gründung der Vogelwarte zum fünfzigsten Male jährt, ist unser langjähriger und erfolgreicher Mitarbeiter, 5 Tage nach seinem ersten Schlaganfall, am 11. Januar 1951 entschlummert. Wir betteten ihn drei Tage später an einem sonnigen Wintertag in dem kleinen Bergfriedhof des Dorfes Möggingen, angesichts der Hegauberge und der Alpen, eine Stunde vom Bodensee. Die Gruft war nach ostpreußischer Sitte mit Fichtengrün ausgeschlagen, und während Turmfalke und Bussard ihre Kreise zogen. riefen wir Posingis den Dank der Vogelwarte nach.

Dr. S c h ü z, Leiter der Vogelwarte Radolfzell, vormals Vogelwarte Rossitten, der Max-Planck-Gesellschaft.

 

 

Seite 10   Und nun die Augen

 Nachdem die „Warte" zwei Aufsätze humoristischen medizinischen Inhalts gebracht hatte, will ich nun meine Erfahrungen in der Kunst der Optik sprechen lassen. Dies muss ich mit dem bekannten Motto einleiten:

„Ohne Brill is nuscht to moake un ohne Pinksnee keen Sinndag".

 

Es liegt aber doch ein tiefer Sinn darin, wenn ein alter müder Mensch, dessen Sehvermögen abnimmt, halb lächelnd seufzt: „Ohne Brill is nuscht to moake", und es ist schön, wenn man dann ein bißchen mitsorgen und helfen kann.

Oft traf ich, in einer leeren Zigarrenkiste oder Schublade suchend auf eine „Erbbrille", von der die Besitzer behaupteten, sie müsse passen, weil der selige Großvater sie bis zu seinem Tod benutzt hätte, und der habe auch, so wie die ganze Familie blaue Augen gehabt. Die Scheren dieser alten Brillen waren meist mit einem fettig schafwollenen Schnürchen zusammengebunden, damit sie nicht hinter den Ohrmuscheln fortrutschen sollten. Der alte Quednau, der mit über siebzig Jahren noch die Jährlinge im Fohlenstall fütterte, trug zu diesem Geschäft immer eine Brille auf der Nase. Ich glaube, dass er sich das angewöhnt habe, um die Augen vor Staub zu schützen. Als ich aber bemerkte, dass gar keine Gläser in den Umrandungen waren, fragte ich ihn nach diesem wunderlichen Umstand und erhielt die Antwort: „Die Tochterkinder sagen: Opa, ohne Brill siehst so nackicht aus".

 

Als ich unsern alten Schäfer fragte, ob mit seinen Augen alles in Ordnung sei, ob er nicht eine neue Brille benötige, meinte er: „Mit de Ooge, dat jeiht je noch - de Ooge sinn so wie se wäre - ower de Brill häft sek verändert".

 

Der alte Kofske, der sich längst hätte ein Augenglas anschaffen müssen, antwortete verächtlich: „Was soll ich mit son Dings - lesen brauch ich nich. Ich hab man son terretnen Kalender, der is all drei Jahr alt, der stimmt nich mit dem Licht. Wenn ich dem Mondche bekick, der stimmt immer, aber der ol Kalender, der weet von garnuscht".

 

Nicht nur aus dem Dorf, nein, auch aus den Gutshäusern weiß ich derartige Geschichten zu erzählen. Ein alter Herr, der als Sommerbesuch bei uns war, hatte auf dem Frühstückstisch seinen zusammengeklappten Kneifer im kleinen Lederetui liegen. Treff, unser Hühnerhund, wedelte neben ihm, um eine kleine Gabe bettelnd. Der alte Gast freute sich, dass Treff ein Stück Brot nach dem andern schnappend auffing, und plötzlich hatte er das braune Ledertäschchen mitsamt dem Kneifer verschluckt. Die Verzweiflung des Gastes war groß, aber er musste doch lachen, als sein Gegenüber, der sechsjährige Ferdi, meinte: „Das ist fein, nun kann der Treff sehen, wie es in seinem Bauch aussieht".

 

Der Sohn unseres Nachbarhauses war eifriger Rennreiter. Da er seine Erfolge gern zum Besten gab, rief er eines Tages stolz in unsere Tafelrunde: „Hürdenrennen geritten - drei mal gestürzt - Monokel nicht verloren".

 

Aus meiner Mutter Jugendzeit entstammt noch die Erinnerung an den alten Grafen, der, sehr menschenscheu, sich in seinem Hause einschloss, sobald Besuch vorfuhr. Da trabte eines Sonntags eine Schar junger Reiter und Reiterinnen aus allen benachbarten Gutshäusern verabredeter weise vor das alte Herrenhaus, aus dessen Leere die Stimmen mindestens acht großer und kleiner Hunde erschollen. Die Pferdenasen stießen an die niedrigen Fensterscheiben, frohe, lachende Reiteraugen versuchten, durch die Gardinen zu spähen. Richtig - der alte Junggeselle war selbst neugierig. Er schob den Vorhang ein wenig zur Seite und schaute durch sein Monokel gegen die Fensterraute. Das Einglas aber hing an einem dünnen rund gebogenen Zopf von lebendem Haar, das wuchs aus dem silbergrauen Kinn des alten Grafen heraus. - Beim Monokel sowie beim Kneifer fiel mir das herrliche plattdeutsche Gedicht ein, das, von einem unbekannten Königsberger gedichtet, um das Jahr 1885 uns Ostpreußen begeisterte:  

 

Als bi de groote Harwstmanöver

Prinz Albrecht kam so beetke räwer,

to sehne, ob wi't ok verstoahne,

dem Ruß di Bixe voll to schloahne -"

dann klingen mir noch die herrlichen Reime zu:

 

„Is tweeschläprich de Näseklemm,

denn segge se Pinksnee up em,

will eener man een Oog riskehre,

denn dohnes dat Monokel titulehre".

 

Wer verhilft mir zur Vervollständigung dieses Gedichtes, das zu unseren sehr seltenen wahrhaft gelungenen plattdeutschen Dichtungen gehört? Das darf nicht vergessen werden.

Erminia v. Olfers-Batocki, aus Tharau/Ostpreußen, zur Zeit Bad Harzburg, Schmiedestr 11

 

 

Seite 11   Stellensuche

 Ehemaliger Hufenschüler, Horst Makowka (20a) Wunstorf, Melanchthonstraße 12, schwer kriegsbeschädigt, 70%, 34 Jahre, verheiratet, 1 Kind, sucht Arbeit als Spediteur, Kaufmann oder Bürotätigkeit.

 

 

Seite 12   Suchanzeigen

 Königsberger! Georg String, geb. 25.07.1885, Sattlermeister in Königsberg. Sackheim 94. Auf der Flucht im März 1945 in Danzig verschleppt. Juli 1945 zuletzt in Ponarth gesehen worden. Nachricht erbittet Frl. Frida String, in Salzhausen 181 über Lüneburg (24 a).

 

Fritz Koslowski, Schmied, etwa 40 Jahre alt. geb. in Ostpreußen, war Januar 1945 noch bei der Schichau-werft In Königsberg tätig. Kann auch im Januar 1945 zum Volkssturm einberufen worden sein. Nachricht erb. Ernst Rosteck, Tornesch 1. Holstein, Kreis Pinneberg, Friedrlchstr. 34.

 

Gesucht wird: Bruno Block aus Königsberg.-Cosse, 45 Jahre alt. dienstverpflichtet bei der Schichau-Werft in Königsberg. Ist noch im März 1945 in Volkssturmuniform gesehen worden. Nachricht erb. Ernst Rosteck, Tornesch in Holstein. Kreis Pinneberg, Friedrichstraße 34.

 

Luckenbach, Käthe, geb. 08.08.1910 Gr.-Baitschen. Kreis Gumbinnen, evakuiert nach Tulfnick. Kreis Osterode. Seit Januar 1945 vermisst. Wer war mit meiner Schwester zusammen und kann mir Angaben über ihren Verbleib geben? Margarete Wunderlich, Volpriehausen, Kreis Northeim.

 

Hans Porbacknik, aus Allenstein, früher beschäftigt beim Glasermeister Ramlow. "Gesucht von Hermann Sabrowski, (22 c) in Lindlar/Köln, Klosterstr. 24 (früher Allenstein).

 

Bitte um Auskunft über meinen Mann Gustav Kolzau, geb.19.10.1914, Heimatanschrift Wolfshagen, Kreis Rastenburg Ostpreußen. Letzte Nachricht Januar 1945 aus der Nähe Aachens. Um Nachricht bittet Margarete Kolzau, (23) Vierden, Post Scheeßel. Bezirk Bremen.

 

Wer kann Auskunft geben über unseren Sohn, Gefreiter Walter Bolowski, aus Elbing/Westpreußen. geb. am 04.06.1923. Letzte Nachricht war 11.03.1944 von Narwa/Nordrussland, Feldpostnr. 30 069B, Feldherrnhalle. Für Jede Nachricht ist dankbar Familie August Bolowski. (14 b) Tuttlingen, Möhringer Straße 2.

 

Suche meinen Mann, den Volkssturmmann Fritz Hoppe, früher Schneidermeister in Königsberg-Pr., Steindamm Nr. 178. 1945 im russischen Gefangenlager Georgenburg bei Insterburg gesehen worden. Frau Johanne Hoppe, (20 b) Langenhagen über Herzberg/Harz.

 

Wer gibt Auskunft über meinen Bruder Obergefr. Max Kelbert, Linde, Gerdauen/Ostpreußen, geb.

13.04.1916, Feldpostnummer 33 240 E, letzte Nachricht April 1945 Lazarett bei Stettin. Erna Kelber, Remscheid-Lennep, Kölner Straße 40.

 

Wer weiß etwas über das Schicksal von Foto-Krauskopf. Königsberg, und Kilian Koll. Nikolaiken. Wo befinden sie sich? Nachricht erbittet Gertrud Kern, Bremen, Deichstraße 3.

 

Wer kann Auskunft geben über den Obergefreiten Emanuel Strebel, aus Lindenberg bei Tannenberg, Ostpreußen, geb. 27.07.1908. Feldpostnummer 17 285, bei Sewastopol-Krim. Im Mai 1944 vermisst.

Siegesmund Strebel, Berhshausen 52, (20 b) über Duderstadt in Hannover.

 

Hausangestellte Hedwig Neumann, aus Frauenburg und deren Angehörige (zuletzt in Danzig, Februar 1945) werden gesucht von Stadtoberinspektor i. R. Hermann Hoppe, (24 b) Großrhüden bei Seesen. Haus 45. früher wohnhaft in Elbing, Wegmannstr. 8.

 

Lehrer Walter Sand, geb. 06.07.1887, Königsberg, Ritterstr. 28. zuletzt Johanna-Ambrosius-Schule, Luisenallee. Nachricht erb. an Dr. Walter Sand, Kiel-Elmschenhagen, Tiroler Ring 423.

 

Gesucht wird Bäckermeister Rudolf Frohwerk mit Frau und 4 Kindern aus Gr.-Mausdorf. Gr-Werder, Danzig; ferner Landwirt Karl Funkat, geb. 15.04.1894, aus Vormwalde, fr. Antbudupönen, Kreis Schloßberg. Der Treck war bis Januar 1945 in Parmehnen. Kreis Wehlau, evakuiert. Wo blieb der Treck?

Auskunft erb. Emmi Frohwerk, Ratheim, Bezirk Aachen, Bahnhofstraße 22.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal des Gastwirtes Carl Urban, geb. 24.01.1867, aus Abstei-nen. Kreis Pogegen. Memelland? Mein Vater befand sich am 10.02.1945 im Städt. Krankenhaus Karthaus. Da das Krankenhaus geräumt werden sollte, wurde er in einen bereitstehenden Omnibus mit der Aufschrift „Stadt Marienburg" gesetzt. Seither fehlt Jede Spur. Wer war der Autobusführer? Wo sind die Schwestern und Ärzte des Krankenhauses Karthaus? Wo sind die übrigen Kranken hingekommen? Für jede Auskunft dankbar! Nachr. erb. an Elise Urban. Markersreuth 9, Post Münchberg.

 

Emil Dedat, geb. 09.10.1887 in Königsberg, Wohnung: Königsberg. Claßstr. 19 I.. Beruf: Lehrer. Er hatte die Verwaltung der Küche im Rathauskeller. Geriet in russ. Kriegsgefangenschaft und soll in der Umgebung von Kasakastan sich aufgehalten haben. Welche Heimkehrer kennen ihn und sind mit ihm zusammengewesen? Jede Nachr. erbeten an Frau Anna Dedat, Plön. Rosenstraße 22 (Holstein).

 

Margarete Heinemann, geb. 7. April 1883, wohnhaft in Juditten, Waldstraße 21. Letzte Nachricht von Januar 1946 aus Altersheim Kummerau-Königsberg. Wer weiß etwas über ihren Verbleib oder Tod? Nachricht an Ob.-Reg.-Rat a. D. Moritz Heinemann, Burg auf Fehmarn, Staakensweg 44.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Mann, Pfarrer Bruno Altenburg, Großgarten, Kreis Angerburg, (Kraftfahrer der 3. Kraftfahrer-Ers.-Abt. 1 Osterode), geb. 18.08.1905. Nachricht erbittet Charlotte Altenburg, geb. Schmissat, Bollensen, Kreis Northeim.

 

Suche Erich Schönfeld und seine Eltern, aus der Hufenbrauerei Königsberg Schönfeld, ist im Sommer 1945 mit seiner Frau und drei Kindern sowie seinen Eltern zu Fuß von Königsberg fortgegangen. Letzte Nachricht stammte aus Rheinland-Westfalen vom Jahre 1946. Nachricht erb. Albert Seidler, Duderstadt, Marktstr. 8.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Mann, den Volkssturmmann Johannes Trochiem, Amtsgericht Königsberg. Zuletzt gesehen worden am 07.04.1945 in Königsberg, Berliner Straße, geb. am 01.07.1880. Nachricht erb. an Anna Trochiem, (10) Rochlitz (Sachsen), Leipziger Straße 18.

 

Anni Jakubowski, geb. Loerzer, aus Heiligenbeil (Ostpreußen), Ehegatte Katasterinspektor (Hugo?) Jakubowski. Ob der Name vielleicht verdeutscht wurde, ist unbekannt. Nachricht erbeten an K. Gromsch, Pfarrer, i. R., (13a) Sparneck Oberfr., Kr. Münchberg.

 

Gesucht wird Fritz Pogorssetski, aus Amalienhof. Kreis Ebenrode (Ostpreußen). von Albert Wolter, Wessenstedt über Ebstorf, Kreis Uelzen.

 

Kameraden der Feldpostnummer 22 298 E! Naumann, Werner, Gefreiter. geb. 15.08.1923 in Königsberg/Pr. Letzter Wohnort Königsberg/Pr., Am Fließ 10. Wer weiß etwas über sein Schicksal? Letzte Nachricht Anfang Januar 1945 von Malwen zwischen Schloßberg und Gumbinnen. Nachricht erbittet Erich Naumann, Itzehoe/Holstein, Breitenburger Str. 8.

 

Hauptmann d. R. Karl Pletsch aus Bischofsberg/Ostpreußen, zuletzt Allenstein. Infanteriekaserne. Nachricht erbittet Maria Mühmelt. Merl/Mosel 235.

 

Achtung Königsberger! Wer kann mir Auskunft geben über den Verbleib meines Bruders Günter Lange, geb. 17.01.1930 in Königsberg, letzter Wohnort Königsberg, Drummstr. 3, II.? Letzte Nachricht vom

17.01.1945 aus Königsberg. Auskunft erbittet Gerhard Lange, Werkstein über Aachen, früher Thälmanstraße 39.

 

Beyrau, Hans, aus Gumbinnen-Ostpreußen. Uffz., Feldpostnummer 44 757 B, 4. Luftw.-Feld-Div., vermisst Witebsk Juni 1944, wird gesucht von Karl Beyrau, (22 b) Kirchheimbolanden/ Rhld.. Am Wehrgang 4.

 

Bei Kämpfen um Marienburg-Westpreußen (Galgenberg) Januar 1945 Landwirt Georg Jarke, aus Klettendorf bei Marienburg vermisst. (Volkssturm). Sachdienliche Nachrichten, Anhaltspunkte erbittet Alfred Jarke, Stade a. d. Elbe, Thunerstraße 2.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal des Feldwebels Eduard Wagner, geb am 20.12.1894 in

Lenzen. Kr. Elbing, Westpreußen. Letzte Anschrift: Landesschützenbataill. 4/209 Graudenz, Festung Courbiere. Kameraden, wer war mit ihm zusammen? Nachricht erbittet: Eduard Kuhn. (23) Appeln über Stubben. Kr. Wesermünde.

 

Elvers, Wolfgang, früher Allenstein, zuletzt Panzergrenadier, Feldpost-Nr. 39 136 G. Letzte Nachricht

17.04.1945 aus Peise bei Königsberg. Nachricht erb. an Bruno Elvers, Kissingen/Garitz.

Hauptstraße 156 ½

 

Wolfgang Hoffmann aus Königsberg Pr., Burgschüler, geb. 07.06.1928, war Lw. Oberhelfer, Königsberg, Graudenz, zuletzt in Stettin, Feldpostnummer L 10 472 c, Lg. Pa. Berlin. Letzte Nachricht vom 04.04.1945, aus Stettin. Bekannte. Freunde, Kameraden. Jede Nachricht ist wichtig. Bitte, an Dr. Max Eckert, Horst/ Holstein, Bahnhofstraße 15 oder Fritz Hoffmann. Halle/Saale, Huttenstraße 93. zu schreiben.

 

Russlandheimkehrer! Wer kennt meinen Sohn, den O.-Gefr. Reinhold Borm. geb. 10.06.1924, Kaufm., Heimatanschrift: Tilsit Übermemel Milchbuderstraße 29. Gehörte der 349. Div. an. Er hatte bis 01.04.1945 die Feldp.-Nr. 08 642 C, dann Nr. 00 353 A. Letzte Nachricht vom 01.04.1945 vor Karlsberg. Erb. jede Nachricht Georg Borm. (20 b) Lödingsen über Uslar/Land.

 

Ich suche die ostpreußischen Lehrer Erich Birnbaum, Hugo Diesing, Kurt Ehlert, Johanes Knoblauch. Nachricht erbittet Gerhard Haese, Spieka-Neufeld (Bremerhaven).

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meines Sohnes Helmut Wiemer, geb. am 24.08.1907 in Tilsit/Ostpreußen. Letzte Nachr. vom 01.03.1945 aus der Gegend um Doblen / Kurland. Letzte Anschrift: Obgefr. 05 573 D, soll von Januar 1945 bei einer Panzer-Einheit gewesen sein. Erbitte Nachricht an Gertrud Wiemer. Hersfeld/Fulda, Brückenmüllerstraße 11.

 

Hauptmann d. R. Hans Grundmann. Studienrat. geb. 18.11.1909 (Schlesien). Letzte Einheit: Gren.-Regt. 506/291. Inf.-Div. als Batl.-Führer, letzte Feldp.-Nr.: 39 416, 44 392 A und 45 357 c, letzter Einsatz: „Lysa Gora" (Polen), letzte Nachricht: 10.01.1945. Soll Januar 1945 gefallen sein. Wer weiß Näheres? Stu-dienrätin Elisabeth Kunze, geb. 1881, wohnte in Königsberg Pr., Bärenapotheke, zuletzt Albrechtstraße 10, zusammen mit ihrer Haushälterin Fany Meinhaidt. Wer weiß Näheres über beider Schicksal, letzte Tage und Tod? Nachricht erbittet: Barbara Grundmann geb. Kunze, (16) Alsfeld in Hessen, Schwabenröder Str. 2.

 

Wo befindet sich das Landesforstamt Ziechenau Süd/Ostpreußen? Gesucht wird der Angestellte Max Bahlo, geb. 23.04.1911. Letzte Nachricht am 20.01.1945 aus Illowo. Er war mit Forstmeister Basemann und Revierförster Heitz zusammen. Wer kann irgendeine Auskunft geben? Gertrud Muisus, (20) Obernwöhren 32, bei Stadthagen (früher: Liebenfelde Ostpreußen).

 

Heimkehrer! Wer kann Auskunft geben über meinen Mann Otto Heinrich, geb. 11.10.1890. Reg.-Rat beim Oberfinanzpräsidium Königsberg. Seit Sommer 1944 beim Volkssturm. Kämpfe in Königsberg mitgemacht, April 1945 Gefangenenlager Carmitten/Samland. Soll Mai 1945 abtransportiert worden sein, angeblich Gef.-Lager Pr. Eylau. Später Lazarett Pr. Eylau, wo Dr. Werth oder Weth ihn behandelt haben soll. Nachricht erb. Erna Heinrich, Kulmbach. Schwedensteg 4.

 

Herbert Godau, geb. am 02.08.1925 in Lauth bei Königsberg, aus Gefangenschaft am 07.04.1949 zurückgekehrt. Sohn der Johanna Godau geb. Schwarz, geb. am 23.02.1899 in Alt-Passarge, braucht dringend seine Geburtsurkunde und andere Papiere! Bitte helfen! - Herbert Godau in Weil im Dorf bei Stuttgart. Wendelien-Hippler-Straße 22, bei Fr. Raiser.

 

Stalingradkämpfer! Obergefreiter Helmut Kadgien, geb. 22.10.1913, aktiv vom Herbst 1938 im Inf.-Rgt. 1 Königsberg/Pr., Feldpostnummer 37 960 im Februar 1942, Feldp.-Nr. 24 951 ab Oktober 1942, letzte Nachricht vom 01.01.1943 Stalingrad. Nachricht erbeten an Kurt Winkel, Landshut/Bay., Seilgenthaler Straße 61.

 

Frau Elisabeth Caspary, aus Tilsit. Salzburger Str. 8 b, zuletzt wohnhaft in Königsberg, Hufenstraße 100, bei Frl. Hirsch, wird ges. von Frau Helene Reinhold, Göttingen. Planckstr. 7. Wer war mit ihr zusammen und kann Auskunft geben?

 

Achtung Marienburger? Wer kann mir Auskunft geben über meine Tante Frl. Berta Schmidt, geb.

31.03.1862 (gänzlich erblindet)? Wo sind die übrigen Insassen des Jerusalems-Hospitatihingekommen? Um Ausk. bittet Käte Gronwald, Braunschweig / Querum , Nachr. Käserne Bl. 8 II.

 

Ewald Maleike,. Feldp.-Nummer 36 100 C, wohnhaft Königsberg/Pr., Unterhaberberg. 40 Jahre alt. Zuletzt im Januar 1945 in Königsberg gesehen; Emil Baumeister, 68 Jahre alt, wohnhaft Königsberg 1. Pr., Alter Garten 24/25. Werkzeugmacher beim Heereszeugamt Ponarth; Anna Kristand geb. Mollien. 48 Jahre, nebst Tochter Gisela, 12 Jahre alt, Königsberg/Pr.. Börsenstr. 1 a wohnhaft. Sollen in Metgethen von den Russen gefangengenommen und nach dem Ural verschleppt sein; Unteroffz. Edgar Mollien. geb.

28.11.1914 in Hamburg, zuletzt wohnhaft Hamburg-Fu., Fuhlsbüttler Str. 687. Feldp.-Nr. 18 203 Pz. Zuletzt Kampfabschnitt Küstrin März 1945. Nachricht erbeten an Bäckermeister Paul Mallien. Hamburg - Popp., Poppenbüttlerweg 166.

 

Wer weiß etwas über den Verbleib von Frau Dr. Urte Aschekies, Zahnärztin in Neukuhren/Samland und ihrer Mutter Frau Frida Lilienthal. Königsberg/Pr., Vogelweide 4? Letzte Nachricht von der Flucht März 1945, aus Stolp/Pommern. Ferner von Gutsbesitzer Eduard Ditt und Frl. Elise Dltt, Kurschen (Talwiesen) Kreis Pillkallen? Letzte Nachricht von der Flucht aus Ostpreuße,. Februar 1945. Nachrichten erbittet Dr. Nimtz, Berlin-Zehlendorf, Am Fischtal 26b

 

Gesucht werden: Familie Karl Hoppe aus Fischhausen Ostpreußen, Fiseberstr. 8; Frau Else Barthel geb. Wieppel, aus Königsberg.Pr.; Fräulein Hildegard Siedler von der Funksendestelle Danzig-Glettkau. Sämtliche Nachrichten erb. an Gertrud Schwab. München 8, Weißenburger Straße 29 I.

 

Frans Zimmer und Frau Charlotte geb. Gillweit mit Kindern Artur und Irmgard. Heimatanschrift: Trakehnen. Kreis Ebenrode Ostpreußen, werden gesucht von Ursula Schinkel, (20a) Schelploh bei Eschede Kreis Celle (Hann.).

 

Ich suche nach einem Lebenszeichen über Frau Eva Gicre, Witwe des 1939 gefallenen Dozenten für Geologie an der Universität Königsberg i. Pr., aus Königsberg Ostpreußen, Beckstr. 1. Letzter bekannter Aufenthaltsort: Neubarkoschin, Kreis Danzig, evangl. Pfarrhaus. Gesucht durch Frau Dr. Marianne Düll, München 22. Kaulbachstraße 62 a.

 

Angehörige des Arbeitsdienst-Lagers Königsberg-Charlottenburg 16/1 oder 1/16. Wer hat meinen Sohn Siegfried Dannenberg, aus Heiligenbeil (Ostpreußen). Schmiedestr. 3 b, geb. am 19.09.1928, gekannt oder gesehen? Er wurde vermutlich im Mai 1945 In Mecklenburg zur SS ausgebildet und dann nach der Tschechoslowakei abtransportiert. Wer weiß was von ihm? Um Auskunft bittet seine Mutter, Frau Johanna Dannenberg, Minden in Westf., Brüderstraße 20. Früher wohnhaft in Heiligenbeil (Ostpreußen), Schmiedestraße 3 b.

 

Wer kann Auskunft geben über Frau Hildegard Rockel geb. Christokat,. wohnhaft gewesen Königsberg Pr.. General-Litzmann-Str. 39, Nachrrichtg erbittet Gerhard Stein. Cuxhaven, Elfenweg 11 ptr.

 

Matschullat. Carl - Gustav, aus Königsberg 1. Pr., Oberleutnant der Luftnachr. (evtl. Fallschirm-Jäger). Feldp.-Nr. L 24 293 (evtl. L 61 207 A) Frankfurt/M., Erkennungsmarke 14 A. Kp. z. b. V. Halle - 250 -. Einsatz von Salzburgen aus, Mitte September 1944 bei freiwilligem Vorgehen mit Infanterieeinheit gegen feindl. Panzer nach Abschuss einer Panzerfaust schwer verwundet und seitdem vermisst. Wer kannte ihn, wo blieb er? Nachricht erbittet Direktor Matschullat. Wiesbaden, Schiersteiner Straße 28.

 

Wer weiß etwas über Rudi Römke, geb. 28.04.1928 in Königsberg Pr., Thomasstr. 1 a. Er soll sich 1946 angeblich in Bayern aufgehalten haben. Ferner wird gesucht Karl Poganski, früher in Wolka bei Willenberg, Kreis Insterburg, Ostpreußen. Nachricht erbeten an Frau Lotte Polkehn, Berl.-Siemensstadt, Nonnendamm-Allee 88 a.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib von Herrn Michael Jurkschat und seiner Frau Lina geb. Karrinat aus Lötzen, Schlageterweg 25. Offiziersblock? Und von: Frau Marie Reichwaldt geb. Rakowski, aus Ebenfelde, Kreis Lyck. Ostpreußen. Nachricht erbittet: Frau Luise Schwarz. Schloss Krikenbeck, Post Hinsbeck, Kr. Kempen (Niederrhein).

 

Stalingradkämpfer! Wer kann Nachricht geben über Gerd Lüttmann, Obergefr. im Panzer-Regt., Feldp.-Nr. 01781, geb. 22.10.1914, studierte Architektur. Letzte Nachricht 12.01.1943. Heimat Königsberg. Nachricht erbeten Oberbaudirektor a. D. G. Lüttmann, Heidenoldendorf 260, Kreis Detmold.

 

Achtung Königsberg-Ponarther! Bruno Schekt, oder Schecht, geb. 21.01.1905. War Schweißer im Reichsbahnausbesserungswerk Königsberg-Ponarth. Habe seit Januar 1945 keine Nachricht. Vielleicht kann von den Arbeitskameraden nähere Auskunft geben über den Verbleib. Nachricht erb. Frau Emilie Schecht oder Schekt, Rothenberg. Post Seßlach über Bamberg (13 a) Oberfranken.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib von Frau Waltraut Großklags, geb. Reimann (geb. Dezember 1924) und Eltern Max Reimann, zuletzt wohnh., Schadewinkel/Westpreußen. Nachricht erbittet: Annemarie Wanzlik, Ulm/Donau. Schaffnerstraße 22, früher Rehhof/Westpreußen

 

Wer kann Auskunft geben über meine Schwester, Frau Luise Schulz geb. Reihs, geb. 26.09.1884. Bei ihr befanden sich zwei Schwiegertöchter, wohnhaft in Könlgsberg-Ponarth, Jägerstr. 15. Nachricht erbittet Familie Gustav Dagg, Altenkoog (24b) Ostermoor bei Brunsbüttelkoog

 

Steinau, Otto. Schuhmacher, Königsberg. Tamnaustr. 15, zuletzt beim Volkssturm. 23.02.1945 im Hafenbecken 4 gewesen. Nachricht erbet, an Frau C. Steinau, Horbach bei Aachen. Oberdorfstr. 156.

 

Johann Czysewski, Kirchheim-Ötlingen, Stuttgarter Str. 289, Heimatanschrift: Königsberg, Schrötterstraße 176. sucht Frau Anna Czysewski geb. Fenske, Geburtstag unbekannt. Heimatanschrift: Seyten b. Mühlen, Kreis Osterode; Frau Ottilie Czysewski geb. Gehrmann. Geburtstag unbekannt, Heimatanschrift: Kleln-Pötzdorf bei Drebnitz, Kreis Osterode; Frau Berta Friedrich geb. Czysewski, geb. in Ostrowltt, Kreis Osterode, 1903, Heimatanschrift: Sassendorf, Post Bergung, Kreis Osterode.

 

Helga Freiin von Hoverbeck, wohnhaft gewesen in Statzen, Kreis Treuburg, wird gesucht von Frau Carmen Muschner, Gieboldehausen, Kreis Duderstadt.

 

Schlußkämpfe bei Allenstein. Wer wieß etwas über Volkssturmmann Herbert Kadereit, 1. Komp., I. Marsch-Batl. 25/323 aus Allenstein, Kleeberger Chaussee. Erbh. Ziegelei Kadereit. Kann Batl.-Führer Mallien oder Komp.-Führer Lehrer Jessner aus Martinsdorf, Auskunft geben? Kadereit soll am Tage des Russeneinmarsches noch in Allenstein gesehen worden sein. Nachricht an Helene Jänz geb. Kadereit, (20a) Rodenberg (Deister), Lange Str. 76.

 

 

Seite 11   Landsleute bitte herhören!


Auf unsere Artikel in der Ostpreußen-Warte Nr. 7, 8, 9 und 1 wird nochmals hingewiesen.

 Arbeitskamerad Ernst Rostock für die vielen Hinweise namens vieler Angehöriger unseren herzlichsten Dank.

 Wir suchen und wer antwortet? Schwester Margarete Masella, Städt. Krankenanstalt. Zuletzt tätig gewesen in der eingerichteten Krankenabtlg. in Cranz. Abtransport nach dem Zivilgefangenenlager bei Schloßberg (Pillkallen) möglich. Wer war mit der Genannten 1945 in Cranz zusammen? Wer sah Masella im Durchgangs-Entlassungslager Suhl II?

 

 Schwimmeister Wilhelm Hinz, Badeanstalt Hardershof, Wohnung Hundrieserstraße, dann Tiergartenstraße. Nach der Gefangennahme Abtransport nach Georgenburg. Wo blieb Hinz später?

 

Stenotypistin Ilse Skerstup, zuletzt Grundstücksamt. Wer kennt den Aufenthaltsort der Genannten? Bisher jeder Suchweg vergeblich gewesen. Wo leben die Geschwister?

 

Alexander Karnat, zuletzt russische Gefangenschaft. Seit 1949 keine Nachricht mehr? Wo blieb Kamerad Karnatab? Heimkehrer, meldet Euch bitte!

 

St. Bau-Oberinsp. Erich Becker: war mit Arbeitskameraden Heinrich Schrade, Kurt Dischmann, Willi Fahrt und Fritz Tobegen im GPU-Lager zur Vernehmung zusammen. Der Weg führte vom Lager Schichau dorthin. U . a. wird in dem Bericht St. B. O. Insp. Barkhorn und Werner genannt, die ebenfalls als Vermisste gelten. In einem weiteren Bericht werden Becker, Barkhorn und Werner wahrscheinlich als gefallen gemeldet, doch positiv kann dies nicht behauptet werden. Wer war mit den Genannten im Vernehmungslager Neuendorf zusammen? Wohin wurden sie danach abtransportiert? Wo blieben die Kameraden tags darauf? Vielleicht Transport nach Lager Kaiserwald in Riga?

 

Walter Kirbus: Letzte Dienststelle Bauabteilung. Seit März 1945 Volkssturm Gotenhafen. Kameraden seiner Einheit meldet Euch bitte.

 

Hans Fröck: Leider konnte bisher ein weiterer Suchweg nicht beschritten werden. Fröck bleibt vermisst, trotz eifriger Umfrage.

 

Fritz Harnisch: (K. W. S) Seit 07.04.1945 verschollen. Wer sah und sprach ihn Ende April 1945?

 

Elektrometer Kurt-Willi Lopp, Königsberger, Hafengesellschaft. Im September 1946 im Lager Kaiserwald in Riga mit den vermissten städt. Arbeitskameraden Schlosser Reutar und Kranführer Schlemminger zusammen gewesen. Wo blieben Lopp und die anderen Genannten als Speziallsten ab?

 

Kaufmann Eduard Kittler (Leder-Großwarenhandlung), war mit noch sechs Heimkehrern bis Anfang August 1945 im Lager Georgenburg bei Insterburg zusammen. Von diesen sechs Heimkehrern müsste doch jemand Auskunft geben können, wo Kittler geblieben ist. Wer war sein Barackenkommandant, wer sein Flurnachbar? Immer wieder haben die schwierigen Suchfälle bewiesen, dass gerade über Lager Georgenburg Klarheit geschaffen werden konnte. Kameraden meldet Euch, eine Mutter wartet auf ihren vermissten Sohn.

 

Fürsorgerin Meta Luszick. Wer kennt ihren Aufenthaltsort? Die eingegangenen Berichte sind verschiedener Natur. Wo blieb Luszick kurz vor der Besetzung Königsbergs durch russische Streitkräfte?

 

St. O. Sekretärin, Hedwig Olivier. Die Genannte kam mit Dampfer „Potsdam" krank in Saßnitz an. Während die Gesunden alle per Bahn weitertransportiert wurden, blieb sie zunächst noch auf dem Dampfer. In Dänemark ist sie nicht angekommen. Eine Umfrage an sämtliche Krankenhäuser der Ostseehäfen nach Saßnitz, ob Olivier vielleicht dort eingeliefert, evtl. verstorben, wurde verneint. Es muss nun angenommen werden, dass sie auf dem Dampfer „Potsdam" verblieben ist, der später auf der Fahrt nach Dänemark unterging. Wer kann von den geretteten Passagieren und Mannschaften über ihr evtl. Schicksal berichten? - Olivier hatte keinerlei Papiere bei sich. Selbst der kleinste Fingerzeig wird dankbar zur Weiterverfolgung der Angelegenheit entgegengenommen. Landsleute, meldet Euch.

 

Michel Naujoks, zuletzt Königsberger Volkssturm, dann Lager Pr.-Eylau. Wer war mit ihm zusammen? Wohin wurde Naujoks abtransportiert? Wer kann Auskunft geben, ob Naujoks ein Opfer des Hungertyphus wurde?

 

Schweißer Bruno Schecht: Zuletzt Reichsbahn-Ausbesserungswerk Ponarth. Seit Januar 1945 keine Nachricht mehr. Wo blieben seine Kameraden. Irgendeiner müsste doch Auskunft geben können.

 

Fritz Hirth, zuletzt Grenadier, geb. 03.08.1927 in Gr. Engelau, Feldpostnummer 05 833.

Seit 20.10.1944 bei den Kämpfen Schloßberg- Ebenrode vermisst. Wer war mit Hirth zusammen und sah ihn fallen?

 

Günter Kolbe, zuletzt Oberfähnrich der Luftwaffe, geb. 16.01.1925 in Königsberg, Flugzeugführer bei der Jagdrammstaffel 308, Einsatzflughafen bei Wien. Im Luftkampf am

16.07.1944 an der ungarischen Grenze vermisst.

 

Horst Schreiber, Obergefreiter, Feldpostnummer 04 447 D, 383. Division, 531. Regt., 1. Batl., 3. Komp. (General Hofmeister) im Osten bei Brijansk und Baraniwitschi vermisst, Geb. 07.04.1922 in Gr. Engelau.

 

Weiter werden gesucht:

 Von der Feuerlöschpolizei: Gau, Povel, Kelch, Dühring, Monin, Grentsch, Lampert, Ziegler, Bezirksfeuerwehrhauptmann: Preuß,

Verw.-Ob.-Insp. Schimke, Christel Saul- Jüergasch,

Spark.-Angest. Gramatzki, Lothar von Dzingel (Grdst-- Amt), Witwe Prof. Dr. Kurt Munier (Holstein),

St.-O.-Insp. Quint, Fanelsa (Jurist), Baumeister Luckmann,

St.-O.-Insp. Müller,

Angest. August Kniest, Baumeister Franz Laschat,

Angest. Dorloff,

Mag.-Rat Horst Boettcher,

Techn. Adolf Weigand,

St.-Insp. May,

St.-O.-Insp. Witulski,

Insp. der Fuhrgesellschaft Otto Nitsch,

Stenotypistin Else Voigt,

Mag.-Schulrat Erich Steinau,

Oberbaurat Mauruscbat,

Heizungskontrolleur Schwarz, Frau Anna Bodlin, Monkengasse 5,

St.-Insp. Czymmeck,

Spark.-Angestellte Otto Klement und Helene Grunwald,

die Sparkassenangestellten: Hartrampf, Eberle, Zeronsky, Domnick, Uhllch, Luxa, Winter, Paetsch; Frau Margarete Bolius, Pauperhausplatz 4,

Stadt-Insp. Ewald Henseleit,

Spark.-Ang. Hans Elisat,

Organist im Krematorium Hermann Elisat.,

St.-O.-Insp. Wetzker.

 

Hellmut Zilian. Stadtoberinspektor, geb. 04. 11.1899, Hauptmann und Batl.-Kdr., letzte Feldpost-Nr. 25 815 A. Seit 31. Januar 1945 in Ostpreußen verschollen. Nach Berichten soll mein Mann durch Pakvolltreffer in seinem Gefechtsstand Ende Januar 1945 gefallen sein. Welcher Kamerad oder Kollege weiß darüber Genaueres? Nachrichtittet die Ehefrau Else Zilian und Sohn Siegfried in (17b) Reichenbach bei Lahr (Baden), Schulhaus.

 Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -angestellten und -arbeiter, (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1.

 

 

Seite 12   Siegel aus Ostpreußen

 Nun war er schon ein paar Jahre hier im Holsteinischen beim Bauern Dippold im Stall. Ja, gut hatt er es hier, aber dennoch dachte er voll Sehnsucht an seinen ersten Sommer als Fohlen in Ostpreußen.

 

Der schöne Weidegarten bergauf und bergab konnte man da traben, bei großer Hitze unter den Erlen im Bruch stehen oder auf dem Birkenhügel sich herumtollen. Die braune Loni war immer dabei; es gab viel Spaß miteinander. Den ganzen Sommer über war man draußen, nur zuweilen holte der Julius die Mutter, die Rappstute, zur Arbeit und dann musste man auch in den Stall. Aber lange dauerte das meist nicht; zum Abend waren dann Mutter und Kind wieder beieinander und vergnügt trollte man wieder in den Weidegarten. So ging der Sommer hin in lauter Frohsinn

Als es Herbst wurde, änderte sich die Stimmung bei den Menschen und auch die Tiere wurden davon erfasst. Sah man doch oft Züge von Leiterwagen, auf die die Menschen ihre notwendigste Habe gepackt hatten, dazu Nahrung für Mensch und Tier. Kummervoll saßen die Menschen darauf, hatten sie doch ihre Heimat an der Grenze verlassen müssen, da der böse Krieg bis an ihre Gehöfte vorgedrungen war. So zog der Winter ins Land; der Hafer und das Heu im Stall wollten weder der Rappstute noch dem übermütigen Siegel schmecken. Aber bis Weihnachten ging soweit noch alles gut. Doch im Januar, als die Russen zur großen Offensive ansetzten, hörte man den Lärm der Schlacht auch bis auf unser Gehöft. Nun dauerte es nur ein paar Tage, dann trat eines Morgens der Julius viel früher als sonst in den Stall. Mit finsterer Miene und besonders sorgsam schirrte er die Stute auf und brachte sie zum Leiterwagen; Siegel trollte zunächst neugierig daneben. Doch was sah er da? Ein ähnliches Bild, wie er's im Herbst vom Weidegarten aus gesehen hatte. Der Wagen mit einem großen Plan überdacht, der mit liebevoller Hand alles bedeckte, was die Menschen darunter gepackt hatten.

 

Als Nebenpferd stellte Julius die Mutter von Loni ein; so war sie wenigstens auch mit dabei. Nur ein paar Pferde konnten so die Flucht mitmachen, ein Teil musste zurückbleiben, einem ungewissen, schrecklichen Schicksal entgegen.

 

Dann ging's fort vom Hof, wo man alles lieb hatte, jeden Stein, jeden Baum. Böse war's, wenn die Kampfflieger herabsausten.

 

Oft musste unter schützender Deckung Halt gemacht werden, denn alles, was sich bewegte, konnten sie besonders gut erspähen. So ging's bis zum Haff; immer näher kam das Tosen der Schlacht. Hier hatte sich ein großer Flüchtlingsstrom gestaut, dazu war das Eis nicht mehr fest, so raunten es sich die Menschen sorgenvoll zu. In drei Wegen zogen die Trecks über das Haff, von Wagen zu Wagen mit 100 Meter Abstand, eine größere Belastung ließ die Eisdecke nicht zu. Glücklich kam man hinüber, am Rande schon vorsichtig tastend zwischen Eisschollen. Wie oft stürzten sich auf der Nehrungsstraße die feindlichen Flieger auf die Flüchtlingswagen, manch ein Pferd wurde getroffen und blieb stöhnend und klagend liegen.

 

Es war ein kummervoller Weg; die Nehrung bis Danzig. und hier war's fast unmöglich, weiterzukommen. Doch allmählich wurde auch das überwunden.

 

Weiter ging's an der pommerschen Küste entlang. Hier konnte zuweilen Rast gemacht werden, doch der Krieg zog hinter den Fluchtlinien her. Aber die Nächte waren nicht mehr kalt. Gras wuchs an den Straßenrändern. Eines Augustmorgens, der Lärm der Schlachten war schon seit Monaten verstummt, langte Julius mit seinen Getreuen auf dem Hof von Dippold an. Hier erregten die „Ostpreußen", so wurden die Flüchtlingspferde schlechthin genannt, großes Aufsehen. Müde und abgekämpft standen sie da. doch ihr Wuchs zeigte deutlich die edle, ostpreußische Stammzucht. Als äußeres Zeichen trat der „Elchbrand" auf dem linken Oberschenkel hervor.

 

Jetzt sind sie schon lange gute Freunde, die „Holsteiner" und die „Ostpreußen" und an Wintertagen, wenn es draußen keine Arbeit gibt, hört man manch munteres Wiehern im Stall. Dora Schmidt-Haimhausen

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