Ostpreußen-Warte, Folge 01 vom Januar 1958

Ostpreußen-Warte

Folge 01 vom Januar 1958

 

Seite 1   Foto: Marienburg im Winterkleid. (Aus „Ostpreußenkalender 1958“, Gräfe und Unzer Verlag, München.

 

Seite 1   Heimat – Freiheit und Gemeinschaft. Gedanken zum Wandel des Heimatlebens / Von Dr. Hansgeorg Loebel.

Nur der Mensch kann eine Heimat haben — der Mensch, den die Schöpfung mit dem Adel seiner Freiheit vor den anderen Lebewesen ausgezeichnet hat. Heimat, die zauberisch gewandelte, vom Menschen durchformte Umwelt, ist als Phänomen geistigen Lebens nur zu erklären, wenn das Rätsel der menschlichen Freiheit einer Lösung nahegebracht wird.

 

Welche Strukturelemente menschlicher, personaler Freiheit sind dafür bestimmend, dass er aus einem Stück Erde seine Erde, aus einem Land sein Land, sein Heimatland schaffen kann? Zunächst die Fähigkeit zu einer begrenzten Vorschau. Der Mensch vermag, wenn auch nur höchst unvollkommen, in die Zukunft zu schauen. Der Landwirt z. B. überblickt, wenn er morgens sein Hoftor aufstößt, seinen Werktag; der Arbeiter weiß, wenn er den Gang zur Fabrik antritt, was ihm die kommenden Stunden bringen werden. Freilich ist der Mensch seiner Sache nie ganz sicher, aber immerhin ist er nicht ganz blind gegenüber dem Neuen, das sich ihm hemmend oder fördernd entgegenstellen könnte. Das geringe Maß der Vorschau, dessen er mächtig ist, trennt ihn von den anderen Lebewesen dieser Welt.

 

Mit Hilfe dieser Vorschau gewinnt der Mensch die Möglichkeit zum Handeln. Gegenwart und Vergangenheit präsentieren sich ihm als vollendetes, gestaltetes Schicksal. An ihnen ist nichts mehr zu wandeln, zu ändern. Nur die Zukunft steht offen, die zu behandelnde Zukunft. Hätte der Mensch nicht den winzigen Spalt in dem Vorhang, der die Zukunft verhüllt, könnte er nicht mit Hilfe seiner Vorschau durchblicken, würde ihn das Schicksal immer überraschen. Er hätte immer nur eine Gegenwart; sein Handeln hätte keine Ansatzpunkte, keine Richtung. Nur das Vorausschauen und, darauf gegründet, das Vordenken, geben ihm die Handhabe, einzugreifen in den Gang des Geschehens. Nur gestützt auf seine Vorschau kann der Mensch aktiv vorherbestimmen — allerdings immer unsicher, immer tastend. Damit ist ein zweites Merkmal des freien Menschen umrissen — die nur ihm verliehene Gabe, Vorgeschautes zu realisieren, einem Arbeitsziel bewusst zuzustreben. Um bei den Beispielen zu bleiben: Der Landmann überschaut, dass in den nächsten Stunden wohl diese oder jene Witterungsumstände herrschen werden, und richtet nach dieser Vorschau seine Arbeit ein; der Arbeiter überschaut, was er in naher Zukunft seiner Maschine an Leistung zumuten, unter welchen Umständen sie diese Leistungen ausführen kann. Seine Vorschau bestimmt dementsprechend sein Verhalten.

 

Der Mensch vermag aber nicht nur zu erkennen, was die Zukunft bietet (immer mit der Einschränkung der Unvollkommenheit!), er kann auch von sich aus Ziele in die Zukunft hineinsetzen. Er kann planen, und er plant immer. Diese seine menschlichen Ziele können verschiedener Art sein. Wir kennen u. a. materielle, ideelle, ethische und ästhetische Ziele. So variiert diese Ziele scheinen mögen: alle haben für den Menschen, der sie sich setzt, eine gemeinsame Eigenschaft. Sie müssen wertvoll für ihn sein, sie sind immer für ihn Werte. Das Wertgefühl, das jedem Menschen innewohnt, ist ein weiterer Bestandteil seiner Freiheit. Es zwingt ihn, zu allem, was ihm begegnet, Stellung zu nehmen, es zu bejahen oder zu verwerfen. Wenn diese Stellungnahme auch meist nicht sofort deutlich wird: der Mensch wertet doch, und dieses Werten bestimmt sein Handeln gegenüber der Umgebung. Infolge des Wertgefühls, das seinem Tätigsein bestimmte Eigenheiten verleiht, wird für ihn die Umwelt zu einer zu behandelnden Umwelt: Der Mensch greift ein in den Bereich der toten Dinge um ihn herum. Er formt sie nach seinem Bilde...

 

So geschieht es, dass der Mensch allein, erhoben durch seine Freiheit zu einem —- allerdings immer nur unvollkommenen Schöpfertum, sich eine ihm geistig zugeordnete Umwelt, die Heimat, erringen, erarbeiten, erschaffen kann. Zur Umwelt gehört aber auch der andere neben ihm, der Mitmensch. Die Existenz des Mitmenschen auferlegt dem Menschen das sittliche Gebot, sie konfrontiert ihn mit dem Reich der sittlichen Werte, die Forderungen an ihn stellen: Du sollst, du sollst ...

 

Es ist bekannt, dass der Mensch nicht immer den besten Wert als Ziel seines Handelns annimmt und ihn realisiert, im Gegenteil: je höher ein Wert ist, desto seltener wird er verwirklicht, desto eher wird ihm ein minderer Wert vorgezogen. Man könnte den Idealzustand annehmen, dass die Entscheidung des Menschen immer an den höchstmöglichen Wert gebunden wäre, dass er immer das jeweils Beste und Edelste realisieren müsste: Dann wäre die Welt, in der wir leben, zwar eine vollkommene an Schönheit und Menschlichkeit — der Mensch aber wäre nicht frei. Er müsste dann — wie unter dem Zwang der Naturgesetze — das Gute und Schöne mit Notwendigkeit wollen. Ihm fehlte die Freiheit der Entscheidung zwischen verschiedenen Werten, ihm fehlte seine menschliche Freiheit.

 

So ist das Gute und Schöne durch diese unsere Freiheit in uns selbst verknüpft. Die Freiheit gibt dem Menschen das Gute und Schöne immer wieder in die Hand. Sie gibt, sie als Möglichkeiten. Nur er hat die Kraft, die Möglichkeiten umzuwandeln in Wirklichkeiten, ihnen zur Stärke der Wirklichkeit zu verhelfen.

 

Wie schon dargetan, ist der Mensch dabei immer unsicher. Er steht zwar nicht ungerüstet seiner Freiheit gegenüber, die ihn zum Richter über die Werte macht. Er besitzt zur Bewertung des sittlich-Guten und des Schönen das feine Instrumentarium seines Gewissens und seiner ästhetischen Disziplin. Das Gewissen ist dabei das unbestechlichere. In der Durchformung seiner Umwelt mit Schönheitswerten hingegen ist der Mensch mit seinem Schönheitsempfinden wesentlich unselbständiger, wesentlich mehr auf das Urteil der anderen neben ihm angewiesen. Wiederum, treten so der Mitmensch, die Gemeinsamkeit mit ihm, die Gemeinschaft, in den Bannkreis der Heimat. Der Mitmensch soll, muss den Menschen in seiner Gestaltungskraft bestätigen, wenn dieser von dem von ihm durchformten Daseins-Milieu befriedigt werden soll. Und je näher in der menschlichen Gemeinschaft dieser andere dem schöpferischen Menschen steht, desto beglückender ist für ihn die Zustimmung.

 

Ein Raum wird für ihn durch die Kraft seines Schöpfertums zur Heimat; so recht zu seiner Heimat wird sie ihm erst, wenn auch der andere neben ihm sie Heimat nennt. Auch dieser wirkt an ihr, und so ersteht sie endlich als das Werk vieler Hände, als Vergegenständlichung, als Objektivation eines Geistes, der alle gemeinsam beglückend umfängt. Keine Heimat ist daher ohne Gemeinschaft denkbar. Heimat ist eine Dreiecksbeziehung zwischen Mensch, Mitmensch und umgebenden Raum …

 

Es gab eine Zeit, in der die Betonung der Bindung des Menschen an seinen Mitmenschen bei der Pflege der Heimat zurücktrat, weil diese Bindungen innerhalb der Gemeinschaft wesentlich einfacher strukturiert waren und noch nicht der Aufgliederung unter dem Druck der neuen Zeit unterlagen. Diese Zeit konnte es sich leisten, den Heimathintergrund mit seinen Wäldern und Feldern, seinen Kirchen und Bauernhäusern, seinen Volkstänzen und mundartlichen Eigentümlichkeiten, mithin also die Objektivationen des Gemeingeistes, der sich erst die Heimat schafft, der Heimat gleichzusetzen.

 

Heute ist die Beschäftigung nur mit diesem Heimathintergrund ein Teilwerk, das zwar anerkennenswert sein mag, jedoch den Forderungen, die die Heimat uns stellt, nicht gerecht werden kann. Eine solche Beschränkung des Heimatgedankens führt vom Lebendigen ab: Die Gemeinschaft muss im Blickfeld bleiben, jene Gemeinschaft, die die Objektivation ihres Gemeingeistes, die Heimat, erst verbürgt, diese Objektivation immer neu mit Leben füllen muss. Ohne sie würde das Bauernhaus, heute der Lebensbereich froher, tätiger Menschen, morgen zum bloßen Nutzobjekt, übermorgen zum Museumsstück werden.

 

Die menschliche Gemeinschaft hat in unserem Land in den letzten Jahren jedoch tiefgehende Strukturänderungen erfahren. Nur zwei dieser Veränderungen mögen erweisen, dass die heute allenthalben noch so rückschauende Heimatbetrachtung vom Leben bereits weit überholt worden ist. Die Wandlungen der Gesellschaft unter dem Einfluss der Industriealisierung in ihrem Gefolge die Verstädterung und die Herausbildung der Arbeiterschaft, und zum zweiten die große Erschütterung unseres Volkes und vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, das Schicksal der Millionen auf dem Wege der Vertreibung und Flucht.

 

Die erste Tatsache hat zur klaren Konsequenz, dass Heimat nicht mehr mit dem Griffel Ludwig Richters allein geschildert werden kann. Heimat wächst, muss wachsen auch im Schatten der Schlote unserer Industriestädte, im gleißenden Neonlicht der Reklame, im Riesenhäusermeer. Diese Heimat macht das Verstehen dem Einzelnen nicht so leicht wie ehedem das Kirchlein im Dorf, vor dem sonntags die Frauen in Tracht sich versammelten, der Zaun am Gartenrand, an dem man mit dem Nachbarn ein gutes Wort im Dialekt sprechen konnte, der Wald und die Flur, die Jahr für Jahr Abbilder des eigenen Lebens waren. Zwar bedeuten sie, sind sie immer noch vielen Millionen Heimat. Millionen aber müssen ihre Heimat vor anderen stummen Zeugen des Geistes der Gemeinschaft bauen. Sie müssen Heimat haben, weil sie eine Gemeinschaft um sich haben müssen.

 

Die Zeit hat dem Antlitz der Gemeinschaft „Deutsches Volk" noch andere leidvolle Züge aufgeprägt. Jeder dritte oder vierte Einwohner unseres Landes ist nicht hier geboren, ist in einem anderen geistigen Klima aufgewachsen, ihm hat eine andere Heimat zur Selbstentfaltung verholfen. Diese Heimat umfängt ihn nicht mehr. Aufgabe einer neuen Heimat muss es sein, ihn wiederum zu umfangen. Aufgabe dieser neuen Heimat bleibt es weiter, in den Spiegel der Zeit zu schauen und des Wandels in ihren Zügen innezuwerden, zu spüren, dass der Anhauch neuen Geistes sie traf, der weit ist, als Bereicherung des eigenen Gemeingeistes aufgenommen zu werden.

 

So verstanden wird Heimat das bleiben, was sie hier und überall im Menschenland ist und sein soll — das sichtbare Gefäß eines lebendigen, menschlichen Geistes.

 

Seite 2   Katastrophale Lage in Oder-Neiße-Gebieten. Gomulka stellte Versagen der polnischen Behörden fest — 2,5 Millionen Hektar Brachland.

Während die polnischen Agenturen — insbesondere das „Westinstitut" in Posen — das Ausland mit Nachrichten über die angeblichen „Erfolge der Aktivierung der wiedererrungenen Westgebiete" überschütten, hat sich nun der Erste Sekretär der „Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei", Wladyslaw Gomulka, entschlossen, die auszugsweise Veröffentlichung einer Rede zu genehmigen, die er im Juni des Vorjahres über die katastrophale Lage in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neiße gehalten hat. Auch jetzt noch wurde bei weitem nicht alles bekanntgegeben, was Gomulka seinerzeit bei seiner „Informationsreise" durch die Oder-Neiße-Gebiete feststellte. Das, was bisher veröffentlicht worden ist, entspricht voll inhaltlich dem, was die inzwischen verbotenen Zeitschriften „Po prostu", „Przemiany", „Ziemia i Morze" oder die anderen polnischen Blätter bruchstückweise verlautbarten, bis vom Juli ab die Zensur immer schärfer durchgriff, um die Wahrheit zu unterbinden. Im Einzelnen hat Gomulka folgendes erklärt:

 

1.     In den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten gab es nach dem Stande vom Juni 1957 rund 2,5 Millionen Hektar „Brachland und Unland". Dies war genau die Zahl, welche das Blatt des Warschauer Landwirtschaftsministeriums „Zycie gospodarcze" im Januar und Februar dieses Jahres bekanntgegeben hatte, woraufhin die polnischen Experten, die zu dieser Feststellung gelangt waren, das Ergebnis ihrer Ermittlungen „dementieren" mussten.

2.     Über die allgemeine Lage im Gebiet zwischen Ostpreußen und Oberschlesien führt Gomulka aus, dass sich nach elf Jahren polnischer Verwaltung einst hochentwickelter Gebiete ein „gigantisches Versagen" aller beteiligten Instanzen herausgestellt habe. Alles, was man dort unternommen habe, sei höchstens „ein schändliches Flickwerk" gewesen, das man „oft genug ohne Sinn und Zweck" durchgeführt habe. Gomulka rügte es, dass sich die polnischen Verwaltungsbehörden durch Berufung auf den „Stalinismus" bzw. auf „die Fehler der Vergangenheit" von der Verantwortung zu entlasten suchten.

3.     Der polnische Parteichef gab des Weiteren zu, dass eine umfassende Abwanderungsbewegung aus den Oder-Neiße-Gebieten eingesetzt hatte. Er betonte hierzu: „Wer also wollte es den Menschen verübeln, wenn sie ihre Sachen packen und fortgehen, weil sie sehen, dass es einfach nicht vorwärtsgeht. Was vorne aufgebaut wird, sinkt hinten rasch wieder zusammen“.

4.     Besonders im Hinblick auf die katastrophale Lage der Landwirtschaft hob Gomulka hervor, dass Polen auf Getreideeinfuhr angewiesen ist. „Wir haben für viele Millionen Dollar zusätzlich Getreide einführen müssen, und dies wird auch für absehbare Zeit weiterhin der Fall sein müssen, da sich die landwirtschaftliche Produktion nur langsam bessert", führte er hierzu aus.

 

In unterrichteten Kreisen Warschaus wurde erklärt, man habe auch jetzt noch umfassende Kürzungen am ursprünglichen Text der nun veröffentlichten Rede vorgenommen, um zu verhindern, dass den „westdeutschen Revisionisten weiteres Agitationsmaterial für die Kampagne gegen die Volksrepublik Polen und ihre Westgebiete geboten wird". Aus diesem Grunde wolle man „das Ausmaß des Chaos" nicht bekannt werden lassen.

 

Seite 2   Herder-Gedenkstätte in Mohrungen.

Polnische Kulturschaffende sind mit dem seltsamen Plan herausgerückt, in Mohrungen eine Herder-Gedenkstätte einzurichten. Man muss sich nun fragen, ob die Polen etwa auch dem in Mohrungen geborenen deutschen Philosophen und Dichter Herder eine „polnische Abstammung" anhängen und seinen Namen etwa auch verballhornen wollen!? Bei den bisherigen Beratungen wurde jedenfalls mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass es sich bei Herder um einen Deutschen handelt.

 

Seite 2   Abwanderungsbewegung polnischer Neusiedler hält an. Aufschlussreicher Bericht des polnischen Innenministeriums.

Nach Berichten aus dem polnischen Innenministerium dauert die „Abwanderungsbewegung" der polnischen Neusiedler aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten nicht nur an, sondern hat geradezu — wie ausdrücklich von polnischer Seite festgestellt wurde — einen „katastrophalen Umfang" angenommen. Nach dem polnischen Bericht haben allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 1957 — wie es wörtlich heißt — „mehr als 10 000 Familien das Territorium der polnischen Westgebiete verlassen", und zwar handelt es sich um Personen, die nicht unter die Aktion Familienzusammenführung fallen. Daraus geht hervor, dass über 40 000 polnische und ukrainische Siedler — einschließlich der neu angesetzten Repatriierten aus der Sowjetunion — im ersten Halbjahr 1957 die Oder-Neiße-Gebiete verlassen haben, um nach Polen zurückzuwandern.

 

Gleichzeitig wurde bekannt, dass der „Ansiedlungsplan" für das gesamte Oder-Neiße-Gebiet, nach dem in diesem Jahre insgesamt rund 60 000 Personen in den polnisch verwalteten deutschen Ostprovinzen angesiedelt werden sollten, bei weitem nicht erfüllt worden ist, indem nur 30 000 Personen — einschließlich der Repatriierten aus der Sowjetunion — in den Oder-Neiße-Gebieten wohnhaft wurden. Da das „Ansiedlungsprogramm" für dieses Jahr praktisch beendet wurde, ist kaum mit weiterem Zuzug zu rechnen. Die Tatsache, dass der „Ansiedlungsplan" für die Oder-Neiße-Gebiete nur zu höchstens 50 v. H. erfüllt worden ist, wird durch Zahlenangaben über die Zuwanderung in die „Woiwodschaften" Stettin und Breslau illustriert. In der „Woiwodschaft" Stettin sollten in diesem Jahre etwa 3000 Familien ansässig gemacht werden, tatsächlich kamen hier bisher nur 1400 Familien an. In der „Woiwodschaft" Breslau sollten sich in diesem Jahre 25 000 Personen niederlassen, während nach einem Bericht der polnischen Agentur „PAP" hier nur 13 000 Personen anlangten, wobei noch nicht einmal geklärt ist, ob es sich nicht zum Teil um Personen handelt, die aus anderen „Woiwodschaften" der Oder-Neiße-Gebiete zuzogen.

 

Seite 2   Polnische Bauern lehnen Erwerb deutschen Eigentums ab.

Nicht nur in den Gebieten unmittelbar ostwärts der Oder-Neiße-Linie, sondern auch auf dem Territorium der einstigen Freien Stadt Danzig lehnen polnische Bauern oftmals den Erwerb von Grundbesitz ab, sobald sie erfahren, dass es sich um deutsches Eigentum handelt. Dies geht aus einer Leserzuschrift aus dem Kreise Dirschau hervor, die von der Warschauer Zeitung „Gromada — Rolnik polski" veröffentlicht wurde. Hier heißt es u. a. wörtlich:

 

„Mein alter und kranker Nachbar hat 12 Hektar gutes Land und einigermaßen gut erhaltene Wirtschaftsgebäude. Er hat alles abgezahlt, möchte aber jetzt ein kleineres Häuschen vielleicht mit einem Hektar Land beziehen. Es kommen auch Leute aus der Gegend von Bialystok und Lublin hergefahren und möchten das Anwesen kaufen; denn der Boden sei sehr gut, sagen sie. Aber — er ist ehemaliger deutscher Besitz, aus der Landreform. Sie kaufen also nicht; denn sie sagen, die Bodenreform wäre nicht gültig, sie stamme aus der Zeit Volkspolens. Ich selbst habe auch 12 Hektar gutes Land, nur die Gebäude sind erneuerungsbedürftig. Ich wollte gern bauen. Wenn ich aber solche Dinge höre, lasse ich die Hände sinken, und die Arbeit geht nicht voran. Und so lebt man dahin, von einem Tag zum anderen ..."

 

Seite 2   Die Pommern für Toleranz.

Kassel. Die in der Bundesrepublik lebenden Pommern legen Wert darauf, mit dem polnischen Volk wieder einen guten Kontakt herzustellen. Darüber berichtete der Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft, Dr. Eggert, in einer Pressekonferenz in Kassel. Der Chefredakteur der „Pommerscnhen Zeitung", Rudolf Oettinger, betonte, dass das nächste Bundestreffen zu Pfingsten in Kassel „ganz im Zeichen der toleranten Haltung gegenüber Polen" stehen solle. Zu dem Treffen werden 60 000 bis 80 000 Pommern erwartet.

Von den 1,5 Millionen Pommern leben heute etwa 900 000 im Bundesgebiet. Die meisten haben im Ruhrgebiet und in Schleswig-Holstein neue Heimat gefunden.

 

Seite 2   Schwarzmarkt-Razzien in Allenstein.

In der unter polnischer Verwaltung stehenden „Wojewodschafts-Hauptstadt" Allenstein haben kürzlich mehrere Razzien der volkspolnischen „Bürgermiliz" gegen „illegale Verkäufe und Spekulation" stattgefunden. Es wurden 80 Personen vorübergehend verhaftet und zahlreiche „Spekulationswaren" beschlagnahmt. Als Zentrum des Schwarzmarktes in Allenstein werden der Marktplatz und die Markthalle angegeben. Die Tätigkeit der „Spekulanten" habe sich, wie die volkspolnische Presse berichtet, in letzter Zeit „erheblich vergrößert", was auf den Mangel an Konsumgütern zurückzuführen sei, der immer spürbarer werde. Ein Großteil der auf dem Schwarzmarkt angebotenen Waren stamme aus veruntreuten staatlichen Beständen sowie aus westlichen Geschenkpaketen. Es wurden weitere Razzien der „Bürgermiliz" in Allenstein und anderen Städten der Allensteiner „Wojewodschaft" angekündigt.

 

Seite 2   Oberländer verspricht mehr Geld für den Lastenausgleich.

Bundesvertriebenenminister Oberländer betonte auf der Jahresdelegiertentagung des Zentralverbandes der Fliegergeschädigten in Stuttgart, er werde sich dafür einsetzen, dass jährlich eine Milliarde mehr für den Lastenausgleich bewilligt werde. Die achte Novelle zum Lastenausgleichsgesetz betrachte er nicht als Schlussstein, denn es seien noch weitere Verbesserungen im Gesetz nötig.

 

Seite 2   Pressespiegel.

... stört das Gleichgewicht

„Mr. Kennan überlässt die Ausarbeitung des künftigen Statutes eines wiedervereinigten Deutschlands der Sorgfalt und dem Geschick von Kommissionen. Aber das genaue Statut über eine Wiedervereinigung ist ja an sich Kernpunkt des Problems. Wenn hier Zugeständnisse nach der einen oder anderen Seite gemacht werden, dann sind sie sowohl vom Westen wie vom Osten nur annehmbar, wenn darin garantiert wird, dass das wiedervereinigte Deutschland weder für die Sowjetunion noch für die Westmächte eine Bedrohung darstellt. Es liegt aber auf der Hand, dass dann, wenn man ein so großes und so mächtiges Land wie das wiedervereinigte Deutschland politisch einem labilen Zustand überläßt, dass dann ein solcher Staat eine neue Quelle zur Störung des Gleichgewichts werden kann". THE TIMES, London

 

Neutralität Gebot der Stunde?

„Ohne wenigstens einige Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung oder der deutschen Wiedervereinigung würde jedoch, vom europäischen Standpunkt aus gesehen, eine Verringerung der amerikanischen Stärke eine Einladung zum Unglück bedeuten. Vor dem Erscheinen des Sputnik wurde über die Möglichkeit einer teilweisen Rückführung amerikanischer und bolschewistischer Truppen gesprochen. Aber all dies ist unter den augenblicklichen Verhältnissen vorbei. Aber was wird, wenn in der nächsten Zukunft die Amerikaner die interkontinentale Rakete auf sämtlichen Stützpunkten haben und wenn Moskau auf der anderen Seite die Möglichkeit eines direkten Angriffes auf Washington hat, ohne hierfür die europäischen Verhältnisse dadurch komplizieren zu müssen? Wird dann Neutralität das Gebot der Stunde für Europa sein?" NEW YORK HERALD TRIBUNE

 

Jeder Augenblick recht

„Für Erkundungen aber, für vorbereitende Fühlungnahme, für Gespräche über den Eisernen Vorhang hinweg, ist jeder Augenblick recht, Sie dürfen — und darin ist dem amerikanischen Prediger in der Wüste nur beizustimmen — überhaupt nie unterlassen werden. Oder wie Kennan sagt: „Wenn wir nicht aufhören, den Kreml gegen eine geschlossene Tür zu stoßen, werden wir nie erfahren, ob er bereit wäre, durch eine offene Tür zu gehen“. DIE ZEIT, Hamburg

 

Freie Wahlen

„Sputnik hat gezeigt, dass die Sowjets stark genug sind, politische Forderungen, wie etwa die nach freien Wahlen in ganz Deutschland, aus dem Abrüstungsgespräch herauszuhalten. Beide Weltmächte wollen vor einem atomaren Überraschungsangriff sicher sein; darum wird es zweiseitige Verhandlungen geben, sobald die Hysterie in Amerika sich etwas beruhigt hat. Die Bundesrepublik, die keine machtpolitischen Interessen außerhalb der deutschen Grenzen zu vertreten hat, könnte aus jedem Erfolg solch eines Zweier-Dialogs profitieren, wenn sie darauf verzichten wollte, ihn zu stören. Voraussetzung wäre allerdings die Zwillings-Erkenntnis, dass der Abzug der Sowjets aus der DDR und aus Polen nicht durch militärischen Druck auch nicht durch Wettrüsten zu erreichen ist und dass jeder Abzug sowjetischer Truppen und Basen mit einem Abzug von NATO-Truppen und -Basen erkauft werden muss. — Freie Wahlen in ganz Deutschland sind ein Endziel; wenn wir jedes Abkommen sabotieren, das keine Abrede über freie Wahlen enthält, stehen wir uns selbst im Wege und ersparen Ost und West die Beschäftigung mit der deutschen Frage überhaupt. Dass Russland für absehbare Zeit über freie Wahlen nicht verhandeln will, leider muss man sagen: nicht mehr verhandeln wird, darf als sicher gelten. Dagegen hat Chruschtschow Verhandlungen über beiderseitigen Truppenabzug aus Mitteleuropa in unverbindlichen Fernsehgesprächen angeboten“. DER SPIEGEL, Hamburg

 

Ja, hätten wir ...

„Wenn der Sprecher der Bundesregierung heute gegen diese Vorschläge der Opposition nichts einzuwenden hat, wo die Stunde verpasst ist, so erinnert das etwas an die Behauptungen des Kanzlers, dass man mit Kurt Schumacher hätte reden und mit Malenkow hätte verhandeln können; denn beide seien vernünftig gewesen. Nur wurde leider nicht mit beiden gesprochen, und die Zeit verstrich ungenutzt. Vielleicht hören wir morgen, dass man mit Nehru und Tito, mit Chruschtschow und Gomulka hätte sprechen können. Heute aber hören wir nur, dass man Geduld üben und Gelassenheit bewahren müsse, und das, wie gesagt, dicht am Rande des Abgrunds. Und heute hören wir, dass es unrealistisch sei, etwas anderes zu versuchen, als uns in das atomare Wettrüsten zu stürzen und das ohnehin vorhandene Remis zu steigern, dass die Zeit für Gespräche noch nicht gekommen sei und dass man eine harte Sprache sprechen müsse, weil der Russe eine andere nicht verstünde. – Das alles wäre recht deprimierend, wenn die Zeit nicht weitergehen und auch über solche Dinge hinwegsehen und auf recht beeindruckende Art Wandel schaffen würde“. DIE WELT, Hamburg

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Auf Zypern ist es nach Monaten der Ruhe wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen britischen Truppen und Demonstranten der griechisch-sprachigen Bevölkerung gekommen. Zur gleichen Zeit wurde von den Vereinten Nationen in New York das Zypern-Problem behandelt. In dem Konflikt, in den England, Griechenland und die Türkei verwickelt sind, verlangt Griechenland von England die Aufhebung der bisherigen Kontrolle über Zypern und die Gewährung der Selbstbestimmung für die Bevölkerung der Insel, während die Türkei, die die Interessen der türkischen Minderheit vertritt, sich gegen jede Schwächung des britischen Einflusses wendet.

 

Das Brandenburger Tor feierte Richtfest.

Die Bauarbeiten an dem durch Kriegsschäden schwer mitgenommenen Wahrzeichen der Reichshauptstadt wurden vom Ostberliner Magistrat übernommen. Die Krönung des Brandenburger Tores, die Quadriga, wird in Westberlin auf Kosten des Senats neu geschaffen. Mit der Fertigstellung wird im Sommer dieses Jahres gerechnet.

 

„Wir Heidelberger Professoren" heißt es in einem Telegramm an Bundeskanzler Adenauer, das Prof. Dr. Alfred Weber und zehn andere Heidelberger Universitätsprofessoren unterzeichneten, „unterstützen vorbehaltlos die Stellungnahme der 18 deutschen Atomwissenschaftler gegen die Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik“.

 

In der Nähe von Dresden ist der erste Atomreaktor für Mitteldeutschland in Betrieb genommen worden. Er wurde nach sowjetischen Plänen und mit in der Sowjetunion hergestellten Einzelteilen aufgebaut. Er verfügt über eine Tagesleistung von 2000 Kilowatt.

 

Im Versuchsgelände von Kap Canaveral gelang der erste erfolgreiche Start einer amerikanischen ballistischen Rakete, nachdem zwei Versuchsstarts im Juni und September des Vorjahres misslungen waren. Es handelt sich um eine Rakete vom Typ „Atlas", eine Flüssigkeitsstufenrakete, die eine maximale Reichweite von 8500 Kilometern erzielen soll.

 

In Berlin wurde in den letzten Monaten eine Steigerung der Durchschnittswerte der Radioaktivität beobachtet, die nach Ansicht der Berliner Atomkommission möglicherweise auf die Versuche mit Atom- und Wasserstoffbomben zurückzuführen ist. Westberlin verfügt zur Zeit zum Schutz der Bevölkerung über 22 Messstellen, die ständig die Radioaktivität der Luft, des Wassers und des Bodens überwachen.

 

In seiner Weihnachtsbotschaft appellierte Papst Pius XII. an die Staatsoberhäupter, den Krieg durch geeignete internationale Einrichtungen zu verhindern und das Wettrüsten unter wirksamer Überwachung einzuschränken. Er sagte wörtlich: „Der Frieden ist ein wertvolles, so fruchtbares, so wünschenswertes und so sehr ersehntes Gut, dass alle Anstrengungen zu seiner Verteidigung, selbst unter dem gegenseitigen Opfer der legitimen Bestrebungen des einen oder anderen jeder Mühe wert sind“.

 

Parteisekretär Chruschtschow erklärte in einem Interview mit dem Londoner Blatt „Daily Expreß" zur Weltlage. „Ich war immer ein Optimist. Heute bin ich ein größerer Optimist als je zuvor. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich die Friedensaussichten bessern“. Zur Deutschlandfrage erklärte Chruschtschow: „Wenn bei dieser Frage — wie es einige Führer des Westens tun — nur die Interessen Westdeutschlands berücksichtigt werden und in keiner Weise auch an die Ostdeutschlands gedacht wird, dann kann auf dieser Grundlage kein Übereinkommen erreicht werden“. Er vertrat in seinen weiteren Ausführungen zu diesem Problem seinen bisherigen Standpunkt, dass die Deutschen selbst über eine friedliche Wiedervereinigung ihres Vaterlandes verhandeln sollten und empfahl als Ausgangsbasis die Bildung einer gesamtdeutschen Konföderation.

 

Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte in seinem Vorwort zum Tätigkeitsbericht der Bundesregierung, dass man allen Grund habe, vor allem nach der Pariser NATO-Konferenz, „zuversichtlich in die Zukunft zu schauen". Und er führte abschließend aus, dass letztlich die Freiheit stärker sein werde als die Sklaverei, und dass man in dieser sicheren Erwartung dem Tag der Wiedervereinigung entgegensehen dürfe.

 

Bischof Dibelius, der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, bezeichnete in seiner Weihnachts-Rundfunkansprache Vertrauen, Wahrhaftigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit als die Voraussetzungen zum Frieden. Miteinander zu sprechen sei immer besser, als sich so gegeneinander abzuschließen, dass das gegenseitige Misstrauen immer größer werde. Das Misstrauen unter den Völkern aber sei die tiefste Ursache der Unfähigkeit, Frieden zu schließen. Es gelte darum, wieder ein Klima des Vertrauens herzustellen.

 

Der Flüchtlingsstrom aus Mitteldeutschland riss auch im Jahre 1957 nicht ab. Rund 263000 Menschen sind in die Bundesrepublik geflohen. Hinzukommen etwa 116 000 Spätaussiedler aus den Oder-Neiße-Gebieten, so dass also im zurückliegenden Jahr fast 400 000 Menschen in der Bundesrepublik eine neue Heimat suchten. Im Grenzdurchgangslager Friedland ist 1957 zum ersten Mal wieder seit 1949 die Hunderttausendgrenze überschritten worden, insgesamt wurden hier 103105 Männer, Frauen und Kinder registriert,

 

Indiens Ministerpräsident Nehru unterstützte auf einer Pressekonferenz in Neu Delhi den Plan des polnischen Außenministers Rapacki für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa. Nach dem Rapacki-Plan sollen dieser Zone neben Polen und der Tschechoslowakei auch die beiden deutschen Teilstaaten angehören. Nehru kam bei dieser Gelegenheit auch auf das Ergebnis der Pariser NATO-Konferenz zu sprechen, die in einer völlig unerwarteten Richtung verlaufen sei, indem viele Konferenzteilnehmer die Ausrüstung mit Atomraketen abgelehnt und stattdessen den Wunsch nach neuen Ost-West-Gesprächen geäußert hätten. Nehru unterstützte diese Forderung nach einer Konferenz der Regierungschefs von Ost und West.

 

Seite 3   Foto: Hafen von Pillau mit Leuchtturm. Foto: Fischer

 

Seite 3   Pillau – rote Seefestung Ostpreußens. Stützpunkt der russischen Ostseeflotte – Gut verwaltete Heimatstadt.

Das militärische Denken der Sowjets in unserer ostpreußischen Heimat bringt für die Städte dort nicht nur Nachteile. In einigen Fällen hat die Einstellung der russischen Streitkräfte auch viel zur Erhaltung einer Stadt getan, während andere in den Zustand vor der Kolonisation zurückfallen. Zu den bevorzugten Städten des nördlichen Ostpreußens, die durch die Sowjetarmee und ihre Bedürfnisse vor der weiteren Vernichtung bewahrt wurden, gehört die Seestadt Pillau an der Mündung des Königsberger Seekanals in die Danziger Bucht.

 

Das Oberkommando der sowjetischen Kriegsmarine interessierte sich schon bald für Pillau und seine unvergleichliche Lage an der Durchfahrt der Frischen Nehrung. Gegen Kriegsende — in den Apriltagen des Jahres 1945 — waren zwar erhebliche Zerstörungen an den militärischen Stützpunkten entstanden, aber die Führung der baltischen Sowjetflotte war entschlossen, Pillau wie von der Jahrhundertwende bis zum letzten Krieg wieder zu einer modernen Seefestung auszubauen. Die Russen wussten 1945 genau Bescheid, welche deutschen militärischen Anlagen hier bestanden hatten, geplant waren oder welche Möglichkeiten vorhanden waren. Sie sahen es als folgerichtig an, nun ebenfalls die Stadt zu einem Stützpunkt auszubauen. Man beschlagnahmte sogar in Berlin und Mitteldeutschland Unterlagen der deutschen Kriegsmarine über Pillau, die bei der Wiederinstandsetzung eine nicht geringe Rolle spielten.

 

Als die Trümmerräumung in Pillau begann, bemühte sich die südbaltische Flotte mit Erfolg in Moskau darum, der Stadt einen Sonderstatus zu geben. Im Kreml wurde beschlossen: 1. den Wiederaufbau aller militärisch wichtigen Anlagen mit Vorrang zu betreiben, 2. dazu deutsche Kriegsgefangene in der ersten Phase einzusetzen und auch russische Soldaten und Zivilarbeiter heranzuziehen, 3. die Ansiedlung von Zivilisten fast völlig einzuschränken und, 4. Pillau im Laufe der Zeit zum Stützpunkt der südbaltischen Flotte zu machen.

 

Diese Forderungen in den ersten Nachkriegsjahren zu erfüllen, war nicht leicht. Der Aufbau zum zweitwichtigsten Flottenhafen an der sowjetischen kontrollierten Ostseeküste — der wichtigste war Kronstadt, bzw. Leningrad — rief natürlich die sowjetische Sicherheitspolizei sofort auf den Plan, die Pillau hermetisch von der Außenwelt absperrte. Drei Jahre nach Kriegsende befanden sich keine deutschen Einwohner mehr in der Stadt — zu diesem Zeitpunkt waren die letzten ausgewiesen worden. In Pillau lebten zu jener Zeit viele russische dem Militär unterstellte Arbeitskräfte und einige deutsche Kriegsgefangene. Letztere wurden aber auch bald abgezogen, weil nun der Ausbau als Flottenbasis begann und sich die Russen von niemand in die Karten sehen lassen wollten.

 

Von 1949 ab gibt es in Pillau nur noch sowjetische Einwohner — die weitaus meisten davon waren und sind jedoch Angehörige der Marine und anderer Truppenteile. Trotzdem leben heute mehr Menschen in Pillau und seiner unmittelbaren Umgebung als zu unserer Zeit! Wenn wir das Jahr 1939 zum Vergleich nehmen, ergibt sich etwa folgendes: die Gesamtzahl der seinerzeit in Pillau befindlichen deutschen Einwohner und Matrosen wird heute von der Gesamtzahl russischer Soldaten und Einwohner um 15 bis 20 Prozent übertroffen! Schon daraus ergibt sich, welche Bedeutung die Sowjets heute dieser Stadt beimessen.

 

Der Sonderstatus von Pillau hatte einerseits die Absperrung von der Umwelt und das Entstehen einer Soldatenstadt zur Folge. Andererseits hatte dies wiederum auch sein Gutes. Die Hauptverwaltung in Königsberg wurde nämlich direkt aus Moskau angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass in Pillau die sonst in Ostpreußen und Innenrussland üblichen Versorgungsschwierigkeiten beseitigt werden. Das war eine Vergünstigung, die nur wenige Städte in Osteuropa genießen! Sie bedeutet nämlich: regelmäßige ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Industrie- und Haushaltswaren sowie Materialien zum Aufbau aller Art.

 

Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Am meisten profitieren davon die in den letzten Jahren in Pillau ansässig gewordenen Zivilisten. Sie leben ohne die sonst überall anzufindenden Beschränkungen und Verknappungen. Den russischen Hausfrauen in Pillau wird es erspart, nach diesen oder jenen Gütern des täglichen Bedarfs „anstehen" zu müssen. In Pillau ist der seltene Fall eingetreten, dass einige hundert russische Zivilfamilien und mehr als 10 000 Soldaten und Offiziere (letztere oft mit Familien) keine Not zu leiden haben und das ausreichend bekommen, was die UdSSR zu bieten hat. Das Marinekommando der südbaltischen Flotte in Pillau wacht eifersüchtig darüber, dass dieses Privileg nicht verlorengeht.

 

Durch diesen positiven Ausnahmezustand haben die Sowjets erreicht, dass die Soldaten und Bürger in Pillau bei Laune sind, gerne arbeiten und vor allem jeden Fremden misstrauisch betrachten. Nachdem die Zahl der Geheimpolizisten verkleinert wurde, hat die Bevölkerung teilweise von sich aus Kontrollfunktionen übernommen. Sie weiß ganz genau, dass die günstigen Lebensumstände nur erhalten bleiben, wenn keine Unbefugten in der Stadt ansässig werden und wenn als Gegenleistung für die gewährten Vergünstigungen die Arbeit einigermaßen zufriedenstellend ausgeführt wird.

 

Und es gibt viel Arbeit heute in Pillau! Technische Bautrupps der Streitkräfte arbeiten mit Zivilarbeitern immer weiter am Ausbau des Kriegshafens von Pillau. Dieser Hafen soll eine sichere Ausgangsbasis der immer größer werdenden südbaltischen Flotte werden! Für die Marine ist in Pillau nichts zu teuer. Da hat man alle früheren Anlegestellen für große Kriegsschiffe am Kolk wieder aufgebaut — und vor zwei Jahren sogar neue errichtet! Selbst die schwersten Kreuzer der russischen Ostseeflotte mit fast 20 000 T. liegen heute an den Marinekais. Zu jeder Zeit befindet sich eine Kreuzerflotte von vier bis fünf Einheiten in Pillau! Ihr Operationsgebiet umfasst die gesamte Ostsee, die Nordsee und Teile des Atlantik. Laufend werden Manöver und andere Übungen abgehalten. Zu diesen Kreuzern kommt eine überaus starke Zerstörerflotte sowie Rudel der verschiedensten Kleinkampfschiffe. Ob es sich nun dabei um Schnell-, Minensuch-, Torpedo- oder Vorpostenboote handelt — von allen diesen Schiffen sind eine oder mehrere Flottillen in Pillau vorhanden.

 

Gegenwärtig arbeitet man an einer Erweiterung des Innenhafens, der für eine große Zahl von torpedobestückten Kriegsschiffen ausgebaut wird. Ferner wird an dem Versorgungshafen gearbeitet, der noch eine größere Anzahl von Hilfsschiffen aller Art als bisher aufnehmen soll. Moskau gibt durch alle diese Maßnahmen zu erkennen, dass es mit Pillau noch große Pläne vorhat und hier mit der Zeit eine so bedeutende Flottenbasis wie in Kronstadt schaffen will. Das bedeutet gegenüber der Vorkriegszeit zumindest eine Verdoppelung aller damals vorhandenen Anlagen der deutschen Kriegsmarine.

 

Die militärischen Planer sind zu der Überzeugung gekommen, dass dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn mit der Zeit die Zivilbevölkerung Pillaus langsam anwächst. Allerdings will man nur solche Menschen in die Stadt lassen, die direkt oder indirekt dem Stützpunkt dienen können. So erlaubt man in letzter Zeit immer öfters, dass Offiziere und Unterführer aus Russland ihre Familien nach Pillau nachkommen lassen. Söhne und Töchter dieser Familien arbeiten entweder in den Büros der Marine, der Zollverwaltung oder in den Baubetrieben und Fabriken.

 

Andererseits gestattete man auch die Ansiedlung von einer Reihe Fachleute aus dem Baugewerbe. Sie arbeiten nicht nur an militärischen Objekten, sondern auch am Wiederaufbau der Stadt. Vor allem in dem stark zerstörten Hafenviertel entstehen neue Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude der Kriegsmarine. Schon vor längerer Zeit wurde auch das abgebrannte Pillauer Rathaus wieder hergerichtet. Aber auch kleinere Neubauten wie Wohnhäuser entstehen, was sonst ebenfalls in Nord-Ostpreußen nicht üblich ist. Der Pillauer Stadt-Sowjet hat erkennen lassen, dass er gewillt ist, Pillau in seinen früheren Grundzügen wieder aufzubauen und intakt gebliebene Siedlungen wie in Pilau II oder in Kamstigall zu vergrößern. Diese Pläne haben höchste Befürworter, so dass der Wiederaufbau seltsamerweise einmal nicht unter fehlenden Baumaterialien leidet. Pillau bekommt immer die Dinge wie Zement, Ziegel und Träger, die es für die vielen Bauvorhaben benötigt.

 

Auch in finanzieller Beziehung wird viel getan, um in Pillau eine günstige Atmosphäre zu schaffen. Die Zivilarbeiter erhalten hohe Löhne, die noch durch Prämien aufgebessert werden. Hier sind die Verdienstmöglichkeiten unter anderem viel besser als in Königsberg! Arbeiter, die am Königsberger Seekanal, an der Kamstigaller Spitze oder im Vorhafen beschäftigt sind, bekommen um 40 Prozent höhere Löhne als dieselben Arbeiter im Königsberger Hafen.

 

Hoch bezahlt werden auch die Arbeiter auf der Pillauer Werft und in den kleineren Schiffs-Reparaturbetrieben. Hier wird mit Hochdruck gearbeitet, um die Anlagen zu vergrößern. Wichtig sind ebenfalls die überall in den Gewässern eingesetzten Bagger, die neben der Freihaltung der Fahrtstraßen auch das Anlegen neuer Hafenbecken bzw. die Vergrößerung Bestehender ausführen. Den Sowjets liegt sehr viel daran, diese militärisch wichtigen Projekte sachgemäß durchführen zu lassen.

 

Für sonst in Nord-Ostpreußen anzutreffende Verhältnisse ist Pillau eine saubere Stadt. Scharfe, erst in letzter Zeit erlassene Bestimmungen stellen Verunreinigungen aller Art unter Strafe. Darunter fallen auch schadhafte Häuser, deren nicht vorgenommene Reparatur ebenfalls zu Bestrafungen führt. Die Russen bemühen sich, Pillau zu einer Stadt der Ordnung zu machen. Das kann man sogar in der Plantage nördlich des Bahnhofs feststellen. Obwohl hier ein großer Belustigungsplatz eingerichtet worden ist, geht es gesittet zu. Einzig und allein die Trunksucht hat man noch nicht ausrotten können — das aber gehört zu den uralten russischen Erbübeln.

 

Große Bedeutung haben für Pillau heute die auf Land befindlichen Ausbildungslager der Marine und die hier ebenfalls bestehende Infanterie-Garnison. Wo früher schon derartige deutsche Siedlungen bestanden, sind sie beträchtlich erweitert worden. Auch der Exerzierplatz zwischen der Eisenbahnlinie und dem Fischhausener Werk besteht noch. Infanteristisch werden die Matrosen in Neutief und Neuhäuser ausgebildet. Am Schwalbenberg und an der Schanze bei der Jubiläumshöhe (auch im ehemaligen dortigen Naturschutzgebiet) gibt es Rekrutenlager.

 

Pillau, das heute „Baltijsk" genannt wird, hat aber auch einige früher charakteristische Züge verloren. So ist die Stadt heute selbstverständlich kein Badeort mehr. Auch die Funktion des Seedienstes Ostpreußen wird nicht mehr ausgeübt. Sehr verringert haben sich die Betriebe zur Fischverwertung. Es gibt heute keine Fischkonservenfabrik mehr. Auch die Pillauer Fischerei ist zugunsten der Kriegsmarine eingestellt worden. Fischereizentrum ist heute Peyse, das der Kamstigaller Spitze gegenüberliegt. Dort ist eine große Fischkutterflotte beheimatet, und dort arbeiten auch mehrere Fischfabriken. Peyse hat sich einwohnermäßig und was die Fischerei betrifft ganz gewaltig verändert und vergrößert. Auch dort sind viele Neubauten entstanden.

 

Diese Hinweise auf Peyse unterstreichen noch einmal, dass Pillau von den Sowjets ganz unter militärischen Aspekten gesehen wird. Das kommt auch durch den Verkehr zum Ausdruck. Von Pillau kommt man nur noch mit wenigen Zügen und Schiffen nach Königsberg und Pillau. Außerdem wird dieser Verkehr noch durch scharfe Kontrollen sehr eingeengt. Per Schiff kann man nur in Ausnahmefällen von Pillau nach Königsberg kommen, da es keinen Personenverkehr mehr wie früher gibt. Obwohl dafür genügend Schiffe vorhanden wären und obwohl der Seekanal wieder ausgebaggert ist, haben die Sowjets kein Interesse an dieser Normalisierung. Der Seekanal hat für sie nur die Bedeutung eines Verkehrsweges für den Handel und für den militärischen Nachschub des Pillauer Kriegshafens. Die Ausbaggerung auf eine Tiefe von acht Metern (wie früher) des Seekanals hat daher heute keine Bedeutung für den Personenverkehr.

 

Abschließend können wir sagen, dass Pillau — wenn man andere nordostpreußische Städte bedenkt — noch glimpflich unter sowjetischer Verwaltung davongekommen ist. Hier wurde wenigstens der Verfall des vom Kriege Versehrten verhindert, und hier erfolgt sogar ein Wiederaufbau. Uns kann es heute gleichgültig sein, dass die Russen Pillau nur unter militärischen Aspekten verwalten. Wenn wir in unsere Heimat zurückkehren, so ist nur wichtig, ob eine Stadt völlig heruntergewirtschaftet und abgebrochen oder ob sie erhalten ist. Und das können wir glücklicherweise von Pillau sagen, in dem wir eines Tages besser unsere Arbeit fortsetzen können als in anderen Städten.

 

Seite 3   Unsere Heimat heute.

Mohrungen

Der Wiederaufbau des Mohrungen Rathauses ist jetzt auch im Innern völlig beendet worden. Nachdem im Kriege im Rathaus Brände gewütet hatten, wurden von den Polen verschiedentlich Wiederaufbau-Maßnahmen durchgeführt. Ihren Abschluss bildeten jetzt die Renovierungen von Treppen, Treppenhäusern und zwei Etagen. Der finanzielle Aufwand für diese Arbeiten war recht erheblich. Die Mittel kamen aus verschiedenen Quellen, u. a. stellte auch die polnische Kunst-Kommission einen beträchtlichen Betrag zur Verfügung.

 

Christburg

Die Anzahl der Häuser konnte in Christburg im Jahre 1957 etwas vergrößert werden. Standen gegen Ende 1956 in dieser Stadt nur noch 42 Gebäude, so sind es jetzt genau 50. Die neuen Gebäude entstanden durch Reparatur mehrerer leicht beschädigter Häuser und durch zwei Neubauten. In einer weiteren Aufbauphase zu späterer Zeit will man nun mit der Umbauung des Marktes beginnen, dessen Häuser fast alle verschwunden sind. Zuerst soll die Ostseite des Marktplatzes wieder aufgebaut werden, weil dort noch einige Gebäude stehen.

 

Krossen

Die bekannte Krossener Wallfahrtskirche hat aus einer kirchlichen Stiftung die Mittel erhalten, um neues Gestühl anzuschaffen. Das Gotteshaus ist vorher schon von den Polen von den Kriegsschäden befreit worden. Allerdings musste jetzt ein Teil des Daches neu gedeckt werden, weil bei den Dacharbeiten vor vier Jahren schlechtes Material verwendet worden ist. Der seinerzeit ebenfalls ausgebesserte Turm ist dagegen noch in gutem Zustand.

 

Gilgenburg, Kreis Osterode

Techniker aus Allenstein sind zeitweilig nach Gilgenburg dienstverpflichtet worden, um dort die Wasserverhältnisse in Ordnung zu bringen. Wie es von polnischer Seite heißt, hat Gilgenburg seit einigen Monaten schlechtes Wasser, was zu Erkrankungen geführt hat. Nun sollen Brunnen und Leitungen kontrolliert werden. Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit polnischen Plänen. Gilgenburg im Jahre 1958 erstmalig auf die Liste der Fremdenverkehrsorte in Süd-Ostpreußen zu setzen. Mit Lodzer Textilfabriken ist ein Vertrag geschlossen worden, Arbeitergruppen nach Gilgenburg zur Erholung zu verschicken.

 

Weeskenhof am Drausensee

Auf einer Landwirtschaftsversammlung in Weeskenhof wurde den polnischen Siedlern mitgeteilt, sie müssten 1958 wieder mit einem Ansteigen des Wasserspiegels auf den Fluren rechnen. Als Begründung wurde mitgeteilt, es werde unmöglich sein, die vielen Pumpstationen mit Kohlen zu heizen. Vielmehr sei das Verfeuern von Holz vorgesehen, was bekanntermaßen zu einer geringeren Leistung der Stationen und Werke führen werde. Man rechnet schon zum Frühjahr mit solchen Überschwemmungen, wodurch auch die Straßen unpassierbar würden.

 

Landsberg/Stablack

Eine Baufirma hat vor kurzem damit begonnen, die Reste der Kirche von Groß-Peisten bei Landsberg abzutragen. Kurz nach Beginn der Arbeit erfolgte ein Einspruch der Kirchenbehörde, die vortrug, das Gotteshaus solle in einigen Jahren wieder aufgebaut werden. Anscheinend konnten dadurch wenigstens die Außenmauern der Kirche gerettet werden, da die Abbruchaktion gestoppt wurde. Das Gotteshaus ist vor 335 Jahren im Stil des Spätbarocks gebaut worden.

 

Wormditt

Die verspätet in Ostpreußen eingetroffene Grippewelle hat in Wormditt solche Ausmaße angenommen, dass schwer Erkrankte keinen Platz mehr im Krankenhaus finden. Da auswärtige Krankenhäuser ebenfalls überfüllt sind, sollen nun in einer Schule und einem Behördenhaus provisorische Krankenstuben eingerichtet werden. Dort will man auch alleinstehende Kranke unterbringen, die sonst keine Pflege haben. Medikamente sind nur unzureichend vorhanden Die Behandlung erschöpft sich meist im Verabreichen von heißem Tee.

 

Seite 3   378 Dorfgemeinden sollen ausgelöscht werden.

In Polen und den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten sollen mit Wirkung vom 1. Januar insgesamt 378 Dorfgemeinden in der Liste der Gemeinden gelöscht und die noch bewohnten Gehöfte anderen Gemeinden zugeschlagen werden. Außerdem sollen durch Zusammenfassung kaum besiedelter Gemeinden, die als solche aufgelöst werden, insgesamt 35 „neue" Gemeinden gebildet werden. Dies schlug die „Kommission für Angelegenheiten der Präsidien der Volksräte" dem polnischen Ministerrat vor. Nach Lage der Dinge dürfte die weitaus überwiegende Mehrzahl der aufzulösenden Gemeinden sich in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten vornehmlich im südlichen Ostpreußen, in Pommern und in Ostbrandenburg befinden, wo die Bevölkerungsdichte auf dem Lande außerordentlich gering ist. Bereits endgültig befunden hat der polnische Ministerrat über die Auflösung von 266 Dorfgemeinden, in deren Bereich 21 „neue" Gemeinden gebildet werden. Die Sitzung, in der diese „Änderung der Verwaltungsgrenzen" beschlossen wurde, fand unter dem Vorsitz des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Landwirtschaftsminister Zenon Nowak statt.

 

Seite 3   Der Stand der Bevölkerung im Stadt- und Landkreis Elbing.

Die polnisch verwaltete Stadt Elbing zählt gegenwärtig nach volkspolnischen Angaben

66 000 Einwohner, gegenüber rund 86 000 im Jahre 1939. Die Einwohnerzahl pro Quadratkilometer sank somit im Stadtkreis Elbing von 2802 auf 2126. Der Landkreis Elbing wurde unter polnischer Verwaltung flächenmäßig von 483 Quadratkilometer auf 796 qkm erweitert.

 

Während auf den 483 qkm vor dem Kriege 28 150 Einwohner gezählt wurden, leben unter polnischer Verwaltung in dem um über 50 Prozent im Vergleich zum Stande von 1939 erweiterten Landkreises Elbing jetzt nur 22 000 Einwohner. Die volkspolnischen Verwaltungsbehörden in Elbing erklärten sich während der letzten Sitzung des „Stadt-Nationalrates" außerstande, „die Lage des Bevölkerungsstandes" im Stadt- und Landkreis Elbing „positiv zu verändern".

 

Seite 3   Deutscher Sprachunterricht im Elsaß

Der Generalrat (Landtag) des Departements Haut-Rhin (Südliches Elsaß) forderte in einer Entschließung eine Verstärkung des deutschen Sprachunterrichts für elsässische Kinder. Das gegenwärtige Schulsystem werde von einer erdrückenden Mehrheit der Familien als unbefriedigend empfunden. Der Generalrat forderte eine sofortige Wiederherstellung der Vorkriegsregelung, unter der die elsässischen Kinder und Jugendlichen eine umfassende Ausbildung in der deutschen Sprache erhielten.

 

Seite 4   Neues Siedlungsgesetz wird vorbereitet

Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird zurzeit ein Allgemeines Siedlungsgesetz vorbereitet, das dem Bundestag so rechtzeitig zugeleitet werden soll, dass sein Inkrafttreten am 1. April 1958 gewährleistet ist. Das Gesetz wird voraussichtlich neben der Neuregelung des Reichssiedlungsgesetzes auch Fragen der Agrarstrukturverbesserung, die Eingliederung der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge sowie vor allem der Finanzierung sämtlicher Maßnahmen der Siedlung und Agrarstrukturverbesserung zu umfassen haben. Seine Ausarbeitung geschieht im Auftrage des Gesetzgebers, der bei der Verabschiedung der zweiten Novelle zum Bundesvertriebenengesetz eine grundsätzliche Regelung in einem allgemeinen Siedlungsgesetz bis zum 1. April 1958 in einer Entschließung gefordert hat. In dieser Resolution des Bundestages war auf die Schwierigkeiten bei der Befriedigung der Siedlungsbedürfnisse von Vertriebenen und Flüchtlingen hingewiesen worden, die auf der Knappheit des verfügbaren landwirtschaftlich nutzbaren Bodens beruhen.

 

Seite 4   Land für 31 600 Siedler.

Mit der Errichtung von insgesamt 31617 Siedlerstellen liegt Niedersachsen in der Siedlung an der Spitze im Bundesgebiet. Nach Mitteilung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sind seit Inkrafttreten des Flüchtlingssiedlungsgesetzes im Jahre 1949 insgesamt 167 956 Hektar Land für die Siedlung in Niedersachsen bereitgestellt worden. Den Hauptanteil unter den Siedlern stellten Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Ihnen wurden bisher rund 26 500 Stellen übergeben. Bund und Land unterstützten die Siedlung in Niedersachsen mit insgesamt 713 Millionen DM.

 

Seite 4   Kriegsopferverbände wollen dynamische Renten. Vorschläge zur Verbesserung - Höchstrente nach der Rentenversicherung.

Auf dem Wege zu einer Sozialreform soll jetzt auch die Versorgung der Kriegsopfer neu geregelt werden. Die Reformvorschläge der großen Kriegsopferverbände, des „Verbandes der Kriegsbeschädigten“ und des „Reichsbundes“, haben höhere Renten und eine Vereinfachung des ganzen Versorgungssystems zum Ziel. Die Höchstrenten des erwerbsunfähigen Schwerbeschädigten – ohne Zulagen – sollen der allgemeinen Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung entsprechen, also z. Z. 375 DM monatlich betragen. Außerdem soll die Kriegsopferversorgung entsprechend der Rentenversicherung entsprechend der Rentenversicherung automatisch an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden.

 

Der Vorschlag des „Verbandes der Kriegsbeschädigten" würde etwa 5,3 Milliarden DM jährlich, der noch weitergehende des Reichsbundes sogar über 8 Milliarden DM kosten. Die Aufwendungen des Bundes für die rund 3,8 Millionen Kriegsopfer belaufen sich gegenwärtig auf etwa 4 Milliarden DM.

 

Nach den jetzt gemachten Vorschlägen soll die Ausgleichsrente, die dann gewährt wird, wenn durch die Grundrente und die sonstigen Einkünfte ein gewisser Richtsatz nicht erreicht wird, in Zukunft, fortfallen. Dafür sollen die Grundrenten, die jeder Versorgungsberechtigte erhält, erhöht und bereits bei einer um 20 Prozent verminderten Erwerbsfähigkeit (z. Z. erst bei 30 Prozent) gewährt werden. Je nach dem Grad der Erwerbsminderung sollen sie zwischen 30 DM (20 Prozent Erwerbsminderung) und 210 DM (Erwerbsunfähigkeit) liegen. Gegenwärtig liegen diese Renten zwischen 30 und 140 DM monatlich. Schwerbeschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 bis 100 Prozent sollen eine Zulage erhalten. Sie soll mindestens 40 DM betragen.

 

Schwerbeschädigte mit einer Erwerbsminderung von 50 und mehr Prozent sollen außerdem eine Ergänzungsrente erhalten, sofern ihre Lebenshaltung nicht anderweitig sichergestellt ist. Im Höchstfalle soll sie 125 DM monatlich betragen. Ein unverheirateter erwerbsunfähiger Schwerbeschädigter würde also 210 DM Grundrente zuzüglich 40 DM Schwerbeschädigtenzulage und 125 DM Ergänzungsrente, also insgesamt 375 DM monatlich, erhalten. Die Witwenrenten sollen 60 Prozent der Grundrente des verheirateten erwerbsunfähigen Beschädigten betragen und die Waisenrenten für Halbwaisen 50 DM und für Vollwaisen 75 DM.

 

Seite 4   Neue Bemessungsgrundlage.

In den Neuregelungsgesetzen für die Arbeiterrenten- und Angestelltenversicherung ist zwingend vorgeschrieben, dass die Bundesregierung alljährlich die allgemeine Bemessungsgrundlage für die Rentenberechnung durch Rechtsverordnung neu festzusetzen hat. Sie wird nach den durchschnittlichen Jahresarbeitsentgelten aller versicherten Arbeiter und Angestellten aus drei vorhergehenden Jahren ermittelt. Im Jahre 1957 war die allgemeine jährliche Bemessungsgrundlage auf 4281 DM festgesetzt worden. Sie ist für alle bis zum 31. Dezember 1957 eintretenden Versicherungsfälle anzuwenden, auch wenn die Rente etwa erst im Jahre 1958 rückwirkend auf das Jahr 1957 endgültig festgesetzt werden sollte.

 

Dagegen ist für alle Rentenansprüche, die im Jahre 1958 entstehen, eine neue Bemessungsgrundlage maßgebend, die zwar zurzeit noch nicht verkündet ist, die aber einigermaßen zutreffend vorausberechnet werden kann, weil die dafür notwendige Bezugsgröße (das durchschnittliche Bruttoeinkommen des Jahres 1956 — bekannt ist. Es kann deshalb damit gerechnet werden, dass die Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 etwa um 6 Prozent auf 4542 DM erhöht werden wird.

 

Die neue Bemessungsgrundlage wirkt sich nicht automatisch auf die bereits laufenden Renten aus. Eine solche Anpassung hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich selbst vorbehalten, dem die Bundesregierung erstmalig bis zum 30 September 1958 dafür entsprechende Vorschläge unterbreiten muss.

 

Seite 4   Kommen Aktien für den Lastenausgleich? Neue Pläne zur Vorfinanzierung — „Endlich ein positiver Weg“.

Zur Beschleunigung des Lastenausgleichs im Wege der Vorfinanzierung werden in Bonn gegenwärtig vier Projekte geprüft. Als aussichtsreich gilt dabei die vorzeitige Ablösung der Vermögensabgabeschuld des öffentlichen Vermögens und der Verpflichtungen großer Werke. Dieser Plan wird im Bundesschatzministerium erwogen, wobei man auch denkt, für die Schuld, Aktien auszugeben.

 

Der sozialdemokratische Wirtschaftsexperte Dr. Heinrich Deist hat den Plan zur Vorfinanzierung des Lastenausgleichs durch Aktien begrüßt und als „endlich einmal ein positiver Weg zur Abwicklung des Lastenausgleichs" bezeichnet. Der Plan stammt von dem Vorstandsmitglied der Lastenausgleichsbank Dr. Ziemer. Dr Deist hält es für wahrscheinlich, dass sich der Bundestag mit dem Vorschlag befassen und ihn die SPD-Fraktion unterstützen werde.

 

Im einzelnen sieht Dr. Ziemers Plan vor, dass Aktiengesellschaften ihre Abgabeschuld nicht nur in bar, sondern auch in Aktien ablösen können. Diese Aktien sollen von der Lastenausgleichsbank in einen Sonderfonds genommen und nicht bevorrechtigten Geschädigten ein Anspruch auf diese Zertifikate gegeben werden, wenn sie mit einer zwei- bis dreijährigen Verkaufssperre einverstanden seien. Dadurch könne sichergestellt werden, dass nicht bevorrechtigte Geschädigte in absehbarer Zeit wenigstens Teilbeträge auf ihren Anspruch erhielten.

 

Seite 4   Hausratshilfe 1. und 2. Rate.

Bis zum 30.09.1957 wurden 7 378 888 Anträge auf Hausratentschädigung eingereicht, die folgende Erledigung gefunden haben:

 

Auf 5 021 742 Anträge oder 68,1 v. H. wurde die 1. und 2. Rate der Hausratshilfe bewilligt, auf 654 382 Anträge oder 8,9 v. H. wurde zunächst nur die 1. Rate der Hausratshilfe bewilligt, 956 583 Anträge oder 13,0 v. H. wurden abgelehnt, 746 181 Anträge oder 10,0 v. H. sind unerledigt. Die bewilligten (auszuzahlenden) Beträge für die 1. Rate haben die Höhe von 2151,3 Mill. DM erreicht. Von diesem Betrag entfallen 1222,5 Mill. DM oder 56,8 v. H. auf Vertriebene, 918,4 Mill. DM oder 42,7 v. H. auf Kriegssachgeschädigte, der Rest auf die Ostgeschädigten. Auf einen mit der 1. Rate bewilligten Antrag entfielen durchschnittlich rd. 379,-- DM.

 

Die bewilligten (auszuzahlenden) Beträge für die 2. Rate belaufen sich auf insgesamt 2101,9 Mill. DM mit einem Durchschnittsbetrag von rd. 419,-- DM je Fall. Diese verteilen sich zu 55,5 v. H. auf Vertriebene und 44,0 v. H. auf Kriegssachgeschädigte. Der Rest von 0,5 v. H. entfällt auf die Ostgeschädigten.

 

Insgesamt wurden also bis zum 30.09.1957 an Hausrathilfe für die 1. und 2. Rate 4253,2 Mill. DM bewilligt. Zusammen mit dem nach dem Soforthilfegesetz für Hausrathilfe bewilligten Betrage von 559,5 Mill. DM ist die Gesamthöhe der Bewilligungen für dem 8. ÄndG. LAG auf annähernd 4,2 Milliarden DM zu schätzen.

 

Der weitere Finanzbedarf für Hausratentschädigung ab 01.10.1957 ist unter Berücksichtigung der Leistungsverbesserungen nach dem 8. ÄndG. LAG auf annähernd 4,2 Milliarden DM zu schätzen.

 

Seite 4   Förderschulinternate in Nordrhein-Westfalen. Auch Umschulung von polnischen Gymnasien auf deutsche höhere Schulen.

Insgesamt 51 Förderschulinternate sind Nordrhein-Westfalen für Kinder und Jugendliche aus den ostdeutschen Gebieten eingerichtet worden. In diesen Internaten wird den Schülerinnen und Schülern, die eine nur mangelhafte Schulausbildung hinter sich haben die Abschlussreife deutscher Volksschulen vermittelt. An einigen Internaten laufen auch Lehrgänge, welche den Teilnehmern die Umschulung von den bisher besuchten polnischen Gymnasien auf deutsche höhere Schulen ermöglichen sollen. Bei der Einrichtung der Internate wirkten beide Kirchen, die Arbeiterwohlfahrt und die Landesregierung zusammen, welche im vergangenen Jahr mehr als 824 000 DM beisteuerte.

 

Seite 4   Ebenfalls Förderschule in Bornholder.

Bornholder eingerichtete Förderschule für Spätaussiedlerkinder und -jugendliche begann am 9. Dezember mit dem Unterrichtsbetrieb. 53 Schüler im Alter von 14 - 24 Jahren, die aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten stammen, nehmen an dem Unterricht teil, der vor allem auf die Vervollkommnung der deutschen Sprachkenntnisse abzielt. Auf dem Lehrplan stehen außerdem Geschichte, Religion und Turnen. Die Schüler möchten möglichst bald in das achte und Ostern 1958 in das neunte Schuljahr der Bornholderer Volksschule übertreten, um später mit dem Abschlusszeugnis, einer normalen deutschen Schule einen Beruf ergreifen zu können. Die Teilnehmer sind internatsmäßig in Jungmänner-Wohnheimen des CVJM in Bornholder untergebracht. Die Kosten trägt das Land Rheinland-Pfalz. Mit der staatlichen Anerkennung der Schule wird in Kürze gerechnet.

 

Seite 4   Wanda Berg-Papendick. Rossija. Im Strom von Geschichte und Kultur des russischen Volkes.

304 Seiten und 24 Kunstdrucktafeln, 1 Karte, Leinen mit Schutzumschlag, 16,80 DM.

Inhalt:

Erster Teil: Russland unter der Herrschaft der Rjurikiden (862 - 1598)

Voraussetzungen. Anfänge des Reiches. Rjurik. Russland unter der Vorherrschaft Kijevs: Oleg. Igorj. Svatoslav. Vladimir d. Hellige. Jaroslav d. Weise. Vladimir Monomach. Das in Teilfürstentümer zerfallene Reich unter der Vorherrschaft des Vladimir-Suzdaljschen Großfürstentums: Jurij Dolgorukij. Einfall der Tataren. Alexander Nevskij. Die Vorherrschaft des Moskauer Großfürstentums: Ivan I. Kalita. Dmitrij Donskoi. Ivan III. Vasilij III., Ivan IV., der Schreckliche. Feodor Ivanovitsch, der letzte Rjurikide. Car Boris Godunov. Die Zeit der Wirren.

 

Zweiter Teil: Russland unter der Dynastie der Romanows (1613 - 1917)

Michael Feodorovitsch. Alexei Michailovitsch. Zusammenstoß von Ost und West. Der Raskol und seine Folgern. Publizisten der Zeit. Feodor Alexejevitsch Peter der Große. Unruhen, Reformen, Kriege, Erhebung Russlands zur nordischen Großmacht. Die Frauenherrschaft: Katharina I. Anna Ivanovna. Jelizaveta Petrovna. Katharina II., die Große. Außen- und Innenpolitik. Literatur. Der Ausklang des 18. Jahrhunderts: Kaiser Paul I Sektierer. Heidnische Überreste im Dorf. Alexander I. Der vaterländische Krieg und seine Folgen. Beginnende Blüte der russischen Literatur. Vom Dekabristenaufstand bis zum Krimkrieg: Nikolai I Innerpolitische Zustände und Maßnahmen. Journalistik. Geistige Strömungen Theater, Musik, Malerei. Die Petraschevcen. Der Krimkrieg. Die Zeit der großen Reformen: Alexander II. Aufhebung der Leibeigenschaft und ihre Auswirkungen, Liberale und Nihilisten. Musik, Malerei. Untergrundbewegung. Die Zeit der Reaktion: Alexander III. Drosselung des Geisteslebens. Russifizierung der „Fremdstämmigen". Narodniki. Terroristen. Literatur. Theater. Musik. Der Zusammenbruch des Zarenreiches: Nikolai II. Der Krieg mit Japan und seine Folgen. Die neunziger Jahre. Musik. Malerei. Literatur. Theater. Der Symbolismus und seine Vertreter. Der Erste Weltkrieg und seine Auswirkungen.

 

Dritter Teil: Russland unter den Sowjets.

Die Provisorische Regierung. Die Zeit Lenins. Der Kampf der proletarischen Literatur um ihre Hegemonie. Schule. Kirche. Theater. Die Zeit Stalins. Fünfjahrespläne. Agrarrevolutionen. Kirche. Schulwesen. Kulturpolitik. Musik.

Verlag des Instituts für Geosoziologie und Politik. Bad Godesberg/Rh., Römerstraße 11 Postschließfach 183

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte

Nummer 1 Januar 1958.

 

Foto: Frohe Fahrt ins Neue Jahr! Ein lachendes kleines Mädchen auf dem Schlitten.

 

Seite 5   Wir basteln einen Zeitungsständer. Mit Abbildung.

Ist es nicht immer so: grade wenn man sie braucht, ist sie weg: die Zeitung. Und dann wird gesucht und gewühlt, und jeder in der Familie war der Meinung: sie müsste einen bestimmten Platz haben! Aber wo?

Und das ist doch eigentlich ganz einfach: bauen wir einen Zeitungsständer! Mit ein paar Fächern, in dem alles noch Lesenswerte, die Tageszeitung, das Modejournal der Mutter, Euer „Pfeil" natürlich nicht zu vergessen, seinen besonderen Platz hat.

Passt auf, es macht den Laubsägebastlern unter Euch einen Mordsspaß. Nach den Übersichten mit Maßangaben in Zentimetern sind die einzelnen Teile des Ständers in natürlicher Größe auf etwa 1 cm starkes Holz aufzuzeichnen und auszusägen. Und zwar brauchen wir zwei Außenwände, eine Mittelwand, zwei Seitenteile und einen Boden. Nachdem alle Ränder mit Glaspapier geglättet sind, werden die Längsränder des Bodens mit einer Feile etwas abgeschrägt. Dann leimt man den Boden zwischen die Außenwände, leimt die Seitenteile beiderseits dagegen, so dass die Außenwände 1 cm innerhalb der schrägen Seitenteilränder parallel mit diesen verlaufen. Zuletzt wird die Mittelwand, die den Zeitungsständer in zwei gleichgroße Fächer teilt, hineingeleimt. Zur besseren Haltbarkeit kann man die Teile auch noch mit kleinen Stiften zusammennageln. Der fertige Ständer wird entweder gebeizt oder mit Ölfarbe gestrichen und lackiert.

Und die noch nie eine Laubsäge in der Hand hatten, für die wäre es ein erstes lohnendes Probestück. Nur immer beherzt ans Zeug! Ich halte Euch den Daumen.

 

Seite 5   Meine Erinnerungen an Königsberg. Wettbewerb der Patenstadt für junge Königsberger.

Immer bemüht, die Verbundenheit mit den heimatvertriebenen Königsbergern zu pflegen und die Erinnerung an Königsberg wachzuhalten, ruft die Patenstadt Duisburg die jungen Königsberger auf, in einem Wettbewerb Aufsätze über Königsberg zu schreiben und einzusenden.

Teilnahmeberechtigt sind junge Königsberger der Geburtsjahrgänge 1931 bis 1945. Sie selbst oder ihre Eltern müssen in Königsberg (Pr.) gewohnt haben.

Aufsatzthemen: Geburtsjahrgänge 1942 bis 1945: „Wir sprechen in der Schule über Königsberg"; Geburtsjahrgänge 1936 bis 1941: „Wir sprechen zu Hause über unsere Vaterstadt Königsberg"; Geburtsjahrgänge 1931 bis 1935: „Meine Erinnerungen an Königsberg“.

Im Kopf des Aufsatzes ist das Thema und das Datum anzugeben. Auf einem besonderen Blatt sind mitzuteilen:

1. Name des Einsenders, Geburtsdatum, Geburtsort, jetzige Anschrift, gegebenenfalls Schule und Klasse oder Beruf.

2. Name der Eltern, jetzige Anschrift, ehemalige Königsberger Anschrift.

Einsendeschluss: 20. Februar 1958. Es gilt das Datum des Poststempels.

Der Aufsatz ist zu senden: An die Stadt Duisburg — Wettbewerb für junge Königsberger.

Die besten Arbeiten in jeder der drei Gruppen werden ausgezeichnet mit

1 Preis zu 150 DM und einem Buch,

2 Preisen zu je 75 DM und einem Buch,

2 Preisen zu je 25 DM und einem Buch,

5 Buchpreisen.

Bei besonders guten Ergebnissen können der Wert und die Zahl der Preise erhöht werden.

Über die Preisverteilung entscheidet unter Ausschluss des Rechtsweges ein Ausschuss, dem folgende Königsberger Persönlichkeiten angehören:

Herr Hellmuth Bieske, Konsul a. D., Vorsitzender der Stadtvertretung Königsberg in der Landsmannschaft Ostpreußen, Hamburg;

Frau Dr. Braun, Realschuldirektorin der Agnes-Miegel-Realschule Duisburg;

Herr Erich Grimoni, Realschuldirektor, Kulturreferent der Landsmannschaft Ostpreußen, Düsseldorf;

Herr Karl Herbert Kühn, Schriftsteller, Stadtoldendorf;

Herr Wilhelm Matull, Regierungsdirektor, Leiter der Staatsbürgerlichen Bildungsstelle des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf.

Die Aufsätze gehen in das Eigentum der Stadt Duisburg über. Die Stadt hat das Recht, sie zu veröffentlichen.

Wer an dem Wettbewerb teilnimmt, ist mit den Bedingungen einverstanden. Der Oberstadtdirektor.

 

Seite 5   Des Menschen Weg.

Kein Weltgeist, kein Dämon regiert die Welt: was je Gutes oder Böses über die Menschen gekommen ist, haben die Menschen gemacht. Gott hat ihnen den freien Willen und die Vernunft gegeben und ihr Schicksal in ihre Hände gelegt Dies ist unser Rang, dies ist unsere Größe, daher müssen wir Vernunft und freien Willen, die uns nur als Keime gegeben sind, ausbilden; es gibt keinen anderen Weg zum Glück der Menschheil. Adalbert Stifter

 

Ob mit dem Lorbeer oder dem Diadem geschmückt, immer werde ich meine Ruhe nur in meinem eigenen Herzen suchen.

 

Unser Leben eilt schnell dahin von unserer Geburts- bis zu unserer Todesstunde. Des Menschen Bestimmung ist es, während dieser kurzen Zeit für das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten, der er angehört. Menschen und Menschenarbeit ist der Reichtum eines Staates.

 

Man muss die Menschen ermutigen, anstatt sie abzuschrecken. Friedrich der Große.

 

Seite 6   Deutsche in aller Welt. George Washingtons deutsche Generale.

(VDA) Selbst in dem heutigen Nordamerika ist es bekannt, dass der deutsche Einwanderer seit mehr als 250 Jahren eine wesentliche wirtschaftliche und kulturelle Rolle bei der Erschließung. Dass diese Leistung hier und da auch offiziell anerkannt wird, freut uns, aber im allgemeinen, vor allem auch im amerikanischen Schulunterricht, wird wenig von ihr gesprochen, wohl hauptsächlich deshalb, weil der deutsche Auswanderer nach USA selbst bemüht ist, sich so schnell wie möglich der neuen Heimat anzupassen und sich im Gegensatz etwa zu Iren, Polen, Italienern und anderen europäischen Einwanderern nur selten auf diese Leistung beruft. Deutsche Namen spielen in der nordamerikanischen Geschichte seit altersher, bis heute eine große Rolle, allerdings meist in amerikanischer Schreibweise, um nur ein Beispiel zu nennen — Eisenhower!

 

Trotz allen Heldenmutes wäre George Washington als Obergeneral der nordamerikanischen Freischaren der britischen Übermacht und militärisch-disziplinären Überlegenheit der englischen Generale nicht Herr geworden, wenn Friedrich Wilhelm von Steuben den Freischaren nicht das preußische Regiment beigebracht hätte. Steuben war Generalstabsoffizier Friedrichs des Großen und ging, da er in der Heimat für den auf Halbsold gesetzten Offizier nichts mehr zu tun war, als Freiwilliger nach Nordamerika, erwarb sich durch seine großen Kenntnisse sehr schnell das Vertrauen Washingtons und machte aus Freischärlern, die zwar hervorragende Schützen waren, disziplinierte Soldaten und verstand es, den Amerikanern klar zu machen, dass eine Armee auch eine bis ins kleinste klappende Verwaltung haben müsse. Er ist der Schöpfer des amerikanischen Dienstreglements und der Gründer von West-Point, der Wiege amerikanischen Berufssoldatentums. Die von General von Steuben geleitete Belagerung der Festung Yorktown, in der sich die britische Armee eine starke Bastion geschaffen hatte, endete mit der Kapitulation. Mit der Gefangennahme der britischen Truppen war der Weg frei für Verhandlungen, die mit der offiziellen Anerkennung der 13 Provinzen als „Vereinigte Staaten von Amerika" zum Siege der Freischärler führte.

 

Steuben war vor allem der weitplanende Organisator, der aus der nordamerikanischen Geschichte nicht wegzudenken ist. Neben ihm aber gab es noch eine ganze Reihe anderer deutscher Männer in Nordamerika, die militärisch in dem Befreiungskrieg eine wesentliche Rolle spielten. Vor allem ist da der pfälzische Kolonistensohn Nikolas Herchheimer zu nennen, der die Miliz des Mohawktals, hauptsächlich deutsche Siedler, organisierte und eine aus Kanada vormarschierende britische Armee, die von Indianern verstärkt wurde, bei Oriskany im Sommer 1777 vernichtend schlug. Bei dieser Schlacht wurde er selbst schwer verletzt und starb wenige Tage nachher. Ein hoher Obelisk auf dem Schlachtfeld von Oriskany kündet die Heldentaten der Pfälzer Freischärler des Mohawktales.

 

Pastor Peter Mühlenberg organisierte in Woodstock in Virginien ein Regiment, das er bald auf eine vier Regimenter zählende Brigade Freiwilliger vergrößern konnte, als deren General er an vielen Schlachten ruhmvoll teilnahm. Er war ein persönlicher Freund Washingtons. Das Bronzedenkmal General Mühlenbergs steht vor dem Stadthaus in Philadelphia. Mühlenberg spielte nach dem Freiheitskrieg noch Jahrzehnte hindurch eine große politische Rolle im Staate Pennsylvanien.

 

Der Franke Generalmajor Johann von Kalb, der es in der königlich französischen Armee zum Oberstleutnant gebracht hatte, ging zusammen mit Lafayette als Freiwilliger nach Amerika und kämpfte an verschiedenen Kriegsschauplätzen mit großer Bravour, so dass ihn der Kongress bald zum Brigadegeneral und nachher zum Generalmajor beförderte. In der für die Amerikaner unglücklichen Schlacht bei Camden in Südkarolina erlitt Johann von Kalb am 19.08.1780 den Heldentod. Der Kongress setzte ihm in den Anlagen der Militärakademie zu Annapolis ein schönes Denkmal.

 

Unter den vielen deutschen Heldennamen des amerikanischen Befreiungskrieges stehen diese vier deutschen Generale Washingtons an erster Stelle.

 

Seite 6   Charles Morgan.

Es wäre Tollkühnheit, wenn man in einem Pulvermagazin ein Streichholz anzündete, um das Buch der Weisheit lesen zu können.

 

Seite 6   Interessantes aus der alten Heimat.

Die erste Käsefabrik Nordostpreußens.

Im Jahre 1842 wurde in Heydekrug (Memelland) die erste Käsefabrik Nordostpreußens in Betrieb genommen. Erst viel später übernahmen die Molkereien, die übrigens oft von Schweizern geleitet wurden, die Herstellung des weltberühmten Tilsiter Käses. Bis zum ersten Weltkrieg war es noch gang und gäbe, dass auch die Bauern ihren „Tilsiter" selbst herstellten und auf den Märkten damit handelten.

 

Seite 6   Spät konfirmiert

1718 wurde durch den damaligen Soldatenkönig in Ostpreußen die Konfirmation eingeführt. Zum Konfirmandenunterricht wurden jedoch nur junge Menschen im Mindestalter von 15 Jahren zugelassen. Der Konfirmandenunterricht dauerte übrigens mindestens zwei Jahre und wurde sehr streng durchgeführt; bei Nichterscheinen gab es Geldstrafe. Unwissende junge Leute wurden nicht angenommen, so dass nicht selten Konfirmanden im Alter von 20 bis 25 Jahren dabei waren.

 

Seite 6   Lepraheim in Ostpreußen

Vor etwa 30 Jahren befand sich in Blauberg (Süd-Afrika) ein Lepraheim, das von einer Ostpreußin geleitet wurde. — Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war übrigens, was nur wenige wissen, unweit Memel — tief verborgen im dichten Walde und von einem hohen Zaun umgeben — ebenfalls ein Lepraheim. Betreut wurden die Kranken von einer ostpreußischen Diakonissin, die sich selbstlos zur Betreuung der Kranken auf Lebenszeit verpflichtet hatte und dort schon über dreißig Jahre wirkte. Bis zuletzt ist sie von der Leprakrankheit verschont geblieben. Was aus dem Lepraheim geworden ist, weiß man nicht.

Im östlichen Lettland befand sich übrigens ein ähnliches Heim. Es wird gesagt, dass dieses Heim durch Kampfhandlungen zerstört worden und ein Teil der Insassen geflohen sein soll.

 

Seite 6   Schlecht bezahlte Schulmeister

Das Einkommen der Schullehrer in Ostpreußen war im 18. und auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts so gering, dass die Inhaber verschiedener Lehrerstellen mit königlichem Privileg eine Hökerei (Kleinverkauf von Waren) betreiben und Branntwein ausschenken durften, um auf diese Weise ihr wirklich karges Gehalt etwas aufzubessern. In manchen kinderreichen Lehrerfamilien herrschte damals bittere Not.

 

Seite 6   Spruch. Von Hans Bahrs.

Lache des Sturms!

Er ist dein Gefährte.

Recke dich kühn

Und beuge dich nicht.

Sei allen Schwachen

Stiller Beschützer

Und ihrer Schwäche

Spotte du nicht.

Habe den Himmel

In deinen Augen

In deinem Herzen

Wahre dein Land.

Bleibe der Erde,

Die dich geboren,

Immer gehorsam,

 Liebend und gut.

 

Seite 6   2 Fotos. Des einen Freud …  … des anderen Leid.

Abgebildet ist auf dem einen Foto, der einen Schneeball wirft. Auf dem zweiten Foto ist ein Junge abgebildet, der den Schneeball ins Gesicht bekommt.

 

Seite 6   „Radar“ lange bevor der Mensch daran dachte.

Schon vor etwa hundert Jahren hat man angefangen, Versuche mit Fledermäusen anzustellen. Man verband ihnen die Augen, aber sie flogen genauso gut wie vorher. Es sind ja Nachttiere, die sich sowieso in der Dunkelheit zu orientieren vermögen. Dann verklebte man ihnen die Ohren — und siehe da, jetzt waren sie auf einmal hilflos, stießen an und zogen es alsbald vor, nicht zu fliegen.

 

Nun wusste man, dass sich die Fledermäuse mit den Ohren orientieren; aber immer noch blieb es unklar, wie sie das anstellten. Der Mensch musste erst Radar- und Schallortungsgeräte erfinden, um dieses Geheimnis der schöpferischen Natur zu entschleiern. Die Fledermäuse benutzen also Radar; oder genauer ausgedrückt, die Natur hat sie mit einem handlichen und vollkommenen Verfahren der Echo-Peilung ausgerüstet, das der Mensch ebenfalls erst nacherfunden hat. Die Echo-Lotung ist uns aus der Schifffährt bekannt. Dabei werden die Schallwellen ausgestrahlt; das Echo wird aufgefangen, und die Zeit zwischen der Aussendung des Schalls und dem Eintreffen des Echos wird gemessen. Da man weiß, wie schnell sich der Schall ausbreitet, kann man auf diese Weise die Entfernung eines Berges oder beispielsweise des Meeresbodens — also die Meerestiefe — feststellen.

 

Bei der Echo-Lotung bevorzugt man nun sogenannte Ultraschallwellen. Das sind Schallwellen, die so schnell schwingen, dass das menschliche Ohr sie nicht mehr wahrnehmen kann. Es gibt tatsächlich Geräusche, die man nicht mehr hören kann.

 

Wir wollen uns das an einem kleinen Gedankenexperiment klarmachen. Stellen wir uns einen Apparat vor, der tiefe und ganz hohe Töne erzeugen kann. Wir schalten ihn ein — und hören zunächst nichts. Aber wir fühlen Schwingungen, wie feine Bodenerschütterungen. Das sind die ganz tiefen „Töne", der sogenannte Infraschall, den man nicht hören kann.

 

Wir schalten weiter, die Töne werden höher und höher und damit auch hörbar. Aus dem tiefen Brummen wird allmählich ein helleres Pfeifen, das immer höher und schriller wird — bis wir es auf einmal nicht mehr hören. Trotzdem spüren wir noch eine Art Druck im Ohr; das Geräusch ist also noch da, aber unsere Ohren können es nicht mehr wahrnehmen. Das ist Ultraschall. Mit diesem Ultraschall orientieren sich die Fledermäuse!

 

Ihr Kehlkopf ist so gebaut, dass sie damit Ultraschallwellen erzeugen können. Diesen Ultraschall-Schrei oder Pfiff stoßen sie durch den geöffneten Mund oder die Nase aus. Bei manchen Fledermausarten ist die Nase sogar zu einer Art Richtstrahler ausgebildet. Wegen der eigentümlichen Form dieser Nasen nennt man diese Fledermäuse „Hufeisennase".

 

Die Schreie oder Pfiffe sind sehr kurz; sie dauern nur eine Zweihundertstel Sekunde. In jeder Sekunde kann die Fledermaus bis zu 170 Mal „senden". Jede „Sendung" wird von Gegenständen oder Tieren im Flugweg der Fledermaus als Echo zurückgeworfen. Der Rhythmus wechselt mit der Fluggeschwindigkeit und der Entfernung des Hindernisses, so dass sich Laut und Echo nicht decken. Dadurch gewinnt die Fledermaus ein gehörtes Bild des Raumes.

 

Die eigenen Schreie hört die Fledermaus nicht, weil der Gehörgang im Ohr sich während des „Sendes" jedes Mal schließt. — Das Geheimnis des orientierten Fluges der Fledermäuse kennen wir erst seit der Erfindung von Ultraschallgeräten. Die „Radaranlage" dieser Tiere ist vollkommener als alle Vorrichtungen unserer eigenen Radartechnik.

Aus Gartmann „Vom Kompass zur Funkmesstechnik" (3,50 DM), Wilhelm-Andermann-Verlag, München.  

 

Seite 6   Denkt an die Vögel. Foto: Kinder am Futterhaus.

Wir alle wissen, dass die kleinen munteren Sänger nicht nur zu unserer Freude erschaffen wurden, sondern dass auch sie ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Im Sommer sorgen sie dafür, dass die Schädlinge in den Gärten nicht überhandnehmen; deshalb müssen wir im Winter dafür sorgen, dass sie keinen Schaden erleiden. Wir sollten also Futterplätze und Nistkästchen schaffen. Der Futterplatz muss möglichst gut gegen Nässe und — Katzen gesichert sein. Sie werden so angebracht, dass die Einflugöffnungen nach Südosten gerichtet sind. Damit wird das Eindringen von Schnee und Regen vermieden.

 

Das Winterfutter ist vielfältig. Hanf, Mohn, Leinsamen, die getrockneten Kerne von Sonnenblumen, Kürbis, Gurken, Äpfeln und Birnen sind ihnen willkommen. Auch getrocknete Beeren des Weißdorns, Holunders oder der Eberesche sind für alle Vögel geeignet. Hirse und Grieß oder zerkleinerter Reis sind ihre Mehlspeisen. Darüber hinaus hängt man ein Stückchen Hammel- oder Rindertalg am Futterplätzchen auf. Brot und Kartoffeln sind unter allen Umständen zu vermeiden, sie nehmen zu stark Feuchtigkeit an und schaden nur.

 

Seite 6   Film – so und so. Von Barbara Lind.

Neben dem Buch ist der Film zu einem der mächtigsten Bildungs- oder auch Verbildungsmittel unserer Zeit geworden. Es gibt wenig, das so viel Einfluss auf das Werden und Wachsen der jungen Menschen ausübt, wie gerade die Filmleinwand. Nirgends aber finden wir so viel Naivität und Verantwortungslosigkeit wie auf diesem Gebiet.

 

Im Film sucht der Mensch unserer Zeit sich für das zu entschädigen, was, wie er glaubt, das Leben ihm verweigert. Was verweigert es uns denn? Sind es nicht oft unwesentliche banale Dinge, vor denen uns die Wirklichkeit bewahrt? Es wird doch niemandem im Ernst einfallen zu glauben, das Leben, das uns da im Film meistens gezeigt wird, diese aus dem Nichts herausgezogenen Treibhauskonflikte, seien wirklich das Eigentliche und Erlebenswerte.

 

Leider muss der ernste Beobachter auch hier bestätigen, dass in mancher Hinsicht das Gefühl für das Wesentliche abhandengekommen oder noch nicht erwacht zu sein scheint. Wo versucht wird, Mangel an echtem Können und Ideenreichtum durch billige Caféhaus- und Wildwestpoesie auszugleichen, da entsteht Kitsch, der gerade uns jungen Menschen, die wir nach einer echten Aufgabe suchen, widerwärtig sein muss. Zum Glück haben wir eine freie Meinung und es ist uns gestattet, dem, was unseren Idealen ausweicht, was unseren Hunger nach einer gesunden und klaren Atmosphäre missachtet, aus dem Wege zu gehen. Wir können es uns nicht leisten, mit unseren sauer verdienten Groschen die Lebenshaltung einer Klasse von Menschen zu unterstützen, die von der Frische und Gesundheit unserer Jugend zehrt, die ernste Probleme verzerrt und uns die Unbefangenheit und Nüchternheit gegenüber unserer Zukunft raubt. Gewiss, es wurde in mancher Hinsicht der richtige Einsatz versucht und vieles ist gelungen. Unser Tadel trifft nicht die Verantwortungsbewussten, die danach streben, uns zu den wesentlichen Werten hinzuführen; aber viel bleibt noch zu tun. Mit dem Recht und dem Ungestüm der Jugend fordern wir, unseren Hunger nach dem Wertvollen und Echten nicht zu übersehen und unsere Sehnsucht nach Zielen, für die es sich zu leben lohnt, zu unterstützen.

 

Seite 7   Donauschwäbische Bilanz - Weg einer Volksgruppe.

Ein Bericht über die Donauschwaben hätte vor zehn Jahren wohl noch mit einer Begriffsbestimmung anfangen müssen. Heute ist das anders; es gibt zwar keine Volksgruppenpropaganda mehr, dafür aber leben große Teile der Donauschwaben mitten unter uns und bieten uns eine unmittelbare Anschauung ihrer Eigenart. Die schwarzen Kopftücher ihrer Frauen, die schwarzen Hüte und oft auf ungarische Art geschnittenen üppigen Schnurrbärte ihrer Männer sind in unseren Dörfern und Städten ein täglicher Anblick geworden, dem nichts Sensationelles mehr anhaftet. Und besonders in Baden-Württemberg findet man wohl keinen Verwaltungsbeamten mehr, dem ein Donauschwabe zu seiner Identifizierung lange Erklärungen geben müsste. Es ist kein Zufall, dass gerade dieses Bundesland die Patenschaft über die Donauschwaben übernommen hat, — über die Namensverwandtschaft mit den Württembergern hinaus bestehen bis in das 18. Jahrhundert zurückreichende Sippenverbindungen zum südwestdeutschen Raum einschließlich der Pfalz, gemeinsame Anklänge in Mundart und Brauchtum und enge Berührungspunkte in der Mentalität. Es ist darum begründet, die donauschwäbische Bilanz mit der positiven Feststellung zu beginnen, dass diese Menschen ihrer neuen Umwelt keine Fremden mehr sind. Allerdings musste dieser Posten auf der Habenseite mit einem ungeheuren Soll erkauft werden: mit dem Verlust der eigenen Volksgeschichte außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebietes.

 

Diese Geschichte war die Geschichte von Pionieren. Die Vorfahren der Donauschwaben kamen vor zwei Jahrhunderten aus den Gegenden um Rhein, Mosel und Neckar als freie Bauern des Wiener Hofes in das damals nach endlosen Türkenkriegen fast völlig verheerte Land um Donau, Theiß und Marosch. Sie begannen in einem friedfertigen „furor teutonicus" sofort, Ordnung zu schaffen und „aus Sümpfen eine neue Welt" zu heben. Einem überlieferten Worte nach hatten dabei die Ersten den Tod, die Zweiten die Not und erst die Dritten das wohlschmeckende weiße Brot Pannoniens. Sie erbauten schnurgerade, weißgetünchte Dörfer von den Ausmaßen deutscher Kreisstädte, und jedes dieser Dörfer bildete wirtschaftlich, gesellschaftlich und sprachlich eine in sich geschlossene Welt. Die Sicherheit der Donauschwaben im Umgang mit dem Ackerboden grenzte schließlich an das Bravouröse; sie wurden anerkanntermaßen die meisterhaftesten Bauern Europas. Obwohl sie weder eine Adelsschicht noch Gutsbesitzer im feudalen Sinne hervorbrachten, zeichnete sich ihre Agrikultur durch einen Zug ins Große, ja sogar schon durch eine gewisse Eleganz aus. Diese ihre Stärke — gepaart mit bienenhaftem Fleiß und fast schon geiziger Sparsamkeit — erhob sie zu technischen Lehrmeistern der übrigen Völker des Raumes, die von Natur aus gewiss nicht weniger begabt, aber weniger gut organisiert waren.

 

Ein flüchtiger Blick auf die Statistik zeigt, wie erschreckend stark gerade diese Volksgruppe von der Katastrophe von 1945 betroffen wurde. Aus den schätzungsweise 100 000 Familien, die von Maria Theresia und Joseph II. auf den heutigen Territorien Ungarns, Jugoslawiens und Rumäniens angesiedelt worden waren, hatten sich bis 1944 knapp 2 Millionen Donauschwaben entwickelt. Etwa 1 770 000 davon lebten in den geschlossenen Siedlungsgebieten im Südosten Europas, der Rest war schon vorher nach Übersee ausgewandert, hauptsächlich in die USA.

 

Und heute? Ungefähr 300 000 Donauschwaben sind überhaupt nicht mehr registrierbar; sie sind im Kriege gefallen oder nach dem Kriege in Konzentrationslagern umgekommen. Von den 650 000, die einst auf Jugoslawien entfielen, gibt es dort noch etwa 40 000; sie werden mit jedem Tage weniger, weil es sie nach Deutschland zieht. Besser sieht es in Ungarn aus, wo von den einst 600 000 Deutschen beinahe die Hälfte zurückgeblieben ist, während der Schwund der vormals 350 000 Donauschwaben in Rumänien sogar nur etwas mehr als ein Drittel beträgt. Insgesamt leben in den südöstlichen Herkunftsgebieten gegenwärtig noch an die 660 000 Donauschwaben — ungefähr ebenso viele wie in Deutschland, Österreich und Frankreich zusammengenommen. Wenn man hinzunimmt, dass der amerikanische Ableger sich in den letzten Jahren stark vermehrt hat und heute etwa 400 000 Seelen betragen dürfte, wird einem klar, dass sich die Donauschwaben aus der Gemeinschaft der übrigen vertriebenen ostdeutschen Stämme durch eine besonders starke Streuung über Kontinente hinweg herausheben. Ihre in Salzburg erscheinende Wochenzeitung „Neuland" wird in 24 Länder der Erde verschickt.

 

Besonders krass wird das donauschwäbische Schicksal von folgendem Fall beleuchtet, der auf den ersten Blick unglaubwürdig wirkt, jedoch leider kein Einzelfall ist: Der Mann lebt in Argentinien, seine Frau mit Tochter in Deutschland, die Schwester in Australien, die Großmutter in Hatzfeld im Banat, ein Onkel in Ungarn, eine Tante in Kanada, und der Rest der Verwandtschaft ist über die Baragan-Steppe am Schwarzen Meer verstreut.

 

Das ist aber nicht nur weltweites Leid, es sind auch weltweite Möglichkeiten. Denn es gehen Briefe, Berichte und Besuche hin und her, in denen sich die verschiedensten nationalen Terminologien gegenseitig abschleifen, und das ist ein wesentlicher Beitrag zur Befriedung der politischen Atmosphäre. Ein Problem bleibt dabei, wie die Donauschwaben in der Bundesrepublik ihre wirtschaftliche Sanierung mit dem Heimatgedanken in Einklang bringen sollen. Sie sind im Kleinen das, was die Deutschen heute im Großen sind: ein gespaltenes Volk.

 

Im Westen sind sie wieder zu einem gewissen Wohlstand gelangt, und es ist kein Geheimnis mehr, dass die Donauschwaben sich heute schon viel weniger mit der Frage einer möglichen Rückkehr in die Heimat beschäftigen als etwa die Schlesier oder die Sudetendeutschen. Werden sie ihr „Stammhaus" im Osten vergessen? Wenn ja,- dann würde dies bedeuten, dass sie ihre Spaltung, die von fremden Mächten eingeleitet wurde, durch einen freiwilligen Akt vollenden; sie müssten dann überall dort, wo sie leben, in ihrer Umwelt aufgehen und würden aufhören, als Donauschwaben zu bestehen. Wenn aber nein — das heißt, wenn sie sich um Erhaltung und Vertiefung ihrer Verbindungen zu den Stammesgenossen im Osten bemühen würden, müssten sie sich unablässig mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ihre Heimatgebiete im Machtbereich des Kommunismus liegen. Das würde aber bedeuten, dass sie unmittelbar angehalten wären, sich jederzeit von zwei Seiten her zu begreifen und sich unablässig darüber Gedanken zu machen, wie die Dinge zwischen Ost und West weitergehen könnten. Das wäre für sie kein schöngeistiger Europäismus, sondern politischer Zwang.

 

Um die biologische Kraft dieses jüngsten deutschen Stammes war es in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten nicht mehr besonders gut bestellt. Es ist errechnet worden, dass die Donauschwaben besonders in Jugoslawien nach ungefähr vier Generationen von der slawischen Volkskraft aufgesogen worden wären, wenn sie zugunsten ihres Wohlstandes an der Geburtenbeschränkung festgehalten hätten. Umso erstaunlicher ist allerdings, was sie in den vergangenen dreizehn Jahren selbst in der Zersplitterung noch geleistet haben. Das sei nur an drei so eindrucksvollen Beispielen wie die Trockenlegung des „Kolbenmoores" bei Rosenheim, die Wiederbelebung des praktisch ausgestorben gewesenen Dorfes La-Roque-sur Pernes in Südfrankreich und die Errichtung der Siedlung Entre Rios bei Guarapuava im brasilianischen Staate Parana vor Augen geführt. Solche Taten sind nicht selbstverständlich in einer Zeit, da es leichter erscheint, die Belegschaften für drei Fabriken auf die Beine zu stellen als einen zuverlässigen Trupp von Landarbeitern für einen einzigen größeren Bauernhof.

 

In der Bundesrepublik gehört ihre große Leidenschaft dem Häuserbauen. Sie haben im Verhältnis zu ihrer Zahl schon mehr Eigenheime errichtet als irgendeine andere Gruppe von Vertriebenen. Der unruhige Drang vieler in Jugoslawien zurückgebliebenen Donauschwaben, nach Deutschland zu ziehen, geht zu einem großen Teil auf die Kunde zurück, dass man sich hier ein Haus bauen könne. Als besondere Repräsentation dieses Bauwillens kann die donauschwäbische Siedlung St. Stephan bei Darmstadt gelten, die schon vor der Währungsreform in eindrucksvoller Selbsthilfe errichtet worden ist.

 

Es scheint, als sei diese Form der Aktivität unter den gegebenen Umständen die geeignetste, den Hang der Donauschwaben zur Individualität auszudrücken. Auf politischem Gebiet wirkt dieser Individualismus sich so aus, dass sie keine große Organisation haben; sie sind unter den Vertriebenen in der Bundesrepublik so ungefähr die kleinste Gruppe, unterhalten aber die meisten Landsmannschaften, z. B. allein die Donauschwaben aus Ungarn deren drei. Das hat zur Folge, dass sie im öffentlichen politischen Kräftespiel immer den Kürzeren ziehen. Ihre Begeisterungsfähigkeit für weltanschauliche Parolen, fürs Organisieren und Gehorchen ist außerordentlich schwach entwickelt; sie sind es vom weitläufigen Tiefland her gewöhnt, dass jeder tut, was ihm beliebt. Leider geht ihre Konfessionslosigkeit im Geistigen so weit, dass sie sich bis heute kein Forum geschaffen haben, um in klärendem Gespräch ihren geschichtlichen Standort herauszuarbeiten.

 

Während die Siebenbürger Sachsen den Versuch unternehmen, durch die Errichtung eines eigenen Musterdorfel in Bayern ihre reiche Volkskultur wenigstens im Modellfall zu erhalten, sehen die Donauschwaben die Erfüllung ihres Erbes darin, dass sie sich überall in der westlichen Welt den neuen Gegebenheiten so schnell wie möglich anpassen und in altbewährter Unermüdlichkeit den wirtschaftlichen Aufstieg ihrer Länder fördern. Sie sind ein Menschenschlag, der sich immer bemüht, aus einer Situation das Bestmögliche zu machen. Das fällt ihnen umso leichter, als sie in der schranken- und waldlosen Tiefebene daheim mit ihrer Scholle nie auf die gleiche Art verwachsen waren, wie der Bauer einer eng umfriedeten Gebirgslandschaft es ist.

 

Man kann das Unglück, das sie betroffen hat, erst dann ganz verstehen, wenn man in Betracht zieht, dass sie eine sehr junge Volksgruppe sind und gerade erst in dieser Generation angefangen hatten, sich ein eigenes geistiges Gesicht zu geben. Inmitten dieses Reifeprozesses wurden sie aus ihren herrlichen Dörfern herausgerissen und in fremde Kulturkreise verpflanzt. Und nun bemühen sich etliche Idealisten, ihnen in der allgemeinen Diaspora, in der sie sich befinden, das gemeinsame Kulturbewusstsein zu erhalten, soweit sie es bei der Vertreibung schon hatten, und zu vermitteln, soweit sie es noch nicht hatten. Aber der Widerhall auf solche Bemühungen wird immer geringer. Dabei hat es den Donauschwaben an großen Männern nicht gefehlt, aber die meisten waren vom rasanten magyarischen Chauvinismus assimiliert worden. Auch heute fehlt es ihnen nicht an Begabungen auf allen Gebieten, aber sie werden häufig von der allgemeinen Teilnahmslosigkeit in das innere Exil gedrängt. Der Sog unserer Wirtschaftskonjunktur ist oft stärker als der Flügelschlag des Geistes. Und die sentimentale Heimattümelei nimmt sich im Vergleich zur kraftvollen praktischen Bejahung des Hier und Jetzt immer mehr wie eine lyrische Floskel aus.

 

Dennoch kann man nicht sagen, die Donauschwaben stünden kurz vor ihrem Untergang. Im Einzelnen haben sie sich großartig behauptet, und in kleineren Gemeinschaften ist es ihnen sogar gelungen, mit ihren hergebrachten Sitten und ihrem guten kulinarischen Geschmack auf ihre Umgebung abzufärben. Insgesamt aber ist es ihnen noch nicht einmal geglückt, sich auf eine gemeinsame Bezeichnung zu einigen. „Banater Schwaben", „Ungarndeutsche", „Jugoslawiendeutsche", „Donaudeutsche'' und vieles andere mehr sind als Synonyme für ein und dieselbe geschichtliche Erscheinung ebenso ein Ausdruck ergötzlicher Eigenwilligkeit wie des allgemeinen deutschen Mangels an Gemeinschaftssinn. Und wenn wir das bei dieser Gelegenheit speziell unseren allseits geachteten Donauschwaben ins Stammbuch schreiben müssen, mögen die Angehörigen anderer Gruppen, bevor sie ein Urteil fällen, nach???, ob es bei ihnen im Prinzip besser ist. Immerhin hat die Gefahr der Auflösung, die über den Donauschwaben schwebt, auch das gute Resultat gezeitigt, dass sie nicht als geschlossener Block mit programmatischen Forderungen dastehen. Sie haben kein starres Konzept, und kein Partner, der sich mit ihnen an einen Tisch setzt, braucht von ihnen die unnachgiebige Sprache des politischen Dogmas zu befürchten. Sie haben deshalb in den von Tag zu Tag aktueller werdenden Gesprächen mit unseren östlichen Nachbarn eine besondere Chance. Johannes Weidenheim

 

Seite 7   Spruch aus der Batschka.

Für den Ersten den Tod,

Für die Zweiten die Not,

Für die Dritten das Brot.

 

Seite 7   Muttersprache. Joseph Gabriel.

Muttersprache, süße traute!

Meiner Kindheit erste Laute,

Stammeln, Reden dank ich dir.

Hat in dir mich doch gelehret

Mutter, wie man Gott verehret,

Kindlich fromm wie lauscht' ich ihr!

 

Und der Vater sprach mit Mahnen:

Halte fest am Brauch der Ahnen;

Ehrlich, fleißig, sparsam sei,

Nüchtern, bieder; diese Gabe

Deutsche ziert, darum, o Knabe,

Bleib auch du derselben treu.

 

Seite 7   Donauschwäbische Anekdoten.

In den dreißiger Jahren haben die Mittelbatschkaer Gemeinden ihre 150-Jahrfeier der Ansiedlung abgehalten. Zu diesen Festen sind viele Menschen zusammengeströmt, und es sind auch Landsleute aus der alten Heimat, der Pfalz, zu Besuch in die Batschka gekommen. Sie haben selbstverständlich auch bei der Bulkesser Ansiedlungsfeier im Jahre 1936 nicht gefehlt.

 

Den Pfälzer Gästen hat in Kulkeß alles sehr gut gefallen: das Dorf, die Gassen, die Häuser, die Stuben, die Leute, die Felder, die Wirtschaftshöfe — mit einem Worte alles. Auch die Kirche.

 

Einem Pfälzer schien es aber, als ob die Kirche in Anbetracht der vielen Menschen doch ein wenig zu klein wäre. Und er fragte einen Bulkenesser, ob denn die Leute alle Platz hätten in der Kirche. Dieser gab in einer Weise Bescheid, die dem Einheimischen leicht verständlich war, dem Besucher aber fast wie ein Rätsel vorkommen musste. Der Bulkenesser sagte nämlich: „Wenn die Leute alle hineingehen, dann gehen sie nicht alle hinein. Gehen sie aber nicht alle hinein, dann gehen alle hinein!" (d. h. haben alle Platz.)

 

Einige Schwaben saßen in gewohnter Runde fröhlich beisammen. Plötzlich bekam einer einen Schlaganfall, sank um und war tot. Nach der ersten Bestürzung erhob sich die Frage: Wie soll man der armen Frau das Unglück schonend beibringen?

Sie brachten die Leiche vor das Haus, und der beherzte Wengerskarl sagte: „Etz leant nau mi mache!"

Er läutete und klopfte. Oben wurde Licht gemacht. Das Fenster ging auf und die Frau rief: „So brenget er se wieder, d' Sau, de wiascht?"

„Joo!"

„Hott er wieder gsoffa?"

„Des hot er au“.

„Ont kartelt?"

„Hot er au“.

„Hot er sei Geld wieder verspielt?"

„Des hot er au“.

„Wenn er nau verrecka dät!"

„Des isch er au“.

 

In einer Banater Schulklasse lässt der Lehrer die heimischen Flüsse nennen. „Die Marosch!" „Die Bega!" „Die Nera!" rufen die Kinder. Und einer: „Die Achs!" Da stutzt der Lehrer: „Die Achs? Was ist denn das? Einen solchen Fluss kenne ich nicht!" Darauf sagt der Bub: „Fragt nur meinen Vater, Herr Lehrer, der kennt ihn gut. Der sagt immer: Was nit die Marasch nuf ge'er Segedin geht, geht per Achs hin!"

 

Seite 7   Auslandsdeutsche Bibliothek.

Das vor 1945 dem VDA angeschlossene Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart hat seit kurzem seine wieder auf 150 000 Bände angewachsene Fachbibliothek samt Lesesaal wiedereröffnet. Die Bücherei, die dem deutschen und ausländischen Leihverkehr angeschlossen ist, ist die größte ihrer Art und enthält unter anderem auch 10 000 Bände deutschsprachiger Zeitungen der Jahrgänge 1917 bis 1945 aus dem gesamten Ausland sowie eine medizinische Bibliothek. Wie der Generalsekretär des Instituts, Dr. Franz Thierfelder, betonte, bestehen heute wieder die besten Kontakte mit dem gesamten Ausland einschließlich der Ostblockstaaten, die er darauf zurückführt, dass das Institut alle politischen Einflüsse aus seiner Arbeit ausgeklammert hat.

 

Seite 8   Ostpreußen unter dem Doppeladler. Zum Gedenken an den 200. Jahrestag der ersten russischen Besetzung.

Anfang Januar 1958 sind 200 Jahre verflossen, seit Ostpreußen eine mehrjährige tragische Periode durchmachen musste, wie sie kürzer oder länger so oft das Schicksal von Grenzlanden gewesen ist, nämlich eine Besetzung durch feindliche Truppen.

 

Nach der Schlacht bei Gr.-Jaegerndorf im August 1757 hatte sich die russische Armee, aus auch heute noch nicht ganz aufgeklärten Gründen, aus Ostpreußen zurückgezogen, wobei es nicht abging ohne allerlei Gräueltaten und Verschleppungen von Landeseinwohnern. Notgedrungen und nicht leichten Herzens hatte Friedrich der Große die preußischen Truppen aus der von seinen übrigen Ländern völlig abgeschnittenen Provinz weggezogen, sie waren ihm auf den anderen Kriegsschauplätzen bitter nötig, und Ostpreußen war auf die Dauer gegen die gesamte russische Heeresmacht ja doch nicht zu halten. „Man muß die Zweige opfern, wenn man den Stamm erhalten will“ war die Ansicht des Königs, der ein Feind von halben Maßregeln war. Wichtige Archive, Kassen und die berühmte Silberbibliothek Herzog Albrechts waren vorher weggebracht worden, ebenso das wertvolle Trakehner Gestüt, das vor dem Siebenjährigen Kriege an die tausend Pferde zählte, darunter 503 Mutterstuten und außerdem zahlreiche Maulesel.

 

In das nunmehr wehrlose Land konnten die Russen Anfang Januar 1758 ungehindert einrücken. Königsberg wurde zum ersten Mal in seiner Geschichte am 21. Januar vom Feinde besetzt, und es begann nun die fast vier Jahre dauernde Besetzung des Landes. Am 31. Januar erklärte die Zarin Elisabeth Ostpreußen feierlich als Eigentum und Bestandteil des russischen Reiches.

 

Zunächst wurde General Graf Fermor Gouverneur, er, sowohl wie sein späterer Nachfolger General Baron Korff entstammten ursprünglich deutschen Familien. Es bildete sich ein eigenartiger Zustand heraus: fast alle preußischen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden blieben im Dienst, sie wurden jedoch von den Russen kontrolliert, aber nach der damaligen russischen Art allmählich immer oberflächlicher. Die Landesgesetze blieben in Kraft.

 

Äußerlich dagegen vollzog sich manche Änderung. Die preußischen Münzen und Hoheitszeichen verschwanden, überall erschien der russische Doppeladler, nur auf dem Kuppelturm des Kgl. Waisenhauses am Sackheimer Tor zu Königsberg blieb der Preußenadler erhalten. Auf den Straßen der Hauptstadt und der vielen kleinen Garnisonen Ostpreußens änderte sich das Straßenbild; anstelle der blauen preußischen Uniformen und der weißen Röcke der österreichischen Kriegsgefangenen herrschte jetzt das russische Grün vor. Im Allgemeinen aber wurde bei der russischen Truppe Disziplin gehalten. Es kamen wohl im Laufe der Zeit Übergriffe vor, doch wurden sie in der Regel entsprechend geahndet. Einiges Neue brachten die Russen mit, wie den starken Gebrauch von Tee und den bis dahin unbekannten Punsch, der bald sehr beliebt wurde. In Königsberg wurde die ehrwürdige Steindammer Kirche zur russischen Garnisonkirche umgewandelt, und das Fest der Wasserweihe, das alljährlich mit großem Pomp im Januar auf dem zugefrorenen Pregel gefeiert wurde, erweckte immer wieder das Staunen der Bevölkerung.

 

Mancherlei Druck lastete auf dem Lande. Starke Naturalleistungen waren an die russischen Truppen abzuführen, hohe Kontributionen hatten Stadt und Land zu entrichten. Das Geld wurde knapp, das Leben teuer. Mochte auch hier und da der Kleinhandel einigermaßen verdienen, so wurden doch der Wirtschaft des Landes große Wunden geschlagen. Die Haupt-Handelsquelle, die Getreideausfuhr, stockte. Der Holzreichtum des Landes verminderte sich erheblich durch übermäßige und wilde Abholzungen auf der Kurischen Nehrung, wie auch in anderen Gebieten. Ebenso litt der einst so berühmte Wildbestand die Elche wurden beinahe ausgerottet, der Biber starb ganz aus.

 

Demgegenüber mochte es wenig bedeuten, wenn die Russen sich nicht kehrten an die damals schon als überaltert empfundenen strengen Klassenunterschiede, die noch zum großen Teil in Ostpreußen herrschten. So wurden zu den Festlichkeiten im Königsberger Schloss, zu denen früher fast nur der Adel Zutritt hatte, jetzt auch die bürgerlichen Kreise Königsbergs hinzugezogen. Doch kam es nirgends zu einer Verbrüderung. Die gesamte Bevölkerung betrug sich durchaus würdig, einige Ausnahmen zählten nicht. In den Familien fanden russische Offiziere nur Zutritt, wenn sie Balten waren. Balten besuchten übrigens auch öfter die Vorlesungen der Universitäts-Professoren.

 

Für die Beamten wurde die Lage schwierig, als die Ablegung eines neuen Diensteides von ihnen gefordert wurde. Wollten sie aus Gewissenskonflikten den Treueid nicht leisten, so wären sie ohne Zweifel ihrer Ämter entsetzt worden. Russen wären an ihre Stelle getreten, die Russifizierung des Landes hätte gedroht. Um diese Gefahr zu verhüten, haben sie damals schweren Herzens den Eid geleistet, was Friedrich der Große in Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse leider Ostpreußen nie verziehen hat.

 

Wenn die russische Herrschaft trotz mancher Härte im Großen und Ganzen noch erträglich war, so wäre es dennoch naturwidrig gewesen, wenn unsere Vorväter als gute- und anständige Preußen sie nicht als moskowitische Fremdherrschaft lästig und bitter empfunden hätten. An einen offenen Widerstand war in dem verhältnismäßig stark besetzten Lande nicht zu denken, zumal man sämtliche Waffen hatte abliefern müssen.

 

Nur im Geheimen konnte man arbeiten, und zur Ehre Ostpreußens mag es gesagt sein, dass sich eine ganze Anzahl von Männern zu diesem Wagnis bereitfand. Vor allem war es der zweite Direktor und spätere Präsident der Gumbinner Kriegs- und Domänenkammer (= Regierung) Johann Friedrich Domhardt, der es mit großem Geschick und unter mancherlei persönlicher Gefahr verstand, im Verein mit dem Gumbinner Strumpfwirker Capeller, einem Salzburger, Verbindung mit Berlin über Pillau aufrechtzuerhalten. Natürlich haben damals alle diese Männer es vermieden, viel Schriftliches von sich zu geben, und so sind auch nur wenige Akten aus jener Zeit vorhanden. Aber es mag schon etwas Wahres daran sein, dass erhebliche Steuerbeträge auf dem Seeweg an die Königlichen Kassen nach Kolberg abgegangen seien, trotz des russischen Argwohns und Spitzelwesens einmal 100 000 und später gar 400 000 Taler, die Domhardt unter dem Bett seiner Tochter verborgen gehalten habe. Auch ostpreußisches Getreide soll über Polen und über Memel an die Proviantämter der preußischen Armee abgegangen sein. Das war in erster Linie das Werk Domhardts, seiner Klugheit und seinen geschickt geknüpften Verbindungen gelang es auch, manche wirtschaftlich ungünstige Maßnahme vom Lande abzuwenden. Schwieriger wurde der Verkehr mit Berlin durch die Festnahme des braven Postmeisters Wagner in Pillau, der anscheinend lose verwickelt war in die törichte, aber stark aufgebauschte .Pillauer Verschwörung". Auch der Umstand, dass ein Nationalrusse Suwarow, der Vater des späteren berühmten Feldherrn, Nachfolger des humanen Baron v. Korff wurde, erleichterte nicht gerade die stille Arbeit der Patrioten.

 

Wenn die Russen auch versuchten, die langen Grenzen der Provinz zu sperren, so gelang es jungen,  unternehmungslustigen Ostpreußen doch, sich während des Krieges zum Heere des Königs durchzuschlagen. Besonders bekannt unter ihnen wurden später der junge David Neumann, Sohn eines Königsberger Kaufmanns, als General in die Geschichte eingegangen als v. Neumann-Kosel, der, schon todeskrank, 1807 die schlesische Festung Kosel so ruhmvoll verteidigte, und sein Freund, der spätere Kriegsrat (= Regierungsrat) Scheffner, der im Anfang des 19. Jahrhunderts im geistigen Leben Königsbergs eine bedeutende Rolle spielte. An sein Grab auf der Höhe des Galtgarbens wird sich mancher noch erinnern.

 

Auch die ostpreußischen Pfarrer machten aus ihrer Gesinnung in den Predigten keinen Hehl, wenn sie natürlich auch vorsichtig sein mussten. Sie wussten entsprechende Predigttexte zu finden, wie z. B. „Freue dich nicht, meine Feindin, wenn ich am Boden liege" oder „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan". Manches wurde von den Russen gemerkt, vieles auch nicht, aber es war doch ein Beweis, dass auch hier gut preußische Männer am Werke waren.

 

Anfang Januar 1762 starb die Kaiserin Elisabeth. Ihr Nachfolger, Peter der Dritte, war ein großer Verehrer Friedrichs und beeilte sich mit Preußen Frieden zu schließen. Aber schon nach halbjähriger Regierung wurde er ermordet, von neuem drohte Ostpreußen die russische Besatzung. Doch hielt die neue Zarin Katharina II., eine geborene Prinzessin von Anhalt-Zerbst und Tochter eines preußischen Generals, an dem einmal geschlossenen Friedensvertrage fest und Mitte September zogen die Russen endgültig aus Ostpreußen ab. Domhardt, der mittlerweile Präsident der Königsberger Kammer geworden war, gelang es, die großen russischen Magazine günstig zu kaufen, was nicht unwesentlich zur Hebung der wirtschaftlichen Lage beitrug.

 

Ein gütiges Geschick hatte es gefügt, dass die russische Besetzung nur eine Episode blieb, und trotz aller Schäden konnte der König nach dem Friedensschluss Ostpreußen bezeichnen als „die im ganzen besterhaltene Provinz der preußischen Staaten".

 

Welch bittere Vergleiche drängen sich bei diesem Rückblick mit 1914 und vor allem mit 1945 auf! General a.D. Dr. Walther Grosse

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußischer Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg, Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute helft mit das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Allenstein, Lutherstraße 6b, wird Horst-Joachim Rüdiger Szimanski, geboren am 26. September 1942 in Berlin gesucht von seinem Vater Hans Szimanski. Nach dem Tode der Mutter, Anfang Mai 1945, kam Horst-Joachim Rüdiger Szimanski in das Kinderheim Allenstein, Schanzenstraße. Er soll von dort aus in ein Kinderheim nach Grislienen oder Dietrichswalde, Kreis Allenstein, gekommen sein. Wer kennt den Knaben Horst-Joachim Rüdiger Szimanski und kann uns über das Schicksal Auskunft geben?

 

Aus Brandenburg, Kreis Heiligenbeil wird Fredy Richter, geboren am 16. Dezember 1939 in Brandenburg gesucht von seinen Eltern Edmund Richter und Helene Richter.

 

Aus Buchenhaim, Kr. Schröttersburg werden die Geschwister Edith Rimatzki, geboren am 14. September 1943 und Herta Rimatzki, geboren am 15. Dezember 1939 gesucht von ihrem Vater Adolf Rimatzki. Bei den gesuchten Kindern befand sich die Mutter Wanda Rimatzki, geborene Ristau, sowie die älteren Geschwister Eugenie Rimatzki, geboren am 8. Oktober 1932 und Siegismund Rimatzki, geboren am 13. September 1936. Im Februar 1945 haben sich die Gesuchten bei einem Herrn August Stelzer oder Stetzer in Müncheberg/ Mark aufgehalten.

 

Aus Georgenwalde, Kr. Samland, Steinstraße „Haus Theodor" wird Frank Hageleit, geboren am 24. Januar 1943, gesucht von seiner Großmutter Elisabeth Eppelmann, geboren am 9. November 1900. Bei dem gesuchten Kinde befand sich die Mutter Margarete Hageleit, geborene Eppelmann.

 

Aus Gertlauken, Kreis Labiau wird Bruno Wabbel, geboren am 7. Mai 1939 in Insterburg gesucht von seiner Tante Martha Wabbel, geborene Wallat, geboren am 29. August 1911.

 

Aus Groß-Hubnicken, Kreis Samland wird Irmgard Thiel, geboren am 25. Dezember 1939 gesucht von ihrem Großvater Julius Thiel. Bei dem gesuchten Kinde befand sich die Mutter Hertha Thiel, geboren am 8. Januar 1922.

 

Aus Groß-Lindenau, Kr. Samland wird Siegfried Krause, geboren am 4. Dezember 1938 gesucht von seinen Eltern  Krause und Ernst Krause.

 

Aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung wird Hannelore Hildegard Koose, geboren am 10. Januar 1944 gesucht von ihrer Mutter Hildegard Koose, geboren am 18. Februar 1922. Hannelore - Hildegard Koose befand sich zuletzt im Städtischen Krankenhaus in Königsberg/Ostpreußen, Samitter-Allee 45, und wird seit der Evakuierung des Krankenhauses vermisst. Wer vom Pflegepersonal des Städtischen Krankenhauses in Königsberg kann sich an das Kind Hannelore-Hildegard Koose erinnern und über den weiteren Verbleib desselben Auskunft geben?

 

Aus Insterburg, Immelmannstraße 10, wird Jürgen Rudat, geboren am 3. Dezember 1941, gesucht von seinem Großvater Robert Rudat, geboren am 11. September 1877. Jürgen Rudat befand sich mit seiner Großmutter Auguste Rudat, geboren am 22. Mai 1886, auf der Flucht. Am 6. März 1945 sollen beide noch bei Bullenwinkel, eine Station vor Kolberg, mit Bekannten gesprochen haben. Wer hat die Gesuchten zuletzt gesehen und kann über deren Verbleib Auskunft geben?

 

Aus Königsberg, Blücherstr. 19, wird Heinz-Jürgen Klein, geboren am 27. November 1944 gesucht von seinem Vater Theodor Klein, geboren am 25. September 1911. Heinz-Jürgen flüchtete mit seiner Mutter im April 1945 nach Mohrungen und von hier im November 1945 nach Werder über Altentreptow, Kr. Demmin/Pommern. Seitdem fehlt von den Gesuchten jede Nachricht.

 

Aus Könlgsberg-Ponarth, Ponarther-Straße 62 werden die Geschwister Wölk, Jürgen-Lothar Wölk, geboren am 28. Dezember 1942, Heinz-Günther Wölk, geboren am 7. Juni 1939, Marga-Gisela Wölk, geboren am 5. Oktober 1941 und Max-Dieter Wölk, geboren am 9. Mai 1937 gesucht von ihrer Schwester Hildegard-Traute Rump, geborene Wölk, geboren am 3 Oktober 1929.

 

Aus Königsberg, Schaakener Straße 101 oder 103 wird Erika Spatke, geboren am 18. Mai 1939, gesucht von ihrem Vater Bruno Spatke. Erika soll mit ihrer Mutter Grete Spatke, geborene Wasserberg, 1945 auf dem Dampfer „Memel" von Hela aus geflüchtet sein.

 

Aus Kroningen, Kreis Samland werden Werner Schulz, geboren am 20. Juli 1940 in Usseinen, Günther Schulz, geboren am 21. Juni 1939 in Usseinen und Helga Schulz, geboren am 24. Mai 1938 in Usseinen gesucht von ihrer Mutter Gertrud Schulz, geborene Massalsky.

 

Aus Neuendorf, Kreis Insterburg wird Gerda Grigat, geboren am 27. Juli 1933 in Neuendorf gesucht von ihrem Onkel Otto Stock, geboren am 11. Juli 1900 und von ihrer Tante Minna Scherdin, geborene Bunsas. Ursprünglich lebte Gerda Grigat bei der Tante Dora Kny in Neuendorf, Kreis Insterburg. Zusammen mit der Tochter Gertrud Kny aus Berlin-Pankow zogen Frau Dora Kny und Gerda Grigat nach Sorau/ Schlesien zu einer Frau Müller. Gertrud Kny arbeitete in Sorau in einer Kartoffelfabrik als Buchhalterin. Bei welcher Frau Müller in Sorau hat Familie Kny gewohnt?

 

Aus Nordenburg, Kreis Gerdauen, Fritz - Tschierse - Straße 245, wird Jürgen Adomat, geboren am 10. September 1943 gesucht von seinem Onkel Fritz Adomat. Jürgen soll sich mit seiner Mutter, Frau Adomat, im Februar 1945 in Königsberg, Lawsker-Allee 97 befunden haben.

 

Steckbriefe mit Fotos.

Name: Rudolf

Vorname: Karin

Geboren: 18.04.1941

Geburtsort: Königsberg

Augen: braun

Haar: dunkelblond

Karin Rudolf lebte bis Anfang 1945 im St.-Josef-Heim in Königsberg Ponarth, kam dann in das St. Vinzensstift in Langenbielau/Schlesien und später nach Westdeutschland. — Karin sucht ihre Mutter Irmgard Rudolf aus Königsberg/Ostpr. 0368

 

Name: unbekannt

Vorname: Verena (fraglich)

Geboren: etwa 1944

Augen: braun

Haar: dunkel

Laut Mitteilung der Pflegemutter, Frau Erna Barwig, wurde das Kind am 17.01.1945 bei der NSV-Dienststelle Tiegenhof/Westpreußen abgegeben und soll am 17.12.1944 in der Klinik in Tiegenhof geboren sein. 01653

 

Name: Lemp

Vorname: Rainer

Geboren: 09.04.1949 (geschätzt)

Augen: blau

Haar: hellblond

Das Kind erinnert sich sehr gut an seine Mutter, die an dem Tage, da es in ein Lager kam, an Typhus erkrankte und in ein Krankenhaus gekommen sein soll. Die Familie Lempe stammt aus Kikol, Kreis Leipe. Der Vater ist gestorben. Rainer sucht jedoch seinen 1942 geborenen Bruder Günther Lemp. Vielleicht lebt er in Sumin, Kreis Leipe. 2315

 

Aus Ragnit, Schützenstraße 29 wird Georg Michael Schewitz, geboren am 4. Juni 1944 gesucht von seinem Vater Willy Schewitz. Georg Michael befand sich mit seinen Großeltern Wilhelm Schewitz und Maria Schewitz, geborene Peldzus, 1945 in Plauten, Kreis Braunsberg. Es ist möglich, dass Großeltern und Enkel bis Lauenburg/Pommern gekommen sind.

 

Aus Rastenburg, Poststraße bei Familie Dargel oder Rheinerstraße bei Familie Warschun wird Dieter Klatt, geboren 1941 gesucht von seinem Onkel Hermann Warschun, geboren am 17. Dezember 1879. Die Mutter Martha Klatt, geborene Lange, geboren 1914, sowie der ältere Bruder Heinz Klatt, geboren 1936 werden ebenfalls noch gesucht Die Gesuchten sollen zuletzt in Mestlin, Kreis Parchirn/ Mecklenburg gewohnt haben.

 

Aus Schippenbeil, Kreis Bartenstein, Wosgienstraße 17 werden Brigitte Wien, geboren am 16. August 1943 und Walter Wien, geboren am 1. Februar 1945, gesucht von ihrem Großvater Hermann Schwark, geb am 21. Oktober 1888. Bei den gesuchten Kindern befanden sich die Eltern Adolf Wien, geb. am 11. September 1914 und Maria Wien, geb. Schwark, geb. am 27. Oktober 1913. Die Familie Wien befand sich auf der Flucht und geriet in die Kampfhandlungen in Saßnitz auf Rügen, seitdem wird sie vermisst. Wer kennt die Gesuchten und kann Auskunft über den Verbleib oder das Schicksal geben?

 

Aus Untereisseln, Kreis Tilsit Ragnit wird Helga Rescheleit, geb. am 17. Oktober 1940, gesucht von ihrem Vater August Rescheleit. Helga wurde mit der Mutter und anderen Geschwistern nach Süßenberg, Kreis Heilsberg, evakuiert. Sie soll im Sommer 1945 in das Waisenhaus in Heilsberg gekommen sein.

 

Aus Alt-Kiwitten, Kreis Ortelsburg, werden Hildegard Radde, geboren am 19. Mai 1941, und Gertrud Radde, geboren am 16. August 1938, gesucht von ihrer Tante Maria Radde. Die Mutter, Berta Radde, ist verstorben. Die Kinder sollen in Allenstein/Ostpreußen in ein Lager gebracht worden sein.

 

Aus Antonswiese, Post Herdenau, Kreis Elchniederung, werden die Geschwister Heinrich Balscheit, geboren am 10. Februar 1939, und die Zwillinge Hans Balscheit und Helmut Balscheit, geboren am 7. Februar 1941 in Antonswiese, gesucht von ihrer Tante Anna Schlopsna, geboren am 10. Dezember 1908 in Karkeln.

 

Aus Bergau, Kreis Samland, wird Inge Schenk, geboren am 29. Januar 1943 in Königsberg, gesucht von ihrer Mutter Gertrud Schenk geborene Wichmann, geboren am 10. April 1920. Inge Schenk befand sich in Begleitung ihrer Großmutter, Anna Wichmann geborene Wagner, geboren am 9. Oktober 1878, die ebenfalls noch gesucht wird. Die letzte Nachricht war vom 16. Februar 1945 aus Imten, Kreis Wehlau, Ostpreußen.

 

Aus Braunsberg, Bahnhofstr. 45a, werden Helga Kowalewski, geboren am 4. Dezember 1936 in Königsberg, und Frank Kowalewski, geboren am 8. Dezember 1940, gesucht von ihrem Vater Max Kowalewski, geboren am 2. Januar 1902. Die letzte Nachricht war vom Oktober 1946 aus Königsberg/Preußen.

 

Aus Braunsberg, Yorckstr. 12, werden Barbara Schwarz, geboren am 17. Januar 1943, und Rosemarie Schwarz, geboren am 24. Januar 1940 in Braunsberg, gesucht von ihrem Vater Heinz Schwarz, geboren am 8. August 1910 in Stargard/Pommern. Die letzte Nachricht über die Kinder war vom 4. März 1945 aus Danzig.

 

Aus Braunsberg, Stadtwald, werden die Geschwister Christel Gehrmann, Erna Gehrmann. Günther Gehrmann, Gerhard Gehrmann und Maria Gehrmann, die Geburtsdaten der Kinder sind nicht bekannt, gesucht von ihrem Onkel Anton Feierabend, geboren am 7. September 1901 in Braunsberg. Die Mutter der Kinder, Rosalie Gehrmann geborene Roski, geboren etwa 1901/1903, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Grunenberg, Kr. Braunsberg, wird Ewald Festag, geboren am 16. März 1941 in Grunenberg. gesucht von seiner Tante Hedwig Kutzki geborene Dehn, geboren am 21. Oktober 1910 in Grunenberg/Ostpreußen.

 

Seite 9   Foto: Fleischer- und Bäckerwettstreit in Königsberg nach einem Flugblatt aus dem 17. Jahrhundert (Original im Berliner Kupferstichkabinett)

 

Seite 9   Die große Wurst und der Riesenstrietzel von Königsberg

Am 14. Oktober 1831 erhielt der Engländer John Cowderoy in Huxton, Middlesex, das britische Patent Nr. 6183 auf den Fördergurt zum Beschicken des Backofens mit Broten. Auch in den deutschen Landen wurde von dieser Erfindung viel Aufhebens gemacht. Der Fördergurt wurde abgebildet und beschrieben, und zwar damals in der führenden technischen Zeitschrift, im „Polytechnischen Journal" von Dingler (Band 46, 1832, S. 132).

 

Es ist zu damaliger Zeit nicht bekannt gewesen, daß eine derartige Erfindung schon einige hundert Jahre vorher in Ostpreußens Hauptstadt bestanden hat.

 

Zu den Sitten und Gebräuchen im 16. und 17. Jahrhundert gehörte es, dass in Königsberg am Neujahrstage die Fleischer in einem wahren Volksfest eine lange Wurst durch die Straßen trugen. Henneberger schreibt auf Seite 186: „Im Jahre 1558 ist die Wurst 198 Ellen lang gewesen und 48 Personen haben an ihr getragen. Im Jahre 1583 haben sie wieder eine Bratwurst von 36 Schweineschinken zugerichtet Sie hat auf der Kneiphöfer Wage 434 Pfund, oder 11 Stein weniger 6 Pfund (den Stein zu 40 Pfund gerechnet) gewogen, ist 596 Ellen lang gewesen und haben sie 91 Personen getragen ohne die Aeltesten, so vorn und hinten, und Andere, so daneben gingen“.

 

Der Aufzug verlangte auch einen besonderen Putz, und so berichtet Henneberger weiter: „Es haben sich alle Fleischergesellen aus allen drei Städten fein und säuberlich angezogen, weiße Hemden oben über, gleich gemachte Schuhe an den Füßen Der erste hat das eine Ende der Wurst etliche Male um den Hals gebogen und hinten etwas hinabhängen lassen, dann folgten die andern alle, etwas weit voneinander, gleichen Trittes nach, die Wurst auf der Achsel tragend, zwischen ihnen etwas herunterhängend, und der letzte hat sie wieder etliche Male um den Hals gebogen und hinten herabhängen lassen, so haben sie sie hinauf zum Markgrafen aufs Schloss getragen. Solche Wurst machte man aber nur, wenn man um große Herren trauern musste und alle sonstigen Freuden verboten waren. Sie kostete auch zu viel, weil man sie Jedes Jahr länger machen musste und zur Füllung nur Schinkenfleisch von lauter guten Schweinen nehmen konnte und sehr viele kleine Därme, die man in einander bringen musste, dazu brauchte.

 

Dafür verehrten nun am heiligen Dreikönigstag den Fleischern die Bäcker einen großen Strietzel oder Wecken, aus 3 Scheffeln Weizenmehl gebacken. Im Jahre 1583 haben sie aber 5 verehrt. Um sie zu backen, hat man auf dem Schlosse zwei große Backöfen gebaut, mitten hinein ein Loch gebrochen, dann dieselben geheizt und den Strietzel durch das Loch geschoben, so dass er in beiden gleichzeitig gebacken worden ist.

 

Vom Bäcker- und Fleischerwettstreit zu Königsberg ist ein Kupfer-Flugblatt aus dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben und kam ins Berliner Kupferstichkabinett (s. Abb.). Das Bild zeigt einen Badeofen, der von einem großen Holzstoß aus geheizt wird und durch den ein Strietzel im Prozessionsgang hindurchgeht. Die rechte Seite des Bildes lässt uns bereits die große Wurst auf den Stangen erkennen. Das Motiv entstammt den Schriften des Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, jenes Schriftstellers, der durch seinen Roman „Simplicissimus" berühmt wurde. Findige Buchdrucker griffen einzelne lustige Szenen aus Grimmelshausen Werken heraus und verkauften sie als Flugblätter. So kam auch die Königsberger Zeremonie zur Verbreitung. Der Flugblatthersteller hat hier seiner Phantasie freien Lauf gelassen. Ein langer Text unter dem Bild berichtet sehr umständlich und in alter Sprache von dem Hergang. „Metzger- und Becker-Streit von dem Simplicissimo entschieden" heißt die Überschrift. Die Handlung ist hier so: Simplicissimus habe vor einem Wirtshaus einen Haufen Leute getroffen die ihm erzählten, die Bäcker und Fleischer hätten eine Wette miteinander vereinbart, ob die einen eine längere Wurst oder die anderen einen längeren Wecken machen könnten. Die Fleischer seien ihrer Sache sicher gewesen, denn sie hätten die Därme einer besonders schweren Sau zur Verfügung gehabt. Die Bäcker aber seien pfiffiger gewesen, denn sie machten hinten am Ofen ein Loch, flochten vorne fleißig und ununterbrochen am Zopfwecken und ließen diesen nach hinten weitergleiten. Als diese Fließarbeit auf beiden Seiten fast endlos weiterzugehen schien, rief man den Simplicissimus zum Schiedsrichter an. Der lachte gewaltig und meinte, die Wette sei längst entschieden, denn keiner könne es schlechter als der andere. Am besten könnten es wohl aber beide zusammen, wenn sie Wecken und Wurst zerschneiden und im Wirtshaus fröhlich verzehren würden. Sie hörten's und taten's.

 

Nun die Königsberger Fleischer und Bäcker haben nach alten Berichten Wurst und Strietzel wohl immer gemeinsam verzehrt „Erleutertes Preußen" berichtet, dass im Jahre 1601 die Wurst 1005 Ellen (etwa 670 m) lang gewesen sei. Ein Münchener Bilderbogen hat die „Geschichte von der großen Wurst" in einer Darstellung festgehalten. Die Angaben stimmen mit dem „Erleutertes Preußen" überein: „hat gewogen 22 Stein und 5 Pfund, tut 885 Pf. Dazu ist kein anderes Fleisch als 81 lautere Schweinen Schinken gekommen; ferner von 45 Schweinen Därmen, item anderthalb Tonnen Salz, item anderthalb Tonnen Bier, item 18 ein viertel Pfund Pfeffer. Item haben daran gearbeitet 3 Meister, 87 Gesellen, tun 90 Personen“. Hermann Bink

 

Seite 9   Foto: Pirschsteg über den Marinowo-Graben.

 

Seite 9   Schließe die Augen beide. Von Hans Bahrs.

Schließe die Augen beide

Es ist schon hohe Nacht.

Über die weite Heide

Im weißen Winterkleide

Wandere Ich bedacht.

 

Habe des Schlafes Segen.

Horch, es träumt unser Kind.

Kommt im Traum mir entgegen.

Dass ich aus tausend Wegen

Den in die Heimat find.

 

Seite 9   Abschied von Heubude. Von Karl-Heinz Jahrsen

In der Quarta hatten wir einen Hausaufsatz zu schreiben: „Spaziergang durch den Heubuder Wald“. Es gab viel Kopfzerbrechen. Wer von uns kannte ihn nicht, den Heubuder Wald! Wie oft hatten wir ihn durchquert, allerdings mit Scheuklappen vor den Augen und Schmalz in den Ohren. Ja, so wird es wohl gewesen sein; denn jetzt standen wir vor einem Vakuum. Niemand kam auf den Gedanken, erneut einen Streifzug zu machen, um dann, frischbeeindruckt, den Aufsatz zu schreiben. Es war Winter. Und der Heubuder Wald hatte für uns nur im Sommer Bedeutung. — Was tun? — Wir beschummelten unseren Deutschlehrer, das heißt, soweit er sich beschummeln ließ. Fieberhaft blätterte ich in Danziger Heimatkalendern — Samuel hilf! — und fand stimmungsvolle Schilderungen von Heubude und Umgebung. Mein Aufsatz wurde fünf Seiten lang. Mit „Gut" zensiert. Ich war beschämt. Hatte mich mit fremden Federn geschmückt. Lieber Deutschlehrer, wenn du wüsstest —! Verzeih!

 

Jahre später — aus dem listigen Schüler war ein junger Flaksoldat geworden — hatte ich Genesungsurlaub. Jetzt, im Januar, sah ich ihn wieder, den Heubuder Wald, mit wachen blanken Augen, und meine Ohren waren gereinigt. Sonst hätten sie nicht die Stimme vernommen, die daheim, als ich auf der Couch lag, ständig sagte: „Fahre nach Heubude! Fahre nach Heubude!"

 

Haltestelle Kurhaus verließ ich die Straßenbahn. Bog rechts ein auf dem Weg zum Heidsee. Winterliche Stille. Die Luft war mild. Über mir wölbte sich dunkel ein Wipfeldach. Farnkräuter, Moos und Fichtennadeln bedeckten den Waldboden. Ruhig lag der See, eine grüne Ellipse. Darüber spannte sich der blassgraue Winterhimmel. Lange war kein Schnee gefallen. Und Frost gab es auch nicht. Seltsam, ja, sonderbar; jedenfalls erfreulich für uns. Die gefiederten Sänger wären nicht fortgeflogen, wenn ... Ihr Fehlen erinnerte daran, dass Winter war. Aber was fehlte denn noch? Familie Schwan suchte ich vergebens. Lebte sie in ihrem Winterquartier? Einst, im Sommer, hatte ich die Schwäne mit sauren Drops und Pfefferminzbonbons gefüttert. Nirgends ein Boot, auch nicht vertaut am Steg. Der Kurhausgarten war wie ausgestorben. Klappstühle und Tische verschwunden, dazu sämtliche Sonnenschutzschirme, Stoffpilze, rot- und weißgepunktet. — Wehmütig, Freundchen? — Ich schlenderte weiter ...

 

Der Wald lichtete sich. Ein großzügig gepflanzter Forst führte zum Meer. Ich schnupperte. War es die wohlbekannte salzige Brise? Mein Blut prickelte. Ich hatte es eilig. Beschleunigte meine Schritte. Dann, auf der kiesbestreuten Promenade stehend, sah ich das Meer, schiefergrau und gekräuselt. Mein Herz dehnte sich. Nördlich, am Horizont, stieg Rauch auf, dünn wie Zwirn. Westwärts ragten die Zwillingstürme der Kirche von Neufahrwasser. Näher im Blickfeld, klotzig breit mit steilem Giebel, stand die KdF-Halle. Sie verdeckte das Dünenschlösschen. Neben mir, schmal und hellgetüncht, erstreckte sich die Strandhalle. Nach Osten zu sah ich nur Dünen, milchig blass, dahinter die dunkle Wand des Waldes und fern, stecknadelschlank, den Leuchtturm von Östlich-Neufähr.

 

Ich lief den Dünenpfad hinunter, stapfte durch den lockeren, graufarbenen Sand und erreichte das Meer. Winzige Wellen sprudelten auf Strand, umspülten meine Füße. Schlick, Tang, Kork und Treibholz säumten das Ufer, wie ein schwarzfeuchter Zopf. Ich bückte mich. Suchte Bernstein. Umsonst. — (Dieses Bernsteinarmband ist unser bestes Stück. Ein schönes Geschenk, wirklich! Ihr Fräulein Braut ist zu beneiden. — — Kind, du küsst mir die Lippen wund! Will ich auch, du lieber, lieber . . .!) — Ich rieb meine Augen. — Gemütliche, gemächliche Ostsee! Und doch, wie wandelbar! Stürme peitschen dich. Gischtsprühende Wellenberge rollen ans Ufer, brechen, zerplatschen, zerschäumen. So sah ich dich einst, im Herbst. Aber im Sommer warst du nur Liebe. Mit dir im Bunde waren Sonne und Wind, den Badegästen zur Freude. Ach, richtig, das Bad! Seine Stege sind abgetakelt; die hölzernen Umkleidezellen trauern, leer und kahl. Wo sind die Strandkörbe geblieben mit ihren bunten Wimpeln? — Wehmütig, Freundchen? —

 

Ich kehrte um. Setzte mich an einen Tisch in der Strandhalle und trank ein Glas Glühwein. Grog, Machandel oder Danziger Goldwasser wären mir lieber gewesen. Leider nicht vorhanden. (Wir haben Krieg!)

 

Ich schlenderte zurück durch den Heubuder Wald. Still war er und menschenleer. Menschenleer? Nicht ganz. Ein Liebespärchen kam mir entgegen, Hand in Hand. Das pure Glück strahlte aus seinen Augen. Ich war nicht neidisch. Dachte an Gerda. Weißt du noch? Vielleicht küssen sich die beiden hinter der nächsten Kiefer oder ungeniert mitten auf dem Weg, weil kein Wächter in ihrer Nähe ist. Ich dachte aus Erfahrung. — Es ging sich gut im Dämmerdunkel, in der Stille. Und plötzlich ahnte ich; Du gehst diesen Weg zum letzten Mal! Ich wurde traurig, wie immer, wenn man Abschied nimmt von etwas Heimatlich-Vertrautem, das man lieb gewonnen hat und nicht missen möchte. Ich sagte dem Heubuder Wald ‚leb' wohl! Stieg an der Haltestelle Kurhaus in die Straßenbahn und fuhr heim nach Danzig.

 

Seite 9   Bevölkerungsstatistisches aus Königsberg. Von H. M. Mühlpfordt.

In den „Kgl. Preußischen Staats-Kriegs- und Friedenszeitungen, 1. Stück vom Montag, d. 4ten Januar 1796", „1 Stück vom Montag, d. 4ten Januar 1808", Nro 1 vom Montag, d. lten Januar 1810" sowie vom 2. Januar 1814 finde ich folgende statistische Angaben über die Königsberger Bevölkerung:

 

1796: In Preußen im Jahre

1794: verh. 7962; geboren 37879; gestorben 31655

1794: verh. 6349; geboren 33691; gestorben 30859

 

Der Rückgang in der ersten und zweiten Spalte erklärt sich vermutlich durch die allgemeine Unsicherheit infolge des Krieges gegen Frankreich („Große Koalition zum Schutze für Thron und Altar") und vielleicht auch durch Abwanderung in die neuerworbenen Neuostpreußischen. Vorher polnischen Gebiete.

 

Von 1796 bis 1809 erschienen nur zwei „Stücke" der Zeitung wöchentlich, nämlich am Montag und Donnerstag. Erst ab 1810 kamen drei Nummern heraus (Mo., Do., Sb.).

 

Die Zeitung wurde von der „Hartungschen Hofbuchdruckerei" verlegt und führte später den Namen Hartungsche Zeitung.

 

In Königsberg im Jahre

 

1795: verh. 651; geb. 875 Knaben, gestorben 1371; Mädchen geb. 826, gest. 1383. Insgesamt: geb. 1701, gestorben 2754

 

1807: verh. 490;  geb. 1027 Knaben, gestorben 3091; Mädchen geb. 922, gest. 3301. Insgesamt: geb. 1949, gestorben 6391

 

1809: verh. 730;  geb. 1114 Knaben, gestorben 1224; Mädchen geb. 1102, gest. 1191. Insgesamt: geb. 2216, gestorben 2415

 

1813: verh. 669;  geb. 1021 Knaben, gestorben 2357; Mädchen geb. 982, gest. 2046. Insgesamt: geb. 2003, gestorben 4403

 

Das hohe Überwiegen der Sterbeziffern 1795 fällt sofort auf; sollte hier der Feldzug gegen die aufständischen Polen unter Kosciuszko an der Seite der Russen, der zu der blutigen Schlacht von Sczokozyn führte, eine Ursache sein? Wahrscheinlicher erscheint mir das Auftreten von Seuchen infolge dieser Kriegswirren auch in dem abgelegeneren Königsberg.

 

1807 wird die gewaltige Sterbeziffer durch die Kriegsverluste und besonders die Seuchenverbreitung („Lazarettfieber", „Nervenfieber" [= Typhus und Flecktyphus], Ruhr) in dem besetzten, mit Verwundeten und Kranken überfüllten Königsberg zur Genüge erklärt. Die allgemeine Unsicherheit erklärt den starken Rückgang der Eheschließungen.

 

1809 war in Ostpreußen die politische Lage beruhigender. Daher überwiegen die Sterbefälle nur gering und Eheschließungen und Geburten nehmen zu.

 

1813, das große Jahr der Befreiung, zeigt wieder deren Rückgang und Zunahme der Todesfälle auf dem Schlachtfeld und durch Seuchen.

 

Im Einzelnen vermerken die Berichte noch für

1795: Angaben über Lebensalter, Unfälle, Schiffsverkehr. „Auf dem Sackheim wurde ein Mann von 99 Jahren begraben. Eine Drillings-, 18 Zwillingsgeburten".

 

1807: „20 Zwillingsgeburten, 265 uneheliche Kinder“. Von den Gestorbenen waren 270 71 – 80-jährig, 161 81 – 90-jährig, 21 91 – 100-jährig, 5 101 – 105-jährig. (Diese Zahlen erscheinen reichlich unwahrscheinlich.)

 

1809: „10 Zwillings-, 351 uneheliche, 88 Totgeburten, 35 tödliche Unfälle, davon 19 ertrunken, 1 erfroren, 6 Selbstmorde“.

 

1813: Totgeboren 98, zu Tode gefallen 3, tot gefunden 1, ertrunken 20, am Ofendunst erstickt 1; Selbstmord 1“.

 

Seite 10   Dr. Walter Schlusnus. Disposition zum Charakter.

Weit verbreitet ist die Meinung, Immanuel Kant, der Königsberger Philosoph, dessen Geburtstag sich 1954 zum 230. Mal, wie auch sein Todestag zum 150. Male jährte, sei der klassischste Pedant gewesen. Es ist dies eine volkstümliche Meinung, die trotz des Respekts vor der geistigen Leistung und Bedeutung dieses Mannes nicht für ihn und seine Lehre wirbt. Der abstrakte Stil seiner philosophischen Schriften mag diese Ansicht nicht wenig gefördert haben. Gewisslich ist die ins Feld geführte „Trockenheit" seiner erkenntniskritischen Untersuchungen eine verzeihbare Entschuldigung für den, der die Kantischen Darlegungen, wenn überhaupt, so nur oberflächlich zu lesen gerüstet ist. Es ist aber nicht immer richtig, dass alle Dinge zwischen Himmel und Erde von Natur „einfach" seien und dass nur der sie gründlich verstanden habe, der in der Lage ist, sie auch „einfach" darzulegen. Die Sprache verliert nämlich ihre einfache, intuitive Bildkraft immer mehr, je weiter der menschliche Geist in die Kompliziertheit und Verzweigungen der abstrakten Gedankenwelt und deren unbegrenzte Möglichkeiten vordringt. Je mehr es darauf ankommt, Missverständnisse, Missdeutungen und Allgemeinheiten auszuschließen, desto schmaler und steiniger wird der Weg der allgemeinen Verständigung, den die Sprache bietet. Je verzwickter die Gedankengänge, desto schwieriger die sprachlicher Fassung. Denn Gestalt und Konstruktion der Sprache, ihre Elastizität und ihr Volumen sind Erzeugnis des menschlichen Geistes und seinem schaffenden Wirken kongruent.

 

Es bleibt da nichts übrig, als die verschlungenen Pfade des Denkens auf dem Wege der philosophischen Fachsprache mitzugehen, wenn auch unter Anstrengungen, die der qualvollen Wartestunde auf dem vertrackten, von Ungeziefer wimmelnden Denksofa des alten Sokrates vergleichbar sein mögen, wie sie von Aristophanes in einer seiner großen Komödien geschildert wird. Viele kommen auf dem dornenreichen Pfade zum Ziel, manche erreichen es nie; denn freilich ist die Philosophie ein schwereres Geschäft, als Brötchen zu verkaufen.

 

Natürlich hatten es die Zeitgenossen Kants leichter, die den Philosophen selbst vortragen hörten; denn auch außerhalb seiner Vorlesungen an der Universität wird ihm die liebenswürdigste, unterhaltendste Art nachgesagt. Johann Gottfried Herder, einer seiner eifrigsten Schüler von 1762 - 1764, hinterließ über Kant folgendes Urteil: „In seinen blühendsten Jahren hatte er die Munterkeit eines Jünglings. Seine offene, zum Denken gebaute Stirn war ein Sitz unzerstörbarer Heiterkeit und Freude, die gedankenreichste Rede floss von seinen Lippen; Scherz, Witz und Laune standen ihm zu Gebote, und sein Vortrag war der unterhaltendste Umgang. Menschen-, Völker-, Naturgeschichte waren die Quellen, aus denen er seinen Vortrag belebte, nichts war ihm gleichgültig. Er munterte auf und zwang angenehm zum Selbstdenken“.

 

Seine Beliebtheit im gesellschaftlichen Kreise bestätigt u. a. Frau von der Recke: „Kant war der dreißigjährige Freund des Reichsgrafen von Kayserlingk zu Königsberg und liebte den Umgang der Gräfin, die eine sehr geistreiche Frau war. Oft sah ich ihn da so liebenswürdig unterhaltend, dass man nimmer den tief abstrakten Denker in ihm geahnt hätte“.

 

Zu Lebzeiten Kants hatte man also eine ganz andere Meinung von seinem Temperament, das den gelehrten Mann zu einem ausgezeichneten, begehrten Gesellschafter machte. Diese anerkennenden Urteile der Zeitgenossen widersprechen auch genau dem, was man heute volkstümlich unter Pedantentum versteht. Wie die Trockenheit seiner philosophischen Fachsprache strenge Beschränkung allein auf das Notwendige in der Gedankenfolge ist, so setzt dies eine gleiche Haltung in der Arbeitsweise und im Rahmen der selbstgewählten Aufgabe in der Lebensführung voraus. Dabei wäre es falsch, einen solchen „trockenen" Schreibstil für alle Schriften Kants anzunehmen. Die fast populären Abhandlungen des Philosophen, die sich oft mit den praktischen Dingen des realen Lebens befassen, reden eine andere, ganz sinnfällige Sprache. Ebenso bleibt Kant bei all seiner umfangreichen lehrenden und schriftstellerischen Arbeit als forschender Denker noch genügend Zeit im Tageslauf zur freien, allerdings sehr geordneten Gestaltung seiner Lebensweise.

 

Erst wer zu sehen vermag, mit welcher ständigen Vorsicht, lauteren Gewissenhaftigkeit und Selbstprüfung, vornehmen Rücksicht und angestrengten Sinnesschärfe Kant seine Gedanken durch das Gewirr von gegenteiligen oder begleitenden Anschauungen Schritt für Schritt vorantreibt, um alles hinter sich lassend zu den hervorleuchtenden Grundsätzen seiner Sittenlehre zu gelangen, kann seinem „trockenen" Stil und seiner „pedantischen" Arbeits- und Lebensweise gerecht werden. Ohne diese notwendige äußerste Genauigkeit im Denken wie im Leben wäre es dem physisch schwächlichen Manne kaum gelungen, sein Sittengesetz von der Würde der freien menschlichen Persönlichkeit in einer gänzlich unzulänglichen Welt zu Ende zu denken und auch fertig zu schreiben. Und hier berühren sich seine „Pedanterie", die notwendige Genauigkeit im Denken und Leben, und die Prinzipien seines Sittengesetzes selbst: Ordnung — Disziplin — Pflicht — Selbstverantwortung — Freiheit der menschlichen Persönlichkeit. Dahin durchzustoßen ist ohne strenge Regelung und Peinlichkeit nicht möglich. Kant wusste um den Vorwurf der „Pedanterie" selbst, ohne auf die Forderung nach einer peinlichen Regel als praktischem Ordnungsprinzip verzichten zu wollen. Er sagt: „Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverlässig, man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen daran ist. Zwar tadelt man Leute häufig, die immer nach Regeln handeln, z. B. den Mann, der nach der Uhr jeder Handlung eine gewisse Zeit festgesetzt hat, aber oft ist dieser Tadel unbillig, und diese Abgemessenheit, ob sie gleich nach Peinlichkeit aussieht, ist eine Disposition zum Charakter“.

 

Es hieße an den allgemeinen Grundlagen der menschlichen Gesittung rütteln, wollte man diese Eigenschaften der Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Abgemessenheit gering schätzen, weil es unbequeme Mühe macht, sie zu erwerben und zu bewahren, oder sie etwa nur als leergelaufene Maschinerie der Arbeits- und Lebensweise werten. Sie haben der individuellen Existenz des Menschen meist erst einen sittlichen Rückhalt geschaffen und den zum Staat geformten sozialen Gebilden der Menschen oft erst eine moralische Rechtfertigung ermöglicht. Sie haben Menschen und Staaten groß und bedeutend gemacht, wenn sie geachtet wurden. Wo und wann man sich über diese Werte, in denen Kant „eine Disposition zum Charakter" erkennt, hinwegsetzte, zerbrachen nicht nur Staaten, sondern auch Menschen. Ordnung und Disziplin als Gebote der Vernunft sowohl der sittlich freien Persönlichkeit als auch des Staates zum Lehrsatz praktischer Ethik erhoben zu haben, ist Immanuel Kants Verdienst. In ihrer Befolgung liegen nach Kant die Voraussetzungen für die menschliche Entwickelung. Es sind dies Werte, ohne die derjenige, der arbeitet und zu aufbauender Arbeit erziehen will, auch heute nicht auskommt. Möglich, dass solche Menschen sich unversehens den falschen Ruf der Gefährlichkeit erwerben. Aber alle Entwicklung birgt Gefahr in sich, und der Ruf ist falsch; denn das Gebot der Vernunft bändigt die Gefährlichkeit, und es bleibt die Forderung des Charakters.

 

Seite 10   Ostdeutscher Kulturrat plant.

Auf seiner letzten Sitzung befasste sich der Vorstand des Ostdeutschen Kulturrates u. a. mit den für das Jahr 1958 vorgesehenen Planungen. Es wurde beschlossen, die Ostdeutschen Kulturtage im Oktober 1958 in Aachen abzuhalten. Sie sollen unter dem Leitmotiv der deutsch-osteuropäischen Nachbarschaft stehen.

 

Der 3. Band des Jahrbuches „Ostdeutsche Wissenschaft" ist in Druck gegeben und wird im Februar oder März erscheinen. Für den folgenden Band sollen erstmalig auch ausländische Wissenschaftler als Autoren gewonnen werden.

 

Im Beisein von Vertretern des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen und der Stadt Düsseldorf wurde eingehend die für den Hochsommer 1959 in Düsseldorf geplante ostdeutsche kulturhistorische Ausstellung erörtert. Die Anwesenden waren sich einig, dass die Trägerschaft für diese Ausstellung beim Ostdeutschen Kulturrat liegen soll.

 

Einen weiteren Gegenstand der Besprechungen bildete ein ebenfalls für das Jahr 1959 in Zusammenarbeit mit der Hessischen Landvolk Hochschule ins Auge gefasster gesamtdeutscher Lehrgang. Dieser soll in mehrmonatigen Kursen deutschen und ausländischen Teilnehmern gesamtdeutsche Fragen in europäischer Bedeutung nahebringen.

 

Seite 10  Kulturschaffende unserer Heimat. Walter Scheffler, der gehörlose ostpreußische Dichter.

Foto: Kranich.

Es ist bezeichnend, dass man von Dichtern in unserer von Wirtschaftswundern berauschten Zeit weit weniger hört als von Boxern, Filmhelden, Schönheitsköniginnen, Räubern und Mördern. Den Lyrikern zumal begegnet man fast nur noch in den wenigen Blättern, die sich in geistiger Verantwortung von dem alles verblödenden Sensationsgetriebe der Bildzeitungen fernzuhalten verstanden, weil sie um den Wert der inneren Stille wissen und um die, die daraus leben und schaffen.

 

Zu diesen aus und in der Stille Schaffenden gehörte immer schon der Königsberger Dichter Walter Scheffler. Er steht in unserer materialistischen Welt als der ewige Idealist. Manchmal möchte man fast an einen asketischen Heiligen denken, so offen er auch für alles Leben dieser Erde ist. In der Welt des krassesten Eigennutzes blieb er der Uneigennützigste. Ehe er an sich selber denkt, denkt er an hundert andere, opfert sich für sie auf. Wo er seelische Bedrängnis sieht, sucht er sie durch seinen geistigen Zuspruch zu lindern. Ein in der Zeit des Untermenschentums reinste Menschlichkeit ausstrahlender Mensch!

 

Trotz der großen Einsamkeit, in die ihn seine völlige Gehörlosigkeit schon in früher Jugend bannte, trotz der Nöte der Zeit, die sich bei seiner kleinen Rente heute immer fühlbarer für ihn machen, hat Scheffler seinen Lebensglauben, ja auch seinen aus allumfassender Weltenliebe quellenden Humor noch nicht verloren.

 

Seine oft auch scharf satirischen Gedichte auf unsere Zeit und ihre oft so merk- und fragwürdigen Gestalten können sich in ihrer dichterischen Schau und ihrer Formvollendung gern neben Gedichten von Eugen Roth sehen lassen. Doch von dieser Seite kennen Scheffler nur wenige ihm Vertraute.

 

Gerade diese heiteren Verse zeugen, wenn oft auch der Galgenhumor bei ihnen Pate gestanden hat, davon, dass dieser Dichter vor dem Leben nicht kapitulierte. — Wenn man seine jüngsten, ernsten, noch ungedruckten Gedichte kennt, erlebt man vielmehr, dass dieser Lebenskampf ihn nur tiefer und weiser gemacht hat. Wie vielen könnte dieser Dichter wahrhaft ein Wegweiser sein. Aber wer kümmert sich heute um Weise und geistige Wegweiser?

 

Es erfüllt einen immer mit besonderer Ehrfurcht vor der Schöpfungskraft der Seele, wenn man ein Werk wie das dieses Dichters betrachtet, der sich aus der Dunkelheit seines sozialen Daseins emporgerungen hat zu einem inneren Lichte, das dies dunkle Leben durchgoldet. Wenn Scheffler einmal wehmütig schreibt: „ . . . Wir aber frösteln vor den Übergängen, / sehn unsre Welt sich mehr und mehr verengen, / und näher rückt des Abenddunkels Saum. / Zurückgewiesen von den lichten Wegen, / sehn wir die Nacht sich dichter um uns legen --", dann steht dem an anderer Stelle das Bekenntnis gegenüber: „Doch solang wir noch sind / hier zwischen Welken und Grünen, / gilt es, dem Leben zu dienen, / ehe die Stunde verrinnt!"

 

Ja, dies Dem-Nächsten-Dienen hat unser Dichter schon in frühester Jugend gelernt, als der Familie der Vater entrissen wurde, so dass die Unterhaltung seiner Angehörigen auf den Schultern des Jünglings lastete. Da das Schneiderhandwerk des Vaters für den immer schon Schwächlichen und Kränkelnden zu schwer war, ging er in die Buchbinderlehre, war aber auch dort oft dem Zusammenbruch nahe. Doch die äußeren und inneren Nöte gerade waren es, die den Gehörlosen auf die innere Stimme verwiesen und ihn zum Dichter machten. Das war seine Selbsterlösung!

 

„Mein Lied", sein erstes Gedichtbuch, von seinem Neffen Brachhaus kunstvoll auf Stein geschrieben, von Scheffler selbst gebunden und vertrieben, erlebte in Kürze eine zweite Auflage. Zur Kantfeier (1924) erschien, auf dieselbe Art gedruckt und vertrieben: „Mein Königsberg“. Dies Buch, das der Verlag Gräfe & Unzer kürzlich neu aufgelegt hat, ist ein leuchtendes Denkmal der geliebten Heimatstadt und ihrer geistigen und geschichtlichen Vergangenheit. Unvergesslich darin besonders die feingeistige Sonette um Kant. — Neben einem in einem Dresdner Verlage herausgekommenen Gedichtbande „Helle Wege", das einen tief Sinnenden, sehr Liebenden, sehr Frommen und ewig sich Verschenkenden zeigt, stehen zwei Prosabände, in denen der Dichter sein bewegtes Leben gestaltete, die aber zugleich ein lebendiges Kulturbild seiner Vaterstadt um die Jahrhundertwende zeichnen. Herzwarmer Humor vereint sich hier mit einem tiefen Lebensernst. Alle Nöte des Leibes und der Seele wandeln sich dem Dichter in der Hingabe an seinen Schöpfer, der auch ihn zum Schöpfer werden ließ, in seelische Kraft, die allem Übel gläubig widersteht.

 

Ferdinand Avenorius war in seinem „Kunstwart" der erste, der sich schon früh zu dem Dichter bekannte. -- Herbert Brust, der Komponist unseres choralhaft-feierlichen Ostpreußenliedes von Erich Hannighofer, vertonte zahlreiche Lieder Schefflers, die viel gesungen wurden. Seine beiden Lebensbücher zählte Anges Miegel zu ihren schönsten. — Mit ihr gemeinsam erlebte Scheffler die Belagerung seiner Heimatstadt, die Vertreibung aus ihr und die jahrelange Verbannung in Dänemark. Dort verlor er, wenige Monate nach der ehelichen Bindung, seine junge Frau, seinen vertrautesten Menschen! der ihm jedes Wort vom Munde abzulesen vermochte. Nur sein gläubiges Herz rettete ihn in der ersten Verzweiflung vor der Selbstvernichtung.

 

Das Beste seiner Dichtungen verdiente, schon seiner tiefen Menschlichkeit wegen, in den Lehrplan der Schulen aufgenommen zu werden! Viel zu wenige kennen es noch. Trotzdem wird es seinen Dichter einmal überleben; wie auch Lieder Simon Dachs ihren Dichter überlebten, dem Walter Scheffler in der Einfalt und Tiefe seines Gemütes sehr nahe steht, den er aber In seiner dichterischen Schau und künstlerischen Gestaltung weit überragt.

 

Es ist sehr erfreulich, dass neben seinem von Gräfe & Unzer verlegten Buches „Mein Königsberg“ im Verlage von Heinrich Siepmann in Mühlheim/Ruhr, ein Auswahlband aus des Dichters Prosa und Lyrik in einer sehr wohlfeilen Ausgabe auch heute noch zu haben ist. Diese Bücher können auch den Schulen nicht warm genug empfohlen werden! Fritz Kudnig.

 

Seite 10   „Kogge-Tagung" in Holland

Auf Einladung Hollands fand Ende des vergangenen Jahres eine Dichtertagung in Enschede statt. Es nahmen die holländischen und deutschen Dichter der „Kogge" an diesem Treffen teil. Es wurden für alle Teilnehmer durch die Vielseitigkeit der kulturellen Veranstaltungen und Besichtigungen unvergessliche Erlebnisse und Eindrücke, nicht zuletzt durch die freundschaftliche Atmosphäre, die während des dreitägigen Aufenthaltes in der Industriestadt Enschede herrschte. Die deutschen Gäste lernten die sie die schöne Landschaft der Twente kennen, besahen die Kunstsammlung Hannema im Schloss Weldam, waren Gast in eiem der herrlich gelegenen Landhäuser (Landhaus Slaghekkeveg bei Frau Minister Kuil-Scholten) und verlebten stimmungsvolle Stunden in der alten geschmückten Diele eines Bauernhauses. Ferner wurden eine Wasserburg und verschiedene Kunstsammlungen besichtigt.

 

Empfänge im Rathaus und im Memphis-Hotel auf Einladung der Stadt, viele Ansprachen mit der Betonung gegenseitigen Verstehens und innerer Gemeinschaft. Dichterlesungen der holländischen und deutschen Dichter in den verschiedenen Schulen trugen zur Vertiefung der freundschaftlichen Verbindung bei und führten zu wertvollen Gesprächen von Mensch zu Mensch. Am Abend lasen Stefan Andres und Manfred Hausmann aus ihren Werken vor, vormittags in den Enscheder Schulen die holländischen Dichter Ben van Eijsselsteijn, Antoon Coolen, Johan Fabricicus, K. H. R. de Josselin de Jong, Adriaan Morrien und Aar v. d. Werthorst und von den deutschen Koggemitgliedern Martin Beheim-Schwarzbach, Josef Reding, Carl Mandelartz und der Ehrenpräsident der „Kogge", Dr. Josef Winckler. Hervorzuheben ist noch eine ausgezeichnete Opernaufführung von Mozart („Don Giovanni") im neuen stilvollen Stadttheater („Forum" ensemble in der „Twentse Schouwburg).

 

Die Ansprache des Vertreters der holländischen Regierung, J. B. Braakma/Den Haag, die eindrucksvollen Reden des prächtigen Bürgermeisters von Enschede sind hervorzuheben. Vertreter der Regierung von Westfalen, u. a. Bürgermeister Hattenhausen und der Verkehrsdirektor Dallmeyer von Minden, dem alljährlichen Ankerplatz der „Kogge", der kulturellen Vertreter von Vlotho nahmen an der Tagung teil und betonten das gegenseitige gut nachbarliche Verhältnis. Alles in allem: Es war bei der vorbildlichen Gastfreundschaft der Holländer auch eine politisch bedeutsame Tagung, die einen Höhepunkt für die „Kogge" bedeutete und dem ihr Präsident, Dr. Hanns Martin Elster, in häufigen Ansprachen den herzlichen Dank der deutschen Dichter zum Ausdruck brachte.

 

Dr. Eduard Schoneweg aus Salzuflen, der ehemalige Museumsdirektor, erzählte von seiner Entdeckung eines Rubens in der schönen Diele des Landsitzes „Het Everlo" in Rossum, Gemeinde Weerselo, und schloss seine Ansprache mit dem Gedicht „An Holland" des Danziger Dichters Carl Lange, das unseren Eindrücken von dem gesegneten Land und seinen Bewohnern beredten Ausdruck gibt. C. L.

 

Seite 10   Kulturelles in Kürze.

Annemarie in der Au, die in Tilsit geborene, unseren Lesern aus vielen Erzählungen bekannte ostpreußische Schriftstellerin, hat ein Schauspiel „Ich liebe Maurice" geschrieben, das vom Mainzer Kellertheater „das podest" zur Uraufführung im März d. J. erworben wurde. Die Autorin ist bislang vor allem als Erzählerin bekannt geworden, sie war unter den Preisträgern des ostdeutschen Erzählerwettbewerbs des Göttinger Arbeitskreises.

 

Eine Corinth-Ausstellung werden die Berliner Museen vom 18. Januar bis 3. März anlässlich der 100. Wiederkehr des Geburtstages von Lovis Corinth im Charlottenburger Schloss veranstalten.

 

Die Ostberliner Nationalgalerie zeigt eine Ausstellung- zum Gedächtnis an den 100. Todestag des Berliner Bildhauers Christian Daniel Rauch (1777 bis 1857). Die Werke stammen aus dem Besitz der Nationalgalerie, aus Leihgaben der Potsdamer, Weimarer und Dresdner Museen, des Märkischen Museums in Ostberlin und aus dem Privatbesitz der Urenkelin des Künstlers.

 

Archivmaterialien, Handschriften und die Bibliothek der Deutschen Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ in Halle sollen nach einer Meldung der Sowjetzonen-Agentur adn aus der Sowjetunion zurückgeschafft und mitteldeutschen Stellen übergeben werden.

 

Der neue Roman von Siegfried Lenz „Der Strom wird von der CCC mit Hans Albers in der Hauptrolle verfilmt werden. Das Drehbuch schreibt Hans Jochen Huth. Der ostpreußische, aus Masuren stammende Schriftsteller ist vor allem mit seinem „So zärtlich war Suleyken" bekannt geworden.

 

 

Seite 10   Lyrik-Anthologien

Der „Karlsruher Bote“, über dessen dankenswertes Schaffen wir schon wiederholt berichten konnten, gibt im März und Mai dieses Jahres zwei neue Lyrik-Anthologien heraus. Sie stehen unter dem Motto „Mütter und Blumen“ und „Liebende“. An der Mitarbeit werden vor allem junge Kräfte aufgerufen. Einsendeschluss für den März-Band 1. Februar, für den Mai-Band am 1. April an Kurt Rüdiger, Karlsruhe, Weinbrennerstraße 47.

 

Seite 10   Gute Stunden. Von Walter Scheffler.

Jene Stunden sind die besten,

die dir kamen wie ein Traum;

heimlich werden sie zu Festen,

bleibenden im Seelenraum.

 

Manchmal ist's nur eine Blüte,

die dein Auge liebend schaut,

oder eines Menschen Güte,

die dein Glauben neu erbaut.

 

Nimmer können sie dir schwinden,

die aus Gottes Ewigkeit

dich zu trösten zu dir finden,

leuchtend durch das Grau der Zeit.

 

Seite 11   Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte

Der Waldläufer / Von Heinrich Elchen.

In meiner Jugend gab es in Elbing häufig „Straßenschlachten", wenigstens in jenem Bezirk, in dem ich damals wohnte. Nicht Straßenschlachten politischer Gegner, wie sie späterhin sogar eine Zeitlang fast alltäglich waren, sondern dreißig, vierzig, auch fünfzig Jungen und mehr, vom Marienburger Damm zum Beispiel, zogen gegen die gleich starke Meute der Holländer Straße oder der Ritterstraße.

 

Ich weiß nicht mehr, welche Ursachen diese Fehden hatten; aber wahrscheinlich habe ich das niemals gewusst. Ich weiß auch nicht mehr, ob es nur Handgemenge und Raufereien gab oder gar ernste Schlägereien. Ich weiß nur, dass Macht auf Macht prallte und dass es herrlich war, obwohl ich durchaus kein „Rabauke" gewesen bin, dem so etwas von Natur aus Lebenselement gewesen wäre.

 

Manchmal wurde auch mit List und Tücke gearbeitet. So entsinne ich mich, dass der Anführer einer feindlichen Straße einmal an einer Wohnungstür klingelte, hinter der unser Anführer wohnte. Die öffnende Hausfrau wurde höflich gefragt, ob ihr Sohn Willy zu sprechen wäre. Natürlich rief sie ihn bereitwillig; doch kaum war er neben seiner Mutter aufgetaucht, als er auch schon rechts und links ein paar Ohrfeigen sitzen hatte. Das ging dermaßen schnell, dass Willy erst aufheulte und seine Mutter Zeter und Mordio schrie, als der Übeltäter schon unten am Absatz der Treppe verschwand.

 

Allmählich jedoch war mir die Enge der so vertrauten Straße beklemmend geworden, ein unbestimmtes Sehnen nach Freiheit und Weite erwachte und strebte hinaus aus dem Häusermeer. Ich fand einen Gefährten, der sich von mir überreden ließ, mit mir gemeinsam den Vogelsanger Wald zu durchstreifen, der fern hinter Feldern sich mit Höhen und Schluchten erstreckte: Rudi, der Klassenkamerad und Hausnachbar, keck, frech und unternehmungslustig und alles dies im Gegensatz zu mir, der ich still und verträumt war. Ach, wie kläglich endete unser erstes Unternehmen!

 

Einige hundert Meter hinter der engbebauten Straße am Stadtrand, in Wittenfelde, lag noch ein einzelnes einstöckiges Wohnhaus hinter grünem Staketenzaun. Als wir dort eben vorübergingen, stürzten von seinem Hof acht, neun oder zehn Jungen in unserem Alter und älter und jünger hervor und umringten uns mit Geschrei. Rudi entfloh ein paar Schritte, wurde jedoch eingeholt und ebenso wie ich festgehalten und nach Name, Alter, Wohnung und Schule gefragt. Während er sofort alles bekannte, verweigerte ich trotzig und hartnäckig jede Auskunft.

 

„Lasst den laufen!" riefen meine Gegner ihren Kameraden zu, „hier diesem müssen wir's geben!"

 

Rudi rannte davon, etwa zwanzig Meter weit, blieb stehen, wandte sich um und sah zu, wie ich jämmerlich durchgebläut wurde. Ich hätte vor Wut über die Straßenräuber und vor Enttäuschung über das schmähliche Versagen meines Freundes am liebsten losgeheult, aber ich tat es nicht. Als man mich endlich freigab, folgte ich Rudi ziemlich zerfleddert und ganz verschmutzt. Schweigend gingen wir weiter zum Wald, wortkarg kehrten wir dort gleich wieder um. Rudi tat, als wäre durchaus nichts geschehen, ich aber fühlte mich sehr unglücklich.

 

Ich bin dann oft, jedoch nur allein, und — aus Vorsicht — auf anderem Wege zu dem großen lockenden Wald gegangen und in ihn eingedrungen, und fast jeder Schritt in ihm führte zu neuer Entdeckung und neuer Eroberung. Da stand doch gleich unweit vom Waldrand an schmalem Pfad ein kleiner Feldstein, in den ein Kreuz eingemeißelt worden war. Es bezeichnete den grusligen Ort, wo vor vielen Jahren ein bekannter und sehr beliebter Elbinger Arzt bei einem seiner zu jeder Jahreszeit ausgeführten Frühmorgens Spaziergängen ermordet worden war. Nie ist der Mörder entdeckt worden und niemals auch nur der Grund zu dieser unheimlichen Tat. Nur zehn Minuten weiter, nachdem der schmale Weg sich hochgeschraubt hatte, sah man tief unten am Bach in einem geräumigen Tal die Wesseler Mühle, zu der man über Stock und Stein hinabklettern und das riesige hölzerne Mühlrad anstaunen konnte, besonders, wenn es sich ratternd drehte und das Wasser von ihm wie flüssiges Silber niederschäumte.

 

Hinauf und hinab, auf breiten, geraden und schmalen, gewundenen Wegen ging es kreuz und quer durch den Wald. Wenn ich glaubte, irgendwo weit fort mich wunderbar verirrt zu haben und völlig im Unbekannten zu sein, traf ich unvermutet dort bald wieder Stellen, die mir bekannt und vertraut waren. Wege, die ich früher nur stückweise gegangen war, lief ich nun endlich zu Ende; sie stießen auf Umwegen wieder zusammen oder kreuzten sich überraschenderweise. Das machte mir solchen Spaß, dass ich ganz systematisch jedem Weg, Steg und Pfad nachspürte und ihn aufzeichnete. Vater hatte bei Kriegsende eine große, zusammenfaltbare Russlandkarte heimgebracht, die unbeachtet zu Hause lag. Auf deren riesiger Rückseite machte ich meine Eintragungen: die Bäche, die Brücken, die Höhen mit Aussichtspunkten und sonstigen Merkwürdigkeiten. Der Maßstab war freilich meine eigene Erfindung und je nach Bedarf, das heißt: nach Platzvorrat oder Platzmangel verschieden, — aber wen ging das etwas an!

 

Selbstverständlich kannte ich die Aussichtspunkte: Waidmannsruh, Sängerlust, Talblick, und besonders gern erkletterte ich das Belvedere, den hohen, festen hölzernen Aussichtsturm hoch über den Wipfeln des Waldes. Von ihm aus konnte der Blick ungehemmt weit in die Runde schweifen, über die wie bunte Flicken vielfarbigen Felder, über den Gänseberg und den Thumberg im Süden zum fernen Drausensee, über die Stadt mit den ragenden Türmen und Dächern im Westen hinaus zur brettebenen Niederung bis zur winzigen Silhouette der Marienburg am Himmelsrand und im Norden über die nur schmal aufblitzende Andeutung des Frischen Haffs mit dem blauen Schatten der Nehrung dahinter. Ich war ein richtiger Waldläufer geworden.

 

So kam ich, als ich den Wald vollständig durchquert hatte, zu meiner größten Verwunderung einmal auch an eine Chaussee, die ich, mit ihrer sich aus der Tiefe mit weitem Bogen heraufschraubenden Windung, aus anderer Richtung kommend, seit langem schon kannte, und stand am Seeteich. Das ist doch eine merkwürdige Bezeichnung für ein Gewässer: See und Teich und doch keins von beiden richtig und für sich allein zutreffend. Noch merkwürdiger aber ist die Geschichte, die es von ihm zu erzählen gibt: Da hatte hier vor langer, langer Zeit auf festem Boden eine Kirche gestanden, die plötzlich in einem sich unter ihr öffnenden Krater versunken war, der sich sogleich mit Wasser füllte und also einen kleinen See oder vielmehr großen Teich, nun, eben den Seeteich bildete.

 

Wohl kurz vor der Jahrhundertwende hatte sich eines Morgen in der Stadt das Gerücht verbreitet, die versunkene Kirche höbe sich langsam empor; irgendwer hätte das Kreuz auf der Turmspitze bereits aus dem Wasser ragen sehen. Alsbald setzte eine Wallfahrt zu Fuß, zu Wagen und zu Pferde nach dem Wunderort ein, und am Nachmittag war die Chaussee dort oben schwarz von Menschen, die staunend und zweifelnd standen oder auch, in frommem Gebet kniend, weiterer Ereignisse harrten. Da kam der Landrat mit seiner Kutsche angefahren, schaute gleichfalls lange hinüber und ordnete an, dass ein Kahn beschafft würde, den es auf diesem von Schilf und Seerosen überwachsenen Wasser nicht gab. Als das Boot, schon bei beginnender Dämmerung, auf einem Fuhrwerk eintraf und einige beherzte Männer zu dem Kreuz hinüber ruderten, entdeckten sie, dass es aus zwei kreuzweise zusammengebundenen Stöcken bestand, deren einer tief in dem sumpfigen Boden steckte...

 

Dazu wäre zum Schluss noch zu sagen, dass niemals festgestellt wurde, wer bei Nacht und Nebel diesen nicht ungefährlichen Unfug ausgeführt hatte.

 

Seite 11   Bild: Abschied. Lithographie von Gertrud Lerbs-Bernecker. (Aus „Ostpreußenkalender 1958“, Gräfe und Unzer Verlag, München) 

 

Seite 11   Die goldene Kette. Von Rudolf Naujok.

Gott hat die Sterne

An den Himmel gestellt,

Eine goldene Kette

Um die Angeln der Welt.

 

Mag vieles zerspringen,

Ob alles fällt,

In den goldenen Ringen

Die Kette hält.

 

Magst du auch irren

In Nacht und Graus,

An der goldenen Kette

Findest du tastend nach Haus ...

 

Seite 11   Annemarie von der Au: Das sibirische Spiel.

Es hatte seine Zeit gedauert, bis das sibirische Eis, das wie ein Hemmnis vor der Sprache des Heimkehrers lag, unter der Wärme seiner Familie allmählich auftaute und Bruchstück für Bruchstück der Erinnerung freigab. Da hielten sich die Kinder möglichst unauffällig aber umso beharrlicher an seiner Seite, um ja keines seiner Worte zu verlieren. Der zwölfjährige Junge und das zehnjährige Mädchen lasen die Worte aus ihm heraus wie aus einem spannenden Abenteuerbuch. Aber sie spürten, dass da noch mehr war als nur ein Abenteuer in einer für sie, phantastischen Welt, nur konnten sie es weder nennen noch begreifen.

 

Zu Beginn des neuen Jahres wurde es sehr kalt. Sibirische Kälte, sagten die Leute, ohne den vollen Umfang des Wortes zu ermessen. Sibirische Kälte . . . .


 

Hier müssen wir mit Ästen abdecken", sagte der Zwölfjährige, als er sich mit andern Kindern eines Tages gegen Dämmerung im kleinen Pavillon am Teich die Schlittschuhe abschnallte", wir sind jetzt in Sibirien“.

 

„O ja, wir wollen Sibirien spielen", begeisterten sich die andern Kinder schnell, bereit, für dieses neue Spiel entgegen dem Gebot der Eltern noch ein paar Minuten länger zu bleiben. Das Wort gab ihnen das gleiche Gefühl, als hätten sie „Räuber und Prinzessin" gespielt oder „Cowboy" oder „Indianer", und sie schleppten große dürre Äste herbei und bauten sie gegen den Wind auf.

 

„Aber wir sind ein neuer Transport und haben keine Handschuhe. Wir müssen alle die Handschuhe ausziehen", kommandierte der Zwölfjährige, „und dann müssen wir uns hinlegen“.

„Auf den kalten Boden? Du bist verrückt!" sagte einer.

„Doch, das müssen wir tun. Betten gibt es nicht im Lager, und arbeiten können wir auch nicht, weil es dunkel ist“. Also taten sie es und warteten ein Weilchen.

„Und was nun?" fragte der eine wieder.

„Nichts tun. Nun müssen wir warten, bis wir raus dürfen“.

„Ach, das ist ja gar kein richtiges Spiel. Das ist ja langweilig!" protestierte der eine, und die andern stimmten ihm bei.

„Überhaupt müssen wir nach Hause, es ist schon viel zu dunkel, und die Eltern warten", sagte ein Mädchen.

„Auch wenn sie warten, können wir nicht gehen. Draußen wachen die Russen. Wer gehen will, wird gleich erschossen!" ließ sich wieder der Zwölfjährige vernehmen. „Wir müssen warten, bis sie uns rauslassen oder holen kommen, hat der Vater gesagt!" und er zog dabei seine Schwester, die ebenfalls aufgestanden war, wieder auf den Boden zurück.

„Ach, Unsinn!" und die Kinder nahmen ihre Schlittschuhe und gingen eins nach dem andern fort.

Bei den Geschwistern blieb nur ein fremder Junge. Er hatte plötzlich das Gefühl, zu wissen, dass es hier um mehr ging als nur um ein Spiel. Nicht, dass sein Vater auch in Sibirien gewesen wäre, nein, den hatten sie damals aus dem Treck herausgeholt, und er war dann gleich im Nachbardorf gefallen, aber die Mutter – es konnte ja möglich sein, dass die Mutter nach dort gebracht worden war und der Großvater, das wäre immerhin möglich nach allem, was man so gehört hatte, und man konnte nun einmal am eigenen Leib erfahren, wie sie dort vielleicht doch noch lebten. Er würde es dann der Großmutter erzählen, vielleicht, dass er sie dann nicht mehr so oft mit heimlichen Tränen in den Augen sehen müsste.

 

Das Mädchen fing an zu weinen und wollte nach Hause.

„Es geht nicht“, sagte der Zwölfjährige, und seine Stimme klang so trostlos, dass man es ihm glauben musste.

„Dann lass mich wenigstens aufstehen und die Handschuhe anziehen“.

„Ja, aufstehen können wir, aber Handschuhe. Wenn du frierst, kann ich ja jetzt der Bludau sein und du das Mädchen, dem er die Jacke gibt. Aber du musst mir dann dafür einen Kuss geben“.

„Du bist verrückt! Und dann kommen die Wachen, und niemand weiß, was aus uns wird“.

„Bei mir finden sie dich nicht“, und der Junge fühlte sich als Bludau unantastbarer, als es der Bludau in seines Vaters Bericht gewesen war …

 

Da es spät wurde, und die Kinder immer noch nicht nach Hause gekommen waren, beunruhigten sich die Eltern, und schließlich gingen sie die Kinder suchen. Eine Nachbarsfrau schloss sich ihnen an, deren Neugier größer war als ihre Furcht vor der Kälte. Dieser gemeinsame sorgenvolle Gang kam dem Heimkehrer seltsam vor, vielleicht, da er erkannte, dass dieser Gang zu dem lange vermissten Verbindungsglied zwischen ihm und seiner Familie wurde.

 

Man fand die Kinder bald, eng zusammengerückt kauerten sie in einem Winkel des frostdurchblasenen Pavillons. Es war keine Sensation dabei, und deshalb schimpfte wohl auch die sich betrogen fühlende Nachbarsfrau etwas von grober Unvernunft und Schlägen.

Man hörte sie nicht, denn das Mädchen schlang schluchzend die erstarrten Ärmchen um des Vaters Hals: „Ich will nie wieder nach Sibirien, und wir haben so lange warten müssen!"

 

Schweigend nahm der Heimkehrer sein kleines Mädchen auf, presste es an sich und trug es heim. Schweigend folgte ihm der kleine Zug. Nur einmal noch unterbrach der fremde Junge das Schweigen, indem er sich dicht an den Heimkehrer drängte: „Ich werde der Großmutter doch nichts von Sibirien erzählen, ich glaube, sie wird dann noch mehr weinen müssen“.

 

Seite 11   Weisheiten am Jahresanfang.

Vorausschauen.

Lade nicht alles in ein Schiff.

 

Das ist kein guter Fuhrmann, der nur einen Weg weiß.

 

Besser selber zum König gehn, als beim Kammerdiener flehn.

 

Wer den Brunnen erst gräbt, wenn er dürstet, muss verschmachten.  

 

Schöpf nicht aus einer Lache, wenn du am Strome wohnst.

 

Geben und nehmen.

Wer was kriegt, der rede viel, wer was gibt, der schweige still.

 

Salbe den Schelm, so sticht er dich, stich den Schelm, so salbt er dich.

 

Geschenke machen Gelenke.

 

Wer nicht gibt, was er hat, bekommt nicht, was er will.

 

Wenn man dem Kutscher schenkt, so läuft der Gaul.

 

Entscheide Dich!

Besser ein falscher Entschluss, als gar keiner.

 

Wer allen Heiligen dient, hat viele Herren und wenig Lohn.

 

Ehe der Kluge die Brücke findet, geht der Dumme durch den Bach.

 

Seite 12   Eine Weinkiste setzt sich ab / Von Wolfgang Altendorf.

Wir hatten die Fähre über den Rhein gesprengt und stiegen zurück. Die Straße verlief schnurgerade auf einen dunklen Punkt zu. Dieser dunkle Punkt entpuppte sich später als eine mächtige Linde, deren Krone sich breit wölbte. Aber bis dahin war es noch weit. Die Straße war leer. Unter dem verschleierten Himmel stoben die amerikanischen Jagdbomber. Sie kümmerten sich nicht um uns auf der Straße, schienen vielmehr aufgeregt das linke Rheinufer nach versteckten Truppen abzusuchen. Sie trauten wohl dem Frieden nicht, vermuteten irgendwo eine böswillige Falle.

 

Nun ging ich dicht hinter unserem Handwagen neben meinem Feldwebel. Die Kiste rieb sich quietschend. Die Räder knarrten.

 

Im Gemeindehaus des kleinen Dorfes an der Linde hatte sich ein Ortskommandant, ein Oberleutnant, niedergelassen. Er war mit der Räumung seines Büros beschäftigt und verlud eigenhändig Akten auf einen kleinen Lieferwagen. Als er uns erblickte, kam er auf uns zugestürzt.

 

„He, Sie, Leutnant! Ja, Siel" rief er. Ich grüßte freundlich. .

Sind Sie wahnsinnig geworden?" fragte er. Meine beiden „Zugpferde" ließen die Deichsel fallen. Er tippte auf unsere Kiste.

„Was ist denn das? Ja, Menschenskind, Sie als — als Offizier können doch keine Weinkiste spazieren fahren!"

Das also war es! Die Kiste gefiel ihm nicht.

„Mir sind in der letzten Stunde schreckliche Bilder der Auflösung zu Gesicht bekommen", fuhr er fort. „Aber unsere Offiziere haben immer Haltung bewahrt. Sind Sie besoffen, Kerl?"

„Möglich", sagte ich etwas unsicher.

„Die Kiste da wird sofort abgeladen", rief er fast wie im Triumph, „und dann scheren Sie sich zu Ihrer Einheit, verstanden? Sie sollten sich schämen, Leutnant!"

Oh, das also war es. Ich fühlte mich ernüchtert und schämte mich für ihn. Es ging ihm also um die Kiste. Um sich in ihren Besitz zu setzen — er erahnte wohl den Inhalt —, sprach er von Haltung und Würde des Offiziers auch im Chaos des Rückzuges. Pfui! Wie sehr er doch meine Intelligenz unterschätzte. Es schmerzte und verdross mich über alle Maßen.

 

„Was glauben Sie, was der Herr General mit Ihnen macht, wenn er Sie in diesem Zustand erblickt?" drohte er listig.

Ich lächelte verbindlich. „Der Herr General", klärte ich ihn auf, „hat mich bereits in diesem Zustand erblickt“.

„Passen Sie auf", begann ich mit geheimnisvoller Miene und deutete auf mein Gespann. „Ein Feldwebel, ein Unteroffizier, ein Gefreiter und zwei Offiziere geleiten einen Handwagen, auf dem sich eine Kiste befindet, mit Hilfe der letzten Fähre aus einem verlassenen Brückenkopf. Das muss doch seine Gründe haben, zumal sich, wie Sie selbst bemerkt haben, ein General mit einem Geländewagen, nicht wahr? — in der Gegend befindet“.

 

Er stutzte. — Ich blickte mich sichernd um, beugte mich dann zum Ohr des Oberleutnants und flüsterte: „Gekados, geheime Kommandosache. Sie verstehen? In dieser Kiste" — ich berührte ihren Deckel zärtlich — .befinden sich die Geheimpapiere der Führerreserve Wiesbaden. Auftrag des Generals: Überführung der Papiere zum noch unbekannten Korpsstab“. Ich deutete zum Himmel, unter dem wieder einige Jagdbomber kreuzten. „Einen Handwagen werden die da oben schwerlich angreifen. Übrigens stammt die Idee vom Herrn General persönlich. Ich muss Sie jedoch um strengstes Stillschweigen bitten“.

 

Der Oberleutnant trat respektvoll einen Schritt zurück. .Interessant", flüsterte er.

„Übrigens", sagte ich, „wir sind die Letzten. Die Fähre ist gesprengt. Was jetzt noch kommt, hat durchaus feindlichen Charakter.

„Herrgott!" rief der Oberleutnant sichtlich nervös, „was soll ich tun?"

Es bleibt dem Schützen überlassen", zitierte Jennewein die Heeresdienstvorschrift.

„Das Ganze marsch!" Er schwang sich wieder auf das Fahrrad.

„Ich habe verstanden", sagte der Oberleutnant erleichtert.

 

Gegen Mittag erreichten wir Wolfskehlen, eine kleine Ortschaft. In der Mitte des Dorfes lag ein kleiner Gasthof. Hier ließen wir uns vorläufig nieder. Wir luden die Kiste ab und stellten sie neben den Tisch. Einige Bauern standen an der Theke. Anscheinend hatten sie die Lage diskutiert, denn sie verstummten, als wir eintraten. Mein Feldwebel öffnete die Kiste. Wir luden den Wirt und die Bauern ein, und bald war ein vergnügliches Zechgelage im Gange. Erst am Nachmittag meldeten wir uns bei unserem Ortskommandanten. Er vermutete, dass sich sein eigenes Ersatzbataillon zurzeit im Räume Würzburg, also ziemlich weit rückwärts, befinden müsse. Dies hob seine Laune beträchtlich. Er brachte unsere Entlassung nach Erfüllung unseres Auftrages aufs Papier, vermerkte die Weiterleitung, unterschrieb und presste den Stempel darauf.

 

Da es schon spät geworden war, machte ich mich mit Jennewein auf die Suche nach seinem Nachtquartier. Wir kamen dabei an einer kleinen Gastwirtschaft vorbei, aus deren geöffneten Fenstern rauer Gesang ertönte. Jennewein schwang sich empor und blickte hinein, ließ sich aber sogleich wieder fallen und bog sich vor Lachen.

„Was gibt es denn?" fragte ich.

„Der Oberleutnant von der Dorflinde! Er sitzt drin und säuft unsere Geheimpapiere!"

 

Eine Kette amüsanter Abenteuer erlebte Wolfgang Altendorf, der unseren Lesern kein Unbekannter ist, als er in den turbulenten Monaten des Jahres 1945 mit seiner Frau — einer Kompanie-Köchin — durch Deutschland zog. Er schildert sie in dem köstlichen Roman „Odyssee zu zweit", (272 Seiten, Leinen 11,80 DM) dem wir mit freundlicher Genehmigung des Verlages Georg Westermann den vorstehenden Abschnitt entnahmen.

 

Seite 12   Winternacht. Von Willi Layh.

Die Nacht ist kalt und klar,

Der Himmel hell geweitet,

Und drüber hingebreitet

Der Sterne lichte Schar.

 

Der Flocken Silberfall

War aller Felder Segen;

Nun glänzt es auf den Wegen

Und leuchtet wie Kristall.

 

Warm ruht die Saat im Land,

Will uns viel Brot versprechen;

Dass wir's in Frieden brechen,

Das liegt in unsrer Hand!

Wir entnahmen dieses Gedicht der Anthologie „Dank der Jahreszeiten", ausgewählt von Heinz Kächele, illustriert von Werner Ruhner. Verlag der Nation, Berlin.

 

Seite 12   Das Bruderwort

Ein neues Jahr. Wir wissen nicht, was es in seinem Schoß für uns bereithält. Voller Fragen stehen wir an seiner Schwelle. Allen voran: Wird der Menschheit der Frieden erhalten bleiben? Und: Wird es uns, dieses neue Jahr, die Einheit unseres Volkes wiederbringen? Immer noch reißen die Grenzen mitten durch unser Land, oft mitten durch die Familien. Ja, verstehen wir uns denn überhaupt noch? Wir erleben es täglich in den Umsiedler-Lagern: deutsche Kinder müssen erst wieder ihre Muttersprache erlernen, um sich mit ihren Nächsten, den Ehern, dem Bruder verständigen zu können.

 

„Die eigentliche Heimat aber ist die Sprache" bekannte Wilhelm v. Humboldt, — das Wort, das Bruderwort.

 

Suchen wir es, wo immer es gesprochen wird, das Wort, das in der Dunkelheit tastet und den Bruder sucht. Ihm allein ist es gegeben, Grenzen zu überfliegen, Gegensätze zu überbrücken. Erst recht da, wo es über das Persönliche hinaus ins Allgemeingültige wächst, wo es zum Kunstwerk wird.

 

Auch Schiller schrieb seine „Räuber", ein Hutten seine deutschen Bekenntnisse in einem von vielen Grenzen zerrissenen Deutschland. Es war für das Werk nicht von Belang. Heute aber dringen kaum Stimmen von hüben nach drüben und umgekehrt. Was uns alles trennt, das wissen wir; wir hören es täglich aus dem Radio, lesen es in den Zeitungen: unüberspringbare Klüfte und Schranken, so will es scheinen.

 

Wo aber sind die Dichter, deren Stimmen über alle trennenden Ideologien hinweg Gewalt hätten und sie auf den Platz der Zweitrangigkeit verwiesen? In der zeitgenössischen „westdeutschen" Literatur wissen wir einigermaßen Bescheid (ist es nicht traurig, von einer „west"deutschen Literatur, überhaupt von einer „west"deutschen Kunst zu sprechen?), — was aber ist hinter dem „Eisernen Vorhang"? Du wirst verlegen?

 

Ehrlich gesagt: ich auch. Wir kennen aus unserer Presse einige Gedichte von Widerständlern gegen das Regime, die über entlassene Mithäftlinge aus den Kerkern zu uns gedrungen sind. Aber sonst...? Ist jeder Dichter, der sich jenseits der Zonengrenze in Freiheit bewegt, ein Kommunist, vor dessen Gesang wir uns die Ohren verschließen müssen?

 

Aber was wir suchen, ist ja nicht das Wort eines ideologischen Freundes — oder auch Feindes, wenn es uns um die Beweisführung der Richtigkeit der eigenen Weltanschauung fehlt —, sondern einfach und schlicht — das Bruderwort. Wo immer es auch gesprochen wird, ja umso willkommener, wenn es von jenseits der deutschen Barriere dringt.

 

Wir wollen es suchen, und wir müssen es finden, weil wir fest daran glauben und uns diesen Glauben auch durch nichts erschüttern lassen: dass uns immer noch mehr Gemeinsames mit den 17 Millionen Deutschen jenseits der Zonengrenze verbindet, als Trennendes überhaupt zwischen uns stehen kann.

 

Ich denke, wir können keinen schöneren Vorsatz für das neue Jahr lassen und auf keine andere Weise dem Gemeinsamen besser dienen, und so soll heute von dieser Stelle aus zum ersten Mal der Bruder zu uns sprechen. Möge es uns gelingen, allmonatlich eine neue Stimme aufzuspüren — und mögen diesem Beispiel recht viele Zeitungen und Zeitschriften, hüben wie drüben, folgen. Denn, um mit dem großen Sohn unserer ostpreußischen Heimat Johann Georg Hamann zu sprechen: „Rede, dass ich dich sehe!"

 

Seite 12   Margarete Kudnig zum Gruß. Zu ihrem 60. Geburtstag am 12. Januar 1958.

 Wer diese dunkelhaarige Frau in ihrer lichtfrohen und wieder auch ernst-besinnlichen Art einmal an dem Vortragspult erlebte, wenn sie aus ihren eigenen Dichtungen las, wenn sie von den Wundern ihrer Wahlheimat Ostpreußen oder von der harten Geschichte dieses Grenzlandes erzählte, der hat sich kaum vorgestellt, dass hier eine schon fast Sechzigjährige sprach.

 

„Aber er wird sich vielleicht gewundert haben, dass eine dithmarscher Bauerntochter — denn das war sie, ehe der ostpreußische Dichter Fritz Kudnig sie als seine Frau in seine Heimat holte — mit ebenso viel Kenntnis und Liebe von ihrer eigenen wie von dieser zweiten, ostpreußischen Heimat zu berichten wusste und dass sie in ihren schriftstellerischen Arbeiten dithmarscher wie ostpreußische Menschen anschaulich und lebensecht darzustellen vermochte. Davon zeugten Arbeiten, die sie in größeren Blättern des Reiches veröffentlichte, oft aufgeführte Laienspiele, Märchen, die sie im Rundfunk las, vor allem aber die große, abendfüllende Kantate über den Bernstein, das ostpreußische Gold, die, von Herbert Brust vertont, mehrmals in der Königsberger Stadthalle und anderswo aufgeführt wurde.

 

Ein schwerer Schlag war es für die Dichterin, dass ihr erstes größeres Prosawerk „Bernsteinfischer", das von dem Osteuropäischen Verlag herausgebracht war, im Augenblick seines Erscheinens bis auf wenige Stücke durch den Brand von Königsberg im Herbst 1944 mit vernichtet wurde. Dieses lebendig geschriebene, ernst-humorvolle Werk, das Professor Eduard Bischoff mit Zeichnungen geschmückt hatte, harrt seitdem auf seine Neuherausgabe, ebenso wie die Kantate vom Bernstein auf eine neue Aufführung, nach der viele rufen, die dies Werk in Königsberg und an anderen Orten begeistert erlebten.

 

Margarete Kudnig liebt es nicht, dass von ihrem dichterischen Schaffen, das ja immer nur „nebenbei", wie sie sagt, neben ihrem Schaffen als Hausfrau wachsen kann, viel Aufhebens gemacht wird. Mag dieser kurze Hinweis ihr ein stiller Dank für das uns bisher Geschenkte, aber auch eine Ermunterung für die Zukunft sein! F. Wilhelm

 

Seite 12   Bücher – die uns angehen.

Deutschlands Ostproblem.

Eine Untersuchung der Beziehungen des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn. Herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis. Holzner Verlag Würzburg.

Das Buch bietet auf 220 Seiten in einem rechtlichen Teil (von Prof. Dr. Herbert Kraus) und in einem historisch-politischen Teil (bearbeitet von Karl O. Kurth) eine Erörterung der mit dem „Ostproblem Deutschlands" und damit der Oder-Neiße-Linie in Verbindung stehenden rechtlichen, historischen, soziologischen und politischen Fragen unter Einbeziehung auch der Sudetenfrage in deren historischen und aktuellen Aspekten. Es ist zweifellos geeignet, dem nachdenklichen Leser eine Übersicht zu vermitteln und ihn zu weiterer Beschäftigung mit den Einzelheiten und zu selbständigem Denken anzuregen. Angesichts der drängenden Aufgabe der Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands muss auch das, in schicksalhafter Verbundenheit mit dieser Aufgabestehende Ostproblem, viel mehr als bisher in das Bewusstsein nicht nur der deutschen, sondern der Weltöffentlichkeit gebracht werden. Es ist deshalb sicherlich sachdienlich, dem deutschen wie auch dem ausländischen Leser die Völker- und staatsrechtlichen Grundprinzipien für die Regelung zwischenstaatlicher Beziehungen (Annexionsverbot, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Unrecht der Massenaustreibungen) vor Augen zu führen und die unhaltbare These von einer angeblichen deutschslawischen „Erbfeindschaft" anhand der historischen Tatsachen aus der Geschichte Preußen-Deutschlands und Österreich-Ungarns eindeutig zu widerlegen. Das geschieht in diesem Buche. Man wird allerdings bei vorurteilsloser Betrachtung nicht vergessen dürfen, dass die Westmächte in Teheran, Jalta und Potsdam wie auch sonst während des Krieges und nach ihm in blindem Hass und aus dem Fehlen gesamteuropäischen Verantwortungsbewusstseins eine verhängnisvolle Rolle bei der Behandlung des deutschen Ostens gespielt haben. Auch sie wollten Deutschland seinen Osten nehmen, wenn auch anfänglich zu einem geringeren Teil als es dann geschehen ist. Wenn in dem vorliegenden Buche von dem „Revisionismus der Westmächte" gesprochen wird, dann dürfte sich angesichts des Ost-West-Gegensatzes und der heutigen Weltlage die nachdenkliche und sorgenvolle Frage nach der praktischen Auswirkung und der Bewährungsprobe dieses angeblichen „Revisionismus" erheben. Kann man sich deutscherseits einseitig darauf verlassen? Die vielen, vielen Stimmen in der Öffentlichkeit des Westens, die den deutschen Rechtsanspruch verhüllt oder sogar unverhüllt als angeblich unpraktikabel ablehnen, dürften nicht zu überhören sein.

 

Bei voller Würdigung des Wertes der rechtlichen und historischen Argumentation wird man die in den politischen Erörterungen des Buches zwar erwähnte, aber leider nicht vertiefte und zu Schlussfolgerungen verdichtete Erkenntnis als maßgeblich anzusehen haben, dass nämlich ebenso wie die Wiedervereinigung Deutschlands bis zur Oder-Neiße-Linie allein mit Zustimmung der Sowjetunion erfolgen kann, das gleiche auch für die künftige Regelung ostwärts der Oder-Neiße gilt.

 

Es bleibt somit das Kernproblem anzupacken, mit welcher Politik die berechtigten Forderungen realisiert werden sollen. Bismarcks Wort, dass es ein Verbrechen sei, Außenpolitik nach Sympathie oder Antipathie zu betreiben, dürfte hier immer noch wegweisend sein.  

 

Neue Bildbände

Heinrich A. Kurschat: Wunderland Kurische Nehrung. F. W. Siebert Verlag, Oldenburg i. O., 128 Seiten, Querformat, Halbleinen.

Schon durch sein geschmackvolles Äußeres wird man gern zu diesem neuen Bildband über die Kurische Nehrung greifen, erst recht, wenn man in diesem Buch zu blättern beginnt. Auf 80 Kunstdruckseiten vereint es die schönsten Aufnahmen dieses Märchenstreifens der Ostsee. Vom nördlichsten Zipfel, dem Ferienparadies der Memeler, führt uns die Bilderreise herunter nach Cranz. Heinrich A. Kurschat schrieb den Text dieses Buches der dem Bilderteil vorausgeht. Er ist mit viel Liebe zu diesem Stück Heimaterde geschrieben und lässt reiche Erinnerungen aufleben, immer wieder auch weiter in die Geschichte zurückgreifend. Mit einem Wort: ein Buch zum Verschenken und Sich-selbst-schenken!

 

Stettin in 144 Bildern. Hrsgg. von Georg Vollbrecht. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer. Kart. 8,50 DM, Ln. 10,80 DM.

Mit diesem Band setzt der ostpreußische Verlag die Reise seiner ostdeutschen Dokumentarbildbände fort, aus der uns bereits sechs (drei über Ostpreußen, ein Band Danzig und zwei über Schlesien) bekannt sind. Wie in den vorliegenden Bänden lässt die Fülle und die sorgfältige Auswahl des Bildmaterials, darunter einzigartige Aufnahmen von weniger bekannten Motiven, erstaunen.

 

Schopenhauer ein Pessimist?

Die weitaus meisten Menschen, die von dem Philosophen Schopenhauer sprechen, werden ihn, ohne weiteres, einen unverbesserlichen Pessimisten nennen, nicht zuletzt wahrscheinlich die Philosophen selber. Nun unternimmt es K. O. Schmidt, Hauptschriftleiter der Zeitschrift „Die weiße Fahne" und Verfasser einer Reihe von Büchern, die der Verinnerlichung und Vergeistigung dienen wollen, in seinem letzten Werke „Das Erwachen aus dem Lebens-Traum / Meditationen mit Arthur Schopenhauer" (Baum-Verlag, Pfullingen), zu erweisen, dass nur oberflächliches Denken diesen Philosophen als Schwarzseher bezeichnen könne. — Ist das nicht ein gewagtes Unternehmen? Es scheint nur so. Wer sich tiefer mit Schopenhauer beschäftigt, wird tatsächlich finden, dass dieser zwar alles andere als ein Optimist ist, weil er, wie der Buddha, Leid, Not und Elend des irdischen Daseins nicht nur nicht übersieht, sondern in Raum und Zeit auch als vorherrschend erkennt; dass Schopenhauer aber, wie alle Religionen, auch keinen Weg der Erlösung weist. Es ist nicht der Weg des christlichen Kirchengläubigen, sondern der des Denkers und des Weisen der im Willen, im leidenschaftlichen Willen zum Leben, den Urgrund der Schöpfung sieht — und der als erlösenden Ausweg nur die Abkehr von aller Gier und Leidenschaft und der Einkehr in das eigene Selbst kennt. Dies Selbst aber, der Kern jeder menschlichen Existenz, ist nach Schopenhauer wesenhaft eins mit dem Ewigen und Unsterblichen. — K. O. Schmidt hält sich in seinem Buche sehr im Hintergrunde und lässt überwiegend Schopenhauer selbst das Wort, so dass überzeugend auch zum Ausdruck kommt, wie sehr dieser der Mystik, der deutschen und vor allem der indischen Mystik, nahe steht und geistig verpflichtet ist. Schopenhauer kennt allerdings so hoch er es auch einschätzt — nicht das Erlebnis mystischer Verzückung. Sein Weg ist der der reinen Vernunft. Die höchste Erkenntnis der Mystiker, das „Nichts" am Uranfang der Schöpfung, das Nirwana der Buddhisten, das auch er bejaht, ist für Schopenhauer alles andere als das absolute Nichts. Es ist vielmehr ein Sein über allem irdischen Dasein, ein Wert über den irdischen Nichtigkeiten, ein Freisein von allen Qualen und Nöten des Erdenlebens.

 

Jeder Tod ist für Schopenhauer nur ein Scheintod, dem Schlafe ähnlich, und ein Übergang in ein anderes Leben. Und die Wiederverkörperung der menschlichen Seele auf Erden ist für ihn etwas, was seiner Meinung nach für den dankenden Menschen geradezu selbstverständlich sein müsste. Dabei führt er eine ganze Reihe höchst geistiger Menschen an, die, wie auch er an die ewige Wiederkehr alles Lebendigen glauben. — Ist Schopenhauer, so begriffen, also ein Pessimist? Er ist ein Mensch, der über das Nieder-Irdische hinaus an ein höheres Sein glaubt, jenseits von Qual und Not. Doch das Entscheidende ist für ihn dabei der heroische Kampf des Menschen gegen sein eigenes Ich.

 

So ist er, wie schon gesagt, kein Optimist, doch ein Idealist reinsten Wassers, der es verdient, von uns Deutschen gerade in dieser dunklen Zeit gründlich gelesen — und, was noch wichtiger, gelebt zu werden. — Dieses Buch von K. O. Schmidt ist zur Einführung und Einfühlung in den großen Denker ein besonders geeigneter Wegweiser! Fritz Kudnig.

 

Erhard J. Knobloch: Hinter dem Hügel. Bilder der Erinnerung. Herbstliches Aquarell. Gedichte. Bogen-Verlag München, je 3,20 DM.

Zwei kleine Neuerscheinungen, beachtenswert schon wegen der geschmacklichen Sorgfalt und Solidität der Ausstattung, die man selbst diesen schmalsten Bändchen angedeihen ließ.

 

Die biographischen Skizzen von Knobloch der, im böhmischen Elbtal beheimatet ist, sind kaum Erzählungen zu nennen, vielmehr mit zartesten Konturen gezeichnete Studien. Immer wieder durchbrochen von versonnenen Betrachtungen, kleinen Weisheiten, die ohne Prätention, eher mit einem leisen, melancholischen Lächeln nur gleichsam halblaut hingesagt werden. Ohne Pathos in Thema und Stil, aber mit viel Liebe zu allen Dingen, besonders denen der eigenen Kindheit.

 

Das zweite Bändchen von Knobloch, „Herbstliches Aquarell“, ist Lyrik und zwar gute Lyrik. Echt im Erlebnis, voll Behutsamkeit ausgesagt, im Wort oft so dichterisch treffend, dass es betroffen macht. Man erfährt, wie die in unserem Alltag verbrauchte Welt durch die künstlerische Aussage wieder neu wird. Und das ist ja wohl das Signum wirklich berechtigter Verse. Zwischen subtilen, ziselierten Gestaltungen stehen auch bäurisch herbe, so humorvoll unbekümmert, dass ein Lachen um den Mund des Lesers zaubert. Merker

 

Seite 12   Duisburger Bürger-Illustrierte

Zum Jahresende legte die Stadtverwaltung Duisburg die erste Ausgabe ihrer „Bürger-Illustrierten" vor. Die Stadtverwaltung hat damit einen neuen Weg beschritten, den Bürgern der Stadt den Verwaltungsbericht in so anschaulicher Weise zu präsentieren. Die Illustrierte will den Bürger mit der Arbeit der Selbstverwaltung in der Gemeinde vertraut machen. Auch des Patenkindes der Stadt, Königsberg, wird darin gedacht.

 

Seite 12   Carl Lange. Gedanken und Gedichte aus dem Kerker. 79 Seiten, Ganzleinen, DM 6,80. Helmut Rauschenbusch Verlag, Stellhamm (Oldb)

 

Seite 13   Diese Seite ist gefüllt mit Buchvorschlägen.

 

Seite 14   Stille Einkehr / Ein Besuch am Grabe Johanna Wolffs.

Foto: Johanna Wolff. Porträt von Ruth Zimmern.

Die Berge und Seen des Tessin waren im vergangenen Jahr unser Ferienziel. In dem kleinen Ort Orselina, 200 Meter oberhalb des vielbesuchten Locarno am Lago Maggiore, haben wir für wenige Wochen der Erholung in einer schmucken Villa eine hübsche Bleibe gefunden.

 

Von unserem Balkon aus genießen wir einen bezaubernden Blick auf den lieblichen See und die ihn wie schützend umgebenden Berge, an dem wir uns nicht sattsehen können. Sei es, dass die frühe Morgensonne dieses Bild in frischem Glanze hell erstrahlen lässt, oder die satte Mittagsglut schwer lastend auf der Landschaft liegt, sei es, dass der milde Schein der Abendsonne sie vergoldet, oder der See im bleichen Mondlicht silbern glitzert, umrahmt von den Silhouetten der dunklen, bewachsenen Berge: zu jeder Zeit sind wir aufs neue gebannt von den Reizen dieses herrlichen Stückchens Erde.

 

Ähnliches mag auch die ostpreußische Dichterin Johanna Wolff empfunden haben, die das Glück hatte, in späteren Jahren hier leben und wirken zu dürfen. Ganz in der Nähe unseres Häuschens haben wir die „Eremitage", ihren einstigen Wohnsitz, gefunden. Scheu gehen wir an dem freundlich grüßenden Haus vorüber, denn hier können wir der Dichterin unseren Besuch nicht mehr abstatten. Wir steigen vielmehr den steilen Weg zum Friedhof hinan, der, hoch über den Dächern des kleinen Ortes, eine baufällige, graue Kirche umschließt.

 

Da wir ihre letzte Ruhestätte dort vermuten, gehen wir langsam suchend von einem Grab zum anderen, ohne jedoch den vertrauten Namen zu finden. Sollte Johanna Wolff unter einem der verkommenen, namenlosen Hügel ruhen, versunken und vergessen?

 

Wir wehren uns gegen diesen Gedanken, wollen aber schon bedrückt die Suche aufgeben, als uns endlich doch noch eine Spur den richtigen Weg weist: nach Mergosica, einem kleinen Ort im wild-romantischen Verzasca-Tal, wo die Dichterin wunschgemäß die letzte Ruhe fand.

 

Am andern Tag bringt uns das Postauto in bewundernswert geschickter Fahrt, an steilen Berghängen entlang, in das stille Tal, das, von hohen Bergen umgeben, düster und schwer anmutet. Zu halber Höhe erblicken wir ein unbeschreiblich armes Bergnest. Grau und traurig klammern sich die windschiefen Hütten, wie Schutz suchend, am nackten Felsen an. Hier scheint die Welt zu Ende zu sein.

 

In sicherer Fahrt nimmt unser Auto die letzte Höhe und hält vor der alten Kirche in Mergoscia.

 

Wir steigen aus und lenken die Schritte zum kleinen Friedhof, nicht ohne die bange Frage: „Welcher Anblick wird uns hier erwarten?"

Als wir die wenigen Stufen herabgestiegen sind, bleiben wir etwas beklommen stehen. Kalt und lieblos liegen vor uns reihenweise Sandhügel mit verwitterten Kreuzen. Der Kirchhof scheint restlos ungepflegt zu sein. Wie wir später erfahren, ist der Grund hierfür die Auswanderung der Hinterbliebenen.

 

Doch als unser Blick nach links gleitet, offenbart sich uns ein ganz anderes Bild:

In der Friedhofsecke, umsäumt von üppig-blühenden, blauen Hortensienbüschen, finden wir ein stattliches, von Gras und Klee überwachsenes Grab, und eine schlichte graue Steintafel an der Mauer kündet uns, dass wir endlich am Ziel unseres Suchens angelangt sind.

 

Hier lesen wir:

Hanneken

Keiner war gut genug mit Dir. G.

 

Erschüttert verweilen wir hier, während vor unserem geistigen Auge das Bild des geliebten Vaters erscheint, dessen Erzählungen uns das „Hanneken“ nahegebracht haben. Ihm, der die greise Dichterin und ihre Werke verehrt und geschätzt, den eine geistige Verwandtschaft mit ihr verbunden und der sie kurz vor dem Kriege noch in der „Eremitage" besucht hatte, ist nicht mehr vergönnt, hier an diesem stillen Ort Einkehr zu halten, da er nun auch schon, des Wanderns müde, ans Ziel unseres Erdendaseins gelangt ist. So legen wir stellvertretend für ihn einen bunten Sommerstrauß nieder und denken an die tröstlichen Worte Johanna Wolffs:

 

„Tod -! Unaussprechlich süß nach bittrem Leben

Dir bin ich willig hingegeben.

Tu wie du musst. Mir bleibt im Innersten bewusst,

Du bist den Menschenkindern hold.

Nein, Tod ist nicht der Sünde Sold!

Tod ist des Lebens wundervolle Blüte,

Ist Lächeln Gottes, unerhörte Güte“ ---

 

Das Stimmchen unseres Kindes ruft uns plötzlich aus unserem Sinnen wach und zurück in die Gegenwart. Bisher hat es stillvergnügt mit sich selbst im Gras gespielt, doch nun beansprucht es wieder sein Recht. Auch ein kühler Abendwind von den Bergen mahnt zu Aufbruch und Rückkehr.

 

Als wir auf der Heimfahrt nochmals abschied-nehmend den Blick wenden, leuchten Kirchlein und Friedhof im letzten goldenen Schein der matten Abendsonne, und dieser milde Glanz mutet uns an wie ein Grüßen aus der Ewigkeit.

 

Längst hat uns der Zug in schneller Fahrt wieder der Heimat und dem Alltag zugeführt Die reichen Erlebnisse der strahlenden hochsommerlichen Ferientage begleiten unser Tagwerk und schenken uns frische Kraft.

 

Besonders dankbar aber gleiten die Gedanken in das ferne Tal von Mergoscia, denn in leuchtender Erinnerung ist und bleibt uns der Besuch in der Stille und Einsamkeit, der Besuch bei „Hanneken". Elisabeth Wohlleben-Schabert

 

Seite 14   Das ostpreußische „Hanneken". Zum 100. Geburtstag von Johanna Wolff.

Am 30. Januar 1958 wäre Johanna Wolff 100 Jahre alt geworden. In Tilsit geboren, ist sie in frühestem Kindesalter Waise geworden und als Stadtarmenkind in die Pflege einer gestrengen Ziehmutter gegeben. Nach ihrer Einsegnung zog sie nach Memel in das Haus frommer Lehrersleute, widmete sich aber bald der Krankenpflege. 18 Jahre lang stand sie als Diakonissin im Dienste der Kranken. In der Cholerazeit pflegte sie in Hamburg mit hingebungsvoller Selbstlosigkeit einen schwerkranken jüngeren Mann, dem sie auch dadurch dem Tode entreißen konnte. Einige Jahre später holte derselbe Mann, der der hanseatischen Kaufmannschaft angehörte, sie als Gattin heim und erbaute ihr das Haus Moorfred in der Rissener Heide. In dieser Zeit trat sie mit verschiedenen Werken epischer und lyrischer Art an die Öffentlichkeit, darunter ihr „Hanneken", das seither viele Auflagen erlebte. Mitte der zwanziger Jahre machte ihr und ihres Mannes Gesundheitszustand einen Klimawechsel erforderlich; sie wählten das malerisch gelegene Locarno-Orselina, wo sie ihren Lebensabend verbrachte und am 5. Mai 1943 starb.

 

Aus ihrem reichen Schaffen erwähnen wir hier ihre bekanntesten Werke: „Hanneken, ein Buch von Arbeit und Aufstieg", „Hannekens große Fahrt", „Andres Verlaten", „Hans Peter Kromm, der Lebendige" und „Schwiegermütter". Nichts wäre mehr zu wünschen, als dass zu ihrem 100. Geburtstag ein mutiger Verlag ihr Werk der Vergessenheit entrisse.

 

Seite 14   Johanna Wolff

Ich warte auf die Nacht, die kühle,

mit ihrer wundervollen Ruh

deckt sie das irrende Bewegen

der müd gewordnen Seele zu.

 

Ich warte auf das große Schwingen;

sacht rauscht dein Mantel, stiller Tod,

gesäumt um deine mächtgen Flügel

trägst du das junge Morgenrot.

 

Du große Nacht, da ist kein Grauen;

Tod ist ein unverstandenes Spiel,

das ewige Leben aufzubauen;

das Gleichnis stirbt, es lebt das Ziel.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (53)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Wie das so geht: Kaum is das eine Jahr zu End, fängt auch all wieder e neies an. Und alle Menschen winschen sich gegenseitig Glick und hoffen und lauern. Wodrauf eigentlich? Und die, wo es ganz genau wissen wollen, haben inne Silwästernacht dem Orakel befragt. Manche sind dadrauf wie verrickt. Fier die is das denn nich mehr bloß e Spielerei, dass de Zeit bis zwölf schneller vergeht, wenn se das neie Jahr erwarten, sondern die sind direkt vonnem Aberglauben behoppst, und es is denn manchmal sehr schwer, ihnen zu kurieren.

 

So eine war auch de Linche in unserm Dorf zu Hause, die war in diese Hinrichtung wirklich marksdammlig. De Emma hädd ihr aufe Straße aufgelesen, se fand ihr, wie se einem großen Koffer schleppd und ganz bitterlich weinen tat.

 

„Is der Schatz untrei geworden?" fragd se ihr. „I nei", meind de Linche, „das war nich das Schlimmste, giebt ja genug andre Kerdels. Ich war in Kunigollen beinen Scheppat im Dienst, und der hat mir rausgeschmissen, weil ich seinem Jung das Gesicht zerkratzt hab. Kratzen kann ich gut, sehn Se man meine Nägel an. Der Krät hat auf mir Rinozeross gesagt. Richtig ausgesprochen hat er es ja nicht, aber er hat so dem Mund gestellt, als ob er es sagen wolld, und da hab ich ihm zur Sicherheit mit meine Nägel de Backen behobelt. Und da war aus. Nu such ich e neie Stell, wissen Se nich einem, wo Hilfe braucht?

 

De Emma wussd zufällig einem, nämlich unserm Funkenfiester Kornatz, — ach so, Se wissen emmend nich mehr, was e Funkenfiester is. Das war der Mann, wo de Schmied hädd und de Kobbels beschlagen tat. Bei dem brachd se ihr hin, und se wurden auch schnell einig. Der Kornatz hädd gerad gebaut, und nu war der ganze Dreck vonne Handwerkers wegzuraggen, deshalb solld se gleich dableiben. Aber das wolld se fier kein Geld. „Heite is Donnerstag, Fleischtag", sagd se, „und wer am Fleischtag dem Dienst antritt, kriegt kranke Hände und Fieße!"

 

Der Kornatz wolld ihr das ausreden und sagd: „Das is doch Aberglauben“. Aber se blieb bei ihr Stick. Da nahm ihr de Emma fier eine Nacht mit bei uns, aber se missd aufe Lucht im Briehtrog schlafen. Das war ihr egal, Hauptsach, se brauchd erst Freitag beim Kornatz zu gehen.

 

Dem ganzen Abend erzähld se uns Schauergeschichten, wie se mal am Kreizweg nach Pelleningken inne Nacht einem Herr getroffen hadd. Der hädd e schwarzem Anzug angehabt und e weißes Schemisett und weiße Hanschkes. Und wie se genau hinkickd, hadd er einem Pferdefuß. Denn hat es mit eins gebumst und gestöwert, gedonnert und geblitzt, und es stank meilenweit nach Schwefel, und denn war er weg. „Das is doch alles Aberglauben", sagd ich dadrauf, aber de Emma war so aufgeschuchert, dass se de ganze Nacht kein Aug nich zumachen konnd.

 

Kaum war de Linche drei Tage beim Kornatz, da fing se an zu weinen: „Ieber mir wird innes Dorf schlecht gesprochen", sagd se, „ich hab e Blas aufe Zung“. „Aberglauben", sagd der Kornatz. Wie se sich einmal beim Wasserholen beplaukschen tat, meind se: „Sehn Se, das hat einer nu davon. Nu krieg ich e Söffke als Mann!" So ging das bei ihr in eine Tur, jedem Tag hädd se was Neies. Das war ihr auch mittem Harkenstiel und mitte Ofenkrick nich auszutreiben, wenn einer es versucht hädd. Jedes Mal kriegd se zu heeren: „Aberglauben, Aberglauben!"

 

Das schlug ihr mitte Zeit aufe Plautz, und se fassd dem Entschluss, dem Spieß umzudrehn und sich zu rewangschieren. Einem Mittag gab ihr Leibgericht, gebratene Gritzwurst, und se schluckd und schluckd, als wenn ihr einer jagen tat. „Iss langsam, Linche", sagd de Frau Kornatz, „lass dir Zeit, sonst kriegst e krankem Magen“. Da stoppd de Linche noch schnell drei volle Löffel innes Maul und meind triurnpfierend: „Aberglauben!" Nachmittag mussd se am Wäschepfahl e Nagel einschlagen. Dabei drehd se sich um und unterhield sich mitte Frau Kornatz. „Kick hin, wo du kloppst", sagd die, „dass er nich schief zieht!" Da reckd se sich auf ihrem Tritt inne Heeh wie de Königin von Saba, schitteld dem Kopp und meind leitselig: „Aberglauben, alles Aberglauben!" Rietz, haud se sich mittem Hammer aufem Daumen, dass se vom Tritt flog und sich de Hiften bescheiern tat, und denn wurd der Daumen doppelt so groß wie er vorher gewesen war.

 

Aber noch hädd se nich genug. Se ieberfraß sich beim Beiktuwis und missd beim Doktor gehn. Der verschrieb ihr kleine Pillen, von die solld se jedem Abend zwei Stick einnehmen. „Bloß zwei von die kleine Drecker! Was soll das helfen? Der Dokter is mir scheint e Happche dammlig." „Mach man genau, wie er gesagt hat", meind der Kornatz, „sonst is nich gut!" Und wieder sagd se hehnisch: „Aberglauben!“ und nahm abends gleich zehn von die Pillen auf einmal. Aber wie se dem andern Morgen inne Kirch ging, es war Sonntag, kam se mit eins kreideweiß rausgestirzt. Se war so in Fahrt, dass se bald de Kistersche umrannd, und brilld: „Wo bleib ich, wo bleib ich?" Mit Miehe, dass se ihr gerad noch auf das barmherzige Haus'che hinzoddern konnd, sonst hädd es e großes Mallöhr gegeben.

 

Aber kuriert war se immer noch nich. Wie im Herbst Spillen geschittelt wurden, stoppd se sich dem Bauch richtig voll mit die sieße Pflaumchens und trank e Toppche Wasser drauf. „Ei, ei", sagd de Kornatzsche, „wenn das man gut geht! Vor fimf Jahre hat de Frau Bägerau Kirschen gegessen und Wasser getrunken, und inne Nacht wurd se sterbenskrank. Se haben ihr heiße Ziegelsteine aufem Bauch gepackt und ihr mitte Kartätsch bearbeit. Aber ehr dass der Dokter kam und ihr helfen konnd, war se aufgeplatzt wie e Rapätschke. Obst und Wasser is sehr gefährlich“. Da lachd de Linche: „Aberglauben, Aberglauben! Ich weiß schon, was mir guttut, „und trank noch e halbem Stippel Buttermilch. Aber inne Nacht war es denn passiert. Se stöhnd und brillt: „Ich platz, ich platz!" Kornatzens rannden rauf aufe Lucht, wo se ihre Kammer hädd, und da lag se wie e Sau inne Bucht. Se war aufgedunst wie e junge Kuh, wo im frischen Klee gewesen is und in ihrem Bauch hat es gegnurrt und gekwakst und geburbelt, als wenn in ihre Kaldaunen vier Mann bei e Hochzeit aufspielen.

 

Nu war aber Holland in Not! Se packden ihr aufem Wagen und fuhren ihr im Krankenhaus. Was se da alles mit ihr aufgestellt haben, weiß ich nich. Manche Leite sagden, se hädden ihr dräniert. Jedenfalls war se bald vier Wochen weg, und wie se wiederkam, hädd se endlich Vernunft angenommen, denn se war man bloß noch gerad dem Tod von die Schippe gehoppst. Se wurd still und friedlich und sang dem ganzen Tag! Von Eduard und Kunigunde, wo se ihm im Bärenpelze stehen sah und ihm denn erstochen hat. Aber bevor er de Klumpen aufsetzd, sang er ihr noch an: „Fahr wohl, du Stolze, du Spröde, dein Stolz wird dich gereun!" Und denn kam, wo de Miehle ihre Fliegel dreht und der Sturmwind braust und das Lied vom kleinen Postilljohn, herzinniglich und trei. Am Bache stehn die Weiden, er muss vom Schatze scheiden, und das tut ihm im Herzen so weh. Zuletzt kam denn: „Auch du, auch du wirst einmal schlafen gehen“. Aber se ging nich schlafen, sondern fing, wenn se soweit war, wieder von vorne mit die Kunigunde an. Bloß wenn ihr einer zwischenkam und was von Aberglauben sagd, denn sprang se auf und zerkratzt ihm de Backen, denn ihre Nägel waren noch immer so scheen wie frieher.

 

Lassen wir de Linche und ihre Lieder allein, ich will Ihnen noch schnell erzählen, wie ich zwei Stabutzers so von fimf, sechs Jahre belauscht hab. Die wollden heiraten, wenn se groß waren. Der eine wolld viele Kinder, der zweite gar keine. „Kinder sind bloß ungezogen und machen Krach", meind er. „Aber wie willst du das machen, dass du keine Kinder kriegst?", fragd der erste. „Das sag ich meine Frau, und denn muss se gehorchen." „Meinst, das geniegt?" „Na klar, geniegt das! Wenn ich keine will, denn will ich ebend keine“.

 

Der andre schittelt nachdenklich dem Kopf, schmeißt dem Lehmklumpen aufe Erd, wo er inne Hand hat, springt auf und meint ganz dreibastig und siegesbewusst: „Ei, was machst, wenn se heimlich brietet?"

 

Liebe Landsleite, ich bin nich abergleibisch, aber sicher is sicher! Deshalb kneif ich fier Ihnen dem Daumen, dass Se auch im neien Jahr gesund und glicklich sind. Herzliche Grieße

Ihr alter Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Aufruf der Heimatgemeinschaft Rößel. Rettet das heimatliche Kulturgut.

Der Förderring der Heimatgemeinschaft Rößel (Vorsitzender Oberstudienrat Dr. Poschmann, Lippstadt/Westf., Kestingsraße 77) hat es sich zur Aufgabe gemacht, das heimatliche Kulturgut zu pflegen und zu erhalten; er will die Erinnerung an unsere schöne ermländische Heimat wachhalten und ruft daher alle Landsleute aus dem Kreis Rößel zur Mitarbeit auf. Er wendet sich hiermit an alle, die einst im öffentlichen Leben standen, an alle ehemaligen Verwaltungsbeamten, Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, Pfarrer und Lehrer, an alle Bauern, Arbeiter, Handwerker und Kaufleute: Landsleute, helft mit! Rettet das heimatliche Kulturgut! Das Bild unserer ermländischen und ostpreußischen Heimat soll für alle Zeiten lebendig bleiben!

 

Liebe Landsleute aus dem Kreis Rößel! Wir können noch viel über unsere Heimat zusammentragen, wenn alle mithelfen! Ein jeder soll sich angesprochen fühlen, jeder kann etwas dazu beitragen.

 

Was wollen wir schreiben und sammeln?

Berichte und Aufzeichnungen aus der heimatlichen Umgebung, über die Geschichte der Dörfer unseres Kreises, Sagen und Märchen, über Sitten und Gebräuche, über sonderbare Leute, „Originale" genannt, usw. Die Handwerker könnten z. B. berichten, wie sie mit ihren Gesellen und Lehrlingen in ihrer Werkstatt gearbeitet haben, welche Bräuche bei der Lossprechung in den einzelnen Innungen üblich waren. Die Bauern könnten etwas aus der Zeit des Dreschflegels und der Petroleumlampe schreiben, vom Leben und Treiben in den Spinnstuben und auf den Märkten. Sehr erwünscht sind Zeichnungen vom eigenen Hof oder Dorfpläne mit der Feldmark. Die Kaufleute, insbesondere die ältere Generation, könnte uns sicher noch einiges aus der Zeit berichten, da es noch keine Eisenbahn gab und die Waren mit Planwagen aus Heilsberg oder Königsberg geholt wurden. Wer hat noch Aufnahmen aus der Zeit der Postkutsche oder von der Eröffnung der ersten Eisenbahnen in unserem Kreis?

 

Alle Berichte und Mitteilungen werden als Dokumente der „vergangenen Zeiten im „Rößel-Zimmer" des Ermländischen Heimatmuseums in unserem Patenkreis Meppen aufbewahrt werden und den Grundstock zu einem Heimatarchiv des Kreises Rößel bilden. Auszüge davon werden in der Ermländischen Beilage der „Ostpreußen-Warte" und im „Rößeler Heimatboten" erscheinen und damit allen zugänglich gemacht werden. Die eingegangenen Arbeiten werden gleichzeitig für die Arbeitsgebiete des Ermländischen Geschichtsvereins, des Göttinger Arbeitskreises und des Kulturbundes Deutscher Osten ausgewertet.

 

Liebe Landsleute! Das Arbeitsfeld des Förderringes ist groß! Alle können mithelfen und zur Erhaltung des heimatlichen Kulturgutes beitragen. Jeder schreibe so, wie er es kann. Entscheidend ist nicht, ob man mit Tinte oder Bleistift schreibt; wichtig ist, dass überhaupt ein Anfang gemacht wird. Deshalb: Greift zur Feder oder zum Stift und schreibt!

 

Um Irrtümer zu vermeiden, wird darauf hingewiesen, dass Kreisvertreter Stromberg (Hamburg) für unsere Angelegenheiten nicht zuständig ist.

Alle Einsendungen an den Vorsitzenden bzw. an den Geschäftsführer des Förderringes, Lehrer Erwin Poschmann, Kisdorf über Ulzburg/ Holstein.

 

Seite 15   Neue Lichtbildreihen

Für die Vortragsarbeit im laufenden Winterhalbjahr hat der Lichtbildverlag Dr. Werner Lucas, Berlin-Lichterfelde-West, Fontanestr. 9a, in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sehr interessante Lichtbildreihen als Diapositive bzw. Bildbänder herausgegeben:

1. „Das handwerkliche Kunstschaffen in den deutschen Ostgebieten" (Sachbearbeiter: Dr. Meyer-Heisig),

2. „Deutsche Barockkunst in West- und Ostdeutschland" (Sachbearbeiter: Prof. Dr. Grundmann),

3. „Deutsche Kulturströme zwischen West und Ost" (Sachbearbeiter: Dr. Schremmer).

 

Außerdem erschienen im gleichen Verlag Lichtbildreihen über „Ostpreußen, „Danzig", „Pommern" und „Brandenburg".

 

Seite 15   Die Webkunst kommt wieder zu Ehren. Eine sehenswerte Ausstellung der ostpreußischen Webschule Lyck.

Osnabrück.

Das Handweben war früher eine vielbeachtete Kunst, die auch in unseren Bauernstuben fleißig gepflegt wurde. Heute findet man nur noch selten einen Webstuhl auf dem Lande in Betrieb, obgleich nach wie vor Handwebereien von den Hausfrauen sehr geschätzt werden, sowohl wegen ihrer Haltbarkeit als auch wegen ihrer aparten Verarbeitung. Es ist daher sehr begrüßenswert, dass die in Osnabrück gut bekannte Handweberei Syttkus — frühere ostpreußische Webschule Lyck — von Freitag, 8. November, bis einschließlich Sonntag, 10. November, in ihrer erweiterten Werkstatt an der Rheiner Landstraße (Endstation Bellevue) in einer sehr geschmackvoll gestalteten Ausstellung hübsche Handwebereien allen Hausfrauen vor Augen führt.

 

Die Ausstellung entzückt jedes Kennerauge durch das Zusammenwirken von hochwertigem Material und geschmackvoller Verarbeitung. Sogar auf dem Webstuhl verarbeitete Seidenerzeugnisse tauchen auf, dazu eine Vielfalt von Gardinen- und Kleiderstoffen, wobei natürlich Wollstoffe im Vordergrund stehen. Auch Kinderkleider wirken apart in Farbe und Muster.

 

Der Webstuhl ist immer noch ein wahrer Zauberer in der Herstellung reizvoller und dauerhafter Stoffe, die ihre Eigenart haben. Das besagt auch diese Ausstellung, die in großer Auswahl alle Arten und Sorten handgewebter Kunst zeigt.

 

Für viele Heimatvertriebene und auch Einheimische dürfte der Werdegang der früheren ostpreußischen Webschule Lyck (Masuren) hier im deutschen Westen recht interessant sein. Nach der Vertreibung aus der Heimat begann man im Jahre 1947 nach mancherlei Irrfahrten in Osnabrück von neuem aufzubauen. Der Anfang der einstmals über die Grenzen Ostpreußens hinaus bekannten Webschule wurde in einem Heizungskeller mit nur einem Webstuhl in Osnabrück begründet.

 

Da das Interesse an handgewebten Stoffen ständig wuchs, konnte weiter ausgebaut werden, so dass die Handweberei heute im eigenen Hause neun Webstühle in Betrieb halten kann. Wenn auch die frühere ostpreußische Provinzialwebschule, die mit einem Internat für Lehrlinge verbunden war, noch sehr zu kämpfen hat, so zeigt doch diese Ausstellung von geschmackvollen Handwebereien, die auch in anderen Städten wie Minden und Bochum durchgeführt wurde, dass harte Arbeit und gute Ware den Weg zum Erfolg vorbereiten. „Osnabrücker Tageblatt"

 

Seite 15   Trakehner erzielte Rekordpreis aus Deutschland.

Genau zwei Wochen nach der sensationellen Verdener Herbstauktion mit dem neuen Rekordpreis für ein Reitpferd von 22 500 DM und dem neuen Höchst-Durchschnittspreis von 4350 DM bei einer Reitpferd-Auktion in Deutschland gab es bei der Trakehner Herbstauktion in Dortmund neue Rekorde. 28 000 DM zahlte ein Amerikaner für einen dreijährigen Trakehner, der im Kreise Alfeld/Leine, und zwar in Eddinghausen von einem ostpreußischen Heimatvertriebenen gezüchtet und im Harz aufgezogen wurde. Der Vater dieses dreijährigen Pferdes ist der Original-Trakehner Altan und die Mutter ein Pferd des Ost-West-Trecks 1945, die von dem Vollblutaraber Adamas stammt. Der Durchschnittspreis für die 30 zugeschlagenen Pferde von insgesamt 32 im Ring betrug 4410 DM, während bei der letzten Trakehner-Auktion sich der Preis auf 4225 DM stellte.

 

Seite 15   Das Buch im „Zeitalter der Masse“ Mitgliederstand des Bertelsmann-Leserings die 2-Millionen-Grenze überschritten / Weg zum guten Buch.

Es ist eigenartig, wie wenig man seine Mitmenschen wirklich kennt. Man trifft etwa einen Bekannten und unterhält sich einen ganzen Abend mit ihm über Literatur. Man tut das, obwohl man bisher ganz genau zu wissen glaubte, dass sich unser Bekannter ausschließlich für Fußball interessiert. Geht man der Sache auf den Grund, so stellt sich heraus, dass das Gesprächsthema durchaus kein Zufall gewesen ist. Der junge Mann ist sogar einer Buchgemeinschaft beigetreten. Man wusste nur nichts davon.

 

Das Beispiel ist durchaus typisch. Man hat zwar oftmals wenig Zeit für den Nachbarn, aber dafür sind wir reich an Schlagworten. Ein solches Schlagwort nennt unsere Gegenwart — sicher nicht ganz zu Unrecht — beispielsweise das „Zeitalter der Massen". Das mag grundsätzlich richtig sein; aber es ist erstaunlich, eine wie vielschichtige Bedeutung dieses Wort gewinnen kann, wenn man es genauer betrachtet. Man gebraucht es und denkt unwillkürlich an den schier unübersehbaren industriellen Apparat, an das ständig wachsende Verkehrschaos oder an die üppig wuchernde Vergnügungsindustrie, denen wir alle mehr oder minder hilflos ausgeliefert sind. Man denkt an die Masse der Konsumenten, die pausenlos von einer ebenso dogmatischen wie unpersönlichen Verbrauchsgüterindustrie umworben wird. Die große Zahl ist bekanntlich die Voraussetzung rationeller Serien. Und der Mensch unserer Tage beugt sich diesem Gesetz.

 

Aber wir können dem auch eine andersartige große Zahl gegenüberstellen. Eine bedeutende Buchgemeinschaft, der „Bertelsmann-Lesering", hat einen Stand von zwei Millionen Mitgliedern erreicht. Und das in der relativ kurzen Zeit seines Bestehens, nämlich in sieben Jahren. Kann man die zwei Millionen Mitglieder dieser Buchgemeinschaft nun auch im negativen Sinn als „Masse" bezeichnen? Man kann diese Frage wohl ruhig verneinen. Und diese Ansicht lässt sich durchaus begründen:

Der Bertelsmann-Verlag hat ein Markt- und Meinungsforschungs-Institut damit beauftragt, eine Struktur, und Leseranalyse seiner Buchgemeinschaft herzustellen. Es wurde festgestellt, dass sich die größten Prozentzahlen der Mitglieder aus Angestellten und Beamten, nämlich 38 Prozent und nachfolgend aus freien und akademischen Berufen mit 17 Prozent zusammensetzen. Man fand weiter heraus, dass der Bildungsgrad der Mitglieder durchaus über dem Niveau der Gesamtbevölkerung liegt. Zum Beispiel haben die Mittlere Reife 33 Prozent zu 11 Prozent der Gesamtbevölkerung, das Abitur 8 Prozent zu 2 Prozent und Hochschulbildung 3 Prozent zu 1 Prozent.

 

Was ergibt sich aus diesen Tatsachen? Zunächst die Folgerung, dass auch in unserem modernen Industriestaat der einzelne Mensch nach Möglichkeiten sucht, sein persönliches Leben zu entfalten und darüber an der kulturellen Entwicklung teilzunehmen. Die Buchgemeinschaften sind durch die engen Kontakte mit ihren Abonnenten für weite, vor allem auch sozial schwache Bevölkerungskreise eine wertvolle Hilfe, den Zugang zu allen kulturellen Erscheinungen auf dem Gebiet des Buches zu finden.

 

Den Konsumenten der gängigen Vergnügungsindustrie steht also unter anderen die „Masse" der Mitglieder von Buchgemeinschaften gegenüber, die an die Gestaltung ihrer Freizeit wesentlich höhere Ansprüche stellen und durch Hilfe ihres Buchclubs den Weg zum richtigen Buch finden. Wäre es nicht also angebracht, mit dem vielzitierten Begriff „Masse" etwas vorsichtiger umzugehen?

 

 

Seite 15   Rückgabe deutschen Eigentums

In der polnischen und in einem Teil der westdeutschen Presse wurde in den letzten Monaten wiederholt das von Warschau im Mai 1957 erlassene „Gesetz über die Rückgabe deutschen Eigentums" erwähnt. Die polnische Presse übte dabei auch Kritik an der mangelhaften Durchführung dieses Gesetzes. Es ist darin die Rückgabe von Ein- und Zweifamilienhäusern mit Nebengebäuden, Höfen und Gärten vorgesehen. Jedoch darf bei einem Einfamilienhaus die Wohnfläche 110 qm nicht überschreiten. Ferner sind Handwerks- und kleine Industriegebäude, Pensionen und Gärtnereien in die Bestimmungen einbezogen. Eine automatische Rückgabe erfolgt nicht, vielmehr ist von den zurückgebliebenen Deutschen ein Antrag bei den örtlichen Kreis-Nationalräten zu stellen. Der landwirtschaftliche Besitz von Deutschen ist in dem Rückgabegesetz nicht berücksichtigt. In den polnischen Zeitungen heißt es dazu, dass zur Regelung dieses Komplexes andere Gesetze maßgebend seien.

 

Seite 15   Unsere Heimat heute.

Maibaum

Die Ernte-Ergebnisse aus Maibaum und Trunz zeigen die diesjährige Missernte in aller Deutlichkeit auf. Wie man etwas verklausuliert in Elbing bekanntgab, betrug die Kartoffelernte „noch 10 Prozent weniger als man im Vorkriegspolen in den westlichen Wojewodschaften einbrachte". Da bis zum Kriege in den westlich der Weichsel gelegenen Provinzen 124 Doppelzentner je Hektar geerntet wurden, muss die Erzeugung im Nordosten von Elbing jetzt also auf rund 110 dz je ha abgesunken sein. Zu deutscher Zeit wurden in Ostpreußen 169 Doppelzentner auf jedem Hektar Kartollelacker geerntet!

 

Basien

In Basien bei Wormditt hat man eine illegale Wurstfabrik ausfindig gemacht, in der aus Fleischabfällen aller Art „Wurst" hergestellt und in den umliegenden Kleinstädten und Ortschaften verkauft wurde. Die Miliz konnte vier Personen verhaften, die wegen verschiedener Delikte angeklagt worden sind. Unter anderem auch wegen Körperverletzung, weil in Mehlsack mehrere Einwohner nach dem Genuss der Wurst an Fleischvergiftung erkrankten. In Wormditt müssen zwei staatliche Geschäftsstellenleiter mit vor den Richter, da sie die minderwertige Ware in ihren Läden verkauft hatten.

 

St. Andreasberg

Der Kriegsflugplatz St. Andreasberg bei Wormditt hat die Ausbildung der polnischen Flieger an Düsenmaschinen aufgenommen. Die Start- und Landebahnen sind so weit verlängert worden, dass Düsenjäger hier landen können. Die Schulflugzeuge stammen aus den Posener Flugzeugwerken, wo noch immer Düsenflugzeuge mit russischer Lizenz gebaut werden. In St. Andreasberg befinden sich außer einigen sowjetischen Einfliegern nur polnische Piloten. Neuerdings werden die Übungsflüge nicht mehr in Richtung Westpreußen und Ostpommern zu den dortigen Flugplätzen unternommen, sondern nur noch in südlicher Richtung. Möglichen Deserteuren unter den Piloten wird wieder wie früher angedroht, man werde im Falle einer Flucht ihre Familienangehörigen festsetzen. Das sich weit bis nach Nordwesten erstreckende Flugplatzgelände ist Sperrgebiet. Die Flieger bekommen nur selten Ausgang nach Wormditt. Monatlich einmal werden Gemeinschaftsfahrten nach Allenstein unternommen.

 

Seite 15   Besuchsreisen aus den Ostgebieten

Deutsche, die in den von Polen verwalteten deutschen Ostgebieten wohnen, treten in letzter Zeit an ihre Angehörigen in der Bundesrepublik mit der Bitte heran, ihnen die für einen Besuch erforderlichen Fahrkarten zu übersenden, weil sie drüben eine Fahrkarte für eine Reise von ihrem Wohnort nach einem Ort der Bundesrepublik nicht gegen Bezahlung in polnischer Währung erhalten können.

 

Die Deutsche Bundesbahn hat Maßnahmen getroffen, damit Fahrkarten hier gelöst werden können. Bei ihren Fahrkartenausgabestellen und Reisebüros in den größeren Städten sind Fahrkarten für Reisen von allen bedeutenderen Bahnhöfen der von Polen verwalteten deutschen Ostgebiete nach den größeren Bahnhöfen der Bundesrepublik und auch gleichzeitig für die Rückfahrten erhältlich. Diese Karten gelten einheitlich zwei Monate.

 

Seite 16   Danksagung

Herzlich danken wir allen, die Anteilnahme an unserer Verlobung zeigten. Jeder Glückwunsch und Jede Aufmerksamkelt erfreuten uns als Zeugnisse geistiger und menschlicher Verbundenheit, Karin-Ingrid Käding. Gerhard Bednarski. Eßlingen/Hannover, Anfang Januar 1958

 

Seite 16   Wir gratulieren!

Zur diamantenen Hochzeit

Graf Siegfried zu Eulenburg-Wicken und Gräfin Jeanne zu Eulenburg-Wicken, geb. von der Burg, am 3. Januar 1958 in Lindau (Boaensee)-Äschach, Hochburger Weg 49. Der Jubilar stand von frühester Jugend an im Ersten Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam und war im ersten Weltkrieg von 1916 bis 1918 dessen letzter Kommandeur. Er wurde mit der höchsten preußischen Kriegsauszeichnung, dem Orden Pour le merite mit Eichenlaub ausgezeichnet und erhielt das Goldene Verwundetenabzeichen. Seit 1920 bewirtschaftete er das ererbte Rittergut Wicken im Kreise Bartenstein. Im Januar 1945 musste das Ehepaar die angestammte Heimat aufgeben und treckte mit Pferd und Wagen rund 2000 Kilometer quer durch Deutschland bis zum Bodensee (in 57 Marsch- und 27 Ruhetagen). Der heute 88 Jahre alte Graf Eulenburg ist Mitglied des Ältestenrates der Landsmannschaft Ostpreußen und nimmt trotz seines hohen Alters noch an den Delegiertentagungen in Hamburg teil. Anlässlich des Bundestreffens 1957 in Bochum ist ihm der Preußenschild verliehen worden.

Das diamantene Ehepaar lebt bei seiner Tochter Siegrid, einst Oberin des masurischen Diakonissenmutterhauses Bethanien zu Lötzen, und seiner Schwiegertochter Adelheid, geb. v. Weizsäcker sowie deren beiden Töchtern. Der einzige Sohn, Dipl.-Landwirt und Dr. phil. Botho Ernst, wird als Major und Regimentskommandeur seit Juli 1944 im Abschnitt Wilna-Dünaburg vermisst.

 

Eheleute Ernst Krause und Frau Bertha Krause, geb. Böhmfeld aus Waldorf, Kreis Graudenz, am 19 Dezember 1957 in Oersdorf, Kreis Stade.

 

Goldene Hochzeit

Eheleute Emil Hinz und Frau Ida Hinz, geb. Reschke, aus Niederzehren, Kreis Marienwerder, am 19. Dezember 1957 in Hüll, Kreis Stade.

 

Eheleute Franz Naujock und Auguste Naujock, aus Ostpreußen am 13. Dezember 1957 in Halligdorf, Kreis Uelzen.

 

81. Geburtstag

Schneidermeister Emil Görtz, aus Fichthorst, Kreis Elbing, am 2. Januar 1958 in Wesendorf, Kreis Gifhorn, Oppermarmstraße 178.

 

Witwe Anna Kussat, aus Königsberg, Rhesastraße 12/13, am 29. Januar 1958 in Seesen a. H.. Lange Straße 3, wo sie bei ihrem Sohn Reinhold wohnt. Die Jubilarin erfreut sich erstaunlicher Rüstigkeit und geistiger Frische.

 

80. Geburtstag

Barbara Kowalewski geb. Biernath, aus Königsberg I, Rundteil 1, am 17. Januar 1958 in Hannover, Nienburger Straße 7a.

 

Hedwig Keßler, aus Lyck am 31. Dezember 1957 in Bad Schwartau, Hauptstraße 67, wo sie bei ihren Kindern Hilde und Robert Nickel lebt.

 

75. Geburtstag

Fritz Radok, ehem. Direktor der Waggonfabrik Steinfurt in Königsberg, am 16. Januar 1958. Er lebt heute in Melbourne (Australien) und weilt zurzeit besuchsweise in Deutschland, Pension Sterke, Berlin-Wilmersdorf, Rüdesheimer Platz 7.

 

73. Geburtstag

Am 27. Januar 1958, feiert der Danziger Dichter Carl Lange, seit Jahrzehnten Herausgeber der „Ostdeutschen Monatshefte", in seinem neuen Heim in Bremen-Oberneuland, Rockwinkler Heerstraße 105/7, seinen 73. Geburtstag.

 

50. Geburtstag

Robert Nickel aus Königsberg am 19. Januar 1958 in Bad Schwartau, Hauptstraße 67.

 

Seite 16   Januar-Geburtstagskinder in Flensburg

Emma Harnack, aus Memel am 1. Januar 1958, 79 Jahre;

 

Johanna Schmidtke, aus Königsberg am 2. Januar 1958, 81 Jahre;

 

Amalie Lange, aus Nofelde, Kreis Stallupönen, am 7. Januar 1958, 85 Jahre;

 

Maximilian Zorn, aus Königsberg am 9. Januar 1958, 77 Jahre;

 

August Göhrke, aus Schmalinken, Kreis Tilsit, am 20. Januar 1958, 75 Jahre;

 

Meta Liebe, aus Soldau, Kreis Neidenburg, am 21. Januar 1958, 77 Jahre;

 

Marta Langheit, aus Sensburg am 25. Januar 1958, 76 Jahre;

 

Wilhelmine Schwitteck, aus Bollainen, Kreis Osterode, am 26. Januar 1958, 84 Jahre;

 

Wilhelmine Streich, aus Schippnbeil am 29. Januar 1958, 79 Jahre.

 

Das Heimatblatt der Ost- und Westpreußen, die „Ostpreußen-Warte", gratuliert allen Jubilaren von Herzen. Recht viel Glück und auch weiterhin beste Gesundheit!

 

Seite 16   Verein Ostpreußisches Jagdmuseum

Lüneburg.Ein „Verein Ostpreußisches Jagdmuseum" wurde in Lüneburg gegründet. Zahlreiche westdeutsche Städte und Gemeinden sowie Vertriebenenverbände wollen Mitglieder des Vereins werden. Die Patenschaft über das ostpreußische Jagdmuseum haben Bundestagspräsident Gerstenmaier und Landwirtschaftsminister Lübke übernommen. Das Museum, das die Erinnerung an die ostpreußischen Jagdreviere wachhalten soll, wird voraussichtlich im kommenden Jahr in Lüneburg eingerichtet. Die zum Teil wertvollen Trophäen sollen später auf Wanderausstellungen auch in anderen Städten der Bundesrepublik gezeigt werden.

 

Seite 16   Auslandsreisen

Unter den Ländern, die in diesem Jahr das Ziel reiselustiger Polen waren, nimmt die Bundesrepublik nach der Sowjetunion den zweiten Platz ein. Nach einer in Warschau veröffentlichten Statistik konnten von Januar bis Oktober 1957 insgesamt 130 000 Polen privat ins Ausland reisen, während bis 1956 fast ausschließlich Dienstreisen der Grund für eine Auslandsreise waren.

 

Seite 16   Aus den Landsmannschaften

Seesen a. H.

Die Jahresarbeit der von Obmann Papendick geleiteten Landsmannschaft Ostpreußen beschlossen zwei stimmungsvolle vorweihnachtliche Feiern, getrennt für die Kinder und die Erwachsenen. Ein besonderes Erlebnis für die Kinder war das Adventsspiel, an dem sich 16 Kinder beteiligten, nicht weniger die große Marzipanverlosung. Den getreuen, langjährigen Mitarbeitern, vor allem den Frauen Donnermann und Nachtigall, Bruno Scharmach, Max Wilbudies und Heinrich Schröder, sei an dieser Stelle noch einmal besonders gedankt.

 

Frankfurt/M.

Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen lädt zu ihrem nächsten Herrenabend, am Donnerstag, 9. Januar, 20 Uhr, im Lokal „Zum Heidelberger", Bockenheimer Landstraße 140, herzlich ein.

 

Seite 16   Es starben fern der Heimat . . .

Frl. Anna Beckmann, Schwester des im vorigen Jahr verstorbenen Zahnarztes Dr. Andreas Beckmann aus Allenstein, am 6. Dezember 1957 in einem Altersheim in Thüringen.

 

Alfred Kuhn, ehem. Hotelbesitzer aus Neidenburg, am 26. Dezember 1957 im Alter von 71 Jahren in Westerweyhe, Kreis Uelzen.

 

Auguste Laaser, geb. Philipp, aus Groß-Dankheim am 22. Dezember 1957 im Alter von 60 Jahren in Nienburg/Weser, Bruchstraße 41.

 

Kaufmann Johann Quandt, aus Elbing am 28. Dezember 1957, im Alter von 64 Jahren in Delmenhorst, Kurlandstraße 1.

 

Seite 16   Ein wahres Feuerwerk köstlichen Humors ... eigene Schöpfung, die von einer Fülle prächtiger Einfälle nur so funkeln, so schrieb die „Rotenburger Kreiszeitung" am 16./17. November dieses Jahres über einen fröhlichen Heimatabend der Landsmannschaft in Scheeßel mit Dr. Alfred Lau.

Für Januar und Februar 1958 sind noch günstige Termine frei. Bitte, wenden Sie sich wegen der auch für kleinere Gruppen durchaus tragbaren Bedingungen nur direkt an Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16.

 

Seite 16   Deutsche Brüder in Not.

Liebe Landsleute, unterstützt durch euren Beitrag den Kultur- und Volkstumskampf der deutschen Südtiroler Bevölkerung.

Was Volkstumskampf bedeutet, wissen unsere Landsleute aus den Abstimmungsgebieten und dem Korridor-Gebiet. Er bedeutet Kampf um jede Schule, um jeden Kindergarten. Ja um jedes deutsche Buch in den Schulbibliotheken.

Helft, wo deutsche Brüder in Not!

Werdet Mitglied des Bergisel-Bundes, des Südtiroler Schutzverbandes!

Beitrag für Freunde: DM 0,20 monatl.

Beitrag für Förderer: DM 2,-- monatl.

Beitrittserklärungen und Zahlkarten erhältlich bei: Bergisel-Bund, München 23, Schließfach 263

 

Seite 16   Turnerfamilie Ostpreußen – Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33

Allen Januarkindern herzlichste Geburtstagsglückwünsche! Besonders liebe Grüße sind damit verbunden

 

Zum 20. Geburtstag

Am 15.01.1958: Alfred Nickel (Lyck);

 

Zum 40. Geburtstag

Am 25.01.1958: Renate Siebert-Busch (Goldap);

 

Zum 50. Geburtstag

Am 03.01.1958: Margarete Lucht-Gramse (TuF Danzig),

am 04.01.1958: Anni Böhm (FrTV Königsberg) und

am 11.01.1958: Irma Schmidt (Lyck)

am 11.01.1958: Käte Schmuckert-Kuhn (Elbing)

am 17.01.1958: Heinz Manzek (KTC Königsberg)

am 19.01.1958: Robert Nickel (Lyck) und

am 30.01.1958: Gustav Manstedt (KMTV Königsberg)

 

zum 60. Geburtstag

am 03.01.1958: Irmgard Graun (Pr. Holland)

am 12.01.1958: Erich Schwartzkopff (Pr. Eylau)

am 16.01.1958: Mimmi Schulz (Zoppot)

am 24.01.1958: Gertrud Wowerat-Pohl (KMTV Königsberg)

am 30.01.1958: Meta Becker (Danzig-Heubude)

 

zum 70. Geburtstag

am 29.01.1958: Eduard Goersch (Zoppot)

 

zum 82. Geburtstag

am 05.01.1958: Hermann Schelewski (Elbing)

 

Der Weihnachtsbrief 1957 ist an alle bekannten Anschriften geschickt worden. Wer ihn nicht erhalten hat, fordere ihn bitte bei mir an.

 

Für München 1958 – Deutsches Turnfest und X. Wiedersehenstreffen – bitte ich um umgehende Voranmeldung. Postkarte dazu liegt dem Weihnachtsbrief bei.

 

Aus Kanada sendet Irene Besel-Doege (Marienwerder) herzliche Weihnachts- und Neujahrsgrüße an alle alten Turnfreunde.

 

Die norddeutsche Turner-Suchkartei immer weiter zu vervollständigen und auf dem Laufenden zu halten, müsst Ihr alle mir helfen. Teilt mir Anschriftenänderungen und neu bekanntwerdende Turneranschriften bitte stets sofort mit.

 

Neujahrsgruß! Als in der Silvesternacht die Glocken von allen Türmen das neue Jahr einläuteten, gingen wohl die Gedanken von uns allen über den Kries, in dem wir diese Stunde fierten, hinaus zu den Fernweilenden, zu Kindern, Eltern, Geschwistern und weiteren Verwandten, zu lieben Freunden und Bekannten. Unsere stillen Gebete und Wünsche für das neue Jahr wanderten innig und herzlich zu ihnen. Als Deutsche konnten wir dabei die noch durch die Zonengrenze oder gar durch fremde Gewalt im Ausland von uns getrennten Schwestern und Brüder nicht vergessen.

 

Über den kleinen Kreis unserer Turnerfamilie hinaus wünsche ich dem ganzen deutschen Volk die Erhaltung des Friedens im Jahre 1958. Lasst uns, Turnbrüder und Turnschwestern, in diesem Gebet und in diesem Wunsch zusammenstehen mit allen anderen Menschen. Einigkeit macht stark! Daher das Losungswort der Turnerfamilie Ostpreußen/Danzig/Westpreußen für das neue Jahr:

„Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit!“ Herzliche Heimatgrüße und ein frohgemut Gut Heil! Euer Onkel Wilhelm.

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