Ostpreußen-Warte, Folge 01 vom Januar 1952

Ostpreußen-Warte

Folge 01 vom Januar 1952

 

Seite 1   Foto: Winter in den Fischerdörfern der Memelniederung

 

 

Seite 1   Zur Jahreswende. Stärkung des gesamtdeutschen Bewusstseins

In diesen Tagen gehen die Gedanken zurück an das, was die vergangenen zwölf Monate brachten, und der menschliche Geist sucht das Dunkel der Zukunft zu durchdringen und zu erschließen, was sein wird. So notwendig das erstere ist, so fruchtlos das Letze, denn nicht was sein wird, können wir erkennen, sondern allein planen, was sein soll - und nur deshalb ist auch die Rückschau gerechtfertigt. Ob es gelingt, was Menschen vorhaben, steht in Gottes Hand, aber dass es notwendig ist zu streben und zu planen in Verantwortung für das Ganze ist außer Frage, es sei da»«, man verneine Lebensraum und Dasein.

 

Wird dieses klar erkannt, ist viel gewonnen. Und selbst die Rückschläge, die dieses Leben in so reichem Maße mit sich bringt, sind nur Anlass zur Selbstprüfung und damit Ansporn. Sicherlich war der Weg der deutschen Heimatvertriebenen im Jahre 1951 nicht leicht und voller Enttäuschungen: Kein Lastenausgleich, unzulängliche Umsiedlung, Diskriminierung in der Pensionsfrage, zusätzliche Belastung durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten, weite Verbreitung der Dauerarbeitslosigkeit, 350 000 immer noch in Lagern, allzu viele in tiefer Not -  trotz selbstloser Hilfe und mancher staatlichen Maßnahme.

 

Aber es stehen dagegen die Berichte über die Initiative derjenigen, die sich eine neue Existenz schufen. Ganze Dörfer sind auf Moor- und Ödland erstanden. Industriebetriebe blühten auf, manch einer kam wieder zu einer menschenwürdigen Wohnung und erwarb einiges Eigentum.

 

Freilich hätte viel mehr getan werden können Die Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolks zum Beispiel wurde nur mit unzulänglichen Mitteln fortgeführt. Die Hilfe zur Selbsthilfe war bei weitem nicht ausreichend. Die Fürsorge für die Alten und Hilflosen ermöglichte es ihnen nur, das Dasein zu fristen.

 

Die Schlussfolgerung, die hieraus zu ziehen ist, lautet: Es gilt mehr denn je dafür einzutreten, dass die soziale Gleichberechtigung der Vertriebenen erreicht wird. Hierfür aber ist ein fester organisatorischer Zusammenschluss der Heimatvertriebenen erforderlich, denn der einzelne vermag wenig.

 

Zugleich aber ist dieser Zusammenschluss notwendig des anderen großen Anliegens wegen, das den Heimatvertriebenen vor allem am Herzen liegt: Die Vertretung des Rechts auf die Heimat als unveräußerliches Menschenrecht. Hier ergaben sich im Jahre 1951 hochbedeutsame Entwicklungen. Der Kanzler der Bundesrepublik hat sich die Forderungen der Heimatvertriebenen zu eigen gemacht, wie er in Berlin und Hannover zum Ausdruck brachte, und er hat sie in Paris und London vertreten. Sicherlich war das Echo durch starke Gegenkräfte bedingt, aber es wurde doch vor der Weltöffentlichkeit deutlich, dass hier nicht nur Einzel Organisationen sprachen, sondern dass hier Deutschland nicht zu überhörende Forderungen anmeldete.

 

Das ist ein wichtiger Schritt nach vorwärts, dessen Auswirkungen sich im laufe der weiteren politischen Entwicklung zeigen werden. Den Vertriebenen und ihren Organisationen steht hier die Aufgabe für 1952 ebenso klar vor Augen wie auf dem sozialpolitischen Felde: Wie zu Pfingsten 1951 auf dem Treffen der Landsmannschaften, wie auf dem Kongress der Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften in der Paulskirche, wie auf dem Bundestreffen der Schlesischen Landsmannschaft in München und bei so vielen anderen Anlässen ist auch 1952 dem In- und Auslande immer wieder davon Kenntnis zu geben, dass die Vertriebenen niemals auf das Recht auf ihre angestammte Heimat verzichten. Das ist ihr außenpolitischer Auftrag nicht nur von gesamtdeutscher, sondern von europäischer Bedeutung; denn sie unterstreichen damit, dass eine neue Welt nur auf der Grundlage des Rechts und der Menschlichkeit errichtet werden kann. Die Vertriebenen haben selbst bereits Entscheidendes zur Schaffung dieser Grundlagen beigetragen, indem verschiedene Landsmannschaften Abkommen mit Exilgruppen der Ostvölker trafen oder vorbereiteten oder weiterhin durchführten.

 

Zugleich aber wurde ganz im stillen eine weitere - und zwar staatspolitische - Aufgabe von ihnen in Angriff genommen: Durch die Pflege des Heimatbewusstseins und der Traditionswerte, wie sie aus der langen Geschichte des Ostdeutschtums überkommen sind, sind sie daran gegangen, ein neues Gemeinschaftsbewusstsein der Deutschen im Geiste europäischer Verantwortung zu schaffen. Sie verbanden die Überlieferung und Pflege heimischer Kulturgüter mit den Prinzipien staatlichen Denkens und abendländischer Verpflichtung, wie sie bei den Grenzlanddeutschen und bei den Volksgruppen lebendig waren - und dank des Wirkens der Landsmannschaften - lebendig blieben. Diese Arbeit gilt es nun verstärkt fortzusetzen, und es ist die Aufgabe der Landsmannschaften vor allem.

 

So sind die Ziele für das Jahr 1952 die gleichen wie für das Jahr 1951:

Soziale Gleichberechtigung

Durchsetzung der Anerkennung des Rechtes auf die Heimat

Stärkung des gesamtdeutschen Bewusstseins in europäischer Verantwortung.

Es wird auch in Zukunft viele Rückschläge und manches Versagen aus menschlicher Unzulänglichkeit geben, aber das Jahr 1951 hat doch den Beweis erbracht, dass der eingeschlagene Weg der richtige war.

 

Es war richtig, dass man von vornherein keine Illusionen hegte über das, was zu erreichen war. Es war richtig, dass die gesamte Haltung der Vertriebenen im Jahre 1951 maßvoll und zugleich zielbewusst war. Es war richtig, dass die Verzögerungen und Rückschläge auf dem sozialpolitischen Felde aufs deutlichste in ihren Hintergründen enthüllt und nachdrückliche Forderungen auf die Herstellung der sozialen Gerechtigkeit erhoben wurden. Es war richtig, dass die Vertriebenen nicht nur ein Bekenntnis zum Staate ablegten, sondern ihrerseits die Aufgabe in Angriff nahmen, diesen Staat mit ihren Gedanken zu erfüllen und ein echtes Staatsbewusstsein zu schaffen.

 

All das heißt aber, dass die Heimatvertriebenen sich bereits jetzt der Aufgabe, die ihnen das Schicksal - und welch schweres Schicksal - auferlegt hat, im vollen Bewusstsein ihrer Verantwortung unterzogen haben. Es wird ihnen das sicherlich kaum jemand danken. Aber sie genügten damit dem inneren Gesetz, nach dem sie handeln mussten aus ihrem ganzen ostdeutschen Wesen heraus: Dem Gesetz der Pflichterfüllung für das Ganze.

 

Mögen dies alles günstige Vorzeichen für das Jahr 1952 sein und möge all dieses Bemühen und Suchen nach dem rechten Wege dazu beitragen, dass die geistige und materielle Not unserer Zeit überwunden und das Tor in eine neue Zukunft der Deutschen in einem Europa der Freiheit und des Friedens geöffnet wird. (hvp - Göttinger Arbeitskreis)

 

 

Seite 1   Neujahrsaufrufe, der Sprecher der deutschen Heimatvertriebenen

Der Bundesminister für Vertriebene, Dr. Lukaschek, und die Vorsitzenden und Sprecher der Vertriebenenorganisationen richteten anlässlich des Jahreswechsels Grußworte und Aufrufe an die deutschen Heimatvertriebenen.

 

Der Bundesminister für Vertriebene, Dr. Lukaschek, gibt in seinem Neujahrsgruß vor allem der Erwartung Ausdruck, dass das neue Jahr den Lastenausgleich bringen werde. Sicherlich werde er bei weitem nicht alle berechtigten Wünsche erfüllen und mancher werde erst dann erkennen, was er in Wirklichkeit verlor. Aber dadurch solle sich niemand niederdrücken lassen: „Entscheidend ist die innere Stärke, mit der ein jeder sein Schicksal trägt.“ Es sei zu hoffen, dass das Jahr 1952 einen wesentlichen Schritt vorwärts auf dem Wege zur .inneren Gleichberechtigung der Vertriebenen und Einheimischen bringen werde. Hier liege die eigentliche Schicksalsfrage für unser deutsches Volk!

 

Der Präsident des „Bundes der vertriebenen Deutschen" (BVD), Bundestagsabgeordneter Dr. Linus Kather, weist in seinem Neujahrswort auf die Verabschiedung des Schadensfeststellungsgesetzes hin und hebt hervor, dass auch das größte Anliegen der Vertriebenen, der Anspruch auf Rückgabe der Heimat, im Jahre 1951 mehr als vorher zum Gegenstand der Erörterung auf weltpolitischer Ebene gemacht wurde. Mit der Gründung des Bundes der vertriebenen Deutschen sei ein starkes Instrument für die Durchsetzung der Ziele der Vertriebenen geschaffen worden, und es stehe zu hoffen, dass die volle Einheit aller Vertriebenenorganisationen in Kürze erreicht werde.

 

Der Präsident der Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften, Staatssekretär a. D. von Bismarck, stellt den Heimatgedanken in den Mittelpunkt seines Neujahrsaufrufes an die Heimatvertriebenen: „Unsere Aufgabe ist es, aller Welt zu sagen, dass unsere Heimat - und wir in ihr - zum neuen Europa gehört, dass wir darin und dafür arbeiten müssen und dass wir dafür verantwortlich sind. Der Ruf der Heimat solle nicht nur Wehmut wecken oder gar Bitterkeit, sondern Verantwortung und Willen.

 

Seite 2   Schadensfeststellungsgesetz und Heimatauskunftstellen

Das Gesetz über die Feststellung der Schäden ist im Dezember nach harten Kämpfen vom Bundestag in dritter Lesung angenommen worden.

 

Auch der Bundesrat hat kurz vor Weihnachten diesem Gesetz zugestimmt, jedoch die damit verbundene Grundgesetzänderung abgelehnt. Damit erscheint das Schadenfeststellungsgesetz erneut stark gefährdet, zumal man sich in der Frage der Kostenverteilung bisher nicht einigen konnte.

 

In dem Gesetz zur Feststellung der Schäden sind auch die Paragraphen über die Heimatauskunftstellen, die auf der Basis der Regierungsbezirke errichtet werden sollen, verankert. Da dies Gesetz, wie gesagt, noch stark gefährdet erscheint bzw. noch einige Änderungen und Erweiterungen zu erwarten sind, werden wir den Wortlaut erst dann veröffentlichen, wenn es in seiner endgültigen Fassung vorliegen wird. Wir werden unsere Leser über alle zu treffenden Maßnahmen künftig rechtzeitig unterrichten.

 

 

Seite 2   „Tag der Heimat" 1952

Hamburg. Von den ostdeutschen Landsmannschaften wurde beschlossen, den „Tag der Heimat" im Jahre 1952 am ersten Sonntag nach dem Jahrestag der Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens über die Massenaustreibungen, also am 3. August, zu begehen. Gleichzeitig wurde beschlossen, bei den zuständigen Stellen des Bundes und der Länder vorstellig zu werden mit dem Ziel, dass der „Tag der Heimat" zum „Staatsgedenktag" erklärt wird. Der „Tag der Heimat" 1952 soll gemeinsam mit den Heimatbünden der Westdeutschen begangen werden.

 

 

Seite 2   700 000 Deportierte

Nach einem vorläufigen Bericht des Deutschen Roten Kreuzes über das Ergebnis der Sucharbeit beträgt die Gesamtzahl der nach dem Osten verschleppten deutschen Zivilpersonen 700 000. Von Dezember 1944 an seien Sammeltransporte von Reichs- und Volksdeutschen in die Sowjetunion befördert worden. Der Weg und die landsmannschaftliche Zusammensetzung von 136 Transporten, seien genau rekonstruiert und stehen dokumentarisch fest. Das Ziel der Transporte war vor allem der Ural, die Ukraine und der Raum um Moskau. Die Deportierten wurden in 4200 Lagern untergebracht. Etwa 400 000 von ihnen gelten als verstorben. Ende 1949 wurden noch 190 000 Deportierte in den russischen Lagern gezählt. 35 000 Zivilpersonen sind bisher zurückgekehrt. Es bleibt ein ungeklärter Rest von etwa 10 000.

 

 

Seite 2   „Rundfbrief der Albertus-Universität"

Zu Weihnachten 1951 erschien der „Rundbrief der Albertus-Universität", der sich an die ehemaligen Angehörigen und die Freunde der Königsberger Universität richtet. Der Rundbrief enthält neben kurzen Nachrichten und einer Toten- und Geburtstagsliste eine ausführliche Würdigung des Lebenswerkes des letzten Kurators der Albertus-Universität, Dr. h. c. Friedrich Hoffmann, der am 07. März 1951 in Lugano starb. Den Lebenslauf schrieb Prof. Goetz von Seile, der jetzt die Herausgabe des Rundbriefes übernommen hat.

 

 

Seite 2   Hilfskomitees arbeiten weiter

Mit der Unterstützung von 11 Landeskirchen werden die Evangelischen Hilfskomitees für die Heimatvertriebenen auch im kommenden Jahr ihre Arbeit fortsetzen können, wurde auf einer Besprechung von Vertretern des Ostkirchenausschusses, des Konvents der Hilfskomitees und der Landesgeschäftsstelle für kirchliche Vertriebenenarbeit in Bayern festgestellt.

 

 

Seite 2   Um die vollständige Einigung

Die Gründung des BvD (Bund der vertriebenen Deutschen) hat in weiten Kreisen der Heimatvertriebenen lebhaften Widerhall gefunden. Nach den vorliegenden Meldungen dürfte die vollständige Einigung nur noch eine Frage der Zeit sein. So fanden im Dezember in Bonn in Anwesenheit von Dr. Kather und v. Bismarck Einigungsverhandlungen zwischen dem BvD und der noch abseits stehenden VOL-Gruppe der Landsmannschaften statt. Die Verhandlungen wurden in harmonischem Geiste geführt und werden weiter fortgesetzt.

 

Auf einer Delegiertenversammlung der Pommerschen Landsmannschaft in Hannover erklärte der Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft, Herbert v. Bismarck, dass gegen den Anschluss an den Bund der vertriebenen Deutschen nichts mehr einzuwenden sei. Die Delegierten fassten den einstimmigen Beschluss, sofort mit dem BvD in Verbindung zu treten.

 

Aus verschiedenen Äußerungen geht die Befürchtung hervor, dass in dem BvD die Belange der nordostdeutschen Landsmannschaften nicht genügend Berücksichtigung finden würden. Diese Ansicht ist irrig, denn durch einen Beitritt der noch außerhalb des BvD stehenden Landsmannschaften würden diese Sitz und Stimme in der Führung des BvD erhalten und so ihre Interessen in jeder Weise wahrnehmen können.

 

Zu der Gründung des BvD schreibt Dr. Kather u. a. in einem Neujahrsartikel:

„Allen, die noch abseits stehen, kann ich nur sagen, sie wissen nicht, wie sehr sie sich und ihren Schicksalsgefährten dadurch Schaden zufügen. Das Gerede von parteipolitischen Einflüssen ist völlig unsinnig. Die Sprecher und Landesverbandsvorsitzenden werden von ihren Organen gewählt. Nur fünf von ihnen gehören der CDU an, die anderen zwölf sind Mitglieder anderer Parteien oder parteipolitisch nicht gebunden. Der Bund der vertriebenen Deutschen wird nur dann bestehen, wenn er streng überparteilich bleibt.

 

Das Jahr 1952 muss gekennzeichnet sein dadurch, dass die Einheitsorganisation der Vertriebenen in stärkstem Maße praktisch in die wirtschaftliche Eingliederung ihrer Schutzbefohlenen eingeschaltet wird. Diese praktische Arbeit, deren staatspolitischen Wert jeder Einsichtige sofort erkennen sollte, wird uns vor ungeheure Aufgaben stellen, und wir werden den letzten wirklich fähigen Mann heranholen müssen, und schon deshalb wäre es ein Verbrechen, wenn wir den Bruderstreit fortgesetzt hätten oder fortsetzen würden. Niemand, der zu wirklich führender Mitarbeit entschlossen ist, braucht Sorge zu haben, dass er abseits stehen muss.

 

Ich verspreche mir von der Zusammenarbeit zwischen Landsmannschaften und Landesverbänden neue und starke Impulse für unseren erweiterten Aufgabenbereich."

 

 

Seite 2   Sparguthaben-Gesetz

Dem Bundestag ist ein Gesetzantrag über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener zugeleitet worden. Über diesen Gesetzantrag soll im Januar entschieden werden. Sobald dies Gesetz in Kraft tritt, werden wir unsere Leser genauestens unterrichten.

 

 

Seite 2   „Wir können nicht ja sagen“

„Was sollte der Ruf nach der Einheit Deutschlands anderes sein, als der Ruf nach der Wiederkehr einer Heimat für alle Deutschen?", schreibt die evangelische Monatsschrift „Kirche und Mann". Nachdem die Zeitschrift den Begriff Heimat als einen umhegten Raum relativer Sicherheit des Lebens beschrieben hat, zu dem das Hinausgestoßen sein, das Ausgeliefertsein an die Willkür böser Mächte im Gegensatz steht, weist sie in diesem Zusammenhang auf die Frage nach der deutschen Einheit und das Recht auf Heimat hin und sagt: „Der Politiker kann nie aus dem Unrecht Recht machen - und darum können wir als Christen zu der Regelung der Oder-Neiße-Frage, wie sie der Osten vollzogen hat, nicht ja sagen,"

 

 

Seite 2   Austreibungen, „größtes Verbrechen"

Chicago. Der Päpstliche Nuntius bei der Bundesregierung, Mons. Alois J. Muench, hat sich wiederholt mit der Frage der deutschen Heimatvertriebenen befasst und insbesondere früher, als er noch Bischof von Fargo in Nord-Dakota war, aufs schärfste die Massenaustreibung der Deutschen in der Nachkriegszeit verurteilt. Die Zeitschrift der Steubengesellschaft für Milwaukee „The Stubenite“ hebt in ihrer letzten Ausgabe hervor, dass Bischof Muench damals, als die Massenaustreibungen im vollen Gange waren, folgendes erklärte: „Die erzwungene Wanderung vieler Millionen Menschen ist das größte Verbrechen unserer Zeit. Nichts in der ganzen Geschichte kommt dem gleich, nur vielleicht eines. Was ist wohl grausamer als die Ausplünderung von 16 Millionen Menschen? Die Verschwörung

des Schweigens darüber! Nichts in der ganzen Geschichte kommt dem gleich, mit Ausnahme vielleicht der Tatsache, dass die Menschen anderer Nationen nicht gegen diese Grausamkeiten aufschreien und dass die Regierungen, die dazu die Macht haben, nichts dagegen unternehmen."

 

 

 

Seite 2   2500 polnische Publikationen...

Göttingen. Die Anzahl der von polnischer Seite seit 1945 über die deutschen Ostgebiete herausgegebenen Veröffentlichungen verhält sich zu den, im gleichen Zeitraum erschienenen deutschen Veröffentlichen über den gleichen Themenkreis, wie vier zu eins. Diese Zahl wurde auf Grund der bibliographischen Erfassung der in- und ausländischen Literatur über die Heimatgebiete der deutschen Heimatvertriebenen ermittelt, die laufend im „Göttinger Arbeitskreis" durchgeführt wird. Von den zahlreichen polnischen Instituten, Kommissionen und Gesellschaften, die alle eine großzügige staatliche Unterstützung erfahren, und in den einschlägigen Fachzeitschriften sind bisher rund 2500 Bücher, Broschüren und Aufsätze veröffentlicht worden. Mit Nachdruck wird auch die Übersetzung der wichtigsten wissenschaftlich getarnten Propagandaschriften betrieben, so sind allein im Jahre 1948 von 64 im sogen. „Westverlag" erschienenen Büchern 15 in verschiedene Fremdsprachen übersetzt und im Ausland vertrieben worden. Demgegenüber sind im gleichen Zeitraum nur etwa 600 deutsche Bücher und Aufsätze erschienen, von denen nur 10 - in fünf Jahren - auch mit einer fremdsprachlichen Ausgabe herauskamen.

 

 

Seite 2   Verstärkte Ostforschung gefordert

Die Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften sind bei der Westdeutschen Rektorenkonferenz vorstellig geworden, alle personellen und materiellen Möglichkeifen auszuschöpfen um an den deutschen Hochschulen die wissenschaftliche Forschung und Lehre hinsichtlich der ostdeutschen Gebiete und des Vertriebenenproblems weitestgehend auszubauen. Diese Fragen haben bisher an den deutschen Hochschulen eine Behandlung erfahren, die deren Bedeutung für Deutschland und die westliche Welt auch nicht entfernt gerecht wird und das in Gestalt der heimst, vertriebenen Hochschullehrer vorhandene Wissenschaftspotential brachliegen lässt. Außer der Errichtung neuer Lehrstühle wird von den Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften u. a. die Berücksichtigung der Vertriebenen- und Ostprobleme im Studium generale, die Einführung eines diesen Fragen gewidmeten dies academicus sowie die Übernahme von Patenschaften für die ehemaligen deutschen Hochschulen im Osten im Sinne einer wissenschaftlichen und personellen Traditionspflege gefordert.

Gesamtdeutschland in den Grenzen von 1937 Paris. Im Anschluss an die Sitzung des zweiten politischen Ausschusses der UN-Vollversammlung, in der die Frage der gesamtdeutschen Wahlen erörtert worden war, fand eine Pressekonferenz statt, auf der sich die westdeutsche Delegation insbesondere zu den deutschen Ostgrenzen äußerte. Der Vizepräsident des Bundestags, Hermann Schäfer, unterstrich, dass z. B. sowohl Schlesien wie auch die Saar nach wie vor zu Gesamtdeutschland gehören. Der Berliner Oberbürgermeister Reuter unterstrich in Übereinstimmung mit dem Kommentar der „New York Times" zu den Pariser Kommunique über die Verhandlungen der vier Außenminister, dass die Grenzen Deutschlands nach wie vor diejenigen seien, die vor dem Machtantritt Hitlers bestanden.

 

 

Seite 2   Kirchliches aus Masuren Berlin.

Obwohl die Schwierigkeiten der kirchlichen Betreuung in Masuren besonders groß sind, ist das religiöse Leben doch zu stark in den Herzen der zum großen Teil evangelischen Bevölkerung verwurzelt, als dass es durch Verfügungen von polnischer Seite zum Erliegen gebracht werden konnte. Zeugnisse hierfür legten in letzter Zeit gerade die kleineren Orte Masurens ab. So beging man in Aweyden, Alt-Ukta, Rybno und Puppen, im Landkreis Allenstein, große Missionsfeste im Freien. Hierzu trafen sich in Aweyden 2000 Teilnehmer. Es waren Posaunen- und Kirchenchöre zur Stelle, und drei Pastoren sprachen zur Gemeinde. Die „Straznica Ewangeliczna", das Blatt der evangelisch-augsburgischen Kirche in Polen, das hiervon berichtet, rühmt die Gastfreundschaft der Deutschen untereinander, gesteht aber an anderer Stelle auch ohne jede Beschönigung ein, dass zur Unterdrückung dieses wiedererwachenden Gemeinschaftslebens auf religiöser Grundlage „volksmissionarisch" geschulte Diakonissen eingesetzt würden, die dafür verantwortlich seien, dass der Gebrauch der deutschen Sprache auch in allen religiösen Unterweisungen und damit auch das deutsche Singen bei Gottesdiensten und in Singchören zu unterlassen ist.

 

 

 

Seite 2   Eine beispielhafte Schule Lübeck.

Zwölf Wappen ostdeutscher Städte, rechts und links eingerahmt vom Lübecker Wappen und dem Kreuz des Deutschen Ritterordens, dazu das Spruchband „Das war deine Heimat - sie wird es immer bleiben" schmücken den Flur im ersten Stockwerk der Arndt-Mittelschule und der Bert-Notke-Mädchenschule in Lübeck. Ein Drittel der Mittelschüler sind Heimatvertriebene, im Lehrerkollegium sind es 40 Prozent. Der Wandschmuck wird ergänzt durch einen großen Ausstellungsschrank, in dem im monatlichen Wechsel Erinnerungsstücke aus der Heimat ausgestellt werden, die heimatvertriebene Familien als Leihgabe zur Verfügung stellen, oft ihr einziger geretteter Besitz.

 

 

Seite 2   „Denkt ihr bei euch auch an uns?"

Berlin. Briefe aus Ostpreußen, die in Berlin eingegangen sind, schildern die Vereinsamung, der die zurückgebliebenen Deutschen ausgesetzt sind. „Es geht uns nicht gerade schlecht“, ist in solch einer Zuschrift zu lesen, „aber man kommt sich doch so einsam und verlassen, so abgetrennt vom Mutterlande vor, wie ein Zug auf einem toten Geleise. Einmal im Monat kommt der polnische Pfarrer und hält Gottesdienst, aber wir verstehen entweder nicht ein einziges Wort davon, aber die große Lücke bleibt offen, dass uns Menschen fehlen, mit denen man innere Kontakte hat. So sehen wir mit sehnsuchtsvollen Augen nach dem Westen und halten im äußersten Winkel die Wacht. Denkt ihr bei euch noch an uns?"

 

 

Seite 2   400 000 noch in Lagern

Bonn. Nach einer Mitteilung des Vertriebenen-Ministeriums befinden sich z. Z. noch immer rd. 400 000 Vertriebene in etwa 2700 Massenlagern. Obwohl im vergangenen Baujahr ca. 100 000 Wohnungen an Vertriebene übergeben werden konnten und im Zuge der Umsiedlung bereits Anfang nächsten Jahres weiterer beträchtlicher Wohnraum erstellt wird, bedarf es noch großer Anstrengungen, um das Lagerelend endgültig zu beseitigen.

 

 

Seite 2   Preußen und die polnischen Teilungen. Von Prof. Dr. Laubert, Göttingen

Eine unausrottbare, von der polnischen Propaganda geflissentlich genährte Geschichtslegende stellt Preußen als Urheber und Hauptschuldigen an dem vermeintlichen Verbrechen der polnischen Teilungen Friedrichs II. als skrupellosen Imperialisten dar. In Wahrheit hat der König nur zögernd, von seinem Bruder Heinrich angetrieben, sich auf die erste Teilung eingelassen, um den Frieden Europas zu sichern. Der Anstoß aber ging von Österreich aus, das die 1421 an Wladyslaw Jagiello verpfändete Zips militärisch besetzte, nachdem geistliche „Kasuisten", Maria Theresias religiöse Bedenken beschwichtigend, es für ein Verdienst erklärt hatten „Barbaren zu berauben". Russland aber war im Begriff, ganz Polen zu verschlucken, standen doch seit 1717, seit der durch Augusts des Starken absolutistische Bestrebungen in seiner Freiheit bedrohte Adel Peter den Großen zum Schiedsrichter zwischen sich und dem König gemacht hatte, seine Truppen ununterbrochen in dem vom Petersburger Residenten regierten Land. Ohne Eingreifen Preußens hätten sich die Moskowiter schon unter der zielbewusst Peters Spuren folgenden Katharina II. an der Weichsel eingenistet. Friedrich der Große hat sich also den Dank ganz Europas verdient, als er unter dem Beifall von Voltaire, Goethe, Herder diese Entwicklung hemmte. Zudem gewann Preußen fast durchweg nur überwiegend deutsche, von Polen gewaltsam eroberte Gebiete und machte nur das Unrecht des 2. Thorner Friedens von 1466 und den Westpreußen zur polnischen Provinz herabgedrückten Rechtsbruch der Lubliner Union von 1569 wieder gut.

 

Als Fürst Kaunitz den Widerstand des polnischen Reichstages durch Vergrößerung der österreichischen Beute brechen wollte, befolgte Friedrich die russische Taktik der Bestechung. Am 17. Mai 1772 schrieb er, sich des Sachverhalts durchaus bewusst, seinem Warschauer Vertreter Benoit: „Ich bewundere die Vorliebe, die der polnische König (Stanislaus August) für die Österreicher bezeugt. Ihre Portion bildet ebenso gut einen Teil Polens wie die mir gebührende, so dass nur die Bigotterie Ursache eines so lebhaften Hasses gegen mich sein kann. Man betrachtet mich als Ketzer und vielleicht auch als Urheber und Hauptanstifter des ganzen Teilungsplanes", und an Voltaire am 9. Oktober 1773, fast ganz Europa glaube, die Verkleinerung Polens sei eine Folge seiner listigen Politik, was so falsch wäre wie nur irgendetwas in der Welt. Er habe vergeblich verschiedene andere Wege vorgeschlagen, aber endlich seine Zuflucht zu dem Akt von 1772 nehmen müssen, als einzigem Mittel zur Verhütung eines infolge der Balkanwirren drohenden allgemeinen Krieges. Allen Verlockungen zu weiteren Teilungen widerstand er durchaus, ungeachtet der noch immer noch höchst ungünstigen Grenzziehungen im Osten, und erschwerte sie sogar durch Herausziehung der Deutschen in Polen zur Kolonisation im eigenen Land.

 

Die 2. Teilung von 1793 haben die Polen selbst verschuldet, indem sie durch Verweigerung jeglicher Entschädigung das Bündnis des Ministers Hertzberg mit Preußen entwerteten, wogegen eine russophile Magnatenpartei Katharinas Schutz gegen die Reformpartei und die Verfassung von 1791 anrief, ihr also einen neuen Vorwand zum Eingreifen lieferte.

 

Die 3. Teilung 1795, eine Folge des polnischen Aufstandes vom Vorjahr, war zunächst ein Werk der beiden Kaisermächte allein. Erst durch deren Vorgehen wurde Preußen zur Erhaltung des Gleichgewichts gezwungen, durch den ihm oft zum Vorwurf gemachten, aber durch die Wiener Politik herbeigeführten Frieden von Basel sich im Westen freie Hand zu verschaffen und gleichfalls im Osten eine Entschädigung zu suchen.

 

Trotzdem war im Ganzen sein Anteil geringer als der seiner Partner (2 635 000 Einwohner geben 6 Millionen für Russland und 3 700 000 für Österreich). Wenn sich dessen ungeachtet der Hass der Polen vornehmlich gegen den Hohenzollernstaat richtete, so deshalb, weil die Kluft zwischen ihnen und dem slawischen Russland und dem mit slawischen Völkern durchsetzten katholischen Österreich weit geringer war als die sie von dem vorwiegend protestantischen Preußen trennende und weil der Geist von Wien ihrem Wesen nicht so fremd war wie der von Potsdam sie also unter dem Doppeladler ein ihnen zusagenderes Leben erhofften als unter dem Einköpfigen.

 

Bei der sogen. 4 Teilung durch den Wiener Kongress 1815 versuchten England und Österreich, Talleyrand als Vertreter Frankreichs vorzeitig in die Versammlung schmuggelnd, wie dieser Preußen mit seinen Ansprüchen gegen dessen und Russlands Willen nach Osten abzulenken. Durch die den drohenden Krieg vermeidende Kompromisslösung wurde Alexanders I. Plan einer Annexion Gesamtpolens in Form eines ihm nur durch Personalunion verbundenen autonomen Königreichs vereitelt. Die Westmächte drängten vielmehr Preußen die Provinz Posen und  zum Herzogtum Warschau geschlagenen westpreußischen Kreise geradezu auf, die sie ihm 1919 durch das Versailler Diktat „im Namen der Gerechtigkeit“ wieder entrissen haben!

 

 

Seite 3   2 Fotos. Schnee und klirrender Frost gehören zu unserer ostpreußischen Heimat. Auch diese alten Linden haben so manchen Wintersturm daheim überdauert. Aufn.: S. Hoth

 

 

Seite 3   Uralte Linden meiner Heimat. Von Sabine Hoth

Wenn unsere Gedanken zurückgehen in unser Heimatland – zurück zu vergangenen Zeiten, zu Kinder- und Jugendzeiten, zurück in die Jahre des Schaffens auf unserem Heimatboden, zurück auch zu schweren und harten Jahren -, so sind es doch fast immer Gedanken des Friedens, die in uns aufsteigen. Eine Welt der Geborgenheit, die uns umgibt. Leid, Kampf und Sorgen, die es natürlich auch in unserer Heimat, in unserer Vergangenheit reichlich gegeben hat, sie liegen uns sehr, sehr fern. Teils sind sie verblasst im Vergleich zu dem allen, was dann kam, als unsere Wurzeln ausgerissen wurden, teils ist es wohl auch eine göttliche Gnade, dass Licht Schatten zurückdrängt. Und so sind es fast immer stille und helle Gedanken und Erinnerungen, die heute mit uns sind - ja, die unser zweites, im ganzen unsichtbares Leben ausmachen, aus dem wir - nicht zu erkennen für unsere Umwelt - Kraft schöpfen für die Anforderungen unserer heutigen Tage.

 

Alte, uralte Linden zeigen diese geretteten Bilder. Sie standen an der Straße, die von der Chaussee zu unserem Hofe führte, sie standen dicht an meinem Heimathaus und sie standen in langer Allee um unseren großen, echt ostpreußischen Gutsgarten. Man sagt, sie stammten noch aus der Zeit der Ordensritter. Ich weiß nicht, ob es wahr ist. Aber dass sie Jahrhunderte kommen und gehen sahen, glaubt ihnen jeder.

 

Warum zeige ich diese Linden? Es gibt auch in anderen Teilen unseres Vaterlandes alte Linden, nicht minder eindrucksvoll und gewiss auch da und dort sehr geliebt. Und doch habe ich immer das Gefühl, die Linden sind unsere Bäume. So verbunden mit dem Leben der Menschen, die in ihrer Nähe wohnen, sind sie sonst nicht. Und es wird wenige Ostpreußen geben, die mir nicht zustimmen: „… ja, unsere Linden." Den meisten Höfen und vielen Bauerngärten waren sie Wahrzeichen, Schutz und Schirm, treue Freunde. Gleich, ob sie alte knorrige, geschorene Hecken und Schattengänge bildeten, oder ob ihre Kronen das Dach beschatteten, ob sie am Rand der Weidegärten Schattenplätze für Vieh und Fohlen in der sommerlichen Mittagsglut spendeten, oder die Allee zum Hofe bildeten. Bei meinen Großeltern standen sie so dicht am Hause, dass die hochgelegene Terrasse um ihre dicken Stämme herumgebaut war. Auf jener Terrasse befand sich rechts und links von der Glastür, die zum Garten hinausführte, jeweils ein Sitzplatz, Bank und Tisch, zwischen Hausmauer und Lindenstamm. Dort saß man an unzähligen Sommertagen - mit seiner Arbeit, mit seinen Gästen, gelegentlich mit seinen Mahlzeiten - dort spielten die Kinder, dort wurde so mancher gute Gedanke gedacht.

 

Wenn ich jetzt meine Lindenbilder ansehe, die ich vor Jahren gemacht habe, nicht ahnend, was sie mir einst in der Fremde sein würden, so ist es wieder die Atmosphäre des Friedens und der Geborgenheit, die an die Tiefen der Seele rührt - nicht nur der meinen. Ich glaube, dass diese Linden selbst durch diese Bilder so manchem entwurzelten Menschen etwas zu sagen haben.

 

Wenn ich an mein Heimatland in seiner augenblicklichen Lage denke, so ist ganz dicht dabei das Gebet: „Herr Gott, ist es möglich, so schütze du unsere Linden!" - Versteppte Felder lassen sich wieder in Kultur bringen, aus verwüsteten Gärten lässt sich bald wieder mit Liebe etwas machen, das zukunftsfreudig wächst und wird, zerstörte Gebäude lassen sich neu bauen, selbst ein zerstörtes Vaterhaus kann in gewissem Sinne, erfüllt mit der Tradition und dem Geist der Väter, wieder ersetzt werden.

 

--- Auch Linden lassen sich wieder pflanzen - und gewiss wäre dies eine unserer ersten Taten -, aber Gott gab ihnen ein anderes Zeitmaß als uns Menschen, und wir wissen, dass wir Abschied nehmen müssen, wenn sie noch in ihrer Jugendzeit stehen. Alte Linden sind nicht zu ersetzen. Für uns, die wir jetzt atmen, nicht.

 

Sie sind etwas Kostbares, was wir verlieren und --- wiederzufinden hoffen.

 

Dem mächtigen Brausen der Stürme in den alten Kronen der Linden lauschten wir schon in unsern Kinderbetten. Es gab ab und zu einmal einen Menschen im Haus, der das unheimlich fand: die Linden könnten wohl mal das Haus zerschlagen. Wir verstanden das nicht. Uns bedeutete dies Brausen tiefste Geborgenheit im Vaterhaus und wir lauschten uns in Schlaf. Unter den Linden spielten wir Kinder im Sand. Unter den Linden fuhr jeder Wagen - o höchstes Kinderglück - hinaus ins Feld oder in die Nachbarschaft und zum zweiten Heimathaus, zu den Großeltern. Unter den Linden stand so mancher gastlich gedeckte Kaffeetisch, und viele, die durch unser Haus gingen, werden noch an diese sommerlichen Stunden denken. Unter den Linden stand Vaters Wirtschaftswagen, stand Vaters Reitpferd angebunden, bis er mit raschen Schritten aus dem Haus kam, um die Pflichten am Schreibtisch mit denen im Betrieb zu tauschen. Unter den Linden baute Vater schon mit seinen Brüdern in der Schülerzeit eine Sprungschanze, um bei besonders begehrenswerten Mahlzeiten - Kartoffelflinsen oder dergleichen - schnell mal zwischendurch zu springen, damit das Wettessen wieder besser ginge. Aus den Wipfeln der Linden grüßten uns an einem klaren Märzabend die ersten Stare und schwatzten im Herbst Scharen von Krammetsvögeln auf kurzer Rast ihres weiten Fluges. Unter den Linden lauschten wir auf das tausend-fache Summen der Bienen zur Blütezeit. In den Jahren, da wir „im Reich" lebten, in Ausbildungszeiten zum Beispiel, hatten wir nie größeres Heimweh, als wenn die Linden blühten. Nicht nur in Gedanken an die Tracht der Bienen... Es gab Jahre, da die ganze Blüte verregnete und es einen sehr spürbaren Ausfall in der Honigernte gab. Das tat uns dann Leid für Mutters Kasse. Es tat uns auch Leid für die vielen Honigfreunde in Berlin oder sonst wo, die Jahr für Jahr unsere Honigsendungen bekamen. Aber es war noch etwas anderes: Nie genossen wir so bewusst und tief die Sommertage unserer Heimat als zur Zeit der Lindenblüte, ja man füllte sich sozusagen in solchen Tagen mit Sommerglück. Wer denkt nicht mehr an den Zauber unserer Sommernächte, wenn die Linden dufteten.

 

Und wieder sehe ich auf meine Linden. Anders schmückt sie Rauhreif und Schnee hierzulande. Es gehört das Klirren des ostdeutschen Frostes, die ostdeutsche Winterluft dazu.

 

Unter den Linden geleiteten wir unsere Särge hinaus, und die alten Bäume breiteten ihre Äste darüber wie über das spielende Kind - „Kommen und Gehen - wir bleiben, bis auch uns der Schöpfer die Zeit setzt".

 

„Ja, wir sahen auch Linden sterben. Unter den alten Bäumen brach im Sturm oder unter der Schneelast so manches Mal ein Baum zusammen. Das war jedes Mal ein ganz besonderes Ereignis. Aber am eindrucksvollsten einmal in einer vollkommen stillen Nacht. Ein nicht zu beschreibender Ton des Krachens und dumpfen Aufschlagens erklang. Dann war wieder Totenstille. „Eine Linde", das war uns allen klar. Aber warum jetzt - so ohne Grund? Gott allein weiß es. Er zerbricht Leben, wann und wo er will. Er braucht keinen sichtbaren Anlass. Er kündigt seinen Willen nicht vorher an. - Und es geschieht zu seiner Stunde.

 

Es war im Oktober 1944: Tage höchster Gefahr, die niemand von uns vergisst. Auf unseren Höfen und in unseren Häusern ein Leben und Treiben wie nie zuvor. Jeder Raum mit Militär und Flüchtlingen aus den Grenzkreisen belegt. Die Anforderungen jener Tage drohten Nerven- und Körperkräfte zu übersteigen. Truppen kamen und gingen. Es gab solche, die wir mit sehr besorgten Augen und mit guten Wünschen weiterziehen sahen, und es gab solche, die einen schlechten Geist mitbrachten, einen Ton, der nicht zu uns und unserm Land passte und nicht zu dem Ernst der Stunde.

 

Es gab Menschen, die Riesenkräfte und bewundernswerte Bereitschaft aus sich herausholten, und so mancher Heimatlose fand noch einmal den Schutz eines deutschen Daches und offene Herzen für seine Not - bis uns dann alle die Landstraße aufnahm. Aber es gab auch Menschen, die der Macht des Alkohols nicht gewachsen waren, die sich treiben ließen von einem schlechten Geist.

 

An einem Sonntag, da besonders viel Hässliches uns umgeben hatte, da es nirgends mehr Stille und Ausweichen gab, kam plötzlich mitten zwischen den Vielen, die wollten und forderten und klagten und fragten, meine Schwester rasch zu mir: „Komm, wir gehen schnell ein paar Minuten zu unseren Linden". Wir gingen hinaus. Mächtig tobte der Sturm durch die alten Bäume. Aber für unsere Herzen bedeutete dieses Brausen Stille - tiefe Stille. Lange standen wir da.

 

„Ihr, Linden saht Gutes und Hässliches durch viele hundert Jahre. Ihr werdet vielleicht noch viel Leid und Not unserer Zeit miterleben. Aber ihr werdet - gäbe es Gott - auch wieder unsere Kinder spielen sehen. Vielleicht seid ihr dem Schöpfer näher als wir Menschen, nehmt leichter aus seiner Hand Sturm und Stille, Schneelast und Hitze, Blühen und Zerbrechen. Euch fällt es vielleicht leichter, Schirm und Schutz zu sein für alles Leben, das Euch sucht, und zu rauschen und zu schweigen über allem Bösen, das ihr seht und das euch doch nicht berührt. Ihr bleibt unverändert die alten Linden. Lasst uns lernen von euch!" „Und gib Herr, dass wir und unsre Häuser auch im Strudel alles dessen, was uns umgibt, bleiben, was wir waren - gibt, dass wir auch in Zukunft, in allem, was du uns vorbehalten hast - bleiben, wie du uns schufst, als ein Stück unserer Heimaterde."

 

 

Seite 3   Um die Jahreswende im Pregeltal / Von Carla v. Bassewitz

Um diese Zeit liegt unser liebes Heimatland tief im Schnee begraben – mit dicken weißen Mützen auf Dächern, Zaunpfählen und Tannen, mit zartem Reif auf Drähten und Zweigen – mit Eisschollen auf den Flüssen.

 

Die Chausseen werden mit großen Schneepflügen des Kreises geräumt, jeder Besitzer muss seinen Feldweg mit Pferden „durchfahren" und stellenweise mit der Hand nachschaufeln. Aus Brüchen und Wäldern wird das gehauene Holz und Strauch mit Ochsenschlitten gerückt, da die empfindlicheren edlen Pferde es nicht mehr schaffen.

 

Und nicht zuletzt steigt in uns allen, die wir unsere Häuser und Höfe im Osten ließen, am Pregel, an der Deime, an Memel und Ruß und an der Angerapp - auch die Erinnerung auf an unsere Schlittenfahrten zur Kirche.

 

Am Pregel liegt unser Haus, am Pregel liegt auch die Kirche. Ob heute noch - das kann uns niemand ganz genau sagen. Für uns aber sind sie - und sei es auch nur in unseren Herzen. Da stehen sie unverrückbar fest, als könnten wir sie mit Händen greifen . . .

 

In Ostpreußen, dem sparsamen und durch die Kriege aller Jahrhunderte zerstörten und immer wieder zur Blüte gekommenen Lande, war es Sitte, dass die Weihnachtsbaumlichter in den Kirchen nur zur Christvesper und am Altjahrsabend brannten. Da es in Häusern mit vielen kleinen Kindern für die Bescherung zu spät geworden wäre, wollte man vorher noch die weite Fahrt zur Christvesper machen, sahen wir also nur einmal im Jahr, zu Silvester, unsere ehrwürdige alte Ordenskirche bei Kerzenbeleuchtung - wie zur Zeit ihrer Errichtung vor fünfhundert Jahren.

 

Große Familien wurden in zwei Schlitten verpackt. Alle Kinder hatten Nacktpelzchen aus eigenen Schaflämmern an. In allen Größen waren sie vorhanden, so dass immer das nächste Kind hineinwuchs, wenn ein älteres zu groß wurde. Aus mächtigen Fußsäcken sahen nur Arme und Schultern hervor, dazu Wollschals um Nase und Kinn gewickelt, doppelt gestrickte

„Faustkes" saßen an den Händen - Hasenpelzmützen mit Ohrenklappen auf dem Kopf --- was konnte da noch passieren! Keineswegs war diese Ausrüstung in unserem Lande luxuriös. Jeder kleine Besitzer und sehr viele Landarbeiter hielten Schafe und trugen eigengewachsene Pelze.

 

So versehen, im Klang der verschiedenen Schlittenglocken, der großen, tiefen der elterlichen „Fuhre" und der helleren zierlicheren des kleineren Schlittens, welche schon der älteste Junge fahren musste, ging es zuerst in der ausgefahrenen Spur der baumbestandenen Feldwege auf die Höhe am Pregeltal zu. An manchen Stellen waren die Schneewälle zu beiden Seiten noch einmal so hoch wie Pferde und Fahrzeuge. Wir bewegten uns wie in einer tiefen Schlucht von bläulichem Schnee, über uns das Gitterwerk der kahlen Äste gegen den dunkelblauen Nachthimmel.

 

Die Chaussee war vereist und spiegelglatt - wenn die Kreisverwaltung auch noch so schnell für Sandstreuen sorgte. Da hieß es aufpassen. Zwar waren in Ostpreußen im Winter alle Pferde ordnungsgemäß „scharf gemacht", d. h. Stollen in die Eisen geschraubt. Sie mussten aber fest am Zügel gehalten werden und auch wieder weich „wie am Gummiband", damit sie nicht fielen.

 

Nur wenige Fahrzeuge überholten uns - meist auch „Kirchenfuhren" aus der Nachbarschaft, mehrere vermummte Fußgänger mit Laternen und dicken Stöcken wanderten am Chausseerand dem gleichen Ziele zu. Aus den Dörfern und Höfen in der Dunkelheit blitzte sie.

 

Wenn wir die Höhe erreicht hatten, öffnete sich das Pregeltal weit den Blicken. Links tief unten wand sich dunkel durch, das helle Schneehügelfeld der Ufer unser Pregelfluss in einer Baumgruppe lag etwas erhöht die Kirche mit den schmalen erleuchteten Spitzbogenfenstern - darüber spannte sich weit, von keinerlei Ästen mehr verborgen, der Himmel voller Sterne!

 

Berühmte Maler haben solchen Anblick oft im Bilde festgehalten, weihnachtlichen Glückwünschen diente er als Vorbild - aber nichts übertrifft die Gewalt und Feierlichkeit dieses Anblicks in der Wirklichkeit. Und nun fingen die beiden Glocken der Kirche an zu läuten. Es waren zwei Glocken - trotz Armut und Sparsamkeit des von Kriegen heimgesuchten Landes - zwei! Der tiefe und der helle Ton schwangen sich zu uns herauf durch die klare Winterluft und schwollen gewaltig an, als wir durch das Säulenportal den dämmrigen Raum betraten.

 

Jedes Kind hatte ein Kerzchen mit, das mit einem Wachstropfen auf der Banklehne festgeklebt wurde und mit den Lichtern an den beiden schlanken Tannen rechts und links vom Altar und an den altertümlichen Messingleuchtern der Wände die Kirche mit ihren geschnitzten Ständen und bunten Fresken in ein weiches, farbiges Licht tauchte.

 

Dann brausten Meister Bachs Fugen von der Orgel, wir sangen die alten Lieder - die Predigt kam und die Liturgie, die wir nirgend in Deutschland wieder in derselben Form gehört haben als bei uns: „. . . Herr, erbarme Dich, nimm dich unser aller gnädig an, rette und bewahre uns, denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit!"

 

Dann verflackerten die Lichtchen auf den Bänken und unter den Klängen der letzten Bachschen Fuge entließ uns die eisenbeschlagene Tür ins Schneelicht der Silvesternacht.

 

- Und wenn Du uns das nicht wiedergeben wolltest, Herr Gott, dass nach der Heimkehr aus der Kirche, zu der schon unsere Vorväter gehörten, ein geliebtes altes Haus, warm und erleuchtet, uns in seine schützenden Arme nimmt so gib uns doch das wieder, was wir mit der Heimat zusammen verloren: geborgen und geliebt sein, Arbeit, Verantwortung und Notwendig sein, für viele so dass wir Dir an einem solchen Silvesterabend einmal wieder danken dürfen für ein ausgefülltes, gesegnetes Leben, auch in diesem Lande wie in der Heimat . . . Das Unsere wollen wir dazu tun!

 

 

Seite 5   Eisfischerei auf dem Kurischen Haff. Von Wanda Wendlandt

Vier Uhr hat der Nachtwächter eben „getutet“, schwarze Nacht liegt noch über dem Dorf so dicht, dass man „nich Hand vär Ooge sehne kann“ und nur nach Osten und Norden lässt eine Art gemilderter Schwärze ahnen, wo sich die unendliche Weite graue Eisfläche des Haffes breitet. Ein „stiever Oost" fegt schneidend von dort her und wirft messerscharfe kleine Eiskristalle prasselnd und klirrend gegen die kleinen Fensterscheiben des Dorfes hinter denen es schon längst lebendig ist. Matter Lichtschein fällt aus den Ställen zusammen mit den behaglichen Geräuschen von Hafer und Häcksel mahlenden Kiefern, Stampfen und Schnauben - es ist das eine besondere Rasse, diese kleinen struppigen Nehrungsfischer-Pferde, die so unbegreiflich anspruchslos und zäh, genügsam und ausdauernd sind. Ebenso eine besondere Rasse ihre Kameraden (denn eine Kameradschaft auf Leben und Tod ist das Verhältnis zwischen den Nehrungsfischern und ihren Pferden), die „Nehringer", hochgewachsen und blond und mit hellen blauen Augen mit dem scharfen Blick in die Weite - Nachkommen seefahrender Völkerstämme. - In dem flackernden Lichtschein der Kammern stehen sie jetzt und stampfen mit den Absätzen der unförmigen, bis zu den Hüften reichenden Fischerstiefeln gegen die Türschwellen, um besser mit den dickbestrumpften Beinen in die mit Stroh ausgefütterten Gehäuse hineinzukommen. Aus den Küchen quillt leckerer Duft von Bratkartoffeln und gebratenem Fisch und bedächtig werden die Mägen mit heißen, wärmehaltenden Speisen gefüllt, ehe es hinaus In die eisige Kälte geht. Unter gar keinen Umstanden darf, solange die „Männer" noch im Hause sind, aufgeräumt oder gar ausgefegt werden, weil damit das Glück für den heutigen Fang aus dem Hause gefegt würde. Ebenso darf den ausziehenden Fischern beileibe nichts nachgerufen werden, weil das unweigerlich Unglück für die Fahrt bringen würde. Soviel Aberglaube ist fest eingewurzelt und erklärlich, denn nicht nur, dass Erfolg und Verdienst des Fischers unsicher und ungewiss sind wie Lotteriespiel, ist sein schwerer Beruf unendlich gefahrvoll und ein ständiger voller Einsatz seines Lebens, besonders bei der Fischerei auf dem Eise.

 

Nun aber geht es los, die Männer stülpen ihre „Südwester" auf und binden die Ohrklappen unter dem Kinn fest, die struppigen Pferdchen werden vor die Schlitten gespannt, die ganz unverhältnismäßig lange Deichseln haben, Stricke, Netze, Eisäxte, Eissporen, Schlittschuhe und der „Lölschke", der Proviantkasten, werden auf die Bretter des Schlittens geworfen und „Hühl" geht es dem Haff zu, über dem jetzt im Osten ein heller Schein den kommenden Tag kündet. Zunächst geht es an den „Fuhsen" entlang. Fuhsen sind Kiefernstämmchen, die behördlicherseits als Richtweiser von einem Haffdorf zum andern in Abständen von etwa 30 m aufgestellt sind. Kling, kling, kling, kling - mit eigenartig hohlem Ton schlagen die Eisen der Pferde (die mittels Stollen „scharp gemoakt" sind) auf die dicke Eisdecke, der Eisstab „schorrt" sirrend über die glatte Fläche und mit donnerartigem Krachen und Poltern platzen bei dem scharfen Frost Risse ins Eis, oft unmittelbar unter den Hufen der Pferde. Jetzt ist der Schlitten „all hoch oppe Haff" und einer der Fischer spannt seine Schlittschuhe unter, hölzerne lange Holländer, ergreift eine Eisaxt und läuft dem Schlitten voraus, mit der Eisaxt das Eis auf Risse, Wuhnen und Blanken untersuchend. Die Eisaxt ist das unentbehrliche Requisit des Eisfahrers, mit ihr wird die Festigkeit der Eisschicht auf alten Wuhnen geprüft (drei schwere Schläge darauf verbürgen die Tragkraft für das Gefährt); Risse werden mit ihr untersucht und notfalls Schollen abgeschlagen zur Überquerung breiter Risse; bei schwierigen Überquerungen wird sie unter den Schlitten gebunden als Verlängerung der Schlittenkufen und endlich dient sie als Bremsvorrichtung bei sehr glattem Eis, um das gefährliche Schleudern zu verhindern.

 

„Na nu waar wi manl" Der Vorläufer hält an einer günstig erscheinenden Stelle, die oft von den Fischern aus Träumen erdeutet ist. Mit den Eisäxten werden viereckige Löcher aus dem Eis ausgehoben und mittels langen „Staakstangen" die Netze unters Eis geschoben. Wenn alle Netze „gestellt" sind, wird in einem bestimmten Winkel zu diesen ein langes schmales Brett in ein Eisloch geschoben und darauf mit Holzschlägeln geschlagen. Das ergibt ein weithin dröhnendes Geräusch verstärkt durch die Resonanz der Eisdecke, durch welches die Fische, in der Hauptsache Kaulbarse, in die aufgestellten Netze getrieben werden.

 

Das ist das „Klappern". Kleinfischerei, die auch von Kleinfischern ohne Pferde betrieben werden kann und nur mäßige Verdienstmöglichkeiten hat. Weit mehr Erfolge - oder Misserfolge - bringt das „Große Garn", das neben einem großen Aufwand an Material und Menschen unvergleichlich mehr Zeit, Zurüstungen und last not least Risiko erfordert. Die Schlitten werden zusammengestellt, die Pferde ausgespannt und zugedeckt und mittels als Windschutz aufgehängten alten Segeln etwas vor dem argen Eiswind geschützt. Dann beginnt die lange, mühevolle und in der Kälte grausam harte Arbeit: Die große Hauptwuhne wird ausgehoben und von hier aus das große Garn unter das Eis geschoben, soweit die langen Staakstangen reichen. Dann werden im weiten Umkreis kleinere Löcher ins Eis geschlagen und von diesen aus das Garn weitergeschoben. An jedem Loch steht ein Mann, alle von Eis starrend, Barte, Joppen und die „Krempstävel" von Eiskrusten überzogen, in der klirrenden Kälte meist ohne Handschuhe hantierend, weil diese von Nässe und Frost sofort steiffrieren und also hinderlich sind.

 

Spannung und Höhepunkt: Alle stehen nun um die Hauptwuhne, wo mittels Holzwinden das Garn herausgewunden wird - was wird der Lohn aller schweren Mühen sein? - Ist heut ein Glückstag - oder wird es leer und damit alle schwere Arbeit umsonst gewesen sein? Oder gar noch von Eiisblöcken zerrissen? - „Go'n Dag! God Glöck! Alles solke dicke Fösch wie öckl" - Zwei „Kupscheller" (Fischhändler) sind mit ihren kleinen Schlitten und abgetriebenen Pferden herangesaust, um rechtzeitig ihre Chance wahrzunehmen. Sorgfältig in dickem Stroh verpackt ist die Schnapskruke, die jetzt reihum von Mund zu Mund gereicht wird, um für einen günstigen Handelsabschluss Stimmung zu machen. - „Toi toi toi!" die Fischer spucken hinter sich, denn nun wird der große Endsack herausgewunden — „et hefft söck jelohntl" - Silbern glänzen die Fischleiber in der schrägen Nachmittags-Wintersonne und es schnellt und schlängelt und schwänzelt durcheinander: Zander und Hechte, Bressen und Quappen, Ziegen und Zährten und Barse, Plötze und große Stinte.

 

Nicht häufig waren solche ausgesprochenen Glückstage und die Kunde davon lief wie ein Lauffeuer in die Runde der Haffdörfer und es wurde wochenlang davon gesprochen wie von einem Lotterie-Haupttreffer. Die alltäglichen mündlichen Nachrichten aber brachten Nachrichten wie „An Graopsche Haoke hebbe twee Pöllkopper rönjeschmeete" - oder gar „De Frees hefft jiestre sienem Bruune versöptl" Solche Meldungen, ausgetauscht bei Begegnungen auf dem Haff, an der Dorfschmiede oder auch im Dorfkrug, waren wichtig und notwendig zur Erkundung der Eisverhältnisse, und bei konstanten Wintern und anhaltendem gleichmäßigem Frostwetter wurden die Hauptgefahrenquellen, Blanken und oft meilenlange breite Risse und Spalten, auch „befuhst", konnten aber doch keine zuverlässige Sicherung sein, weil ja die so tot anmutende Eisfläche lebendig ist und „arbeitet" und täglich neue Risse und offene Stellen, die besonders unter Schneeverwehungen äußerst gefährlich sind, aufweist. Vor allem aber zwang die Notwendigkeit des Broterwerbs und ihre Armut die Fischer, auch bei ungünstigem Wettet und Eisverhältnissen die Eisdecke zu nutzen, denn der „Schacktarp", die Zeit der erzwungenen Untätigkeit, wenn die Eisdecke zerrissen und unbenutzbar ist und wegen der Eisschollen das Haff auch noch nicht wieder mit Booten und Kähnen befahren werden kann, war ohnehin immer viel zu lang für die wirtschaftlich ungesicherten Fischer und brachte oft bittere Not in die armen Fischerhütten. So wurde denn das Eis befahren, solange es noch irgendeinen Schlitten trug, so dass es regelmäßig jeden Winter nicht nur bei Opfern an Geräten, Schlitten und Pferden blieb, sondern das Haff auch sein Menschenopfer verlangte.

 

Fast ebenso regelmäßig brachten die Vorfrühlingsstürme mit dem alarmierenden Ruf „De Jes jeihtl!" schwere Not, dass nicht alle Fischer rechtzeitig sich vom Eise retten konnten und oft Einzelne oder auch ganze Trupps auf geborstenen Eisschollen abgetrieben und in unsäglichen Strapazen zwischen zusammengeschobenen Eisbergen und aufgewühlten Wassern umhergetrieben wurden, manchmal tagelang, bis es ihnen in tollkühnen Manövern gelang, sich doch noch durchzuretten oder bis ihnen Hilfe gebracht werden konnte - oder dass am folgenden Sonntag die Kirche dichtgedrängt voll war und der Pastor von den „Opfern ihres Berufes" sprach und von dem Leid der Frauen und Kinder in schwarzen Kopftüchern, die vergeblich auf die Rückkehr ihrer Ernährer warteten ---.

 

 

Seite 5   Die Bärentatze in Sensburgs Wappen

Als der südostpreußischen Stadt Sensburg 1348 das Stadtrecht verliehen wurde, erhielt sie als Wappen eine abgehauene Bärentatze im silbernen Felde. Die Nachbarstadt Rastenburg dagegen führte einen Bären im Wappen, dem die rechte Vordertatze fehlt. Der Sage nach soll in den dichten Urwäldern zwischen den beiden Orten einst ein blutrünstiger Bär gehaust haben, der den Bewohnern viel Unheil zufügte. Auf einem großen Treiben der Sensburger soll es einem beherzten Jäger gelungen sein, mit der Sense dem Untier die rechte Vordertatze abzuhauen. Der Bär entkam aber in die Gemarkungen der Rastenburger, die nunmehr die Jagd aufnahmen und ihn zur Strecke brachten. Aus diesem Grunde erhielten die beiden Städte ihre Wappenbilder.

 

 

Seite 5   Der Spuk auf Schloss Wundlacken

Schloss Wundlacken im Kreise Gerdauen war ein alter Adelsbesitz, der bereits 1284 als „Feld Wundilauches" erwähnt wird und im 18. Jahrhundert an das Haus Dohna fiel. In dem grauen, verwitterten Bau schien die Zeit vor Jahrhunderten stehengeblieben zu sein, und so war es kein Wunder, dass es in ihm auch spuken sollte. Lange Jahre soll eine ehemalige Kastellanin umgegangen sein, die einmal einer Prinzessin Solms erschienen sei und ihr geraten habe, nicht alle zum Verbrennen bestimmten Papiere dem Feuer zu überantworten. Auf diese Weise, so wird erzählt, sei ein unbekanntes Kolleg von Immanuel Kant der Vernichtung entgangen. - Der damalige alte Fürst zu Dohna war von dem Spuk wenig erbaut. Er ließ seine Familie nebst Hauspersonal rufen und hielt ihnen folgende Ansprache: „Ich höre, die Katim soll umgehen. War eine brave Frau, Kastellanin zu Zeiten meines seligen Urgroßvaters. Aber die Katim hat hier nicht umzugehen, das ordne ich hiermit an. Wer sie von heute ab noch einmal umgehen sieht, der kann sich als entlassen betrachten!" Seither ist der Spuk auf Wundlacken nicht mehr erschienen.

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen. Unsere Geburtstagskinder im Januar:

01.01.1852, Martha Adler (Elbing), 23 Hagen Bez. Bremen) Nr. 69.

02.01.1852, Bruno Wagnitz (KMTV), 20a Almstedt 2a, Kreis Alfeld (Leine).

04.01.1852 Anni Böhm (KbgFrTV), 20a Hameln, Postfach 107.

04.01.1952, Franz Lopp (Allenstein), 20a Hannover-Limmer, Kirchhöfnerstraße 10 III.

04.01.1952, Willi Thomas (Wehlau), 24a Lübeck, Moislinger Allee 1/3.

04.01.1952, Erich Warkentin (KMTV), 20a Bispingen, Kreis Soltau, Borsteler Straße 202.

06.01.1952, Hannelore Jacobs (KTC), 22a Wuppertal-Elberfeld, Freyestraße 65.

08.01.1952, William Grupp (KMTV), 3a Schwerin (Meckl.), Bergstraße 13.

09.01.1952, Fritz Wiechmann (KMTV), 1 Bln.-Dahlem, Rudeloffweg 8 I. r.

10.01.1952, Erich Bruchmann (KMTV/Pillau), 24b Neumünster, Göbenstraße 11.

11.01.1952, Käte Schmuckert (Elbing), 21a Salzuflen, Am Ostpark 4.

12.01.1952, Henny Dumke-Weymid (KMTV), 18 Ludwigshafen (Rhein), Eschenbachstraße 31.

12.01.1952, Helmut Schurig (KTC), 20a Hildesheim, WilhelmRaabe-Straße 3.

12.01.1952, Erich Schwartzkopff (Pr. Eylau), 23 Oldenburg (Oldbg.), Eckartstraße 28.

12.01.1952, Elsa Kallinich-Bass (KTC), 24a Stade, Thuner Straße 102.

13.01.1952, Gustav Griger (Marienwerder KMTV), 22c Siegburg (Rheinland), Neue Poststraße 2.

14.01.1952, Friedel Bormann-Karnapp (KMTV), 10a Dresden A 19, Haenel-CIauß-Straße 28.

14.01.1952, Helmut Ratensperger (Elb./All./Sensbg.), 13a Gr.Gündlach 152 über Fürth-Land.

16.01.1952 Hildegard Schröter-Denk (Tilsit), 13a Neukirchen 23 bei Sulzbach-Rosenberg.

17.01.1952, Gustav Behrend (Gumb.), 16 Wetter, Kr. Marburg (Lahn), Kaiserstraße 291.

17.01.1952, Anna Walther-Mathiszik (KMTV), 24a Hamburg-Blankenese, Bahnhofstraße 1.

18.01.1952, Dr. Gerhard Knobloch (KTC), 21a Ibbenbüren (Westfalen), Groner Allee 37.

18.01.1952, Margarete Paetsch-Lakies (KMTV), 24b Eutin, Wilhelm-Wisser-Straße 20.

19.01.1952, Erika Timm-Lorentz (KTC), 23 Bremerhaven, Postfach 82.

21.01.1952, Fritz Babbel (KMTV), 24b Flensburg, Stuhrsallee 15.

22.01.1952, Ruth Küger (Elb./KMTV/KTG/Marienw.), 24a Benz über Malente-Gremsmühlen, Neue Schule.

23.01.1952, Frieda Wölk-Knoll (KMTV) 19a Halle (Saale). Mittelwache 8.

23.01.1952, Gerhard Weitzmann (KTG). 20a Hannover-Ricklingen, Göttinger Chaussee 261.

24.01.1952, Otto Beutner (KMTV), 20a Südwinsen, Post Winsen (Aller) über Celle, Hornbostelstraße 73.

24.01.1952, Erich Dahlhoff (KMTV), 1 Bln.-Neukölln, Framstraße 3 IV.

24.01.1952, Wilhelm Deckner (Elb./KMTV), 20a Uelzen (Bz. Han.), Gudesstraße 16.

24.01.1952, Eva Stoll-Bludau (KMTV), 24b Bredstedt (Schleswig), Osterstraße 62.

24.01.1952, Gertrud Wowerat-Pohl (KMTV), 24b Ottenbüttel bei Itzehoe.

24.01.1952, Bernhard Zube (Pr. Holland), 24b Eutin, FritzReuter-Straße 9

25.01.1952, Anny Biallas (KMTV), 17a Schriesheim (Bergstr.), Auf dem Branich 11.

25.01.1952, Waldemar Ehlert (Tilsit), 24b Rendsburg, Baustraße 8.

25.01.1952, Anni Hartmann (KMTV), 20a Lehrte, Otto-Bödekker-Straße 14.

25.01.1952, Renate Siebert-Busch (All./Gumb.), 22b Mechtersheim (Rheinpfalz) bei Bresch.

27.01.1952, Gertrud Korallus-Scheschkewitz (KMTV), 3a Vorland über Grimmen.

28.01.1952, Gerhard Marsmann (KMTV), 21a Bad Oeynhausen, Stadtverwaltung.

29.01.1952, Charlotte Fiedler-Dill (Gumbinnen), 20a Hannover-Döhren, Helenenstraße 2 A.

30.01.1952, Dr. Hans-Joachim Bebecke (KMTV), 23a Osnabrück, Catharinenstraße 4.

30.01.1952, Helmut Heyse (All./Tils./Lötzen/Riesenb.), 21a Espelkamp-Mittwald, Glatzenstraße 9.

30.01.1952, Gerhard Jurkat (KMTV), 24a Lübeck, Lager Gothmund Travemünder Allee, Bar. 9.

30.01.1952, Gustav Manstedt (KMTV), 1 Berlin O 112, Frankfurter Allee 300.

31.01.1952, Karl Bläsner (KMTV), 20a Hannover-Linden, Stockmannstraße 12 pt.

31.01.1952, Fritz Ludwig (Marienwerder), 24a Ratzeburg (Lauenb.), Bahnhofsallee 7.

 

Die herzlichsten Glück- und Segenswünsche begleiten Euch in das neue Lebensjahr, besonders die „Zehnerjubilare"

Helmut Schurig (20).

Helmut Ratensperger (40),

Anny Biallas (50),

Anna Walther, Charlotte Fiedler und Fritz Ludwig (60 Jahre).

Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 5   Ein glückhaftes, gesundes neues Jahr allen Schwestern und Brüdern der Turnerfamilie!

Zum siebenten Male jähren sich die Tage des Zusammenbruchs, der großen Trecks und Flüchtlingsströme, der Vertreibung, Verschleppung und Verdammung. Zum siebenten Male nach dem Zusammenbruch stehen wir am Neujahrstage vor einer Nebelwand, die nicht weichen, nicht zerfließen will. Zum siebenten Male endet ein Jahr unerfüllter Wünsche und Hoffnungen. Aber wir lassen uns nicht entmutigen. Das Gute bricht sich Bahn - auch im großen Weltgeschehen! Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Gute zunächst in jedem einzelnen durchsetzt, denn von der Einstellung aller einzelnen hängt es ab, wie sich das Ganze verhält. Wir Turner wollen nicht warten, was die anderen tun. Auf uns wollen wir achten, uns selbst wollen wir ausrichten auf das Gute. Gutes Beispiel erweckt Nacheiferung! Auf uns Heimatvertriebene kommt es daher ebenso an wie auf alle anderen.

 

Deshalb treten wir in das neue Jahr unentwegt frohgemut und hoffnungsfreudig trotz aller Enttäuschungen. „Nur nicht nachlassen!" Unter diesem Losungswort für 1952 vertreten wir weiterhin unseren unabdingbaren Anspruch auf die Heimat. Unter diesem Losungswort halten wir Herz und Hand bereit, wieder Besitz zu ergreifen von unsern angestammten Rechten.

 

Nur nicht nachlassen in turnbrüderlicher Gesinnung und Treue! Nur nicht nachlassen im Glauben an eine Versöhnung der Völker! Nur nicht nachlassen in der Verteidigung unseres Rechts auf die Heimat!

 

Die alljährlichen Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie waren und sollen auch künftig Kraftspender und Freudebringer sein, um uns das Durchstehen auch unter den ungünstigsten Vorzeichen zu erleichtern, die Freundschaften wach zu halten und uns bereitzuhalten für einen Wiederaufbau deutschen Turnens im Osten. Darum: Nur nicht nachlassen im Sparen zur Teilnahme am VI. Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie vom 15.-18. August 1952 in Marburg (Lahn) das mit dem gleichzeitig stattfindenden 1. Bundesalterstreffen des Deutschen Turnerbundes verbunden und in dessen Zeitplan eingebaut wird. Damit kommen wir in diesem Jahre mit der Wahl des Ortes den Turnschwestern und -brüdern in Süd- und Mitteldeutschland entgegen. Vornehmlich aber bekunden wir damit unsere Verbundenheit mit dem Deutschen Turnerbund. Eine besondere Feierstunde ist an der Grabstätte des Befreiers unserer Heimat im 1. Weltkriege, des verewigten Reichspräsidenten von Hindenburg geplant.

 

Es wird empfohlen, mit dem örtlichen Turnverein Verbindung zu halten und alle Nachrichten über das Bundesalterstreffen von dort zu erbitten. Festbeitrag voraussichtlich 4,-- DM. Fahrtverbilligung durch Sonderzüge, Gesellschaftsfahrten usw. Unsere Quartiere sollen möglichst in der Nähe unseres Standquartiers gestellt werden. Wann, wohin und auf welchem Wege die Meldungen einzureichen sind, und sonstige Einzelheiten werden besonders bekanntgegeben. Alles richtet sich aus auf Marburg! Nur nicht nachlassen!

Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 5   Superintendent i. R. Lic. Wedemann 84 Jahre alt

Superintendent i. R. Lic. Ernst Wedemann wurde am 2. Dezember 1867 in Auglitten, Kreis Bartenstein, geboren. Sein Abiturientenexamen machte er am „Friedrichskolleg" in Königsberg und studierte dann Theologie an der „Albertus Universität.“ Nach dem 1. Examen wurde Ernst Wedemann vom evangelischen Oberkirchenrat Berlin in das Predigerseminar nach Wittenberg (Lutherstadt) geschickt. Nach zweijährigem Kursus machte er das 2. theol. Examen und wurde auf seinen Antrag zum Dienst im Ausland ausersehen. Im Jahre 1893 wurde er in die Pfarrstelle nach Kairo berufen, hat von 1893 bis 1903 gewirkt und war während dieser Zeit dort Pfarrer und Leiter der deutschen Schule. Seine Urlaubsreisen führten ihn auch nach Jerusalem, wo er die Tochter eines deutschen Arztes kennenlernte, mit der er sich am 31.10.1898 am Tage der Einweihung der „Erlöserkirche", zu der auch das deutsche Kaiserpaar nach Jerusalem gekommen war, verlobte. Ostern 1899 wurde das Paar - als erstes Paar - in der Erlöserkirche getraut. Im Jahre 1903 kehrte er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Deutschland zurück, verwaltete von 1903 - 1911 die Pfarrstelle in Schippenbeil, von 1911 - 1915 eine Landstelle in Schmoditten bei Pr. Eylau und wurde dann im September 1915 als Superintendent nach Allenstein berufen. Ostern 1937 pensioniert, wurde er aber 1939 wieder als Garnisonpfarrer in Dienst gestellt und war als solcher bis zum bitteren Ende im Januar 1945 tätig. Trotz seines hohen Alters hat Herr Superintendent Lic. Wedemann die Strapazen der Flucht - zu Fuß über das Haff - gut überstanden und lebt jetzt mit seiner Gattin in Rotenburg a. d. Fulda, Arndtstraße 1. Möge ihm ein schöner Lebensabend beschieden sein! V. B.  

 

 

Seite 5   Unter dem Schnee. Johannes Trojan, ge. 14.08.1837 in Danzig

Wieviel schläft unter dem Schnee!

Das Korn im Felde, so weich bedeckt,

Viel tausend Knospen, so tief versteckt,

Bis all die schlafenden Augen weckt

Der Lerche Lied aus der Höh'.

 

Wieviel schläft unter dem Schnee!

Was neu erblühen wird zart und hold,

Wenn neu sein Banner der Lenz entrollt:

Des Veilchens Blau und der Primel Gold

Und Rosen in Fern' und Näh'!

 

Wieviel schläft unter dem Schnee!

Was hingebettet ist matt und müd';

Und nicht wird hören der Lerche Lied,

Geborgen vor Leid und Weh!

Wieviel schläft unter dem Schnee!

 

 

Seite 6   Ein Ostpreuße meisterte sein Schicksal. Carl Hermann Unthan, der armlose Lehrerssohn aus Sommerfeld

Gibt es ein schwereres Schicksal als das der Heimatvertriebenen? Können so schwere Schicksalsschläge ertragen oder gar überwunden werden? Gibt es seelische Kräfte, die dabei mitunter eine größere Rolle spielen als äußere Umstände? Alle diese Fragen beantwortet mit einem klaren „Ja“ das Leben eines ostpreußischen Landsmannes, dessen wir uns erinnern sollten, wenn wir mit den Schwierigkeiten des Alltags nicht glauben fertig zu werden. Es ist Carl Hermann Unthan, der vom ersten Tage seiner Existenz an von den meisten Menschen, die ihn sahen, bedauert wurde und der nach unzähligen Abenteuern in vier Erdteilen an seinem Lebensabend offen bekannte: Ich habe so glücklich gelebt, warum sollte ich über die Beschwerden des Alters klagen?

 

Sofort nach seiner Geburt am 05.04.1848 wurde er das Tagesgespräch in Liebstadt, wo gerade ein Jahrmarkt stattfand, und bald darauf wusste es die ganze Provinz: Der Lehrer in Sommerfeld im Kreise Pr. Holland hat ein Kind ohne Arme. Drei Gebote des Vaters bestimmten den Lebensweg des jungen Erdenbürgers: „Der Junge darf nicht bedauert werden", „Zieht dem Kind keine Schuhe und Strümpfe an; lasst die Füße bloß!" und „Lasst den Jungen machen; niemand helfe ihm bei seinen Versuchen!" So spielte und tobte der kleine Unthan mit gleichaltrigen Gefährten, saß zu Füßen der Mutter und fädelte ihr Nadeln ein, wenn sie nähte, und ging zur Schule, wo er vor der ersten Bank saß und ein 35 cm hohes Schreibtischchen ihn von einer Klasse in die andere begleitete. Mit fünf Jahren rutschte er an einem Sommertage, als das ganze Dorf bei der Ernte auf dem Felde war, in einen der elf Sommerfelder Teiche, und zwar in tiefes Wasser. Die Gefährten liefen schreiend auseinander, aber als der „Retter" herbeihumpelte, saß er schon am Ufer, ohne recht zu wissen, wie er wieder aufs Trockene gekommen war. Seitdem bestürmte er den Vater, mit ihm baden zu gehen. Nach langem Zögern gab der Vater nach, und Carl Hermann Unthan stellte fest: Er konnte schwimmen.

 

Fische von Weeskenitt

Immer wieder überraschte er seine Angehörigen durch neue Fertigkeiten. Eines Abends war er heimlich ins Bett gegangen, ohne sich beim Ausziehen helfen zu lassen. Man glaubte es ihm nicht, bis er es vormachte. Sogar die Kleider legte er fein säuberlich zusammen. Er freute sich, wenn ihm etwas aufgetragen wurde, z. B. von Weeskenitt Fische zu holen. Schuhe und Strümpfe zog er am Dorfrande aus, dann marschierte er barfuß die Viertelmeile hin und zurück mit einer Lischke über den Schultern. Zwei Schleie und zwei Hechte brachte er heim. „Was kosten sie?", fragte der Vater. „Sie haben mich selbst schätzen lassen." ,,Na, und?" - „Zwei Dittchen." - „Jung, du kannst uns immer die Fische holen." - „Mir aber war", so berichtet Carl Hermann Unthan später über diesen Tag, „als würde ich nächstens zum General ernannt werden."

 

Einmal fiel er von einem Neubau und zerschlug sich das Gesicht zu einer Geschwulst, in der die Nase verschwand. Einmal brach er beim Schlittschuhlaufen ein und ging bei 12 Grad Kälte im Sonnenschein auf und ab, bis der Anzug wenigstens nicht mehr tropfte. Bei einem Onkel spielte er mit einem geladenen Gewehr und zerschoss sich ein Schlüsselbein, dessen zersplitterte Enden ohne Narkose abgesägt wurden. Das war im Krankenhause zu Pr. Holland im November 1861. Zu Weihnachten war er wieder zu Hause. Die ganze Familie war so glücklich, dass eine Weile niemand reden konnte.

 

 „Vater, ich möchte geigen lernen", sagte Carl Hermann Unthan eines Tages. Alle lachten, er aber holte sich nach der Schulstunde einen Schemel aus der Küche, schob einen Riegel vor die Tür, band die Schulgeige auf den Schemel und geigte drauf los. Die Töne glichen nach seinem eigenen Eingeständnis dem Knarren einer Kirchentür. Aber er ließ den Mut nicht sinken. Die Noten kannte er vom Singen her, und die Griffe, die er nach langen vergeblichen Versuchen mit den Zehen des rechten Fußes machte, während der linke Fuß den Bogen führte, sah er dem Präparanden ab, der dem Vater als Hilfslehrer zur Seite stand. Eines Tages klopfte es, als er wieder Geigenversuche bei verschlossener Tür machte. Der Vater trat ein, ließ sich vorspielen und sprach daraufhin mit dem Dorfmusikanten Freitag in Göttchendorf, der in der ganzen Umgegend zum Tanze aufspielte und sogar Musiklehrlinge ausbildete. Der Vater kaufte für drei Taler eine Geige, die Mutter machte aus Fell einen Sack dazu, und zweimal in der Woche pilgerte Carl Hermann Unthan mit der Geige über der Schulter zum Musikunterricht. Er lernte aber nur Tänze, bis sein Leben eine entscheidende Wendung nahm: Er kam nach Königsberg.

 

In Königsberg

Gleich nach dem Probespiel erklärte Konzertmeister Wilhelm Schuster sich bereit, unentgeltlich jede Woche zwei Stunden zu geben, während der ebenfalls armlos geborene Privatdozent Dr. Lohmeyer zwei Unterrichtsstunden übernahm und einige Kollegen des Sommerfelders Lehrer am Altstädtischen Gymnasium versprachen, den Sohn in den Hauptfächern zu unterrichten. Die Pension bei einer Witwe Wall in der Neuen Gasse Nr. 1 kostete fünf Taler den Monat, mit Bedienung acht Taler. So begann für den 15-jährigen Carl Herman Unthan ein neues Leben mit systematischem Geigenunterricht, vor allem, nachdem der Stiefsohn des Müllers Patschke aus Sommerfeld, der in Königsberg Uhrmacher lernte, sich seiner angenommen und ihm eine bessere und weniger turbulente Pension bei Aktuar Werthmann besorgt hatte. Der gütige Musiklehrer verschaffte dem strebsamen Schüler mancherlei Vergünstigungen, z. B. durch Geheimrat Simon, den Vorsitzenden des Theaterausschusses, den freien Besuch der Oper, und zwar im Stehparterre, in dem man aber, wie jeder alte Königsberger weiß, auch sitzen konnte, wenn man nur zeitig genug im Theater erschien.

 

Carl Hermann Unthan war immer wieder begeistert, nicht nur von „Don Juan" am ersten Abend. Als er in den Ferien die Eltern besuchte und ihnen vorspielte, versicherten sie ihm, jetzt wüssten sie, dass er sich selbst werde ernähren können und nicht auf die Gnade anderer angewiesen sei. Zu Weihnachten bekam er von seinem Musiklehrer eine Geige geschenkt. Eine Sammlung in der Loge für ihn hatte zwölf Taler erbracht, den Rest hatte der Konzertmeister zugelegt.

 

Auf Anraten seiner Lehrer besuchte Unthan ein Jahr lang regelmäßig das Altstädtische Gymnasium. Nach intensiver Vorbereitung wurde die Prüfung zur Aufnahme in die Sekunda und ein Jahr später dann das „Einjährige" bestanden. Inzwischen wurde das erste öffentliche Auftreten arrangiert. Eine Subskriptionsliste deckte die Kosten. Schusters Sohn Richard übernahm die Klavierbegleitung. Der Saal der Bürgerressource war dicht besetzt. Den Anfang machte die von Frau. Werthmann mühevoll einstudierte Verbeugung. Dann erklangen die Töne der „Enchantresse" von Singelee, die donnernden Beifall einbrachte, und nach den Variationen in G-Dur von Rhode, mit denen der Abend beschlossen wurde, mussten viele Verbeugungen gemacht und zahlreiche Glückwünsche entgegengenommen werden. Schuster steckte dem Zögling die Abrechnung und Geld in die Tasche und empfahl ihm, etwas Warmes essen zu gehen. Müller Patschkes Sohn aus Sommerfeld war der einzige Gast der ersten selbstverdienten Mahlzeit. Dem Kellner konnte sogar ein Trinkgeld gegeben werden, und in dem langen Bericht an die Eltern, der sogleich abging, wurde nicht verschwiegen, dass von dem beiliegenden Verdienst ein Taler zurückbehalten worden sei.

 

Konzerte in aller Welt

Im Kriegsjahr 1866 verließ Carl Hermann Unthan Königsberg und nach kurzem Aufenthalt in Sommerfeld und Koschainen, wo sein Schwager ein Anwesen mit Gastwirtschaft betrieb, auch Ostpreußen, um seine Heimat nur noch besuchsweise wiederzusehen. Er ging zunächst nach Leipzig, wurde Schüler von Ferdinand David, der ihn privat unterrichtete, übte, dass ihm vom Geigen die Knie weh taten, studierte eifrig Musikgeschichte und Theorie und besuchte fleißig die Oper. Auch hier wurde sein erstes Auftreten, ein Wohltätigkeitskonzert, ein großer Erfolg, zumal ihm sein Lehrer David dazu eine Guarneri anvertraut hatte. Ein berühmter Musikkritiker interviewte ihn für die „Gartenlaube", die auch ein Bild von ihm veröffentlichte, und ein Dresdener Musikdirektor verpflichtete ihn für eine Reihe von Konzerten, in denen er so viel Geld verdiente, dass er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten konnte. Ein Würzburger Theaterdirektor wurde sein erster Manager, und damit begann für ihn, noch bevor er mündig wurde und so plötzlich, dass er nicht einmal die Einwilligung des Vaters abwarten konnte, eine Kette von Gastspielreisen, die ihn, mit Ausnahme von Australien, fast alle Länder der Erde kennen lernen ließ. Er wurde nicht nur der weltberühmte armlose Geiger, sondern auch Pistonvirtuose, Kunstschwimmer und Kunstschütze. Er spielte unter freiem Himmel vor Indianern in Amerika und in erlesenen Veranstaltungen vor europäischen Fürsten. Er ritt zweimal über die Kordilleren, fiel dabei vom Pferd und entkam mit knapper Not manch einem Raubüberfall. Mit einer aus Prag gebürtigen Meininger Schauspielerin verband ihn eine sehr glückliche Ehe, allerdings erst in gesetzterem Alter, denn er musste schon ein bisschen suchen, ehe er die für ihn passende Frau gefunden hatte. Er wurde mehrfach wohlhabend, nachdem er erhebliche finanzielle Einbußen erlitten hatte. Er wollte sich 1914, als das Herz zu klappern begann, in den Ruhestand zurückziehen, zog aber dann im Kriege von Lazarett zu Lazarett, hielt Vorträge und demonstrierte den Amputierten, was ein Mensch ohne Arme alles kann, wenn er will und die nötige Energie und Geduld aufbringt, es zu erlernen. Mit Prothesen hatte er nichts im Sinn, so dass manche Orthopäden mit seinen Ansichten nicht einverstanden waren. Beim Militärschwimmfest in Bukarest, bei dem er nach einem Hechtsprung die tollsten Kunststücke im Wasser vorgeführt hatte, traf er mit Mackensen zusammen, der zu erfahren wünschte, ob ein Hauptmannsgehalt genügen werde, nachdem Unthan ihm auf die Frage, was er für seine Dienste bekomme, erklärt hatte, er sei froh, wenn ihm keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt würden. Unthan bat, von einer Besoldung abzusehen mit der Begründung, er wolle alle, die sich noch rühren könnten, zu einem Arbeitsversuch veranlassen und von Selbstmordgedanken abbringen und befürchte, dass sein Wirken beeinträchtigt werden könnte, wenn man erfahre, dass er einen Sold beziehe.

 

„Morgen, Hermannche!"

Wiederholt hat Carl Hermann Unthan seine Heimat besucht und draußen in der Welt vor allem auch mit Ostpreußen Beziehungen angeknüpft. 1871 kam er nach 4 ½ jähriger Abwesenheit aus England. Spät abends traf er in Schlobitten ein und lag im Gasthaus auf der Ofenbank, bis um 5 Uhr die Post abfuhr. Der Vater hatte dem „Schwager" zehn Dittchen gegeben, damit er recht laut blase, wenn er den Sohn mitbringe. „Noch nie hat mir frisches Roggenbrot, frische Butter und Kaffee mit dickem Schmand so gut gemundet, wie nach meiner Heimkehr", beschreibt Unthan diesen Tag in seinen Erinnerungen. Die Kinder in der Schule in Sommerfeld wollten ihn sehen. „Morgen, Kinder!" - „Morgen, Hermannche!", war die Begrüßung. Einen Tag später, an seinem Geburtstag, holte er Fische aus Weeskenitt, wie als kleiner Junge, nur nicht mehr barfuß.

 

In dem schmutzigen Oldham in England erreichte ihn am 9. Mai 1872 die Depesche mit der Nachricht vom Tode des Vaters. Erst im Juli konnte er abkommen, ohne kontraktbrüchig zu werden. Er besuchte das Grab, fuhr nach Elbing und kaufte eine Umzäunung und blieb bis zum Herbst bei der geliebten Mutter, die inzwischen ein eigenes Heim bezogen hatte und ihm selbst riet, wieder seinem Beruf nachzugehen, da er sonst verkümmern würde. Beim Abschied an der Bahn sagte sie, tapfer lächelnd: „Das Schicksal ist uns immer gnädig gewesen."

 

In Buenos Aires wurde Unthan nach begeistert aufgenommenen Vorführungen der Artistengemeinschalt „Transatlantica" Gast deutscher Universitätsprofessoren und ihrer Angehörigen. Professor Kordgien, ein Masure, erzählte, wie überall in den Familien zum Schaden des Porzellanbestandes versucht werde, die Kunststücke der Artisten nachzumachen, und wie manch einer als Vorstudium zum Geigen die Füße gewaschen habe, bei diesem Versuch aber dann doch stecken geblieben sei.

 

Nach Auflösung der „Transatlantica" zog es ihn wieder nach Hause. In finsterer Nacht ging er zu Fuß zum Dorf und klopfte an das Fenster. Beim ersten Wort erkannte ihn die Mutter, die beim Auspacken des Koffers einen Schrei ausstieß: Auf dem Boden lagen lose fünfzig Pfund Kaffee. Als kleiner Junge hatte der Sohn einmal versprochen, der Mutter so viel Kaffee zu schenken, dass sie ohne Zusatz kochen könne. Noch im Dezember desselben Jahres rief ihn aus Paris ein Telegramm am Krankenbett der Mutter, und im darauffolgenden März erreichte ihn in Budapest die Nachricht von ihrem Tode. Sie hatte verboten, ihm mitzuteilen, dass es zu Ende ging. So schön auch die Rede des Pfarrers an ihrem Sarge war, Carl Hermann Unthan wusste und sagte es später: Wer anders kann eine Krüppelmutter kennen, als einzig ihr Krüppelkind!

 

Er wohnte im „Berliner Hof"

Rund drei Dutzend Jahre gingen ins Land, ehe in Königsberg, und zwar durch den Film, das Verlangen erwachte, Unthan wiederzusehen. Er wohnte mit seiner Frau im „Berliner Hof", vor dem er einst, wie ihm noch lebhaft in Erinnerung war, die Reisenden beneidet hatte. Schusters, des ehemaligen Geigenlehrers, Häuschen war einem stolzen Bau gewichen, und rund um den Schlossteich, den er noch vom Schlittschuhlaufen her kannte, war eine Promenade entstanden. „Bist du der Unthan von hier, so besuche mich bald", schrieb Fritz Nehm, der Gemeindevorsteher von Sommerfeld, dem Carl Hermann seinerzeit das ABC beigebracht hatte, denn schon vom zweiten Schuljahr an und auch später bei seinen Besuchen hatte er dem Vater beim Unterricht geholfen. Der Einladung wurde Folge geleistet und das Grab der Eltern besucht. „Mensch, wer müsse doch ooch ze sehe kriege, was die ganze Welt gesehen hat", bedrängte man ihn, und er antwortete: „Sonnabend wir fürs Dorf, Sonntag für die Umgegend gespielt. Wer braucht Geld?" - „Die Feuerwehr? ich bin Kassierer", rief Fritz Nehm. Großer Jubel allerseits, und die Sommerfelder Feuer wehr wurde um 500 Mark reicher. Das war kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Die Vorträge vor Kriegsbeschädigten in Lazaretten führten ihn auch zu Patienten der Hoeftmannschen Klinik.

 

Seinen Ruhesitz hatte Carl Herman Unthan in Prag, und als sein Heim dort von den Tschechen beschlagnahmt wurde, in Berlin aufgeschlagen, wo er am 21. November 1921 starb. „Sie sind der glücklichste Mensch, den ich kenne", hatte in New York jemand zu ihm gesagt, den sie John D. nannten. „Und Sie mit Ihrem Geld, Herr Rockefeller?" fragte Unthan. „Mit all meinem Gelde kann ich mir nicht Ihre Lebensfreude kaufen; ich bin durch mein Geld ein Sklave unter Sklaven . . ."

 

So berichtet Carl Hermann Unthan von dieser Unterredung in seinen Lebenserinnerungen, in denen er erklärt, dass er dank der rechtzeitigen Erkenntnis eines gütigen Vaters und seiner Erziehungsmethode nie in Drangsal geraten sei, und in denen er höchst anschaulich schildert, wie man mit Tatkraft und Zähigkeit selbst unter den größten Schwierigkeiten sein Schicksal meistern kann. Er gibt damit auch heute noch besonders seinen ostpreußischen Landsleuten ein Beispiel an Lebensmut und seelischem Gleichgewicht, das den Leidgeprüften instand setzt, dem allem Anschein nach vom Glück begünstigten Menschen neidlos und ohne Verbitterung zu begegnen.

 

 

Seite 6   2 Fotos. Wormditt mit seinen Laubengängen am Markt – Blick auf Freystadt/Westpreußen mit Stadtsee. Aufn. Archiv

 

 

Seite 7   Duisburg übernimmt Patenschaft für Königsberg

Es war das allgemein vaterländische Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem unglücklichen deutschen Osten, das im Rat und in der Verwaltung der Stadt Duisburg den Anstoß dazu gab, die Patenschaft für eine ostdeutsche Stadt zu übernehmen. Damit sollte ein Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Tradition der deutschen Städte hinter dem Eisernen Vorhang geleistet und ein Ort geschaffen werden, wo sich die aus der Heimat vertriebenen und im Bundesgebiet zerstreut lebenden Flüchtlinge von Zeit zu Zeit zusammenfinden könnten.

 

Hatte Köln sich für Breslau entschieden, so schien Königsberg das passende Patenkind für Duisburg zu sein. Beide Städte blicken auf eine ehrwürdige Vergangenheit zurück. Beide gehörten einst der Hanse an. Auch Duisburg hatte in brandenburgisch-preußischer Zeit eine Universität. Für beide Städte war der Hafen mit seinem sowohl binnenländischen wie der See zugewandten Schiffsverkehr, mit seinen Silos und Lagerhäusern und dem davon ausgehenden Handel eine Lebensnotwendigkeit. Hier wie dort hatte sich eine bedeutende, wesensmäßig allerdings verschiedene Industrie entwickelt. Unter den Heimatvertriebenen, die in Duisburg Aufnahme gefunden haben, sind über 6000 Ostpreußen, darunter 1000 Königsberger.

 

Schon bevor man sich über die Wahl der Stadt einig war, hatte man Beziehungen zu dem letzten Kurator der Albertus-Universität angeknüpft. Mit großer Anteilnahme (Foto: Oberbürgermeister August Seeling) ging der verehrungswürdige Dr. h. c. Hoffmann, der in Göttingen der Mittelpunkt eines Arbeitskreises ehemaliger Angehöriger der „Albertina" war, auf die Duisburger Anregung ein. Er sah darin den Ansatzpunkt zu einer „Tat, die von allen Ostpreußen als überaus bedeutungsvoll empfunden werden wird und von der die segensreichsten Wirkungen werden ausgehen können". Eine Besprechung mit den Duisburger Herren war angesetzt, um dabei feste Pläne zu fassen. Da starb Herr Dr. Hoffmann, der ein so guter Ratgeber hätte sein können, im März 1951. Aber sein Zuspruch wirkte über seinen Tod hinaus ermutigend.

 

Zunächst musste die Frage offen bleiben, welchen realen Inhalt die noch etwas vagen Vorstellungen von der neuen Aufgabe einmal bekommen würden. Was man nicht wollte, war allerdings klar: es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass das ganze Unternehmen nicht darauf hinauslaufen durfte, einen neuen „Verein“ zu schaffen (Foto: Blick auf die Rheinreede bei Duisburg) schaffen. Die Gründung eines Wohlfahrtsunternehmens war ebenfalls ganz ausgeschlossen. Was man in Angriff nehmen wollte, war mit früheren „Patenschaften" nicht zu vergleichen. Die in der Weltgeschichte der Neuzeit noch nie dagewesene neue Lage verlangte nach neuen Formen.

 

Während man dieser Unsicherheit noch Herr zu werden suchte, fiel im Sommer 1951 die Entscheidung über die Wahl des „Patenkindes". Auf einer großen Kundgebung der Ostvertriebenen, die am 5. August 1951 hier stattfand, hatte ein Mitglied des Rates zur großen Freude der Teilnehmer mitgeteilt, dass Duisburg die Patenschaft über eine Stadt des deutschen Ostens übernehmen wolle. Am 1. Oktober 1951 beschloss der Hauptausschuss, einen namhaften Betrag in den Etat des kommenden Jahres einzusetzen, um dieses Ziel zu verwirklichen. Am 26. Oktober 1951 einigte man sich im Rat der Stadt unter rückhaltloser Zustimmung eines Vertreters der Ostvertriebenen auf Königsberg, ein Beschluss, für den der derzeitige Kreisvertreter der Stadt Königsberg, Herr Konsul H. Bieske in Hamburg, im Namen seiner Landsleute einen herzlichen Dank übermittelte.

 

Nachdem nun die Wahl getroffen war und auch einige Mittel in Aussicht gestellt waren, um die praktische Arbeit beginnen zu können, nahmen auch die Pläne dazu allmählich greifbare Gestalt an. Heute stellt sich die Lage etwa so dar:

1. Es wird vor allem nötig sein, aus dem Kreise der Königsberger Vertriebenen eine geeignete Persönlichkeit dafür zu gewinnen, in deren Hand alle Fäden zusammenlaufen. Es müsste eine organisatorisch begabte, leistungsfähige Kraft sein; vielleicht ein Angehöriger der Königsberger Verwaltung, der in Duisburg ansässig werden und hier die Projekte, die unter den heutigen Verhältnissen und im Rahmen der verfügbaren Mittel möglich sind, zu verwirklichen suchen müsste.

 

2. Dazu wird es gehören, mit möglichst vielen Königsbergern aller sozialen Schichten Verbindung aufzunehmen. Wer in Zukunft irgendeine Auskunft über einen Königsberger Mitbürger sucht, sollte aus den hier zusammenlaufenden Nachrichten Bescheid erhalten, so gut es möglich ist.

 

3. Was an Erinnerungsstücken, Bildern, Akten, heimatlichem Schrifttum usw. nur erreichbar ist, müsste hier in Duisburg gesammelt werden, so dass eine Art Königsberger Stadtmuseum oder Archiv neu entstände.

 

4. Man müsste versuchen, bei freien Stellen in Verwaltung und Wirtschaft Königsberger zu berücksichtigen.

 

5. Ein regelmäßiges, vielleicht alljährliches Treffen der Königsberger in Duisburg wäre zu organisieren.

 

Weitere Maßnahmen würden sicherlich hinzutreten. Ein endgültiger Plan lässt sich jetzt noch nicht aufstellen. So könnte Duisburg, wie wir glauben und wünschen, durch sinnvolle Arbeit für die zerstreuten Königsberger ein echter Mittelpunkt werden, der sich neben der musealen Pflege der Tradition die Aufgabe stellt, vor allem den lebenden Menschen zu dienen.

 

Als Oberbürgermeister der Stadt Duisburg bitte ich hiermit alle Angehörigen der Patenstadt Königsberg, der Stadtverwaltung weitere im Rahmen des Möglichen bleibende Vorschläge für die Verwirklichung unserer Absicht mitzuteilen.

Seeling, Oberbürgermeister der Stadt Duisburg.

 

Foto: Königsberg/Pr., Roßgärter Markt

 

 

Seite 7   Ein Leserbrief: Forderung nach Preußen

„Der Leitartikel der „Ostpreußen-Warte" vom September 1951, unter der Überschrift „Die Frage nach Preußen", wird von allen Preußen mit herzlicher Freude gelesen worden sein. Endlich hat einmal eine Zeitung den Mut aufgebracht, von Preußen zu sprechen. Haben wir Deutschen, deren Heimatland Preußen ist, etwa kein Recht, von unserm Preußenland zu sprechen und auf unser Preußenland stolz zu sein? Haben dieses Vorrecht nur die Bayern oder Badenser, oder Hessen usw.? Soll es bei der im Siegestaumel 1945 von den Alliierten befohlenen „Liquidierung" von Preußen, unserm Heimatland, bleiben? Sollen einst, wenn unser Vaterland wiedervereinigt sein wird, zu den aus dem preußischen Staat herausgeschnittenen neuen „Ländern" Westdeutschlands vielleicht noch die „Länder" Ostpreußen, Pommern, Schlesien usw. hinzukommen? Wollen wir Preußen, denen man alles nahm, uns nicht endlich geschlossen und unzweideutig dazu entschließen, aus der „Frage nach Preußen" eine „Forderung nach Preußen", unserm Heimatland, zu machen? Wenn wir Preußen jetzt auch ein verstreutes Volk sind, arm und zerrissen sind, so haben wir dennoch und erst recht die Verpflichtung und das Recht, nicht nur Ostpreußen, oder Pommern, oder Westpreußen, oder Schlesien usw. zurückzufordern, sondern schlechthin Preußen! Preußisches Volk, besinne dich auf deine große und stolze Vergangenheit. Du bist genauso ein Teil des deutschen Volkes, wie es die Bayern und all die andern sind, mit denselben guten und schlechten Seiten. Erhebe endlich laut und klar die Forderung nach deinem Heimatland. Wir wollen als Deutsche auch jede weitere Zerstückelung unseres Vaterlandes verhindern! Auch darum fordern wir Preußen, und nicht seine einzelnen Provinzen." Heinz-Theo Teute

 

 

Seite 7   Abendgesang. Von Jochen Schmauch

Du, der Tag verliert den Strahl.

Abend will sich gütig neigen.

Und Du findest Dich einmal

Endlich Dir zu eigen.

 

Lösest Deiner Tage Hast

In das Dunkel der Gelände.

Deine Stirne nimmt zur Rast

Sich die Schale Deiner Hände.

 

Und Dein Leben fällt von Dir.

Deine Seele im Geleit

der Gestirne geht von hier.

Morgen kommt sie wie von weit.

 

 

Seite 8   Vom Wandervogel in Ostpreußen. Erinnerungen eines Königsberger Wandervogels zum 50-jährigen Jubiläum der Wandervogelbewegung. Von Dr. Bruno Paul

Im November waren es genau 50 Jahre her, als der Student Karl Fischer in Berlin-Steglitz den Wandervogel mit einer Schar Steglitzer Gymnasiasten gründete. Er hat es sich damals gewiss nicht träumen lassen, dass aus diesem unscheinbaren Jugendbund eine Jugendbewegung wurde, die sich über ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz verbreitete. Noch weniger konnte er ahnen, dass sein Werk noch nach 50 Jahren auf der Jugendburg Ludwigstein in Hessen gefeiert wurde.

 

So war dieser Jugendbund etwa im Jahre 1909 auch von Danzig aus nach Ostpreußen gekommen und hatte in den meisten Städten Fuß gefasst. Sein Zweck, das Jugendwandern unter jugendlichen Führern in denkbar einfachster Form und so billig als möglich zu machen, ist schließlich im ganzen deutschen Volke so bekannt geworden, dass es sich erübrigt, hierüber noch etwas zu sagen. Sicher ist nur, dass diese kleinen Gruppen in unserer Heimat noch ziemliches Aufsehen erregten, wenn ihre einzelnen „Horden" mit Rucksack und Kochkessel in Loden- oder Rippelsamtkluft zum Bahnhof eilten. Natürlich wurde nur in der damals noch bestehenden 4. Wagenklasse mit Kleinbauern, Händlern und Arbeitern zusammen gefahren, das Essen am offenen Feuer selbst gekocht und grundsätzlich in Ställen und Scheunen übernachtet. Diese spartanische Einfachheit war einer der vielen Vorzüge, die diese Jugendbewegung auszeichneten. Hinzu kamen das Erleben deutschen Volkstums in der näheren und ferneren Heimat durch engste Berührung mit allen Volksschichten auf den Wanderungen, Pflege des Volksliedes und Brauchtums und schließlich die sich aus alledem zwangsmäßig ergebende Erkenntnis des völkischen Wesens.

 

In Königsberg bestand im Jahre 1910 eine Ortsgruppe von etwa 60 Schülern und einigen Studenten, die in schnellem Wachstum begriffen war, so dass bei Ausbruch des ersten Weltkrieges etwa 250 „Scholaren", wie wir uns damals nach mittelalterlichem Brauch nannten, gezählt wurden.

 

Fast an jedem Sonntag ging es hinaus in die nähere Umgebung, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Unsere Ziele waren das Samland mit dem Alkgebirge (Galtgarben), Zehlaubruch, Lochstädt, beide wegen ihrer Ordensburgen anziehend, Kreuzburg mit dem Keugstertal, die samländische Steilküste, die Caporner Heide, der Fritzener Forst bei Groß-Raum und das Pregeltal. Das alles aber waren nur Vorbereitungen für die großen Fahrten. Die erste führte zum Gautag des Gaues Altpreußen (Ost- und Westpreußen) von Pillau aus über die Frische Nehrung nach der alten kleinen Bischofsstadt Frauenburg am Frischen Haff. Ich weiß noch genau, welch großes Erlebnis diese Pfingsttage 1911 in Frauenburg für uns war, als wir dort einige Hundert Wandervögel versammelt sahen. Unser Quartier war der Stallboden im Gasthof zum „Weißen Schwan", staubig und schlecht. Wettsingen und Wettkochen waren Höhepunkte der Tagung, aber das schönste war doch das Erlebnis des alle verbindenden Bandes der Kameradschaft.

 

Nach wenigen Wochen Schule begannen die großen Sommerferien, in denen die verschiedensten großen Fahrten starteten. Mir selbst wurde die Führung einer Wanderfahrt nach Masuren übertragen. Mit noch 6 Jungen fuhr ich nach Angerburg, von dort mit einem Dampfer nach Gr. Steinort, wo wir den herrlichen Eichenwald des Grafen Lehndorff besichtigten und dann im Dorfkrug erst mal ein kleines Fässchen Braunbier ansteckten. So war es damals im Wandervogel noch üblich. Dann wanderten wir zwei Wochen lang an den blauen masurischen Seen entlang über Lötzen, Nikolaiken nach Rudszanny in die Johannisburger Heide. Natürlich fehlte auch eine Bootsfahrt auf dem schönen baumüberdeckten Crutinnafluß nicht. Über Johannisburg marschierten wir bis an die russische Grenze bei Dlottowen. Natürlich mussten wir auch nach Russisch-Polen hinein. Einen kleinen Grenzschein bekamen wir damals leicht, und dann nahm uns ein polnischer Jude auf seinem kümmerlichen Wägelchen mit nach dem polnischen Städtchen Kolno. Nun waren wir zum ersten Male im Ausland. Alles fremdartig, die Blockhäuser, die ärmliche Bevölkerung in ihrer Lumpenkleidung, die vielen Kaftanjuden. So also sah es jenseits der Grenze aus, wieviel schöner, sauberer und ordentlicher war es doch in Deutschland! Mit billigen russischen Bonbons bewaffnet wanderten wir gegen Abend nach der Grenze zurück.

 

Im Herbst 1911 ging es mit „Onkel Franz", einem Studenten und 10 anderen Kameraden in die herbstlichen Wälder der Rominter Heide, um die Hirschbrunft zu erleben. Es war manchmal schon reichlich kalt beim Übernachten in den Scheunen, aber sonst war es herrlich, durch die gewaltigen Wälder im Herbstschmuck zu tippeln. Obgleich der Kaiser gerade zur Hirschjagd in seinem Jagdschloss in Rominten eingetroffen und das Betreten der Wälder für einige Tage untersagt war, hatten wir uns doch auf Seitenwegen wie die Indianer eingeschmuggelt und standen eines Abends vor dem Gasthof in Rominten, um dort Scheunenquartier zu beziehen. Große Aufregung um das Schloss herum. Wie sind nur diese jungen Leute hierhergekommen? Der Landrat des Kreises Goldap als verantwortlicher Mann wusste sich nicht anders zu helfen, als uns am nächsten Morgen durch zwei Gendarmen wieder aus dem Forst herausbringen zu lassen, nachdem wir vorher hoch und heilig hatten versprechen müssen, abends nicht in die Wälder zu gehen. Der Hofhaltung

des Kaisers hatte es aber Spaß gemacht, dass wir so keck vorgedrungen waren, und wir durften uns am Nachmittag einen Berg Kaffeekuchen aus der kaiserlichen Küche holen.

 

Die Hirsche hatten wir hier zwar nicht zu hören bekommen, aber das genossen wir in den nächsten Tagen von einer Försterei aus in dem wunderschönen Rothebuder Revier, das mit seinen Eichen noch viel schöner war als Rominten, übrigens hatten wir auf dieser Fahrt auch das Gestüt Trakehnen besucht und uns an den herrlichen ostpreußischen Pferden gefreut.

 

Auch in den Wintermonaten ruhte der Fahrtenbetrieb nicht, denn ein richtiger Wandervogel wollte zeigen, dass ihm kein Wetter etwas anhaben konnte. Einmal in der Woche kamen wir zum Singen und Vorlesen in unserm Nest zusammen, einem großen Zimmer in der Vorstadt, das uns ein Wandervogel zur Verfügung gestellt hatte. Erst später erbarmte sich die Stadt und überließ uns einen großen Dachraum in der Schlossstraße und viel später erst bekamen wir geeignete Räume im Wrangelturm. Lange genug hatten wir die Danziger um ihr schönes romantisches Nest im Stockturm beneidet, aber die heimatlichen Stadtväter hatten damals noch nicht viel übrig für die Jugendbewegung.

 

Der zweite große Gautag der altpreußischen Wandervögel fand zu Pfingsten 1912 in dem schönen Osterode statt, an dem nun erstmalig auch die Wanderschwestern mit ihren Gruppen teilnahmen und die Tage mit Volkstänzen verschönten. Nur bei dem Wettkochen auf einer Waldwiese konnten sie sich mit den alterfahrenen Jungenführern nicht messen, denn das aus Osteroder Hausfrauen bestehende Preisrichterkollegium vergab alle Preise an die Jungenhorden, weil sie schmackhafter und billiger gekocht hatten. Ja, wir Jungen hatten eben doch viel Praktisches auf unsern Fahrten gelernt?!

 

In diesem Sommer gingen nun auch die ersten großen Fahrten über die Grenzen der Heimatprovinz hinaus nach Thüringen, dem Schwarzwald und das Weichseltal aufwärts. Auf dieser Weichselfahrt geriet die Königsberger Horde auch auf den Truppenübungsplatz bei Graudenz und wurde dort von dem Kommandierenden General, dem späterer. Feldmarschall v. Mackensen freundlich begrüßt, viel beneidet von den wenigen Daheimgebliebenen.

 

Auch 1913 fand zu Pfingsten wieder ein Wandervogeltag statt, diesmal in Deutsch-Eylau, an dem beinahe 2000 Wandervögel aus Ost- und Westpreußen teilnahmen, denn die Bewegung war sehr gewachsen und es gab kaum noch eine Stadt in Ostpreußen in der nicht eine Wandervogelgruppe beheimatet war. Vorbildlich hatten der damalige Bürgermeister Giese Hand in Hand mit dem Chef der MG-Kompanie, Hauptmann Scherzer, uns jede Unterstützung mit Quartiergebung und Fuhrwerksgestellung unterstützt. Man hatte den Wert der Jugendbewegung erkannt und legte ihr keine Hindernisse mehr in den Weg. Aus Hunderten waren Zehntausende geworden.

 

In diesem Sommer gingen auch die ersten Fahrten ins Ausland, denn die Schwingen des Wandervogels waren erstarkt und regten sich mächtig. Allein aus Königsberg gingen zwei Fahrten, wegen der unterschiedlichen Ferien, eine für Schüler und eine für Studenten nach dem damals noch ungarischen Siebenbürgen zu unsern deutschen Volksbrüdern. Alle Teilnehmer waren voll des Lobes über die herzliche Aufnahme, die gerade wir Ostpreußen als Grenzdeutsche bei den siebenbürgisch-sächsischen Grenzdeutschen gefunden hatten. Als ein besonderes Erlebnis brachten wir Aufnahmen von der Siebenbürger Marienburg mit, die von unsern Deutschordensrittern als Trutzburg gegen Türken, Slaven und Rumänen dort unten 50 Jahre vor Gründung der Marienburg an der Weichsel erbaut war! Auch dies sollte man dem Wandervogel zugutehalten, dass er schon frühzeitig das Band zu den Deutschen außerhalb der Reichsgrenzen knüpfte und das Verständnis unter den Stämmen förderte.

 

Noch einmal traten einige Hundert ostpreußische Wandervögel eine große Fahrt an zu dem großen deutschen Wandervogeltag in Frankfurt an der Oder, bevor die Mehrzahl den grauen Rock anzog. Es war wohl das größte Erlebnis unserer Jugendjahre, als dort Tausende auf einer großen Waldlichtung lagerten, ein gewaltiges Feuer zum nächtlichen Himmel emporloderte, eine ernste weihevolle Stimmung über allen schwebte wie in Vorahnung auf das Kommende und der österreichische Wandervogelführer Kutschera seinen Feuerspruch sagte. „Vergesst uns Deutsche jenseits der Grenzen nicht!" Wir haben sie nicht vergessen. 7000 Wandervogelsoldaten besiegelten ihren Sonnwendschwur mit dem Tod. Eine Steintafel am Eingang der Jugendburg Ludwigstein kündet von ihnen und der Wandervogelleutnant und Dichter Dichter Walter Flex setzte ihnen und uns allen im „Wanderer zwischen den beiden Welten“ ein unvergängliches Denkmal.

 

 

Seite 8   Filme über Vertriebenenfragen

Göttingen. Louis Trenker hat die Absicht, einen großen Spielfilm über ein Vertriebenenschicksal zu drehen. Gegenwärtig wird eine Anzahl von Stoffen geprüft, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Bericht aus den vom Göttinger Arbeitskreis herausgegebenen „Dokumenten der Menschlichkeit aus der Zeit der Massenaustreibungen" zum Vorwurf genommen wird.

 

Soeben wurde von der Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft der Berolina-Farbfilm „Grün ist die Heide" zugelassen. Es handelt sich um einen Großfilm, der im Rahmen einer ansprechenden Spielhandlung das Vertriebenenproblem den Besuchern nahebringen und damit eine andere Einstellung der Öffentlichkeit zu den Vertriebenen erreichen will.

 

Der bekannte ostpreußische Filmproduzent Kurt Skalden hat soeben unter dem Titel „Vergiss nicht mein" einen Kulturfilm mit Spielhandlung herausgebracht, in dem gezeigt wird, wie die Heimatvertriebenen trotz aller Not ihr Schicksal meistern. Zugleich werden in dem Film Land und Leute im deutschen Osten gezeigt, so dass durch die Gegenüberstellung von damals und heute ein tiefer Eindruck erzielt wird.

 

 

Seite 8   Der Wächter von Szillen

Diese erschütternde Ballade der ostpreußischen Dichterin Charlotte Wüstendörfer, auf einer Dorfsage beruhend, fand sich wenig beachtet im Heimatbuch des Kreises Tilsit-Ragnit im Jahre 1932 und erscheint uns heute wie eine unheimlich klare und wahre Vision der furchtbarsten Katastrophe des deutschen Ostens.

 

Der Wächter von Szillen blies Mitternachtsstund‘

Da trat ein kleines Männlein aus dem Schattengrund.

„Pfeif dreizehn!" es sprach und ließ ihm keine Ruh,

Es kam jede Nacht und bat immerzu.

Und als er geblasen zum dreizehnten Mal,

Drei Särge standen vor ihm im Nebelstrahl.

 

Der erste, der war vom Blut so Rot:

„Ach, kleines Männlein, sag, deutet das meinen Tod?"

„Ach, Wächter, Dein Blut, das füllt ihn nicht.

Das ist das Blut von vielen tausend Reiterlein,

Die müssen nach Rußland und Frankreich hinein.

Das ist das Blut von tausend Frauen und Knaben,

Die werden die Füchse und Krähen begraben."

 

Der zweite, der war voll Wassers rein.

„Ach, Männlein, wird das ein böser Szaktarp sein?"

„Ach, Wächter, Memelwasser ist im Frühling kalt wie Eis,

Das rinnt nicht so bitter, so salzig und so heiß.

Das sind der Witwen Tränen um das verlorene Gut,

Um das blökende Vieh, das auf der Straße stirbt,

Um den Weizen, den der Feind in der Scheuer verdirbt."

 

Der dritte war so leer, darin war nichts zu sehn,

Kein Leichentuch, kein Kissen von Sägespän',

„O kleines Männlein, sage, wer soll denn da hinein?“

„Das wird der ganze Wohlstand deines Lebens sein.

Was lebenslang ihr schautet mit Fleiß und Sorg' und Treu,

Und dein Hol und dein Gut, die sind auch dabei,

Und dein Sohn ist dabei. Und du wirst sein Grab nicht sehn,

Und du selbst wirst heimatlos nach Westen betteln gehn."

 

Der Wächter von Szillen fiel auf sein Angesicht,

Er riet den Herrgott an, die Särge schwanden nicht.

Er sprach das Vaterunser und betete und rang,

Das Männlein ward ein Riese, dem vom Mund die Flamme sprang.

 

Da sah er auf vom Boden und faltete die Hand:

„Gib, dass ich's freudig gebe für's Vaterland."

Da klangen hell die Glocken vom nahen Kirchelein,

Und über Dach und Wiesen glitt der Mondenschein.

 

 

Seite 9   Schicksalstragödie in unseren Tagen

Es geht hier um einen Jener vielen an und für sich unbedeutenden Fälle, die sich Tag für Tag vor den Amtsgerichten abspielen und die oftmals einer gewissen Tragik nicht entbehren. Von einem Menschen ist die Rede, der das Pech hatte, in einem kleinen Augenblick seines Erdendaseins schwach geworden zu sein und um eine Winzigkeit gegen die Strafgesetze verstoßen zu haben.

 

Er ist Rentner, gebürtiger Ostpreuße, der es wohl einst nicht für möglich gehalten hätte, dass er seinen Lebensabend zusammen mit Schwiegertochter und Enkelkind in dem möblierten Zimmer einer Mietskaserne am Berliner Kreuzberg verbringen müsste. Aber nicht das war es, was den Zweiundsiebzigjährigen erschütterte. Weit mehr litt er unter der Ärmlichkeit seiner finanziellen Verhältnisse. Von den 63 DM Rente, die er bekommt, und dem, was das Sozialamt für die Schwiegertochter und den sechsjährigen Peter zahlt, müssen 32 DM monatlich allein für die Miete abgezweigt werden. Der Rest reicht nur für das Allernotwendigste.

 

Als der Schwiegertochter die Möglichkeit geboten wird, ein paar Mark nebenbei zu verdienen, erklärt sich der Schwiegervater sofort bereit, die Betreuung des kranken Enkelkindes und des Haushalts zu übernehmen. „Mein Schwiegervater ist ein Mann, der mit beiden Beinen fest in der Welt steht", erklärte die junge Witwe (ihr Mann ist 1944 in Russland gefallen) als Zeugin vor Gericht. Von ihr erfährt es auch Einzelheiten über das Vorleben des Angeklagten. Er selbst spricht nicht darüber. Er war Besitzer eines stattlichen Hotels, und 24 Angestellte halfen ihm dabei, dass die Gäste sich wohlfühlten. Dieser Mann sollte ein Dieb sein?

 

Zwei Apfelsinen von der Auslage eines Obstgeschäfts sollten seine Beute werden. Zwei von jenen Früchten, die sich der Hotelier früher wohl kistenweise ins Haus schicken ließ, die aber heute zu kaufen, der Rentner nicht mehr in der Lage ist. Nicht für sich wollte er sie haben. Das Enkelkind, das seit Wochen krank zu Hause im Bett lag und dem der Arzt Obst verordnet hatte, sollte die Früchte bekommen. „Als ich den Berg Apfelsinen sah, dachte ich sofort an den Kleinen. Erst am Tage zuvor hatte er mich gefragt, ob ich ihm welche mitbringen würde, und da habe ich es getan." Mit bewegter Stimme schildert der Angeklagte seine Tat. Dass sie missglückte, beweist der Prozess, den man daraufhin gegen den Rentner anstrengte. War das notwendig? Lohnte es sich, wegen zwei Apfelsinen den gewaltigen Behördenapparat in Bewegung zu setzen?

 

Der Staatsanwalt nannte das Geschehene „Diebstahl". Der Verteidiger sprach von einer „Affekthandlung", von einem menschlichen Kurzschluss im Gedankengang des Beschuldigten. Und der Angeklagte, was sagte er dazu? Er schwieg. Den Kopf mit dem grauen Haar hatte er in beide Hände gelegt und die Ellbogen auf der Brüstung der Anklagebank gestützt. Erst als ihn der Richter fragte, ob er von seinem Recht auf ein Schlusswort Gebrauch machen wolle, und er aufsah, bemerkten die im Gerichtssaal Anwesenden, dass er weinte. Die Beratung dauerte nur wenige Minuten. Dann verkündete der Vorsitzende die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit. Der Angeklagte erhob sich und trat noch einmal vor den Richtertisch, um sich mit einer stummen Verbeugung zu verabschieden. Mit einer Verbeugung, die, obwohl nur angedeutet, mehr ausdrückte als den Dank und die Hochachtung dem Gericht gegenüber. Und als dem Rentner auf dem Flur vor dem Gerichtssaal das Enkelkind jubelnd um den Hals fiel, lächelte auch er.

 

 

Seite 9   Die ostpreußischen Infanterie-Divisionen. Vermisstenliste der 21. Infanterie-Division erscheint.

Im Rahmen einer Schriftenreihe „Die deutschen Divisionen 1939 - 1945" werden im Verlag Hans-Henning Podzun, Kiel, im Laufe des Jahres 1952 aus der Folge „Ostpreußen" folgende Bände erscheinen:

1. Inf.-Division von Prof. Dr. Gunther Ipsen;

11. Inf.-Division von Werner Buxa;

61. Inf.-Division von Prof. Dr. Walter Hubatsch;

121. Inf.Division von Friedrich-Christian Stahl;

206. Inf.Division von Pastor Ernst Payk und

291. Inf.Div. von Prof. Werner Conze.

 

Bereits erschienen und erhältlich ist der Band „Weg und Schicksal der 21. Inf.-Division" von Hans-Henning Podzun (40. S., 2 Kartenskizzen, Kartoneinband, Preis 2,85 DM).

 

Nach einer Vereinbarung mit der DRK-Suchdienst-Zentrale München wird jeder Band der Schriftenreihe künftig eine entsprechende Vermissten-Liste als Beilage erhalten. Die Listen umfassen für die meisten Divisionen über 2000 Namen. Da die Angehörigen-Benachrichtigungen in den letzten Kriegsmonaten infolge der Durchbrüche und Einschließungen, der Flüchtlingsströme und des Bombenkrieges immer schwieriger und schließlich unmöglich war, muss damit gerechnet werden, dass eine große Zahl der Vermissten damals gefallen ist. Solange aber die Angehörigen keine sichere Nachricht erhalten, bleibt es ihr furchtbares Schicksal, in quälender Ungewissheit zu leben.

 

Die Vermissten-Liste der 21. Division (Friedens. Standorte 1939: Elbing, Braunsberg, Marienburg, Mohrungen, Marienwerder, Deutsch-Eylau, Osterode) umfasst 48 Einzelteile und enthält annähernd 3000 Namen. Die Vermissten-Liste der 21. Inf.-Division, die Anfang Februar erscheinen wird, wird allen überlebenden der Division von dem Herausgeber-Verlag kostenlos nachgeliefert. Die Überlebenden werden daher gebeten, ihre Anschrift umgehend an den Verlag Hans-Henning Podzun, Kiel, Holtenauer Straße 27B, zu senden, damit die Suchliste in möglichst großer Zahl versandt werden kann.

 

Der Band „61. Inf.-Division" von Prof. W. Hubatsch wird im Laufe des Januar erscheinen, da diesem Band ebenfalls eine Such- und Vermissten-Liste beigelegt wird.

 

 

Seite 9   „Alteingesessene" Ostpreußen  begingen ein Jubiläum

Bielefeld. Die enge Verbundenheit zwischen den früher nach Westfalen gekommenen Ostpreußen und ihren heimatvertriebenen Landsleuten kam anlässlich des 25-jährigen Bestehens der „Landsmännischen Vereinigung ostdeutscher Heimatvereine in Rheinland-Westfalen, Gruppe 422" (früher: Verein heimattreuer Ost- und Westpreußen) in Bielefeld zum Ausdruck. Der Vorsitzende der Landsmannschaft der heimatvertriebenen Ost- und Westpreußen, Fritz Michelau, hob in seiner Ansprache an die „alteingesessenen" Ostpreußen hervor, dass die Landsleute, die nach dem ersten Weltkriege, vor 25 Jahren, nach dem Westen übersiedelten, mit ihrem Zusammenschluss dasselbe Ziel verfolgten wie die Landsmannschaft, deren Mitglieder aus der Heimat vertrieben wurden: Die Pflege der heimischen Sitten und Gebräuche und die Förderung des landsmännischen Zusammenhalts. Der Verein hat in den letzten Jahren nicht weniger als 130 Patenschaften übernommen und sich auch sonst der Hilfsarbeit

 

 

Seite 9   Ostpreußische Betriebe bauen auf. 50 Jahre „Teucke & Koenig“

Am 1. Januar 1952 blickt die durch ihren original ostpreußischen Bärenfang überall in Deutschland bekannte Likörfabrik „Teucke & Koenig“ in Hannover auf ihr fünfzigjähriges Bestehen zurück. Sie wurde von den beiden Kaufleuten Max Teucke und Emil Koenig in Königsberg gegründet, ging jedoch nach dem Ableben Teuckes einige Jahre vor dem ersten Weltkriege in den Alleinbesitz Emil Koenigs über.

 

Das Haupterzeugnis der Likörfabrik ist der aus Alkohol und Bienenhonig hergestellte Bärenfang, der zu den ältesten und volkstümlichsten Spezialitäten gehört, die es in Deutschland gibt. Er wurde früher, als Ostpreußen noch „das Land der Bären und der Bienen" war, aber nur von den Imkern zubereitet. Im übrigen Deutschland hat er seine Beliebtheit erst durch die fabrikmäßige Herstellung seitens der Firma Teucke & Koenig gewonnen. Wer heute von Ostpreußen spricht, denkt sofort an den Bärenfang und sieht die von Baststreifen umhüllte charakteristische Flasche vor sich, auf deren Etikett ein Imker hinter einem Bienenkorb auf der Lauer liegt, um einen nach Honig lechzenden Bären zu fangen.

 

Die Königsberger Likörfabrik hat sich aber nicht auf den Bärenfang beschränkt, sondern ist neben anderen Spirituosen üblicher Art auch durch den „Koenigs-Kaffee", einen ebenfalls  zu den ostpreußischen Spezialitäten gehörenden, verschieden benannten Mokka-Likör und durch den „Kurfürstlichen Magenbitter" bekannt geworden.

 

Wie alle industriellen Unternehmen im deutschen Osten hat das Vertriebenenschicksal nach dem zweiten Weltkriege auch die Firma Teucke & Koenig hart getroffen. Nach erfolgter Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschalt gelang es Herrn Walter Koenig für das alte Unternehmen in Hannover aus eigener Kraft und mit geringen Mitteln unter Mithilfe des befreundeten Inhabers der bekannten Essigfabrik Stehr in einem Teil derer Räume eine vorläufige Betriebsstätte zu schaffen. Ein halbes Jahr später erfolgte der Umzug in die eigenen neu erbauten Fabrikationsräume.

 

Emil Koenig, der vor 1933 zwölf Jahre lang der erste Vorsitzende des Verbandes der Großdestillateure Ostdeutschlands war und außerdem dem Vorstand verschiedener anderer Fachverbände angehörte, konnte sich an seinem 80. Geburtstag schon wieder an dem neuen Aufblühen des einst von ihm gegründeten Unternehmens erfreuen. Das 50-jährige Jubiläum der jetzt von seinen beiden Söhnen Walter und Johannes geführten Likörfabrik, ist ihm aber versagt geblieben.

 

Obwohl die Firma Teucke & Koenig die Zahl ihrer früheren Gefolgschaftsmitglieder noch nicht wieder erreicht hat, bildet sie doch wie einst schon wieder den größten Bärenfanghersteller in Deutschland. Ihre Erzeugnisse haben auf den Ausstellungen und Gastwirtsmessen in Berlin und Köln nach dem letzten Kriege große Beachtung gefunden und besonders dem Bärenfang im Westen Deutschlands viele neue Freunde gewonnen. Hermann Ulbrich-Hannibal.

 

 

Seite 9   Westpreußen-Jahrbuch 1951/52

Das soeben erschienene Westpreußen-Jahrbuch 1951/52 kann man zu den besten und inhaltsreichsten Jahrbüchern Ostdeutschlands zählen. Auf über 150 Seiten bringt das Jahrbuch eine Fülle von hervorragenden Beiträgen westpreußischer und Danziger Persönlichkeiten und Schriftsteller, u. a. von Prof. Dr. Drost, Wolfgang Federau, Dr. Friede, Max Halbe, Prof. Dr. Keyser, Dr. Maas, Bernhard Pawelcik, Prof. Dr. Recke, Prof. W. Schumacher, Dr. Ernst Ziehm und Prof. Dr. Ziesemer. Das reich mit guten Bildern illustrierte Jahrbuch vermittelt allen Landsleuten aus Westpreußen ein echtes Stück Heimat. Das Jahrbuch ist im Verlag Rautenberg und Möckel, Leer zum Preise von 4,— DM erschienen.

 

 

Seite 9   Die Ordenskirche von Lindenau

Etwas abseits vom großen Straßenverkehr liegt die Ordenskirche, massig und massiv, des Kirchspiels Lindenau im Kreise Gerdauen. Welches Schicksal mag ihr nun bescheiden sein?

 

Nur spärlich fiel die Tageshelle in den weiten Kirchenraum. Von hohen Bäumen beschattet, bewahrten die schwerbeschlagenen Kirchentüren ihr düsteres Bild. An der Eingangspforte selbst war nichts Sonderliches zu beobachten, wenn nicht gerade die kreisrunden Gebilde an den ziegelsteinernen Türpfosten die Aufmerksamkeit des Kirchenbesuchers erregten. -

 

So berichtet die Historie, dass zur Zeit der großen Pest und bei Choleraepidemien die Leute die Türpfosten belagerten, mit den Fingern Ziegelmehl herauskratzten, den Ziegelstaub in die Speise hineintaten, um von der Krankheit geheilt zu werden. Dem Ziegelstaub aus dem geheiligten Gotteshaus schrieb man diese Wunderkräfte zu. Die Kirche in Lindenau gehörte zu diesen begnadeten Stätten, als sich früher in der Nähe der Kirche ein Wallfahrtsteich befand, dessen Wasser heilende Kräfte besaß. Zu beiden Seiten der Kirchentür konnte man 17 solcher Pestmale zählen, die den Besucher an schwere Notjahre unserer Heimat erinnerten. Noch schwerere Zeiten sind mit dem letzten Krieg und den Nachkriegsjahren über diesen Ort dahingegangen, und es müsste schon als ein Wunder gelten, wenn die ehrwürdige Ordenskirche in Lindenau diese Zeit überstanden hätte.

 

 

Seite 9   Niederpreußische Bühne neu gegründet

In Göttingen ist die Niederpreußische Bühne als hoch- und plattdeutsches Lese- und Spieltheater von Dr. Karl Bink wieder ins Leben gerufen worden. Sie war 1927 auf Anregung des verstorbenen Prof. Dr. Ziesemer in Königsberg gegründet worden und widmete sich der Pflege ostdeutschen Kulturgutes, insbesondere der plattdeutschen Sprache Ostpreußens. Die Bühne wird als unabhängige Organisation allen ostdeutschen Landsmannschaften und anderen interessierten Verbänden zur Verfügung stehen.

 

 

Seite 9   Der Heilquell im Walschtal bei Mehlsack

Vor vielen Jahren stand im Walschtal bei Mehlsack da, wo heute der Heilquell seine dunklen Wasser aus der Erde hervorspringen lässt, ein großes Schloss mit vielen schönen Wiesen und Äckern umgeben. Auf diesem Schloss herrschte eine hartherzige, böse und geizige Gräfin mit drei großen, bissigen Hunden. Wegen ihrer Grausamkeit und ihres großen Geizes, war sie weit und breit bekannt. Von einer Wiese, die ihren Besitz umgab, quoll ein Wasser aus der Erde hervor, das als Heilquell bekannt war, da durch seine Wasser schon viele Kranke wieder geheilt worden waren. Und da dieser Heilquell von weit und breit aufgesucht wurde, kam die geizige Frau auf den Gedanken, um diesen Quell einen hohen Zaun errichten zu lassen und jeder, der fortan zu ihm wollte, musste ein Eintrittsgeld an die Gräfin ausrichten.

 

Da geschah es eines Tages, dass zu dieser Quelle eine arme Frau und ihr totkrankes Kind wollten. Sie hatte aber keinen Pfennig Geld und konnte somit auch nicht den geforderten Eintritt bezahlen. Da ihr Kind aber schon im Sterben war, wollte sie noch versuchen, es von der Heilquelle trinken zu lassen. Schon wollte sie zum Tor hinein, als sie plötzlich eine barsche Stimme hinter sich vernahm, die da rief: „Geh fort von hier, du Elendige, mit solch einem Bettlervolk will ich nichts zu tun haben. Du kannst ja doch kein Geld bezahlen." Die arme Frau drehte sich um und gewahrte die Gräfin hinter sich. Sie bat die Frau inständig, sie möge doch nur einen kleinen Schluck von der Quelle trinken lassen, damit ihr Kind nicht stürbe. Die Gräfin blieb jedoch hart und schrie sie an: „Wenn du jetzt nicht gleich hier verschwindest, lasse ich dich mit meinen Hunden hinweghetzen."

 

Die arme verzweifelte Frau machte noch einmal den Versuch, die Gräfin umzustimmen. Diese aber rief ihre mächtigen Hunde herbei und hetzte sie auf die wehrlose Frau und ihr totkrankes Kind. Nun blieb der unglücklichen Frau nicht anderes weiter übrig, als das Weite zu suchen, in ihren Armen das sterbende Kind haltend. Als sie so ein Stück gelaufen war, drehte sie sich noch einmal um, erhob ihre Hände und stieß einen Fluch aus. Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, da sauste ein Blitz zur Erde nieder, dem ein gewaltiger Donnerschlag folgte. Als der letzte Donnergroll verhallt war, war auch das schöne Schloss mitsamt der stolzen Gräfin und ihren Hunden vom Erdboden verschwunden. Alles war versunken, nur der Heilquell sprudelte weiter aus der Erde hervor.

 

Seine Tiefe ist unergründlich und man sagt, dass er auch das Schloss und die Gräfin verschlungen habe. In den späteren Jahren hat man nahe der Heilquelle eine kleine Kapelle erbaut, die jeden Besucher zu einem stillen Gebet einlädt. Die Quelle aber sprudelt noch heute wie in jenen Tagen ihre dunklen Wasser lustig aus der Erde im Walschtal bei Mehlsack hervor. Ernst Kluckert

 

 

Seite 9   Foto: Unter einer dicken Schneedecke ruht um diese Jahreszeit das ostpreußische Land – Bauerngehöfte am Südrand der Rominter Heide. Aufnahme: W. Raschdorff (verstorben)

 

 

Seite 10   Suchdienst der Heimatortskartei für Ostpreußen

Wenn Ihnen über den Verbleib der Gesuchten etwas bekannt ist, geben Sie, bitte, direkt Nachricht an die Heimatortskartei für Ostpreußen, (24b) Neumünster, Postfach 178

 

Gesucht werden aus dem Kreis Heilsberg:

1. Heiligenfelde. Elisabeth Gredigk, geb. 14.11.1872, Ehefrau, gesucht von Bertha Putzer

2. Heiligenthal. Maria Kässler oder Käsler, geb. 02.03.1921, gesucht von Anton Käsler

3. Heilsberg, Bartenst. Str. 6. Hermann Ziegler, geb. 29.04.1931, Schüler, gesucht von Hermann Ziegler

4. Heilsberg. Ruth Ziegler, geb. 09.04.1928, Schüler, gesucht von Hermann Ziegler

5. Kleinenfeld. Anton Wolski, geb. 08.09.1894, Arbeiter, gesucht von Martha Wolski

6. Kolm. Robert Knauer, geb. 30.04.1885, Landwirt, gesucht von Maria Kauer (Schreibfehler? Knauer oder Kauer?)

7. Liewenberg. August Friese, geb. 04.09.1903, gesucht von Anna Volkmann

8. Mawern. Maria Bönig, geb. 10.11.1907, gesucht von Irmgard Bönig

9. Mawern. Erika Fahl, geb. 16.02.1922, gesucht von Margarete Fahl

10. Neugarschen. Anton Lange, geb. 12.09.1893, gesucht von Margarethe Lange

11. Neubof. Josef Kahlki, geb. 17.09.1880, gesucht von Maria Portgano

12. Peterswalde. Andreas Liedigk, geb. 03.10.1897, gesucht von Martha Liedigk

13. Raunau. Anna Boese, geb. Juli 1907, gesucht von Agathe Boese

14. Raunau. Hiepel, geb. März 1932, gesucht von Bruno Schulz

15. Raunau. Adolf Kather, geb. 16.03.1931, Schüler, gesucht von Joseph Kather

16. Raunau. Elisabeth Kather, geb. 30.05.1891, gesucht von Josef Kather

17. Raunau. Margarethe Kather, geb. 10.04.1929, gesucht von Josef Kather

18. Raunau. Maria Kather, geb. 08.04.1927, gesucht von Josef Kather

19. Raunau. Adolf Kehrbaum, geb. 31.05.1902, Landwirt, gesucht von Leo Kehrbaum

20. Raunau. Bruno Popien, geb. 05.10.1927, Arbeiter, gesucht von Martha Wald

21 Raunau. Alois Poschmann, geb. 1900, Landwirt, gesucht von Josef Poschmann

22. Raunau. August Poschmann, geb. 07.01.1873, Bauer, gesucht von August Poschmann

23. Raunau. Maria Poschmann, geb. 19.04.1878, Ehefrau, gesucht von August Poschmann

24. Raunau. Anton Tolksdorf, geb. 11.06.1878, Landwirt, gesucht von Anna Kriegs

25. Raunau. Maria Tolksdorf, geb. 20.04.1880, Hausfrau, gesucht von Anna Kriegs

26. Raunau. Martha Tolksdorf, geb. 06.12.1896, gesucht von Hubert Tolksdorf

27. Raunau. Otto Werr, geb. 23.03.1891, Schreiner, gesucht von Erika Werr

28. Regerteln. Anna Barzel, geb. 06.03.1909, gesucht von Martha Lange

29. Regerteln. Hedwig Barzel, geb. 28.09.1905, gesucht von Martha Lange

30. Regerteln. Frieda Gerecht, geb. 01.10.1927, gesucht von Maria Gerecht

31. Regerteln. Maria Grunwald, etwa 55 Jahre, Hausfrau, gesucht von Josef Gross

32. Regerteln. Bruno Grünwald, geb. 22.11.1886, Kaufmann, gesucht von Elisabeth Grünwald

33. Regerteln. Willi Maibaum, etwa 47 Jahre, gesucht von Anna Becker

34. Regerteln. Gustav Meyer, geb. 11.06.1906, gesucht von Otto Meyer

35. Regerteln. Ernst Wollmann, geb. 23.03.1890, gesucht von Gertrud Pietz

36. Regerteln. Fritz Peter, geb. 24.05.1930, gesucht von Paula Peter

37. Regerteln. Hugo Peter, geb. 17.11.1887, gesucht von Paula Peter

38. Springborn. Franz Kablau, geb. 15.07.1911, gesucht von Marie Witt

39. Springhorn. Georg Wilke, geb. 04.05.1902, katholischer Vikar, gesucht von Eilke Grego?

40. Springborn. Andreas Stange, geb. 07.09.1924, gesucht von Andreas Stange

 

 

Seite 10   Ehrenmal im Giesener Wald

Im Giesener Wald bei Hildesheim wurde von der Ortsgruppe des Bundes der Heimatvertriebenen ein Ehren- und Mahnmal errichtet, das weit ins hannoversche Land hineinragt. Auf einem fünf Meter hohen Steinsockel erhebt sich ein zehn Meter hohes Kreuz. Das Denkmal wurde von Heimatvertriebenen errichtet, in der Mehrzahl waren die freiwilligen Helfer Ostpreußen. Die notwendigen Anfuhren wurden von den einheimischen Bauern geleistet- die auch den Bau finanziell unterstützten. Die Idee des Denkmals, der auch den Entwurf zeichnete, stammt von dem früheren Leiter des Holzmessamtes Tilsit, Landsmann Schramm.

 

 

Seite 10   Der Schimmelreiter im Berchtesgadener Land

Der alte Brauch, dass in der Adventszeit der Schimmelreiter, der Bär und der Storch mit der „Pracherschen" durch das Land ziehen, wurde durch die Jugendgruppe der Vereinigung der Ost- und Westpreußen auch im Südostwinkel Deutschlands, in den Bayerischen Alpen, in Erinnerung gebracht. Im Rahmen der Weihnachtsfeier der Berchtesgadener Vereinigung kam das Spiel vom Schimmelreiter zur Aufführung. Dank einer geschickten Regieführung war es mit Heimatliedern und Volkstänzen ausgestattet und somit unterhaltsam und belehrend zugleich im Sinne der Pflege heimatlichen Kulturgutes. Eine schöne schauspielerische Leistung bot Herr Sohn. Die Aufführung bewies das schnelle und gute Zusammenwachsen der erst seit kurzer Zeit bestehenden Jugendgruppe. Im Übrigen war die Feier durch deklamatorische und musikalische Darbietungen ausgestaltet Die letzteren wurden von Frl. Else Neiß und Frl. Barbara Keil in ganz hervorragender Form bestritten. In seiner Ansprache gab der Vorsitzende der Hoffnung Ausdruck, dass auch den Vertriebenen das Licht in der Finsternis leuchten möge, nach dem die ganze Welt hungert, dass es auch uns den Weg weisen möge, wie es dies bei den Hirten und Königen im Heiligen Lande getan hat. Den unermüdlichen Helfern der Vereinigung, „Oma" Sturmhöfel und Frl. Else Neiß wurde die Ehrennadel mit Silberkranz überreicht. Über dreihundert wertvolle Geschenke für die Erwachsenen und sechzig für die Kleinen - sämtlich Spenden der Berchtesgadener Bevölkerung - kamen sodann durch eine Verlosung zur Verteilung. Allen Spendern sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt.

 

Aus einem internen, fast familiären Anlass, hatte in einer vorhergegangenen Sitzung die Vereinigung der Ost- und Westpreußen ein hochwertiges Programm gestaltet, das der Erinnerung an Königsberg gewidmet war. Das Ehepaar Sturmhöfel hatte sein 40-jähriges Ehejubiläum begangen. Da das Paar mit Königsberg auf das innigste verbunden war, kamen zu seinen Ehren Denker, Dichter und Komponisten aus der Kant-Stadt zu Wort und Ton. So waren die Jubilare, denen außerdem ein Geschenk überreicht worden war, geehrt, den übrigen Mitgliedern aber gleichzeitig die vielschichtige, kulturelle Bedeutung der Hauptstadt Ostpreußens vor Augen geführt worden.

 

 

Seite 10   Suchanzeigen

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meines verschollenen Mannes Emil Gardey, Angestellter d. Kreiskasse, Königstraße 65. Letzte Wohnung: Krausallee 26. Nachr. erb. Frau I. Gardey, Osnabrück. Jägerstr. 2, II r. (fr. Kbg., Krausallee 26).

 

Achtung, Tilsiter! Wer weiß, wo sich Herr und Frau Jakob Sedlin, Tilsit, Wasserstraße 13, befinden? Auskunft erb. Gertel Nuckel, Müllheim/Baden, Schillerstraße 37.

 

Achtung, Königsberger! Wer weiß, wo sich der Fleischergeselle Richard Schwarz, geb. 07.07.1907, befindet? Auskunft erb. Johanna Nuckel, Müllheim/Baden, Schillerstraße 37.

 

Anny Skrodski (geb. 1926?), ehemaliger Wohnort Bischofsburg, Wasserturm 9. Letzte Nachricht erhielt ich Anfang Januar 1945 aus einem RAD-Lager bei Rastenburg. Wer kann über den Verbleib Auskunft geben? Nachricht erbeten Alfred Bönig, Gifhorn (Hann.), Birkenkamp 1 (bei Jablonowski).

 

Wer war 1945 zusammen mit meinem Mann, Schneidermeister Fritz Hoppe, geb. 18.05.1895, im Lager Georgenburg bei Insterburg oder in einem Insterburger Lazarett und kann mir Auskunft geben über seinen weiteren Verbleib? Ferner suche ich meinen Bruder, den Grenadier Helmut Serowy. Anschrift vom Januar 1945: Stettin 10, Pz.Grd.-Ers.-Batl. 5, Genesungskomp. Nachricht erb, Frau Joh. Hoppe, (20b) Langenhagen über Harzburg (Harz).

 

Edith Trylaie, geb. Erdmann, geboren etwa Juni 1912 in Korschen (Ostpr.), letzte Anschrift Pr.-Holland. Frau Maria Hertel, geb. Niedwich, letzter Wohnort Ortelsburg, Inh. Blumengeschäft. Fritz Ritter, Königsbg., General Litzmann-Str.. zul. Wehrmacht, werden gesucht von Käte Stietzki (fr. Kbg.), jetzt Elmshorn/Holst., Philosophenweg Nr. 59.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib des Kindes Dieter Küch, geb. am 23.??.1942 in Königsberg und seiner Mutter Meta Küch, zuletzt bei Wagner I in Kobeln, Post Kiewitten, Kreis Heilsberg. Nachricht erbittet das Amtsgericht Osnabrück zum Aktenzeichen 8 II 222/50.

 

Frau Gertrud Blonski geb. Beckmann, aus Drugehnen, Krs. Samland, und Frl. Inge Rokowski, aus Königsberg, Cranzer Allee, werden gesucht von Frau Johanna Hoppe, (20b) Langenhagen über Harzburg (Harz).

 

 

Seite 10   Landsleute, bitte herhören!

Für die wertvollen Angaben in unserer Suchangelegenheit danken wir namens der Angehörigen der Vermissten folgenden Landsleuten:

Frau H. Lade, Gartenmeister Paul Fischer, Familie Emil Jakobeit, Gerd Ungermann, Maria Packheiser geb. Godau und Frau Brigitte Busse.

 

Als ermittelt gelten:

Hugo Angermann,

Hausmeister Willy Audörsch (Scheffnerschule),

Witwe Johanne Enderweit,

Lehrerin Wanda Ennulat (Roonschule),

Kurt Emmerich (Feuerlöschpolizei),

Pfarrer i. R. Martin Friczewski (Bruder d. Fürsorgerin Magd. F.),

Bezirksoberwachtmeister Walter Grünheit (Feuerlöschpolizei),

Angest. Erich Gusewski (Messeamt),

Dr. med. K. Hollander (St Kr.-Anst),

Angest. Hildegard Jorczig (Jugendamt),

Angest. Bruno Kramer (Kunstsammlg. d. St Kbg.),

Arbeiter Otto May (Ostmesse),

Witwe Pieper,

Stadtbaumeister Max Pulver,

Angest. Frau Erna Pieper (Wi A.),

Frau Luise Roese (Witwe d. Mag. Baurats),

Angest. Anna Schiel (K. W. S.),

Bezirksoberwachtmeister Franz Stein (Feuerlöschpolizei),

Frau Johanna Ting (Stadthalle),

Vorarbeiter Roman Wenzel (Gartenamt),

Spark.Beamter i. R. Kurt Wiechmann,

Lehrerin i. R. Helene Westphal,

Angest. Paul Zimmer (K. W. S.).

 

Als Tote haben wir zu beklagen:

Brunhilde Böse, gestorben 1946,

Dienststellenleiter d. Wi.-Amt in der Defaka Bellmann,

Lehrerin Katharina Kaslack, gestorben 1945,

St. Ass. in i. R. Marg. Neubauer, gestorben 1948,

Sportwart Oskar Powels, gestorben 1941,

Arbeiter Gustav Pieper (Schlachthof),

St. Sekr. Arthur Powels , gestorben 1945,

St Insp. Hans Redetzki, gestorben 1951,

Magistratsdirektor Schweiger u. Schwester,

Rektor Weyer, gestorben 1950 (Roonschule).

 

Vom 15. November bis 15. Dezember gingen hier 328 Anfragen ohne Rückporto ein, die wir leider nicht mehr aus finanziellen Gründen beantworten können. Der Suchdienst allein fordert bereits viele Portokosten und es geht nicht an, dass wir in anderen Angelegenheiten das Porto hergeben. Wir erhalten von keiner Seite eine finanzielle Unterstützung. Der Ansturm auf Ausstellung von Dienstbescheinigungen hat wiederum eingesetzt. Die Arbeitskameraden vergessen dabei, dass Begl. Kosten (mindestens 1,— DM u. Rückporto) beizufügen sind. Zuständig sind alle Arbeitskameraden der ehemaligen Personalabteilung Es genügt nicht der Antrag: „Stellen Sie mir bitte sofort eine Dienstbescheinigung aus". Die Angaben sind von dem betreffenden Kollegen im Antrage eidesstattlich zu versichern, denn es ist infolge der vergangenen Zeit unmöglich, sich auf den Betreffenden einwandfrei zu besinnen. Dabei sind die Angaben: Vor- und Zuname geb. - Ort, Dienstgrad, Eintrittsdatum, Beförderungs- und Versetzungsdaten, Gehalts- resp. Lohngruppe, mtl. Bruttogehalt, Besoldungsdienstalter usw. nicht zu vergessen. Wer dieses nicht beachtet braucht nicht zu rechnen, eine solche Dienstbescheinigung zu erhalten Nach Artikel 131 GG. werden die Bezüge nochmals zwecks endgültiger Regelung überprüft und helfen möchten wir doch allen Kameraden der Stadtverwaltung. Allen Königsbergern Landsleuten, die hier um Sparkassenkontenauszüge baten und kein Rückporto beifügten, an dieser Stelle zur Kenntnis, dass wir nicht im Besitze der Sparkassenkontenunterlagen sind. Ebenso können wir ohne Unterlagen in steuerlicher Hinsicht keine Auskunft erteilen.

 

Unsere gedruckten Anschriftenlisten sind vergriffen ein Nachdruck ist aus finanziellen Gründen nicht möglich. Die Nachbesteller erhalten in den nächsten Tagen ihr Geld zurück, da uns nicht ein Restant die Liste zurückgeschickt hat.

 

Im nächsten Monat tritt der Ferienteilnehmerausschuss zusammen. Frankfurt/Main wurde beim 3. Magistratsferientreffen und zwar im August 1952 bestimmt. 1953 werden wir unserer Patenstadt Duisburg die Ehre geben. Arbeitskamerad Max Wetzki Leiter des 4. Magistratsferientreffens, wird zur gegebenen Zeit Einladungen versenden. Selbstredend sind die Angehörigen aller Kameraden dazu herzlichst eingeladen.

 

Es gibt noch eine Anzahl Kollegen, die ihre Neuanschrift noch nicht hierhergereicht haben. Viele werden dieses Versäumnis bereits bemerkt haben, und wir bitten daher nochmals, dies nun schnellstens nachzuholen.

 

Wir suchen und wer berichtet:

In Nr. 12 der Ostpr.-Warte heißt es nicht St. O. Insp. Rudolf Dombowski, sondern Rudolf Dembowski

 

Otto Urmoneit, zuletzt Standesamt, Ehefrau Anna, geb. Führer und Sohn Horst.

 

Liesbeth Hein und Otto Fritsch, Friedrichstraße 12

 

Richard Schmeer, Magisterstraße 41

 

Franz Kuhn und Franz Kuhnert, Wilhelmstraße

 

Eduard Kittler, zuletzt Georgenburg bei Insterburg, Ledergroßhändler. Wer wr mit Genanntem zusammen? Feldpostnummer L 55 563

 

St.-O.-B.-Insp. Paul Jürgens, zuletzt Flakwehrmann, Feldpostnummer L 52 102/1 Berlin

 

Gasrohrprüfer Emil Hock, zuletzt Volkssturmmann.

 

St-O.-Sekr. Bruno Kirbach, zuletzt Betr.-Krankenkasse, fehlt bis jetzt jede Spur.

 

St.-Insp. Rusch, im April 1945 mit umgehängtem Gewehr vor dem Wi.-Amt noch gesehen worden.

 

Brückenaufseher Ernst Wolff, seit 28.10.1943 in Russland vermisst.

 

Friedrich Wächter, zuletzt Fuhrgesellschaft-Straßenreinigung.

 

Hans Georg Wrona, geb. 25.06.1925 in Schalmey, zuletzt Fahnenjunkerfeldwebel 3. Komp. Pi.-Batl. Ulrich von Hutten. Seit Kämpfe bei Kleutsch bei Dessau vermisst.

 

Stadtratswitwe Elisabeth Rosenstock, zuletzt Luisenallee 3, dann Lager Carmitten. Wo blieb die Genannte?

 

Helmut Dedat, zuletzt Feldwebel, Nachrichtenzug Gren.-Reg. 399, Feldpostnummer 16 691

 

Wolfgang Dedat, Unteroffizier im Sicherungsregt. 390, Feldpostnummer 07 228 E

 

St.-Ass. i. R. Adolf Wischnewski, letzte Wohnung Freystraße 11, dann 1944 in Pörschken, Kreis Heiligenbeil, seitdem keine Nachricht.

 

Frau Ursula Krause geb. Chmielewski, Witwe des O –Reg.-Rats Krause, zuletzt Frankfurt a. d. Oder. 1945 mit Sanitätsauto Richtung Berlin, Frankfurter Landsleute, wer sah und sprach Ursula Krause? – Wer hilft uns in der Berichterstattung? Wir suchen außerdem Familie Kläre Bollfraß aus Frankfurt/Oder. Vielleicht ist es möglich über Euch die Gesuchten zu finden. Zeigt uns einen Weg der zum Erfolg führt. Namens der alten Eltern bitten wir Euch darum.

 

Elektromeister Kurt Willi Lopp, zuletzt Hafengesellschaft, soll nach Richtung Riga transportiert sein. Jeder hier gemeldete Suchweg ist in ein Nichts geendet. Wer kennt den Genannten im Lager Riga?

 

St.-Insp. Karl Sellner, zuletzt Lager Pr.-Eylau. Wer sah und sprach ihn dort?

 

St.-Insp. Otto Sahm, zuletzt Betr.-Krankenkasse, letzte Nachricht 22.03.1945. Fehlt bis jetzt jede Spur.

 

Betriebssekretär Fritz Bartsch, 1945 Volkssturm, nach der Verwundung Lazarett Rettungsstelle 2, Schenkendorfplatz. Volkssturm-Batl. 25/80, 1. Komp.

 

Weiter Namen von Vermissten im nächsten Blatt der Ospr.-Warte.

 

Allen Landsleuten ein frohes neues Jahr! Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten. – Angestellten und –Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1

 

 

Seite 11   Familienanzeigen

Allen Ostpreußischen Pfarrgeschwistern muss ich leider die traurige Mitteilung machen, dass unser lieber Bruder, Pfarrer Helmut Guddas, Vorsitzender des Ostpreußischen Pfarrervereins, Pfarrer von Lindenau, Kreis Heiligenbeil, jetzt Pfarrer in Aurich, Vaihingen/Enz, am Tage nach seinem 62. Geburtstag unerwartet in die Ewigkeit abberufen wurde. Ein gesegnetes Leben hat ein frühzeitiges Ende gefunden. Mit seiner Ehegattin, seinen Kindern, treuen Freund und lieben Bruder im Amt. Mit fester Hand hat er unseren Ostpreußischen Pfarrerverein geleitet und ist mit seinen besonderen Gaben für die Rechte und Pflichten des Pfarrerstandes – oft unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit – jederzeit eingetreten. Vielen ist er ein Helfer gewesen. Sein Andenken als eines ausgeprägten ostpreußischen Menschen wird bei uns im Segen bleiben. Im Namen des Ostpreußischen Pfarrervereins, Bernecker, Superintendent. Wuppertal-Elberfeld, 20.12.1951

 

Wir haben uns verlobt! Elsa Broede, Göttingen, Klopstockstr. 3, früher: Königsberg/Preußen, Heinz Faßhauer, Mühlheim/Ruhr.Weihnachten 1951.

 

 

Seite 11   Suchanzeigen

Wer weiß etwas von Gutsbesitzer Carl Schmeckel, Hauptm. d. Res., aus Wiskitno, geb. 1886, mit Beinverwundung am 24.03.1945 ins Krankenhaus oder Marienhospital Danzig-Langfuhr gekommen, sollte am 25. mit Verwundetentransport nach Dänemark? Angaben erbeten an Dr. Weber, Arnsberg i. Westf., Auf der Alm 16 (fr. Königsberg, Wrangelstraße 43).

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal von Robert Hübner, geb. 28.01.1923 in Reichenbach, Kr. Pr.-Holland/Ostpr.? Seine letzte Feldpost-Nr. lautet: 24 810 A. Letzte Nachricht v. Dezember 1944. Er soll am 30. Juni 1945 aus dem Lager Eutin entlassen und in den Regierungsbezirk Arnsberg zur Arbeit geschickt worden sein. Nachr. erbeten an Robert Hübner, Reinhausen, Kr. Göttingen, Domäne.

 

Fredi Stöpel, Insterburg, Gartenstraße, später verzogen nach Danziger Straße, wird gesucht von Manfred Nuckel, Müllheim/Baden, Schillerstraße 37.

 

Wer weiß etwas über das Schicksal mein. Mannes, Landwirt Alfred Wiehler, geb. in Klettendorf, Kr. Marienburg, Feldp.-Nr. 40 232, SS-Untersturmführer. Letzte Nachr. vom Dezember 1944 aus Budapest (Ungarn). Nachricht erb. an Frau Hedwig Wiehler, Oldendorf über Elze/Hann., (20).

 

Paul Daniel, geb. 09.05.1903, war als O.-Insp. auf Rittergut Leip, Post Schmückwalde, Kr. Osterode tätig. Nachr. erb. an Albert Daniel, Gr.-Hehlen 91 über Celle, Bezirk Lüneburg.

 

Achtung, Königsberger! Wer weiß etwas über den Verbleib unserer Schwester Luise Christel Witt, geb. 14.06.1924, wohnhaft Königsberg-Ponarth, Elchdamm 1? Sie wird seit April 1945 vermisst. Nachr. erb. an Frau Marg. Haut, (17a) Karlsruhe/B., Ritterstraße 11.

 

Familie Simanowski, früher Skallischen, Kr. Darkehnen, wird gesucht von Rudolf Ehmer, Nieder-Ramstadt, Kr. Darmstadt, Oberramstädterstr. 115 (früher: Gumbinnen, Luisenstraße 18).

 

Emma Ball, Schwester, und Frau Kieffert, Hauswirtin aus Elbing, Feldstraße 16. Als ihr Haus im Januar 1945 niederbrannte, fanden beide Unterkunft im Hause Feldstr. 6 (Besitzerin Frau Stegmann). Wer weiß etwas über den Verbleib der Genannten? Nachr. erbeten an Frau M. Kalender, München 23, Brandenburger Straße 12.

 

Frl. Helga Blank, fr. Wohnort Deutsch-Wilten, Kr. Bartenstein (Ostpr.). Wer kennt den Aufenthalt von Frl. Blank oder kann über sie nähere Auskunft geben? Nachricht erb. an Helga Wenghoefer, fr. Rostau, Kr. Treuburg, Jetzt Handorf 23 bei Peine.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen vermissten Mann Paul Langwald aus Allenstein, Elsa-Brandström-Str. 18? Geboren am 14.09.1907. Er wurde am 21. Jan. 1945 in Allenstein zum Volkssturm eingezogen. Seitdem fehlt jede Spur. Wer weiß etwas über den Verbleib des Gesuchten? Nachr. erbeten an Frau Anna Langwald, Mödesse 1, Kr. Peine.

 

Frieda Oszkenat, verw. Schäfer, geb. Thiel, geb. 09.07.1892, in Königsberg, bis 1945 dort wohnhaft, Hermannallee, Hermann–Löns-Schule. Frau O. hat im März 1945 sich von Frau Anna Thiel, Kbg., Luisenallee 46, verabschiedet. Wird gesucht von Adolf Burblies, Halchter 39 über Wolfenbüttel.

 

Suche meinen Sohn Kuno, Emil Jenschewski, geb. 12.04.1926 in Königsberg, letzte Wohnung Selkestraße 16. War bis 25.04.1945 als SS-Schütze beim SS - Kraftfahrzeug-Depot II in Pörtz b. Bestensee, Kr. Teltow stationiert und ist von dort seit 25.04.1945 spurlos verschwunden. Seitdem fehlt Jede Spur. Ehemalige Kameraden der Einheit oder Russlandheimkehrer werden um Nachricht gebeten von Emil Jenschewski, Langen bei Frankfurt (M.), Birkenstraße 30.

 

Christel Reinboth aus Insterburg (Ostpr.), geb. am 29.07.1917, hat am 21. Januar 1945 Insterburg verlassen, um sich nach Lauenburg (Pommern) zu begeben, wo sich ihre Eltern aufhielten. Am 26.01. 1945 schrieb sie von Landsberg (Ostpr.) an ihre Eltern, dass sie auf dem Wege nach Lauenburg sei. Seitdem fehlt jede Spur von ihr. Wer kann über ihren Verbleib Auskunft geben? Um Nachricht bittet Karl Reinboth in Badenweiler, Baden, Kurheim Bethesda (17b).

 

Russlandheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über Bruno Stange, Kolpin, Krs. Kolberg, Pommern. Er war in russ. Gefangenschaft im Lager Schgoda. Nachr. erb. Paul Lessat, (20a) Ockensen über Elze (Hann.).

 

Kajewski, Fritz, geb. 05.05.1921, letzter Wohnort, Klein-Wittgirren, Kr. Insterburg. Letzte Nachr. 1944 von einer Luftwaffeneinheit. Wird gesucht von Fritz Schröder, (24) Bormstedt/Holstein, Meßhorn-Siedlung 2.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben üb. Frau Alma Schulz geb. Jetkowski, geboren 08.02.1914, wohnh. in Königsberg - Ponarth, Barbarastraße 39. Sie wurde 1945 In Kbg.-Goldschmiede mit mehreren Frauen von Russen auf LKW verladen und in unbekannter Richtung abtransportiert. Nachricht erb. an Ehemann G. Schulz, Northeim/Hann., Markt 16.

 

Joh. Hohmann , Bäckermeister aus Heilsberg, 1945 nach Russland verschleppt, dort am 27.04.1945 verstorben. Die Angehörigen werden gebeten, sich bei der Schriftleitung der Ostpreußen-Warte zu melden, da nähere Angaben gemacht werden können.

 

Regierung Allenstein! Wo befindet sich die Bearbeitungsstelle der Regierung Allenstein? Anschrift von Herrn Regierungspräsidenten Dr. Schmidt erb. an Otto Schulz, Göttingen, Bürgerstraße 32 (früher Allenstein, Beethovenstraße 14).

 

Hildegard Hiepler aus Gronau, Kr. Heilsberg, jetzt etwa 21 Jahre alt, wurde 1945 dem Arbeitslager in Braunsberg zugeführt. Vater August Hiepler im Februar 1945 von den Russen verschleppt und soll im März verstorben sein. Mit Hildegard waren mit unter den Verschleppten Herbert Steppuhn und Irmgard Kochowski aus Gronau. Alle drei haben sich bisher nicht gemeldet. Wer weiß etwas über den Verbleib der drei Genannten? Nachr. erb. an Frau Marta Hiepler (Mutter), Beucha b. Leipzig, Kleinsteinbergerstraße 86, Kr. Grimma.

 

161. Inf.-Division! Von der Kraftfahr-Komp. 241 der 161. Inf.-Div. (F. Nr. 35 778 werden gesucht: Rittmeister Albert Vogel, Königsberg, Ltn. Balke-Kbg., Ltn. Willy Preising-Skaisgirren, Hauptfeldwebel Bruno Klein-Guttstadt, Schirrmstr. Eduard Bischoff-Bischofsburg, Uffz. Fritz Eder-Pillkallen, Gill-Ragnit, Paul Großmann-Gr.-Puppen, Obergefr. Frz. Krause-Skaisgirren, Franz Apfinat Pillkallen, Heil - Elbing, Hans Schulz - Elbing, Joseph Stobbe Braunsberg, Martin Thiel-Heillgenbeil, Paul Czipera-Neidenburg oder Sensburg, Oberfeldw. Fritz Bartoleit aus Beynuhnen, Kr. Angerapp (im Div.-Stab, Geräteverwltg.). Die Kameraden oder deren Angehörige sowie alle übrigen Angehörigen der Division werden gebeten, sich zu melden, da aufschlussreiche Mitteilungen gemacht werden können. Nachr. erb. an Max Buttgereit, (14b) Obernheim, Kr. Balingen, Wttbg.

 

Friderike Allenberg geb. Nuckel, geb. 29.11.1968, fr. wohnhaft Insterburg, Gartenstraße 25a (auch Kammershaof b. Interburg). Auskunft erb. Otto Nuckel, Müllheim/ Baden, Schillerstraße 37.

 

Parplies, Margarete, geb. 01. oder 02.09.1921 zu Friedensfelde, Kr. Insterburg, letzter Wohnort Insterburg, Wiechertstr. Letzte Post aus Henkenhagen b. Kolberg im Januar oder Februar 1945. Wer kann mir Auskunft geben? Frau Alice Schröder geb. Daniel, (24) Bormstedt/Holstein, Meßhorn-Siedlg. 2.

 

Hain, Obermeister der Fleischer Innung Tilsit und Richard Preuhsler (ehem. Geschäftsführer im Fleischgeschäft W. Struwecker Tilsit) werden in einer dringenden Angelegenheit um ihre Anschrift gebeten. Nachr. an Elfriede Engel, geb. Preugschat, Landshut, Waldschmiedstraße 6.

 

Manfred Christahl, Fallschirmjäger, geb. 07.03.1926. Ist Ende Januar 1945 von seinem Ausbildungsstandort im Westen nach Berlin und evtl. von dort nach dem Osten gekommen. Letzte Feldp.Nr. im Westen L 62 737 J (i). Feldp.Nr. aus dem Osten oder Berlin ist nicht bekannt. Für etwaige, auch noch so unwesentlich erscheinende Nachrichten über den Verbleib m. Sohnes wäre ich herzlichst dankbar. Außerdem bitte ich um gefl. Mitteilung von Anschriften von Heimkehrern der Feldp.-Nr. L 62 737 und L 62 737 J (i). Unkosten werden erstattet. Nachr. erbeten an Gustav Christahl, (20a) Hannover-Linden, Im Bruchkamp 8 (fr. Kbg.Juditten, Hammerweg 125).

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über das Schicksal des Oberinspektors Fritz Henkensiefken und seiner Frau? Wurde 1935 oder 1936 von Berlin (Schloss Monbijou) nach Königsberg versetzt. Sie werden gesucht von Oberinsp. Alfred Drawer, (16) Wiesbaden, Dotzheimer Straße 4.

 

Preußisch-Holland! Wo wohnen Mitglieder der in Pr.-Holland beheimateten Familie Winz oder Wins. Wer kennt den Aufenthalt von Erna Winz(s). War 1925 in Berlin-Charlottenburg tätig? Gesucht von A. Drawer, (16) Wiesbaden, Dotzheimer Straße 4.

 

Wer kann Auskunft geben über Gefr. Jeroschewski, Hermann, geb. 21.06.1925 in Schwallen, Kr. Johannisburg (Ostpr.) Letzte Nachricht vom Januar 1945 aus Polen/Kielce. Feldp.-Nr. 40 332 D, Granatwerfer-Komp. Wer kann Näheres über den Verbleib meines Sohnes mitteilen? Unkosten werden erstattet. Nachr. erb. Hermann Jeroschewski, (20a) Celle III, Andertenhäusen Nr. 29.

 

Kittler, Eduard, Stabsgefreiter, geb. 26.05.1906, wohnhaft gewesen in Kbg. Wer war mit ihm Ende Juli 1945 im Gefangenen-Lazarett Georgenburg/Insterbg. zusammen oder weiß etwas über seinen weiteren Verbleib? Nachr. erb. Frau Rose Mecklenburg-Kittler, (23) Bremen, Vegesackstraße 13 II.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib von Frl. v. Negenborn, Königsberg, Luisenallee 32, Mittelschullehrer Hofmeister, zum Volkssturm einberufen, bzw. dessen Gattin, aus Königsberg, Dohnastraße 38, Familie Ritter, Heizer in der Reichsbank Königsberg? Nachr. erb. an Oberstleutnant a. D. Altschaffel, Bad König (Odw.), Landhaus Karoline - Altersheim.

 

Königsberger! Für Hinweise betr. Fam. Huuk, Petschat u. Laupichler wäre dankbar Max Huuk, Berlin N 65, Schönwalder Str. 21.

 

Frau Käthe Lettau geb. Fast, geb. 1920, zuletzt wohnh. in Elbing (bis 1945), Neue Gutsstraße 23. - Farn. Johann Knakowski, sowie Frau Elisabeth Knakowski, geb. Gutjahr, Beruf: Eisenbahner, geboren etwa 1890, zuletzt wohnhaft Marienburg/Westpr., Grüner Weg 12. - Fam. Hermann Schmitzger u. Frau Anna Schmitzger, geb. Gutjahr, geb. etwa 1890 - 1995, sowie Tochter Hildegard Schmitzger, geb. im Jahre 1925, zuletzt wohnhaft Marienburg-Willenberg, werden gesucht von Alfred Thimm, Kirchohsen bei Hameln, Brückenstr. 15.

 

O.-Jg. Herbert Holstein, geb. 28.02.1921, in Königsberg/Pr. Letzte Nachricht im Januar 1945 aus Wittstock/Dosse 6. Fallschirmjg.-Ausbildungs-Regt. 2. Heimatanschrift Pillau-Neutief/Ostpr. — O.-Gefr. Willi Harder, geb. 18.02.1913, in Kühnbruch über Friedland/Ostpr., Feldp.-Nr. 17 144 D. Letzte Nachr. im Febr. 45 aus dem Raum Rastenburg/Ostpr. Er soll bei Bartenstein verwundet worden sein. Heimatanschrift: Friedrichsdorf ü. Friedland/Ostpr. Land. — Otto Krause, geb. 20. April 1871 in Camstigall bei Pillau. Heimatanschrift Königsbg. (Pr.), Sackheim 90. Seit dem Sommer 1944 aufenthältlich Strommeisterei Taplacken, Kreis Wehlau/ Ostpr., soll von dort aus in das Lager Weißensee bei Insterburg gebracht und am 20. März 1949 in Richtung Berlin abtransportiert worden sein. Auskunft erbittet Familie G. Kösling, (24b) Tornesch (Holst.), Ahrenloher Straße 42.

 

Wo befinden sich Freunde und Bekannte, die im Jahre 1944 in den Ortschaften Feldhöhe und Lieparten, Post Argenhof, Kreis Tilsit.Ragnit gewohnt haben? Anschriften bitte sofort an Artur Boydoks, (20a) Hildesheim, Peiner Landstraße 256 (fr. Feldhöhe, Kr. Tilsit-Ragnit).

 

Emmler, Marga, geb. Röhmisch, Rev.-Förster-Witwe aus Osterode, Ostpr., Wilhelmstraße. Auskunft erb. Fr. O. Mielke, (20a) Sarstedt, Kipphutweg 6 pt.

 

Wer ist der Eigentümer?? In den Händen des Landsmanns Kurt Witzke, Lüthorst 64 über Kreiensen, befindet sich ein Sparkassenbuch der Stadtsparkasse Königsberg, Hauptzweigstelle Stadthaus. Das Buch hat die Nummer 12/07458 und weist einen Betrag von 8727,75 DM aus. Das Sparkassenbuch ist im Februar 1945 in einer Wohnung in Karlshof bei Fischhausen gefunden worden. Der Name des Eigentümers ist nicht verzeichnet. Landsmann Witzke möchte das Buch seinem Besitzer gerne zustellen.

 

 

Seite 11   Braunsbergs Überrumpelung 1520. Ein „Husarenstreich“ Hochmeister Albrechts

Der Friede zu Thorn vom 18. Oktober 1466 hatte dem Hochmeister des Deutschen Ordens die Pflicht auferlegt, dem polnischen  den Lehnseid zu leisten. Aber Hochmeister Herzog Friedrich von Sachsen (1498 bis 1510) huldigte dem Polenkönig nicht. Auch sein Nachfolger, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg-Asbach (1511 bis 1525), der durch seine Mutter ein Neffe des Königs Sigismund war, wich dem polnischen Ansinnen ebenfalls aus, den Lehnseid abzulegen. Im Gegenteil, Hochmeister Albrecht versuchte - aufs eifrigste unterstützt von seinem Rat Dietrich von Schönberg - gegen Polen ein großes Bündnis zustande zu bringen, dem neben einigen deutschen Fürsten der Kaiser, Dänemark und sogar Russland angehören sollten. Der Papst Leo X. wurde von den Ordens- und Kaiserdiplomaten so geschickt bearbeitet, dass er den Thorner Frieden verwarf und gemeinsam mit dem Kaiser dem Hochmeister untersagte, dem Polenkönig zu huldigen. Leider änderte Kaiser Maximilian um persönlicher Hausmachtpläne willen seine Stellung und ließ den Hochmeister fallen. Ja, er versicherte sogar, dass er die Ableistung des Huldigungseides durch den Hochmeister nicht mehr verhindern werde. Auch die anderen Bundesgenossen fielen zum Teil aus.

 

Hochmeister Albrecht aber wollte von seinem Plan nicht abgehen und rüstete im Stillen. Er ließ im Reiche Söldner werben und Geschütze kaufen. Für einen Krieg war er aber noch lange nicht vorbereitet, auch war die Zeit dafür noch nicht reif. Ein unglücklicher Zwischenfall beschleunigte den Ausbruch des Krieges; ihn rief der schlecht informierte, am Rhein werbende Graf Wilhelm von Isenberg dadurch hervor, dass er ein Söldnerheer und Geschütze durch die Mark Brandenburg leitete, ohne dazu beauftragt zu sein. Obgleich sich das Heer bald auflöste, waren die Polen durch die Truppenbewegungen gewarnt und begannen mit, Provokationen, die den Hochmeister veranlassten, den Krieg aufzunehmen, ohne die Vorbereitungen dazu beendet zu haben.

 

Es war wohl eine mutige, aber eine in ihren Folgen wenig überlegte Tat, die Hochmeister Albrecht am Neujahrsabend des Jahres 1519 einleitete. Am späten Nachmittag des 31. Dezember gegen vier oder fünf Uhr verlässt er mit etwa 160 Reitern Königsberg; ,,niemant wußte wohin." Noch am Silvesterabend erreicht der Hochmeister mit seinem Gefolge bei starkem Schneetreiben die Stadt Heiligenbeil und bleibt „da nachtt". Nach dem Königsberger Chronisten Balthasar Gans hält er hier Rat und bricht am frühen Neujahrsmorgen des Jahres 1520 - es ist ein Sonntag - mit seinem Trupp auf, dem sich ,,wol bei 100 Pferde“ vom Adel anschließen, so dass der Kriegshaufe im ganzen etwa 250 Reiter zählt. Einige Chronisten wissen auch von Fußsoldaten und mitgeführtem Geschütz zu berichten. Bereits gegen sieben Uhr früh steht Hochmeister Albrecht mit seinem ,,Kriegsheer" im Ordenshof Einsiedel, der unmittelbar an der Grenze des damals polnischen Ermlandes und am Rande des Weichbildes der Stadt Braunsberg lag. Man schickt einen Späher voraus der erkunden soll, ob das Stadttor geöffnet und bewacht ist. Auf ein Zeichen des Kundschafters stürmt der Hochmeister mit seinen Reitern auf das Tor zu und in die Stadt hinein. Denn der Torwächter, nach dem Chronisten Gans ist es der Ratsherr Fabian Gert, erkennt die Gefahr zu spät; vielleicht hat ihm der Schneefall die Sicht geraubt. Der Wächter will schnell die Brücke hochziehen, wird aber erstochen. Er bleibt der einzige Tote bei der Einnahme Braunsbergs.

 

Die Straßen der Stadt sind menschenleer, denn die Braunsberger, schlafen noch oder wohnen dem Neujahrsgottesdienst in der Pfarrkirche bei. „So ranten sie in die Stadt das es niemant gewar wart, den es war vnder dem sprengen das alle man in der kirchen was“, berichtet der Chronist Johannes Freiberg. Der Hochmeister fordert den Rat der Stadt zwei Mal vergebens auf, zu ihm herauszukommen. Deshalb reitet er selbst hoch zu Ross in die Kirche, wünscht den „Herren vom Braunsberg … ein gutes neues Jahr", sichert ihnen Leib vnd gut", worauf sie ihm auf dem Marktplatz den Huldigungseid schworen. Auch der Hauptmann des Braunsberger Schlosses, Fabian von Maulen, erscheint nach dreimaligem Auffordern vor dem Hochmeister und leistet gleichfalls den Eidschwur.

 

Als Hochmeister Albrecht Stadt und Schloss Braunsberg seinen Reitern übergeben und die Besetzung geregelt hat, kehrt er in der Nacht vom 1. zum 2. Januar „mit großen freuden" nach Königsberg zurück. Die Glocken der Stadt läuten durch die Stille der friedvollen Winternacht, und in den Kirchen erklingt das „Te deum laudamus". Der Königsberger Stadtschreiber Johannes Beler dichtet ein Lied, das er dem Hochmeister überreichen lässt. Es beginnt mit der Strophe:

 

„Es geschach auis new Jors gezceiten, an

einem Sonnabend, spet,

Der homeister tet aus reiten ein Sach vor

handen het,

Die wolt er furstlich enden mit einem

hauffen clein,

Gluck tet sich zu ym wenden, den

Braunsperck nahm er ein."

 

Bereits am Montag, den 2. Januar, erhielten die drei Städte Königsberg (Altstadt, Kneiphof, Löbenicht) Befehl, „iren höchsten fleis anzuwenden", 300 Handwerksgesellen und 250 Bürger als Besatzung für Braunsberg anzuwerben. Jedem Gesellen sagte man für die Woche eine Mark Sold zu. Am nächsten Tage brachen dann 500 Dienstwillige mit je einem Ratmann und Schöppen aus jeder der drei Städte nach Braunsberg auf, das der Hochmeister auch sonst stark befestigen ließ.

 

Obgleich die Stadt Braunsberg dem Hochmeister gehuldigt hatte und eine starke Besatzung sie schützte, misstraute er ihr doch. Er ließ zwölf Ratsherren, darunter auch den Bürgermeister Teschner, gefangen nehmen und, von Knechten bewacht, nach Königsberg schaffen. Ein neuer Rat trat an die Stelle des alten. Friedrich von Heideck, den der Hochmeister zum Befehlshaber von Braunsberg ernannt hatte, wies er am 8. Januar sogar an, die Keller der Braunsberger zu überwachen, weil er erfahren hatte, dass sie „heimlich Volk" darin verbergen wollten. Die Ratsherren blieben bis gegen Palmsonntag in Königsberg gefangen; doch schon in der Woche nach Ostern wurden drei von ihnen, darunter Teschner, nach Königsberg zurückberufen und von neuem gefangen gesetzt.

 

Mit der „Einnahme" Braunsbergs hatte der Reiterkrieg begonnen. Das Tor zum Ermland war aufgestoßen, aber damit war noch nicht viel gewonnen. Der glückliche Anfang sollte sich bald ins Gegenteil kehren. Der Chronist Simon Grunau bemerkt in seiner „Preußische Chronik", als er von dem Glockengeläut und Tedeum in Königsberg berichtet, dass viele Bürger der Überzeugung waren: „Wir freuen uns itzundt zum neuen jahre; aber es istt zu besorgen, das nun eine betrubte Fasttnacht und Ostern hernach folgen werden".

 

Sie haben recht gehabt; denn der kurze, aber grausam geführte Krieg (bis April 1521) verwüstete besonders das Ermland und das Oberland. Die Polen durchstreiften auch mehrmals das natangische Land bis Königsberg und verbreiteten überall Elend und Not, Raub und Mord und machten das Land zur Einöde. Nicht nur Bauerngehöfte, ganze Dörfer und Städte gingen in Flammen auf. Hochmeister Albrecht verzettelte seine Kräfte und vergeudete seine Zeit mit kleinen Eroberungen im Ermlande, anstatt sich mit dem aus dem Westen anrückenden Heere zu vereinigen, das schließlich auseinanderlief. Ein vierjähriger Waffenstillstand, der im April 1521 in Thorn zustande kam und der Friede zu Krakau im Jahre 1525 machten dem blutigen, aber ergebnislosen Kriege ein Ende. Preußen blieb bis ins 17. Jahrhundert ein polnischer Lehnsstaat, wenn auch unter neuen staatlichen Formen

 

 

Seite 11   Foto: Marienwerder, Blick auf Schloss, Dom und Regierung. Aufn.: Archiv

 

 

Seite 11   Die Kaffeetreppe von Marienwerder. Von Hilda Schlaenske

Wir stehen auf dem Weichseldamm am Hafen von Kurzebrack und schauen nach Osten in die Weichselniederung mit ihren fruchtbaren Äckern und Wiesen. Von ferne leuchtet der rote Ziegelbau des Schlosses Marienwerder in der Abendsonne. Wir wandern die 5 km Chauseestraße entlang der Stadt entgegen. Die Kirchturmspitzen der katholischen Kirche und der Turm des Rathauses ragen über das Häusermeer hinaus. In den vielen Fenstern eines großen, weißen Gebäudes spiegelt sich die rotgoldene Sonne; es ist das Regierungsgebäude. Marienwerder war seit Friedrich dem Großen, seit 1772, die Hauptstadt Westpreußens, bis das größere und bedeutendere Danzig an die erste Stelle trat. Das geschah 1816 unter dem Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen Theodor v. Schön.

 

Wuchtig und schwer steht das alte Ordensschloss auf der Anhöhe und zieht bei unserer Wanderung unsere Blicke immer wieder an sich. Aus dem 62 m hohen Glockenturm hören wir weithin schallend das Geläut der volltönenden Domglocken. Hinter diesem kantig und trotzig aufragenden Turm erstreckt sich nach Osten der Dom, ein mächtiger, gotischer Bau aus der Ordenszeit. Dieser Dom ist die drittgrößte Kirche des Ordenslandes nach der Marienkirche in Danzig und der Klosterkirche zu Oliva. Nach Westen schloss sich das Ordensschloss an. Hier hatten die Bischöfe von Pomesanien, dem Landstrich südlich von Marienburg, zur Zeit des Ordens ihren Sitz. Die Bischöfe waren Ordensbrüder wie die weltlichen Brüder; sie unterstanden alle dem obersten Gebietiger, dem Hochmeister.

 

Dem Schloss vorgebaut ist der Dansker. Er spannt seine fünf Bogen über die Straße, und sein wuchtiger Endturm zeugt von Kraft und Stärke. Im Innern ist über den Bogen ein Gang, auf den einige Kammern gehen, die zur Ordenszeit als Küchenräume dienten. Solch einen Dansker hatte auch das andere Bischofsschloss Heilsberg im Ermland.

 

An den Dansker schloss sich die Stadtmauer von Marienwerder an, die durch Tore unterbrochen war. Von der Weichselniederung kam man das „Niedertor" herauf und musste noch vor 150 Jahren durch das Stadttor gehen. Hier saßen die Torwächter und vor allem die Zollbeamten, die die Waren, die die Kaufleute in die Stadt brachten, zu besteuern hatten. Damals zahlte der Landbewohner eine Gesamtsteuer, den Hafenschoss oder die Kontribution genannt. Die Städter aber zahlten eine Art Verbrauchssteuer, die auf die in die Stadt eingeführten Waren umgelegt wurde, die Akzise. So konnte es vorkommen, dass manche Waren auf dem Lande billiger waren als in der Stadt.

 

Auf unserer Wanderung durch die Niederung nähern wir uns der Stadt. Als wir die ersten Häuser der Vorstadt hinter uns haben, gehen wir nicht bergan das Niedertor hinauf, wir biegen vorher in die Danziger Straße ab und stehen nach wenigen Minuten unter den wuchtigen Bogen des Danskers. Dann aber wenden wir uns zurück und steigen die sehr breiten und flachen Stufen der „Kaffeetreppe" hinauf, um schnell in der Stadt zu sein.

 

„Kaffeetreppe!" Immer wenn ich diese Treppe den Mauerwall hinaufgegangen bin, dann fühlte ich mich in die Zeit des alten Fritz versetzt. Waren da in den Büschen nicht halbwüchsige Jungen versteckt, die ab und zu hervorlugen? Richtig aus der Niederung herauf schleichen sich dunkle Gestalten heran. Plötzlich ertönt der Ruf: „Hellblau!" Die Gestalten ducken sich, von den Jungen ist nichts mehr zu sehen und zu hören; aber über der Mauer wird die hellblaue Mütze eines Zollbeamten sichtbar. Und noch einer erscheint, und sie recken sich über die Mauer, wobei ihre hellblauen Uniformkragen sichtbar werden. Sehr aufmerksam halten sie nach Schmugglern Ausschau. „Blitzblau!" ertönt von irgendwo der Ruf. Alle Gestalten sind wie der Blitz verschwunden, nur die Zollbeamten sind misstrauisch geworden. Sie treten an der Seite der Mauer ins Freie, und man sieht ihre dunkelgrüne Uniform. Und ehe ich dies recht gewahr werde, erschallt der dritte Ruf: „Donnergrün!" Jetzt ist höchste Gefahr. Kein Junge ist zu erblicken, keine Schmugglergestalt taucht auf. Nach einer Weile gehen die Beamten weiter. Die Luft ist rein. Und schon tauchen aus den Verstecken „Männer und Frauen auf, sie eilen die „Kaffeetreppe" hinauf, denn sie schmuggeln billigeren Kaffee über diese Treppe in die Stadt, und der Städter freute sich, wenn er dem Staat ein Schnippchen geschlagen hat. Nur die Hausfrau muss sich vorsehen, dass sie bei der „üblen Kaffeeriecherei" der Zollbeamten nicht erwischt wird. Wir aber steigen vergnügt die alten Stufen der Kaffeetreppe hinauf und gelangen durch die Milchgasse auf den Marktplatz.

 

An der Apotheke unter den Lauben stoßen wir fast mit einer Frau zusammen, die einen vollen Milchtopf trägt; aber ihr Ruf „hellblau" warnt uns noch rechtzeitig. Und das Niedertor hinunter rodeln eine Schar Jungen und Mädel. Sie machen sich die Bahn frei mit dem Ruf „hellblau!" und dann lauter „blitzblau!" und zuletzt ganz energisch „donnergrün!"

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